1 In Christus unserem Herrn, geliebte Gläubige „Der Vater hat den Sohn gesandt als den Retter der Welt“ (1 Joh 4,14). Dieser Vers aus dem 1. Johannesbrief gehört zentral zu unserem Glauben. Der Sohn Gottes ist für alle gestorben. Darin erkennen wir die Würde des Menschen – und zwar jedes Menschen, ob geboren oder ungeboren, ob gesund oder krank, unabhängig ob er im Vollbesitz seiner Kräfte ist oder alt und schwach geworden ist. Gottes Liebe kennt da keinen Unterschied. Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir die Debatte anschauen, die derzeit über die Präimplantationsdiagnostik angelaufen ist, wird uns eine ganz andere Sichtweise vor Augen geführt, ja Sand in die Augen gestreut. In der entsprechenden Arenasendung wurde Bundesrat Alain Berset vom Moderator folgende Frage gestellt: „Wir diskutieren heute über grosse Fragen und kleine Organismen – über einen Embryo, der in einer Petrischale, in einem Labor liegt. Wenn Sie diesen Embryo anschauen, sehen sie einen Zellhaufen oder sehen Sie einen Menschen?“ Antwort des Bundesrates: „Es ist ein Zellhaufen, der später sich entwickeln kann als Mensch.“ Tatsache ist, dass wir alle einmal im Stadium eines 0,1mm grossen Embryos waren – auch Bundesrat Alain Berset. Wenn wir betrachten wollen, welche fantastische Entwicklungspotenz in einem solchen Embryo innewohnt, dann brauchen wir einander nur anzusehen. Phänomenal – oder nicht? Mit der Änderung der Verfassung, welche den Auftrag hat, die Würde des Menschen zu schützen, wollen Parlament und Bundesrat die sogenannte Präimplantationsdiagnostik ermöglichen. Was wird da gemacht? Erstens werden extra viel mehr menschliche Embryonen gezeugt als üblich, damit ausgelesen werden kann. Auf die Geburt eines Kindes nach Präimplantationsdiagnostik kommen duchschnittlich vierzig befruchtete Eizellen! Zweitens werden die Embryonen angebohrt und ihnen werden in der Regel zwei Zellen entnommen, die danach genetisch untersucht werden. Drittens werden jene Embryonen, die nicht den Kriterien entsprechen, 2 vernichtet oder der Forschung für die Produktion von embryonalen Stammzellen übergeben. Mit diesem Verfahren wird nicht die Krankheit behandelt, sondern die Embryonen als Träger der Krankheit werden beseitigt – das kann man niemals rechtfertigen! (vgl. Medienmitteilung der SBK) Viertens wird in der Regel einer oder zwei Embryonen in die rettende Gebärmutter übertragen. Aufgrund der Verletzungen, die der Embryo bei der Entnahme der Zellen erlitten hat, können sich aber 40% dieser Embryonen gar nicht einnisten. Die PID beinhaltet eine Unterscheidung zwischen lebenswerten und lebensunwerten Menschen – noch etwas pointierter gesagt: zwischen liebenswerten und liebensunwerten Menschen! Dass eine solche Unterscheidung, welche nicht die Natur vornimmt, sondern der Mensch verantworten muss, ethisch unakzeptabel ist, liegt auf der Hand. Liebe Brüder und Schwestern, bewusst reden die Befürworter der Präimplantationsdiagnostik die Tragweite dieser eugenischen Handlung klein. Darum reden sie – lügen sie - von Zellhaufen, um ihr eigenes Gewissen und jenes der Stimmbürger zu beruhigen. Die Bischofskonferenz hat ihre ablehnende Haltung in einer Medienmitteilung1 begründet und kundgetan. Soweit ich gesehen habe, wurde das durch die grossen Printmedien sowie Radio und Fernsehen totgeschwiegen. Sie erklärte: „Wenn der Verfassungsartikel dem Vorschlag des Parlaments entsprechend geändert werden würde, hiesse das implizit, dass das Einfrieren der Embryonen zugelassen würde. Die Kryokonservierung würde schwerwiegende ethische Probleme mit sich bringen, denn sie verletzt unmittelbar die Menschenwürde. Ein Nein zur Änderung der Bundesverfassung und damit zur PID bekräftigt, dass in unserem Land die Menschenwürde eines jeden menschlichen Wesens respektiert und bewahrt werden muss.” Papst Franziskus hat unlängst in seinem Schreiben Evangelii gaudium erklärt: „Denken wir daran, dass »die verantwortliche Wahrnehmung 1 http://www.bischoefe.ch/dokumente/botschaften/ja-zum-menschen-nein-zurpraeimplantationsdiagnostik 3 der Bürgerpflicht eine Tugend ist und die Teilnahme am politischen Leben eine moralische Verpflichtung bedeutet«“ (Nr. 220). Daher bitte ich Sie, auch wenn sie sonst zu den 60% der nicht-stimmenden Bürgerinnen und Bürgern gehören sollten, bei dieser wichtigen Vorlage ihre Nein-Stimme abzugeben. Bedenken Sie, dass dieser Verfassungsartikel, um den es geht, mit einer harmlos scheinenden Formulierung diese eugenische Mentalität zulässt – eine Verfassung, die doch den Menschen schützen sollte. Wenn sich diese Mentalität, zwischen lebenswert und lebensunwert zu unterscheiden, ausdehnt – auf den Menschen nach der Geburt, dann ist keiner mehr seines Lebens sicher, wenn er behindert ist, verunfallt, krank oder altersschwach wird. Unsere Liebe schulden wir jedem Menschen, denn Gott schenkt seine Liebe auch jedem Menschen. Bedenken wir auch, dass unsere Beziehung zu Gott durch unverantwortliches Handeln beeinträchtigt wird und dafür intensiver wird, wenn wir das Gute tun: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet.“ Amen. Fürbitten: Lasst uns zu Jesus Christus beten, der in die Herrlichkeit des Vaters eingekehrt ist: Schenke unseren Bischöfen in ihrer schwierigen Aufgabe die Gaben des Heiligen Geistes. Ermutige die Politiker, in den Gesetzen unseres Staates die Menschen zu schützen. Würde jedes Erfülle die Seelsorger mit Mut und Kraft, in Erfolgen und Misserfolgen standhaft zu bleiben. Schenke den kranken und behinderten Menschen und allen, die sie pflegen und betreuen Deine Kraft und gib ihnen Halt im Glauben. Erfülle Deine Verheissungen an unseren Verstorbenen und nimm sie auf in Dein Reich. Himmlischer Vater, die Apostel und die hl. Muttergottes hatten sich zum Gebet versammelt, um den Heiligen Geist zu empfangen. Erhöre auch unser Beten. Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn. Amen.