Projekt „Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung ALGUND

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Projekt „Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung ALGUND“:
Charakterisierung und Klassifizierung der Phänomene von langsamen kriechenden
Verformungen in einem Talzuschub und ihrer Folgeerscheinungen im Rahmen einer
geologischen Gefahrenzonierung sowie zur Projektierung von Monitoringsystemen
im Rahmen des Interreg Projektes III B
CADSES Monitor
Bericht über das erste Bearbeitungsjahr des Projektes
Verfasst von
Dipl. Geol. Sebastian Willerich
Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der Technischen Universität München
[email protected]
30 Seiten, 36 Abbildungen
München, den 31.03 2008
Autonome Provinz Bozen – Südtirol
Abt. 11.6
Amt für Geologie und Baustoffprüfung
Inhalt
1
Allgemeines ...............................................................................................................................1
2
Geografische Lage des Projektgebietes .......................................................................................1
3
Projektziele ................................................................................................................................3
4
Projektbeteiligte .........................................................................................................................3
5
Methodik....................................................................................................................................3
6
Gegenwärtiger Bearbeitungsstand des Projektes..........................................................................4
7
Geologischer Überblick ..............................................................................................................6
8
Festgesteine des Arbeitsgebietes .................................................................................................8
9
8.1
Paragneise und Glimmerschiefer, Gneis-Glimmerschiefer ..................................................8
8.2
Orthogneise........................................................................................................................8
8.3
Amphibolite.......................................................................................................................9
8.4
Magmatische Gänge...........................................................................................................9
Hydrogeologischer Überblick .....................................................................................................9
10
Bewegungsstrukturen im Bereich des Talzuschubs Algund...................................................10
10.1
Gliederung des Talzuschubs Algund.................................................................................12
10.2
Gründe für die Ausbildung des Talzuschubs Algund.........................................................13
10.3
Alter der Massenbewegung, Tiefenlage der Bewegungsflächen und Aktivität ...................15
10.4
Bewegungszentren ...........................................................................................................16
10.4.1
Vellau......................................................................................................................16
10.4.2
Leiteralm .................................................................................................................18
10.4.3
Gebiet zwischen Kienegger, den Forstwegen „Kienegg-Töllwald“ und „Töllwald“
sowie der Hofstelle Oberplatzer................................................................................20
10.4.4
Gampenkuhalm........................................................................................................22
11
Zukünftige Projektphasen.....................................................................................................25
12
Schlussbemerkung................................................................................................................26
13
Literatur ...............................................................................................................................27
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
I
Autonome Provinz Bozen – Südtirol
Abt. 11.6
Amt für Geologie und Baustoffprüfung
1 Allgemeines
Mit der im September 2007 unter der Verzeichnisnummer 45 abgeschlossenen Konvention wurde eine
wissenschaftliche Zusammenarbeit zu oben genanntem Projekt zwischen der Autonomen Provinz Bozen und Technischen Universität München mit einer vertraglichen Laufzeit bis zum 30.06.2009 vereinbart. Die Zusammenarbeit findet auf Basis des entsprechenden Forschungsantrages vom April 2007
zwischen dem Amt 11.6 (Geologie und Baustoffprüfung) der Autonomen Provinz Bozen (im Folgenden bezeichnet als APB)und dem Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der TU München (im Folgenden
bezeichnet als TUM) statt.
An der TUM ist eine laufende Dissertation (Dipl. Geol. Sebastian Willerich) mit dem Projekt verbunden.
2 Geografische Lage des Projektgebietes
Das Arbeitsgebiet befindet sich bei Algund auf dem Gebiet der APB, im Bereich der orografisch linken Talflanke der Etsch (öffentl. Gewässer APB Nr. A) etwa 6 km nordwestlich von Meran. Es erstreckt sich von der Talsohle auf Seehöhe ca. 400 m bis zum Grat der Talflanke auf SH ca. 2600 m
und den Übergang ins nördlich gelegene Spronser Tal. Nach Westen wird das Arbeitsgebiet durch den
Töllgraben (Nr. A.195) und nach Osten durch den Grabbach (Nr. A.165.20) begrenzt. Das gesamte
Gebiet ist von tiefgründigen Massenbewegungen erfasst und wird daher aus geologischer Sicht als
„Talzuschub Algund“ bezeichnet.
Abb. 1: Lage des Projektgebietes (gelbes Rechteck, entnommen Microsoft Encarta Weltatlas).
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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Abt. 11.6
Amt für Geologie und Baustoffprüfung
Abb. 2: Laserscan-DGM des Talzuschubs Algund, der sich zwischen Etschtal, Gipfelgrat, Töllgraben und
Grabbach ausgebildet hat.
Abb. 3: Ansicht des Talzuschubs Algund (Abgrenzung rote Linie) von Meran aus.
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Amt für Geologie und Baustoffprüfung
3 Projektziele
Die wesentlichen Ziele für das Forschungsvorhaben lassen sich wie folgt zusammenfassen:
•
Charakterisierung und Klassifizierung des „Talzuschub-Phänomens“ als Begriff für tiefgründige Massenbewegungen vor dem Hintergrund einer geologischen Gefahrenzonierung
•
Ausscheidung von Teilbereichen (Schollen) innerhalb der Massenbewegung, die sich ggf. separat und unabhängig von anderen Bereichen der gesamten Kriechzone „Talzuschub Algund“
bewegen können und Bewertung möglicher Wechselwirkungen zwischen einzelnen Teilschollen
•
Charakterisierung und Klassifizierung der Prozesskopplung Kriechen (Talzuschub) – Stürzen
(Steinschlag, Felssturz), Rutschen (Fest-/Lockergesteinsrutschung) und Fließen (Schuttströme, Murgänge) vor dem Hintergrund einer geologischen Gefahrenzonierung
•
Darstellung und Integration in alpine Gefahrenzonenpläne in Zusammenarbeit mit dem Amt
für Geologie und Baustoffprüfung der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol
•
Ausscheidung von Triggermechanismen (wenn möglich) und Bestimmung des Grenzgleichgewichtszustands der verschiedenen Hangbereiche auf dem Talzuschub Algund im Hinblick
auf eine Ereignisprognose
•
Lokalisierung von Bewegungs- und Gefahrenbrennpunkten im Bereich des Talzuschubs Algund, die eine kontinuierliche Beobachtung (Monitoring) erfordern
•
Ausarbeitung von praktikablen Monitoringkonzepten für die fraglichen Areale und ggf. erste
Umsetzung dieser Konzepte
4 Projektbeteiligte
Das Projekt läuft in enger Kooperation unter Verantwortung und wissenschaftlicher Beteiligung folgender Personen ab:
•
Für die APB verantwortlich: Dr. Volkmar Mair, Amt für Geologie und Baustoffprüfung (Abt.
11.6) der APB, Koordination und wissenschaftliche Betreuung
•
Für die TUM verantwortlich: Prof. Dr. Kurosch Thuro, Ordinarius des Lehrstuhls für Ingenieurgeologie TUM, Koordination und wissenschaftliche Leitung und Betreuung, Erstbetreuer
der mit dem Projekt verbundenen Dissertation Dipl. Geol. Willerich
•
Für die TUM vor Ort: Dipl. Geol. Sebastian Willerich, wissenschaftliche Bearbeitung und
Ausarbeitung der Projektergebnisse, zeitweise unterstützt von Diplomanten der TUM
•
Als externer Wissenschaftler: Prof. Dr. Alessandro Corsini, Dipartimento di Scienze della
Terra, Università di Modena e Reggio Emilia, wissenschaftliche Betreuung und Zweitbetreuer Dissertation Dipl. Geol. Willerich
5 Methodik
Die wissenschaftliche Bearbeitung des Projektes und die daraus resultierende Bewertung der erhaltenen Ergebnisse im Rahmen der Zielsetzung des Projektes erfolgt unter Anwendung vielfältiger Untersuchungsmethoden. Die wesentlichen Arbeitsmethoden, die zur Ausarbeitung des vorliegenden Projekts (teilweise im Rahmen zukünftiger Projektphasen, siehe Kap. 6 und 11) zur Anwendung kommen
sind:
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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Amt für Geologie und Baustoffprüfung
•
Erstellung einer geologischen Karte für das Arbeitsgebiet zwischen Gratregion und Talgrund,
Kartierung der im Gebiet angetroffenen Bewegungsphänomene nach der Standardlegende der
APB; jeweils Maßstab 1: 5.000.
•
Grundlegende petrografische Analyse der im Arbeitsgebiet anstehenden Festgesteine durch
Dünnschliffauswertung
•
Erstellung von Profilschnitten auf Basis der erstellten Karten
•
Auswertung des Laserscan-DGM mit Rasterweite 2,5 x 2,5 m im Hinblick auf Detailmorphologie, geologische Störungszonen und Bewegungsstrukturen im Bereich des Talzuschubs Algund
•
Bewertung der hydrogeologischen Situation
•
GIS-basierte Darstellung der Kartierungsergebnisse auf Ortho-Foto (Befliegung 2006), 3DGeländemodell und topographischer Kartengrundlage mittels ArcGis 9.2, Erstellung von Detailkarten und thematischen Karten, Erfassung, Klassifizierung und Codierung von Bewegungsstrukturen in einer Datenbank (u.a. Zuordnung auf Teilschollen des Talzuschubs) nach
den entsprechenden Kriterien der APB
•
Großflächige Bestimmung von Bewegungsvektoren durch Radarinterferometrie (D-InSAR).
•
Ermittlung der Materialeigenschaften der Fest- und Lockergesteine, insbesondere des entfestigten Materials in den hauseigenen Fels- und Bodenmechanik-Labors
•
Übertrag der Gesteinsparameter auf den Gebirgsverband nach HOEK (GSI-System), Erstellung von Eingangsparametern für eine Modellierung
•
Numerische Modellierung der Gesamtsituation, von Einzelereignissen und instabilen Bereichen mit geeigneten numerischen Codes, ggf. unter Mitwirkung weiterer externer Wissenschaftler. In Frage kommen gegenwärtig die Codes UDEC – Universal Distinct Element Code (Itasca), FLAC – Fast Lagrange Finite Elemet Code und FLAC Slide (Itasca), PFC – Particel Flow Code (Itasca), Slide – Grenzgleichgewicht (RocScience), Phase2 – Finite Element
Code (RocScinence)
•
Wenn möglich: Altersdatierungen von Hölzern aus Rutschungs- und Mursedimenten, die
durch Massenbewegungen transportiert oder überdeckt, um die Wiederkehrzeit von gekoppelten Ereignissen einzugrenzen oder abzuschätzen
•
Ggf. Projektierung eines Monitoring-Systems zur Erfassung der oberflächigen und tiefreichenden Bewegungen.
6 Gegenwärtiger Bearbeitungsstand des Projektes
Die Geländeaufnahme ist bei gegenwärtigem Bearbeitungsstand zu etwa 90 % abgeschlossen und die
Erfassung und Klassifizierung der im Bereich des Talzuschubs Algund auftretenden Phänomene ist
vollständig erfolgt. Ebenso wurde eine detaillierte Auswertung des DGM durchgeführt. Im Zuge der
Geländearbeiten konnten lokale Bewegungszentren innerhalb des Talzuschubs erfasst werden, die sich
durch die Häufung von Bewegungsstrukturen erheblichen Ausmaßes und stellenweise bemerkenswerte Bewegungsbeträge von den durchschnittlich im Arbeitsgebiet zu beobachtenden Strukturen unterscheiden. In diesem Zusammenhang konnte der Talzuschub Algund anhand von strukturellen und
morphologischen Kriterien in Teilschollen untergliedert werden, für die bei bisherigem Kenntnisstand
zu vermuten ist, dass sie zum einen unabhängig von anderen Teilgebieten der gesamten Kriechmasse
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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Bewegungen aufweisen können und dass zum anderen eine Destabilisierung umgebender Schollen
durch ihre Einzelbewegung möglich wird.
Die Übertragung der erhaltenen Daten und Ergebnisse der Geländeaufnahme in das GIS-System erfolgte bislang zu etwa 60-65 % und wird fortlaufend weitergeführt.
Die geologische Karte wurde angesichts der Aufgabenstellung aus dem Themengebiet „tiefgründige
Massenbewegungen / Gefahrenzonierung“ weitgehend abgedeckt erstellt. Das heißt, in der Regel wurde der für die tiefgründige Massenbewegung relevante Felsuntergrund in der Karte dargestellt, während die überlagernden Lockergesteine nur dort in der Karte wiedergegeben wurden, wo sie entweder
erhebliche Mächtigkeiten erreichen oder sich als relevant für die Aufgabenstellung erwiesen haben.
Relevanz für die Aufgabenstellung besitzt die Lockergesteinsdecke überall dort, wo an den Talzuschub gekoppelte Prozesse im Zusammenhang mit diesen Sedimenten auftreten (z.B. Remobilisierung
von Sturzblöcken, Bereitstellung von Murmaterial und Geschiebe, induzierte Rutschungen und
Kriechbewegungen, Präsenz von umgelagertem Material, etc.) oder wo sich eigene Bewegungsphänomene innerhalb der Lockergesteinsdecke entwickelt haben – dies betrifft vor allem flach- bis mittelgründige Kriechbewegungen an steilen Hängen und/oder auf der steil einfallenden Felsoberfläche.
Das Kriterium „erhebliche Mächtigkeit“ wurde im Rahmen des vorliegenden Projekts mit rund 1,5 m
und mehr definiert.
Zur Zeit befinden sich folgende Arbeitsschritte in der Bearbeitungsphase:
•
Erfassung der gekoppelten Phänomene Sturzereignisse, Rutschungen, Murgänge und Wildbachereignisse
•
Auswertung der angefertigten Dünnschliffe zur grundsätzlichen Darstellung der lokalen
Petrografie
•
Erstellung von Profilen durch die gesamte Kriechmasse des Talzuschubs Algund
•
Ausarbeitung der Gesteins- und Gebirgscharakteristik (Definition der felsmechanischen Parameter und Übertrag auf den Gebirgsverband durch geeignete Klassifizierungssysteme)
•
Kontaktaufnahme mit Prof. Dr.-Ing. habil. Tom Schanz, Professur Bodenmechanik an der
Bauhaus-Universität Weimar, im Hinblick auf die vorgesehenen Modellierungen
Abb. 4: Zum gegenwärtigen Bearbeitungszeitpunkt (Juni 2008) geologisch kartierte und im GIS umgesetzte Fläche (gelb, ca. 65 % des gesamten Projektgebietes), in der Südost-Ecke erkennt man Meran.
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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7 Geologischer Überblick
Das Arbeitsgebiet befindet sich am südlichen Rand des metamorphen Ötztal-Kristallin-Komplexes
(Ostalpin, Mittelostalpin nach historischer Definition) innerhalb der Texelgruppe. Im Bereich des Ötztal-Komplexes lassen sich mehrere Metamorphosezyklen unterscheiden. Das jüngste Metamorphoseereignis ist Teil der alpinen Orogenese und fällt in die Kreidezeit (eoalpine Phase). Am Südost-Rand
des Kristallinkomplexes wurden in der Regel Bedingungen der Grünschiefer- bis Amphibolitfazies
erreicht (SÖLVA et al. 2001). Neue Forschungsergebnisse beschreiben aus dem Gratbereich der Texelgruppe nordwestlich von Meran auch Eklogite, die auf ein Alter von rund 86 Mio. Jahren datiert
werden konnten (Daten Projekt CARG-Geologische Karte von Italien, Blatt 13 Meran, unveröffentlichter Vorauszug der Erläuterungen). Dem entsprechend muss angenommen werden, dass im Zuge
der alpinen Gebirgsbildungsphasen im Bereich der Texelgruppe enorme Hebungsraten zu verzeichnen
waren. Dies trug mit Sicherheit zu der enormen Zerbrechung, Klüftung und Zerrüttung des Gebirgsverbandes bei, die im Arbeitsgebiet an nahezu jedem Aufschluss zu beobachten ist. Diese starke Auflockerung begünstigt tiefgründige Massenbewegungen erheblich.
Das Ötztal-Kristallin wird vor allem aus Para- und Orthogneisen sowie Glimmerschiefern und (bereits
in deutlich geringerem Ausmaß) Amphiboliten aufgebaut. Daneben treten typische, „exotische“, metamorphe Serien wie der Schneeberger Zug auf.
Im Projektgebiet sind die Festgesteine unterhalb etwa 1700 m in der Regel von mächtigen Lockergesteinen bedeckt. Dies sind neben Hangschutt und blockigen Sturzablagerungen vor allem Mursedimente, glaziale Ablagerungen und ausgedehnte Schwemmfächer am Fuß der Talflanke. Die Einzelgröße von Sturzblöcken kann 50 m³ überschreiten. Solche Großblöcke treten bis zum Talgrund bei
Algund und Plars auf.
Das Projektgebiet befindet sich unweit der periadriatischen Naht, die etwa 5 km entfernt durch Meran
verläuft. Des weiteren befindet sich das Areal des Talzuschubs Algund unmittelbar benachbart zur
sog. Thurnstein-Linie, einer regional bedeutenden Störungszone, die nordwestlich von Meran bei
Gratsch in NE-SW-Richtung verläuft (VIOLA et al. 2001). Durch das Arbeitsgebiet selbst verlaufen
keine bedeutenden Störungen, es konnten jedoch lokal kleinere Störungen beobachtet werden, die
offensichtlich als Begleitstörungen der Thurnstein-Line aufzufassen sind. Tektonische Vorgänge spielen somit für die Zerlegung des Gebirges als Prädisposition für die Entwicklung einer tiefgründigen
Massenbewegung im Projektgebiet praktisch keine Rolle.
Im Arbeitsgebiet lassen sich zwei wesentliche Schieferungsrichtungen unterscheiden. Die Schieferungsflächen fallen zum einen in prinzipiell südliche Richtungen ein und zum anderen in nordwestliche bis nordöstliche Richtungen („gegen den Hang“).
In der Regel beobachtet man die Zerlegung des Gebirgsverbandes an einem annähernd orthogonal
ausgebildeten Kluftsystem, das zwei bis drei Hauptkluftscharen aufweist. Örtlich sind die Gesteine an
weiteren, untergeordneten Trennflächen intensiver zerlegt. Die Klüftung ist (nach ISRM 1978 und
IAEG 1981) eng- bis weitständig, mit einer Häufung im mittelständigen Bereich. Vereinzelt beobachtet man dichtständig geklüftete Partien. Im Gratbereich treten Großklüfte signifikant gehäuft auf, was
für die Felssturzgefahr des Gebietes von Bedeutung ist.
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Abb. 5: Gegenwärtiger Stand der angefertigten geologischen Karte, Ansicht ohne Phänomene der
tiefgründigen Massenbewegung.
•
rot begrenzte Flächen: Lockersedimente Hang- und Sturzschutt, gemischte Schuttkegel;
•
grün umgrenzt: Schwemmkegel;
•
violett umgrenzt: Tille;
•
hellgelbe Fläche: Lockergestein, undifferenziert;
•
braune Fläche: Paragneis und Glimmerschiefer, undifferenziert, lokal mit geringmächtiger
Lockergesteinsbedeckung;
•
hellbraune Fläche: Glimmerschiefer;
•
violette Fläche: Orthogneise, lokal mit geringmächtiger Lockergesteinsbedeckung;
•
grüne Flächen: Amphibolite;
•
orange Flächen: andesitische Porphyre (oligozäne Gänge);
•
schwarz umgrenzt mit Gittersignatur: anthropogene Aufschüttungen/veränderte Flächen;
•
blaue Linien: Oberflächenabfluss/Gerinne, permanent und temporär aktiv
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8 Festgesteine des Arbeitsgebietes
Im Bereich des Talzuschubs Algund konnten folgende Gesteine auskartiert werden:
•
Paragneise und Glimmerschiefer (zusammen flächenmäßig weit überwiegend)
•
Orthogneise
•
Amphibolite
•
magmatische Gänge
8.1 Paragneise und Glimmerschiefer, Gneis-Glimmerschiefer
Paragneise und Glimmerschiefer bauen den Großteil der Talflanke im Untersuchungsgebiet auf, wobei
Glimmerschiefer anteilig gegenüber den Paragneisen zurücktreten. Aus zwei Argumenten werden
diese im Zuge des Projektes in der Regel nicht getrennt ausgewiesen. Zum einen sind beide Gesteine
im Arbeitsgebiet häufig petrografisch und lithologisch derart ähnlich, dass ein Unterscheidung sowohl
makroskopisch als auch mikroskopisch kaum möglich ist. Diese Gesteine müssen dementsprechend
als „Gneis-Glimmerschiefer“ angesprochen werden. Zum anderen treten beide Gesteine in gemeinsamen Abfolgen auf, in denen lithologische Wechsel im cm- bis dm-Bereich zu beobachten sind, die im
Maßstab 1:5.000 nicht kartierbar sind.
Die Gesteine sind grau und feinkörnig. Sie sind straff geschiefert und bereichsweise intensiv gefaltet.
Aufgrund ihrer Textur könne sie als Bändergneise bezeichnet werden. Es treten sc-Gefüge und feine,
interne, isoklinale Fältelungen auf. Die Metamorphosegrade sind den erfolgten Untersuchungen gemäß grünschieferfaziell.
Die Auswertung der Dünnschliffe hat bislang ergeben:
Paragneis:
Hauptgemengteile (Hg): Qz, Bt (örtlich chloritisiert), untergeordnet Plg
Nebengemengteile (Ng):Hellglimmer
Akzessorien (Ak): Apatit, Granat
Gneis-Glimmerschiefer:
Hg: Qz, Plg, Hellglimmer, Bt
Ng: Chlorit (Bt wird chloritisiert)
Ak: Granat, Apatit, Turmalin
Granate: zonar gebaut (einschlussreicher Kern, Rand einschlussfrei)
8.2 Orthogneise
Die bereichsweise auftretenden Orthogneise sind häufig als helle, graue Augengneise ausgebildet.
Lokal treten weißliche, äußerst hellglimmerreiche Orthogneise auf, so etwa im Umfeld der Hofstelle
Kienegger. Die Gesteine sind mittel- bis feinkörnig, örtlich mit großkörnigen Blasten. Die Schieferung
ist häufig undeutlicher Ausgebildet als bei den Paragneisen und Glimmerschiefern.
Die Dünnschliffauswertung hat bislang ergeben:
Augengneis:
Hg: Qz, Plg, evtl. Mikroklin, Hellglimmer
Ng: Amphibole
Ak: Apatit, Turmalin, Titanit
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weißlicher Orthogneis:
Hg: Qz, Plg mit Serizitisierung, Hellglimmer
Ng: Zoisit, Titanit, Hellglimmer aus Klein-Metasomatose, evtl. Alkalifsp, da Perthitlamellen, myrmekitische Verwachsungen
8.3 Amphibolite
Amphibolite treten eingeschaltet in Paragneisen und Glimmerschiefern auf. Lokal handelt es sich um
Granat-Amphibolite. Die Gesteine sind dunkelgrün bis graugrün, straff geschiefert und feinkörnig.
Man beobachtet auch die Variationen Hornblendegneis (mehr als 50 % Fsp, dann auch grobkörniger)
und Amphibolschiefer (Amphibolgehalte über 80 %).
Die Dünnschliffauswertung hat bislang ergeben:
Amphibolite:
Hg: Amphibole, Plg, Chlorit
Ng: Granat, Qz, Serizit und Titanit (Serizit bildet zusammen mit Titanit feine Schüppchen)
Ak: lokal Epidot
8.4 Magmatische Gänge
Im gesamten Gebiet der südliche Texelgruppe treten lokal magmatische Gänge innerhalb der metamorphen Serien auf. Im Arbeitsgebiet wurden solche Gänge an der Taufenscharte (Gratregion), talseitig der Leiteralm und zwischen den Hofstellen Kienegger und Saxner nachgewiesen. Das Alter dieser
Gangintrusionen ist oligozän (Daten Projekt CARG-Geologische Karte von Italien, Blatt 13 Meran,
Vorauszug der Erläuterungen). Die Magmatite weisen ein porphyrisches Gefüge auf und sie sind häufig alteriert. Ihre Farbe ist grau bis grünlich. Nach Streckeisen müssen sie im Fall der bislang für das
Projekt ausgewerteten Dünnschliffe als andesitisch klassifiziert werden. Für diese Gesteine existiert
offensichtlich auch der Lokalname „Töllite“.
Die Dünnschliffauswertung hat bislang ergeben:
Andesitische Porphyre
Hg: Qz, Amphibole, Plg (kleinere, frische Fsp, große Fsp alt und stark alteriert, Laminierung tw.
nicht mehr erkennbar), Hellglimmer, Chlorit (Alteration aus Amphibolen)
Ng: Serpentin, Chlorit (aus mafischen Gemengteilen), Zeolithe
9 Hydrogeologischer Überblick
Das gesamte Arbeitsgebiet ist, hydrologisch betrachtet, außerordentlich trocken. Bezogen auf die
hochalpine Morphologie und die Größe des Arbeitsgebietes treten bemerkenswert wenige Quellen auf.
Bekannt sind Quellaustritte nur unterhalb der Steilwände des Gipfelgrates (Wasserversorgung Gampenkuhalm), im Bereich des Töllgrabens, aus dem Grabbachtal (Versorgung Leiteralm und Plars,
Grundwasserableitung auch über Trinkwasserstollen „Locherstollen“) und östlich Oberplatzer (Versorgung Vellau). Weitere Quellaustritte konnten im Zuge der Geländeaufnahme nicht beobachtet werden. Im Gegensatz dazu weisen zahlreiche Erosionsrinnen auf temporär intensiven Oberflächenabfluss
hin. Diese Erosionsrinnen sind, abgesehen von Töllgraben und Grabbach, nur zeitweise aktiv. Die
meisten Rinnen im zentralen Teil des Arbeitsgebietes sind so intensiv verwachsen, dass ein Reaktivierungsperiode von mehr als 10 Jahren vermutet werden muss.
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Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Niederschlagswasser sehr rasch in den intensiv geklüfteten Untergrund einsickern kann, wo es als Grundwasser abgeführt wird und nicht mehr als Quellwasser zu Tage tritt. Der Grundwasserspiegel kann angesichts des dichten und fichtendominierten
Baumbestandes des Arbeitsgebietes im Mittel kaum mehr als zwei Meter unter GOK anzutreffen sein.
Laut Forstwirtschaftsplan Algund der Forststation Meran wird für das Gebiet zwischen Vellau und der
Gampenkuhalm eine Bestockung von 99 % Fichte und 1 % Lärche angebeben.
Der mittlere Jahresniederschlag beträgt gemäß Aufzeichnungen der Messstation Gratsch (offizielle
Messstation hydrografisches Amt APB) 700 mm bis 800 mm/m².
Damit ist angesichts der zuvor geschilderten Beobachtungen und Daten davon auszugehen, dass im
Arbeitsgebiet ein mächtiger zusammenhängender Grundwasserkörper im intensiv geklüfteten Fels
existiert. Es ist weiter anzunehmen, dass dieses Grundwasser, aufgrund der bereichsweise auftretenden
Trennflächen mit großer Erstreckung, in der Lage ist, nennenswerte Kluftwasserdrücke aufzubauen –
zumal die Klüfte innerhalb von Bereichen tiefgründiger Massenbewegungen in der Regel bis in ungewöhnlich große Tiefen geöffnet sind und eine verhältnismäßig hohe Durchlässigkeit des Kluftaquifers
bedingen.
10 Bewegungsstrukturen im Bereich des Talzuschubs Algund
Großräumig betrachtet zeigt die Talflanke bergseitig Plars und Algund zahlreiche typische morphologische Anzeichen für eine ausgedehnte tiefgründige Massenbewegung die den gesamten Hangabschnitt zwischen Gipfelgrat der Texelgruppe und dem Etschtal erfasst hat. Unterhalb des Gipfelgrates
folgt im Bereich der Gampenkuhalm eine erste weitläufige Verebnung. Aus der Entfernung betrachtet,
bauchen Teile des Hangs talseitig der Gampenkuhalm aus. Die Verebnung bildet das Top der gesamten „Sackungsmasse“ des Talzuschubs Algund, die sich talseitig dieser Verebnung, geometrisch annähernd trapezförmig ausgebildet, bis zum Talgrund erstreckt und mit abnehmender Seehöhe stetig bis
zum Fußbereich verbreitert. Die interne Morphologie dieses Sackungskörpers ist kleinteilig gegliedert,
unruhig und geprägt von hangparallelen Rinnen und Tälchen sowie Terrassen, Geländerücken und
abflusslosen Senken. Die Festgesteinsaufschlüsse sind intensiv geklüftet und die Klüfte wurden häufig
durch die Kriechbewegungen klaffend geöffnet. Verstellungen des Gefüges sind häufig zu beobachten.
Auffällig sind weiter die Häufigkeit von Sturzablagerungen und Ausbruchsnischen großflächiger
Translationsrutschungen im Fels – sekundäre Phänomene, die durch tiefgründige Massenbewegungen
und die damit einhergehende Auflockerung des Gebirgsverbands begünstigt werden.
Die im Gelände auskartierbaren primären Bewegungsanzeiger der tiefgründigen Massenbewegung im
Bereich des Talzuschubs Algund sind Nackentäler und große Bergzerreißungsgräben, Sackungen und
Zugrisse.
Abb. 6: Kartensymbole für
Nackentälchen / Bergzerreißungsstrukturen
allgemein;
rosa: vermutet, rot: gesichert.
Abb. 7: Kartensymbole für
Sackungen / Sackungskanten; rosa: vermutet, orange:
gesichert, inaktiv, rot: gesichert, aktiv.
Abb. 8: Kartensymbole für Zugrisse; orange: inaktiv, rot: aktiv.
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Abb. 9: Bsp. Nackentälchen/Bergzerreißung, südöstlich der Taufenscharte, Gratbereich.
Abb. 10: Bsp. Sackung, bergseitig Holzlagerplatz / Ende Forstweg „Kienegg-Töllwald“.
Abb. 11: Bsp. Zugriss, aktiv, zwischen Hofstelle Oberplatzer und Leiteralm (Foto: Weiersmüller).
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10.1 Gliederung des Talzuschubs Algund
Die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse führen zur Schlussfolgerung, dass sich die tiefgründig bewegte Masse anhand der Konfiguration der Bewegungsstrukturen und –anzeiger sowie des
geologischen Aufbaus in fünf bis sechs Teilschollen untergliedern lässt. Die vorläufige Einteilung
bedarf noch weiterer Überlegungen und Forschungsergebnisse aus zukünftigen Projektphasen. Im
wesentlichen gilt es abzuklären:
• wie die Teilscholle 1 talseitig der Gampenkuhalm weiter zu untergliedern ist
• ob die postulierte Teilscholle 4 tatsächlich als eigenständige Einheit des Talzuschubs angesehen werden muss
• ob der Grabbach tatsächlich auf seiner gesamten Länge als östliche Begrenzung des Talzuschubs Algund angesehen werden darf oder ob – zumindest für Scholle 5 – eine kinetische
Verbindung zu den ebenfalls tiefgründig bewegten Bereichen jenseits des Bachlaufes im Bereich Muthöfe / Tirol besteht
Abb. 12: Abgrenzung Talzuschub Algund (rote Linie) und weitere Differenzierung in Teilschollen (Grenzen orange Linien, gestrichelt: fraglich) gemäß gegenwärtigem Kenntnisstand.
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10.2 Gründe für die Ausbildung des Talzuschubs Algund
Zum gegenwärtigen Bearbeitungsstand des Projekts können folgende Umstände angegeben werden,
die aller Wahrscheinlichkeit nach in Summe und Kombination zur Ausbildung des Talzuschubs geführt haben.
Die Erosionstätigkeit im Zuge der quartären Vereisungen hat zur einer außerordentlich steilen Talflanke geführt. Bei einer durchschnittlichen Neigung von über 30° steigt der Hang vom Etschtal auf rund
400 müNN bis auf rund 2600 müNN im Gratbereich an. Die Flanke wird aus straff geschieferten Metamorphiten aufgebaut. Die prinzipiellen Metamorphosebedingungen und die Präsenz von eoalpinen
Eklogiten im Gratbereich der Texelgruppe legt den Schluss einer enormen Hebungsrate für die lokalen
Gesteine nahe. Die Schieferungsflächen fallen in der Regel entweder in südliche Richtungen ein („aus
dem Hang“) oder sie sind zwischen nordwestlichen und nordöstlichen Richtungen „pendelnd“ flach
gegen den Hang geneigt. Diese Raumlage der Schieferungsflächen und die anzunehmende Klüftung
des Gebirgsverbandes im Zuge der raschen Heraushebung haben zur Folge, dass die im Zuge der glazialen Tätigkeit übersteilte Talflanke prädisponiert ist für gravitative Ausgleichsbewegungen. Die
südfallenden Schieferungsflächen ermöglichen dabei ein großflächiges Abgleiten von Gesteinspaketen
bei Überschreitung der Trennflächenfestigkeit, während die nordfallenden Schieferungsflächen ein
großflächiges gravitatives Aufspreizen in Folge talwärts gerichteter Zugkräfte ermöglichen (vgl. Abb.
15 und Abb. 16). Die vorangelegte Klüftung ermöglicht horizontale und vertikale Verstellungen. All
diese Bewegungen zusammen münden in einem phasenweisen Kriechen diskreter Gesteinspakete bis
in erhebliche Tiefen unter GOK. Hinzu kommt die zuvor erläuterte Möglichkeit, die Kriechbewegungen durch Kluftwasserdruck auszulösen oder zu verstärken.
Die geschilderten Faktoren wechseln sich in ihrer Relevanz für die Einzelbewegungen je nach Bewegungsphase ab und verstärken sich teilweise und temporär sogar selbst (Kluftwasserschub sowie voranschreitende Klüftung und Auflockerung im Zuge der Bewegungen).
Abb. 13: Straff geschieferte Paragneise / Glimmerschiefer im Gratbereich, konstant südwärts gerichtetes
Einfallen der Schieferung (in Richtung Etschtal).
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Abb. 14: Gratbereich östlich Taufenscharte, intensiv geklüfteter, aufgelockerter Gebirgsverband mit kleinen Sackungen.
Abb. 15: Südfallende Schieferungsflächen im Gratbereich, Kriechbewegung parallel Schieferungsflächen mit
Öffnung vertikaler Klüfte durch Aufspreizung und
Nachsackung im zentralen Teil.
Abb. 16: Durch Kriechbewegung geöffnete, klaffende Klüfte in annähernd orthogonalem Kluftsystem, Fußbereich der
Talflanke nordöstlich Hofstelle Saxner;
Schieferung nordvergent „gegen den
Hang“ mit Aufspreizung der Schieferungsflächen (gelbe Linie) durch talwärts
gerichtete Bewegungen.
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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10.3 Alter der Massenbewegung, Tiefenlage der Bewegungsflächen und Aktivität
Zum gegenwärtigen Bearbeitungsstand des Projektes können zu diesen entscheidenden Punkten nur
prinzipielle Aussagen getroffen werden.
Im Zuge der Geländeaufnahme wurden Belege dafür gefunden, dass der Talzuschub Algund bereits
vor der letzten Vereisungsphase (Würm-Eiszeit) aktiv gewesen ist. An zwei Lokalitäten trifft man auf
groß angelegte Bergzerreißungsstrukturen die eindeutig glazial überprägt wurden. Dies sind die Grabenstrukturen im Bereich der Leiteralm und um die Hofstelle Kienegger. In beiden Fällen wurden die
durch Aufspreizung entstandenen hängparallelen Gräben mit Tillen ausgekleidet und aufgefüllt. Der
talseitige Geländerücken des Bergzerreißungsgrabens beim Kienegger-Hof weist zudem typische
Rundhöcker und Gletscherschliffe auf. Damit kann bislang ein Mindestalter der tiefgründigen Massenbewegung mit prä-würmeiszeitlich angegeben werden.
Erste Näherungen zur Bestimmung der Tiefenlagen von Haupt-Bewegungsflächen der Kriechbewegung erfolgen derzeit mit der Erstellung erster Profilschnitte. Das Hangprofil und die gestaffelte Abfolge hangparalleler, E-W-verlaufender Bergzerreißungsgräben und Nackentäler legt bislang den
Schluss nahe, dass es sich um mehrere diskrete Bewegungsbahnen handeln muss, die teilweise im
Bereich der oberirdisch sichtbaren Sackungsmasse wieder ausstreichen (konkave Krümmung) und
teilweise auch bis unter das Niveau des heutigen Etschtalbodens reichen (Stauchungswälle im Etschtal
können anhand des DGM vermutet werden). Bewegungsflächen die weit unter heutiges Talniveau
reichen sprechen prinzipiell ebenfalls für einen weit zurückliegenden Beginn der Aktivität des Talzuschubs. Es muss davon ausgegangen werden, dass die initialen Kriechbewegungen stattfanden, als die
quartäre Füllung des Etschtales noch eine deutlich geringere Mächtigkeit aufgewiesen hat.
Bislang existieren im Bereich des Talzuschubs Algund, abgesehen von der Rötelspitze, keine Maßnahmen zur Datenerfassung im Hinblick auf Bewegungen. Indirekte Anzeichen für rezente Aktivität
der tiefgründigen Massenbewegung wurden bislang nur ganz vereinzelt gefunden. Es muss daher bei
gegenwärtigem Bearbeitungsstand davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Teil des Talzuschubs Algund seit mehr als etwa 50 Jahren keine nennenswerte Aktivität mehr aufgewiesen hat. Über
diesen Zeitraum ließen sich Bewegungsphasen über Gebäudeschäden, den Bewuchs oder menschliche
Erinnerung ermitteln. Dies liefert in der Regel für den Talzuschub Algund keine Bewegungshinweise.
Anzeichen von rezenter Aktivität der Massenbewegung finden sich bislang in folgenden Bereichen:
•
Gratregion, Rötelspitze: fortschreitende Öffnung einer Felsspalte, von der APB erfasst und
überwacht
•
talseitig Leiteralm in südwestlicher Richtung bis Oberplatzer: gespannte Wurzeln und Vegetationsschäden im Bereich von Sackungen und Zugrissen mit erheblicher Erstreckung, Schäden und Schrägstellung des Wohngebäudes Oberplatzer, gemäß Auskunft der Bewohner seit
Beginn der 90er Jahre
•
untergeordnet: südlich und westlich Gampenkuhalm, gespannte Wurzeln in Zugspalten, Vegetationsschäden
Damit muss gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass der Talzuschub Algund in der Regel eine
aktuell latente, „schlafende“ und örtlich auch blockierte Kriechmasse darstellt, die unter bestimmten
Voraussetzungen (Auslösemechanismen) reaktiviert werden kann.
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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10.4 Bewegungszentren
Anhand der durchgeführten Untersuchungen konnten bislang vier Bewegungszentren bzw. „Brennpunkte“ im Bereich des Talzuschubs Algund identifiziert werden.
Dies sind
•
das Gebiet um Vellau (Scholle 5)
•
das Gebiet um die Leiteralm (Grenze zw. Scholle 1 und 3)
•
das Gebiet zwischen Kienegger (Südwestrand Scholle 3), den Forstwegen „KieneggTöllwald“ und „Töllwald“ (Zentrum bis Nordrand Scholle 2) sowie der Hofstelle Oberplatzer
(westl. Zentrum Scholle 3) und
•
das Gebiet um die Gampenkuhalm (Scholle 1 bzw. Grenze 1a/1b)
10.4.1 Vellau
Die kleine Ortschaft Vellau liegt im Zentrum des Talzuschubs und stellt damit potentiell einen Raum
mit hohem spezifischen Risiko dar. In diesem Bereich existieren ausgeprägte Bewegungsstrukturen
mit großer Erstreckung bzw. Öffnungsweite und Tiefe. Aufgrund der Mächtigen Lockergesteinsauflage im Bereich Vellau und talseitig der Ortschaft, muss angenommen werden, dass weitere Zeugen
intensiver tiefgründiger Hangbewegung überdeckt wurden und heute nicht mehr sichtbar sind.
Abb. 17: Kartierte Bewegungsstrukturen um Vellau, Legende der wesentlichen Strukturen s. Abb. 6-Abb. 8.
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Abb. 18: Vellau, gesehen vom Kienegger-Hof , mit markantem Nackental bergseitig der Häuser. Die
Struktur zieht weiter in die rechte untere Bildecke.
Abb. 19: große abflusslose Senke am nordwestlichen Ortsrand von Vellau im weiteren Verlauf der Bergzerreißungsstruktur aus Abb. 18. Das rote Haus im Hintergrund steht in der weiteren Fortsetzung des
Nackentals.
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10.4.2 Leiteralm
Eine der größten Bergzerreißungsstrukturen mit Öffnungsweiten bis über 80 m existiert unmittelbar
südwestlich der Leiteralm. Im talseitigen Bereich der teilweise mit Tillen gefüllten Grabenstruktur
beobachtet man Anzeiger schwach aktiver Bewegungen. Die begleitenden Bewegungsstrukturen – vor
allem die tiefen Zugspalten – erreichen beträchtliche Ausmaße.
Abb. 20: Kartierte Bewegungsstrukturen im Bereich Leiteralm, Legende d. wesentl. Strukturen s. Abb. 6-Abb. 8.
Gebäude Leiteralm am ob. rechten Bildrand.
Abb. 21: Markante, weite Talung südwestlich der Leiteralm – eine der am weitesten geöffneten Bergzerreißungsstrukturen im Projektgebiet, gefüllt mit quartären Tillen.
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Abb. 22: Ausgelegter Kern einer Handbohrung in der Talung aus Abb. 21. Die Lockersedimente sind
verdichtet, diamikt mit sandig-schluffiger Matrix und damit als Till anzusprechen.
Abb. 23: Detailfoto des erbohrten Tills aus Abb. 22.
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Abb. 24: Zugriss westlich der Leiteralm.
Abb. 25: Zugriss mit beginnender Sackung
westlich der Leiteralm.
10.4.3 Gebiet zwischen Kienegger, den Forstwegen „Kienegg-Töllwald“
und „Töllwald“ sowie der Hofstelle Oberplatzer
Bergseitig des Holzlagerplatzes am Ende des neuen Forstweges „Kienegg-Töllwald“ sowie östlich und
nordöstlich der Hofstelle Oberplatzer beobachtet man die meisten Anzeichen aktiver Bewegung. Die
Hofstelle selbst wurde bereits beeinträchtigt. Im Bereich des Forstweges „Töllwald“ beobachtet man
die (im Bereich dieser Massenbewegung) dichteste Drängung weit geöffneter, tiefer Nackentäler und
Bergzerreißungsgräben. Die Kriechbewegungen vollzogen sich hier sowohl in westlicher Richtung
zum tief eingeschnittenen Töllgraben, als auch südgerichtet zum Etschtal hin. Daher treten in diesem
Bereich auch große abflusslose Senken auf, die auf die spreizenden Kriechbewegungen und damit
verbundene Nachsackungen zurückzuführen sind. Die Bewegungsstrukturen in diesem Raum sind so
groß, dass sie in der Regel eine kartierungsbasierte Bewertung der Aktivität unmöglich machen. Allerdings finden sich Zeugen rezenter Bewegung an den Kontakten zwischen jungen künstlichen Aufschüttungen (im Zuge des Forstwegbaus) und den talseitigen Geländerücken der großen Nackentäler,
die der Forstweg durchquert.
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Abb. 26: Kartierte Bewegungsstrukturen im Gebiet zwischen Kienegger (rechte untere Bildecke), den Forstwegen „Kienegg-Töllwald“ (untere blaue Linie) und „Töllwald“ (obere blaue Linie) sowie der Hofstelle Oberplatzer
(mittl. rechter Bildrand), Legende d. wesentl. Strukturen s. Abb. 6-Abb. 8.
Abb. 27: Ausgeprägte Bergzerreißungsstrukturen (Talungen und abflusslose Senke) im Bereich Forstweg
„Töllwald“, 1490 müNN (Foto: Weiersmüller).
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Abb. 28: Hang zwischen Hofstelle Kienegger (Talseite) und Hofstelle Oberplatzer mit zahlreichen Bewegungsstrukturen (rote Pfeile), Blickrichtung Westen (Foto: Weiersmüller).
Abb. 29: Zugriss bergseitig Hofstelle Oberplatzer.
10.4.4 Gampenkuhalm
Talseitig der Gampenkuhalm befinden sich die höchstgelegenen Bewegungsstrukturen im Bereich des
eigentlichen Sackungskörpers des Talzuschubs. Diese sind stellenweise sehr stark ausgeprägt und
weisen große Erstreckungen auf. Das Gebiet zwischen Gampenkuhalm und Grat stellt den Abrissbereich des Talzuschubs dar, der ausgehend von dieser Zone weiter talwärts aufspreizt. Es handelt sich
damit um eine Schlüsselstelle zum Verständnis des Gesamtverhaltens der tiefgründig bewegten
Talflanke zwischen Etschtal und Gipfelgrat. Der Abrissbereich ist zwischen den Steilwänden und der
Gampenkuhalm durch mächtige Lockergesteine teilweise wieder aufgefüllt worden. Diese Sedimente
sind unter anderem in einem bemerkenswert großen (wohl gemischten) Schuttfächer abgelagert worden (noch nicht in digitalisierter Karte erfasst). Daneben treten vor allem Sturzablagerungen auf.
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Abb. 30: Kartierte Bewegungsstrukturen im Bereich Gampenkuhalm, Legende der wesentlichen Strukturen
siehe Abb. 6-Abb. 8.
Abb. 31: Markante Verebnung der Gampenkuhalm am Fuß der Steilwände des Gipfelgrats mit annähernd hangparallelen Gräben (Bergzerreißungsstrukturen, gelbe Linien) am talseitigen Ende.
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Abb. 32: Ausgeprägte hangparallele Bergzerreißungsstrukturen mit großer Erstreckung östlich der
Gampenkuhalm.
Abb. 33: Paragneis / Glimmerschiefer an der Gampenkuhalm mit klaffenden Vertikalklüften, die durch
die Kriechbewegungen geöffnet wurden; am unteren Bildrand erkennt man einen hangparallelen Graben
im Vorfeld des Felsrückens.
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11 Zukünftige Projektphasen
Die wesentlichen Aufgaben des zweiten Projektjahres lassen sich wie folgt zusammenfassen:
• Ermittlung von Gebirgsparametern durch Übertrag von Felsparametern nach der Methode
von HOEK (GSI-System)
• Modellierungen im Bereich der tiefgründigen Massenbewegung zur Bewertung von Bewegungsverhalten, Aktivität, Auslösemechanismen und Reaktivierbarkeit
• Detailauswertung mit Abschätzung der Tiefenlage und Geometrie der Hauptbewegungsflächen des Talzuschubs Algund
• Detailauswertung der gekoppelten sekundären Prozesse
• Erstellung eines Gefahrenzonenplanes für das Gebiet zwischen Grat und Talboden
•
ggf. Konzeption, Planung und Installation von Monitoringsystemen und Vorschlag von Präventivmaßnahmen
Abb. 34: Bsp. Prozesskopplung: durch tiefgründige Massenbewegung zerlegter, intensiv geklüfteter Fels
mit vertikalen Großklüften an der Rötelspitze – signifikant erhöhte Felssturzgefahr.
Abb. 35: Bsp. Prozesskopplung Sturz – rezenter
Sturzblock am Forstweg „Kienegg-Töllwald“.
Abb. 36: Bsp. Prozesskopplung Sturz – Steinschlag an der Verbindungsstraße VellauOberplatzer, März 2008.
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12 Schlussbemerkung
Im ersten Bearbeitungsjahr des Projektes ist es gelungen, den geologisch Aufbau des Gebiets und die
grundsätzlichen Gegebenheiten der tiefgründigen Massenbewegung „Talzuschub Algund“ zu erfassen
und weitreichend zu klären.
Im folgenden zweiten Projektjahr müssen nun auf Basis dieser Erkenntnisse jene Untersuchungen und
Modellierungen durchgeführt werden, die ein detailliertes Verständnis der tiefgründigen Massenbewegung ermöglichen und letztlich in einer gesicherten und fundierten Bewertung der Situation im Zuge
der Gefahrenzonenplanung münden. Im Zuge dieser Forschungen sollen rezente Aktivitätsbereiche
erfasst und Reaktivierungsbedingungen der derzeit ruhenden Bereiche definiert werden. Es gilt in diesem Zusammenhang auch die komplexen Prozesskoppelungen mit sekundären lokal auftretenden Phänomenen vollständig zu erfassen und in die Gefahrenzonierung einfließen zu lassen. Auf Basis dieser
weiteren Ergebnisse kann dann abschließend die Notwendigkeit von örtlichen Überwachungskonzepten bewertet werden und es können ggf. konkrete und zielgerichtete Maßnahmen im Rahmen des Projektes vorgeschlagen und eingeleitet werden.
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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Inhalt
1
Allgemeines ...............................................................................................................................1
2
Geografische Lage des Projektgebietes .......................................................................................1
3
Projektziele ................................................................................................................................3
4
Projektbeteiligte .........................................................................................................................3
5
Methodik....................................................................................................................................3
6
Gegenwärtiger Bearbeitungsstand des Projektes..........................................................................4
7
Geologischer Überblick ..............................................................................................................6
8
Festgesteine des Arbeitsgebietes .................................................................................................8
9
8.1
Paragneise und Glimmerschiefer, Gneis-Glimmerschiefer ..................................................8
8.2
Orthogneise........................................................................................................................8
8.3
Amphibolite.......................................................................................................................9
8.4
Magmatische Gänge...........................................................................................................9
Hydrogeologischer Überblick .....................................................................................................9
10
Bewegungsstrukturen im Bereich des Talzuschubs Algund...................................................10
10.1
Gliederung des Talzuschubs Algund.................................................................................12
10.2
Gründe für die Ausbildung des Talzuschubs Algund.........................................................13
10.3
Alter der Massenbewegung, Tiefenlage der Bewegungsflächen und Aktivität ...................15
10.4
Bewegungszentren ...........................................................................................................16
10.4.1
Vellau......................................................................................................................16
10.4.2
Leiteralm .................................................................................................................18
10.4.3
Gebiet zwischen Kienegger, den Forstwegen „Kienegg-Töllwald“ und „Töllwald“
sowie der Hofstelle Oberplatzer................................................................................20
10.4.4
Gampenkuhalm........................................................................................................22
11
Zukünftige Projektphasen.....................................................................................................25
12
Schlussbemerkung................................................................................................................26
13
Literatur ...............................................................................................................................27
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
I
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1 Allgemeines
Mit der im September 2007 unter der Verzeichnisnummer 45 abgeschlossenen Konvention wurde eine
wissenschaftliche Zusammenarbeit zu oben genanntem Projekt zwischen der Autonomen Provinz Bozen und Technischen Universität München mit einer vertraglichen Laufzeit bis zum 30.06.2009 vereinbart. Die Zusammenarbeit findet auf Basis des entsprechenden Forschungsantrages vom April 2007
zwischen dem Amt 11.6 (Geologie und Baustoffprüfung) der Autonomen Provinz Bozen (im Folgenden bezeichnet als APB)und dem Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der TU München (im Folgenden
bezeichnet als TUM) statt.
An der TUM ist eine laufende Dissertation (Dipl. Geol. Sebastian Willerich) mit dem Projekt verbunden.
2 Geografische Lage des Projektgebietes
Das Arbeitsgebiet befindet sich bei Algund auf dem Gebiet der APB, im Bereich der orografisch linken Talflanke der Etsch (öffentl. Gewässer APB Nr. A) etwa 6 km nordwestlich von Meran. Es erstreckt sich von der Talsohle auf Seehöhe ca. 400 m bis zum Grat der Talflanke auf SH ca. 2600 m
und den Übergang ins nördlich gelegene Spronser Tal. Nach Westen wird das Arbeitsgebiet durch den
Töllgraben (Nr. A.195) und nach Osten durch den Grabbach (Nr. A.165.20) begrenzt. Das gesamte
Gebiet ist von tiefgründigen Massenbewegungen erfasst und wird daher aus geologischer Sicht als
„Talzuschub Algund“ bezeichnet.
Abb. 1: Lage des Projektgebietes (gelbes Rechteck, entnommen Microsoft Encarta Weltatlas).
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1
Autonome Provinz Bozen – Südtirol
Abt. 11.6
Amt für Geologie und Baustoffprüfung
Abb. 2: Laserscan-DGM des Talzuschubs Algund, der sich zwischen Etschtal, Gipfelgrat, Töllgraben und
Grabbach ausgebildet hat.
Abb. 3: Ansicht des Talzuschubs Algund (Abgrenzung rote Linie) von Meran aus.
Gefahrenzone tiefgründige Massenbewegung Algund - Bericht über das erste Projektjahr
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3 Projektziele
Die wesentlichen Ziele für das Forschungsvorhaben lassen sich wie folgt zusammenfassen:
•
Charakterisierung und Klassifizierung des „Talzuschub-Phänomens“ als Begriff für tiefgründige Massenbewegungen vor dem Hintergrund einer geologischen Gefahrenzonierung
•
Ausscheidung von Teilbereichen (Schollen) innerhalb der Massenbewegung, die sich ggf. separat und unabhängig von anderen Bereichen der gesamten Kriechzone „Talzuschub Algund“
bewegen können und Bewertung möglicher Wechselwirkungen zwischen einzelnen Teilschollen
•
Charakterisierung und Klassifizierung der Prozesskopplung Kriechen (Talzuschub) – Stürzen
(Steinschlag, Felssturz), Rutschen (Fest-/Lockergesteinsrutschung) und Fließen (Schuttströme, Murgänge) vor dem Hintergrund einer geologischen Gefahrenzonierung
•
Darstellung und Integration in alpine Gefahrenzonenpläne in Zusammenarbeit mit dem Amt
für Geologie und Baustoffprüfung der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol
•
Ausscheidung von Triggermechanismen (wenn möglich) und Bestimmung des Grenzgleichgewichtszustands der verschiedenen Hangbereiche auf dem Talzuschub Algund im Hinblick
auf eine Ereignisprognose
•
Lokalisierung von Bewegungs- und Gefahrenbrennpunkten im Bereich des Talzuschubs Algund, die eine kontinuierliche Beobachtung (Monitoring) erfordern
•
Ausarbeitung von praktikablen Monitoringkonzepten für die fraglichen Areale und ggf. erste
Umsetzung dieser Konzepte
4 Projektbeteiligte
Das Projekt läuft in enger Kooperation unter Verantwortung und wissenschaftlicher Beteiligung folgender Personen ab:
•
Für die APB verantwortlich: Dr. Volkmar Mair, Amt für Geologie und Baustoffprüfung (Abt.
11.6) der APB, Koordination und wissenschaftliche Betreuung
•
Für die TUM verantwortlich: Prof. Dr. Kurosch Thuro, Ordinarius des Lehrstuhls für Ingenieurgeologie TUM, Koordination und wissenschaftliche Leitung und Betreuung, Erstbetreuer
der mit dem Projekt verbundenen Dissertation Dipl. Geol. Willerich
•
Für die TUM vor Ort: Dipl. Geol. Sebastian Willerich, wissenschaftliche Bearbeitung und
Ausarbeitung der Projektergebnisse, zeitweise unterstützt von Diplomanten der TUM
•
Als externer Wissenschaftler: Prof. Dr. Alessandro Corsini, Dipartimento di Scienze della
Terra, Università di Modena e Reggio Emilia, wissenschaftliche Betreuung und Zweitbetreuer Dissertation Dipl. Geol. Willerich
5 Methodik
Die wissenschaftliche Bearbeitung des Projektes und die daraus resultierende Bewertung der erhaltenen Ergebnisse im Rahmen der Zielsetzung des Projektes erfolgt unter Anwendung vielfältiger Untersuchungsmethoden. Die wesentlichen Arbeitsmethoden, die zur Ausarbeitung des vorliegenden Projekts (teilweise im Rahmen zukünftiger Projektphasen, siehe Kap. 6 und 11) zur Anwendung kommen
sind:
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•
Erstellung einer geologischen Karte für das Arbeitsgebiet zwischen Gratregion und Talgrund,
Kartierung der im Gebiet angetroffenen Bewegungsphänomene nach der Standardlegende der
APB; jeweils Maßstab 1: 5.000.
•
Grundlegende petrografische Analyse der im Arbeitsgebiet anstehenden Festgesteine durch
Dünnschliffauswertung
•
Erstellung von Profilschnitten auf Basis der erstellten Karten
•
Auswertung des Laserscan-DGM mit Rasterweite 2,5 x 2,5 m im Hinblick auf Detailmorphologie, geologische Störungszonen und Bewegungsstrukturen im Bereich des Talzuschubs Algund
•
Bewertung der hydrogeologischen Situation
•
GIS-basierte Darstellung der Kartierungsergebnisse auf Ortho-Foto (Befliegung 2006), 3DGeländemodell und topographischer Kartengrundlage mittels ArcGis 9.2, Erstellung von Detailkarten und thematischen Karten, Erfassung, Klassifizierung und Codierung von Bewegungsstrukturen in einer Datenbank (u.a. Zuordnung auf Teilschollen des Talzuschubs) nach
den entsprechenden Kriterien der APB
•
Großflächige Bestimmung von Bewegungsvektoren durch Radarinterferometrie (D-InSAR).
•
Ermittlung der Materialeigenschaften der Fest- und Lockergesteine, insbesondere des entfestigten Materials in den hauseigenen Fels- und Bodenmechanik-Labors
•
Übertrag der Gesteinsparameter auf den Gebirgsverband nach HOEK (GSI-System), Erstellung von Eingangsparametern für eine Modellierung
•
Numerische Modellierung der Gesamtsituation, von Einzelereignissen und instabilen Bereichen mit geeigneten numerischen Codes, ggf. unter Mitwirkung weiterer externer Wissenschaftler. In Frage kommen gegenwärtig die Codes UDEC – Universal Distinct Element Code (Itasca), FLAC – Fast Lagrange Finite Elemet Code und FLAC Slide (Itasca), PFC – Particel Flow Code (Itasca), Slide – Grenzgleichgewicht (RocScience), Phase2 – Finite Element
Code (RocScinence)
•
Wenn möglich: Altersdatierungen von Hölzern aus Rutschungs- und Mursedimenten, die
durch Massenbewegungen transportiert oder überdeckt, um die Wiederkehrzeit von gekoppelten Ereignissen einzugrenzen oder abzuschätzen
•
Ggf. Projektierung eines Monitoring-Systems zur Erfassung der oberflächigen und tiefreichenden Bewegungen.
6 Gegenwärtiger Bearbeitungsstand des Projektes
Die Geländeaufnahme ist bei gegenwärtigem Bearbeitungsstand zu etwa 90 % abgeschlossen und die
Erfassung und Klassifizierung der im Bereich des Talzuschubs Algund auftretenden Phänomene ist
vollständig erfolgt. Ebenso wurde eine detaillierte Auswertung des DGM durchgeführt. Im Zuge der
Geländearbeiten konnten lokale Bewegungszentren innerhalb des Talzuschubs erfasst werden, die sich
durch die Häufung von Bewegungsstrukturen erheblichen Ausmaßes und stellenweise bemerkenswerte Bewegungsbeträge von den durchschnittlich im Arbeitsgebiet zu beobachtenden Strukturen unterscheiden. In diesem Zusammenhang konnte der Talzuschub Algund anhand von strukturellen und
morphologischen Kriterien in Teilschollen untergliedert werden, für die bei bisherigem Kenntnisstand
zu vermuten ist, dass sie zum einen unabhängig von anderen Teilgebieten der gesamten Kriechmasse
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Bewegungen aufweisen können und dass zum anderen eine Destabilisierung umgebender Schollen
durch ihre Einzelbewegung möglich wird.
Die Übertragung der erhaltenen Daten und Ergebnisse der Geländeaufnahme in das GIS-System erfolgte bislang zu etwa 60-65 % und wird fortlaufend weitergeführt.
Die geologische Karte wurde angesichts der Aufgabenstellung aus dem Themengebiet „tiefgründige
Massenbewegungen / Gefahrenzonierung“ weitgehend abgedeckt erstellt. Das heißt, in der Regel wurde der für die tiefgründige Massenbewegung relevante Felsuntergrund in der Karte dargestellt, während die überlagernden Lockergesteine nur dort in der Karte wiedergegeben wurden, wo sie entweder
erhebliche Mächtigkeiten erreichen oder sich als relevant für die Aufgabenstellung erwiesen haben.
Relevanz für die Aufgabenstellung besitzt die Lockergesteinsdecke überall dort, wo an den Talzuschub gekoppelte Prozesse im Zusammenhang mit diesen Sedimenten auftreten (z.B. Remobilisierung
von Sturzblöcken, Bereitstellung von Murmaterial und Geschiebe, induzierte Rutschungen und
Kriechbewegungen, Präsenz von umgelagertem Material, etc.) oder wo sich eigene Bewegungsphänomene innerhalb der Lockergesteinsdecke entwickelt haben – dies betrifft vor allem flach- bis mittelgründige Kriechbewegungen an steilen Hängen und/oder auf der steil einfallenden Felsoberfläche.
Das Kriterium „erhebliche Mächtigkeit“ wurde im Rahmen des vorliegenden Projekts mit rund 1,5 m
und mehr definiert.
Zur Zeit befinden sich folgende Arbeitsschritte in der Bearbeitungsphase:
•
Erfassung der gekoppelten Phänomene Sturzereignisse, Rutschungen, Murgänge und Wildbachereignisse
•
Auswertung der angefertigten Dünnschliffe zur grundsätzlichen Darstellung der lokalen
Petrografie
•
Erstellung von Profilen durch die gesamte Kriechmasse des Talzuschubs Algund
•
Ausarbeitung der Gesteins- und Gebirgscharakteristik (Definition der felsmechanischen Parameter und Übertrag auf den Gebirgsverband durch geeignete Klassifizierungssysteme)
•
Kontaktaufnahme mit Prof. Dr.-Ing. habil. Tom Schanz, Professur Bodenmechanik an der
Bauhaus-Universität Weimar, im Hinblick auf die vorgesehenen Modellierungen
Abb. 4: Zum gegenwärtigen Bearbeitungszeitpunkt (Juni 2008) geologisch kartierte und im GIS umgesetzte Fläche (gelb, ca. 65 % des gesamten Projektgebietes), in der Südost-Ecke erkennt man Meran.
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7 Geologischer Überblick
Das Arbeitsgebiet befindet sich am südlichen Rand des metamorphen Ötztal-Kristallin-Komplexes
(Ostalpin, Mittelostalpin nach historischer Definition) innerhalb der Texelgruppe. Im Bereich des Ötztal-Komplexes lassen sich mehrere Metamorphosezyklen unterscheiden. Das jüngste Metamorphoseereignis ist Teil der alpinen Orogenese und fällt in die Kreidezeit (eoalpine Phase). Am Südost-Rand
des Kristallinkomplexes wurden in der Regel Bedingungen der Grünschiefer- bis Amphibolitfazies
erreicht (SÖLVA et al. 2001). Neue Forschungsergebnisse beschreiben aus dem Gratbereich der Texelgruppe nordwestlich von Meran auch Eklogite, die auf ein Alter von rund 86 Mio. Jahren datiert
werden konnten (Daten Projekt CARG-Geologische Karte von Italien, Blatt 13 Meran, unveröffentlichter Vorauszug der Erläuterungen). Dem entsprechend muss angenommen werden, dass im Zuge
der alpinen Gebirgsbildungsphasen im Bereich der Texelgruppe enorme Hebungsraten zu verzeichnen
waren. Dies trug mit Sicherheit zu der enormen Zerbrechung, Klüftung und Zerrüttung des Gebirgsverbandes bei, die im Arbeitsgebiet an nahezu jedem Aufschluss zu beobachten ist. Diese starke Auflockerung begünstigt tiefgründige Massenbewegungen erheblich.
Das Ötztal-Kristallin wird vor allem aus Para- und Orthogneisen sowie Glimmerschiefern und (bereits
in deutlich geringerem Ausmaß) Amphiboliten aufgebaut. Daneben treten typische, „exotische“, metamorphe Serien wie der Schneeberger Zug auf.
Im Projektgebiet sind die Festgesteine unterhalb etwa 1700 m in der Regel von mächtigen Lockergesteinen bedeckt. Dies sind neben Hangschutt und blockigen Sturzablagerungen vor allem Mursedimente, glaziale Ablagerungen und ausgedehnte Schwemmfächer am Fuß der Talflanke. Die Einzelgröße von Sturzblöcken kann 50 m³ überschreiten. Solche Großblöcke treten bis zum Talgrund bei
Algund und Plars auf.
Das Projektgebiet befindet sich unweit der periadriatischen Naht, die etwa 5 km entfernt durch Meran
verläuft. Des weiteren befindet sich das Areal des Talzuschubs Algund unmittelbar benachbart zur
sog. Thurnstein-Linie, einer regional bedeutenden Störungszone, die nordwestlich von Meran bei
Gratsch in NE-SW-Richtung verläuft (VIOLA et al. 2001). Durch das Arbeitsgebiet selbst verlaufen
keine bedeutenden Störungen, es konnten jedoch lokal kleinere Störungen beobachtet werden, die
offensichtlich als Begleitstörungen der Thurnstein-Line aufzufassen sind. Tektonische Vorgänge spielen somit für die Zerlegung des Gebirges als Prädisposition für die Entwicklung einer tiefgründigen
Massenbewegung im Projektgebiet praktisch keine Rolle.
Im Arbeitsgebiet lassen sich zwei wesentliche Schieferungsrichtungen unterscheiden. Die Schieferungsflächen fallen zum einen in prinzipiell südliche Richtungen ein und zum anderen in nordwestliche bis nordöstliche Richtungen („gegen den Hang“).
In der Regel beobachtet man die Zerlegung des Gebirgsverbandes an einem annähernd orthogonal
ausgebildeten Kluftsystem, das zwei bis drei Hauptkluftscharen aufweist. Örtlich sind die Gesteine an
weiteren, untergeordneten Trennflächen intensiver zerlegt. Die Klüftung ist (nach ISRM 1978 und
IAEG 1981) eng- bis weitständig, mit einer Häufung im mittelständigen Bereich. Vereinzelt beobachtet man dichtständig geklüftete Partien. Im Gratbereich treten Großklüfte signifikant gehäuft auf, was
für die Felssturzgefahr des Gebietes von Bedeutung ist.
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Abb. 5: Gegenwärtiger Stand der angefertigten geologischen Karte, Ansicht ohne Phänomene der
tiefgründigen Massenbewegung.
•
rot begrenzte Flächen: Lockersedimente Hang- und Sturzschutt, gemischte Schuttkegel;
•
grün umgrenzt: Schwemmkegel;
•
violett umgrenzt: Tille;
•
hellgelbe Fläche: Lockergestein, undifferenziert;
•
braune Fläche: Paragneis und Glimmerschiefer, undifferenziert, lokal mit geringmächtiger
Lockergesteinsbedeckung;
•
hellbraune Fläche: Glimmerschiefer;
•
violette Fläche: Orthogneise, lokal mit geringmächtiger Lockergesteinsbedeckung;
•
grüne Flächen: Amphibolite;
•
orange Flächen: andesitische Porphyre (oligozäne Gänge);
•
schwarz umgrenzt mit Gittersignatur: anthropogene Aufschüttungen/veränderte Flächen;
•
blaue Linien: Oberflächenabfluss/Gerinne, permanent und temporär aktiv
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8 Festgesteine des Arbeitsgebietes
Im Bereich des Talzuschubs Algund konnten folgende Gesteine auskartiert werden:
•
Paragneise und Glimmerschiefer (zusammen flächenmäßig weit überwiegend)
•
Orthogneise
•
Amphibolite
•
magmatische Gänge
8.1 Paragneise und Glimmerschiefer, Gneis-Glimmerschiefer
Paragneise und Glimmerschiefer bauen den Großteil der Talflanke im Untersuchungsgebiet auf, wobei
Glimmerschiefer anteilig gegenüber den Paragneisen zurücktreten. Aus zwei Argumenten werden
diese im Zuge des Projektes in der Regel nicht getrennt ausgewiesen. Zum einen sind beide Gesteine
im Arbeitsgebiet häufig petrografisch und lithologisch derart ähnlich, dass ein Unterscheidung sowohl
makroskopisch als auch mikroskopisch kaum möglich ist. Diese Gesteine müssen dementsprechend
als „Gneis-Glimmerschiefer“ angesprochen werden. Zum anderen treten beide Gesteine in gemeinsamen Abfolgen auf, in denen lithologische Wechsel im cm- bis dm-Bereich zu beobachten sind, die im
Maßstab 1:5.000 nicht kartierbar sind.
Die Gesteine sind grau und feinkörnig. Sie sind straff geschiefert und bereichsweise intensiv gefaltet.
Aufgrund ihrer Textur könne sie als Bändergneise bezeichnet werden. Es treten sc-Gefüge und feine,
interne, isoklinale Fältelungen auf. Die Metamorphosegrade sind den erfolgten Untersuchungen gemäß grünschieferfaziell.
Die Auswertung der Dünnschliffe hat bislang ergeben:
Paragneis:
Hauptgemengteile (Hg): Qz, Bt (örtlich chloritisiert), untergeordnet Plg
Nebengemengteile (Ng):Hellglimmer
Akzessorien (Ak): Apatit, Granat
Gneis-Glimmerschiefer:
Hg: Qz, Plg, Hellglimmer, Bt
Ng: Chlorit (Bt wird chloritisiert)
Ak: Granat, Apatit, Turmalin
Granate: zonar gebaut (einschlussreicher Kern, Rand einschlussfrei)
8.2 Orthogneise
Die bereichsweise auftretenden Orthogneise sind häufig als helle, graue Augengneise ausgebildet.
Lokal treten weißliche, äußerst hellglimmerreiche Orthogneise auf, so etwa im Umfeld der Hofstelle
Kienegger. Die Gesteine sind mittel- bis feinkörnig, örtlich mit großkörnigen Blasten. Die Schieferung
ist häufig undeutlicher Ausgebildet als bei den Paragneisen und Glimmerschiefern.
Die Dünnschliffauswertung hat bislang ergeben:
Augengneis:
Hg: Qz, Plg, evtl. Mikroklin, Hellglimmer
Ng: Amphibole
Ak: Apatit, Turmalin, Titanit
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weißlicher Orthogneis:
Hg: Qz, Plg mit Serizitisierung, Hellglimmer
Ng: Zoisit, Titanit, Hellglimmer aus Klein-Metasomatose, evtl. Alkalifsp, da Perthitlamellen, myrmekitische Verwachsungen
8.3 Amphibolite
Amphibolite treten eingeschaltet in Paragneisen und Glimmerschiefern auf. Lokal handelt es sich um
Granat-Amphibolite. Die Gesteine sind dunkelgrün bis graugrün, straff geschiefert und feinkörnig.
Man beobachtet auch die Variationen Hornblendegneis (mehr als 50 % Fsp, dann auch grobkörniger)
und Amphibolschiefer (Amphibolgehalte über 80 %).
Die Dünnschliffauswertung hat bislang ergeben:
Amphibolite:
Hg: Amphibole, Plg, Chlorit
Ng: Granat, Qz, Serizit und Titanit (Serizit bildet zusammen mit Titanit feine Schüppchen)
Ak: lokal Epidot
8.4 Magmatische Gänge
Im gesamten Gebiet der südliche Texelgruppe treten lokal magmatische Gänge innerhalb der metamorphen Serien auf. Im Arbeitsgebiet wurden solche Gänge an der Taufenscharte (Gratregion), talseitig der Leiteralm und zwischen den Hofstellen Kienegger und Saxner nachgewiesen. Das Alter dieser
Gangintrusionen ist oligozän (Daten Projekt CARG-Geologische Karte von Italien, Blatt 13 Meran,
Vorauszug der Erläuterungen). Die Magmatite weisen ein porphyrisches Gefüge auf und sie sind häufig alteriert. Ihre Farbe ist grau bis grünlich. Nach Streckeisen müssen sie im Fall der bislang für das
Projekt ausgewerteten Dünnschliffe als andesitisch klassifiziert werden. Für diese Gesteine existiert
offensichtlich auch der Lokalname „Töllite“.
Die Dünnschliffauswertung hat bislang ergeben:
Andesitische Porphyre
Hg: Qz, Amphibole, Plg (kleinere, frische Fsp, große Fsp alt und stark alteriert, Laminierung tw.
nicht mehr erkennbar), Hellglimmer, Chlorit (Alteration aus Amphibolen)
Ng: Serpentin, Chlorit (aus mafischen Gemengteilen), Zeolithe
9 Hydrogeologischer Überblick
Das gesamte Arbeitsgebiet ist, hydrologisch betrachtet, außerordentlich trocken. Bezogen auf die
hochalpine Morphologie und die Größe des Arbeitsgebietes treten bemerkenswert wenige Quellen auf.
Bekannt sind Quellaustritte nur unterhalb der Steilwände des Gipfelgrates (Wasserversorgung Gampenkuhalm), im Bereich des Töllgrabens, aus dem Grabbachtal (Versorgung Leiteralm und Plars,
Grundwasserableitung auch über Trinkwasserstollen „Locherstollen“) und östlich Oberplatzer (Versorgung Vellau). Weitere Quellaustritte konnten im Zuge der Geländeaufnahme nicht beobachtet werden. Im Gegensatz dazu weisen zahlreiche Erosionsrinnen auf temporär intensiven Oberflächenabfluss
hin. Diese Erosionsrinnen sind, abgesehen von Töllgraben und Grabbach, nur zeitweise aktiv. Die
meisten Rinnen im zentralen Teil des Arbeitsgebietes sind so intensiv verwachsen, dass ein Reaktivierungsperiode von mehr als 10 Jahren vermutet werden muss.
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Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Niederschlagswasser sehr rasch in den intensiv geklüfteten Untergrund einsickern kann, wo es als Grundwasser abgeführt wird und nicht mehr als Quellwasser zu Tage tritt. Der Grundwasserspiegel kann angesichts des dichten und fichtendominierten
Baumbestandes des Arbeitsgebietes im Mittel kaum mehr als zwei Meter unter GOK anzutreffen sein.
Laut Forstwirtschaftsplan Algund der Forststation Meran wird für das Gebiet zwischen Vellau und der
Gampenkuhalm eine Bestockung von 99 % Fichte und 1 % Lärche angebeben.
Der mittlere Jahresniederschlag beträgt gemäß Aufzeichnungen der Messstation Gratsch (offizielle
Messstation hydrografisches Amt APB) 700 mm bis 800 mm/m².
Damit ist angesichts der zuvor geschilderten Beobachtungen und Daten davon auszugehen, dass im
Arbeitsgebiet ein mächtiger zusammenhängender Grundwasserkörper im intensiv geklüfteten Fels
existiert. Es ist weiter anzunehmen, dass dieses Grundwasser, aufgrund der bereichsweise auftretenden
Trennflächen mit großer Erstreckung, in der Lage ist, nennenswerte Kluftwasserdrücke aufzubauen –
zumal die Klüfte innerhalb von Bereichen tiefgründiger Massenbewegungen in der Regel bis in ungewöhnlich große Tiefen geöffnet sind und eine verhältnismäßig hohe Durchlässigkeit des Kluftaquifers
bedingen.
10 Bewegungsstrukturen im Bereich des Talzuschubs Algund
Großräumig betrachtet zeigt die Talflanke bergseitig Plars und Algund zahlreiche typische morphologische Anzeichen für eine ausgedehnte tiefgründige Massenbewegung die den gesamten Hangabschnitt zwischen Gipfelgrat der Texelgruppe und dem Etschtal erfasst hat. Unterhalb des Gipfelgrates
folgt im Bereich der Gampenkuhalm eine erste weitläufige Verebnung. Aus der Entfernung betrachtet,
bauchen Teile des Hangs talseitig der Gampenkuhalm aus. Die Verebnung bildet das Top der gesamten „Sackungsmasse“ des Talzuschubs Algund, die sich talseitig dieser Verebnung, geometrisch annähernd trapezförmig ausgebildet, bis zum Talgrund erstreckt und mit abnehmender Seehöhe stetig bis
zum Fußbereich verbreitert. Die interne Morphologie dieses Sackungskörpers ist kleinteilig gegliedert,
unruhig und geprägt von hangparallelen Rinnen und Tälchen sowie Terrassen, Geländerücken und
abflusslosen Senken. Die Festgesteinsaufschlüsse sind intensiv geklüftet und die Klüfte wurden häufig
durch die Kriechbewegungen klaffend geöffnet. Verstellungen des Gefüges sind häufig zu beobachten.
Auffällig sind weiter die Häufigkeit von Sturzablagerungen und Ausbruchsnischen großflächiger
Translationsrutschungen im Fels – sekundäre Phänomene, die durch tiefgründige Massenbewegungen
und die damit einhergehende Auflockerung des Gebirgsverbands begünstigt werden.
Die im Gelände auskartierbaren primären Bewegungsanzeiger der tiefgründigen Massenbewegung im
Bereich des Talzuschubs Algund sind Nackentäler und große Bergzerreißungsgräben, Sackungen und
Zugrisse.
Abb. 6: Kartensymbole für
Nackentälchen / Bergzerreißungsstrukturen
allgemein;
rosa: vermutet, rot: gesichert.
Abb. 7: Kartensymbole für
Sackungen / Sackungskanten; rosa: vermutet, orange:
gesichert, inaktiv, rot: gesichert, aktiv.
Abb. 8: Kartensymbole für Zugrisse; orange: inaktiv, rot: aktiv.
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Abb. 9: Bsp. Nackentälchen/Bergzerreißung, südöstlich der Taufenscharte, Gratbereich.
Abb. 10: Bsp. Sackung, bergseitig Holzlagerplatz / Ende Forstweg „Kienegg-Töllwald“.
Abb. 11: Bsp. Zugriss, aktiv, zwischen Hofstelle Oberplatzer und Leiteralm (Foto: Weiersmüller).
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10.1 Gliederung des Talzuschubs Algund
Die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse führen zur Schlussfolgerung, dass sich die tiefgründig bewegte Masse anhand der Konfiguration der Bewegungsstrukturen und –anzeiger sowie des
geologischen Aufbaus in fünf bis sechs Teilschollen untergliedern lässt. Die vorläufige Einteilung
bedarf noch weiterer Überlegungen und Forschungsergebnisse aus zukünftigen Projektphasen. Im
wesentlichen gilt es abzuklären:
• wie die Teilscholle 1 talseitig der Gampenkuhalm weiter zu untergliedern ist
• ob die postulierte Teilscholle 4 tatsächlich als eigenständige Einheit des Talzuschubs angesehen werden muss
• ob der Grabbach tatsächlich auf seiner gesamten Länge als östliche Begrenzung des Talzuschubs Algund angesehen werden darf oder ob – zumindest für Scholle 5 – eine kinetische
Verbindung zu den ebenfalls tiefgründig bewegten Bereichen jenseits des Bachlaufes im Bereich Muthöfe / Tirol besteht
Abb. 12: Abgrenzung Talzuschub Algund (rote Linie) und weitere Differenzierung in Teilschollen (Grenzen orange Linien, gestrichelt: fraglich) gemäß gegenwärtigem Kenntnisstand.
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10.2 Gründe für die Ausbildung des Talzuschubs Algund
Zum gegenwärtigen Bearbeitungsstand des Projekts können folgende Umstände angegeben werden,
die aller Wahrscheinlichkeit nach in Summe und Kombination zur Ausbildung des Talzuschubs geführt haben.
Die Erosionstätigkeit im Zuge der quartären Vereisungen hat zur einer außerordentlich steilen Talflanke geführt. Bei einer durchschnittlichen Neigung von über 30° steigt der Hang vom Etschtal auf rund
400 müNN bis auf rund 2600 müNN im Gratbereich an. Die Flanke wird aus straff geschieferten Metamorphiten aufgebaut. Die prinzipiellen Metamorphosebedingungen und die Präsenz von eoalpinen
Eklogiten im Gratbereich der Texelgruppe legt den Schluss einer enormen Hebungsrate für die lokalen
Gesteine nahe. Die Schieferungsflächen fallen in der Regel entweder in südliche Richtungen ein („aus
dem Hang“) oder sie sind zwischen nordwestlichen und nordöstlichen Richtungen „pendelnd“ flach
gegen den Hang geneigt. Diese Raumlage der Schieferungsflächen und die anzunehmende Klüftung
des Gebirgsverbandes im Zuge der raschen Heraushebung haben zur Folge, dass die im Zuge der glazialen Tätigkeit übersteilte Talflanke prädisponiert ist für gravitative Ausgleichsbewegungen. Die
südfallenden Schieferungsflächen ermöglichen dabei ein großflächiges Abgleiten von Gesteinspaketen
bei Überschreitung der Trennflächenfestigkeit, während die nordfallenden Schieferungsflächen ein
großflächiges gravitatives Aufspreizen in Folge talwärts gerichteter Zugkräfte ermöglichen (vgl. Abb.
15 und Abb. 16). Die vorangelegte Klüftung ermöglicht horizontale und vertikale Verstellungen. All
diese Bewegungen zusammen münden in einem phasenweisen Kriechen diskreter Gesteinspakete bis
in erhebliche Tiefen unter GOK. Hinzu kommt die zuvor erläuterte Möglichkeit, die Kriechbewegungen durch Kluftwasserdruck auszulösen oder zu verstärken.
Die geschilderten Faktoren wechseln sich in ihrer Relevanz für die Einzelbewegungen je nach Bewegungsphase ab und verstärken sich teilweise und temporär sogar selbst (Kluftwasserschub sowie voranschreitende Klüftung und Auflockerung im Zuge der Bewegungen).
Abb. 13: Straff geschieferte Paragneise / Glimmerschiefer im Gratbereich, konstant südwärts gerichtetes
Einfallen der Schieferung (in Richtung Etschtal).
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Abb. 14: Gratbereich östlich Taufenscharte, intensiv geklüfteter, aufgelockerter Gebirgsverband mit kleinen Sackungen.
Abb. 15: Südfallende Schieferungsflächen im Gratbereich, Kriechbewegung parallel Schieferungsflächen mit
Öffnung vertikaler Klüfte durch Aufspreizung und
Nachsackung im zentralen Teil.
Abb. 16: Durch Kriechbewegung geöffnete, klaffende Klüfte in annähernd orthogonalem Kluftsystem, Fußbereich der
Talflanke nordöstlich Hofstelle Saxner;
Schieferung nordvergent „gegen den
Hang“ mit Aufspreizung der Schieferungsflächen (gelbe Linie) durch talwärts
gerichtete Bewegungen.
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10.3 Alter der Massenbewegung, Tiefenlage der Bewegungsflächen und Aktivität
Zum gegenwärtigen Bearbeitungsstand des Projektes können zu diesen entscheidenden Punkten nur
prinzipielle Aussagen getroffen werden.
Im Zuge der Geländeaufnahme wurden Belege dafür gefunden, dass der Talzuschub Algund bereits
vor der letzten Vereisungsphase (Würm-Eiszeit) aktiv gewesen ist. An zwei Lokalitäten trifft man auf
groß angelegte Bergzerreißungsstrukturen die eindeutig glazial überprägt wurden. Dies sind die Grabenstrukturen im Bereich der Leiteralm und um die Hofstelle Kienegger. In beiden Fällen wurden die
durch Aufspreizung entstandenen hängparallelen Gräben mit Tillen ausgekleidet und aufgefüllt. Der
talseitige Geländerücken des Bergzerreißungsgrabens beim Kienegger-Hof weist zudem typische
Rundhöcker und Gletscherschliffe auf. Damit kann bislang ein Mindestalter der tiefgründigen Massenbewegung mit prä-würmeiszeitlich angegeben werden.
Erste Näherungen zur Bestimmung der Tiefenlagen von Haupt-Bewegungsflächen der Kriechbewegung erfolgen derzeit mit der Erstellung erster Profilschnitte. Das Hangprofil und die gestaffelte Abfolge hangparalleler, E-W-verlaufender Bergzerreißungsgräben und Nackentäler legt bislang den
Schluss nahe, dass es sich um mehrere diskrete Bewegungsbahnen handeln muss, die teilweise im
Bereich der oberirdisch sichtbaren Sackungsmasse wieder ausstreichen (konkave Krümmung) und
teilweise auch bis unter das Niveau des heutigen Etschtalbodens reichen (Stauchungswälle im Etschtal
können anhand des DGM vermutet werden). Bewegungsflächen die weit unter heutiges Talniveau
reichen sprechen prinzipiell ebenfalls für einen weit zurückliegenden Beginn der Aktivität des Talzuschubs. Es muss davon ausgegangen werden, dass die initialen Kriechbewegungen stattfanden, als die
quartäre Füllung des Etschtales noch eine deutlich geringere Mächtigkeit aufgewiesen hat.
Bislang existieren im Bereich des Talzuschubs Algund, abgesehen von der Rötelspitze, keine Maßnahmen zur Datenerfassung im Hinblick auf Bewegungen. Indirekte Anzeichen für rezente Aktivität
der tiefgründigen Massenbewegung wurden bislang nur ganz vereinzelt gefunden. Es muss daher bei
gegenwärtigem Bearbeitungsstand davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Teil des Talzuschubs Algund seit mehr als etwa 50 Jahren keine nennenswerte Aktivität mehr aufgewiesen hat. Über
diesen Zeitraum ließen sich Bewegungsphasen über Gebäudeschäden, den Bewuchs oder menschliche
Erinnerung ermitteln. Dies liefert in der Regel für den Talzuschub Algund keine Bewegungshinweise.
Anzeichen von rezenter Aktivität der Massenbewegung finden sich bislang in folgenden Bereichen:
•
Gratregion, Rötelspitze: fortschreitende Öffnung einer Felsspalte, von der APB erfasst und
überwacht
•
talseitig Leiteralm in südwestlicher Richtung bis Oberplatzer: gespannte Wurzeln und Vegetationsschäden im Bereich von Sackungen und Zugrissen mit erheblicher Erstreckung, Schäden und Schrägstellung des Wohngebäudes Oberplatzer, gemäß Auskunft der Bewohner seit
Beginn der 90er Jahre
•
untergeordnet: südlich und westlich Gampenkuhalm, gespannte Wurzeln in Zugspalten, Vegetationsschäden
Damit muss gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass der Talzuschub Algund in der Regel eine
aktuell latente, „schlafende“ und örtlich auch blockierte Kriechmasse darstellt, die unter bestimmten
Voraussetzungen (Auslösemechanismen) reaktiviert werden kann.
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10.4 Bewegungszentren
Anhand der durchgeführten Untersuchungen konnten bislang vier Bewegungszentren bzw. „Brennpunkte“ im Bereich des Talzuschubs Algund identifiziert werden.
Dies sind
•
das Gebiet um Vellau (Scholle 5)
•
das Gebiet um die Leiteralm (Grenze zw. Scholle 1 und 3)
•
das Gebiet zwischen Kienegger (Südwestrand Scholle 3), den Forstwegen „KieneggTöllwald“ und „Töllwald“ (Zentrum bis Nordrand Scholle 2) sowie der Hofstelle Oberplatzer
(westl. Zentrum Scholle 3) und
•
das Gebiet um die Gampenkuhalm (Scholle 1 bzw. Grenze 1a/1b)
10.4.1 Vellau
Die kleine Ortschaft Vellau liegt im Zentrum des Talzuschubs und stellt damit potentiell einen Raum
mit hohem spezifischen Risiko dar. In diesem Bereich existieren ausgeprägte Bewegungsstrukturen
mit großer Erstreckung bzw. Öffnungsweite und Tiefe. Aufgrund der Mächtigen Lockergesteinsauflage im Bereich Vellau und talseitig der Ortschaft, muss angenommen werden, dass weitere Zeugen
intensiver tiefgründiger Hangbewegung überdeckt wurden und heute nicht mehr sichtbar sind.
Abb. 17: Kartierte Bewegungsstrukturen um Vellau, Legende der wesentlichen Strukturen s. Abb. 6-Abb. 8.
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Abb. 18: Vellau, gesehen vom Kienegger-Hof , mit markantem Nackental bergseitig der Häuser. Die
Struktur zieht weiter in die rechte untere Bildecke.
Abb. 19: große abflusslose Senke am nordwestlichen Ortsrand von Vellau im weiteren Verlauf der Bergzerreißungsstruktur aus Abb. 18. Das rote Haus im Hintergrund steht in der weiteren Fortsetzung des
Nackentals.
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10.4.2 Leiteralm
Eine der größten Bergzerreißungsstrukturen mit Öffnungsweiten bis über 80 m existiert unmittelbar
südwestlich der Leiteralm. Im talseitigen Bereich der teilweise mit Tillen gefüllten Grabenstruktur
beobachtet man Anzeiger schwach aktiver Bewegungen. Die begleitenden Bewegungsstrukturen – vor
allem die tiefen Zugspalten – erreichen beträchtliche Ausmaße.
Abb. 20: Kartierte Bewegungsstrukturen im Bereich Leiteralm, Legende d. wesentl. Strukturen s. Abb. 6-Abb. 8.
Gebäude Leiteralm am ob. rechten Bildrand.
Abb. 21: Markante, weite Talung südwestlich der Leiteralm – eine der am weitesten geöffneten Bergzerreißungsstrukturen im Projektgebiet, gefüllt mit quartären Tillen.
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Abb. 22: Ausgelegter Kern einer Handbohrung in der Talung aus Abb. 21. Die Lockersedimente sind
verdichtet, diamikt mit sandig-schluffiger Matrix und damit als Till anzusprechen.
Abb. 23: Detailfoto des erbohrten Tills aus Abb. 22.
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Abb. 24: Zugriss westlich der Leiteralm.
Abb. 25: Zugriss mit beginnender Sackung
westlich der Leiteralm.
10.4.3 Gebiet zwischen Kienegger, den Forstwegen „Kienegg-Töllwald“
und „Töllwald“ sowie der Hofstelle Oberplatzer
Bergseitig des Holzlagerplatzes am Ende des neuen Forstweges „Kienegg-Töllwald“ sowie östlich und
nordöstlich der Hofstelle Oberplatzer beobachtet man die meisten Anzeichen aktiver Bewegung. Die
Hofstelle selbst wurde bereits beeinträchtigt. Im Bereich des Forstweges „Töllwald“ beobachtet man
die (im Bereich dieser Massenbewegung) dichteste Drängung weit geöffneter, tiefer Nackentäler und
Bergzerreißungsgräben. Die Kriechbewegungen vollzogen sich hier sowohl in westlicher Richtung
zum tief eingeschnittenen Töllgraben, als auch südgerichtet zum Etschtal hin. Daher treten in diesem
Bereich auch große abflusslose Senken auf, die auf die spreizenden Kriechbewegungen und damit
verbundene Nachsackungen zurückzuführen sind. Die Bewegungsstrukturen in diesem Raum sind so
groß, dass sie in der Regel eine kartierungsbasierte Bewertung der Aktivität unmöglich machen. Allerdings finden sich Zeugen rezenter Bewegung an den Kontakten zwischen jungen künstlichen Aufschüttungen (im Zuge des Forstwegbaus) und den talseitigen Geländerücken der großen Nackentäler,
die der Forstweg durchquert.
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Abb. 26: Kartierte Bewegungsstrukturen im Gebiet zwischen Kienegger (rechte untere Bildecke), den Forstwegen „Kienegg-Töllwald“ (untere blaue Linie) und „Töllwald“ (obere blaue Linie) sowie der Hofstelle Oberplatzer
(mittl. rechter Bildrand), Legende d. wesentl. Strukturen s. Abb. 6-Abb. 8.
Abb. 27: Ausgeprägte Bergzerreißungsstrukturen (Talungen und abflusslose Senke) im Bereich Forstweg
„Töllwald“, 1490 müNN (Foto: Weiersmüller).
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Abb. 28: Hang zwischen Hofstelle Kienegger (Talseite) und Hofstelle Oberplatzer mit zahlreichen Bewegungsstrukturen (rote Pfeile), Blickrichtung Westen (Foto: Weiersmüller).
Abb. 29: Zugriss bergseitig Hofstelle Oberplatzer.
10.4.4 Gampenkuhalm
Talseitig der Gampenkuhalm befinden sich die höchstgelegenen Bewegungsstrukturen im Bereich des
eigentlichen Sackungskörpers des Talzuschubs. Diese sind stellenweise sehr stark ausgeprägt und
weisen große Erstreckungen auf. Das Gebiet zwischen Gampenkuhalm und Grat stellt den Abrissbereich des Talzuschubs dar, der ausgehend von dieser Zone weiter talwärts aufspreizt. Es handelt sich
damit um eine Schlüsselstelle zum Verständnis des Gesamtverhaltens der tiefgründig bewegten
Talflanke zwischen Etschtal und Gipfelgrat. Der Abrissbereich ist zwischen den Steilwänden und der
Gampenkuhalm durch mächtige Lockergesteine teilweise wieder aufgefüllt worden. Diese Sedimente
sind unter anderem in einem bemerkenswert großen (wohl gemischten) Schuttfächer abgelagert worden (noch nicht in digitalisierter Karte erfasst). Daneben treten vor allem Sturzablagerungen auf.
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Abb. 30: Kartierte Bewegungsstrukturen im Bereich Gampenkuhalm, Legende der wesentlichen Strukturen
siehe Abb. 6-Abb. 8.
Abb. 31: Markante Verebnung der Gampenkuhalm am Fuß der Steilwände des Gipfelgrats mit annähernd hangparallelen Gräben (Bergzerreißungsstrukturen, gelbe Linien) am talseitigen Ende.
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Abb. 32: Ausgeprägte hangparallele Bergzerreißungsstrukturen mit großer Erstreckung östlich der
Gampenkuhalm.
Abb. 33: Paragneis / Glimmerschiefer an der Gampenkuhalm mit klaffenden Vertikalklüften, die durch
die Kriechbewegungen geöffnet wurden; am unteren Bildrand erkennt man einen hangparallelen Graben
im Vorfeld des Felsrückens.
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11 Zukünftige Projektphasen
Die wesentlichen Aufgaben des zweiten Projektjahres lassen sich wie folgt zusammenfassen:
• Ermittlung von Gebirgsparametern durch Übertrag von Felsparametern nach der Methode
von HOEK (GSI-System)
• Modellierungen im Bereich der tiefgründigen Massenbewegung zur Bewertung von Bewegungsverhalten, Aktivität, Auslösemechanismen und Reaktivierbarkeit
• Detailauswertung mit Abschätzung der Tiefenlage und Geometrie der Hauptbewegungsflächen des Talzuschubs Algund
• Detailauswertung der gekoppelten sekundären Prozesse
• Erstellung eines Gefahrenzonenplanes für das Gebiet zwischen Grat und Talboden
•
ggf. Konzeption, Planung und Installation von Monitoringsystemen und Vorschlag von Präventivmaßnahmen
Abb. 34: Bsp. Prozesskopplung: durch tiefgründige Massenbewegung zerlegter, intensiv geklüfteter Fels
mit vertikalen Großklüften an der Rötelspitze – signifikant erhöhte Felssturzgefahr.
Abb. 35: Bsp. Prozesskopplung Sturz – rezenter
Sturzblock am Forstweg „Kienegg-Töllwald“.
Abb. 36: Bsp. Prozesskopplung Sturz – Steinschlag an der Verbindungsstraße VellauOberplatzer, März 2008.
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12 Schlussbemerkung
Im ersten Bearbeitungsjahr des Projektes ist es gelungen, den geologisch Aufbau des Gebiets und die
grundsätzlichen Gegebenheiten der tiefgründigen Massenbewegung „Talzuschub Algund“ zu erfassen
und weitreichend zu klären.
Im folgenden zweiten Projektjahr müssen nun auf Basis dieser Erkenntnisse jene Untersuchungen und
Modellierungen durchgeführt werden, die ein detailliertes Verständnis der tiefgründigen Massenbewegung ermöglichen und letztlich in einer gesicherten und fundierten Bewertung der Situation im Zuge
der Gefahrenzonenplanung münden. Im Zuge dieser Forschungen sollen rezente Aktivitätsbereiche
erfasst und Reaktivierungsbedingungen der derzeit ruhenden Bereiche definiert werden. Es gilt in diesem Zusammenhang auch die komplexen Prozesskoppelungen mit sekundären lokal auftretenden Phänomenen vollständig zu erfassen und in die Gefahrenzonierung einfließen zu lassen. Auf Basis dieser
weiteren Ergebnisse kann dann abschließend die Notwendigkeit von örtlichen Überwachungskonzepten bewertet werden und es können ggf. konkrete und zielgerichtete Maßnahmen im Rahmen des Projektes vorgeschlagen und eingeleitet werden.
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