Stationäre psychosomatische Psychotherapie

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Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
Leitende Ärztin: Dr. Ulrike Anderssen-Reuster
Psychosomatische Erkrankungen
Wenn der Körper durch die Seele spricht
Wenn die Seele durch den Körper spricht
Psychosoziales Forum, Dresden, 26.11.2014
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle am Blauen Wunder
I. Epidemiologischer Überblick
2
Psychische Erkrankungen in der Allgemeinpraxis

Mehr als ein Drittel der Bevölkerung leidet irgendwann einmal
im Leben an einer psychischen Erkrankung

Die Mehrzahl der Erkrankten werden nicht von Psychiatern,
Psychologen oder Psychosomatikern gesehen

Statt dessen werden vor allem Allgemeinärzte konsultiert, die
oft Hemmungen haben, psychische Erkrankungen
anzusprechen
Maier (1996) Deutsches Ärzteblatt
3
Bundes – Gesundheits – Survey - 1998/99

32 % (= 15,6 Millionen) der deutschen Bevölkerung im Alter von
18 – 65 Jahren leiden unter einer oder mehreren psychischen
Störungen.

Jeder dritte Betroffene (36 %) hat deswegen Kontakt zu
ambulanten oder stationären psychiatrischen
/psychotherapeutischen Diensten oder seinem Hausarzt.

Trotz erheblicher Bemühungen umfasst die Zeitspanne zwischen
dem ersten Auftreten von psychischen Symptomen und adäquater
Diagnosestellung jedoch gegenwärtig immer noch 3 – 5 Jahre.

Lediglich 10 % der Betroffenen erhalten eine adäquate
Behandlung.
4
Bundes – Gesundheits – Survey - 1998/99

Die gravierende Unterversorgung ist weniger auf fehlende
Therapieangebote zurückzuführen als vielmehr auf ineffiziente
Nutzung schon vorhandener Versorgungsstrukturen.

Die verschiedenen Akteure im Gesundheitssystem arbeiten nicht
auf zweckmäßig aufeinander abgestimmte Weise zusammen.

Das gegliederte Versorgungssystem von ambulanter Therapie,
Krankenhausbehandlung, Rehabilitation
macht stringente Behandlungsprozesse schwierig.

Fachliche Konkurrenzen erschweren Kooperation.
5










30 – 50% der psychischen Störungen werden in
Allgemeinarztpraxis nicht angesprochen
Psych. Erkrankungen gelten als stigmatisierend
Arzt will Patienten Beschämung ersparen
Nur 1% erhält sofort adäquate Behandlung
Hohe somatische Überdiagnostik und Fehlbehandlung
Chronifizierung und indirekte Kommunikation drohen
Sehr hohe indirekte Krankheitskosten
Hohe Frühberentung und AU-Zeiten
Verdeckte Krankschreibungen (Skelettsystem, Kreislaufsystem,
etc.) erfolgen
Heimliche Allianzen unter Vermeidung psychischer Faktoren
Beutel M. (2008) Psychosoziale Versorgung
6
Wann ist Einweisung in Psychosomatik indiziert?

Schwere der Störung erlaubt keine ambulante Therapie
(Komplexität, Komorbidität etc.)

Somatische Komorbidität

Fehlende ambulante Angebote

Destruktive Umwelt

Fehlende Voraussetzung für ambulante Behandlung :
- organische Fixierung
- motivationale Probleme
- eingeschränkte Selbstwahrnehmung
7
II. Diffuse Symptomatik
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Hoffnungs-Enttäuschungszirkel
Patient
Arzt
Doctor Shopping
Doctor Hopping
Doctor Dropping
Bemühen
Missverstehen
Behandlungsabbruch
Ohnmachtserleben
Enttäuschung
Legitimieren
Gegenübertragungsaggression
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Maskierte psychische Symptome
Diffuse Beschwerden

Erschweren klare Diagnostik

Erschweren symptomatische Eingrenzung

Erschweren therapeutischen Prozess

Führen zu ambivalente Arzt-Patient-Beziehung

Heimliche Allianzen entstehen

Pseudo-Diagnostik und Pseudo-Behandlung erfolgt

Eigentliches Leiden wird nicht gesehen

Pat. schließlich enttäuscht

Arzt schließlich frustriert
10
Beispiel Somatisierungsstörung

Charakteristisch sind häufig wechselnde Symptome

Meist längere Patientenkarriere

Jedes Körpersystem kann betroffen sein

Deutliche psychische Überlagerung erkennbar

Führt zu Störungen im sozialen Bereich

Oft chronischer Verlauf

Beginn im frühen Erwachsenenalter

Frauen häufiger betroffen

Analgetika oder Tranquilizermissbrauch häufig
11
Differentialdiagnose

Unerkannte Krankheit

Vorübergehende körperliche Störung

Affektive Störung

Angststörung

Artifizielle Störung

Simulation

Wahnhafte Störung

Konversionsstörung
12
III. Psychosomatische Störungen als
Ausdruck von Bindungsstörungen
13
Bilder: Rene Magritte
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19
20
21
Das Bindungssystem
22
Dr. med.
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Bindungsformen
Bindung
Kind
Sicher
UnsicherVermeidend
UnsicherAmbivalent
Desorganisiert
Bindung
Mutter
Autonom
Abweisend,
beziehungsAbwertend
Verstrickt,
beziehungsüberbewert.
Unaufgelöstes
Trauma
Bindungsgeschichte
Mutter
Breite
Affektpalette
Idealisierung
der eigenen
Eltern ohne
Erinnerung
Überflutet von
Erinnerungen,
Unverarbeitete
Negativerfahrungen
Frühe Verluste
Frühe Trennung
Vernachlässig.
Traumatisierung
Bindungsrepräsentanz
Mutter
kohärent,
integriert
Fehlende
Kohäsion
Keine Ordnung u.
Struktur, reduzierte
Abstraktionsfähigk.
Anzeichen
fehlender
Trauerarbeit
Verhalten
gg.
Kind
vorhersagbar,
angemessen,
einfühlsam
vorhersagbar,
unangemessen,
Hilfe ablehnend,
Freude ermutigend
unvorhersagbar,
unangemessen
Gelegentliche
Absencen,
furchterregend,
angsterfüllt
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Agieren und Inszenieren
Da frühe Bedürfnisse oft unbefriedigt geblieben sind, werden sie bei
Aktivierung des Bindungssystems reaktualisiert und zeigen sich dem
Arzt / Therapeuten
„KOMM HER – GEH WEG“
„RETTE MICH“
„NUR SIE VERSTEHEN MICH WIRKLICH“
„KEINER KANN MIR HELFEN“
„WASCH MICH, ABER MACH MICH NICH NASS“
„VIELLEICHT SIND SIE ENDLICH DER RICHTIGE“
„SIE HABEN MICH SO ENTTÄUSCHT“
25
IV. Behandlungsstrukturen im KHDN
26
Integrierte Psychosomatik im KHDN
Konsiliardienst:
Aufsuchende Beratung und Betreuung besonders in
Innere Medizin, Gynäkologie, Kinderklinik, Neurologie
Klinische Psychologie:
Aufsuchender Kontakt bei psychisch auffälligen Patienten und
Vermittlung weiterführender Behandlungsangebote
Psychosomatisch Ambulanz:
Diagnostik, Einzeltherapie, Spezifische Gruppen, Weiterlenkung in
Strukturen der ambulanten Versorgung
Tagesklinische und stationäre Behandlung
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Prästationäre Diagnostik
Vorgespächstermin innerhalb von 14 Tagen
Prüfung des Therapieanliegens des Patienten, der
Änderungsmotivation und der Integrationsfähigkeit
Erhebung der biographischen Anamnese, der klinischen und
psychosomatischen und sozialen Diagnostik
Vermittlung des gruppentherapeutischen Ansatzes
OPD – Diagnostik zur Klärung des psych. Strukturniveaus
Informationsvermittlung, Abklärung von dysfunktionalem Verhalten
und Therapiehindernissen
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PIA–psychiatrisch-psychotherapeutische
Institutsambulanz
2008 entstand Zentrum für Psychische Gesundheit mit Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie zusammen
Gemeinsame Dienste, Fortbildungen, Fallbesprechungen Institutsambulanz in PIA und PSIA untergliedert
Chronisch psychisch Kranke können dort behandelt werden.
Krisenintervention können zeitnah erfolgen
Bietet prästationäre und poststationäre Behandlungsmöglichkeiten
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PIA - Angebote
Psychosomatische Allgemeinambulanz:











Angstbewältigungsgruppe
Schmerzbewältigungsgruppe
Skillstraining
Achtsamkeitstraining (MBSR/MBCT)
Essgruppe
Stabilisierungsgruppe / Ressourcengruppe
Seniorengruppe
Entspannungsübungen
Mentalisierungsgruppe
Tiefenpsychologische offene Langzeitgruppe
Einzelgespräche (begrenzt)
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PIA - Angebote
Psychotherapeutische Elternambulanz:



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




Behandlung interaktioneller elterlicher Defizite
Mutter-Kind-Gruppe
Mentalisierungsgruppe
Videoanalyse
Behandlung von Regulationsstörungen
Förderung intuitiver elterlicher Kompetenz
Psychotherapie der „Gespenster im Kinderzimmer“
Einzeltherapie der Eltern
Vernetzung mit Allgemeinen sozialen Diensten
Sozialpädagogische Begleitung
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PIA - Angebote
Poststationäre Stabilisierung:
Bei Pat. mit schweren psych. Beeinträchtigungen ist Anbindung an PIA
möglich und sinnvoll
Langsame Ablösung und Begleitung möglich
Trainingsmaßnahmen zur Stabilisierung möglich
Sozialpädagogische Begleitung, Übende Verfahren, selten ambulante
Psychotherapie
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Tagesklinik
Geschlossene Gruppe
Offene Gruppe
8 Plätze
10 Plätze
Station
Somatisierungsgruppe
Neurosengruppe
Traumagruppe
Chronische Schmerzerkrankung
9 Plätze
9 Plätze
6 Plätze
7 Plätze
33
IV. Behandlungsprozess
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Victor v. Weizsäcker
Subjektive Lebenssituationen haben
individuelle Bedeutung
Das Leiden am Leib hat Sinn im
Leben des Menschen
Zusammenhang von Leidenschaft
und viszeralen Störungen
Es gibt keine Krankheiten
sondern nur kranke Menschen
Unbewusste Leibphantasien und
ungelebte Lebensentwürfe formen
das Krankheitsgeschehen
Die Arzt-Patient-Beziehung ist die
Grundlage einer bio-psychosozialen Gesamtdiagnostik
35
Störungsmodell gemeinsam mit
Patienten entwickeln

Raum für Klage

Psychoedukation über Symptom

Zunächst rational und symptomebezogen vorgehen

Verständnis für Erleben und Ursachen

Vermittlung von psychophysischem Modell

Psychogene Krankheitstheorie entwickeln

Verständnis für Vulnerabilität entwickeln

Biographie in eigenen Worten ausdrücken lassen

Dem Schmerz und Kummer Worte geben
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ABC-Modell
Auslösende
Situation
Wahrnehmen /
Bewerten
Körperliche
Empfindung
Reaktion
·Diese Automatismen verfestigen persönliche Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster
·Eine Verstärkungsspirale kommt in Gang
·Durch achtsames Wahrnehmen ist mehr Freiheit und Offenheit möglich
·Neue Erfahrungen, Änderungen von Gewohnheitsmustern können erfolgen
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Psychotherapie der funktionellen
Körperfunktionen und Signale

Wahrnehmen körperlicher Empfinden üben

Reiz und Reizreaktion wahrnehmen

Körperempfindung und Gefühl verbinden

Inneren Erlebnisraum erfahren

Verschiedene Zugangsmöglichkeiten erproben:

PMR, Body-Scan, Imagination, Meditation

Körpertherapie (3 mal wöchentlich)

Affekte differenzieren lernen

Affekte mit Erfahrungen verbinden
38
Affektdifferenzierung

Erkennen des Zusammenhangs von Gefühl und
Körperempfindung

Lernen Affekt zu erkennen

Lernen Affekt zu benennen

Lernen Affekt im Kontakt auszudrücken

Lernen, sich von Affekt zu distanzieren

Affektkaskade verstehen lernen

Interventionsmöglichkeiten üben

Informationsgehalt von Gefühlen verstehen
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Kein „entweder oder“
sondern
„sowohl als auch“

Pathologische Funktionsdiagnostik schließt
funktionelle Störung nicht aus

Keine „eingebildeten“ Symptome, sondern oft real

Koexistenz und wechselseitige Verstärkung
von organischer und funktioneller Störung

Körper und Psyche sind nicht zu trennen
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A. Anfangsphase
 Verständnis geben, Verstehen fördern
 In Gruppe integrieren
 Raum für Symptomklage lassen
 Rückmelden, was verstanden wurde
 Hohe Sensibilität für Zurückweisung beachten
 Reinszenierung alter Muster andeuten und beobachten
 Erfolge ermöglichen
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B. Konfrontations/Aktivierungsphase
 Lebensgeschichte schreiben
 Szenisches Verstehen über Gruppeninteraktionen
 Körpertherapie/Kunsttherapie
 Symbolisierung verstehen lernen
 Enttäuschung, Vorwurf, Kränkung in Worte bringen
 Aktives „Nicht-Tun“
 Affekte aushalten, ausdrücken, aneignen
 Neue Wege gehen und neue Erfahrungen machen
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C.Reflexions/Symbolisierungsphase
 Verstehen statt agieren
 Multiperspektivität üben
 Inneren Erfahrungsraum erweitern
 Freiheitsgrade erweitern
 Bilder, Träume, Imaginationen nutzen
 Selbstbild hinterfragen
 Persönliches Narrativ hinterfragen
 Handlungsperspektiven eröffnen
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D. Transferphase
 Alltagsprobleme anschauen
 Typisches Problemverhalten im Alltag identifizieren
 Verantwortung für eigenes Fühlen, Denken, Handeln
 Neuer Weg n– was soll sich ändern?
 Strategien zur Umsetzung entwickeln
 Neue Muster entwickeln
 Narrative sind immer persönlich gestaltet
 Man kann sie umschreiben und anders weiterschreiben
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E. Stabilisierungsphase
- bei besonderen Schwere der Störung (PSIA)
 Typisches Problemverhalten im Alltag identifizieren
 Verantwortung für eigenes Fühlen, Denken, Handeln
 Neuer Weg – was soll sich ändern?
 Strategien zur Umsetzung entwickeln
 Neue Muster entwickeln
 Verantwortung für Emotionalität und Bewertungen
lernen
übernehmen
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V. Effektivität von Psychosomatik
Die Effektstärke stationärer Psychotherapie ist gut bis sehr gut. Die
Ergebnisse hängen von verschiedenen Faktoren ab. Folgende
Aspekte haben starke Auswirkungen auf Behandlungserfolg:
 Änderungsmotivation
 Einsichtsfähigkeit
 Sozialem Umfeld
 Komorbidität
 Persönlichkeitsfaktoren
 Passung zum therapeutischen Ansatz
 u.a.m.
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
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