Ein Beitrag für Momentum 09 – Freiheit Paper zum Vortrag: Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite: Zwischen Macht und Gewalt Verfasst von: Dimitri Prandner Track: #9 - Bildung und Demokratie Ort: Hallstadt Zeitraum: 22.10 bis 25.10.2009 Abgabe am: 23.09.2009 Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Zwischen Macht und Gewalt Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Track #9 Bildung und Demokratie Ein Beitrag von Dimitri Prandner Inhaltsverzeichnis: 1 – Einleitung ............................................................................................................................. 3 2 – Inhaltliche Fragestellung ...................................................................................................... 3 3 – Theoretische Hintergründe und Annahmen ......................................................................... 4 3.1 – Wieso Macht nicht Gewalt bedeuten kann.................................................................... 4 3.2 – Was bedeutet gutes Regieren?....................................................................................... 5 3.3 – Die Problematik der „Failing States“ ............................................................................ 7 4 – Die Wirklichkeit – zwischen regieren und bestimmt werden? ............................................ 9 4.1 – Wer hat heute Macht? ................................................................................................... 9 4.2 – Machtlose Politik und ihr Veränderungspotential....................................................... 11 4.3 – Staatenlose Kriege und Interventionsmacht ................................................................ 12 5 – Fazit.................................................................................................................................... 15 6 – Literatur- und Abbildungsverzeichnis................................................................................ 17 -2- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner 1 – Einleitung Eine der zentralen Fragen des Tracks zum Thema Bildung und Demokratie ist, ob Demokratie nur als Regierungsform von Bildungseliten funktionieren kann und ob Demokratie an Bildungsdefiziten scheitern könnte. In einem Zeitalter, in dem global wirkende Prozesse immer wichtiger und auch intensiver werden, kann diese Frage nicht rein im nationalstaatlichen Kontext behandelt werden. Dabei erscheint die Unterscheidung zwischen Macht und Gewalt für den Bereich der Entwicklungshilfe und im politischen Raum als essentiell, da sie sowohl eine Grundlage für innerstaatliche als auch zwischenstaatliche Prozesse liefern kann. Genauso wird dadurch eine Bewertung von Abhängigkeitsverhältnissen und Demokratie ermöglicht. Im Alltagsgebrauch wird jedoch oftmals der Unterschied zwischen beiden Begriffen marginalisiert. Gleichzeitig wird im Bereich der Entwicklungsforschung der Begriff „governance“ in den letzten Jahren verstärkt diskutiert. Der seit 1989 genutzte Indikator „good governance“ sollte beschreiben, wie gut ein Staat geführt wird und auch eine vereinheitlichte Grundlage für die Bewertung der Legitimation von Macht bieten. (Ludermann & Reinhardt, 2006: 227) Dennoch verändern sich die Machtgrundlagen und die Ausübung derselben in unserer immer weiter globalisierten Welt immer mehr; die Grenzen zwischen gerechtfertigter Intervention und Gewaltanwendung verschwinden fließend. Aber nur wenn Gewaltanwendung vermieden wird, kann eine nachhaltige und gerechte Entwicklung stattfinden, wobei Gerechtigkeit (auf Lebens- und Entwicklungschancen) wieder wechselseitig die Grundlage für dauerhafte legitime Machtverhältnisse von Bedeutung ist und Staatsversagen verhindern sollte. (vgl. Nuscheler, 2006: 17) Und hier stellt sich die Frage welche Rolle Bildung im globalen Kontext zur Verhinderung von Gewalt und zur Ermöglichung von Macht einnehmen kann. 2 – Inhaltliche Fragestellung Dieser Text stellt eine theoretische Arbeit dar, die versucht politische Grundbegriffe und entwicklungspolitische Theorie zu verknüpfen und zu überprüfen. Inhaltlich sollte in einem ersten Schritt der Gewaltbegriff von Hannah Arendt geklärt werden, der zentrale Grundbegriff des „good governance“ darstellt und die Problematik der sogenannten „failed States“. Die Definitionen dieser Begriffe dienen dazu, in einem weiteren Arbeitsschritt die von den prägenden Sozial- und Politikwissenschaftlern Ulrich Beck und Anthony Giddens dargelegten Gegenwartsstrukturen zu analysieren. Davon ausgehend sollte überprüft werden ob strukturelle Gewalt im Kontext zu Staatsversagen führt und falls dies der Fall ist welche Eingriffsmöglichkeiten für die Weltgesellschaft bestehen könnten, um Macht herzustellen ohne Autonomie zu vernichten. Das zugrundeliegende -3- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner theoretische Modell von Hanah Arendt wurde ausgewählt da es eine saubere, systematische Trennung von Gewalt und Macht ermöglicht. 3 – Theoretische Hintergründe und Annahmen 3.1 – Wieso Macht nicht Gewalt bedeuten kann In der klassischen Soziologie wird traditionell Max Webers Machtbegriff zitiert, der im Mittelpunkt die Möglichkeit sieht, seinen eigenen Willen gegenüber Anderen durchzusetzen. Wie diese Möglichkeit erlangt wird, ist nach Weber unbedeutend. (vgl. Schülein, 2001: 51) In seiner Argumentation kann „Macht also auf Bestechung, Verführung, Brutalität basieren.“ (Schülein, 2001: 51) Hannah Arend ging jedoch davon aus, dass alle Definitionen Unterscheidungen sind. Man kann ihrer Auffassung nach nichts beschreiben, ohne zugleich eine Abgrenzung durchzuführen. Macht wird dabei Gewalt entgegengestellt. (vgl. Bevc, 2007: 80) Sie stellt nach dieser Definition die Fähigkeit dar, sich als Kollektiv zu finden und im Einvernehmen zu handeln. Dadurch kann Macht nicht von einzelnen Individuen besessen werden, sondern nur von Gruppen. Sie entsteht sobald mindestens zwei Personen gemeinsam, kollektiv in einer öffentlichen Sphäre handeln. (Machthaber werden durch andere mit Macht ausgestattet, die ihre Macht für diesen Zweck abgeben. Daher verschwindet sie auch wieder sobald sich der Konsens der Gruppe auflöst, da sie kein Gehorsamsverhältnis voraussetzen kann. Gewalt hingegen kann auch von einzelnen Personen angewandt werden und stellt daher ein Gehorsamsverhältnis her. (vgl. Arendt, 2003: 44ff) Macht benötigt für sich keinen Zweck in Arendts Begrifflichkeit, sie ist Selbstzweck und kann nicht durch zukünftige Ziele gerechtfertigt werden. Die Legitimität von Macht beruht auf der Gemeinschaft und ihren kollektiven Handlungen. Darauf aufbauend ist die letzte Voraussetzung von Macht als kollektives Phänomen nach Arendts Definition in dem Punkt des sogenannten Versprechens zu finden. (vgl. Arendt, 2000: 181ff) Das Versprechen beschreibt hierbei den Kooperationswunsch um gemeinsame Ziele zu erreichen, ist veränderbar und kann immer wieder den aktuellen äußeren und inneren Umständen angepasst werden. (vgl. Allen, 2000: 101ff) Erst somit wird es ermöglich den Machtbegriff gesondert von belastenden historischen Gewalttaten zu analysieren. (vgl. Bevc, 2007: 81) Das Gegenstück in Form der Gewalt jedoch kommt dann zustande, wenn der Wille des Einzelnen oder einer Minderheit wichtiger ist als der Wille der Gruppe und das Ziel durch -4- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Aufzwingen des Willens erricht wird. Macht benötigt Legitimation, findet diese nicht statt, kommt es zu Gewalt. (vgl. Arendt, 2003: 45ff) Gewalt stellt dabei ein Gehorsamsverhältnis dar, wobei gegenwärtige Gewaltakte durch den Wunsch für zukünftige Zwecke gerechtfertigt werden können. (vgl. Bevc, 2007: 81) Betrachtet man diese Besetzung der Begriffe, steht die Feststellung nahe, dass die Konstruktion von Macht im Gegensatz zu Gewalt, stark von der Qualität und dem Hintergrund der Bildung abhängig ist und direkt in die Diskussion über „good governance“ einfließen muss. 3.2 – Was bedeutet gutes Regieren? Macht steht im modernen Staat in direkter Verbindung mit Regierungen und Institutionen. Dabei wurde der Begriff „governance“ für Regierungsführung im Entwicklungszusammenhang erstmals 1989 von der Weltbank genutzt. Die Einhaltung und Achtung der Menschenrechte, genauso wie die Rechtsstaatlichkeit relevante Themengebiete dienen nach Auffassung der Weltbank hierbei als primäre Indikatoren für die Qualität guter Regierungsführung („good governance“). (vgl. Ludermann & Reinhardt, 2006: 225) Aber während sich seit Mitte der 1970er Jahre die Anzahl der Demokratien weltweit verdoppelt hat und sowohl Militärregime als auch autoritäre Regime immer weiter verdrängt werden, hat in den etablierten Demokratien das Vertrauen der Bürger in die Politik erheblich abgenommen und die Wahlbeteiligungsquoten sinken oftmals rapide. (vgl. Giddens, 2001: 96ff) Auch ist die angesprochene Vermehrung der Demokratien nicht der gleichstarken Vermehrung von qualitativ hochwertigen Demokratien gleichzusetzen, da die Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen nicht hoch genug ist, um die politische oder soziale Einhaltung der Menschenrechte durchzusetzen. (vgl. Ludermann & Reinhardt, 2006: 225) Genauso ist es nicht von der Hand zu weisen, dass in vielen Ländern sich nicht konsolidierte Demokratien aus autoritären Herrschaftsstrukturen gebildet haben, die als pseudo- oder semidemokratisch bezeichnet werden müssen. (vgl. Linz; 2004: 115f) Vor allem Korruption, der eindeutige Missbrauch von Macht, ist hierbei ein Zeichen von schlechter Staatsführung („bad governance“), und seit dem Beginn des „Kampfs gegen den Terror“ wird steht das Vorgehen gegen diesen Punkt in den zentralen Bemühungen der sogenannten Geberstaaten. (vgl. Ludermann & Reinhardt, 2006: 229f) Praktiziertes „good governance“ hingegen bedeutet eine effiziente Staatsführung und Verwaltungspraxis unter zivilgesellschaftlicher Mitwirkung. Diese würde darauf beruhen, dass eine politische Macht auf legitimer Basis entsteht. Dafür sind nach Bernd Ludermann und Dieter Reinhardt -5- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner sind die Prinzipien der Transparenz, Partizipation und Verantwortlichkeit (Ludermann & Reinhardt, 2006: 228) kennzeichnend. Eine Darstellung dieses Idealmodells nach Joseph J. Capuno ist in der folgenden Abbildung 1 zu finden. „good governance“ benötigt den wechselseitigen Austausch zwischen allen Teilen der lokalen Öffentlichkeit („Local Constituents“), die sich aus Wirtschaftstreibenden, der Zivilgesellschaft und auch der regulären Bevölkerung zusammensetzt, und allen lokalen politischen Amtsinhabern („Local Governments“) die sich in einem permanenten Austauschverhältnis befinden, das sich aus Partizipation und Konsolidierung ergibt. Dadurch könnte in einer optimalen Situation sichergestellt werden, dass die Bevölkerung ihre Bedürfnisse an öffentlichen Diensten und Mitteln artikulieren kann (Public service needs) und der Staat diese dann auch ausreichend befriedigen kann (Public service provision). Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass viele Faktoren die für „good governance“ entscheidend sind durch Einwirkungen von außen gelenkt oder maßgeblich beeinflusst werden. Da vor allem die politische Ebene und die Bedürfnisse der Öffentlichkeit oftmals durch äußere Determinanten zu weiten Teilen mitbestimmt oder reguliert werden. (vgl. Capuno, 2001: 5ff) Dadurch stellt sich nicht nur die Frage nach innerer Gewalt, sondern auch hinsichtlich äußerer Gewalt. Abbildung 1 – Modell des „good governance“ auf lokaler Ebene nach Capuno1 Im Diskurs über gute Staatsführung sind Entwicklungsorganisationen, vor allem die Weltbank, als entscheidende Akteure zu sehen, welche die Kriterien festlegen können, nach denen sich die Empfängerländer richten müssen, falls eine aus Sicht des Westens sinnvolle „Entwicklungszusammenarbeit“ stattfinden sollte. (vgl. Nuscheler, 2006: 625) Vor allem in Hinblick 1 Entnommen: good governance Index: Advocating good governance for Local Development, Capuno, 2001; Seite 6 -6- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner auf benachteiligte Staaten muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass Entwicklung nach Dieter Nohlen und Franz Nuscheler nur dann statt finden kann, „wenn Menschen und ihre Gemeinschaften (...) als Subjekte handeln und nicht als Objekte behandelt werden; ihre Autonomie, Eigenständigkeit und Selbstvertrauen behaupten, wenn sie Projekte planen und durchführen.“ (Nohlen & Nuscheler; 1992: 71) Dazu muss man das Entstehen legitimer Macht ermöglichen, aber Gewalt verhindern. Damit dies geschehen kann, muss man Rechtssicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Verantwortlichkeit der Regierenden gewährleisten können und gegen (willkürliche) Gewalt schützen. (vgl. Nuscheler, 2006: 625) Oftmals ist hierbei jedoch das Problem gegeben, dass die vorrangigen Entwicklungsbemühungen der Geberstaaten sich auf wirtschaftliche Bemühungen konzentrieren und das Ausstatten der Bürger mit legitimer Macht nicht im Mittelpunkt steht. Bereits im Jahr 2000 hat Tobias Debiel (2000; 104) davor gewarnt, „dass die Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung zur Gewaltbereitschaft von Gesellschaften beitragen. Handels- und Außenwirtschaftspolitik sind von daher so zu gestalten, dass sie der Zerrüttung von schwachen Ökonomien entgegenwirken.“ Und genau hier sind derzeit noch essentielle Schwächen zu finden, da Entwicklungspolitik noch immer nach wirtschaftlichen Kriterien geschieht, und der letzte publizierte Unicef Report aus 20082 zeigt dies auch dahingehend auf, dass die realen Investitionssummen zur Unterstützung von Entwicklungsländern beispielsweise im Bereich Bildung von 2004 auf 2006 leicht gesunken sind. (Unicef, 2008: 7) Und genau hierdurch könnte eine starke und handlungsfähige Zivilgesellschaft geschaffen werden. Zusätzlich ist in der Realität eine grundsätzliche Einstufung der „goverance“-Qualitäten von Ländern nur schwer möglich, da die meisten Messungen nur die staatlichen Dimensionen und Verantwortungsbereiche abbilden können und die Messung von nicht-staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren nur unzureichend erfasst wird. (vgl. Ludermann & Reinhardt, 2006: 233) 3.3 – Die Problematik der „Failing States“ Verfallende Staatlichkeit und kriegerische Konflikte stellen heute große Herausforderungen an die internationale Politik und die Entwicklungsförderung. Die Anzahl an Kriegen zwischen Nationalstaaten geht zwar fortwährend zurück. Während das Stockholm Peace Research Institute in seinem Jahrbuch zu 2008 angibt dass die Anzahl von schwerwiegenden bewaffneten nationalstaatlichen Konflikten im Zeitraum von 1998 bis 2007 von 20 auf 15 gesunken ist, umfasst diese Zahl nur ein Viertel der tatsächlichen bewaffneten Konflikte weltweit, die vor allem im Raum Asien und Afrika vorzufinden sind. (vgl. Stepanova, 2008: 7f) Daher ist in 40 bis 60 Staaten weltweit 2 „Overcoming inequality: why governance matters”: Report zur Umsetzung des Unicef Ziels “Education for All (2015)”, jährliche Publikation zur Evaluation des Projects. -7- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner die Problematik von „failing States“ zu erkennen und dies stellt eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Sicherheit in diesen Gebieten dar. Das Problem ist somit schwerwiegend, denn bis zu zwei Milliarden Menschen leben in diesen „failing States“ und indirekt ist dadurch eine Bedrohung für die gesamte Weltgesellschaft. Gegeben. (vgl. Debiel & Werthes, 2006: 81ff) Die Begriffe „failed States“ und “fragilen Staaten“ beschreiben Staaten die Probleme haben ihre staatlichen Herrschaftsansprüche zu legitimieren und sich nur schwer oder gar nicht in die internationale Staatengesellschaft einbringen können. Genauso wird der Begriff genutzt um Länder zu beschreiben die verfallenden innenpolitischen Strukturen ausgesetzt sind, welche zu einem Versagen der innerstaatlichen Organisation führen. Dies kann zu nationalen oder internationalen Konflikten und Krisenherden führen. Einen Versuch, das Ausmaß des Staatsversagens und –verfalls darzustellen, ist der „Failed States Index“, der durch die unabhängige Forschungseinrichtung „The fund for peace“ in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift „Foreign Policy“ entwickelt wurde. (vgl. Debiel & Werthes, 2006: 81) Dieser Index basiert auf drei grundlegenden Kategorien von Indikatoren. Die sozialen Indikatoren umfassen wichtige Elemente die innerstaatliche und regionale Spannungen innerhalb der Bevölkerung einer Nation wiedergeben sollten. Je unruhiger und belasteter die Bevölkerung ist und je eher diese Kriterien erfüllt werden, kann man von der drohenden Gefahr von Staatsversagen sprechen. Im Block der ökonomischen Indikatoren sollte eine Übersicht über die wirtschaftliche Stabilität und Ungleichgewichte gegeben werden, die Rückschlüsse auf ihre Wirkung hinsichtlich der Stabilität des Staats erlauben. Der letzte Themenblock ist jener der politischen Indikatoren. Er betrachtet die innenund außenpolitische Stabilität, genauso wie die politische Bedeutung von wirtschaftlichen, militärischen und gesellschaftlichen Eliten und ihre Wirkung auf den Staatsapparat. Weitere Eckpunkte in den Beobachtungen stellt die Entwicklung der angebotenen staatlichen Dienstleistungen dar und eventuelle korrupte Einflüsse innerhalb des politischen Systems. In diesem Index sind bereits Kategorien zu finden, die versuchen den Zustand von nicht-staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zu erfassen. (vgl. Fund for Peace, 20093) Die Frage nach dem richtigen Vorgehen, um dem Entstehen von fragilen Staaten vorzubeugen, ist nur schwer zu beantworten, da vor allem bei monetärer Entwicklungshilfe oftmals die Gefahr von Missbrauch besteht und diese gar zum Stabilisieren illegitimer oder diktatorischer Regimes genutzt werden könnte. Partizipationstheoretische und demokratiedemokratische Argumente gehen jedoch davon aus, dass Bildung für diesen Prozess unabdingbar ist, da somit Verständnis für Zusammenhänge, die Fähigkeit für Reflexion und Artikulation der Bedürfnisse entstehen kann. (vgl. u.A.: Debiel & Werthes, 2006; Hepp, 1998; Linz, 2004; Prisching, 2008) 3 Eine genaue Auflistung inklusive Bewertungen ist unter http://www.fundforpeace.org bzw. http://www.fundforpeace.org/web/index.php?option=com_content&task=view&id=99&Itemid=140 abrufbar. -8- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Entwicklungshilfe funktioniert in Gebieten besonders gut, in denen sie auf reformorientierte Politiken trifft, die im Wechselspiel mit dem „good Goveranace“ Konzept zu einer Verbesserung der Situation in Krisenstaaten führten. Diebel und Werthers (2006: 99f) argumentieren hier, dass „vor allem ein Minimum an öffentlicher Sicherheit gewährleistet werden muss, genauso wie die Regierungshandlungen rechtsstaatlich kontrolliert und die Korruption ebenso wie die Armut effektiv bekämpft“ werden sollte. 4 – Die Wirklichkeit – zwischen regieren und bestimmt werden? 4.1 – Wer hat heute Macht? Während Hannah Arendts Werk sich ursprünglich mit Macht- beziehungsweise Gewaltprozessen innerhalb eines Regimes beschäftigt, gehen heute viele Theoretiker davon aus, dass durch die Zunahme des Welthandels die supranationale Machtverteilung in den letzten Jahrzehnten immer weiter weg von Nationalstaaten hin zu westlichen Konzernen verschoben wurde. Die Konsequenz aus dieser Entwicklung ist, dass eine breite Basis die Globalisierung als eine immer weiter reichende „Verwestlichung“ der Welt deutet. Die Begriffe „Cocacolasierung“ und „McDonaldisierung“ werden gebräuchlich. (vgl. Giddens, 2001: 20ff) Zusätzlich sorgt die Globalisierung für eine Dezentralisierung von weltpolitischen Angelegenheiten und es werden den einzelnen Nationen Machtbereiche entzogen. Auswirkungen davon sind weltweit spürbar und Vorgänge außerhalb des „Westens“ beeinflussen ihn immer mehr. Giddens gab 2001 an, dass jene, welche die Ansicht haben, dass Globalisierung die Ungleichheit verschärft, sich jedoch vor allem mit dem wirtschaftlichen Bereich beschäftigen. Denn die Entscheidung für oder gegen eine Öffnung für den Freihandel kann, besonders für Entwicklungsländer, von nicht unerheblicher Bedeutung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes oder einer Region sein. Die Schwächung der eigenen, lokalen Subsistenzwirtschaft kann zu hohen Abhängigkeiten von ausländischen Märkten führen, im Ausgleich für die Beteiligung an einem größeren Absatzmarkt. Dies bedeutet: Die Kontroverse über die Globalisierung kreist in erster Linie um deren Folgen für den Nationalstaat. Dieser besitzt zwar Macht Prozesse zu lenken, jedoch unterliegt er derzeit einem gewaltigen Wandel. Dies führte dazu, dass es zu einer globalen kosmopolitischen Gesellschaft gekommen ist, die jedoch nicht beständig und stabil ist. (vgl. Giddens, 2001: 28ff) Sie ist laut Giddens von „angstbeladenen und von tiefreichenden Gegensätzen gezeichnet.“ (Giddens, 2001: 31) -9- Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Es kommt somit zu einem Gefühl der Machtlosigkeit, in ganzen Gesellschaften. Die Kräfte, welche wirken, sind nicht mehr eindeutig zuordenbar. Die Machtlosigkeit ist aber nicht als Zeichen persönlichen Unvermögens zu verstehen, sondern zeigt Mängel der existierenden Institutionen, die neu geordnet werden sollten, um die Lebensverhältnisse für die Welt als Ganzes zu verbessern. (vgl. Giddens, 2001: 31) Kehrt man zu Hannah Arendts Definition von Macht und Gewalt zurück, stellt sich die Frage, ob legitime wirtschaftliche und politische Macht zu Missverhältnissen führen oder ob es sich doch um eine Form der Gewalt handelt. Durch die Einwirkung des Weltmarkts und die offene Weltwirtschaft sind viele Länder in Schuldenfallen und die Abhängigkeit der Weltbank geraten, welche durch ihre Kreditprogramme und Rückzahlungsprogramme Einfluss auf die politischen Prozesse auf lokaler Ebene ausübte. Auf diese Weise verloren die Schuldnerstaaten ihre Unabhängigkeit und sind nunmehr der (nach Arendts Definition) Gewalt der Weltbank und der Gebernationen ausgesetzt. Die Weltbank nutzt diese finanzielle Abhängigkeit aus, um neoliberale Entwicklungen weiter zu forcieren. (vgl. Petras & Veltmeyer, 2005: 229f) Es findet keine legitimierte Machtbildung statt, sondern Gewaltausübung auf Wunsch des Willens einer äußeren Gemeinschaft. Es wird zwar öffentlich agiert, die Grundsätze des Vertrauens (an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten) und des Konsens, die für Arendts Machtkonstrukt essentiell sind, werden nicht erfüllt. Aber genau das Verhindern und Bekämpfen externer Verwundbarkeit von (potentiellen) Krisenländern sollte im Mittelpunkt von Entwicklungsprogrammen stehen, da die Länder sich oft Stabilisierungs- und Destabilisierungsphasen ausgesetzt sehen, die in Zusammenhang mit transnationalen Effekten, aus Wirtschaft und Politik, stehen. Eine Lösung dieser Gewaltfrage würden also Instrumente darstellen, welche verhindern, dass fragile Staaten durch die Schocks, welche die internationalen Rohstoff und Finanzmärkte regelmäßig treffen, zusätzlich belastet werden. (vgl. Debiel & Werthes, 2006: 100) Teil dieser Politik muss aber auch das Durchsetzen der Kriterien sein, die von der „Gebergemeinschaft“ als Grundlagen für „good governance“ gesehen werden. Dies hat die Funktion, das Erstarken einer legitimen zivilgesellschaftlichen Macht zu fördern und zuzulassen. Es würde ein Gegengewicht zu dem Gefühl der Machtlosigkeit seitens der Zivilbevölkerung aufkommen können, durch zivilgesellschaftliche Partizipation. Dennoch muss man sich bei dieser Politik immer über den schmalen Grat zwischen helfender Intervention und Gewaltanwendung bewusst sein. Zusätzlich kam die Gebergesellschaft erst mit den 1990er Jahren zur Einsicht „good governance“ zu forcieren, als bereits viele Staaten in fragilen oder an Institutionen schwachen Systemen etabliert waren, die oftmals bis heute nicht fähig oder willig sind, ihren Pflichten nachzukommen. (Hamm, 2006: 226) - 10 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Die grundlegende Fragestellung dieses Texts ist die Rolle von Macht und Gewalt bei Staatsversagen. Das, nach Arendt Definition oftmals gewalttätige, Agieren und Diktieren der sogenannten Gebernationen zeigt, das Gewaltprozesse und fehlende legitime Machtstrukturen Gründe für das Entstehen und Fortbestehen von „fragilen Staaten“ von entscheidender Bedeutung sind. Würde die Staatengemeinschaft nach legitimen Machtprozessen handeln, könnte also fragilen Staaten vorgebeugt werden. 4.2 – Machtlose Politik und ihr Veränderungspotential Unabdingbar ist das Zugeständnis, dass die Globalisierung ein unabwendbarer Prozess ist, der weder pauschal verteufelt werden sollte, noch unkritisch romantisiert werden darf. Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass die Politik immer weiter in einer Ohnmacht gefangen ist und wenig gegen die geschehenden globalen Prozesse erreichen kann, sondern man muss erkennen, dass die Welt nach den etablierten Methoden der nationalstaatlichen Politik nicht mehr regierbar ist. Es geht darum, dass die Globalisierung nicht zu einer Kapitulation der Staaten vor der Gewalt der Wirtschaft führen darf, sondern der Staat seine Verantwortung wieder wahrnehmen muss. (vgl. Nuscheler, 2006: 73ff) Wie bereits angeführt, kam es zu einer Verbreitung der demokratischen Systeme in den letzten Jahrzehnten, aber oftmals zu keiner breiteren Demokratie in den etablierten demokratischen Staaten. Auch fehlen in jungen Demokratien oftmals die benötigten judikativen, legislativen und zivilgesellschaftlichen Institutionen, die für legitime Machtpositionen und für das Funktionieren des „good governance“-Modells aus Kapitel 3.2 notwendig wären. Im Umkehrschluss bedeutet dies, es entsteht politische Gewalt in diesen Systemen, da keine Einigung Vieler auf eine Sache stattfindet, wie es von Arendt als Grundlage für den Machtbegriff gesehen wird. Die Mängel in existierenden Strukturen führen also zu einer Ausweitung von politischer Gewalt, während legitimierte politische Macht abnimmt. Jedoch finden wir verstärkt Gruppen von Personen, die sich zusammenschließen, in der Zivilgesellschaft Machtblöcke bilden und mit Einzelthemen als soziale Bewegungen auftreten. Diese zivilgesellschaftlichen Betrachter und Kritiker der Globalisierung müssen dafür sorgen, ein Gegengewicht zu den derzeitigen Machthabern des Globalisierungsprozesses aufzubauen und ihre, nach Arendt, legitime Macht zu nutzen, um Politik und Wirtschaft unter Handlungs- und Legitimationsdruck zu setzen. (vgl. Nuscheler, 2006: 74) Diese Organisationen und Strukturen sind vor allem in Lateinamerika, traditionell eine Region von Schwellen- und Entwicklungsländern, nach einem Jahrzehnt von neoliberalen Reformbemühungen entstanden. Denn eine zunehmende „Verwestlichung“ führte zu keiner Verbesserung der Situation, sondern zu anhaltenden Wirtschaftskrisen, welche durch die negativen Auswirkungen der Globalisierung ausgelöst oder zumindest begünstig wurden. Es ist also kein Zufall, dass sich in dieser Region in den letzten Jahren eine Unzahl von sozialen Bewegungen geformt haben. - 11 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Schließlich ist eine soziale Veränderung notwendig, um strukturelle Klassen- und Rassenproblemen und die prekären Wirtschaft- und Eigentumsverhältnissen zu verändern. (vgl. Petras & Veltmeyer, 2005: 223f) Dennoch steht den sozialen Bewegungen, die ihre Macht durch ihre Mitglieder und deren Aktionen gewinnen, die Staatsgewalt entgegen, wenn man Arendts Definitionen folgt. Durch seine Möglichkeiten kann der Staat, je nach Situation, die Bemühungen der sozialen Bewegungen, Veränderung einzuleiten, einschränken. (vgl. Petras & Veltmeyer, 2005: 224) Dies kann sowohl Macht darstellen, wenn er damit dem Willen von vielen Bürgern folgt, als auch Gewalt, wenn der Versuch unternommen wird, die Meinung der Masse zu unterdrücken und ihr nicht zu gehorchen. Dies würde bedeuten, dass wenn die Grundsätze für „good governance“ eingehalten werden, eine legitime, korruptionsfreie Machtbasis entsteht und durch die Beteiligung einer starken Zivilgesellschaft aufrecht erhalten wird. Dies wiederum würde die Kernpunkte in sich vereinen, welche dem Entstehen von „failed States“ vorbeugen. Auch hier ist zu erkennen, dass innerhalb eines Staats durch legitime Machtprozesse das Entstehen und Fortbestehen von fragilen Staaten unterbunden werden kann. 4.3 – Staatenlose Kriege und Interventionsmacht Während sowohl Giddens als auch Beck eine kosmopolitische Gesellschaft postulieren, stellt Beck die Frage, ob durch ansteigende Ungleichverteilung nicht weitere Konflikte entstehen und welche Auswirkungen dies auf die globale „Sicherheitspolitik“ hat. Kriege, die der klassischen Kriegsdefinition folgen und zwischen Staaten ausgefochten werden, sind, Becks Argumentation folgend, faktisch von einem Aussterben betroffen. Diese Aussage deckt sich auch mit den zuvor genannten Daten des Stockholm Peace Research Institute. Krisenherde mit bewaffneten Konflikten sind regional stark eingeschränkt und befinden sich vor allem in den ärmeren Regionen der Welt. Gezielte Interventionen in Staaten wie dem Irak sind sowohl Ergebnis einer Mischung aus wirtschaftlichem und geopolitischem Machtinteresse, aber auch der Idee, Menschenrechtspolitik und die freie Marktwirtschaft in der ganzen Welt zu verbreiten. Somit sind sie nicht als klassische Kriege zwischen Nationalstaaten zu verstehen. Zusätzlich zu diesen „Weltpolizeikriegen“ existieren noch Konflikte in Regionen, in denen Staaten im europäischen Sinn nie entstanden oder wieder zerfallen sind. (Beck, 2004: 208) Auf die Frage, wie Interventionen in solchen Situationen zukünftig vermutlich gestaltet werden, sieht Ulrich Beck zwei mögliche Entwicklungen. Das erste Szenario ist eine „Pax Americana“, unter der Vorherrschaft der USA, das zweite ein „globaler Kosmopolis“. Während das - 12 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt zweite Modell regionale, kooperative Prandner Staatenbündnisse (beispielsweise: Europa, Asien, Lateinamerika,...) vorsieht und versucht, Gleichheit zwischen den Staaten zu gewähren, sieht ersteres eine Beibehaltung einer Hierarchie im globalen Kräfteverhältnis vor. Während dem, auch durch wirtschaftliche Interessen, determinierten Realismus des „Pax Americana“ zur Friedensbewahrung der Idealismus einer gleichwertigen Weltgesellschaft gegenübersteht, stellt sich die Frage, ob diese Modelle überhaupt realistische Szenarien sind, um zu einer wohlgeordneten und sicheren Gesellschaft zu finden. Folgt man wieder Arendts Definition von Macht und Gewalt, würde sich in dieser Diskussion eine Aufspaltung in zwei Szenarien ergeben: Eines welches auf Macht basiert und das auf Gewalt bauende Gegenstück. (vgl. Beck, 2004: 200ff) Jedoch enden beide Szenarien damit, dass es fast zwangsläufig zu einer selektiven Beschneidung staatlicher Souveränitäten kommt. Dies würde damit enden, dass die ärmeren Staaten dieser Welt den Reichen eine Legitimation für Interventionen ausstellen. Dabei kommt wieder die Frage auf, wo die Grenzen zwischen Hilfe und Einmischung, zwischen Verantwortung und Entmachtung, zu finden sind. (Beck, 2004: 217) Eine Analogie zu diesem Kräfteverhältnis war bereits zuvor zu erkennen, als die Rolle der Weltbank angesprochen wurde. Auch hier wird ein Impuls von wenigen starken oder reichen Nationen ausgeübt und es besteht die Gefahr, in den (von Arendt definierten) Bereich der Gewalt abzurutschen. „Die wirtschaftliche Globalisierung schwächt schwache Staaten, leistet deren Zerfall und damit Bürgerkriegen, der Gewaltprivatisierung, der organisierten Kriminalität Vorschub, begünstigt Terrorismus. Dem steht eine begrenzte Bereitschaft zu militärischen Interventionen gegenüber.“ (Beck, 2004: 221) Dies bedeutet, durch verstärkte strukturelle und geopolitische Gewaltanwendung wird vermehrt der Einsatz von militärischer Gewalt notwendig. Durch den Verzicht auf Gewalt, im Sinn von Arendt, könnten somit die Folgekosten für Macht/Gewaltinhaber verhindert werden und der postulierte Globalisierungszirkel würde gebrochen. Für das Problem, wie nun die diese „Schwächung der Schwachen“, gelöst werden sollte, kann man keine vorgezeichnete Antwort gegeben. Folgt man Becks Argumentation, ist es egal ob, diese Probleme durch klassische Entwicklungspolitik gelöst werden oder durch weiter reichende soziale Veränderungen, die zu einer homogeneren Weltordnung führen würden. Dieser ganze Themenkomplex zeigt die Relevanz des „governance“-Konzepts und seiner Überwachung, um Staatsversagen zu verhindern. Staaten, die nicht über ein funktionierendes, konsolidiertes und hinreichend ausgeprägtes Regierungssystem verfügen und für zivilgesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten sorgen, sind in Gefahr, zu Problemstaaten und Krisenregion zu werden. Genauso können gute, souveräne Regierungen die Übermacht einzelner Akteure verhindern und einschränken. Dies bedeutet, das Konzept des „good governance“ könnte, bei richtiger Anwendung, - 13 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner beide Prozesse begünstigen: Eine Schwächung der Gewaltprozesse der Globalisierung, sowie das Verhindern von zukünftigen „failed States“ und somit gewaltbeherrschten Krisengebieten. Die offene Frage hierbei ist jedoch die Konzeption der „good governance“-Indikatoren durch die Weltbank und der „Gebergemeinschaft“, welche als Instrument für eine Gewaltanwendung von außen missbraucht werden könnten. Es folgt der Schluss, dass westliche Macht vor allem in sogenannten Entwicklungsländern zu Gewalt wird, sobald die politische Prozesse durch Nutzung des Anhängigkeitsverhältnisses, ohne Betrachtung der „Meinung auf die sich viele geeinigt haben“ (Arendt, 2000: 96), gesteuert werden. Die Frage, wie mit innerstaatlicher Gewalt in Entwicklungsländern verfahren werden sollte, ist nur schwer zu beantworten. Es sollte zur Intervention kommen, um Prozesse, die der gesamt gesellschaftlichen Entwicklung schaden oder die Grundrechte von Personen oder Gruppen verletzen, richtig zu stellen. Die Problematik liegt hier jedoch darin, dass keine Intervention selbstlos geschieht und Gegenleistungen (Ressourcenzugang, Wirtschaftsabkommen) erwartet werden. In der Vergangenheit kam es so immer wieder zu späterer Gewalt von Seiten der ursprünglich „helfenden“ Fraktion. (vgl. Giddens, 2001: 31ff) Dadurch kommt es zu einem globalen Gefühl der Machtlosigkeit, welches von Giddens diskutiert wird und das nach Arendt als Reaktion der Gesellschaft auf Gewalt definiert werden kann. Diese Gewalt wird durch mangelnde Institutionen ausgeübt werden und daher müsste die Struktur der Institutionen verändert werden, um wieder legitimierte Machtprozesse gewährleisten zu können. So positiv das Konzept des „good governance“ zur Überwindung von innerer Gewalt und zum Bekämpfen von „failed States“ zu bewerten ist, muss man sich immer über das Entstehen der Kriterien und Ansätze bewusst sein und Prozesse innerhalb dieses Systems verhindern, die als Gewaltanwendung gegenüber „schwächeren Staaten“ gedeutet werden könnten – Denn das Ziel von Entwicklungspolitik sollte vor allem das Schaffen von selbstbestimmten und konsolidierten Nationen sein. Durch den Einsatz von Gewalt kommt es zu Entwicklungen, die zu einer Verschlechterung der zwölf Indikatoren zur Identifizierung von „failed States“ genutzt werden. Durch Gewaltakte, im Sinne von Arendts Definitionen, werden stabilisierende Entwicklungen unterbunden und verhindert. Die eingangs gestellte Frage ob interne oder externe Gewalt, nach Arendt, zu Staatsversagen führt muss nach diesen Ausführungen eindeutig bejaht werden. - 14 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner 5 – Fazit Zusammenfassend muss festgestellt werden dass Gewaltprozesse nach Arendt, sowohl intern als auch extern wirken. Dabei ist das Konzept des „good governance“ eine valide Möglichkeit die innere Gewalt zu analysieren und zu brechen. Geht man jedoch davon aus, dass auch die äußeren Gewaltzyklen durchbrochen werden müssen, um überhaupt die die Grundbedingung für das Verhindern von „failing States“ zu schaffen ist die Frage offen wie man im internationalen Kontext Macht schaffen kann. Hierfür müssen zukünftig vor allem die Komponenten des Versprechens und der Öffentlichkeit in Arendts Machtkonzept in der Realisierung des „good governance“ eine zentrale Rolle übernehmen. Denn erst wenn ein großes und gerechtfertigtes Vertrauen in das Erreichen gemeinsamer, gesamtgesellschaftlicher Ziele vorhanden ist, kann man von einer legitimen Machtbeziehung sprechen und davon ausgehen, dass Gewalt überwunden wurde. Und dieser Schritt muss sowohl in der internationalen als auch nationalen Politik geschehen. Einer der möglichen Lösungsansätze würde sich im Feld der Bildung erkennbar zeigen. Die Sicherung von formaler Bildung dient sowohl der Festigung interner legitimer Machtstrukturen und würde gleichzeitig den Repräsentationsanspruch schwacher Nationen in der Weltgemeinschaft stärken. Dies würde zukünftige Konflikte und Interventionen aus Sicht der Gebernationen vergünstigen, als auch Subsistenz und Eigenverantwortung ermöglichen. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass derzeit sowohl die Institutionen als auch Kräfte dafür fehlen dies umzusetzen. Die U.N. und ihre Suborganisationen stellen die einzige Vereinigung mit einem globalen Vertretungsanspruch dar, weißen jedoch selbst noch erhebliche Demokratiedefizite in ihrer Konstruktion auf und agieren oftmals auf Basis wirtschaftlicher Interessen von Veto-Inhabern. Das Ziel „Education for All“ mit dem Kalenderjahr 2015 erscheint aus heutiger Perspektive nur schwer erreichbar. Denn neben den strukturellen Schwächen, die im Verlauf dieses Texts diskutiert wurden sinken die Ausgaben für eine Primärausbildung in den ärmsten Regionen der Welt ab und die Hilfsmittel, die von den Geberstaaten bereitgestellt werden, stagnieren oder nehmen leicht ab. (vgl. Unicef, 2008: 6ff) Denn auch wenn man nicht davon ausgehen kann, dass sich manifeste Kämpfe um Macht und Ressourcen, manchmal gar das Überleben ganzer Bevölkerungsgruppen, durch eine verbesserte Kommunikation oder Ausbildung beenden oder unterbinden lassen, stellen sie die Grundlage für legitimen Druck auf Staatsorgane dar und sind somit notwendig. (Fahrenhorst, 2007: 85ff) Bildung und vor allem Primärbildung ist ein zentraler Aspekt der Demokratie auf breiter Basis ermöglicht. - 15 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner Und dafür sind nicht Bildungseliten notwendig, sondern eine hochwertige und durchdringende Bildung für die Bevölkerung. Dadurch wird eine relevante Grundlage für Partizipation und Argumentation im politischen Bereich geschaffen, genauso wie Stabilisierung von fragilen Staaten durch die Ermöglichung eines Machtbildungsprozesses. - 16 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt Prandner 6 – Literatur- und Abbildungsverzeichnis Literatur: Alphabethische Listung nach Autoren Allen Amy; The power of feminist theory: domination, resistance, solidarity Westview Press; Boulder 2000 Arendt, Hannah Macht und Gewalt Piper; München 2003 Arendt, Hannah Über die Revolution Piper; München 2000 Beck, Ulrich Der kosmopolitische Blick oder: Krieg ist Frieden Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004 Berg-Schlosser, Dirk (Herausgeber) Democratization: The State of the Art Vs Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004 Bevc ,Tobias Politische Theorie BPB, Bonn 2007 Burkert-Dottolo, Günther R.; Moser, Bernhard Zukunft Bildung Politische Akademie, Wien 1998 Capuno, Joseph good governance Index: Advocating good governance for Local Development United Nations – Public Administration Network http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/APCITY/UNPAN013120.pdf 2001, letzter Aufruf: 12.07.2009 Debiel, Tobias; Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (Herausgeber) Global Trends 2007 – Frieden, Entwicklung, Umwelt Fischer Taschenbuchverlag, Bonn 2006 Debiel, Tobias; Werthes, Sascha Fragile Staaten und globale Friedenssicherung In: Debiel, Tobias; Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (Herausgeber) Global Trends 2007 – Frieden, Entwicklung, Umwelt Fischer Taschenbuchverlag, Bonn 2006 Hamm, Brigitte good governance und Menschenrechte – Bad governance und Korruption. In: Debiel, Tobias; Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (Herausgeber) Global Trends 2007 – Frieden, Entwicklung, Umwelt Fischer Taschenbuchverlag, Bonn 2006 Hepp, Gerd Erweiterte Selbstständigkeit und Partizipation in der Schule – eine Antwort auf Veränderungen der Lebenswelt - 17 - Fragile Staatlichkeit und Demokratiedefizite Zwischen Macht und Gewalt In: Prandner Burkert-Dottolo, Günther R.; Moser, Bernhard Zukunft Bildung Politische Akademie, Wien 1998 Linz, Juan J. Some Thoughts on the Victory and Future of Democracy In: Berg-Schlosser, Dirk (Herausgeber) Democratization: The State of the Art Vs Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004 Ludermann, Bernd; Reinhardt, Dieter good governance und Menschenrechte In: Debiel, Tobias; Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (Herausgeber) Global Trends 2007 – Frieden, Entwicklung, Umwelt BPB, Bonn 2006 Nohlen, Dieter; Nuscheler, Franz (Herausgeber) Handbuch der Dritten Welt; Band 1 - Grundprobleme, Theorien, Strategien Dietz, Berlin 1992 Nuscheler, Franz Entwicklungspolitik BPB, Bonn 2006 Petras, James; Veltmeyer, Henry Social Movements and State Power: Argentinia, Brazil, Bolivia, Ecuador Pluto Press, London 2005 Prischning, Manfred Bildungsideologien Vs Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008 Schülein, Johann August; Brunner, Karl-Michael Soziologische Theorien – Eine Einführung für Amateure Springer-Verlag, Wien 2001 Stepanova,Ekatarina Trends in Armed Conflicts; In: Stockholm International Peace Research Institute (Herausgeber) Sipri Yearbook 2008 Summary Elanders, Stockholm 2008 Stockholm International Peace Research Institute (Herausgeber) Sipri Yearbook 2008 Summary Elanders, Stockholm 2008 Internetquellen: Foreign Policy http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=3865&page=8 The Failed State Index 2007 Letzter Aufruf: 21.09.2009 Fund for Peace http://www.fundforpeace.org/web/ Failed State Index 2009 Letzter Aufruf: 21.09.2009 Abbildungen: Abbildung 1 - Modell des „good governance“ auf lokaler Ebene nach Capuno, entnommen aus good governance Index: Advocating good governance for Local Development, Seite 6 - 18 -