12/13 ”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp Department f. Virologie d. Med. Universität Wien 1095 Wien, Kinderspitalgasse 15 Tel. +43 1 40160-65500 Fax: +43 1 40160-965599 e-mail: [email protected] homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at Das Varizella zoster Virus und Erfahrungen mit der Impfung Robert Strassl und Theresia Popow-Kraupp Das Varizella zoster Virus (VZV) ist weltweit verbreitet und gehört zu der Familie der humanpathogenen Herpesviren. Ein Erstkontakt mit dem hochinfektiösen Virus führt, nach einer Inkubationszeit von 10-21 Tagen, zur Varizellen Erkrankung, die landläufig auch unter den Namen Windpocken, Feuchtblattern oder Schafblattern bekannt ist. Typischerweise tritt die Erkrankung bereits im Kindesalter auf (Seropositivität der 10-15 Jährigen: >90%) [Nardone et al.; Vaccine 2007; 25: 78667872] und verläuft bei immungesunden Kindern zumeist relativ komplikationslos. Schwere Krankheitsverläufe werden aber auch bei sonst gesunden Kindern beobachtet. Bei Erwachsenen, schwangeren und abwehrgeschwächten Personen (z.B. Patienten mit onkologischen Grunderkrankungen, Patienten nach Organ- bzw. Stammzelltransplantation, HIV-infizierten Patienten) kommt es jedoch sehr viel häufiger zu gefürchteten Komplikationen wie z.B. einer generalisierten Infektion, einer postinfektiösen Enzephalitis oder zu bakteriellen Superinfektionen. Infektionen während der Schwangerschaft bzw. um den Geburtstermin können weiters zu einer konnatalen Varizelleninfektion (fetale Schädigungen bei mütterlicher Infektion vor der 21. SSW in bis zu 2%, Letalität in ca. 30%) bzw. zum fetalen Varizellensyndrom bei Infektion der Mutter am Geburtstermin (Letalität bis zu. 20%) führen. Erfreulicherweise wurde bereits in den 1970er Jahren ein Impfstoff zur Prävention der Erstinfektion entwickelt. Der Lebendimpfstoff wird subcutan injiziert und basiert auf dem attenuierten japanischen Oka Virusstamm. Er ist im Allgemeinen sehr gut verträglich, und in den USA werden bereits seit 1997 flächendeckend alle Kinder zwischen 19 und 35 Monaten geimpft. Obwohl bereits durch die einmalige Gabe des Impfstoffes die Anzahl der VZV- bedingten Hospitalisierungen und Todesfälle nachweislich um 80-90% reduziert werden konnten [Schmid et al.; Clin. Micr. Rev.; 2010; 202-217], wurde in Folgestudien gezeigt, dass bei ca. 15-20% der einmal geimpften Kinder Varizelleninfektionen aufgetreten sind (sogenannte Durchbruchsinfektionen), wobei deren Häufigkeit mit dem Zeitabstand zur Impfung zugenommen hat. Auch wenn diese Infektionen in der Regel sehr viel milder verlaufen sind und weniger ansteckend waren als Wildvirusinfektionen, wurde das amerikanische Impfprogramm zur Steigerung der Wirksamkeit der Impfung im Juni Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet. 2006 auf die Gabe von 2 Impfdosen adaptiert. Den amerikanischen Erfahrungen mit der VZV Impfung entsprechend wird auch in Österreich Kindern und seronegativen Erwachsenen eine zweimalige Impfung empfohlen [ unter:http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Praevention/Impfen/Oesterreichischer_Im pfplan_2013]. Die Wirksamkeit diese Impfkonzepts wird durch eine erst rezent publizierte Studie bestätigt, die zeigt, dass es bei 2829 Kindern nach zweimaliger Impfung in einem Beobachtungszeitraum von 14 Jahren zu keinen Durchbruchsinfektionen gekommen ist [Baxter et al.; Pediatrics; 2013; 131: 1389f]. Wie jedes Herpesvirus besitzt auch das VZV die Eigenschaft, nach der Erstinfektion eine latente Infektion zu etablieren. Dabei persistiert das VZV lebenslang in Spinalganglien- und Gliazellen der Infizierten. Mit zunehmendem Alter bzw. abnehmenden virusspezifischen Gedächtniszellen steigt die Wahrscheinlichkeit einer Virusreaktivierung und damit das Risiko einen Herpes zoster zu entwickeln. Ebenso wie bei einer Erstinfektion kann es bei immungeschwächten Personen häufiger zu schweren Verläufen eines Herpes zoster kommen, die mit Komplikationen wie z.B. der postherpetischen Neuralgie, bakteriellen Superinfektionen sowie disseminierten Infektionen einhergehen. In den letzten Jahren ist eine kontroversielle Diskussion über die Auswirkung der Impfung gegen Varizellen auf die Inzidenz von Herpes zoster entbrannt. Obwohl bisher bei Weitem noch nicht alle Faktoren, die zum Auftreten eines Herpes zoster führen, geklärt werden konnten, zeigen Untersuchungen, dass der Kontakt mit dem Wildvirus zu einer Anhebung virusspezifischer Gedächtniszellen (Boosterung) führt und somit einer Virusreaktivierung und damit einem Herpes zoster entgegenwirkt. Da die Datenlage, trotz großer Studien nicht eindeutig ist, besteht nach wie vor Ungewissheit über die Auswirkung von hohen Durchimpfungsraten auf die Wildviruszirkulation, die Kinetik virusspezifischer Gedächtniszellen und die Inzidenz von Herpes zoster. Für ältere und/oder multimorbide Patienten besteht auch die Möglichkeit einer Immunisierung gegen Herpes zoster. Der Zoster-Lebendimpfstoff (Zostavax) beinhaltet eine signifikant höhere Viruskonzentration als der Impfstoff gegen die Erstinfektion und bewirkt eine Steigerung der VZV spezifischen Gedächtniszellen. Laut einer rezent veröffentlichten Studie konnte durch die Zosterimpfung die Anzahl der Herpes zoster Fälle, im Vergleich zu den Ungeimpften um fast 50% reduziert werden [Langan et al.; PLoS Med; 2013; 10: e1001420]. Eine 12/13-2 VIR. EP. INF. NR. _______ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet. entsprechende Impfempfehlung ist zwar im österreichischen Impfplan für Personen über 50 Jahre enthalten, leider ist der Impfstoff jedoch derzeit, bedingt durch limitierte Mengen auf Grund des aufwendigen Herstellungsverfahrens, in Österreich nicht erhältlich. Aus virologischer Sicht bedarf es noch weiterer Studien vor allem über lange Beobachtungszeiträume, um den tatsächlichen Einfluss der Impfung gegen die Erstinfektion auf die Inzidenz von Herpes zoster abschätzen zu können. In jedem Fall stellt die Erstinfektion mit VZV keine harmlose Kinderkrankheit dar sondern kann zu erheblichen Komplikationen führen. Dementsprechend sollte das amerikanische Impfprogramm, das sich nachweislich als sehr wirksam erwiesen hat, auch dem europäischen Raum als Vorbild dienen. 12/13-3 VIR. EP. INF. NR. _______ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.