Vollständige deutsche Übersetzung der Erklärung

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AMNESTY INTERNATIONAL
Öffentliche Erklärung
AI Index:
News Service No:
8 March 2006
ASA 35/002/2006
057
Übersetzt durch die Philippinen-Koordinationsgruppe der Deutschen Sektion von amnesty international.
Verbindlich ist der englische Originaltext.
Philippinen: Nach dem Ausnahmezustand ist es an der Zeit,
den Menschenrechten wieder Geltung zu verschaffen
amnesty international begrüßt die Ankündigung von Präsidentin Macapagal Arroyo vom
3. März 2006, den am 24. Februar verhängten Ausnahmezustand aufzuheben.
Während eines echten öffentlichen Notstandes, der ernsthaft das „Leben der Nation“
bedroht, dürfen fundamentale Rechte wie die Meinungsfreiheit und die
Versammlungsfreiheit nur in dem Maße eingeschränkt werden, wie es die Abwehr von
Gefahren für die Freiheit und die Rechte anderer erfordert. Diese Sicherungen
fundamentaler Rechte sind im internationalen Recht, dessen Abkommen auch von den
Philippinen ratifiziert wurden, verankert.
Darüber hinaus erinnert amnesty international die philippinische Regierung daran, dass
es besondere Rechte gibt, die zu allen Zeiten vollständig und bedingungslos respektiert
werden müssen, unabhängig von einem eventuellen öffentlichen Notstand. Dazu
gehören das Recht, nicht willkürlich des Lebens beraubt zu werden, das Recht auf
Freiheit von Folter und das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.
In diesem Zusammenhang ist amnesty international weiterhin schwer besorgt über die
fortgesetzten Muster politischer Morde an Mitgliedern legaler linker Organisationen in
verschiedenen Provinzen im ganzen Land.
In den letzten Jahren haben Berichte über Angriffe nicht identifizierter bewaffneter
Männer auf Mitglieder legaler linker Organisationen, einschließlich der Listenparteien
Bayan Muna und Anakpawis, zugenommen. Es ist jetzt zu befürchten, dass wiederholte
Erklärungen hoher Regierungsmitglieder, die solche Organisation direkt bewaffneten
kommunistischen Gruppen zuordnen, ein Klima schaffen, das zu weiteren politischen
Morden führen kann. Diese Befürchtung wird noch verstärkt durch die kürzlichen
Verhaftungen oder drohenden Verhaftungen von Kongressabgeordneten dieser
Organisationen.
Amnesty international ruft die Behörden dazu auf, ihre Verpflichtungen zum Schutz des
Lebens zu erfüllen, indem sie zumindest sofortige, gründliche, unparteiische und
effektive Untersuchungen dieser Morde einleiten. Diese Untersuchungen sollten zu
Anklagen und Verurteilungen der Verantwortlichen führen. Um die Straflosigkeit zu
beenden, müssen die Behörden eine klare und unmissverständliche Botschaft an alle
Angehörigen der Polizei, des Militärs und anderer Sicherheitsorgane senden, dass die
Beteiligung oder die stillschweigende Duldung solcher gesetzloser Tötungen niemals
geduldet wird.
Der kürzliche behauptete Versuch eines Staatsstreiches führte zur Verhaftung oder
Androhung einer Verhaftung linksgerichteter und rechtsgerichteter Politiker,
Militäroffiziere und anderer, die der Rebellion oder der Beteiligung an dem Komplott des
Staatsstreichs beschuldigt wurden. Amnesty international ist besorgt, dass dies zu
willkürlichen Verhaftungen führen kann und einer Aushöhlung des Rechtes jeden
Beschuldigten auf ein angemessenes Verfahren und einen fairen Prozess.
Insbesondere ist amnesty international besorgt über die Anklage der Rebellion
„Rebellion“, die als kontinuierliches Verbrechen gilt und nach philippinischem Recht
eine Festnahme ohne gerichtlichen Haftbefehl erlaubt. Solche Bestimmungen bergen
die Gefahr eines Missbrauchs für politisch motivierte Festnahmen in sich. Summarische
Befragungsverfahren nach einer solchen Festnahme ohne Haftbefehl können zu
verlängerter Haftzeit führen, ohne dass die von der Polizei behaupteten
Beschuldigungen vollständig und unabhängig von Gerichten geprüft werden können.
Amnesty international ist auch besorgt über die offenkundig politischen Motive hinter
den kürzlichen selektiven Inhaftierungen und eingeleiteten Verfahren. Obwohl das
behauptete Komplott aus Personen des gesamten politischen Spektrums bestehen soll,
gibt es Berichte, dass vorzugsweise die politische Linke als Ziel wiederholter
Verhaftungen mit einer Vielzahl von gefälschten Beschuldigungen ausgewählt wurde.
Dies wird nahe gelegt durch die Veröffentlichung einer Liste von Verhaftungen von
mehr als 48 prominenter Linker, viele davon Mitglieder legaler politischen Parteien, und
die Art und Weise, wie eine Reihe verschiedener Anklagen erhoben wurden, eine davon
mehr als zwei Jahrzehnte alt (aus der Marcoszeit), um die fortgesetzte Inhaftierung des
73 Jahre alten Parlamentsabgeordneten von Anakpawis, Crispin Beltran, zu
rechtfertigen, der am 25. Februar verhaftet wurde. Der Abgeordnete Beltran leidet an
Herzschwäche und hohem Blutdruck. Nach einer erfolgten Untersuchung durch Ärzte
der Menschenrechtkommission drängt amnesty international darauf, ihn zur
Überwachung und Behandlung in ein Krankenhaus seiner Wahl zu verlegen.
Hintergrund
Präsidentin Arroyo erklärte den Ausnahmezustand am 24. Februar 2006, indem sie auf
eine Verschwörung zum Sturz der Regierung hinwies. Dieser Verschwörung sollten
angehören: Mitglieder der offiziellen Opposition, Rechte, Kommunisten und militärische
Abenteurer.
Mit den Befugnissen des Ausnahmezustandes befahl die Präsidentin den Streitkräften,
alle Formen ungesetzlichen Widerstandes zu verhindern und zu unterdrücken. Die
Polizei erließ Verbote für alle öffentlichen Versammlungen, und es gab Berichte über
die Anwendung exzessiver Gewalt durch eingesetzte Polizei bei der Zerstreuung
friedlicher Demonstrationen. Zusätzlich, nach einer Durchsuchung einer
Zeitungsredaktion, drohte die Polizei Medien, die die Vorschriften der Regierung zu
einer „verantwortlichen“ Berichterstattung nicht beachteten, mit Schließung.
Der Ausnahmezustand wurde nach einer Woche aufgehoben, nachdem die behauptete
Staatstreichgefahr sich verringert hatte und „Recht und Gesetz“ wieder hergestellt
waren. Jedoch warnten Regierungsmitglieder, der Ausnahmezustand werde wenn nötig
wieder verhängt. Damit verbleiben Besorgnisse über die Einschränkung der
Meinungsfreiheit und das Recht auf friedliche Versammlung. Wenigstens sieben
Journalisten sehen Untersuchung einer mutmaßlichen Anstachelung von Aufruhr
entgegen. Am internationalen Frauentag, am 8. März, wurde eine friedliche
Demonstration von Frauen der linken Partei Akbayan und der progressiven Arbeiter
Allianz gewaltsam durch die Polizei zerstreut. Eine Parlamentsabgeordnete und eine
Führerin der Allianz wurden von der Polizei zu einer „Befragung eingeladen“. Die
Arbeiterführerin wurde in Folge wegen illegaler Versammlung angeklagt und inhaftiert.
Inzwischen wurden eine Reihe von Militäroffizieren verhaftet, die verdächtigt wurden,
das mutmaßliche Komplott zu unterstützen. Auch wurden Anklagen gegen Führer
rechtsextremer Gruppen wegen einer behaupteten Beteiligung an der Komplottplanung.
Jedoch bekräftigten Regierungsmitglieder öffentlich ihre Überzeugung, die größte
Bedrohung für die nationale Sicherheit stamme vom kommunistischen Aufstand und
von deren mutmaßlichen Unterstützern in der legalen Linken.
Im weiteren Zusammenhang landesweiter andauernder Aufstandsbekämpfung gegen
Einheiten der Neuen Volksarmee NPA, den bewaffneten Arm der legalen
kommunistischen Partei der Philippinen CPP, wird weiterhin über periodische
Menschenrechtsverletzungen einschließlich willkürlicher Verhaftungen,
außergerichtlicher Hinrichtungen und Folter berichtet. Auch über Verletzungen durch
die NPA, die die Regierung seit den 70er Jahren bekämpft, liegen weiterhin Berichte
vor.
Außer den mutmaßlichen NPA-Mitgliedern sind weitere Personen von
Menschenrechtsverletzungen bedroht. Dazu zählen Aktivisten von Gemeinschaften,
Priester und Kirchenmitarbeiter, Anwälte, Mitglieder legaler linker Parteien (darunter
Anakpawis und Bayan Muna), die von den Behörden als Sympathisanten einer
breiteren kommunistischen Bewegung angesehen werden, sowie Journalisten.
Im Jahr 2005 stieg die Zahl der Opfer von Angriffen und Tötungen unter den
verdächtigten CPP-NPA Sympathisanten steil an. Währen des Jahresverlaufs wurden
eine Reihe von Aktivisten, die mit linken Gruppen in Verbindung gebracht wurden,
erschossen. Die Berichte sprechen von nicht identifizierten Männern als Täter. Örtliche
und andere Beobachter vermuten, dass die Mörder mit dem Militär in Verbindung
stehen. Die Behörden haben es ständig versäumt sofortige, gründliche, unparteiische
und effektive Untersuchungen dieser Verbrechen einzuleiten und die Verantwortlichen
vor Gericht zu stellen. Das hat zu einem Klima der Straflosigkeit auf den Philippinen
geführt.
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