Leitsatz - NWB Datenbank

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BFH v. 13.08.2002 - VIII R 14/99
BStBl 2002 II S. 811
NWB DokID: IAAAA-89364
Leitsatz
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein unbebautes Grundstück erwirbt und anschließend drei von insgesamt
vier Eigentumswohnungen, die von ihr auf dem Grundstück errichtet werden sollen, mit Gewinnerzielungsabsicht
verkauft, betreibt einen gewerblichen Grundstückshandel und keine private Vermögensverwaltung. Dies gilt
unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter einen der Baubranche zuzurechnenden Beruf ausüben.
Gesetze
EStG § 15 Abs. 2
Instanzenzug
FG München vom 23. Dezember 1998 7 K 3286/96 (EFG 1999, 429) BFH VIII R 14/99
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben. Der Kläger
ist Maurer, die Klägerin als Werkarbeiterin nichtselbständig tätig.
Die Kläger kauften im Juni 1991 ein unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von 248 000 DM, den ihre beiden Söhne C
und M ihnen als zinsloses Darlehen zur Verfügung gestellt hatten. Durch Teilungserklärung vom ... Oktober 1991
bildeten die Kläger aus dem Mehrfamilienhaus, das errichtet werden sollte, vier Eigentumswohnungen. Am selben Tag
veräußerten sie die Wohnung Nr. 3 im 1. Obergeschoss an ihren Sohn C zum Preis von 300 000 DM (später
herabgesetzt auf 265 000 DM) und die Wohnung Nr. 4 im Dachgeschoss an ihren Sohn M zum Preis von 72 676,80 DM.
Der Preis für die Dachgeschosswohnung entsprach den anteiligen Anschaffungskosten für das unbebaute Grundstück,
da M die Wohnung auf eigene Kosten herstellen sollte.
Nach Baubeginn veräußerten die Kläger im November 1991 die Wohnung Nr. 1 zum Kaufpreis von 435 000 DM
(später herabgesetzt auf 337 800 DM) an ihren Sohn M und die Wohnung Nr. 2 zum Preis von 275 000 DM (später
herabgesetzt auf 253 000 DM) an einen Freund der Familie. Die Wohnungen wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten
in den Jahren 1992 und 1993 fertiggestellt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die
Veräußerungen als gewerblichen Grundstückshandel. Er sah die Ehegatten als Mitunternehmer an und stellte einen
Veräußerungsgewinn von 72 170 DM für das Streitjahr 1992 und von 57 000 DM für das Streitjahr 1993 einheitlich und
gesondert fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide auf. Es ging
davon aus, dass nach der Rechtsprechung im Regelfall eine nicht steuerbare Vermögensverwaltung gegeben sei, wenn
nicht mehr als drei Objekte angeschafft und veräußert würden. Im Streitfall hätten die Kläger diese Drei-ObjektGrenze nicht überschritten, da es ihnen bei der auf ihren Sohn M übertragenen Wohnung Nr. 4 an einer
Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe. Grundstücke, die ohne Gewinnerzielungsabsicht veräußert würden, seien nach
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht in die Betrachtung einzubeziehen, ob die Drei-Objekt-Grenze
überschritten sei (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1989 VIII R 373/83 , BFHE 158, 214, BStBl II 1990, 1053 ; vom 9. Mai
1996 IV R 74/95, BFHE 181, 19, BStBl II 1996, 599 ). Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 429
veröffentlicht.
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BFH v. 13.08.2002 - VIII R 14/99
BStBl 2002 II S. 811
NWB DokID: IAAAA-89364
Das FA rügt mit der Revision eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG ).
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung des FG hat die in den Streitjahren zwischen
den Klägern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen gewerblichen Grundstückshandel (§ 15 EStG )
betrieben und sich nicht auf eine private Vermögensverwaltung beschränkt.
1. Eine Personengesellschaft erzielt nur dann gewerbliche Einkünfte, wenn ihre Gesellschafter in ihrer Verbundenheit
als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ) betreiben; dies ist der Fall,
wenn ihre Tätigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt und sich nach den Umständen des
Einzelfalles nicht als private Vermögensverwaltung darstellt (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 25. Juni
1984 GrS 4/82 , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762 , unter C. III. 3. b aa; vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86,
BStBl II 1995, 617, 618 , unter C. I.).
a) Die Tätigkeit der GbR hat die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Danach ist Gewerbebetrieb eine
selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Landund Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als andere selbständige Arbeit anzusehen ist.
aa) Die GbR ist nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden. Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie von
der Absicht getragen wird, sie zu wiederholen; bei einer Mehrzahl von Handlungen ist die Nachhaltigkeit zu bejahen
(vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1995 IV R 112/92 , BFHE 180, 42, BStBl II 1996, 367 , unter 1. c; vom 7. März 1996
IV R 2/92, BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369 , unter I. 3.). Im Streitfall ist die GbR wiederholt tätig geworden, weil sie
jedenfalls drei Wohnungen in drei verschiedenen Kaufverträgen mit Gewinnerzielungsabsicht veräußert hat.
bb) Die GbR hat auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Für die dazu notwendige Beteiligung
am allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit allgemein für das Publikum
erkennbar ist; es genügt bereits die Erkennbarkeit für die beteiligten Kreise, ohne dass die Leistungen einer Mehrzahl
von Interessenten angeboten werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 X R 39/88 , BFHE 164, 53, BStBl II
1991, 631 , m.w.N.). Danach erfüllt auch ein entgeltlicher und von Gewinnerzielungsabsicht getragener
Leistungsaustausch zwischen Eltern und Kindern die Voraussetzung einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Erwerber einer der Wohnungen kein Angehöriger war.
b) Die Tätigkeit der GbR hat auch die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten.
aa) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nichtsteuerbaren Sphäre sowie den anderen
Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 bis 7 EStG ) andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die
Verkehrsanschauung abzustellen (BFH-Beschlüsse in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, 618 , unter C. I.; vom 10.
Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 , unter C. II.). Die Grenze von der privaten
Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter
Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung
gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch
Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Beschluss in BFHE 178, 86, BStBl II 1995,
617 ).
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BFH v. 13.08.2002 - VIII R 14/99
BStBl 2002 II S. 811
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Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung hat der BFH die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt. Sie besagt, dass kein
gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Je geringer der Umfang
von Anschaffungen und Veräußerungen sei, desto weniger sei anzunehmen, dass der Zweck der Vermögensmehrung
durch Umschichtung (Ausnutzung substantieller Vermögenswerte) im Vordergrund stehe. Eine zahlenmäßige
Begrenzung auf drei Wohneinheiten trage der gebotenen Vereinfachung Rechnung. Werden hingegen innerhalb eines
engen zeitlichen Zusammenhangs - in der Regel fünf Jahre - zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf
mindestens vier Objekte veräußert, könne von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die
äußeren Umstände den Schluss zuließen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller
Vermögenswerte durch Umschichtung ankomme (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 23/90 , BFHE 165, 521,
BStBl II 1992, 135 , und vom 11. März 1992 XI R 17/90, BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007 ).
Soweit der X. Senat des BFH die Auffassung vertreten hat, dass die Drei-Objekt-Grenze nur für den reinen Handel und
nicht auf Fälle der Veräußerung nach Bebauung anzuwenden sei (Vorlagebeschluss vom 29. Oktober 1997 X R 183/96,
BFHE 184, 355, BStBl II 1998, 332 ), ist ihm der Große Senat des BFH (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 ) nicht gefolgt.
Er hat vielmehr entschieden, dass die Errichtung von Wohnobjekten auf dem eigenen Grundstück und deren
Veräußerung nicht unabhängig von der als Indiz wirkenden Drei-Objekt-Grenze bereits wegen der Ähnlichkeit mit dem
"Bild des produzierenden Bauunternehmers/Bauträgers" eine gewerbliche Tätigkeit darstelle. Es diene der gebotenen
Rechtsvereinfachung und entspreche der gesetzgeberischen Grundentscheidung, private Veräußerungsgewinne
unbesteuert zu lassen, wenn die Drei-Objekt-Grenze in der Regel auch in Fällen der Bebauung und des anschließenden
Verkaufs angewendet werde. Bei der Bebauung eines eigenen Grundstücks zeige sich der Unterschied zwischen einem
Bauträger und einem Bauherren, der die spätere Vermietung beabsichtige, nicht in der Bebauung, sondern erst im
Verkauf; dann könne aber - ebenso wie beim An- und Verkauf von Grundstücken - im Regelfall nur eine gewisse
Anzahl von Verkäufen als Beweisanzeichen dafür geeignet sein, dass die Tätigkeit die Grenze zur Gewerblichkeit
überschritten habe (BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 , unter C. III. 4.).
Der Große Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 jedoch betont, dass der Drei-ObjektGrenze nur eine indizielle Bedeutung zukomme und auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten
besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen könnten. So könne beispielsweise auf eine
gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und
Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden sei
oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung und nach Wünschen des Erwerbers bebaut werde
(unter C. III. 5.).
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann die Entscheidung des FG, die Kläger seien nicht
gewerblich, sondern nur vermögensverwaltend tätig gewesen, keinen Bestand haben.
Zwar hat die GbR die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten, weil sie nur drei der insgesamt vier
Eigentumswohnungen mit Gewinnerzielungsabsicht veräußert hat. Hinsichtlich des Verkaufs der Wohnung Nr. 4 an
den Sohn M der Kläger zum Preis von 72 676,80 DM kann eine Gewinnerzielungsabsicht nicht festgestellt werden, weil
dieser Betrag dem Preis entspricht, den die Kläger selbst anteilig für das unbebaute Grundstück bezahlt haben. Bei der
Prüfung, ob die sog. Drei-Objekt-Grenze überschritten ist, sind Objekte, die ohne Gewinnerzielungsabsicht zum
Selbstkostenpreis oder einem darunter liegenden Betrag verkauft werden, nicht einzubeziehen (vgl. BFH-Urteil vom 9.
Mai 1996 IV R 74/95 , BFHE 181, 19, BStBl II 1996, 599 , m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 20. Mai 1998 III B 9/98, BFHE
186, 236, BStBl II 1998, 721 ; vom 2. Februar 2000 X B 83/99, BFH/NV 2000, 946) .
Aber es liegt der vom Großen Senat anerkannte Ausnahmefall vor, dass auch bei einer Veräußerung von weniger als
vier Objekten der Schluss auf eine gewerbliche Tätigkeit zulässig ist, wenn das Grundstück bereits vor seiner Bebauung
verkauft wird (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 , unter C. III. 5.). Die Errichtung des Gebäudes
auf dem verkauften Grund und Boden indiziert ebenso wie die Errichtung von Gebäuden auf fremden Grundstücken
die Gewerblichkeit (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 , unter C. III. 5.). Die Möglichkeit, dass das
Gebäude für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung hergestellt wird, scheidet demnach aus. Es kommt deshalb
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BFH v. 13.08.2002 - VIII R 14/99
BStBl 2002 II S. 811
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auch nicht darauf an, ob die Kläger außerdem hauptberuflich einer Tätigkeit nachgehen, die der Baubranche
zuzurechnen ist (vgl. auch Söffing, Der Betrieb 2002, 964, 968, unter III. 7. e.).
Im Streitfall waren die Eigentumswohnungen Nrn. 1, 2 und 3 bei Abschluss der notariellen Kaufverträge im Oktober
bzw. November 1991 noch nicht errichtet, sondern die GbR hat sich gegenüber den Erwerbern zur Errichtung der
Wohnungen innerhalb einer bestimmten Frist verpflichtet. Es stand daher bereits während der Errichtungsphase
eindeutig fest, dass die GbR die Wohnungen nicht für Zwecke der Vermögensverwaltung, sondern mit unbedingter
Veräußerungsabsicht herstellen werde.
2. Da die Vorentscheidung von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache
ist spruchreif im Sinne einer Klageabweisung, da die Kläger nur die Gewinnfeststellung an sich, nicht aber die Höhe der
vom FA ermittelten Einkünfte beanstandet haben.
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 811
BB 2002 S. 2058 Nr. 40
BFH/NV 2002 S. 1535 Nr. 11
BFHE S. 551 Nr. 199
BStBl II 2002 S. 811 Nr. 20
DB 2002 S. 2198 Nr. 42
DStR 2002 S. 1707 Nr. 40
DStRE 2002 S. 1238 Nr. 20
FR 2002 S. 1225 Nr. 22
INF 2002 S. 699 Nr. 22
KÖSDI 2002 S. 13450 Nr. 10
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