Passion 1. Protokoll

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Protokoll der Sitzung vom 10. April 2006
Text: J.-F. Senault: De l’usage des passions (1641)
Corpus des oeuvres de philosophie en langue française, Fayard (S. 47-59, 95-115)
(Franziska Liebetanz, Laura Murzik)
A) Einführung in den Text
1. Übersetzung des Titels
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Gebrauch, Nutzen, Umgang mit Gefühlen/ Leidenschaften (=LS)
Titel "l’usage" (Gebrauch) , was immer auch auf ein Ziel hingerichtet ist und « On s’en put
servir » - sich ihrer/dessen (der Leidenschaften) bedienen, sie gebrauchen klingt nach:
instrumentellem Umgang, Leidenschaften als Werkzeuge
Weitere Begriffe Senaults, die auf einem instrumentellem Umgang mit den LS schliessen
lassen: man führt LS (conduire), "moderer" (mäßigen, abschwächen), "regler"
(regulieren), "ménager" (zähmen), "commander" (befehlen)
LS scheinen etwas relativ Selbstständiges zu sein (vgl. auch Personifizierung), auf das man
(dennoch oder deshalb?) Einfluss nehmen kann. Die Rede vom "Gebrauch" der Gefühle sei nach
Meinungen einiger Seminarteilnehmer heute unüblich, da LS/Gefühle eher als irrational gelten,
etwas, dass man nicht ohne Weiteres steuern kann.
2. Begriff « passions »
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vgl. Passionsgeschichte, Erleiden
Passion vs. Gleichmut ; passion vs. action (Erleiden vs Handeln)
Passion: es passiert etwas mit uns
Seele, Geist und Wille leiden, die Vernunft wird beeinträchtigt
B) Die Leidenschaften nach Senault
1. Wo siedeln die Leidenschaften laut Senault?
Zustände der Seele
a) Pflanzliche Seele: Körperliche Vorgänge, Physiologie
b) Tierische/sensible Seele: Leidenschaften, Wahrnehmung, Vorstellungen
c) Göttliche/inteligible Seele: Geist (l’esprit), Vernunft, Wille
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die Annahme über die Zustände/Teile der Seele beruht auf Aristoteles
oberstes Ziel ist die Kontrolle mittels der Vernunft (vgl. auch höfische Kultur,
Klugheitslehren)
2. Anzahl und Art der LS
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Mischung von Gefühlen im engeren Sinne und ethischen Haltungen: Trauer, Freude,
Verzweiflung, Liebe, Kühnheit, Feigheit usw.
Senault erkennt nur eine Leidensschaft an, die Liebe, bezieht sich damit auf Augustinus,
alles andere sind Varianten der Liebe
3. Ursache der LS
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Historischer Grund (vgl. S. 1o5): in religiösen Kontext eingebettet; Zustand der Unschuld,
dem Paradies, wo LS und Vernunft noch in Harmonie standen
Unmittelbarer Grund (vgl. S. 52): Ursprung sind die Sinne (« sens ») und die
Einbildungskraft (« l’imagination »)
4. Verlauf der LS
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bis zu einem gewissen Grad kann man in den Verlauf der LS eingreifen und sie
unterdrücken bzw. bekämpfen etc.
ist dieser bestimmte Punkt überschritten, müssen die LS zugelassen werden, da sie nicht
mehr aufhaltbar sind; nun kann nur die Zeit sie abschwächen, man muss sie im
Nachhinein analysieren
allerdings darf man nicht die Zeit alles regeln lassen und die Möglichkeit der
nachträglichen Analyse als Entschuldigung nehmen, damit man die LS doch zulässt
C) Metaphern für LS bei Senault (vgl. dazu S. 1o4)
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Pferd
aufgewühltes Meer
ungezähmte Tiere
meuternde Untertanen ( « sujets mutinez »)
Staatsmetapher: Der Wille steht dabei für den blinden König, welcher ausgerichtet ist auf
das Gute, weshalb er der Vernunft bedarf. Sie führt den Willen, ist Premier- Minister. Fällt
sie aus, wird der blinde König von den Sinnen geführt
Was passiert, wenn LS den Willen führen?
Man ist Sklave seiner LS – diese Sklaverei wird bei Senault verglichen mit einem realen Sklaven/
Gefangenen (vgl. S. 99/1o1), der Sklave seiner Leidenschaften ist, laut Senault, schlimmer dran,
ihm nützt keine Flucht etc.
D) Umgang mit den Leidenschaften
1. Will Senault die LS auslöschen?
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nein, es geht ihm mehr um eine Beherrschung der LS
vgl. Auseinandersetzung mit dem Stoizismus, dessen Vertreter die LS auslöschen wollen
LS wird bei Senault immer als identifizierbares Gegenüber dargestellt, mit dem man sich
auseinandersetzen, dass man bekämpfen, dass man besiegen, zähmen oder unterdrücken kann,
wenn sich etwas der Kontrolle entzieht, dann nicht, weil es "unbewusst" ist, sondern nur schwer
berechenbar.
2. Welchen Umgang schlägt Senault vor?
Zitat 1 « ... qu’on peut se battre, et non pas les deffaire ; car ils sont si étroitement unis avec
nous, qu’ils n’en peuvent estre separez, leur vie est attachée à la nostre, et par un étrange
destin, ils ne sçauroient [können nicht] mourir que nous ne mourions avec eux ... combats» (S.
96)
Zitat 2 « Tout l’aventage qu’on peut esperer sur des sujets si farouches, c’est de leur laisser que
le pouvoir qui leur est necessaire pour le service da la Raison, il faut les traiter comme les forçat
qui traisent tousjours leur chaisnes, [...] » (S. 97)
Die den LS gegenüber notwenige Einstellung sich selbst gegenüber:
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man muss immer auf der Hut sein, ständige Wachsamkeit
nur so viel einschränken, dass die LS noch der Vernunft dienen können
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LS sind in gewisser Weise auch eine Triebkraft, die kanalisiert werden muss
Konkrete Haltung = geistige und praktische Arbeit an sich selbst (gegenüber den LS) geben (vgl.
S. 1o5/1o6):
1. Geistige Arbeit = Diagnose
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die Auslöser der LS erkennen
die Natur der LS studieren und die jeweilige LS identifizieren
2. Praktische Arbeit
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vgl. S. 114: man muss die Auslöser der LS vermeiden, nicht den Sinnen trauen
man kann eine LS durch eine andere LS kurieren (Bsp. Furcht gegen Hoffnung)
den Umgang mit der LS kann der Einzelne nicht alleine bewältigen – er benötigt dazu das
Bewusstsein von Gottes Gnade und Gottes Hilfe; die Bewältigung der LS schafft er also
nur, indem er sich einem höheren Prinzip unterwirft.
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