Kernfusion - Institut für Physik

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Kernfusion
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Fortgeschrittenen-Praktikum Physik - Seminar (SoSe10)
Referent: Tobias Macha
Betreuer: Dr. Harald Merkel
26. April 2010
1. Was ist Kernfusion?
Während dem Prozess der Fusion verschmelzen zwei leichte Atomkerne zu einem schweren. Wenn
die Coulombbarriere überwunden wird, bindet die starke Kernkraft die zwei Kerne. Dieser Vorgang
läuft exotherm ab; zumindest für die Elemente bzw. Isotope im linken Abschnitt des unten
abgebildeten Graphen. Die Freisetzung von Energie beruht auf dem Massendefekt. Der neu
gebildete Kern ist leichter als die zwei vorigen und es wird Bindungsenergie frei (→ E = mc² ).
2. Fusionsreaktionen auf der Erde
Auf der Erde sind nicht alle Fusionsreaktionen möglich, wegen der Bedingungen für eine Fusion.
Die Deuterium-Deuterium-Reaktion (DD-R) eignet sich hauptsächlich für Forschung und ist
aufgrund der geringeren Radioaktivität als bei Deuterium-Tritium-Reaktionen (DT-R) leichter zu
handhaben. Dafür setzen letztere mehr Energie frei und haben einen höheren Wirkungsquerschnitt.
Eine Reaktion von zwei Helium-3-Kernen würde beide Vorteile verbinden, allerdings gibt es nur
auf dem Mond ausreichend große Mengen.
Die einzelnen Reaktionen sind hier dargestellt:
Es ist erkennbar, dass in der DT-Reaktion das Neutron 80% der Energie mit sich nimmt, während
nur 20% im Plasma verbleiben.
3. Das Plasma
Ein Plasma ist ein Gas aus freien Elektronen und Ionen. Bei sehr hohen Temperaturen werden die
Gasmoleküle infolge der häufigen starken Zusammenstöße ionisiert und die äußeren Elektronen
bleiben abgetrennt. Plasma ist elektrisch neutral, aber aufgrund der freien Ladungsträger liegt eine
sehr hohe Leitfähigkeit vor. Die entstehenden Ströme sind wiederum mit magnetischen Feldern
verknüpft, die auf den Strömungsvorgang zurückwirken (Turbulenzen, Outbursts). Das Plasma ist
durch seine hohe Temperatur nur durch starke magnetische Felder haltbar. Mit diesen kann es
kontrolliert auf extrem hohe Temperaturen bis ca. 300 Mio. K gebracht werden.
4. Bedingungen für Fusion
Man benötigt für die Fusion Temperaturen im Bereich von 100 bis 200 Mio. K. In Sternen wird dies
durch die Gravitation begünstigt, aber auf der Erde brauchen wir eine 10 mal höhere Wärme als in
Sternen. Im Gegensatz dazu müssen die supraleitenden Magnete auf ca. 4 K gekühlt werden.
Außerdem sind nur Reaktionen mit leichten Kernen auf der Erde realisierbar.
Die Prozesse finden alle im Hochvakuum statt, da Verunreinigungen das Plasma instabil machen
würden.
Ab wann ein Plasma sich selbst heizt, also der Vorgang ohne externe Energiezufuhr läuft, wird
durch das Lawson-Kriterium bestimmt:
Für eine D-D-Reaktion:
Für eine D-T-Reaktion:
Hierin ist n die Anzahl der im Plasma eingeschlossenen Teilchen, τ die Einschlusszeit, k die
Boltzmannkonstante, T die Temperatur, das aufgrund der Maxwellverteilung von
Geschwindigkeiten gemittelte Produkt aus v und σ die Reaktivität und ε die pro Fusion
freiwerdende Energie.
Man erkennt, dass die D-T-Reaktion leichter zu realisieren ist.
5. Geschichte der Fusion
6. Meilensteine
Die hier abgebildete Grafik veranschaulicht die bisher erreichten Nutzen-Kosten-Verhältnisse. Der
graue Bereich oben rechts ist das Ziel: Die Selbstzündung. ITER soll in diesem Bereich liegen.
7. Der Rohstoff
Deuterium liegt in einem Liter Meerwasser zu 33 ng vor, also quasi unbegrenzt. Der globale Vorrat
an Tritium hingegen beträgt lediglich 20 kg. Diesen Mangel kann man umgehen durch das
sogenannte Tritium-Breeding, bei dem man Lithium mit Neutronen beschießt:
Li-7 + (schnelles) n → T + He + (langsames) n - 2,5 MeV
Li-7 + (langsames) n → T + He + 4,8 MeV
Das Lithium in der Erdkruste würde für einige 1000 Jahre ausreichen. Man würde den Reaktor mit
Platten auskleiden um dem Plasma direkt den Treibstoff zuzuführen. Der Neutronenbeschuss geht
dabei vom Plasma selbst aus.
8. Die aktuellen Projekte
-
ITER (lat. "der Weg") in Cadarache, Südfrankreich. Prinzip: Tokamak (toroidalnaja kamera
magnitnoj katuschki). Internationales Projekt und Nachfolger von JET.
Wendelstein 7-X in Greifswald (Norddeutschland). Prinzip: Stellarator. Projekt des MaxPlanck-Instituts.
National Ignition Facility in Livermore (Kalifornien). Prinzip: Trägheitsfusion mittels Laser.
Projekt des Lawrance Livermore Laboratorys.
9. Wie stabilisiert man Plasma?
Aufgrund der hohen Temperatur lässt sich ein Plasma nur in einem Magnetfeld einschließen.
Hierbei würde ein "schlauchförmiges" Magnetfeld das Plasma nicht auf einer Bahn halten, da
wegen Plasmaströmungen neue Felder induziert werden. Die Teilchen würden zur Kammerwand
driften. Um das Plasma auf einer Bahn zu halten, verdrillt man das Feld. In dieser Form sind auch
alle Feldlinien gleich lang und die Teilchen auf jeder Bahn legen die gleiche Strecke zurück. Dieses
homogene, verdrillte Feld kann man auf 2 Arten erhalten:
1.) Komplexer Aufbau der Magnete (Stellarator, s. Bild)
2.) Induktion eines Teilchenstroms im Plasma durch einen Transformator (Tokamak)
10. Tokamak-Prinzip (ITER)
48 Magnete, davon einer der erwähnte Transformator, erzeugen ein Magnetfeld in Höhe von 13
Tesla. Korrekturspulen gleichen die sogenannten Outbursts (Chaos im Plasma) aus. In der
Abbildung ist der Aufbau des Magnete dargestellt.
Neben der Kühlung mit superkritischem Helium kommt eine weitere mit Wasser zur Verwendung.
Neutronen werden darin abgebremst und geben auf ihrem Weg Energie ab. Durch den entstehenden
Dampfdruck lassen sich Turbinen antreiben und so elektrische Energie erzeugen.
Ein wichtiges Element ist der Divertor am Boden der Kammer: Er lenkt über zusätzliche
Magnetfelder Heliumasche und Verunreinigungen im Plasma, die durch Neutronenbeschuss der
Innenwand (Blankets) entstehen, auf seine Prallplatten, von denen die Rückstände über das
Hochvakuum abgesaugt werden.
Die Innenwand muss durch den ständigen Neutronenbeschuss ausgetauscht werden, wofür ein
Roboter verwendet wird, da aufgrund der hohen Strahlung kein Mensch dort arbeiten kann. Die
Qualität der Fernsteuerung ist entscheidend für die Leistung des Reaktors.
Radioaktives Material muss etwa 100 Jahre abklingen und wird direkt auf dem Gelände gelagert,
bis es wiederverwendet werden kann.
11. Wie erhält man die hohe Temperatur?
Der durch den Trafo verursachte Teilchenstrom heizt das Plasma über das Ohm'sche Gesetz.
Außerdem wird durch die adiabatische Kompression des Plasmas durch das Magnetfeld Wärme
hinzugeführt. Beides genügt allerdings noch nicht, so dass zwei weitere Techniken zum Einsatz
kommen:
Durch hochfrequente
elektromagnetische Wellen mit
Resonanzfrequenz einerseits von
Elektronen (100-200 MHz, über Luft)
und andererseits von Ionen
(30-50 MHz, über Antennen) können
die jeweiligen Teilchen angeregt
werden.
Bei der "Neutral Beam
Injection" (Neutralteilchenbeschuss)
werden Teilchen ionisiert (negativ),
dann beschleunigt, dann ihre Ladung
neutralisiert und danach ins Plasma
geschossen, wo sie kollidieren und
somit heizen.
12. Stellarator-Prinzip (Wendelstein 7-X)
Der Aufbau ist auch hier torusförmig, aber wegen dem fehlenden Transformator ist die Struktur der
Magnete komplexer. Dies war anfangs problematisch und ist erst heute aufgrund der höheren
Computerleistung möglich. Man gibt dem PC das gewünschte Feld vor und lässt dann die Form der
Magnete ausrechnen. Dabei kommt ein 3D-Gebilde ohne kontinuierliche Symmetrie heraus (siehe
Kap. 9).
Da man keinen Transformator braucht, ist hier ein Dauerstrich-Betrieb möglich. Die Magnete sind
supraleitend und man muss sie daher nur einmal in Betrieb nehmen und das Feld wird aufrecht
erhalten, was im Vergleich zum Transformator des Tokamaks Energie spart.
Außerdem liegen im Plasma weniger Instabilitäten vor, da kein Strom induziert wird.
Einziger wirklicher Nachteil und Hauptgrund für den entwicklungstechnischen Rückstand und die
fehlende Subvention ist der komplexe Aufbau.
13. Inertialfusion (Trägheitsfusion)
Bei dieser Technik werden 10 bis 100 Pellets zur Implosion unter äußerer Bestrahlung durch Laseroder Teilchenbeschuss gebracht. Pellets bestehen aus schockgefrostetem D-T-Gas.
In der National Ignition Facility am Lawrence Livermore Laboratory befindet sich der stärkste
Laser der Welt. Dort wird die Laserfusion
mit 192 Strahlen und einem Puls von 500
TW betrieben. Die Anlage ist die einzige
dieser Größenordnung.
Jedoch ist das Ziel nicht, eine neue
Energiequelle zu erhalten, sondern
Kernwaffentests zu simulieren.
14. Vergleichsdaten
Die Tabelle liefert einige Vergleichsdaten:
Man erkennt die deutlichen Unterschiede in der Subvention und der benötigten Leistung. Allerdings
liegt der Energieverbrauch im gleichen Bereich, wenn man die Betriebszeiten berücksichtigt.
Des weiteren ist ersichtlich, dass nur ITER ein Leistungsziel hat.
Während der Vorgänger JET ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 65% erreichte, ist für ITER ein
Verhältnis von 685% geplant!
Die angestrebten 500 MW Leistung entsprechen einem kleinen herkömmlichen Kernkraftwerk.
Diese erzielen in Deutschland zwischen 300 und 1800 MW.
15. Ausblick
Zwei Zitate veranschaulichen die Problematik an der Kernfusion:
-
Die Kernfusionskonstante: Auf die Frage, wann die Kernfusion wirtschaftlich nutzbar ist,
lautet die Antwort immer "in 30 Jahren".
"Kernfusion ist die Energiequelle der Zukunft und wird sie immer sein."
Die Probleme bei der Fertigstellung der Technik werden durch folgende Punkte bedingt:
Es wird zu wenig Geld (auch von Seiten der Wirtschaft) investiert. Außerdem sind die Kosten für
den Bau eines Kraftwerks sehr hoch, was z.B. nachteilig für Entwicklungsländer ist. Die
Betriebszeit eines Kraftwerks müsste sehr groß sein, damit es sich rentiert. Dies ist bei DT-Fusion
fraglich, da die Strahlungsbelastung durch Tritium und Neutronen sehr hoch ist und auf Dauer der
gesamte Reaktor Schaden nimmt.
Problematisch ist auch die politische Durchsetzbarkeit, gerade in Deutschland. Die Öffentlichkeit
und Politik weiß viel zu wenig über die Vorteile gegenüber herkömmlichen Kernkraftwerken.
Durch die hohen Kosten gäbe es auch nur wenige Kraftwerke pro Land, was zu einer
Zentralisierung führen würde.
Die Konkurrenz durch andere alternative Energiequellen ist vergleichsweise hoch. Beispielsweise
werden in den Wüsten Solarkraftwerke in Milliardenhöhe gebaut, finanziert durch Unternehmen.
Diese setzen lieber auf bekannte Alternativen zu Öl und Kohle.
Außerdem muss an Fusionskraftwerken zwingend experimentell geforscht werden, weil die
Simulation am PC zu viel Rechenleistung benötigt und es nicht möglich ist, alle Faktoren so zu
berücksichtigen wie erforderlich.
Außerdem fehlt es schlichtweg an Know-How. Zu wenige wissenschaftliche Kräfte arbeiten auf
diesem Fachgebiet. Ein neues Projekt zu gründen wäre schwierig, da man eine Gruppe vergleichbar
zu der am ITER-Projekt bräuchte.
Quellen
Zu empfehlen sind die ersten drei Links. Dort gibt es ausführliche Informationen zu den
verschiedenen Projekten. Von dort stammen auch fast alle Bilder des Vortrags.
Wie immer hilft Wikipedia bei einem groben Überblick über das Thema.
•
http://www.iter.org/default.aspx
•
http://www.ipp.mpg.de/ippcms/de/for/projekte/w7x/index.html
•
https://lasers.llnl.gov/
•
http://de.wikipedia.org/wiki/Lawson-Kriterium
•
http://de.wikipedia.org/wiki/Stellarator
•
http://de.wikipedia.org/wiki/Wendelstein_7-X
•
http://www.freitag.de/wissen/0929-hasinger-kernfusion
•
http://de.wikipedia.org/wiki/ITER
•
http://de.wikipedia.org/wiki/Kernfusionsreaktor
•
http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/314/5797/238
•
http://de.wikipedia.org/wiki/National_Ignition_Facility
•
Anwendungen der Kernphysik (Springer-Lehrbuch)
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