leserbriefe LEITARTIKEL Wegatmen und aussitzen Während rechts von der politischen Mitte die Parolen aggressiver und die Hetze gegen Flüchtlinge heftiger wird, fehlen in Südtirol leider noch Bürger und Politiker, die sich solchem Treiben couragiert entgegenstellen. Mit Ignorieren wird man das nicht schaffen. von Alexandra Aschbacher Zu lange spielt sich unsere Auseinandersetzung mit dem Thema nach Art der Gezeiten ab: verschweigen – skandalisieren. W enn es heute um Fremdenhass und Flüchtlingshetze geht, fallen einem mittlerweile jede Menge Namenskürzel ein: Pegida, AFD, FPÖ, FN und wie sie alle heißen. Von NPD redet kaum einer, schon gar nicht in Südtirol. Das hat sich seit einigen Tagen etwas geändert – seit Vertreter dieser Partei gemeinsam mit Forza Nuova Fahnen schwenkend durch die Bozner Innenstadt marschierten. Beides rechtsextreme politische Parteien, die gegen das System wettern, gegen Europa, den Islam und die „Lügenpresse“. Sie gerieren sich als Anwälte der Schwachen und hetzen zugleich gegen die Schwächsten. Sie bieten Rezepte an, die unsere demokratischen Werte infrage stellen. Mitten in der Landeshauptstadt also wurden nach „Blut-und-Boden“ miefende Reden gehalten. Europäer, die Angst vor der Islamisierung des Abendlandes haben, schwarz-braune Gestalten, die auf dem Rücken der Flüchtlingsthematik die Gunst der Stunde nutzen, um eine Atmosphäre der Angst zu verbreiten und das demokratische Leben stören. Schade, dass all das in den vergangenen Tagen öffentlich kaum angesprochen wurde. Die meisten zogen es vor, die Demonstration auszusitzen, wegzuatmen, so zu tun, als wäre alles nicht da. Schließlich sind Südtirol und seine Demokratie stabil und gefestigt genug, um so eine Kundgebung mit solchen Parteien auszuhalten. Das mag sein, und Aussitzen ist freilich auch eine Möglichkeit. Wichtig und richtig aber wäre es, diese Herren (und einige wenige Frauen) zu entlarven als das, was sie sind: ausländerfeindliche Antidemokraten. Allein mit Ignorieren und Kleinreden aber schafft man das nicht. Es braucht die ernsthafte Auseinandersetzung. Es braucht auch Politiker der etablierten Parteien und Personen der Öffentlichkeit, die argumentieren, um so einem Teil der Bevölkerung die Augen zu öffnen. Zu lange spielt sich unsere Auseinandersetzung mit dem Thema nach Art der Gezeiten ab: verschweigen – skandalisieren. Man könnte natürlich sagen, dass diese Parteien am rechten Rand sowieso nur parlamentarische Zwerge sind. Aber auch Zwerge können große Schatten werfen. Eine Demokratie sollte wehrhaft sein, sie sollte mit Argumenten arbeiten. Südtirol und seine Demokratie aber wehrt sich zu wenig. Man studiert lieber den Wetterbericht und lässt dem neonazistischen Treiben seinen Gang nehmen. Sich wehren, würde in diesem Fall heißen, jene Menschen und deren Würde zu schützen, die von Neonazis verachtet werden. Ein Blick in andere europäische Länder zeigt, dass die rechte Propaganda funktioniert: Ausländerfeindlichkeit und eine antieuropäische Stimmung werden konsensfähig. Wer eine anständige Politik machen will, soll die Ängste der Bürger abbauen, nicht kleinreden. Es reicht nicht zu sagen: Diese Parteien sind uns nicht sympathisch, sie werden schon verschwinden, sobald die Flüchtlingskrise zu Ende ist. Der rechte Aufmarsch in Bozen ist im Vergleich zur linken Demonstration tags darauf am Brenner gegen eine Grenzschließung friedlich verlaufen. Im Vergleich zu den Ausschreitungen am Brenner mag die Bozner Kundgebung nahezu friedlich erscheinen. Entsprechend höhere öffentliche Aufmerksamkeit haben die BrennerRandalierer erhalten. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen, wenn sich so mancher Wolf mal Q wieder den Schafspelz umhängt. ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl No. 14 / 2016 7 Lantschners Sünde Der grüne Bürgermeisterkandidat von Bozen und seine Altlasten: ff 14/16 berichtete exklusiv Ich greife meine politischen Kontrahenten nicht persön­ lich an, weder mit Samt­ handschuhen noch ohne. So halte ich es auch mit Norbert ­Lantschner, umso mehr, als ich ihn persönlich kenne und sehr schätze. Zu Ihrem Artikel über „Lantschners Sünde“ fällt mir nur ein, dass er ganz intensiv nach poli­ tischer Fehde schmeckt. Stefano Fattor müsste erklären, warum er die nun an die ­Presse getragene An­ gelegenheit bisher „im Inter­ esse der Klimahausagentur“ Ein-Spruch: „In Bozen hat der Wolf im Schafspelz noch friedlich demonstriert, bei brennenden Asylantenheimen lassen die rechten Randalierer ihren Schafspelz fallen.“ Michael Bockhorni, Algund als Geheimnis gehütet hat, und warum dieses „Interesse“ jetzt, da Norbert Lantschner für die Grünen kandidiert, verschwunden ist. Mir stellt sich am dringends­ ten aber die Frage, ob es tatsächlich Aufgabe der Medien ist, als Handlanger bei der Austragung politischer Fehden zu dienen. Das Radio-Magazin mit aktuellen Tagesthemen aus Politik, Chronik, Gesellschaft und Kultur. Von Montag bis Samstag täglich ab 12.10 Uhr auf Südtirol 1, Radio Tirol, Radio Holiday, Teleradio Vinschgau, Radio Grüne Welle, Stadtradio Meran, Radio Gherdeina, Radio Gherdeina2 und Radio Nord. www.nachrichten.it No. 16 / 2016 11 % 89 % Wegatmen und aussitzen Fremdenhass und Hetze gegen Flüchtlinge: Warum ignorieren wir das? Leit­artikel in ff 14/16 In Bozen mag der Wolf im Schafspelz vielleicht noch friedlich demonstriert haben, bei den brennenden Asylantenheimen lassen die rechten Randalierer dann ihren Schafspelz fallen. Michael Bockhorni, Algund Die Angst der Gegner Der Flughafen Bozen und der Widerstand dagegen – „Panorama“-Meldung in ff 15/16 Flüchtlingsgipfel in Bozen. ff 15/16 über den Besuch des österreichischen Außenministers aber der Direktion sowie der Mehrheit der Mitglieder des Südtiroler Bauernbundes sollte bewusst sein, wie wichtig die Gäste für Südtirol und auch Südtirols Landwirtschaft sind. Als Mitglied des Roten Hahns und somit in unserer Eigenschaft als Lebensmittel­ produzenten stelle ich fest, dass der Großteil unserer Pro­ dukte in den Einkaufstaschen unserer Gäste landet. Dasselbe gilt auch generell für die jährlich ansteigenden Übernachtungszahlen in Urlaub-auf-dem-BauernhofBetrieben. Wir sollten den existierenden Flughafen dazu nutzen, um uns als Region mit unseren Topprodukten und Dienst­ leistungen noch attraktiver zu positionieren. Daraus ziehen auch – aber nicht nur – die Hersteller von landwirtschaftlichen Produkten ihren Nutzen. Mauern zu bauen, um Flüchtlinge aufzuhalten, ist keine langfristige Lö­ sung. Mauern sind auch kei­ ne „Notlösung“. Mauern sind ein Spiegel einer gescheiterten Politik und einer geschei­ terten Idee. „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu ge­ winnen, wird am Ende beides verlieren“, wusste schon Benjamin Franklin. Wo bleibt Europa als „Wer­ tegemeinschaft“? Wo sind die 28 Staaten, die sich zu einer „Union“ zusammengeschlos­ sen haben, um einen Frei­ heitstraum umzusetzen? Mir scheint, es hat sich aus­ geträumt, Europa, die Flücht­ linge haben dir den Spiegel vorgehalten, und dein wahres Gesicht ist erschreckend! Es wird wieder marschiert in Richtung rechts außen, mus­ limische Einwanderer werden auf offener Straße bespuckt, Asylantenheime brennen, Menschen ertrinken jämmer­ lich im Mittelmeer. Dann sollte Europa aber auch den Mut haben, zu dem zu stehen, was es ist: eine Wirtschaftsgemeinschaft von 28 egoistischen Staaten, die Banken retten, aber keine Menschen. Die Saison des Ertrinkens ist wieder eröffnet, und wir schauen zu. Dafür schäme ich mich! Marina Crazzolara, St. Kassian Werner Gasser, Berlin „Haben Sie schon mal an eine Schönheits-OP gedacht?“ Christoph Baur, Bozen Natürlich sind Flugzeug­ touristen nicht unbedingt die großen Apfelabnehmer, Mittagsmagazin Das Verständnis-Problem Die Online-Umfrage auf www.ff-online.com Ja Nein ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl