Früheingliederung: Welche Akteure, welche Rollen, welche Ziele? 16.3.2017, Olten Wo stehen wir bei der Früheingliederung psychiatrischer Patienten? Niklas Baer Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation Inhalt Wie früh ist «früh»? Zur Dynamik psychischer Behinderung am Arbeitsplatz Die hauptsächlichen Akteure im frühen Problemstadium Hinweise für die Praxis Die meisten psychisch Kranken sind erwerbstätig … Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung, nach psychischen Gesundheitszustand und Land Severe ill-heatlh Moderate ill-heatlh No ill-health 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Switzerland Norway Australia Netherlands United StatesUnited Kingdom Sweden OECD (2015), Fit Mind, Fit Job, OECD Publishing, Paris. Denmark Austria Belgium … haben aber Probleme bei der Arbeit OECD (2015), Fit Mind, Fit Job, OECD Publishing, Paris. Langer Vorlauf der Arbeitsprobleme Ersterkrankungsalter IV-Rentner nach Code 646 gemäss IVAkten Baer, Frick, Fasel (2009) 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0-5 Verteilung Ersterkrankungsalter bei Personen mit psychischen Störungen, NCS-R 2001-03 Kessler et al. (2005) 5-10 10-15 15-20 Median age of onset 20-25 25-30 30-35 25th percentile 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 75th percentile 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Anxiety disorder Mood disorder Impulse-control disorder Substance use disorder Any mental disorder 60-65 Die entscheidenden Störungen bei IV-Rentnern aus «psychogenen» Gründen Prozent 0 Persönlichkeitsstörung rezidivierende Depression somatoforme Störung somatische Erkrankung Schizophrenie Ängste Polytoxikomanie Belastungsstörung Alkohol Neurasthenie Diagnosen mit n>20; Baer, Frick & Fasel 2009 5 10 15 20 25 30 35 Inhalt Wie früh ist «früh»? Zur Dynamik psychischer Behinderung am Arbeitsplatz Die hauptsächlichen Akteure im frühen Problemstadium Hinweise für die Praxis Belastung der Vorgesetzten Ärger / Wut über sein Verhalten Gefühle von Frustration / Ohnmacht / Hilflosigkeit Konflikte mit dem Team / Ihrem Vorgesetzten Probleme mit dem Abschalten nach der Arbeit Kündigungsgedanken Mitleid und Hilfebedürfnis; das Gefühl, Sie seien seine einzige Chance Verunsicherungen, ob Sie als Führungskraft / HR überhaupt geeignet seien Schlafprobleme / Müdigkeit / Erschöpfungsgefühle juristische Probleme 0% 10% 20% 30% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 40% 50% 60% 70% Belastung der ArbeitskollegInnen «Haben sich Mitarbeitende bei Ihnen über MA beschwert?» «Haben sich Mitarbeitende überlegt, selbst den Arbeitsplatz zu wechseln?» ja, mehrmals 15.4% nein, gar nicht 16.5% ja, einmal 9.5% ja, einmal 17.9% ja, mehrmals 74.0% nein, gar nicht 66.7% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 Wie intervenieren Vorgesetzte und HR? (2010) 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Probleme werden früh bemerkt, aber erst spät bewusst realisiert Problem erstmals wahrgenommen 40 rückblickender Problembeginn 34.9 35 29.4 30 25.3 25 17.6 20 10.6 10 5 16.3 14.3 15 9.2 7.5 23.4 8.7 2.9 0 vor Stellenantritt Januar - Aprill 2016 seit Stellenantritt < 6 Monate nach Antritt 6-12 Monate nach Antritt 1-2 Jahre nach Antritt 3-5 Jahre nach Antritt 11 Der « richtige » Zeitpunkt, Probleme anzusprechen Wenn man merkt, dass man froh ist, wenn der betreffende Mitarbeiter bei einem Meeting etc. nicht… Wenn man als Führungskraft zum erstenmal nicht gut schlafen kann wegen dieser Situation Beim ersten Mal, wenn man ein Problem wahrnimmt auch wenn man es nicht beweisen kann Wenn man als Führungskraft zum erstenmal besondere Gefühle (Ärger, Mitleid oder Stress) gegenüber solch… Wenn man nach längerer Zeit das sichere Gefühl hat, das geht so einfach nicht mehr weiter Wenn man Beweise in der Hand hat: stichfeste dokumentierte Leistungseinbussen oder belegbare… Wenn man genügend Indizien oder Hinweise hat, dass seit längerer Zeit deutliche Verfehlungen vorliegen Wenn man die Leistungseinbussen des Mitarbeiters klar dokumentieren kann 0% 10% 20% 30% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE).2015 40% 50% 60% Eskalation der Probleme am Arbeitsplatz (BS) Absenzen sind ein schlechtes Warnsignal 100% 90% 80% 49% 70% 49% 54% 33% 36% 60% 9% 15% 50% 40% 30% 19% 19% 30% 59% 49% 20% 32% 27% 20% 10% im weiteren Verlauf sehr früh überhaupt nicht Januar - Aprill 2016 en La ng ze ita bs en z nz en Ku rz ab se un g w ie de rh ol te Le ist un ge nü ge nd e rb ei ts ve rh al te n un ge nü ge nd es A zw isc he nm en sc hl ic he Ko nf lik te 0% 14 Teamklima leidet nicht immer gleich 50% 40% 30% 20% 10% 0% Januar - Aprill 2016 15 «Vermutete oder wusste das Team, dass MA ein psychisches Problem hatte?» ja, schon früh im Problemverlauf 24.1% ja, erst später im Problemverlauf 49.2% nein 26.7% Inhalt Wie früh ist «früh»? Zur Dynamik psychischer Behinderung am Arbeitsplatz Die hauptsächlichen Akteure im frühen Problemstadium Hinweise für die Praxis Wer hat bei Problemlösung geholfen? (2010) 50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Inhalt Wie früh ist «früh»? Zur Dynamik psychischer Behinderung am Arbeitsplatz Die hauptsächlichen Akteure im frühen Problemstadium Hinweise für die Praxis Praktische Hinweise 1. Gründliches Assessment vor Intervention - Arbeitsbiografie (Problemmuster, Einflussfaktoren) - Persönlichkeit fokussieren - Fremdanamnese - Kompensationsmöglichkeiten am Arbeitsplatz (Ergonomie) 2. Frühzeitige Kooperation mit IV, CM und Arbeitgebern - Kontakt Arbeitgeber sehr früh mit Patient besprechen, Optionen aufzeigen - Umfeld unterstützen, nicht nur auf Klient fokussieren - Stützendes – langfristiges - Setting initiieren - Kommunikation bei längeren Krankschreibungen 3. Anreize für Arbeitgeber 4. Verstärkung IV-Frühintervention und Arbeitgeberberatung durch Versicherer