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Ess- und Tischsitten im Mittelalter
Gegessen wurde mit den Fingern, den fetttriefenden Mund wischte man am Ärmel ab, und jedem Geräusch oder
hinausdrängenden Gas wurde freier Lauf gelassen. So ist das gängige Bild eines Gelages im Mittelalter. Und
tatsächlich: abgenagten Knochen wurden in die gemeinsame Schüssel oder auf den Boden geworfen, da die Männer
unter sich waren, ließen sie sämtlichen Körpergeräuschen freien Lauf, getrunken und gesprochen wurde mit vollen
Mund und dazu wurde auch noch ordentlich geschmatzt.
Doch diese etwa tausendjährige, wechselvolle Epoche hat ihren schlechten Ruf zu Unrecht. Das Mittelalter war auch
eine Zeit der kultivierten Minnesänger, der Wissenschaft und Forschung und der ersten Benimmregeln.
Von der Hand in den Mund
Im frühen Mittelalter vermischten sich in Europa die Essgewohnheiten der griechisch-römischen Kultur mit der
keltisch-germanischen Lebensart. Es entwickelte sich etwa um 1000 nach Christus die uns bis heute vertraute gemischte
Ernährung aus Getreideprodukten, Gemüse, Fleisch und Fisch. So war zwar die Ernährungsgrundlage in der Regel
gesichert, jedoch kämpften die meisten Menschen im frühen Mittelalter gegen den täglichen Hunger und schlicht ums
Überleben. Die teilweise hochkultivierten Tischsitten der Antike waren in Vergessenheit geraten. Flache,
aufgeschnittene Brotleibe dienten als Teller, gegessen wurde mit den Fingern, selten gab es mal Löffel oder Messer. Die
eigene Kleidung diente nach dem Essen dem Säubern der Finger. Diese Tischsitten waren bei Bauern und Adeligen
damals sehr ähnlich.
Große Unterschiede gab es allerdings bei den Orten der Essenszubereitung, also den Küchen. Die „Küche“ der Bauern,
wenn man diese überhaupt als solche bezeichnen kann, bestand in der Hauptsache aus einer einfachen offenen
Feuerstelle, über der an einem eisernen Haken ein Topf hing. Die Küche der Höhergestellten unterschied sich davon
wesentlich. Es gab zum Teil riesige Küchenanlagen mit bis zu sieben Herdstellen und einem Koch als Oberaufseher.
Diese Küchen waren meist in eigenen Gebäuden abseits der eigentlichen Wohngebäude untergebracht.
Mit den Frauen kamen die Benimmregeln
Im frühen Mittelalter waren Frauen bei Tisch nicht zugelassen. Im 11. Jahrhundert änderte sich das: Paare saßen bei
Tisch zusammen und teilten sich Becher und Schüssel. Immer mehr Tischregeln wurden eingeführt, zum Beispiel das
Händewaschen vor dem Essen. Schnell gab es eine ganze Reihe von Benimmregeln, die zunächst von den Adeligen und
dann immer mehr auch vom Volk beachtet wurden:
• Fange nicht an zu essen, bevor die anderen anfangen.
• Stopfe nicht ein zu großes Stück in den Mund.
• Trink oder sprich nicht mit vollem Mund.
• Kratze dich nicht am Leib oder Kopf.
• Pass auf, dass keine sechsfüßigen Tierchen an dir herumkrabbeln.
• Wisch dir den Mund ab, wenn du den Becher nimmst.
• Wenn du niesen oder husten musst, lass allen freien Laut, aber wende dich ab.
• Auch wenn dir ein Stück Deines Tischnachbarn besonders gefällt, nimm es nicht weg.
Ellbogen nicht auf den Tisch
Die Tischsitten im Hoch- und Spätmittelalter waren feiner, als vielfach bekannt ist. Es galten Verbote für lange
Fingernägel, das Wegwerfen von Abfällen unter den Tisch, Schnäuzen mit der Hand, Kratzen, Spucken, Zähnesäubern
mit der Messerspitze und das Ablecken der Finger. Zwar wurde wie im Frühmittelalter immer noch mit den Fingern
gegessen, selbst in vornehmer Gesellschaft, aber die Tischsitten wurden immer kultivierter. Verpönt war es vor rund
800 Jahren, die Ellbogen auf den Tisch zu legen und Knochen mit den Zähnen abzunagen oder mit den Fingernägeln zu
bearbeiten. Nur die Wiederentdeckung der Serviette ließ noch bis zum 15. Jahrhundert auf sich warten. In der Regel
wischte Mann wie Frau sich im Mittelalter den Mund mit der Hand ab und die eigene Kleidung diente der Reinigung
fettiger Finger und dem Schnäuzen der Nase.
(Marika Liebsch)
Quellen: www.planet-wissen.de und www.eduhi.at/dl/Essen_und_Trinken_im_Mittelalter.doc
(Stand vom 08.05.2008)
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