Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Themen: 1. Einführung 2. Gegenstand der Soziologie 3. Gegenstand der Sportsoziologie 4. Sport und Gesellschaft 5. Sozialisation und Sport 6. Soziale Gruppe und Sport 1, Einführung Sportsoziologie ist eine Teildisziplin der Sportwissenschaft. Sie ist 30-40 Jahre alt und entstand Anfang der 70er Jahre. Paradigma der Sportwissenschaften(20 Jhdt.) Soziologie Medizin Sportwissenschaften Psychologie Wirtschaft Pädagogik Paradigma der Sportwissenschaft (21 Jhdt.) Soziologie Medizin Sportwissenschaft Psychologie Wirtschaft Pädagogik - Seite 1 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS 2, Der Gegenstand der Soziologie Gesellschaft ist eine Beziehung für die Gesamtheit des Sozialen und kennzeichnet und kennzeichnet die besondere Art der Verbundenheit bzw. soziale Beziehungen, Prozesse, Handlungen oder Kommunikationen. Soziologie ist die wissenschaftliche Untersuchung der Gesellschaft und sozialer Interaktionen. Begründer und Namengeber der Soziologie (socio= Gemeinschaft, Gesellschaft; logie= Lehre, Wissenschaft, Theorie) war Auguste Comte (1798- 1857). Dreistadiengesetz (Comte) Das theologische oder fiktive Stadium o Verhalten der Menschen wurde durch die Religion beeinflusst Das metaphysische oder abstrakte Stadium o Philosophie (Sinn des Lebens wurde erforscht) Das positive Stadium o (Wissenschaftsstudium) „handeln“ des Menschen wird erforscht Diese drei Stadien sind miteinander verknüpft. Berühmte Soziologen: Max Weber(1864-1920): berühmtester Deutscher Soziologe Unterscheidet idealtypisch- mit abnehmenden Grad der Rationalität zwischen Zweckrationalem Wertrationalem Traditionellem AffektuellemHandeln „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“ soll dabei ein menschliches Verhalten(einerlei ob inneres oder äußeres Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. „Soziales“ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ Karl Marx(1818-1883): Marxismus wurde zu einer Weltreligion (Arbeit und Gesellschaft) Herbert Spencer(1820-1903): schrieb erste Einführungsbücher in die Soziologie Emile Durckheim(1858-1917): - Seite 2 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Buch: „Der Selbstmord“ -> Selbstmord hat mit dem Sozialen Umfeld zu tun. Georg H. Mead(1863-1931): (USA – Chicago) Theorie des symbolischen Interaktionismus (Übersetzt von Blumer 1973): Menschen handeln Dingen gegenüber auf Grund der Bedeutung, die diese Dinge für sie haben. Diese Bedeutung entsteht in einem Interaktionsprozess Sie ist historisch wandelbar Norbert Elias(1887-1990): Prozess der Zivilisation bekannt geworden, Mitbegründer der Sportsoziologie, England, University of Leicester Paul F. Lazarsfeld(1901-1976): (AUT) Impirische Soziologie Talcott Parsons(1902-1979) (USA) Entwickelte die Systemtheorie; sah Gesellschaft als Handlungssystem (Übersicht:) Subsysteme Strukturelemente Funktionen (AGIL-Schema) Kultursystem Werte Strukturerhaltung Sozialsystem Persönlichkeitssystem Organismus Soziale Rolle Motive Körperbefindlichkeit Normen Integration Zielerreichung Anpassung Robert K. Merton(1910-heute): Systemtheorie Soziologie (mit 3 Nebendisziplinen): Anthropologie Psychologie Ökonomie Spielt durch die Wesensbestimmung des Menschen für die soziologische Theoriebildung eine wichtige Rolle. „Lehre vom Menschen“ Der Gegenstand der psychologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens und Erlebnis wie sie in der Wahrnehmung, im Denken, in den Gefühlen, in Motiven, im Lernen, in der Bewegung und im Handeln wirksam werden; die Sozialpsychologen betrachten diese Grundlagen unter dem spezifischen Aspekt der Sozialen. Mit der Ökonomie hat die Soziologie traditioneller weise viele Berührungspunkte; sei es auf dem Gebiet der Wirtschaftssoziologie oder im Bezug auf das Leitthema Wirtschaft und Gesellschaft, das mehreren Klassikern auf diesem Gebiet zu Grunde liegt. - Seite 3 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Anthropologie lässt sich einteilen in Naturanthropologie Kulturanthropologie (ethnologisch, vergleicht verschiedene Kulturen) Philosophische Anthropologie (= Verbindung von Natur- und Kulturanthropologie) Der Begriff „sozial“ in der Soziologie In der Soziologie bedeutet sozial: jedes Verhalten bzw. Handeln, das auf andere Menschen bezogen ist bzw. aus dem Verhalten anderer Menschen folgt; es beinhaltet sowohl Kooperation als auch Konflikt. Der Begriff „sozial“ kommt auch in der Biologie vor, z.B.: Sozialverhalten bei Tieren und Pflanzen. Es gibt eine Tiersoziologie, Pflanzensoziologie, Sozialbiologie, etc. Die wichtigsten mit sozialem Verhalten befassten Nachbardisziplinen der Soziologie sind die Anthropologie, die Psychologie und die Ökonomie. 3, Gegenstand der Sportsoziologie ist eine Disziplin, deren Aufgabe in der empirisch begründeten Erklärung sozialer Phänomene und Prozesse im Sport besteht. Die Methode der (Sport)Soziologie können in zwei große Gruppen geteilt werden: in qualitative Verfahren & in quantitative Verfahren. Querschnittsuntersuchungen (Studie zu einem bestimmten Zeitpunkt – Auskunft über eine bestimmte Situation) Längsschnittuntersuchungen (z.b.: politische Einstellung wöchentlich über längeren Zeitraum) Unter Operationalisierung versteht man die Messbarmachung von Begriffen Theorie - Seite 4 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Unter Theorie wird im Allgemeinen ein Systemlogisch widerspruchsfreier Aussagen über soziale Tatbestände verstanden. König,(1973,S.4) hat folgende Theorien vorgeschlagen, die er nach Maßgabe des wachsenden Abstraktionsgrades der verwendeten Begriffe erstellte: 1. Beobachtung empirischer Regelmäßigkeiten (Hörsaal ist nicht immer voll) 2. Entwicklung von ad- hoc- Theorie (Studenten kommen und gehen) 3. Theorien mittlerer Reichweite (Vorlesung soll anschaulich und interessant sein) 4. Theorien höherer Komplexität () Abstraktionsgrad von Theorien und Häufigkeiten ihrer Überprüfung Abstraktion hoch Häufigkeit empirische Projekte Theorien hoher Komplexität weitgehend empirischer Sozialforschung entzogen Theorien Mittlerer Komplexität Grundlagenforschung Ad-hoc Theorien Bedarfsforschung Empirische Regelmäßigkeit niedrig Je niedriger der Abstraktionsgrad ist, desto häufiger werden die Theorien überprüft. - Seite 5 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Überblick zu den gebräuchlichsten Methoden der empirischen Sozialforschung Fragestellung der Untersuchung Verfahren Einige gebräuchliche Methoden Explorativ Qualitative Verfahren Beschreibend Quantitative Verfahren Erklärend Qualitatives Verfahren: Umstrukturiertes Interview (Tiefeninterview) Teilnehmende Beobachtung Gruppendiskussion Standartisiertes Interview Test Standardisierte Beobachtung Spezifische Designs, Experiment Gegenstandsbereiche und Methoden empirischer Sozialforschung Soziale Wirklichkeit Produkte menschlicher Tätigkeit aktuelles menschliches Verhalten (wie Bauten, Werkzeuge, Kleidung, Waffen, Texte, Ton- und Bildaufzeichnungen) Verhalten in „natürlichen“ Situationen („Feld“) offenes Verhalten (Bildung von Zeit und Raum des Verhaltens erforderlich) Inhaltsanalyse Beobachtung - Seite 6 - Verhalten im vom Forscher bestimmten Situationen („Labor“) Gespräche über (Lösung von Zeit und Raum des Besprochenen möglich) Befragung Experiment Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Befragung Befragung nichtstandardisiert mündlich teilstandardisiert schriftlich Experteninterview Gruppendiskussion mündlich Informelle Umfrage bei Experten oder Zielgruppe n vollstandardisiert schriftlich Leitfadengespräch mündlich Experteno. Zielgruppe nbefragung Gruppeninterview Narratives Interview schriftlich Einzelinter view postalische Befragung Sonderform : Telefoninte rview Gruppeninterview Befragung in der Gruppensituation Verteilung & Abholun g Entstehung sozialer Daten Operationalisierung des Begriffs „soziale Integration der Studenten“ Soziale Integration von Studenten Kontakthäufigkeit Anzahl der Kontakte Intensität der Kontakte Kontaktart LV-bezogen (z.b. Pausen) Nicht-LVbezogen (Privat, Freizeit) Begriff Kontaktperson Lehrpersonen Kommilitonen Variablen Indikatoren Operationalisierung des Begriffs „Gesundheitsbewusstsein“ Begriff - Seite 7 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Gesundheitheits -bewusstsein Bewegung & Sport VorsorgeUntersuchung Ernährung Häufigkeit der Sportausübung Anzahl der Mahlzeiten Variablen Alkohol, Nikotin Anzahl der Arztbesuche Zusammensetzung der Mahlzeiten Menge des Alkoholkonsum Indikatoren Anzahl der Zigaretten Objektivität: Heißt, dass verschieden Forscher bei Anwendung derselben Methode zu übereinstimmenden Resultaten gelangen. Zuverlässigkeit: Heißt, dass bei mehrmaliger Messung die gleichen Resultate erzielt werden. Empirisch: (aus dem Griechischen, „auf Erfahrung beruhenden“) Bedeutet, dass theoretisch formulierte Annahmen über die Sozialwelt und es Sports durch die Analyse spezifischer, Sportwirklichkeiten überprüft werden bzw. sich in der sozialen Sportrealität bewähren müssen. Sozialen Daten: Unter sozialen Daten versteht man systematisch erhobene Aspekte gesellschaftlicher Wirklichkeit. „Fragen stellen ist nicht schwer, Fragebogen konstruieren sehr“ Erfahrungsregeln: Sich verständlich Ausdrücken Suggestive Formulierungen vermeiden Auf den Bedeutungsgehalt der Begriffe achten Weniger ist oft mehr You can´t have it all! Du kannst nicht alles erfragen! Wer vorher überlegt, erspart sich spätes Klagen! 2 Wege der Datengewinnung: 1) Das Sammeln vieler Informationen über einen Einzelfall( oder sehr wenige Fälle) 2) Die Messung weniger Merkmale bei vielen Objekten Quantitative Verfahren Quantitative Verfahren sind solche, in denen empirische Beobachtungen über wenige ausgesuchte Merkmale systematisch mit Zahlenwerten belegt und auf einer zahlenmäßig breiten Basis gesammelt werden. - Seite 8 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Standardisiertes Interview(Fragebogen) Test(motorische Fähigkeiten überprüfen) Standardisierte Beobachtung(gleiche Kriterien zur gleichen Situation) Spezifische Designs(Experiment, Panel [Gruppe befragen zu verschiedenen Zeitpunkten]) Quantitative Inhaltsanalyse Qualitative Verfahren Wenig bzw. teilstrukturiertes Interview Unstrukturierte Beobachtung(nicht immer gleiche Situation) Gruppendiskussion Qualitative Inhaltsanalyse Fragenbogen-Konstruktion ist Teamarbeit. Viele Augenpaare sehen mehr. Um eine Suggestivwirkung zu verhindern, ist bei der Ja/Nein- Dichotomie darauf zu achten, dass beide Alternativen bereits in der Frage enthalten sind. z.B. Fahren Sie dieses Jahr auf Urlaub oder bleiben Sie zu Hause? Fragen: Wie sollen Fragen gestellt werden? Fragen sollten NICHT hypothetisch formuliert werden(„Angenommen sie würden im Lotto gewinnen,...“) Fragen sollten KEINE doppelte Negation(Verneinung) enthalten. Fragen sollten sich nur auf EINEN Sachverhalt beziehen Fragen sollten den Befragten NICHT überfordern Fragen sollten KURZ und KONKRET sein Programmfrage: konzentriert sich auf eine bestimmte Frage(Konzept) Fragebogenfrage: Programmfrage wird in viele Einzelfragen zerlegt Fragebogen- Konstruktion ist Teamarbeit; Viele Augenpaare sehen mehr. Unterschiede zwischen qualitativer und quantitativer Sozialforschung Quantitative Sozialforschung Quantitative Sozialforschung Theorie Realität Empirische Untersuchung Realität Empirische Studie Modifizierte Theorie Theorie Empirische Untersuchung - Seite 9 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Realität SKALEN MIT unterschiedlichem Skalenniveau 1. 2. 3. 4. Nominalskala Ordinalskala Intervallskala Ratioskala - Seite 10 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Merkmale von Skalenniveaus Skala Skalenniveau Merkmale Nicht metrische Skala Nominale Skala Nicht metrische Skala Metrische Skala Ordinalskala Metrische Skala Ratio Skala Klassifizierung qualitativer Eigenschaftsausprägung Rangwert mit Ordinalskala Skala mit gleichgroßen Abschnitten ohne natürlichen Nullpunkt Skala mit gleichgroßem Abschnitten mit natürlichen Nullpunkt Intervall Skala Mögliche rechnerische Handhabung Bildung von Häufigkeiten Median, Quantile Subtraktion, Mittelwert z.B. Temparaturskala Addition, Division, Multiplikation Forschungslogischer Ablauf empirischer Untersuchung Soziales Problem Theorie Auftrag Entdeckungszusammenhang Problem Exploration Theorie (+ vorliegende Untersuchung, etc.) Hypothesen Definition von Begriffen Isolation relativer Variablen Geeignete Methode Stichprobe Statistische Prüfungskriterien und Tests Operationalisierung Begründungszusammenhang Eventuelle Pretests Code Indikatoren Datenerhebung Auswertung und statistische Prüfung Interpretation (Beschreibung Analyse Erklärung) Hypothesen Theorie soziale Planung Publikationen Vorträge Pressemitteilungen - Seite 11 - Verwertungs- und Wirkungszusammenhang Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Empirische Sozialforschung bedeutet auf sinnvolle Fragen sinnvolle Antworten zu finden. 4, Sport & Gesellschaft Soziale Schichtung: beschreibt die wertmäßige, vertikale Gliederung einer Gesellschaft. Eine soziale Schicht ist eine Bevölkerungsgruppe, deren Mitglieder bestimmte gemeinsame Merkmale besitzen und sich dadurch von anderen Bevölkerungsgruppen unterscheiden. Soziale Mobilität (1): Bezeichnet den Aufstieg von einzelnen Personen, Personengruppen(z.B. Mannschaft) oder sozialen Kollektiven (z.B. Facharbeiter, Sportler, Intellektuellen) innerhalb einer vorgegebenen hierarchischen , wertmäßigen Gliederung/ Schichtung eines sozialen Systems(z.B. des Sports) oder einer Gesellschaft. Zu unterscheiden sind dabei: a) Auf- und Abstieg innerhalb des Sports b) Das Aussteigen aus dem Sport c) Der weitere berufliche Weg nach dem Sport Soziale Mobilität (2): Die Bewegung von Individuen oder Gruppen zwischen verschiedenen sozialen Positionen Vertikale Mobilität führt in der Hierarchie eines Schichtungssystems auf- oder abwärts. Horizontale Mobilität ist die physische Bewegung von Individuen oder Gruppen von einer Region zur anderen. Bei der Analyse der Vertikalen Mobilität unterscheiden Soziologen zwischen der Mobilität einer Person im Laufe ihrer eigenen Karriere und der Distanz, die zwischen der von einer Person erreichten Position und jener ihrer Eltern liegt. - Seite 12 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Versagen liegt vor, wenn der/die Sportler/in z.b. aufgrund eines altersbedingten Rückgangs seiner Leistungsfähigkeit, aufgrund seiner schlechten Form, durch schlechtes Training, mangelnde Motivation oder gesundheitliche Einbussen bedingt, einer erwartete Leistung nicht erbringt. Es handelt sich also um ein abweichen von vorgegebenen Leistungsnormen. Sozialer Status bezeichnet die soziale Wertschätzung, die ein Individuum hinsichtlich eines Kriteriums (z.B. Besitz, Einkommen, Beruf, Macht) genießt. Soziale Position ist der Rang (Platz), auf dem sich eine Person innerhalb der Gesellschaft befindet. Soziale Schichten und Sportengagement 1. Angehörige mittlerer und oberer Sozialschichten treiben häufiger Sport als Angehörige unterer Sozialschichten, wobei der Anteil derer, die nie Sport betrieben haben, in unteren Sozialschichten viel größer ist, als in mittleren oder höheren Sozialschichten; Angehörige mittlerer oder höherer Sozialschichten verwenden mehr Sport als Unterschichtsangehörige. 2. Je neuer eine Sportart ist, umso höher ist der soziale Status, die jene besitzen, die diese Sportart zuerst betreiben. 3. Je größer die Bedeutung im individuellen Leistung im Sport ist, umso höher ist der soziale Status der Ausübenden; Mannschaftssportarten werden häufiger von unteren Sozialschichten ausgeübt. 4. Während Mitglieder oberer Sozialschichten eher Sportarten betreiben, die einen geringen oder keinen Körperkontakt erforderlich machen, ist die Schichtzugehörigkeit, der Sporttreibenden umso niedriger, je stärker eine Sportart Körperkontakt erfordert. 5. In den unteren Sozialschichten existiert neben den instrumentellen Verhältnissen zum eigenen Körper(Selbstvergewisserung von männlicher Stärke und Kraft) auch ein instrumentelles Verhältnis zur Natur. Es dominieren jene Sportarten, die kaum oder keinen Naturbezug haben. 6. Das Sportengagement von Angehörigen unterschiedlicher sozialer Schichten zeigt qualitative Unterschiede. Die Ausprägung ist schichtspezifisch. Schichtabhängige Einstellungen und Verhaltensweisen, die im Sport zum tragen kommen, zeigen eine bemerkenswerte Konstanz. Organisationsformen der Sportausübung nach Größe des Wohnortes - Seite 13 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Je größer die Stadt, desto häufiger wird Sport betrieben! Häufigkeit der Sportausübung (1998) ca. 50% der Österreicher treiben regelmäßig Sport 32% haben noch nie Sport betrieben Variablen für das Sportengagement Alter Geschlecht Frauen treiben weniger Sport als Männer Bildung / beruflicher Status je höher der berufliche Status, desto mehr Sport wird betrieben Einkommen ‚billigere’ Sportarten auch von ärmeren Menschen Wohnortgröße widersprüchliche Ergebnisse, eindeutig nur die Organisationsform (z.b. mehr Fitnesssportler in Städten, weil mehr Fitnessstudios) Rangreihe der Sportarten in Österreich „Sagen sie mir bitte zu jeder Sportart, ob sie diese ausüben oder nicht?“ Rangreihe 1987 1) Schwimmen 2) Alpiner Skilauf 3) Radfahren 4) Bergwandern 5) Turnen 6) Skilanglauf 7) Tennis 8) Eislaufen 9) Fußball 37% 34% 34% 33% 18% 17% 15% 13% 10% Rangreihe 1997 1) Radfahren 2) Schwimmen 3) Alpiner Skilauf 4) Bergwandern 5) Eislaufen 6) Turnen 7) Tennis 8) Skilanglauf 9) Fußball - Seite 14 - 46% 42% 36% 29% 16% 13% 13% 11% 8% Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS 10) Leichtathletik 7% 10) Segeln 5% Sportmotive nach Organisationsart N=668 repräsentativ für sporttreibende österreichische Bevölkerung 5, Sozialisation & Sport: Es erforscht soziales Handeln (soziale Struktur, Prozesse) im Sport, sowie die Wechselwirkung zwischen Sport und Gesellschaft. Sport ist ein menschliches Kulturprodukt und wird Leistungs-, Wettkampf-, Erlebnis- und Gesundheitsorientiert betrieben. - Seite 15 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Vor der Geburt ist die pränatale Phase und im ersten Lebensjahr nennt man es die extrauterine Phase. Es gibt die primäre Sozialisation, diese findet zwischen dem Ersten und Sechsten Lebensjahr statt. Individuum ist in der Lage sich in Andere zu versetzen (Rollenspiel, Selbstbetrachtung, lernt Verhaltensweisen) Die sekundäre Sozialisation beginnt ab dem Sechsten Lebensjahr. In dieser wird die Selbstidentität erweitert und man identifiziert sich mit mehreren – die Generalisierung wird gelernt. Definition Identität Identität bezeichnet das Bild (die Vorstellung), das ein ein Individuum von sich selbst hat bzw. ist die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ Personale Identität (=Rollen-Identität) Ist die Vorstellung von sich selbst, wie man sich selbst sieht und wie man handeln möchte. Soziale Identität Stellt die Erwartung (Normen) dar, denen das Individuum im Interaktionsprozess mit Anderen gegenübersteht. Sozialisation: Sozialisation ist ein Prozess der Internalisierung (Verinnerlichung) von Werten, Normen, Verhaltensmustern und sozialen Rollen, um dadurch Aufnahme (Integration) in einer Gesellschaft oder in einem Teil der Gesellschaft zu finden. Werte: Kulturelle Kriterien (innere Führungsgrößen), die menschliches Handeln leiten, und bilden die Basis für Entscheidungen,; sie motivieren bzw. steuern menschliches Handeln. Normen: Erwartungen bzw Verhaltensregeln, die sich aus Wwerten ableiten Werte und Normen werden im Sozialisationsprozess verinnerlicht. z.B. -Wert ist Gesundheit Norm ist die gesunde Ernährung , Bewegung, soziales Umfeld -Wert ist Fairness Norm ist niemanden foulen oder verletzen Wir handeln nach Werten und Normen. Je nachdem wie wichtig und Werte sind, desto mehr werden wir danach handeln (Normen). Entsprechend nach Werten verändert sich unsere Gesellschaft. Nationalsportarten: Skifahren in Österreich Baseball in Amerika Stierkampf in Mexiko und Spanien - Seite 16 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Dimensionen der Sozialisation Normative Konformität (Einhaltung von Werten & Normen) Ich – Identität (eine eigene Meinung haben) Ich – Stärke (Eigene Meinung behalten, selbstverantwortlich agieren) Solidarität (3 Punkte in Einklang bringen) -Solidarität entwickelt sich etwa vom 10 Lebensjahr an -Ich – Stärke , insbesondere aber Ich – Identität entwickelt sich vom 14 Lebensjahr an. [selbstständiges Agieren wird gelernt, Werte und Normen werden beurteilt und gut- oder schlecht geheissen] -Die eigentliche Identitätsbildung erfolgt in der Adoleszentskrise, die oft mit dem Zwang parallel läuft, sich in gesellschaftlichen Wettbewerbssystemen durchsetzen und in ersten Berufsrollen zu behaupten. Sozialisationsinstanzen und Sportausübung Familie/ signifikante Andere Peer Group (Gruppe der Gleichaltrigen) Schule Massenmedien [+Arbeitsplatz, Sportverein,..] Phasen des Zusammenhangs von Sozialisation und Sport Fähigkeiten & Technik die man erlernt hat Impulse von Außen (Eltern, Gesellschaft, Umgebung) Eigenschaften die erwartet werden (Fairness. Teamgeist,..) Erworbenes wird auf andere Bereiche übertragen (Fairness, Durchsetzungskraft) Krankheiten können bekämpft werden (Rauchen) Vorsozialisation Sozialisation zum Sport Sozialisation im Sport Transfer Resozialisation Soziabilität Ist die Fähigkeit des Menschen, Werte und Normen zu erkennen, soziale Beziehungen aufzunehmen und zu erhalten. Man ist in der Lage sich zu integrieren (Freunde, Familie, Gruppen, Gesellschaft,...). - Seite 17 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Sozialität Ist die Angewiesenheit des Menschen auf soziale Anerkennung bzw. Identitätsbestätigung. Um Identitätsbestätigung zu erhalten muss man Handlungen setzten um als handelndes Wesen anerkannt zu werden. Ständiges Streben nach Anerkennung & Identitätsbestätigung Soziabilität ist Voraussetzung für Sozialität Weltoffenheit beschreibt die Sonderstellung des Menschen in der Natur; er kann beliebig variable Antriebe und Strebungen entwickeln Anthropologische Voraussetzungen menschl. Verhaltens Verhalten ist immer auf andere bezogen->das Anerkennungsbedürfnis steht im Vordergrund Wir sind angewiesen auf andere um uns selbst zu entwickeln => zusammen: Mensch wird definiert als soziales Wesen Streben nach Rekorden, künstlerische Tätigkeiten, technische und sportliche Entwicklung => definiert Mensch als kulturelles Wesen Es geht im Prinzip immer nur um Bestätigung der Identität Motor für Weiterentwicklung Soziale Anerkennung im Sport Anerkennung als Zugehöriger einer Gruppe Anerkennung in einer zugeschriebenen Rolle o Von der Gesellschaft zugeschrieben(Mann-Frau, Alter,...) Anerkennung in einer erworbenen Rolle (Profisportler) Anerkennung in einer öffentlichen Rolle o Zeitung, Radio, Fernsehen, Medien,... Anerkennung der persönlichen Identität Individuum Werte, Normen, Rollen etc. Sozialisation Sozialisation Werte, Normen, Rollen etc. Sport Individuum Sport Sozialisation Individuum Soziabilität Sozialität Individuum Sport Sozialität Sport ist nicht nur Abbildung der Gesellschaft, Werte, Normen & Regeln kommen im Sport viel mehr zum Tragen. Sie sind leichter umzusetzen, die Ergebnisse eindeutiger und die Symbole einfacher. - Seite 18 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Soziale Institution Unter Sozialer Institution versteht man Objektivationen menschlicher Bedürfnisse (Werte, Normen, Rollen, Ziele, Zwecke, Interessen, etc.), die innerhalb einer Gesellschaft als allgemein verbindlich gelten Sport ist ein menschliches Kulturprodukt und wird leistungs-, wettkampf-, erlebnis- und gesundheitsorientiert betrieben. Der Körper als soziales Gebilde Wenn wir vom Körper als soziales Gebilde sprechen, sind vier folgende Tatbestände gemeint: a) Die Technik des Körpers (laufen, gehen, schwimmen, individuelle Bewegungen, Schlafgewohnheiten, Atmen) b) Expressive Körperbewegungen (Ausdruck, Sprechen, Gestik, Körperhaltung) c) Das Körperethos (Schönheitsideal, Physionomie, Figur, Blickkontakt, Begrüßungen) d) Die Kontrolle der Trieb- und Bedürfnisstrukturen (Umgang mit Trieben, Triebe kanalisieren) 6, Soziale Gruppe & Sport Unter sozialer Gruppe wird jedes kontinuierliche Zusammenwirken mehrerer Personen zur Erreichung bestimmter Ziele verstanden. Figuration ist die (oft ungeplante) Dynamik und Strukturiertheit sozialer Prozesse zwischen zahlreichen Menschen (auch über Gruppengrenzen hinweg). Unter Gruppenkohäsion (Gruppenzusammenhalt) versteht man die Stärke des Wunsches aller Mitglieder, in der Gruppe zu bleiben. - Seite 19 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Bei Teams mit interdependenter Aufgabenstruktur zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen Kohäsion und Leistung, (interagierende Gruppen-Basketballteam) bei Teams mit independenter Aufgabenstruktur zeigt sich kein oder sogar negativer Zusammenhang. (koagierende Gruppen-Ruderteam) Sport Cohesiveness Questionnaire (SCQ) – Faktoren für Erfolg in einem Team Stärke zwischen den Spielern – interpersonal attraction Stärke des Einflusses auf Mitglieder und Trainer – interpersonal influence Wie gern Spieler in der Mannschaft spielen - enjoyment Wie stark sich ein Spieler zur Mannschaft hingezogen fühlt – sense of belonging Wie gut ist Zusammenarbeit im Team - teamwork Geschlossenheit der Gruppe - closeness Wert, den Spieler der Mitgliedschaft zur Mannschaft beimessen - value of membership Je größer die Gruppe ist, desto geringer wird die Leistung des Einzelnen und desto schwieriger ist es, den Einzelnen zu motivieren (auch die Koordination nimmt ab). Steiner: bei Fitnessgruppen über 30 Personen – negativ bei Volleyballmannschaften über 9 Personen – Spannungen - „Trittbrettfahrer-Effekt“ - Ringelmann Merkmale einer sozialen Gruppe gemeinsame Motive, Ziele und Interessen gemeinsame Sprache, die gruppenspezifischen Züge annehmen kann (Gruppensprache oder sogar –jargon) ein gemeinsames Werte- und Normensystem, das die Regelmäßigkeit des Handelns in den sozialen Beziehungen der Gruppenmitglieder begleitet Wir- Gefühl bzw. Zusammenhalt(Gruppensolidarität) Längerfristiges Zusammenwirken der Gruppenmitglieder Man unterscheidet lt. Simmel: Gruppe = ab 3 Personen Kleingruppe (jeder kommuniziert mit jedem in der Gruppe, face-to-face Beziehungen >> 20 Personen) Großgruppe (ab 20 Personen) Primärgruppe (gekennzeichnet durch Spontaneität der Mitglieder, hohe emotionale Bindung >> Familie, Clique) Formelle Gruppe (gibt geltende Regeln und Normen) Informelle Gruppe (spontan gebildete face-to-face Beziehung) Totale Gruppe (jeder einzelne muss sich unterordnen) Für Einordnung gibt es Säulendiagramm (Wahl nach oben, Ablehnung nach unten), Soziomatrix (Tabelle) oder Soziogramm (Grafik mit Pfeilen) Steiners Aufgabentypologie: Frage Antwort Aufgabentyp Beispiele In welchem Verhältnis stehen die Einzelleistungen werden aufaddiert Additiv Ein Seil ziehen, Briefe in Umschläge stecken, - Seite 20 - Einführung in die Sportsoziologie Stefan ULREICH Prof. WEISS Einzelleistungen der Individualisten zum Gruppenprodukt Schnee schaufeln Gruppenprodukt ist der Durchschnitt der Einzelbeurteilungen Kompensatorisch Bildung des Mittelwertes der Einzelschätzungen der Anzahl der Bohnen in einer Dose, des Gewichtes eines Objektes, oder der Raumtemperatur Gruppe wählt ein Produkt aus der Gesamtheit der Einzelbeurteilungen Disjunktiv Fragen nach Ja-NeinAntworten, etwa mathematische Probleme, Puzzles, Entscheidungen zwischen mehreren Alternativen Alle Gruppenmitglieder tragen zum Produkt bei Konjunktiv Bergbesteigung, gemeinsam Essen, Marschieren (beim Militär) Gruppe kann entscheiden, in welchem Verhältnis Einzelleistungen zum Gruppenprodukt stehen. Mit Ermessenspielraum Entscheidung, zusammen Schnee schaufeln, Wahl der besten Antowrt auf ein mathematisches Problem, den/die Anführer/in eine Frage beantworten zu lassen In der Organisationssoziologie werden unterschieden: a. b. c. d. Autoritäre Entscheidungs- und Führungsstrukturen demokratische Entscheidungsstrukturen Strukturen des laissez faire poliarchische Entscheidungsstrukturen Der Sportverein ist eine Organisation, die gekennzeichnet ist durch: Freiwillige Mitgliedschaft Orientierung an den Interessen der Mitglieder Autonomie Freiwillige Mitarbeit Demokratische Entscheidungsstrukturen Veränderung idealtypischer Merkmale im Sportverein Freiwillige Mitgliedschaft Unabhängigkeit von dritten Demokratische Entscheidungsstruktur Ehrenamtliche mitarbeit Monopolisierung Kommerzialisierung, Politisierung Oligarchisierung Professionalisierung - Seite 21 -