Neues Erbe Aspekte, Perspekven und Konsequenzen der digitalen Überlieferung Kulturelle Überlieferung – digital 1 ZAK | Zentrum für Angewandte Kulturwissenscha und Studium Generale Centre for Cultural and General Studies Karlsruher Instut für Technologie (KIT) und Kompetenzzentrum für kulturelle Überlieferung – digital Karlsruhe (KÜdKa) Herausgeber: Copyright: Caroline Y. Robertson-von Trotha Robert Hauser Karlsruher Instut für Technologie (KIT) Campus Süd ZAK | Zentrum für Angewandte Kulturwissenscha und Studium Generale 76128 Karlsruhe Neues Erbe Aspekte, Perspekven und Konsequenzen der digitalen Überlieferung Caroline Y. Robertson-von Trotha, Robert Hauser (Hg.) unter Mitarbeit von Janina Hecht Redakon: Mitarbeit: Satz: Umschlag: Janina Hecht, Chrisne Wölfle Silke Flörchinger, Tina Gerken, Svenia Schneider, Sonja Seidel Janina Hecht Konzept & Gestaltung: Annabel Angus; Illustraon: Jan Zappe Impressum Karlsruher Instut für Technologie (KIT) KIT Scienfic Publishing Straße am Forum 2 D-76131 Karlsruhe www.ksp.kit.edu KIT – Universität des Landes Baden-Würemberg und naonales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinscha Diese Veröffentlichung ist im Internet unter folgender Creave Commons-Lizenz publiziert: hp://creavecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/ KIT Scienfic Publishing 2011 Print on Demand ISSN 2193-1259 ISBN 978-3-86644-737-0 Inhaltsverzeichnis Editorial der Herausgeber 9 Vorwort Neues Kulturerbe – New Heritage 11 RobertHauser Der Modus der kulturellen Überlieferung in der digitalen Ära – zur Zukunft der Wissensgesellschaft 15 ThorolfLipp Arbeit am medialen Gedächtnis. Zur Digitalisierung von Intangible Cultural Heritage 39 BernhardSerexhe Neue Medien – kurzes Gedächtnis? Anmerkungen zum Systemwechsel des kulturellen Gedächtnisses 69 JessicaHeesen Was ist ein digitaler Content wert? Kriterien für die Bewahrung eines digitalen Erbes 83 JürgenEngeundTabeaLurk Digitale ArchivSysteme 2.0? Dokumentation. Erhaltung. Ereignis 93 JesúsMuñozMorcillo Überlieferung von Medienkunst und digitale Nachlassverwaltung 123 HeinzWernerKramskiundUlrichvonBülow „Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe“ – Erfahrungen mit digitalen Archivmaterialien im Deutschen Literaturarchiv Marbach 141 5 ArbeitammedialenGedächtnis. ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage ThorolfLipp 1. Einleitung Wenn von ,kultureller Überlieferung – digital‘ die Rede ist, gilt es, mindestens vier grundsätzlich unterschiedliche Überlieferungskategorien zu beachten: Erstens privat überlieferte Erinnerungen, wie sie etwa von Eltern auf die Kinder übertragen werden. Zweitens, die im Rahmen von privaten Trägerschaften ausgewählte und überlieferte Kulturproduktion, wie sie z.B. in Kirchen, Museen, Bibliotheken oder Sammlungen aufbewahrt wird. Drittens, die staatlich organisierten Archive, in denen vom Strafzettel bis zur Geburtsurkunde, vom Patent bis zur Mondrakete all das aufbewahrt wird, was, ganz allgemein gesprochen, irgendwie zum Gelingen von Gesellschaft von Nutzen sein könnte. Viertens gibt es die Sphäre des überstaatlich ausgelobten, global organisierten ,Premiumerbes‘, wie es durch die UNESCO-Welterbekonventionen gefasst wird. Beim digitalen Weltkulturerbe denkt man zunächst einmal an die entsprechende UNESCO-Charta zum digitalen Erbe: Texte, Datenbanken, Photographien und Audiovisionen, Grafiken, Webseiten und Software (vgl. UNESCO 2003a). Fasst man den Rahmen etwas weiter, fallen aber auch die immateriellen Formen kulturellen Ausdrucks sowie kulturelle Räume darunter, welche die UNESCO seit dem Jahr 2006 im Rahmen der Konvention von ,Meisterwerken des mündlich bewahrten, immateriellen Erbes der Menschheit‘ schützt. Zu diesem immateriellen Weltkulturerbe gehören die Vielfalt der Sprachen, mündliche Überlieferungen von Mythen, Epen und Erzählungen, aber auch performative Formen wie Musik, Tanz, Spiele und Bräuche oder besondere handwerkliche Fertigkeiten. Das meist kurz ,Intangible Cultural Heritage‘ (ICH) oder auch nur ,Intangible Heritage‘ genannte Programm ist als Ergänzung zum bereits bestehenden Welterbeprogramm gedacht. Es soll den gerade in den Ländern der Südhalbkugel oftmals bis heute bedeutsamen, mündlich tradierten Kulturtechniken mehr Sichtbarkeit und Gewicht verleihen (vgl. UNESCO 2003b). Immaterielle Kultur existiert jedoch nicht alssolche, sie manifestiert sich immer nur im flüchtigen Moment der Performanz. Um im globalen Funktionsgedächtnis überhaupt erscheinen zu können, muss immaterielle Kultur daher erstens Raum und Zeit überwinden können und zweitens in einer Form vorliegen, die eine materielle Archivierung im Speichergedächtnis erlaubt. Beides kann, nach derzeitigem Wissensstand, nur mithilfe von (audiovisuellen) Medien, entsprechenden Verbreitungswegen und (digitalen) Speicherungstechnologien geschehen. Insofern, und darum geht es in diesem Aufsatz, ist das Intangible Heritage immer auch ein ,Virtual Heritage‘. 39 ThorolfLipp Nach der Ratifizierung der Proklamation durch 30 Mitgliedsstaaten trat die Konvention zum 20. April 2006 in Kraft. Bisher sind der Konvention 134 Länder beigetreten.1 Die UNESCO hat ein Exekutivorgan zur Umsetzung des Übereinkommens eingerichtet, dem Vertreter von 24 Vertragsstaaten des Übereinkommens angehören. Diese werden alle zwei Jahre auf der Vollversammlung der Vertragsstaaten neu gewählt. Eine der Aufgaben dieses Komitees ist es, auf Vorschlag der Vertragsstaaten eine ,Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit‘ zu erstellen sowie eine ,Liste des immateriellen Kulturerbes, das eines dringenden Schutzes bedarf‘. Im April 2011 umfassten diese beiden Listen insgesamt 232 kulturelle Ausdrucksformen aus allen Weltregionen, weitere werden hinzukommen.2 Die Konvention mahnt für diese beispielhafte Auswahl herausragender Kulturleistungen der Menschheit intensive Erforschung, systematische Erfassung und weltweite Veröffentlichung an. Es gibt für diese Unternehmung keine kulturpolitische Parallele. Niemals zuvor wurde immaterielle Kultur im Rahmen einer ähnlich breit angelegten globalen Initiative zum schützenswerten Erbe und damit zum ,Denkmal‘ erklärt, niemals ihren Trägern derartiges Prestige und Status zugewiesen.3 In der Forschung werden inzwischen einige grundsätzliche Probleme der „Heritageifizierung“ (vgl. Hemme/Tauschek/Bendix 2007) kritisch diskutiert. Der Begriff macht vor allem deutlich, dass es eine Selbstorganisation des kulturellen Gedächtnisses nicht gibt, sondern dass neben kulturellen auch politische und ökonomische Interessen einen erheblichen Einfluss auf die praktische Implementierung der Intangible Heritage-Konvention haben. Im Hinblick auf die ,Heritageifzierung‘ bzw. das ,Constructing Heritage‘ ist die Forschungsarbeit seit einiger Zeit im Gange (vgl. McIlwaine/Whiffrin 2001; Deacon/Dondolo/Mrubata 2005; Hemme/Tauschek/Bendix 2007; Lira/Amoêda et al. 2009; Ruggles/Silverman 2009; Smith/Akagawa 2009; Lira/Amoêda et al. 2010; Sherman 2010). Eine der wesentlichsten Fragen allerdings wurde bislang so gut wie gar nicht betrachtet und stellt daher gerade auch für zukünftige Forschungsarbeiten eine große Herausforderung dar: die nach den epistemologischen Grundlagen für die mediale Verfügbarmachung von Intangible Heritage zur digitalen Weitergabe und Archivierung. Ein erklärtes Ziel der Intangible Heritage-Konvention ist die „Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes und seiner gegenseitigen Wertschätzung auf […] internationaler Ebene“(UNESCO 2003b, S. 2). 1 2 3 40 Die jeweils aktuelle Liste der ,Intangible Heritage State Parties‘ findet sich auf der entsprechenden Webseite der UNESCO; http://www.unesco.org/culture/ich/index.php?lg=en&pg=00024 [25.05.2011]. Die jeweils aktuelle Intangible Heritage-Liste findet sich auf der entsprechenden Webseite der UNESCO; http://www.unesco.org/culture/ich/index.php?lg=en&pg=00011 [25.05.2011]. Das einzige mir bekannte Programm, das auf nationaler Ebene eine ähnliche Zielsetzung verfolgt, ist die japanische Gesetzgebung zum Schutze von ,Living National Treasures‘. Diese trat bereits 1950 in Kraft. Dass die Verabschiedung der Intangible Heritage-Proklamation unter dem Japaner Koïchiro Matsuura zustande kam – er war UNESCO-Generalsekretär von 1999 bis 2009 –, hat nicht zuletzt mit den entsprechenden japanischen Erfahrungen zu tun. ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage Den jetzt lebenden Generationen soll also ein über die jeweiligen Ursprungsregionen hinausgehender, global verständlicher Zugang zu diesem Erbe geschaffen werden, damit dieses im globalen Funktionsgedächtnis sichtbar werden kann. Wie bei jeder sorgfältig betriebenen Archivierung besteht die Aufgabe andererseits darin, diese vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen so vollständig wie möglich zu überliefern. Hierin unterscheidet sich die Überlieferungskategorie ,Welterbe‘ übrigens vom kulturellen Gedächtnis insgesamt, denn ein einmal überliefertes Erbe kann nicht einfach ,vergessen‘ werden. Nachfolgende Generationen können es vielmehr, zu Teilen oder in Gänze, ausschlagen oder annehmen. Da wir aber heute noch nicht wissen, auf welcher erkenntnistheoretischen Grundlage man sich künftig für oder gegen ein überliefertes Erbe entscheiden wird, besteht die Aufgabe der jetzt lebenden Generationen in einer möglichst vollständigen Überlieferung (siehe auch den Beitrag von Robert Hauser in diesem Band). Da die momentane Situation in Hinblick sowohl auf die audiovisuelle Repräsentation als auch auf die Archivierung des Intangible Cultural Heritage in keiner Weise befriedigend ausfällt (vgl. Lipp 2009c), will ich hier zunächst Anregungen zu einer dringend notwendigen epistemologischen Grundsatzdiskussion hinsichtlich Fragen des ,Picturing‘ von Intangible Heritage bzw. der Produktion von Intangible HeritageMedien geben. Daran anschließen werden sich Überlegungen zur Digitalisierung und Archivierung von Intangible Heritage, denn im Vergleich zu anderen Formen ,geronnenen Wissens‘, Photographien, Texten, Dokumenten oder anderen Audiovisionen, gilt es, hier einige entscheidende Besonderheiten zu berücksichtigen. Ich beziehe mich bei meiner Argumentation vor allem auf Diskurse der Ethnologie bzw. der Medienanthropologie, berücksichtige aber auch Aspekte der Filmtheorie, Medienwissenschaft und der Denkmalpflege. Ich verstehe diesen Beitrag nicht als ,How To‘Leitfaden für die mediale Adaption von ICH. Angesichts einer Fülle an Fragen, die sich auftun, will ich hier zunächst versuchen, die Weite des Feldes überhaupt erst einmal zu umreißen. Dazu wird es notwendig sein, einige medienanthropologische und mediengeschichtliche Grundlagen zu klären, um auf dieser Folie dann einige erste Thesen vorstellen zu können. 2. MedienanthropologischeGrundlegung 2.1.Gedächtnistheorie Unser Gedächtnis ist unzuverlässig. Im Laufe der Zeit verblassen selbst die wichtigsten Erinnerungen. Schon früh haben Menschen daher begonnen, das lebendige, durch Primär- bzw. Menschenmedien transportierte Gedächtnis durch exosomatische, mediengestützte Formen des Gedächtnisses zu ergänzen. Dabei muss man, nach Aleida Assmann, zwischen einem kulturellen Funktions- und einem kulturellen Speichergedächtnis unterscheiden. Im kulturellen Speichergedächtnis werden Überlieferungsbestände bewahrt, die derzeit im Funktionsgedächtnis keine Verwendung finden. Das kulturelle Funktionsgedächtnis dagegen hält die momentan in Gebrauch 41 ThorolfLipp befindlichen und innerhalb der Gesellschaft zirkulierenden Überlieferungen vor und wird dementsprechend von jetzt lebenden Menschen beständig reproduziert, ergänzt, erweitert und in die vielen gesellschaftlichen Diskurse neu eingespeist. Das Speichergedächtnis bzw. Archiv ist dagegen nicht an menschliche Träger gebunden, da hier Überlieferungen gespeichert sind, die keinen unmittelbaren Bezug zur Gegenwart mehr haben (vgl. A. Assmann 1999, S. 134ff.; 2004, S. 24). Für das Funktionsgedächtnis ist derzeit die ,Glokalisierung‘ die vielleicht entscheidendste Entwicklung. Dank weltumspannender Informationsnetzwerke und entsprechender Kommunikationstechnologien, wie etwa Satellitenfernsehen, UMTS oder IPTV, auch Internetplattformen wie YouTube spielen hier eine gewisse Rolle, werden bestimmte Themen mit nie gekannter Geschwindigkeit global zur Kenntnis genommen. Andererseits ist auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene eine rasante Fragmentierung des Wissens und eine Ausdifferenzierung von entsprechenden Subgruppen zu verzeichnen. Die fortschreitende Entstehung immer neuer TV-Spartenkanäle etwa, Zigtausende von ,special-interest‘-(Online-)Zeitschriften, Hunderttausende von Internetforen und Newsgroups und Milliarden von Internetseiten zu jedem nur denkbaren Thema sind Belege für diese These. Während im Funktionsgedächtnis also potenziell immer mehr Überlieferungen geführt werden, die aber – von einigen globalen Themen einmal abgesehen – tendenziell immer kleinere Gruppen von Menschen erreichen, vollzieht sich ein umgekehrter Trend beim Speichergedächtnis. Aufgrund der seit einigen Jahren begonnenen und rasch voranschreitenden Digitalisierung und der dramatischen Verbesserung der digitalen Speicherkapazitäten wird das Speichergedächtnis der Menschheit derzeit nämlich erstens in rasendem Tempo erweitert und zweitens einer ständig wachsenden Anzahl an Menschen verfügbar gemacht, was ein Auffinden bestimmter Überlieferungen tendenziell wesentlich erleichtert. Mit anderen Worten: die Grenzen zwischen Funktions- und Speichergedächtnis beginnen, auf noch niemals dagewesene Art und Weise und mit bislang noch vollkommen unklaren Folgen, zu verschwimmen (vgl. auch A. Assmann 1999, S. 21). Beides ist sowohl in Hinblick auf die mediale Adaption, die Digitalisierung und die potenzielle Wirkung des Intangible Heritage auf das kulturelle Gedächtnis insgesamt von Bedeutung und bedarf der weiteren Untersuchung. 2.2.MediengeschichtlicheEntwicklung Ich möchte nun mit einigen sehr grundlegenden Bemerkungen auf ein paar wesentliche Probleme der Repräsentation von Kultur bzw. von Techniken der Wissensvermittlung im Allgemeinen hinweisen. Dabei ist mir wichtig, einige grundsätzliche Unterschiede hinsichtlich der Art und Weise, wie Menschen Wissen ,gerinnen‘ lassen können, deutlich zu machen. Betrachtet man die mediengeschichtliche Entwicklung, treffen wir auf Kulturvermittlung zunächst durch Primär- bzw. Menschenmedien, dann durch Sekundärmedien (Schrift, Buchdruck), Tertiärmedien (Radio, Fernsehen) und schließlich durch Quartärmedien (Internet). Die einzelnen Medientypen haben 42 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage einander nicht abgelöst, sondern überlagern und ergänzen sich, wobei die vorherrschenden Medientechnologien allerdings sehr wohl einen deutlich sichtbaren Einfluss auf die Konkretion von Gesellschaft haben und zu Metaphern für die gesellschaftliche Bedingtheit insgesamt werden.4 2.2.1.Primärmedien Beobachtung und Nachahmung sind die ältesten Formen der Wissensvermittlung und für viele der durch die Intangible Heritage-Konvention geschützten kulturellen Ausdrucksformen von zentraler Bedeutung. Man lernt einerseits durch Mimese, also durch Anschauung und Ausprobieren, anderseits aber auch durch mündlichen Austausch von Ideen, Einsichten und Erkenntnissen – also facetoface. In der großen Mehrzahl der Subsistenzgruppen etwa begleiten die Kinder ihre Eltern von frühester Kindheit an in die Gärten und auf die Felder und lernen durch bloßes Dabeisein und spielerisches Mittun die existenzsichernden Produktionstechniken quasi nebenbei. Ähnliches gilt in derlei Gesellschaften aber auch für die Teilnahme an teils hochkomplexen Festen oder Ritualen (vgl. Wulf 2006).5 Menschenmedien treten aber auch dort in Erscheinung, wo durch Erzählungen Welt objektiviert wird. Die menschliche Fähigkeit des Geschichtenerzählens ist unter allen Lebewesen einzigartig, man kann sie, etwa mit Karl Eibl, als einen entscheidenden evolutiven Vorteil des homosapi ensbetrachten, der in Hinblick auf seine sonstigen physischen Anlagen als durchaus mangelhaft erscheint (vgl. Eibl 2004; vgl. auch Gehlen 1956). In mündlich tradierten Geschichten wird Wissen einerseits gespeichert und andererseits zur Disposition gestellt, sodass Weiterentwicklung bzw. Adaption an veränderte Verhältnisse möglich wird. Auch heute noch erzählt man Kindern vor dem Zubettgehen, Pfadfindern am Lagerfeuer, Studenten im Seminar oder dem Publikum im Theater Geschichten – und verhandelt so Gesellschaft, indem Normen und Werte thematisiert, kritisiert oder modifiziert werden. Der Grad der Abstraktion von ,Realität‘ ist hier, im Vergleich zur Beobachtung von physischen Aktionen, schon wesentlich stärker ausgeprägt. Keine Geschichte gibt ,Realität‘ so wieder, wie sie ,wirklich ist‘. Vielmehr ist jede Geschichte durch Auswahl, Veränderung oder Verkürzung eine Irrealisierung von ,Realität‘ (vgl. Hohenberger 1988). Betrachtet man nun spezifisch den Bereich des immateriellen Kulturerbes, kann es sich hier einerseits um Performanzen handeln, die mithilfe des ganzen Körpers vorgetragen werden: Spiele, Lieder, Tänze und Rituale, wie etwa der Maskentanz von Drametse in Bhutan.6 Oder auch um vorwiegend mündlich vorgetragene Mythen, Sagen und Legenden, z.B. das Al-Sirah Al-Hilaliyyah 4 5 6 Diese Gliederung, die manchmal auch als Medien der Klassen 1, 2, 3 oder 4 gefasst wird, erscheint aus mehreren Gründen sinnvoll. Einmal erfolgt die Unterscheidung danach, in welchem Ausmaß technische Hilfsmittel verwendet werden. Zum anderen sind hier jeweils Technologien angesprochen, die ganz spezifische Rückwirkungen auf die Weltwahrnehmung und -vermittlung produzieren (vgl. Pross 1972; Sachs-Hombach/Schirra 2009). Selbst in modernen Institutionen, etwa einem Versicherungsunternehmen, werden viele Fertigkeiten und Problembewältigungsstrategien auch heute noch vielfach durch derartige communitiesofpractice entwickelt, wie etwa Etienne Wenger gezeigt hat (vgl. Wenger 1998; vgl. auch Henschel 2001). Intangible Cultural Heritage seit 2005. 43 ThorolfLipp in Ägypten.7 Der tonganische Lakalaka-Tanz andererseits, von der amerikanischen Ethnologin Adrienne Kaeppler auch als „poetry in motion“ bezeichnet (Kaeppler 1993), ist ein gutes Beispiel dafür, wie körperliche Performanz und mündlich vorgetragene Geschichten in eins fallen können.8 Der Punkt, auf den es hier ankommt und der für beide Formen der Vermittlung von immaterieller Kultur gleichermaßen gilt, ist dieser: Immaterielle Kultur kann im Prinzip jederzeit unterbrochen, wieder aufgenommen, verändert, verkürzt oder prinzipiell, durch stets neue Aufführung, unendlich verlängert werden. Beständige Intervention und Modifikation sind also möglich und auch notwendig, denn eine wesentliche Leistung dieser kulturellen Performanzen ist die dauernde Wiederkehr des Immergleichen in stets neuer Form.9 Neben den (Körper-)Techniken, mit deren Hilfe immaterielle Kultur vermittelt wird, muss aber auch die spezifische Welterfahrung betrachtet werden, die hier zutage tritt: Gleichgültig, ob wir eine den ganzen Körper umfassende kulturelle Performanz betrachten, oder das Vortragen von Geschichten – hier werden Welt-Bilder entworfen, Symbole, die letztlich als anschauliche Darstellung einer als widerspruchsvoll erscheinenden Wirklichkeit betrachtet werden können (vgl. Eliade 1959, S. 16). Symbole können an sich unüberbrückbare Gegensätze vereinen und ,das Ganze‘ oder ,das Absolute‘ beinhalten. Nicolaus Cusanus (1401-1464) hat dafür den Begriff der „Coincidentia Oppositorum“ geprägt, um das Zusammenfallen der Gegensätze in der Gottheit zum Ausdruck bringen zu können,10 Kurt Hübner spricht von „analogem Denken“, also einem Denken in Bildern und Gleichnissen, das er mit ,digitalem‘ Denken in ,Entweder-oder-Kategorien‘ kontrastiert (Hübner 1985). Ein zweiter, für alle Intangible Heritage-Aktivitäten mindestens ebenso entscheidender Punkt besteht darin, dass die Grundlage zu dieser vormodernen Art des ,In-derWelt-Seins‘ in der ,Kultur des Handelns‘ (praxis) liegt,die in der praktischen Philosophie seit Platon und Aristoteles von der ,Kultur des Machens‘ (poiesis) unterschieden wird. Vielleicht mit der Ausnahme der herstellenden Künste, die unter vormodernen Gesichtspunkten als ,Urproduktion‘ oder ,Arbeit für die Götter‘ angesehen 7 8 9 Intangible Cultural Heritage seit 2003. Intangible Cultural Heritage seit 2008. Kultur- und Medienwissenschaftler beschäftigen sich seit Langem mit den auf unendliche Wiederholung in immer neuen Ritualvariationen angelegten „Mythen der ewigen Wiederkehr“(vgl. Eliade 1990; Hübner 1985; Blumenberg 1986; Bleicher 1999). Unter dem Strich bleibt in all diesen Ritualkonzepten die Sinnhaftigkeit rituellen Tuns bestehen. Seit etwa drei Jahrzehnten stellen sich dieser Auffassung jedoch zunehmend Lektüren der Vielstimmigkeit von „Partituren des Rituals“ entgegen. Der Indologe Frits Staal (1979; 1989) etwa behauptet, entgegen der langen Tradition der Interpretation von Ritualen als symbolische Verweisungssysteme, dass diese nicht selten bedeutungslos seien. Stattdessen rückt er die Regelhaftigkeit rituellen Handelns in den Vordergrund (vgl. Staal 1989, S. 108) und versteht das Ritual als Reproduktion einer Syntax ohne Semantik. Die Frage kann hier keinesfalls geklärt werden, es ist aber notwendig darauf hinzuweisen, weil uns die Bedeutung von Heritage für die Vitalität von Kultur noch grundsätzlich beschäftigen wird. 10 Nikolaus Cusanus versuchte dieses Zusammenfallen der Gegensätze in Gott durch ein mathematisches Beispiel zu verdeutlichen: Je größer der Umfang eines Kreises ist, umso mehr nähert sich der Bogen einer Geraden an, bis im Unendlichen beide zusammenfallen, die Gegensätze aufgehoben sind (vgl. Cusanus 1936; Volkmann-Schluck 1984). 44 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage wurden und so den Göttern oder dem Handeln der Menschen untereinander zugutekommen, gilt bis in die Neuzeit hinein ein Primat des ,Handelns‘ vor dem des ,Machens‘ (vgl. Bargatzky 2007). Erst die wissenschaftlich-technische Zivilisation der Moderne kehrt dieses Verhältnis um und führt zu einer hoch entwickelten Kultur des Machens, die, nebenbei bemerkt, zu einer Herabsetzung der außermenschlichen Natur als einer Faktenaußenwelt sowie einem Rohstoff- und Energiereservoir ohne Eigenwert und Eigenrecht führt. Häufig wird dieser Paradigmenwechsel in der abendländischen Philosophie auch mit Descartes’ Trennung in rescogitansund res extensagefasst, die einerseits die Natur verdinglicht und so andererseits einer (zügellosen) Materialität epistemologisch Tür und Tor öffnet. Die besondere Qualität von immaterieller Kultur liegt demnach, neben ihrer prinzipiellen Offenheit und Beweglichkeit sowie ihrer Fähigkeit, Welt in Symbolen auszudrücken, gerade auch in der Dimension des gemeinsamen Handelns, also einer nicht endenden Arbeit von Menschen mit Menschen, die immer auch etwas sehr Grundsätzliches über das Menschsein aussagt. Wer diese Aspekte bei der Produktion, Digitalisierung und Archivierung von Intangible Heritage-Medien nicht berücksichtigt, hat die eigentliche Herausforderung nicht begriffen. Es geht hier nicht in erster Linie darum, etwas Immaterielles zu materialisieren, also herzustellen,um es dann, zum Ding geworden, ins Archiv wegstel lenzu können. Es geht vielmehr darum, die Rahmenbedingungendafür zu schaffen, gemeinsam etwas zu tun, um es immer wieder zu wiederholen und zu erneuern. Dem muss eine mediale Adaption von Welterbe in Form und Inhalt Rechnung tragen. 2.2.2.Sekundärmedien Mit dem Aufkommen des Sekundärmediums Schrift,11 spätestens aber mit der Erfindung des Buchdrucks, begann der Rückzug der durch Gleichnisse und Symbole geprägten vorausgegangenen Epochen und der Beginn der Vorherrschaft des digitalen, wissenschaftlichen Denkens. Die Beschaffenheit des Mediums spielt für die Art, wie wir Menschen denken eine ausschlaggebende Rolle (vgl. McLuhan 1962; 2002; Goody et al. 1986). Texte haben in der Regel Anfang, Mittelteil und Schluss. Eins kommt zum anderen, baut aufeinander auf, bezieht sich auf Erfahrungen des Autors bzw. seiner Zeitgenossen, auf andere Texte oder auf sich selbst. Eine möglichst konsekutive Gedankenführung bzw. eine mehr oder weniger lineare Abfolge von Problemstellung, Konflikt, Krise und Lösung führt möglichst zu einem ,logischen‘ Endergebnis. Ein Ausschnitt der Welt wird zwischen zwei Buchdeckeln kondensiert. Grundlegende Einigkeit besteht in der Forschung darin, dass diese Technologie der 11 Dass die Erfindung der Schrift bzw. des Buchdruckes einen Prozess stetig fortschreitender Abstraktion und Irrealisierung von Realität bedeutet, liegt schon visuell auf der Hand, vergegenwärtigt man sich die Entwicklung von den zunächst noch am Objekt orientierten Hieroglyphenschriften zu den chinesischen Schriftzeichen und schließlich zum vollkommen abstrakten Alphabet (vgl. Eco 1987; Hickethier 2003, 59ff.). 45 ThorolfLipp Weltreflexion zu einer Reduktion, Linearisierung bzw. ,Digitalisierung‘ (Denken in Entweder-oder-Kategorien) von Welterfahrung führt, wie es sie so vorher nicht gab bzw. aufgrund der eben nicht zur Verfügung stehenden Schrifttechnologie gar nicht geben konnte (vgl. v.a. Goody et al. 1986). Die Beziehungen zwischen ,Kultur‘ auf der einen und ,Text‘ auf der anderen Seite beschäftigt die Philosophie schon seit 2500 Jahren, die modernen Kultur- und Literaturwissenschaften seit über einem Jahrhundert. Die Anfänge der Semiotik, Wittgensteins Sprachphilosophie (vgl. Wittgenstein 2003), Baudrillards oder McLuhans Medienanthropologie, die „Writing Culture Debatte“ (vgl. Clifford/Marcus 1986), die Frage nach „Kultur als Text“ (vgl. Bachmann-Medick 2004), immer geht es um dieses nur schwer greifbare Verhältnis. So unterschiedlich das jeweilige Erkenntnisinteresse innerhalb dieser Diskurse auch sein mag, eines bleibt sich gleich: die Annahme, dass es ein „horstexte“ gar nicht geben könne. Zwar meinte Derrida, dem diese Überlegung zugeschrieben wird, hier explizit ,Text‘ als Metapher für die Konstruiertheit von Bedeutung allgemein. Implizit jedoch bezieht er sich eben doch auf den geschriebenen Text als Methode des Diskurses und damit der Welterfahrung. Deutlich wird hier, dass vor allem im wissenschaftlichen Diskurs die Gutenberg-Galaxis, das Primat des Textes, auch weiterhin unangefochten Gültigkeit besitzt. Die Text-Metapher hat sich über den Kulturbegriff gelegt und versucht einzuweben, was doch nie ganz eingewoben werden kann, denn ,das Sichtbare‘ und ,das Sagbare‘ bleiben immer zwei unterschiedliche Sphären der Welterfahrung und -beschreibung. So steht am Ende einer langen Debatte immer noch eine Frage, die schon an ihrem Anfang gestellt wurde: Plato hat uns gelehrt, Schrift und Gedächtnis als Gegensätze zu denken. In einer berühmten Erzählung am Ende seines Phaidros-Dialoges wird der stolze Anspruch des Schrifterfinders Theut, er habe ein Heilmittel für Weisheit und Gedächtnis entdeckt, zurückgewiesen vom skeptisch weitblickenden König Thammus: „So hast Du jetzt, als Vater der Buchstaben, aus Vaterliebe das Gegenteil von dem gesagt, was ihre Wirkung ist. Denn Vergessen wird dieses in den Seelen derer, die es kennenlernen, herbeiführen durch Vernachlässigung des Erinnerns, sofern sie nun im Vertrauen auf die Schrift von außen her mittels fremder Zeichen, nicht von innen her aus sich selbst, das Erinnern schöpfen. Nicht also für das Erinnern (mneme), sondern für das Gedächtnis (hypomnema) hast Du ein Heilmittel (pharmakon) erfunden.“ (Platon, Phaidros 275 D, S. 475, zitiert nach A. Assmann 1999, S. 185) Aleida Assmann fasst den Dialog so zusammen: „Der energetische, produktive und unverfügbare Teil des Gedächtnisses, den Platon mit dem Begriff der Anamnesis verband, kann vom Medium Schrift nicht einmal berührt, geschweige denn ersetzt werden. Deshalb hält die neue Erfindung nach dem Urteil des Skeptikers nicht, was sie verspricht. Ihr Anspruch führt in die Irre. Denn statt echter Weisheit kann sie nur den Schein der Weisheit und statt echter Erinnerungskraft nur eine armselige materielle Stütze bieten. Die Verheißungen der Schrift sind also illusionär: Sie kann nur den Wissenden erinnern, niemals den Unkundigen belehren.“ (A. Assmann 1999, S. 185f.) 46 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage Eine im Effekt tiefe Dichotomie zwischen der durch Verschriftlichung sowie der durch orales Tradieren zu erreichenden Erinnerungskultur wird hier deutlich und ich sehe keinen wesentlichen Grund, warum sich die conditio humana in diesem Belange seither wesentlich geändert haben sollte: Da die Schrift Wissen in geronnener Form verfügbar macht, werden einerseits komplexe dialektische Prozesse und diskursive Wissenschaft, andererseits aber eben auch Dogmatisierung überhaupt erst möglich. Schrift befördert, weil sie Überlieferungen auszulagern hilft, gleichzeitig eine gewisse Apathie des Gedächtnisses. Sie hat zu Konzepten der ,Logik‘12 geführt und verleitet zu einer Linearisierung des Denkens. Insofern ist jede Vertextlichung von immaterieller Kultur eine hochproblematische Vereinnahmung. Man könnte etwas zugespitzt auch sagen: „Writing is Killing“.13 Insofern bedeutet die Verschriftlichung von Intangible Heritage prinzipiell Festschreibung von etwas, das per se im Fluss bleiben muss. Man benötigt also andere mediale Konzepte, damit, um mit Nietzsche zu sprechen, angesichts sich ständig ändernder äußerer Bedingungen Intangible Heritage auch künftig demLeben dienen kann und nicht zu musealisierter Folklore wird. Nur so wird man Sinn und Leben von Intangible Heritage-Traditionen sichern können (vgl. Nietzsche 2005). 2.2.3.Tertiärmedien Die im 19. Jahrhundert aufkommenden audiovisuellen Tertiärmedien Kino, Radio und Fernsehen setzen der Textualität eine neue Form der Oralität entgegen. Sie ähneln teilweise eher den Primär- als den Sekundärmedien, da sie Elemente visueller und mündlicher Kulturvermittlung aufweisen. Radio und Fernsehen sind in gewisser Weise sogar Elemente mythischer Zyklizität inhärent, wie Joan Kristin Bleicher in ihrer Schrift FernsehenalsMythos (Bleicher 1999) treffend beschrieben hat. Andererseits unterscheiden sich die Tertiärmedien deutlich von den meisten primärmedialen Formen, etwa aufgrund ihrer einseitigen Sender-Empfänger-Beziehung. Im Vergleich zum Text, das bleibt hier zunächst grundsätzlich festzuhalten, bieten audiovisuelle Medien zweifellos einige entscheidende Vorteile bei der medialen Verfügbarmachung von Intangible Heritage. An einem Buch wie Adrienne Kaepplers Poetry in Motion, einer Studie zum tonganischen Tanz, wird beispielhaft deutlich, wie schwierig es ist, nur mithilfe von Photographien, Zeichnungen und Texten gleichsam komplexe wie subtile Bewegungen und daran geknüpfte Bedeutungen zu erfassen und zu vermitteln. Unvergleichlich eindrücklicher und nachhaltiger kann hier eine Audiovision wirken und, gerade in Hinblick auf ein Kennenlernen der physischen 12 Der Ausdruck ,Logik‘, im Griechischen ,he logike techne‘, steht sowohl in der älteren Stoa wie im älteren Peripatos für eine Lehre vom Argumentieren bzw. Schließen, ist in dieser Bedeutung jedoch nicht vor dem 1. Jh. v. Chr. belegt (vgl. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, S. 362). 13 Der Ethnologe Tobias Rees spricht den Satz „Writing is Killing“ dem deutschen Ethnologen KarlHeinz Kohl zu, ohne dies allerdings in der Literatur zu belegen. Kohl bezieht sich dabei, laut Rees, auf die Writing Culture-Debatte (vgl. Clifford/Marcus 1986). Aus einem Vortrag von Rees, gehalten anlässlich der Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde am 10.10.1997 in der AG Visuelle Anthropologie. 47 ThorolfLipp Umgebung oder auf das Studium physischer Vorgänge, zu eigener ,Anschauung‘ verhelfen. Sowohl in der Dokumentarfilmtheorie (vgl. Hohenberger 1988) als auch in der Audiovisuellen Anthropologie14 (vgl. MacDougall 1998) wird zu Recht betont, dass Film immer eine Irrealisierung von Realität darstellt und keinesfalls als ,Abbild‘ von Realität missverstanden werden darf. Auch deswegen nicht, da diese ohnehin immer nur als kulturell geprägte Vorstellung existiert. Eine gelungene Vermittlung von kulturellen Konzepten und daran gekoppelten ,inneren Welten‘ berücksichtigt dieses Problem. Sie setzt einerseits eine sehr genaue Kenntnis der emischen Perspektive der Gefilmten voraus (deren Sichtweisen allerdings ebenfalls nicht einheitlich sein werden), verlangt andererseits aber auch nach einem gekonnten Einsatz transkultureller Symbole, mit denen sich diese kulturell verankerten Anschauungen auch über die Grenzen der Kulturen hinweg verdeutlichen lassen. Ein solches Unterfangen muss als eine nur selten erreichte künstlerisch/wissenschaftliche Meisterleistung betrachtet werden (vgl. MacDougall 1998). Was Sekundär- und Tertiärmedien verbindet und in Hinblick auf das Intangible Heritage wiederum grundsätzlich als problematisch bezeichnet werden muss, ist die geschlossene Form dieser Medien, das in ihnen gespeicherte Wissen ist ,geronnen‘ zu einer medial fixierten und daher archivierbaren ,Meistererzählung‘. Zwar folgt auch die Aufführung von immaterieller Kultur – von Ritualen, Tänzen, Spielen, Gesängen – einer vorhergehenden Überlieferung, sie kann aber, wie oben gezeigt, prinzipiell jederzeit modifiziert werden. Ein Radiohörspiel, einen Film oder ein Buch, kann man, einmal fertiggestellt, nicht mehr verändern. Diese Formen haben, und das ist gleichzeitig auch eine implizite Message dieser Medien, einen Anfang und ein Ende. Im besten Falle werden sie zum hochfrequent zirkulierenden, stetig wiederholten ,Meisterwerk‘. Im, zumindest für den um die Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen bemühten Verfasser, vorläufig schlechtesten Fall werden sie sehr rasch ins Speichergedächtnis verschoben. Hier werden sie, wiederum im ungünstigsten Fall, entweder ganz vergessen oder aber, unter bestimmten Voraussetzungen, bei denen auch Glück eine Rolle spielt, später einmal wiederentdeckt.15 14 In der Regel ,Visuelle Anthropologie‘ genannt. Da ich aber, im Sinne einer umfassenden ,Anthropologie der Sinne‘, eine Unterschlagung der Audioebene für problematisch halte, verwende ich den Begriff in dieser erweiterten Form. 15 Zwar wird jedes ,Werk‘ durch die Rezeption sogleich wieder zum bedeutungsoffenen ,Text‘, wie spätestens seit Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen (2003) bzw. seit Roland Barthes’ Feststellung, dass der Text, im Gegensatz zum Konkretum des Werkes, ein „methodologisches Feld“ (Barthes 2006, S. 65) darstelle, bekannt ist. 48 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage 2.2.4.Quartärmedien Das Quartärmedium Internet vereint Elemente allervorhergehenden Medientechnologien: Es ist prinzipiell interaktiv, verlangt nach – und bietet – Möglichkeiten der praxis,also des Handelns, und ist von daher durchaus den Primärmedien verwandt. Es integriert andererseits das klassische Sekundärmedium Schrift. Zusätzlich kann es alle Arten von Audiovisionen einbinden, was gerade in Hinblick auf das Intangible Heritage von herausragender Bedeutung ist. Das Internet ist aufgrund der enormen Menge an Überlieferungen, die es jetzt schon bereithält, Funktions- und Speichergedächtnis gleichermaßen. Das Internet als umfassendes Archiv wird längerfristig weiter an Bedeutung gewinnen, weil die hier gespeicherten Überlieferungen einerseits sowohl um wichtige Bestände wachsen werden und diese andererseits noch leichter zugänglich gemacht werden dürften.16 Was das für den künftigen Umgang mit Wissen oder für künftige Wissensarchitekturen bedeuten wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Viele Medientheoretiker und TV-Broadcaster nehmen an, dass das Internet über kurz oder lang mit den klassischen Tertiärmedien, zumindest mit Fernsehen und Radio, verschmelzen, oder wenigstens eine noch innigere Verbindung eingehen wird.17 Welche Chancen das Internet für die Verfügbarmachung und Archivierung von Intangible Heritage konkret bietet und wie man diese in einem ,Intangible Heritage Media Institute‘ implementieren könnte, wird uns im dritten Teil dieses Beitrages beschäftigen. 3. DreiThesenzurmedialenVerfügbarmachungundKontextualisierung vonIntangibleHeritage Ich möchte hier nun in aller Kürze drei grundlegende Thesen vorstellen, die ich für die Theoriebildung zu Fragen des ,Picturing Intangible Cultural Heritage‘ für unverzichtbare Bausteine halte. Ein Ziel dieses Aufsatzes ist es ja zu zeigen, dass es gerade die Schnittstellen zwischen Kulturtheorie, Medienanthropologie, Audiovisueller Anthropologie und der praktischen Medienarbeit sind, denen in Hinblick auf das Problem des Picturing Intangible Heritage eine zentrale Rolle zukommt (vgl. Lipp 2008a; 2009c; 2009d). Insofern halte ich es für entscheidend, dass Akteure in diesem Feld über die Fähigkeit verfügen, die vielfältigen Schnittstellen von Kultur und Medien interdisziplinär zu denken. Dazu zwei Beispiele möglicher Missverständnisse: Medienpraktiker, die das Intangible Heritage mit den narrativen Mitteln und der Technologie der Tertiärmedien zur ,Meistererzählung‘ indigener Kulturproduktion stilisieren, 16 Ein Beispiel für derzeit im Aufbau befindliche Online-Wissensportale ist die europäische Kulturdatenbank Europeana; http://europeana.eu/portal [25.05.2011]. Andererseits zeigen Beispiele etwa in der Türkei (Sperrung von YouTube im Jahr 2007, vgl. Onlinedokument http://www.spiegel.de/ netzwelt/web/0,1518,470448,00.html [25.05.2011]) oder China (aufwendige Zensur des Internets, Konflikt mit Google; Onlinedokument http://www.sueddeutsche.de/computer/552/506720/text [25.05.2011]), dass es, wenn man den hohen Aufwand nicht scheut, nicht unmöglich ist, das Internet zu kontrollieren bzw. zu zensieren. 17 Vgl. f. a. Plake 2004 und mündliche Konversation mit dem ARTE-Beauftragten des Rundfunk Berlin Brandenburg, Soeren Schumann. 49 ThorolfLipp bedienen zwar die Erwartungen der Kulturindustrie, erweisen aber den von ihnen beschriebenen kulturellen Phänomenen in mancherlei Hinsicht einen Bärendienst. Durch die Konstruktion von Meistererzählungen tragen sie nicht unwesentlich zur Dogmatisierung und Linearisierung dieser kulturellen Ausdrucksformen bei, deren Leistung ja eigentlich darin bestehen würde, durch ständiges Miteinander-Tun in Bewegung zu bleiben.18 Die französische TV-Produktion ZED produziert seit etwa fünf Jahren in internationaler Co-Produktion eine sehr aufwendige Fernsehserie zum Intangible Heritage, die allerdings ausschließlich nach den Konventionen westlicher Sehgewohnheiten hergestellt wird und der dramaturgischen Form des ,Documentary‘ entspricht (vgl. Lipp 2009c). Sie wirbt dafür mit den folgenden Worten: „Exploring life is one of the greatest contemporary adventures. We identify plants and animals because we’ve learned that a species can die out very quickly. We are nowhere near identifying the cultures that form the great wealth of our humanity. Yet cultures, too, can disappear. Many people are endangered in our world today. A few of the elderly still remember songs, dances and stories that have never been written down. If these witnesses of a disappearing era do not teach their culture to their descendants, they will become a people without a past – and therefore, without a future. Culture forms the foundation on which our identities and personalities develop. We need the celebrations, art and legends of other people to enrich our own culture, to not be alone. There is only one way to save a culture, which is intangible by definition: to transmit it to younger generations. The Living Cultures Series presents thirteen masterpieces of the human spirit – all endangered, yet all essential to humanity.“19 Zweifellos erfüllen derartige Filme die Forderung der UNESCO nach einer möglichst guten Sichtbarkeit dieser Traditionen im Funktionsgedächtnis. Misst man sie jedoch am oben formulierten eigenen Anspruch, dann sieht man, dass der mimetische Lerneffekt derartiger Filme gegen null geht. Die dramaturgischen Konventionen, die diese Filme einerseits sehr populär machen, erlauben nämlich andererseits keinerlei langatmige Wiederholungen oder genaue Ablaufbeschreibungen. Vielmehr reihen sie in schneller Schnittfolge Szenen und Bilder aneinander, die ausschließlich spannender Unterhaltung dienen und nicht einem Weitergeben von kompliziertem Wissen, das noch dazu nicht selten geheim ist. 18 Dabei muss erwähnt werden, dass selbst UNESCO-VertreterInnen sehr gezielt auf bestimmte Kriterien achten, die in der ,Heritageifizierung‘ einer kulturellen Ausdrucksform zu berücksichtigen sind. Der deutsche Volkskundler Markus Tauschek beschreibt eindrucksvoll, wie der Film, mit dem sich die Vertreter des belgischen Karnevals von Binche um den Welterbestatus beworben haben, geändert werden musste, weil die Rolle der Frauen in den Augen der UNESCO zu wenig berücksichtigt wurde. Dabei spielte es offenbar keine Rolle, dass Frauen hier traditionell tatsächlich nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Man wollte, ja musste, um den Welterbestatus zu erlangen, entsprechende Änderungen vornehmen (vgl. Tauschek 2010). 19 http://www.zed.fr/en/catalog/view/99 [22.02.2011]. 50 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage Wissenschaftliche Forschungen zum Intangible Heritage wiederum, in denen ausschließlich Wissen für einen abstrakten akademischen Diskurs produziert wird, greifen aber ebenfalls zu kurz. Hinter der Idee der Intangible Heritage-Konvention stehen ja im Wesentlichen zwei Überlegungen: zum einen dieses Wissen so aufzubereiten, dass es – in seiner spezifischen Eigenart! – zugänglich werden kann. Zum anderen auf den Wert dieser kulturellen Ausdrucksformen beispielhaft hinzuweisen, um damit auf Dimensionen von Humanität beispielhaft aufmerksam zu machen. Insofern müssten gerade akademische Intangible Heritage-Projekte die in der akademischen Diskussion zunehmend zirkulierenden Überlegungen zu einer Verantwortung gegenüber unseren indigenen Partnern ernst nehmen und neben einem Berücksichtigen von Aspekten z.B. des mimetischen Lernens (vgl. Wulf 2006) auch den Auftrag zur Kollaboration (vgl. Lassiter 2005) sowie der einfachen und kostenlosen Auffindbarkeit bzw. Abrufbarkeit im Internet entsprechenden Raum widmen. Andererseits ist es unabdingbar, sich mit einer möglichen und wünschenswerten Wirkung entsprechender Projekte auf das Funktionsgedächtnis auseinanderzusetzen und die Vorstellung aufzugeben, ausschließlich in einem neutralen, nur durch ,wissenschaftliche‘ Forschungsinteressen definierten Raum arbeiten zu können oder zu sollen. These1: DieelektronischenMediensindinderwestlichenWeltzudenprivilegiertestenOrten derKonstruktionundRepräsentationkognitivsozialerWirklichkeitgeworden.20 Die mediale Umwelt, in der wir uns bewegen und die als normative Kraft auf den kulturellen Prozess zurückwirkt, ist eine in hohem Maße zeichenhafte, arbiträre und selbstreferentielle, was vielfach den Abschied von der Idee der Umwelt als Natur bedeutet. Der epistemologische Boden, auf dem wir stehen, ist, so betrachtet, ein sich ständig verschiebendes Netz aus – immer häufiger eben selbstreferentiellen – Verknüpfungen. Oder, um es mit McLuhan zu sagen: Medien sind Konstrukteure von Welterfahrung, wir werden zu dem, was wir sehen (vgl. McLuhan 1995). Was bedeutet diese These für die mediale Verfügbarmachung von Intangible Heritage? Die Ethnologie beklagt schon lange, dass in den Medien stereotyp über fremde Kulturen berichtet werde und dass diese Berichterstattung so gut wie nie dem Stand der Forschung entspreche (vgl. Kuba/Nadjmabadi 2009). Nimmt man McLuhan aber ernst, läuft dieser Vorwurf ins Leere. Medienproduzenten reproduzieren keine Stereotypen, sondern sie stellen, weil sie über ,Benennungsmacht‘ verfügen, (mediale) 20 Andererseits darf man dabei nicht vergessen, dass es sich hierbei um eine ausgesprochen westliche Perspektive handelt, denn es zieht sich ein tiefer ,Digital Divide‘ durch die eben doch noch nicht so globale Welt. Im Jahre 2009 nutzten lediglich 25 % aller Menschen das Internet, 12 % besaßen einen Computer und nur 4 % hatten einen Facebook-Account. Dagegen benutzten 68 % aller Menschen weltweit ein Handy (Quelle: Die Zeit, Nr. 46, 5. November 2009). Da hier aber von Fragen der Digitalisierung aus einer westlichen Perspektive die Rede ist, scheint es gerechtfertigt, die das Selbstverständnis des Westens konstituierende Technologie als normative Kraft auch tatsächlich zu begreifen. 51 ThorolfLipp Wirklichkeit defactoher und etablieren diese Überlieferungen im Funktionsgedächtnis (vgl. auch Prokop 2000; 2004). Gerade wenn wir es mit der Darstellung weit entfernter Kulturen zu tun haben, stellen diejenigen Überlieferungen, die mit Benennungsmacht im Funktionsgedächtnis verankert wurden, für eine große Mehrheit an Menschen häufig den einzigen Wirklichkeitsbezug dar. Damit ist noch nichts über die ,Wahrheitsqualität‘ dieser Überlieferungen gesagt, sondern über den unter Gesichtspunkten der Benennungsmacht zu betrachtenden Praxischarakter des Überlieferungsprozesses, der gesellschaftliche Wirklichkeit jedoch faktisch konstituiert. Dieser ist keine ,objektive Tatsache‘, sondern eine Sache des Tuns. So kann man zwar einerseits konstatieren, dass wissenschaftlich erhobenes Wissen, z.B. über das ,Sand Drawing‘ in Vanuatu,21 bestimmten intersubjektiv überprüfbaren Kriterien standhalten wird können.22 Andererseits muss man fragen, wem das nutzt,23 wenn dieses Wissen im Funktionsgedächtnis niemals ankommt? Hier wirkt nämlich stattdessen eine weit weniger sorgfältig produzierte TV-Dokumentation,24 die zwar vorgibt, vom ,Sand Drawing‘ zu handeln, letztlich aber nur einige allgemeine Informationen über ,exotische Inseln‘ bereithält, in die ein hochgradig artifizieller Plot hineinkonstruiert wurde. Tatsache ist also: Die Dissertation über das ,Sand Drawing‘ in Vanuatu wurde bislang noch nicht einmal in Buchform veröffentlicht, während mehrere Hunderttausend Zuschauer den Film gesehen haben. In Hinblick auf die von der UNESCO angeregte „Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes und seiner gegenseitigen Wertschätzung auf […] internationaler Ebene“(UNESCO 2003b, S. 2)kann gelten, dass es in hohem Maße darauf ankommen wird, Sichtbarkeit für diese kulturellen Ausdrucksformen in den elektronischen Medien zu erzeugen. Eine lang gepflegte Überheblichkeit mancher Vertreter der Audiovisuellen Anthropologie gegenüber den Massenmedien (etwa Ruby 2000) halte ich daher unter diesen Gesichtspunkten – die freilich eben andere sind, als die von gesinnungsethisch geprägter akademischer Grundlagenforschung – für unangebracht. Unter welchen Vorzeichen derartige Kollaborationen zwischen Wissenschaft, indigenen Kulturproduzenten und den Medien idealerweise zu geschehen hätten, wird uns im vierten Kapitel beschäftigen. 21 Intangible Cultural Heritage seit 2003. 22 Der australische Ethnologe Stephen Zagala hat zu diesem Thema promoviert, die Arbeit ist bislang noch nicht veröffentlicht. 23 Vermutlich einer sehr kleinen Gruppe von auf Melanesien spezialisierten Ethnologen und vielleicht noch einigen Kunstwissenschaftlern. 24 Der Film DieSprachederSüdsee, produziert 2008 von Filmhouse Berlin für den ZDF Theaterkanal und 3sat. 52 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage These2: DiealtenmedialenMonopoledesWestens,z.B.Wissenschaft,Staatsarchive,Kultur industrie,habendurchdieDemokratisierungderWissenstechnologienanBedeutung verloren. Die rasante Fragmentierung des Wissens und die zunehmend unklaren Grenzen zwischen Funktions- und Speichergedächtnis führen zu einem immer schärferen Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit des Publikums. Aufmerksamkeit bedeutet Zugang zum Funktionsgedächtnis, verleiht öffentliche Sichtbarkeit und Legitimation und ist damit zu einer Art symbolischer Leitwährung unserer Zeit geworden. Stars und Sternchen, Moderatoren und Wetterfröschen, aber auch Politikern und Sportlern gilt ein gehöriges Maß dieser Aufmerksamkeit, während andere Arten der Überlieferung, zumindest in den klassischen Tertiärmedien Film, Radio und Fernsehen, im Rückzug begriffen sind. Dazu zählen, nach Aleida Assmann, etwa die Pflege des Lern- oder Bildungsgedächtnisses (vgl. A. Assmann 1999). Noch vor einigen Jahrzehnten konnte ein Ethnologe mit dem Nimbus des Entdeckers und dem Gewicht wissenschaftlicher Autorität auch in nicht-wissenschaftlichen Medien z.B. über die ,Gelede Rituale‘ in Westafrika berichten.25 Wenn er von dort außerdem noch Filmund Photomaterial mitbrachte, stieg die Wahrscheinlichkeit weiter an, dass seine Überlieferung im Funktionsgedächtnis sichtbar werden würde.26 Heute wird dem Ethnologen dieses Privileg nur noch selten zuteilwerden, da das von ihm produzierte Wissen in aller Regel auf einen so stark ausdifferenzierten Fachdiskurs zugeschnitten sein muss, dass seine Zirkulation so gut wie ausschließlich auf eine sehr kleine Peergroup beschränkt bleiben wird (vgl. auch Kuba/Nadjmabadi 2009). Auf der anderen Seite tut die Verfügbarkeit von erschwinglichen, leicht bedienbaren, aber inzwischen hoch qualitativen digitalen Bildproduktionstechnologien sowie eine Verbilligung des interkontinentalen Reisens und eine Verbesserung der Transportmöglichkeiten auch in den abgelegenen Gegenden dieser Welt, die einer weit größeren Anzahl an Menschen sowohl das Bereisen solcher Gegenden als auch die Produktion entsprechender Überlieferungen gestattet, ein Übriges. Schließlich haben vielfach auch indigene Akteure mit der Überlieferung ihrer eigenen Kulturen begonnen. In der Konsequenz haben Überlieferungen über fremde Kulturen bei Weitem nicht mehr den Status der exklusiven, von legitimierten Spezialisten erhobenen Information, sondern sind zu billig herzustellender, leicht verfügbarer Massenware geworden, die häufig von sehr mangelhafter Qualität ist, dafür aber in großer Zahl z.B. im Internet kursiert, wo sie durch ein paar Mausklicks aufgerufen werden kann. Insofern hat die Internettechnologie einen Meinungspluralismus ermöglicht, der in Gestalt von stark rivalisierenden Ansprüchen und Verpflichtungen auf die Gegen25 Intangible Cultural Heritage seit 2008. 26 Ein Beispiel sind die Ethnologen und Filmemacher Ivo Strecker und Jean Lydall. Ihre Filme über ihre Forschungen in Ostafrika fanden in den 70er und 80er-Jahren immer wieder sowohl Eingang in die wissenschaftliche Diskussion als auch ins damals noch ausschließlich öffentlich-rechtliche Fernsehen. Ähnliches gilt für den Film SchamanenimblindenLand von Michael Oppitz. 53 ThorolfLipp wart einwirkt (vgl. auch A. Assmann 1999, S. 15f.). Wie weiter oben bereits angedeutet, ist mit der ,Dichte‘ der Informationen noch nichts über deren ,Qualität‘ gesagt, sondern über die der Technologie geschuldeten Praxis des jetzt ,demokratischen‘ Überlieferungsprozesses, der im Prinzip unkontrollierbar geworden ist und keine Rücksicht mehr nimmt auf z.B. akademische Autorität (vgl. auch den Beitrag von Robert Hauser in diesem Band). Die Konsequenz aus diesen radikal veränderten medientechnologischen Bedingungen und ihren Auswirkungen auf Gesellschaft kann m.E. nur in einer größeren Transparenz und Öffnung derjenigen Institutionen bestehen, die von diesem Autoritätsverlust betroffen sind. Im Hinblick auf das Intangible Heritage zählt dazu m.E. an erster Stelle dem unüberschaubaren und ungeordneten Raum der digitalen Erinnerungsgesellschaft Inseln der Orientierung anzubieten bzw. Wissenslichtungen ins Dickicht der digitalen Informationsüberflutung zu schlagen (vgl. auch Safranski 2002). These3: EsbleibtdieNotwendigkeit,WissenüberdieWeltanhandbestimmterKriterienzu formulieren,zuordnenundzurVerfügungzustellen.Diesgeschiehtzunehmendon line,wobeiKriterienderWiedererkennbarkeitundAuffindbarkeiteinezentraleRolle spielen. Die Immersion des Individuums im sich ständig neu konstituierenden semantischen Becken des Hypertextes verhindert semantische Schließungen und finale Bedeutungszuschreibungen. Waren diese unter den Bedingungen einer textbasierten Wissenschaft erkenntnistheoretisch betrachtet weitgehend selbstimmanent, muss jetzt konstatiert werden, dass die Idee einer mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte gültigen Enzyklopädie ausgedient hat, weil sie z.B. mit dem Tempo der Überlieferung nicht mehr standhalten kann. Andererseits kristallisieren sich inzwischen neue, digitale ,Plateaus‘ heraus, auf denen bestimmte Fragen verhandelt und spezifische Wissensgebiete verwaltet werden. Dabei darf man, auch das zeigt sich immer deutlicher, In formationen keineswegs mit Wissen verwechseln: Angesichts der Verschmelzung von Speicher- und Funktionsgedächtnis besteht an erstgenanntem ein Überfluss, an letzterem hingegen eher ein Mangel. Die Algorithmen der großen Internet-Suchmaschinen wie Google oder Yahoo, so ausgeklügelt sie inzwischen auch sein mögen, stellen doch lediglich nominale Ordnungssysteme her, die Relevanz nach Quantität oder (z.B. bei Google Adverts) nach der Finanzkraft ihrer Kunden bemessen. Wer hier systematisch nach Wissen sucht, das nach bestimmten Kriterien geordnet ist, aufeinander aufbaut, Kontexte herstellt etc., wird nicht notwendig fündig werden. Auch eine stark vom Usercontent abhängige Plattform wie YouTube hat sich inzwischen eher als Sammelbecken für unterhaltsame Zufallsbeobachtungen von Privatpersonen, kürzere TV-Mitschnitte (häufig illegal), Filmausschnitte sowie Musikvideos etabliert. Die für fast alle Anbieter gültige Längenbeschränkung von 10 Minuten pro hochgeladener Audiovision verhindert ohnehin das Onlinestellen län54 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage gerer Audiovisionen. Zwar wurden im Jahr 2009 täglich mehr als eine Milliarde YouTube-Videos abgerufen,27 was sehr deutlich macht, wie hoch die Akzeptanz dieser ,Funktionsgedächtnis-Plattform‘ inzwischen ist und in welchem Umfang die Internettechnologie einen zuvor noch nie dagewesenen Meinungspluralismus ermöglicht hat. Wenn man aber genauer hinsieht, spielen bei den Produktionsprozessen von digitalem Wissen – und erst das kann ja von den entsprechenden Suchmaschinen gefunden werden – doch wieder bestimmte Hierarchien eine Rolle. Die große Mehrzahl derjenigen Audiovisionen auf YouTube, in denen gezielt komplexere Themen aufgegriffen werden, wurden nämlich von traditionellen Institutionen der Tertiärmedien, v.a. Fernsehen und Film, hergestellt. Gerade die Überlieferung komplexer kultureller Phänomene, wozu gerade auch mediale Adaptionen des Intangible Heritage zählen, setzt erhebliche finanzielle Mittel voraus und verlangt nach inhaltlich wie ästhetisch ausgereiften Konzepten – und sei es nur, weil das Publikum dies so gewöhnt ist. Diese Institutionen haben nach wie vor die ökonomische und symbolische Macht, bestimmte Themen so aufzubereiten, dass man sie erfolgreich ,auf’s Tableau‘ heben (vgl. Prokop 2004) und ihnen so Aufmerksamkeit bzw. Sichtbarkeit im Funktionsgedächtnis verleihen kann. Insofern ist es kein Zufall, dass auch die bislang ausführlichsten medialen Überlieferungen des Intangible Heritage von Fernsehproduzenten stammen (vgl. näher Lipp 2009c). Eine konzentrierte Online-Verfügbarmachung dieser Intangible Heritage-Medien, die unter dem Aspekt einer vollständigen Archivierung sehr wünschenswert wäre, ist bislang allerdings ausgeblieben. Das ist bedauerlich und verwundert auch, denn die Sendeanstalten verlassen sich schon längere Zeit nicht mehr ausschließlich auf die herkömmlichen Distributionswege, sondern nutzen das Internet, um einem (weiteren) Bedeutungsverlust entgegenzutreten. Betrachtet man z.B. die Onlinemediathek des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) oder das Onlineangebot ,arte 7/7‘ des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE, dann sieht man eine Verschmelzung dieser traditionellen TV-Broadcaster mit dem Internet, das hier als zusätzliche Distributionsplattform genutzt wird, da hier TV-Programme zum jederzeitigen Onlineabruf für eine gewisse Zeit nach der Ausstrahlung bereitgehalten werden.28 Auf anderen Plattformen, etwa der ZDF ,geothek‘, sind Beiträge, nach Regionen geordnet, auch deutlich länger verfügbar. Zwar findet der Zuschauer hier einerseits weit eher ,geordnetes Wissen‘ als etwa auf YouTube, dafür bleiben diese Seiten nunmehr hinter den Möglichkeiten der Reziprozität bzw. Userbeteiligung, die das Internet an sich ja bereithält, weit zurück. Die Urheber 27 Onlinedokument http://www.heise.de/newsticker/meldung/YouTube-Ueber-1-Milliarde-Videoabrufe-pro-Tag-821259.html [25.05.2011]. 28 Interessanterweise ergibt sich beim Abrufen der hier vorgehaltenen Programme ein Userverhalten, das so gar nicht mit der durch die GfK erhobenen TV-Quote übereinstimmen will. So gehören etwa Dokumentarfilme, die in der Regel auf späte Sendeplätze verschoben werden, weil sie keine hohen Quoten versprechen, zu den heimlichen Gewinnern der Abrufbarkeit. Offenbar wird über die Güte eines Filmes in den verschiedensten Netzwerken gesprochen, was zu einer weit höheren Rezeption führt, als sie durch die klassische TV-Ausstrahlung zu erreichen gewesen wäre. (Mündliche Konversation mit dem ARTE-Beauftragten des Rundfunks Berlin Brandenburg, Soeren Schumann.) 55 ThorolfLipp der hier bereitgehaltenen Überlieferungen sind vielmehr professionelle Medienproduzenten, die mit je kulturell geprägten und stark normierten, narrativen Formen Welt verhandeln und insofern ganz der Theatermedium-Epistemologie des Fernsehens und nicht der Netz-Epistemologie des Internets verpflichtet sind. Ich habe an anderer Stelle bereits länger geschildert, dass eine Suche nach Intangible HeritageMedien im Internet derzeit noch wenig befriedigend ist. Auf YouTube oder VisWiki lassen sich in der Regel nur Ausschnitte aus entsprechenden News-Sendungen, Features oder Dokumentationen finden. Anders als noch im April 2009 hält inzwischen auch die UNESCO auf ihren Intangible Heritage-Internetseiten kurze Clips zu den jeweiligen kulturellen Ausdrucksformen bereit.29 Dennoch muss festgestellt werden, dass derzeit noch kein Online-Gesamtkonzept zu erkennen ist, das hinsichtlich Form oder Inhalt den hier zu skizzierenden Anforderungen an die Produktion, Verbreitung und Archivierung von Intangible Heritage-Medien entsprechen würde (vgl. Lipp 2009d). Da die elektronischen Medien aber zu den privilegiertesten Orten der Konstruktion und Repräsentation kognitiv-sozialer Wirklichkeit geworden sind und das Internet Funktions- und Speichergedächtnis gleichzeitig ist, wird der langfristige Erfolg der digitalen Überlieferung von Intangible Heritage in erster Linie an einer möglichst raschen und vollständigen Auffindbarkeit entsprechender Projekte im Internet festzumachen sein. Insofern wäre eine Bündelung von Intangible Heritage-Aktivitäten in einem ,Intangible Heritage Media Institute‘, das allerdings in Form und Inhalt weit über das hinausgehen müsste, was die UNESCO derzeit anbietet oder was an verschiedenen anderen Orten im Internet derzeit zu finden ist, ein entscheidender Schritt in diese Richtung. 4. DoingIntangibleCulturalHeritage–ArbeitamGedächtnis Im folgenden Abschnitt will ich versuchen, die vorausgegangenen Überlegungen zusammenzufassen und einige Anregungen für die weitere Diskussion bzw. entsprechende Aktivitäten zu geben. Ich tue dies zunächst aus einer deutschen Perspektive, was allerdings nicht unproblematisch ist. Zum einen hat Deutschland, als eines der letzten großen Länder, die Intangible Heritage-Konvention bislang nicht ratifiziert. Insofern verwundert es auch nicht, dass es hierzulande nur vereinzelt Forschungsprojekte zum Thema Intangible Heritage gibt.30 Überdies gibt es in Deutschland keine Institute für kulturwissenschaftlich geleitete Medienpraxis und insofern auch keine Projekte, die sich systematisch und langfristig mit der medialen Verfügbarmachung von Intangible Heritage befassen würden. Das liegt vor allem daran, dass die Produktion audiovisueller Medien immer noch nicht dem Selbstverständnis der 29 http://www.unesco.org/culture/ich/index.php?lg=EN&pg=home [25.05.2011]. 30 Vor allem an der Universität Göttingen hat sich ein kleines Cluster herausgebildet. Hier führt die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin mit mehreren Mitarbeitern ein entsprechendes Forschungsprojekt durch; http://www.uni-goettingen.de/de/29495.html [25.05.2011]. Auch die Kulturanthropologin Regina Bendix hat zum Thema gearbeitet, ihr Doktorand Markus Tauschek (inzwischen Juniorprofessor in Kiel) hat zum Thema promoviert. 56 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage deutschen Universitäten entspricht (vgl. Lipp 2006). Es wäre andererseits falsch, davon auszugehen, dass sich an den derzeit eher ungünstigen Rahmenbedingungen nichts ändern könnte. Im Gegenteil ist, nachdem in den letzten Jahren die zunächst ähnlich zögerlichen Schweizer und Österreicher der Konvention beigetreten sind, davon auszugehen, dass auch Deutschland die Konvention früher oder später ratifizieren wird. Dem Staat kommt dann die Pflicht der Konservierung, jedoch nicht unbedingt die der Auswahl zu. Insofern wird es dann eine Aufgabe der öffentlichen Hand sein, sich an der Produktion und Archivierung von Intangible Cultural HeritageMedien zu beteiligen. Wenn es soweit ist, müssen gerade auch akademische Diskussionen und entsprechende Projekte etwa ein künftiges Medienzentrum für digitale kulturelle Überlieferung diesen Prozess begleiten bzw. gestalten und dabei vor allem auch die Bedürfnisse einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft im Auge behalten (vgl. A. Assmann 1999, S. 356). Ich will daher versuchen, einige positive Impulse für eine künftige ,Arbeit am medialen Gedächtnis‘ zu geben. Dazu gehört es auch, Überschneidungen möglicher Forschungsfelder und entsprechende Synergieeffekte zu benennen, um daraus ein positives Szenario entwickeln zu können. 4.1.ZurRollederEthnologieundbenachbarterDisziplinen Die Ethnologie leistet seit jeher Arbeit am Gedächtnis, indem sie andere Perspektiven auf das Menschsein aufschließt und in einem kulturellen Übersetzungsvorgang aufbereitet, um sie entweder unmittelbar für das eigene Funktionsgedächtnis fruchtbar zu machen, oder aber im Speichergedächtnis wenigstens für später einmal möglicherweise wieder erneut relevant werdende Perspektiven auf das Menschsein zu bewahren. Dabei greift sie sowohl auf ein großes und erprobtes Repertoire an Theorien und Methoden als auch auf einen ungeheuren Korpus an Wissen über die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen zurück. Insofern kann gesagt werden, dass es eine sehr naheliegende Herausforderung für die Ethnologie darstellen würde, sich neben Fragen der ethnographischen Erforschung auch der Repräsentation sowie der digitalen Erfassung und Verfügbarmachung von Intangible Heritage zu widmen. Betrachten wir das Kerngebiet der Ethnologie, die Erforschung und Darstellung fremdkultureller Phänomene, wird man konstatieren können, dass einige Vertreter des Faches das Dilemma eines schleichenden Sichtbarkeits- und Bedeutungsverlustes – das ich in These 2 u.a. auf die Demokratisierung der Wissenstechnologien zurückgeführt habe – inzwischen begriffen haben. Schon im Jahr 1998 hat das Pressereferat der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV) unter der Leitung von Shahnaz Nadjmabadi in Heidelberg eine Tagung zum Thema ,Was erwartet die Öffentlichkeit von der Ethnologie – Was hat die Ethnologie der Öffentlichkeit zu bieten?‘ durchgeführt. Zehn Jahre später, im Sommer 2009, luden Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde wiederum Vertreter von Print, Hörfunk und Fernsehen zum Gespräch. Das Ergebnis war in beiden Fällen vergleichbar: Medienvertreter monierten, dass Ethnologen eine nur ungenaue Kenntnis der Anforderungen des Medienbetriebs besäßen, während die Fachvertreter den Medien mangeln57 ThorolfLipp des Interesse an der Fachdiskussion und am Aufgreifen komplexer Sachverhalte vorhielten. Zu Annäherungen kam es kaum (vgl. Kuba/Nadjmabadi 2009). Denkt man systemimmanent, ist das nur folgerichtig, denn für ein Fortkommen in der Wissenschaft zählen nach wie vor praktisch ausschließlich wissenschaftlich legitimierte Leistungen. Der zeitaufwendige Versuch, wissenschaftlich erarbeitetes Wissen so aufzubereiten, dass es auch z.B. von den elektronischen Medien aufgenommen und jenseits des engeren Fachdiskurses rezipiert werden kann, wird zwar vom sich verjüngenden akademischen Establishment nicht mehr grundsätzlich mit Ablehnung betrachtet, hat sich aber andererseits bislang auch noch nicht in einem institutionell abgesicherten Rahmen, in dem diese Übersetzungsarbeit ja erfolgen müsste, niedergeschlagen. Angesichts der von mir angeführten These 1, derzufolge die elektronischen Medien zu den privilegiertesten Orten der Konstruktion und Repräsentation kognitiv-sozialer Wirklichkeit geworden sind, die keine Stereotypen, sondern (mediale) Wirklichkeit de facto herstellen, wäre aber genau dies das Gebot der Stunde und könnte zu einer Kernaufgabe eines ,Intangible Heritage Media Institute‘ werden. Wenn die Erfahrung immer wieder gezeigt hat, dass die Bewegtbildindustrie akademische Diskurse nur unzureichend aufgreift, weil sie ganz anderen Begründungszusammenhängen verpflichtet ist (vgl. Bayer et al. 2004; Bourdieu 1998; Kummels/Schäfer 1995; Kretzschmar 2002; Lipp 2006), dann kann die Antwort darauf nur sein, an den Universitäten selbst ,doing culture‘ zu betreiben und sich in zunehmendem Maße als Kulturproduzent zu begreifen. Man muss jedoch leider konstatieren, dass die Ethnologie in Deutschland die neuen Möglichkeiten der Wissensorganisation und -distribution bislang nicht in einem Umfang nutzt, der der Güte und Fülle ihrer Überlieferungen entspricht. Anderswo sind bereits in weit höherem Maße entsprechende Aktivitäten zu verzeichnen, was durchaus für die Wandlungsfähigkeit des akademischen Systems spricht. In Dänemark wurde soeben das weltweit erste wissenschaftliche audiovisuelle Journal gegründet.31 Auch in den angelsächsischen Ländern gibt es eine Vielzahl von akademischen Webprojekten, die z.B. das kulturelle Erbe und indigene Rechte32 oder grundlegende ethnologische Fragen behandeln.33 Ich habe weiter oben versucht, einige Gründe für den Autoritäts- und Bedeutungsverlust wissenschaftlicher Weltdeutung anzuführen. Ich behaupte nun, dass gerade die Herausforderung der medialen Verfügbarmachung von Intangible Heritage ein Projekt wäre, bei dem eine Disziplin wie die Ethnologie eine in Inhalt und Form zeitgemäße multimediale Alternative entwickeln und so ihrem Bedeutungsverlust mit einem neuartigen Wissensangebot begegnen könnte. Dabei darf man ein solches Projekt nicht mit den verschiedenen derzeit entstehenden Onlinearchiven verwechseln, auf denen ethnologische Forschungsergebnisse, Bilder und mitunter auch Audiovisionen veröffentlicht werden. 31 http://www.audiovisualthinking.org [25.05.2011]. 32 http://www.culturalsurvival.org [25.05.2011]; http://www.mukurtuarchive.org [25.05.2011]. 33 http://www.publicanthropology.org [25.05.2011] oder http://www.aptn.ca [25.05.2011]. 58 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage Diese Archive sind ein richtiger Schritt, um bereits gesammelte Daten zugänglich zu machen.34 Allerdings sind diese Daten in der Regel nur wenig oder gar nicht aufbereitet. Insofern ist absehbar, dass hier keine übergreifenden Schnittstellen zwischen Funktions- und Speichergedächtnis entstehen werden, keine Orte, an denen gemeinsame praxiszur Community-Bildung führen wird, sondern Archive, die vermutlich nur für die Forschung von Interesse sein werden. Was in Hinblick auf das Intangible Heritage hingegen notwendig wäre, ist eine gut sichtbare ,Wissenslichtung‘ im Dickicht des digitalen Raumes, ein interdisziplinäres ,Intangible Heritage Media Institute‘ (vgl. Lipp 2009a; 2009d), das in Fragen der Produktion, Distribution und Archivierung den spezifischen Anforderungen von Intangible Heritage-Medien entsprechen müsste und entsprechende akademische Schnittstellen, etwa zur Erzählforschung und Volkskunde, zu den Medien- und Literaturwissenschaften aber auch zur Kunstgeschichte und Denkmalpflege, berücksichtigt sowie Partnerschaften mit der Bewegtbildindustrie und den visuellen Künsten eingeht. 4.2.ZuWerkzeugenundMethoden Vor allem die Audiovisuelle Anthropologie beschäftigt sich mit Fragen der Repräsentation von Kultur durch Photographie (vgl. für andere Collier 1967) oder Audiovisionen (vgl. Banks/Morphy 1997; Ruby 2000; Pink 2007). Dabei hat sie zunächst den Wert visueller Medien als Forschungsmethode und Forschungsfeld überhaupt erkannt (vgl. Collier 1967; Banks 2001; Mohn 2002). Sie hat immer wieder auf die komplexen Übersetzungsvorgänge von nicht-filmischer Realität in filmische Realität hingewiesen, wesentliche Begriffe dafür entwickelt und ethische Standards gesetzt (vgl. Crawford/Turton 1992; Hohenberger 1988; MacDougall 1998; 2006). Die für das mediale Gedächtnis bis heute relevanten ethnographischen Filme basieren aber epistemologisch auf Bedingungen einer vor-globalen bzw. unvernetzten Welt. Der Film ist, wie wir weiter oben gesehen haben, ein Tertiärmedium und als solches hält er am Gestaltungsprinzip der ,Meistererzählung‘ fest. Dabei hatte der durch den akademischen Diskurs geprägte ,ethnographische Film‘ in den letzten Jahren zunehmend einen langen und komplexen Theoriediskurs mitabzubilden, was häufig zu einer syntaktischen Überfrachtung führte, die oft nicht durch entsprechende semantische Qualitäten ausgeglichen werden konnte. Mit anderen Worten sind die von Ethnologen hergestellten ethnographischen Filme heute eher zu einem Randphänomen geworden und werden vor allem auf den diversen ethnographischen Filmfestivals rezipiert (vgl. auch Ruby 2000; Lipp 2008b), während von Ethnologen hergestellte Filme, die sich erkennbar ethnologischer Epistemologie verpflichtet fühlen, im Fernsehen schon länger praktisch gar nicht mehr gezeigt werden. Überdies ist 34 Vgl. etwa das ,digital endangered languages and musics archive network‘, das im Jahr 2003 als Schirmorganisation mehrerer Partnerinstitutionen gegründet wurde, die sich alle mit der Dokumentation und Archivierung gefährdeter Sprachen und Kulturpraxen beschäftigen; http://www.delaman.org [25.05.2011]. Regionale Archive sind z.B. DEVA Bayreuth, ein Projekt zur Digitalisierung, elektronischen Edition und Vernetzung von Daten der Afrikawissenschaften; http://www.ias.unibayreuth.de/de/deva/index.html [25.05.2011]. 59 ThorolfLipp das Themenfeld heute zunehmend mit einer Reihe ethisch-moralischer Fragen behaftet, etwa die nach kulturellem Urheberrecht oder nach subtilen und technologieinhärenten Euro- und Chronozentrismen etc. (vgl. Lipp 2008a; 2009c). Dies hat zuletzt zu einer dramatisch gesunkenen Akzeptanz von Konzepten des ethnographischen Films als Praxis der Kulturrepräsentation geführt. Diese Komponenten zusammengenommen haben in den letzten drei Jahrzehnten eine aktive, gar avantgardistische Rolle der Ethnologie eher verhindert. Allerdings sehe ich durchaus auch zeitgenössische Ansätze, die ihrerseits ebenfalls wieder aus der Ethnologie kommen und die derzeitige Problematik aufgreifen. In Anlehnung an einen Artikel von Markus Banks (Banks 1992) meine ich, dass es weder der event eines Filmes, noch die reaction des Publikums darauf ist, die einen Film als ethnologisch motiviert erscheinen lassen. Es ist also nicht so sehr entscheidend, ob man nur spärlich bekleidete, dunkelhäutige Menschen abbildet, die mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gehen. Es kommt auch nicht so sehr darauf an, ob das Publikum diese Darstellung als ,ethnologisch‘ qualifiziert. Viel entscheidender ist es, dass die intention des Films, und dazu zähle ich gerade auch den Herstellungsprozess, auf zeitgenössischer, ethnologisch geleiteter Epistemologie basiert. Dies ist als weiterer Verweis auf die ,Doing CultureDebatte‘ zu verstehen, denn damit ist angedeutet, dass sich die zugrunde liegenden Konzepte des ethnographischen Films ähnlich dramatisch geändert haben, wie das Selbstverständnis der Disziplin insgesamt. Insofern meine ich, dass es derzeit vor allem Konzepte von ,Kollaboration‘ und ,Multivokalität‘ sind, die eine ethnologisch geleitete mediale Adaption von Intangible Heritage auszeichnen sollten (vgl. für andere Lassiter 2005). So soll einerseits bestehenden Machtgefällen Rechnung getragen werden, während der einzelne Autor andererseits größeren Handlungsspielraum zurückerhält. Ich plädiere daher, in Hinblick auf die mediale Verfügbarmachung von Intangible Heritage, für eine grundsätzlich neue Form, die über das Konzept der Audiovision als für sich stehende Meistererzählung hinausgeht. Dies kann nur im Sinne eines internetbasierten, frei zugänglichen und, im Sinne eines Primats der praxis,prinzipiell unendlich zu erweiternden ,lebendigen Archivs‘ geschehen. Ein gemeinsames Handeln als ,Arbeit am Gedächtnis‘ ist der zentrale Auftrag dieses Projektes. So wird von vornherein deutlich, dass jeder audiovisuelle Text immer nur eine Stimme von mehreren sein kann. Da also in Hinblick auf das Intangible Heritage ohnehin immer nur partielle Überlieferungen eines Phänomens möglich sind, wird der einzelne audiovisuelle Textso einerseits von der Bürde entbunden, eine sowohl ethisch-moralisch als auch wissenschaftlich legitimierte ,Meistererzählung‘ sein zu müssen, die letztlich extrem widersprüchlichen Anforderungen entsprechen soll. Gerade daher wird Fortschreibung möglich und auch nötig, denn jeder vorausgehende audiovisuelle Text wird zur Herausforderung für den jeweils nächsten Autor. Andererseits werden stilistische und ästhetische Möglichkeiten zur Option, die bislang als unethnologisch oder unakademisch gegolten haben mögen, dafür aber Anleihen aus dem – im Verhältnis zum ethnographischen Film weit größeren – semantischen Becken z.B. der (non-fiktionalen) Filmproduktion insgesamt und auch der (Medien-)Kunst nehmen können. Erst auf der Ebene eines ständig zu 60 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage erweiternden internetbasierten, vornehmlich audiovisuellen Metatextes können so nach und nach Chancen, aber eben auch Grenzen des Projektes ,Archivierung‘ von Intangible Heritage deutlich werden. Dieses Augenmerk auf die Formist deswegen so wichtig, da Medien eben nicht nur Mittler, sondern auch Konstrukteure von Welterfahrung sind und darüber hinaus auch die epistemologischen Grundprämissen ihrer Produzenten bloßlegen. Indem Medien nämlich konstitutive Faktoren von Selbst, Gesellschaft und Kultur überhaupt sind, ermöglichen sie uns, neue Erfahrungen in neue Formen zu übertragen und insofern den gesellschaftlichen Statusquo zu verändern. Als gelungenes Beispiel für ein derartiges Unternehmen können Internetplattformen genannt werden, die nicht von vornherein den institutionellen Traditionen bzw. dem Selbstverständnis des Theatermediums Fernsehen entsprechen müssen und wollen, sondern auf ein, von den gerade geschilderten Epistemologien geleitetes, durch öffentliche Mittel gefördertes zivilgesellschaftliches Engagement zurückgehen. Die kanadische Indigenous Media Internetplattform ,Isuma-TV‘ ist ein gutes Beispiel.35 Hier sind mehrere hundert Audiovisionen von professionellen Medienproduzenten, Privatpersonen, Community-Medienprojekte etc. abrufbar, alle zum Oberthema ,Inuit-Identität‘ in den arktischen Ländern. Neben einer Vielfalt an einzelnen Themen fällt auch der Reichtum der narrativen Formen auf, denn hier sind neben Spielfilmen auch Reportagen, TV-Features, Oral History, Kunstfilme, Dokumentationen und Dokumentarfilme zu sehen. ,Isuma TV‘ ist hinsichtlich Partizipation, Kollaboration und Distribution, selbst global gesehen, eine avantgardistische Ausnahme und stellt vor allem auch ein Beispiel für eine gelungene praxisdar, bei der das auf Dauer angelegte Handeln und die entsprechende Community-Bildung für eine gemeinsame Sache mindestens denselben Stellenwert besitzt wie die erzeugten Audiovisionen selbst. 5. ZusammenfassungundSchlussfolgerung Tradition ist nicht das Anbeten der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers. GustavMahler(18601911) Ich habe hier an einigen – sicher nicht an allen – Gesichtspunkten aufzuzeigen versucht, wie komplex das Problem der Produktion, Distribution und Archivierung von Intangible Heritage-Medien tatsächlich ist. Es ist keinesfalls damit getan, jeweils eine ,professionelle‘, ,autoritative‘ Audiovision herzustellen und im Fernsehen auszustrahlen oder im Internet verfügbar zu machen. Ich folge dabei grundsätzlich einem Gedanken aus Nietzsches UnzeitgemäßenBetrachtungen, mit dem er sich gegen eine in seinen Augen falsch verstandene Auffassung von Geschichte wendet. Diese kann sich dann „gegen das Leben“ richten, wenn sie götzendienerisch und mit 35 http://www.isuma.tv [25.05.2011]. 61 ThorolfLipp großer Beflissenheit die Vergangenheit umtanzt, ohne das Hier und Jetzt im Auge zu haben. Wo die „wahre und die wirkliche Kunst“ gegen das Bemühen der „Werdenden und Wollenden“ gestellt wird, und die „Toten die Lebendigen“ begraben, da ist das Konzept von Kulturerbe, insbesondere aber von Intangible Heritage, gründlich missverstanden worden. Ich meine vielmehr, dass uns der (Rück-)Blick auf das immaterielle Erbe Perspektiven für die Zukunft ermöglichen und auf dieser Grundlage je neue Entwürfe von Menschsein freimachen müsste. Er sollte uns Mut geben, „es noch länger mit dem Leben aufzunehmen“ (Nietzsche 2005). Insofern geht es um die Schaffung ganz neuer Rahmenbedingungen für die Produktion, Distribution und Archivierung von Intangible Heritage-Medien, die eine prinzipiell unendlich andauernde praxis ermöglicht, um so dem eigentlichen Charakter immaterieller Kultur in Inhalt und Form so nahe wie möglich kommen zu können. Aber anders als in der ,Salvage Ethnography‘ oder den ,Folklore Studies‘ des 19. und 20. Jahrhunderts, steht heute nicht mehr das Sammeln von (audiovisuellen) Daten im Mittelpunkt. Vielmehr muss das Ziel sein, das Überleben des in diesen Weltbildern gespeicherten Wissens zu sichern, indem deren Protagonisten, ihrem Habitus und ihrem Habitat, Wert beigemessen wird und so nachhaltige Weiterentwicklungen möglich werden. Dazu aber muss das je gesamte Wissenssystem aufrechterhalten werden (vgl. auch Kirshenblatt-Gimblett 2004, S. 53). Überlieferungen ,herzustellen‘, um sie ins Archiv ,wegzustellen‘, genügt hier nicht. Es geht um praxis,nicht nur um poiesis.Und insofern sind Form und Inhalt, sind Produktionsprozess und Digitalisat gleichermaßen entscheidend. Jorge Luis Borges bezeichnet den Autor als die Summe der von ihm gelesenen Bücher. Er weist damit einerseits darauf hin, dass Texte wiederum Texte generieren und dass Schriftkultur in hohem Maße selbstbezogen und selbstreflexiv ist. Andererseits wird die kreative Leistung des Autors in vielen Gesetzgebungen unter besonderen Urheberrechtsschutz gestellt. Wem hingegen kann man die Autorenschaft an Intangible Cultural Heritage zuschreiben? Wem ,gehört‘ diese Kultur? Wer hat das Recht sie zu bestimmen, zu verändern, zu verbreiten, zu archivieren oder zu kapitalisieren? Das Problem der ,Intellectual Property Rights‘ wird bereits seit Langem diskutiert. In jüngster Zeit hat etwa Sharon Sherman dargelegt, dass dies zentrale Fragen – gerade auch für entsprechende Intangible Heritage-Medienprojekte – sind, die keinesfalls übersehen werden dürfen (vgl. Sherman 2010). Rechtlich ist die Situation bis heute durchaus noch unklar und wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft kontrovers diskutiert werden. Ich betrachte das Intangible Heritage als Mosaiksteine eines universalen Weltethos, wie es Hans Küng formuliert hat (vgl. Küng 1992). Es begegnen uns „Stimmen der Kultur“, hinter der Vielfalt wird die Einheit sichtbar. Insofern geht das Intangible Heritage prinzipiell Menschen aller Nationen an. In Anlehnung an die Grundlagencharta der UNESCO plädiere ich dafür, dass alle am Prozess der audiovisuellen Verfügbarmachung beteiligten Akteure in ihrer Interpretation dieser kulturellen Ausdrucksformen gleiche Rechte besitzen sollen, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion, aber erfüllt 62 ArbeitammedialenGedächtnis.ZurDigitalisierungvonIntangibleCulturalHeritage mit Respekt für die Interpretation der jeweils Anderen.36 Die Realität sieht aber in der Tat häufig anders aus. Markus Tauschek hat beschrieben, wie stark etwa der Einfluss von UNESCO-Vertretern selbst dazu beitragen kann, Darstellungen einer immateriellen Tradition in die eine oder andere Richtung zu färben, etwa um den Anforderungen der Institution UNESCO selbst zu entsprechen und den begehrten Welterbestatus zu erlangen. Hier werden Heritage, wird ,Heritageifizierung‘ zur monumentalischen Ideologie im Nietzscheschen Sinne. Wenn die besondere Qualität von immaterieller Kultur insgesamt aber v.a. in ihrer Fähigkeit zu prinzipieller Offenheit und Beweglichkeit liegt, sowie in ihrer Fähigkeit, Welt in Symbolen immer neu auszudrücken, dann kann eben nur eine multilokaleund multivokale prinzipiell unendlich andauernde, institutionell gestützte Praxis den eigentlichen Anforderungen an die mediale Verfügbarmachung von Intangible Heritage gerecht werden. Es geht dann nicht so sehr um ,Eigentum‘ an Intangible Heritage oder um die möglichst ,beste‘ (vgl. Sherman 2010) Selbstdarstellung, nicht um die poiesis,sondern um eine nicht endende Arbeit von Menschen mit Menschen an unserem gemeinsamen kulturellen Gedächtnis, das – gerade auch in Hinblick auf das immaterielle Kulturerbe – ein digital überliefertes sein wird. Literatur Assmann, Aleida (2004): Das kulturelle Gedächtnis an der Millenniumsschwelle: Krise und Zukunft der Bildung. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz. dies. (1999): Erinnerungsräume. 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