Die Reizleitung des Herzens

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Die Reizleitung des Herzens - Eine Einleitung
Wolfgang Herzberg
18.7.2014
In der Beschäftigung mit der Reizleitung des Herzens, die eigentlich nur eine Einfügung der noch
fehlenden magnetischen Selbstinduktion in alle dafür vorgesehenen Leerstellen der
Membranerregung werden sollte, ist sehr schnell ein Projekt geworden, in welchem die
interpretatorischen Versäumnisse der letzten 75 Jahre aufgearbeitet werden müssen. Irgendwie hat
eine unvollständige Membranerregungstheorie der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts derart
einschüchternde Wirkungen in den Köpfen der Forscher erzeugt, dass sie zwecks Harmonisierung mit
einem Dogma, das nur Membranwiderstände, Kapazitäten und elektrische Ströme kennt, das Suchen
nach einer daraus abgeleiteten, zwingend Zellgrenzen überschreitenden elektrischen Leitfähigkeit
über alle anderen Fragen gestellt haben. Nachdem für diese Leitfähigkeit auch in der aufkommenden
elektronenoptischen Technik histologisch kein Korrelat gefunden wurde, blieb irgendwie alles
andere, was bereits „evidence based“ war, am Rande des Weges liegen, wo es bald vergessen wurde.
In der Literatur können diese Schätze jedoch wieder gehoben werden:
1. Die erhellenden Tuscheversuche, die das gesamte Reizleitungssystem der Kammern als ein in
sich geschlossenes Netzwerk aus quasi lymphartigen Schlauchstrukturen visualisiert haben.
2. Die eher beiläufige Feststellung im Rahmen der frustranen Suche nach den synzytialen
Verbindungen innerhalb des Reizleitungssystems, dass dieses keine vasale Versorgung besitzt
– übrigens eine Entdeckung, die sich schon allein aus dem fehlenden intravasalen
Druckgefälle ergibt.
3. Die Durchschneidungsversuche des Reizleitungssystems, die einmal mehr den scheinbar
unverwüstlichen Netzcharakter des Reizleitungssystems belegen.
4. Die „P“ Negativierung bei retrograder Vorhofstimulation liefert heute den Beweis, dass der
Sinusknoten orthograd die Gegenseite jener Zellmembranen depolarisiert, die bei
retrograder Stimulation erregt werden.
5. Der „Pumpstempel“ der Klappenebene, dessen Amplitude das bei weitem größte
Bewegungsausmaß jeglicher Herzbewegung darstellt und via Vorhofwand an den
Pulmonalabgängen zerrt. Hier liegt die Ursache für die durch lebenslange Dehnungszyklen
entstehenden Myokardmanschetten der Pulmonalvenenabgänge und damit auch des
Vorhofflimmerns.
6. Die Aufzeichnungen der Mitralklappenbewegungen, die sowohl auf eine vorhofseitige als
auch kammerseitige Erregung schließen lassen.
Allein dadurch, dass die Signalübertragung des Reizleitungssystems durch die bisher ausgeblendeten
magnetischen Induktionsfelder schlüssig erklärt werden kann, können auch viele bisher für
inkompatibel erachtete Bausteine logisch ineinander gefügt werden, so dass zwanglos eine
Modellvorstellung entsteht, aus welcher sich eine Fülle weiterer Beobachtungen (und auch
Vorhersagen) ableiten lässt.
Bevor das funktionelle System der Reizleitung des Herzens in allen Details Schritt für Schritt anhand
der in 100 Jahren angesammelten Untersuchungsergebnisse entwickelt werden kann, soll zunächst
das gesamte in sich schlüssige Modell vorgestellt werden, damit der Leser rasch einen
Gesamteindruck gewinnen kann, um später die Detaildarstellungen besser in das Ganze einordnen zu
können.
Die Erregungsleitung vom Sinusknoten zum av-Knoten erfolgt über das Vorhofmyokard. Der
vorhofseitige Abschnitt des av-Knotens erhält seine pezifischen Fasern aus verschiedenen Richtungen
der Vorhöfe, vornehmlich aber aus dem Sinus coronarius. Die Fasern entstehen in kontinuierlicher
Umwandlung aus Fasern des Vorhof-Arbeitsmyokards. Sie sind wie auch das gesamte folgende
System der Reizleitung von einer Bindegewebsscheide mit Basalmembran umgeben. Diese hat sich
kontinuierlich aus dem Perimyseum der Vorhofmyokardfasern auf die Reizleitungsfasern fortgesetzt.
Wenn die sternförmig auf den av-Knoten einstrahlenden Fasern vom Vorhofmyokard depolarisiert
werden, dann erfolgt kurz darauf eine Kontraktion ihrer Myofibrillen. Der inzwischen depolarisierte
vorhofseitige av-Knoten Abschnitt wird von den einstrahlenden Fasern unter Zug gesetzt. Erreicht die
Erregung den mittleren av-Knoten Abschnitt, der vom vorhofseitigen Abschnitt durch den Anulus
fibrosus abgegrenzt ist, erzeugt die weiter fortschreitende muskuläre Erregungsphase eine gegen den
Anulus fibrosus gerichtete Verpressung der sich kontrahierenden av-Abschnitte oberhalb und
unterhalb des Anulus. Die zwischen den Fasern innerhalb der Bindegewebsscheide vorhofwärts
strömende Substratlösung wird im Niveau des Anulus fibrosus abgeklemmt. Dadurch ist ein
hermetisch geschlossener extrazellulärer Raum geschaffen, der lediglich am Übergang der
terminalen Purkinjefasern in die Myokardfasern der Kammern in Form des Perimyseums offen ist.
Mit dem Fortschreiten der Depolarisationswelle im av-Knoten erzeugt der fortgesetzte Na+ Ionen
Einstrom in die Reizleitungszellen aufgrund der sehr beengten extrazellulären Räume in Kombination
mit großen erregbaren Membranoberflächen ein wachsendes extrazelluläres negatives Potential.
Dieses Potential wird zusätzlich noch dadurch gesteigert als die Reizleitungszellen aufgrund ihrer
Schrittmachereigenschaften stetige Na+ Ionen Leckströme produzieren. Schließlich erreicht die
schleichende Membrandepolarisation die Membranschwelle und löst in Form einer Kettenreaktion
eine kollektive Depolarisation der gesamten im av-Knoten befindlichen Membranoberflächen aus.
Alle den av-Knoten und später das Hiss´sche Bündel verlassenden Fasern transportieren somit
synchrone Depolarisations-Signale. Da seit dem Beginn der av-Knoten Depolarisation erst etwa 50 ms
vergangen sind, ist die muskuläre Erregungsphase weiterhin aktiv, der hermetische Verschluß im
Anulus fibrosus dauert fort und die wachsende extrazelluläre Negativität besteht weiterhin und
umfaßt elektrostatisch das gesamte orthograde Reizleitungssystem. Bei fortschreitender
Depolarisation der Kammerschenkel folgen zwei weitere kollektive Depolarisationen: zuerst
depolarisieren die Purkinjenetze der Papillarmuskeln und erhöhen mit ihrer kollektiven
Membrandepolarisation die extazelluläre Negativität sprunghaft weiter, so dass die etwas höhere
Membranschwelle der Purkinjenetze der beiden Kammern unmittelbar danach auch kollektiv
depolarisieren.
In der endsystolischen Phase der Kammern preßt der in den Kammerwänden maximale
Wandinnendruck die sauerstoff- und substratreiche extrazelluläre Flüssigkeit des Myokards gegen
den systolischen Kammerinnendruck über die Scheiden der Purkinjefasern in av-wärtiger Richtung.
Wenn dieser Vorgang einsetzt, hat die Repolarisationswelle vom Sinusknoten aus bereits begonnen
und erzeugt die diastolische Ruhephase, in welcher der Anulus-Verschluß den Substratfluss wieder
freigibt und die Na+/K+ Pumpen der Membranen die transmembranöse Ionen-Bilanz wieder
restaurieren können.
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