Nachdem Heidegger anhand des Höhlengleichnisses die

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UE “Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten für PhilosophInnen”
Referat Stefan Paller
22.1.2001
Martin Heidegger: Platons Lehre von der Wahrheit (Teil V)
Nachdem Heidegger anhand des Höhlengleichnisses die Bedeutung und das Zusammenspiel der Begriffe
Wahrheit (aletheia), Bildung (paideia), Idee (idea) und der Idee des Guten (idea tou agathou) aufgezeigt hat,
wendet er sich im letzten Textabschnitt den Implikationen der platonischen Wahrheitsauffassung bei den
inhaltlichen
Bestimmungen
von
philo-sophia,
Metaphysik,
Theologie,
Humanismus
und
Seinsvergessenheit zu.
Sophia - Philosophia
Sophia wird allgemein mit Weisheit übersetzt. Heidegger präzisiert diesen Begriff: “Eigentlicher meint
sophia das Sichauskennen in dem, was als das Unverborgene anwest und als das Anwesende das
Beständige ist.” (GA 9, 234) Der Unterschied der sophia zur philosophia besteht darin, dass jene für das
Sichauskennen innerhalb der Höhle steht und diese für das außerhalb (philo-sophia = Freundschaft für die
Ideen). Philosophia meint ein “Sichauskennen im Seienden, das zugleich das Sein des Seienden als Idee
bestimmt.” (GA 9, 235) Dieses Denken steht für ein Erkennen der Welt, d.h. ein Denken über das Sein des
Seienden als Idee. Platon ist damit Begründer jener Philosophie, die “später ‚Metaphysik‘ heißt” (GA 9,
235).
Metaphysik
“...heißt die Wissenschaft, die es mit den letzten Gründen allen Daseins zu tun hat, also mit dem, was über
der Natur, was hinter der Erscheinungswelt liegt, was die eigentliche Wirklichkeit ausmacht. 1 Schon im
Höhlengleichnis definiert sich die Grundgestalt der Metaphysik als eine Zwei-Welten-Lehre: Platons
Denken geht “‚über‘ jenes, was nur schattenhaft und abbildmäßig erfahren wird, hinaus [...], ‚hin zu‘ diesen,
nämlich den ‚Ideen‘”(GA 9, 235).
Theologie
Die Theologie, die vom “höchsten Seienden” (summum ens) handelt, geht insofern mit der Metaphysik und
der Ontologie zusammen, da jedes ontologische Fragen nach dem Seienden als solchem auch ein Fragen
nach dem ersten Grund bzw. ersten Ursache des Seienden ist. Dieser “theologische” Ansatz kommt in
Platons Höhlengleichnis durch die “Idee des Guten”, die als “Idee der Ideen” der Grund für alles Seiende ist,
zum Ausdruck. In diesem Sinn tritt bei Aristotels das Göttliche (to theion) an die Stelle des “Guten” (als
erste Ursache des Seienden). Heidegger nennt dieses Zusammengehen von Metaphysik und Theologie, wo
nur mehr nach dem ersten und höchsten Seienden und nicht mehr nach dem Sein gefragt wird,
Onto-Theologik oder die onto-theologische Verfasstheit der Metaphysik.
Humanismus
“...nennt sich auch die [...] Lehre, dass all unser Erkennen in seinen Motiven wie in seinem Umfang und in
seinen Zwecken immer nur menschlich ist, nicht über das Menschliche hinaus kann, durch menschliche
Bedürfnisse erzeugt und bedingt ist.” 2 Nach Heidegger wird mit Platons Wahrheitsauffassung und dem
damit einhergehenden “Richtigwerden des Blickes” das humanistische Denken Grund gelegt, das den
Menschen als animal rationale ins Zentrum alles Seienden rückt und ihn damit (spätestens in der Neuzeit)
als das Maß aller Dinge vorstellt (Anthropozentrismus).
Seinsvergessenheit
Da die Metaphysik nur mehr nach dem ersten und höchsten Seienden im Sinne eines kausalen
Ursache-Wirkung-Verhältnisses fragt, stellt sie laut Heidegger nicht mehr die Frage nach dem Sein als
Sein, d.h. nach der Unverborgenheit, Lichtung oder Offenheit. Erst das Denken Heideggers versucht, dieser
Seinsvergessenheit als “ein Denken, das die Wahrheit des Seins selbst und damit die Wahrheit selbst als das
Sein denkt,”3 zu entkommen.
Die Anfänge und die ersten Gründe für die Seinsvergessenheit sind nach Heidegger in der Philosophie
Platons zu suchen; deshalb ist seine Auslegung des Höhlengleichnisses für ihn nichts Vergangenes oder
bloß Philosophiehistorisches, sondern ein erster Schritt, den Entzug des Seins und damit das Sein selbst zu
bedenken.
Kirchner, Friedrich: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Bearb. von Carl Michaëlis. Leipzig: Dürr 51907 S.
682 (zit. nach Digitale Bibliothek Bd. 3: Geschichte d. Philosophie. S. 11614).
2 Schischkoff, Georgi (Hg.): Philosophisches Wörterbuch Stuttgart: Kröner 221991, S. 310.
3 Figal, Günter: Martin Heidegger zur Einführung. Hamburg: Junius 3.verb. Auflage 1999, S. 155.
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