KTI Medtech Event 2007 Berner Implantat hilft, wo Hörgeräte versagen An die 500 Millionen Hörgeschädigte gibt es vermutlich weltweit, allein in Europa rechnet man mit 70 Millionen. Obwohl viele Hörschäden heute wirksam und relativ kostengünstig zu behandeln sind, benützt nur jeder vierte Betroffene eine Hörhilfe. Der Fachmann unterscheidet, ob die Schwerhörigkeit eine Folge mangelnder Schallleitung oder Schallempfindung ist. Bei letzterer liegt meist eine Schädigung des Innenohrs – der Cochlea – vor, was sich oft durch ein konventionelles Hörgerät korrigieren lässt. Dieses leitet ein elektrisch verstärktes Signal mit einem kleinen Lautsprecher über ein Ohrpassstück in den äusseren Gehörgang. Auch implantierbare Hörhilfen können in Frage kommen. Sie wandeln ein elektrisches Signal in mechanische Vibrationen um, die an funktionelle Strukturen im Ohr gekoppelt werden. Implantate haben den Vorteil, dass sie weitgehend unsichtbar sind und einen offenen Gehörgang ermöglichen. Leidet der Patient unter einer Störung der Schallleitung, bedeutet dies, dass der Schall nicht effizient genug durch das äussere und mittlere Ohr übertragen wird. In diesem Fall kann ein minimal-invasiver chirurgischer Eingriff das Hörvermögen verbessern. Liegt jedoch eine Kombination von erheblich gestörter Schallleitung und Schallempfindung vor, konnte bisher kein einzelnes System das Hörvermögen auf nützliche Weise wieder herstellen. rekten akustischen Anregung des Mittelohrs. DACS besteht aus einem Implantat und einem extern getragenen Audio-Prozessor, der sich aus Mikrofon, Verstärker und Batterie zusammensetzt. Er empfängt den Schall über das Mikrofon und berechnet das elektrische Signal, das über einen Hautstecker an das Implantat übertragen wird. Eine wissenschaftliche Studie sorgte dafür, dass die einzelnen Komponenten optimale Geometrien aufweisen. Direkte akustische Anregung des Mittelohrs Mit dieser unbefriedigenden Situation war Professor Rudolf Häusler konfrontiert, Direktor der HNO-Klinik am Inselspital Bern. Gemeinsam mit der Helbling Technik Bern AG und der Cochlear AG in Basel als Industriepartner lancierte der Ohrenspezialist ein Projekt zur Entwicklung eines neuartigen Hörimplantats. Unterstützung bot die KTI, welche die Forschersaläre mitfinanzierte. In mehrjähriger Kooperation mit Mikroingenieuren, Ohrenchirurgen und Audiologen entstand DACS (Direct Acoustical Cochlear Stimulation) zur di- Schema des entwickelten Innenohrimplantats DACS Grafik: Inselspital Bern Die Implantierung von DACS geschieht operativ. Zuerst positioniert der Chirurg ein miniaturisiertes, elektro-mechanisches Antriebssystem, das in einem hermetisch dichten Titangehäuse integriert ist. Dieses versetzt ein feines Koppelstängelchen in Vibration. Für die direkte mechanische Stimulation des Innenohrs wird eine Mittelohrprothese, ein so genanntes Stapedektomie-Piston, am Koppelstängelchen fixiert und in die Innenohrflüssigkeit getaucht. Chirurgische Kombination ermöglicht Hören Nachdem der Eingriff an anatomischen Kopfpräparaten gründlich geübt worden war, nahm Professor Häusler die klinische Studie in Angriff. Die Ethikkommission gab grünes Licht für erste Operationen an freiwilligen Versuchspersonen. «Die drei ausgesuchten Patienten am Inselspital litten alle unter schwerstgradigem, kombiniertem Hörverlust infolge Otosklerose - eine Verknöcherung im Innenohr, die das Weiterleiten von Schallwellen ans Innenohr verunmöglicht - und machten schon negative Erfahrungen mit Hörhilfen», erklärt Dr. Christof Stieger, Elektroingenieur ETHZ und betreuender Audiologe im Projekt. «Alle erzielten mit DACS einen erstaunlich grossen, subjektiv und objektiv messbaren Hörgewinn.» Inzwischen präsentierte Rudolf Häuslers Forscherteam das DACS-System an internationalen Kongressen und stiess in Fachkreisen auf reges Interesse. «Der Eingriff ist eine Kombination von herkömmlicher Mittelohrchirurgie und CochlearImplantat-Chirurgie», so der Chefarzt. «Entsprechend kann sie jeder erfahrene Ohrenchirurg nach einem anfänglichen Training anwenden.» In einem KTI-Anschlussprojekt hat das Team nun den Hautstecker zum Verschwinden gebracht. DACS soll sich zu einem vollständig implantierbaren System entwickeln, wozu sogar Mikrofon und Energiequelle unter die Haut implantiert werden. Für Menschen mit erheblicher kombinierter Schwerhörigkeit kann DACS die Lebensqualität nachhaltig verbessern und ihnen helfen, sich wieder in das soziale und kulturelle Leben zu integrieren, sei es in der Familie, in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz. Die Projektcrew am Inselspital Bern: vorne rechts Klinikdirektor Professor Rudolf Häusler, vorne links PD Dr. Martin Kompis; hinten rechts Audiologe Dr. Christof Stieger, hinten links H. Bernhard Foto: Claudine Howald KTI 5665.1 MedTech DACS: eine neue Generation von implantierbaren Hörsystemen Inselspital Professor Rudolf Häusler Direktor Universitätsklinik und Poliklinik HNO Inselspital 3010 Bern Telefon: +4131 632 2921 / 3341 E-Mail: [email protected] Christof Stieger, Dr. ès. Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Audiologie Inselspital 3010 Bern Telefon: +4131 632 8789 E-Mail: [email protected] Cochlear AG Margarethenstrasse 47 4053 Basel Telefon: +4161 205 0404 Förderagentur für Innovation KTI/CTI Linda Sieber Bundesamt für Berufsbildung und Technologie Effingerstrasse 27 CH-3003 Bern Telefon: +4131 324 1079 E-Mail: [email protected] URL: www.kti-cti.ch © KTI/CTI September 2007 Text: Elsbeth Heinzelmann