1. DIE GERMANISCHE GESCHICHTE 1. 1. DIE URGESELLSCHAFT Die Geschichte der Menschheit beginnt mit der Steinzeit. 1. In der Altsteinzeit (600 000 - 8 000 v. Chr.) waren die Menschen Jäger und Fischer. Sie kannten das Feuer und waren Allesfresser1. 2. In der Mittelsteinzeit (8000 - 4500 v. Chr.) verschwindet der Neandertaler, der Homo sapiens erscheint. Die Eiszeit ist vorbei, das Klima ist wie jetzt. Der Homo sapiens macht sich aus Steinen und Knochen verschiedene Geräte (Bohrer, Stichel, Meißel, Beile, Speerspitzen u.ä.). 3. In der Jungsteinzeit (4500 - 2000 v. Chr.) beginnt der Ackerbau. Die Menschen züchten schon Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Um 3000 v. Chr. Wird in Sumer das Rad erfunden, das um 2000 v. Chr. auch in Europa verwendet wird. 4. In der Bronzezeit lernten die Menschen, Metallerz zu schmelzen und Kupfer sowie Zinn zu Bronze zu legieren. All das führt zu Anfängen einer Warenproduktion, d.h. zur Produktion solcher Gegenstände, die nicht nur für den Verbrauch, sondern für den Austausch bestimmt waren. 2000 Jahre v. Chr. erscheinen in Europa aus Asien die sog. Streitaxtleute. Es sind Indogermanen. Sie besetzen ganz Europa und vermischen sich mit der urheimischen Bevölkerung. In Nordeuropa siedeln sich die sog. Schnurkeramiker2, die später als Germanen bezeichnet werden , und in Frankreich- und Südeuropa die sog. Bandkeramiker3, die man als Kelten bezeichnet. 5. In der Eisenzeit (750 v. Chr. bis Beginn unserer Zeitrechnung) kommt aus Kleinasien die Technik der Verhüttung von Eisenerzen, und man beginnt, das Eisen bei der Geräte- und Waffenherstellung zu verwenden. Die Kelten bewohnen langsam die heutigen Territorien von England, Frankreich und ostwärts Böhmen, Mähren, Südpolen und Ungarn. Die Germanen leben jenseits der Flüsse Leine und Lippe bzw. des Thüringer Waldes. Archäologische Ausgrabungen zeigen, das dieses germanische Gebiet keinen römischen Einfluß kennt. Wann beginnt die germanische Geschichte? Es gibt zwei Meinungen dazu: a) mit dem ersten Zusammenstoß der Germanen mit den Römern im Jahre 113 v. Chr. b) mit der Völkerwanderung (Tautø kraustymasis) im 4 Jh. n. Chr. Wir schließen uns der zweiten Meinung an. 1. 2. GERMANEN, RÖMER UND CHRISTEN Im Jahre 113 v. Chr. drangen Kimbern und Teutonen in das Gebiet des Römischen Reiches. ''Wie eine Wetterwolke waren sie über Gallien und Italien hereingebrochen. In ungeheurer Menge, gräßlich anzusehen und mit völlig fremdem Stimmenklang und Geschrei'', schrieb Plutarch. Nach dem Kampf knüpften sie Roms Soldaten an Bäumen auf, Pferde wurden ertränkt. Dann zerhackten die Germanen Schmuck und Kettenpanzer römischer Soldaten . Gold und Silber warfen sie in einen Fluss. Zuerst gelang es den Römern nicht, sie zu schlagen. Erst dem römischen Kriegsherrn Marius gelang es, mit 50 000 Berufssoldaten das Germanenheer im Jahre 102 vor Christus bei Aix - en - Provence aufs Haupt zu schlagen. Um 71 v. Chr. versuchten es Sweben (die Schwaben), ins Römische Reich einzudringen, wurden aber zurückgedrängt. Im Jahre 38 v. Chr. entstand das erste Bündnis zwischen den Ubiern und den Römern. Julius Cäsar bezeichnete die linksrheinischen Völker als 'Gallier'' und die rechtsrheinischen als ''Germanen'' . Zu den letzteren gehörten etwa 40 Stämme (Angeln, Reudigner, Warnen, Langobarden, Burgunder, Markomannen, Quaden, Hermunduren, Chatten, Chattuarier, Marser, Cherusker, Brukterer, Usipeter, Tenkterer, Ubier, Sugambrer, Bataver, Chasuarier, Angrivarier, Chauken, Friesen, Chamaven u.a.)1. Es gab damals vermutlich etwa eine bis drei Millionen Germanen2 . 1 Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Neandertaler von 300 000 bis 35 000 v. Chr. Lebten. Dann verschwanden sie aus einem ungeklärten Grunde im Laufe von 5 000 Jahren. Ihren Platz nahm der Homo sapiens ein, der vor 70 000 Jahren in Kenia entstand und sich in der ganzen Welt ausbreitete. Somit war Eva, die erste Frau, schwarz und lebte vor 300 000 Jahren in Kenia. Von ihr stammen der Neandertaler und der Homo sapiens, die eine unterschiedliche genetische Struktur haben. 2 Virvelinës keramikos gamintojai. 3 Juostelinës keramikos gamintojai. 1 Die Germanen nennen sich selbst aber nicht germani, denn jeder Stamm hat seinen eigenen Namen. Heute nennen die Engländer die Deutschen the germans und die Germanen the teutons. Die Franzosen bezeichnen die Deutschen als les allemands (so hieß ein der Nachbarstamm der Franken) und die Germanen als les germains. Germani nannte sich ein Stamm, der hinter Rhein- und Donaugrenze lebte. Kaiser Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.) entwarf den ehrgeizigen Plan, die Grenze des Römischen Reiches bis zur Elbe vorzuschieben. Und so hat er 30 Jahre lang, von 15 v. Chr. bis 16 n. Chr., den Römern den größten und furchtbarsten Krieg aufgezwungen. 15 Legionen (man schrieb das Jahr 15 v. Chr.) marschierten über die Alpen und rückten zur Donau vor. Die Römer befestigten die Donau und gliederten das süddeutsche Gebiet in ihr Reich ein. Im Jahre 12 v. Chr. unterwarfen die Römer die Nordseeküste. 11 vor Christus standen römische Truppen an der Weser. Zwei Jahre später war die Elbe erreicht. 5 nach Christus stieß eine römische Flotte sogar bis zum Skagerrak vor. Um das Jahr 6 n. Chr. befanden sich fast alle germanischen Stämme vom Rhein bis zum Mittel- und Unterlauf der Elbe in römischer Abhängigkeit. Die besiegten germanischen Stämme wurden schwer ausgebeutet. Ein Cherusker, namens Arminius, bemühte sich um den Zusammenschluß der germanischen Stämme gegen die Römer. Arminius kam mit seinem Bruder Flavus als Kind zur Erziehung und militärischer Ausbildung nach Rom. In den Germanenfeldzügen des Tiberius befehligte er die germanischen Hilfstruppen, wofür er mit dem römischen Bürgerrecht und der Ritterwürde ausgezeichnet wurde. Nach der Rückkehr zu seinem Stamm stellte er sich an die Spitze einer Verschwörung gegen den römischen Statthalter Publius Quinctilius Varus (lit. Varonas), der das römische Verwaltungs-, Steuer- und Rechtssystem in Germanien einzuführen versuchte. Arminius lockte ihn mit 25000 Elite - Legionären in einen Hinterhalt im Teutoburger Wald und vernichtete sie alle. Um nicht unter dem Opfermesser germanischer Priester zu sterben, stürtzte sich der römische Statthalter Varus ins eigene Schwert. Der Versuch, den Feldherrn noch schnell zu bestatten, mißlang. Chatten, Brukturer und Cherusker stürmten den Scheiterhaufen und schlugen der halbverkohlten Leiche den Kopf ab. Allerdings gelang es Arminius nicht, nach dieser Varus - Schlacht im Jahre 9 n. Chr. einen allgemeinen Aufstand der Germanen gegen Rom auszulösen. Zehn Jahre später wurde Arminius ermordet3. Bisher wußte niemand, wo die Varus - Schlacht stattgefunden hatte. Erst 1987 tat sich eine Spur auf. Der Hobby - Archäologe A. Clunn war bei Kalkriese nahe Osnabrück (80 km vom Hermannsdenkmal entfernt) auf römische Silbermünzen gestoßen. Im Jahre 16 n. Chr., sieben Jahre nach der Niederlage in der Varus - Schlacht, schickten sich die Römer, den Rest Germaniens zu erobern. Acht Legionen (50 000 Schwerstbewaffnete) standen dem Feldherrn Germanicus zu Gebote. Auf 1000 Kriegsschiffen drangen die Römer in die Mündung der Ems vor. Hier kam es zur offenen Feldschlacht. Die Barbaren mussten eine schwere Niederlage einstecken und flohen. Germanicus verfolgte sie. Die Soldaten zogen durch die Wälder Hessens und Niedersachsens, aber die Germanen waren nirgendwo zu sehen. Die Germanen gingen zur Partisanen - Taktik (wie die Altlitauer im Kampf mit den Kreuzrittern) über, indem sie geschickt den Schutz der Wälder und der Sümpfe nützten. Schließlich zog sich Germanicus unter schweren Verlusten aus dem Barbarenland zurück. Die Germanen blieben unbesiegt. Das war der Wendepunkt der römischen Germanenpolitik. Für immer gaben die römischen Kaiser ihr Vorhaben auf, die wilden Germanen zu unterwerfen und sie dazu zu zwingen, Tribut zu zahlen. Eine Entscheidung von historischer Bedeutung: Nie wurde Nordeuropa romanisiert, nie wurden jene germanischen Stammesfürsten besiegt, die zwischen Hessen, Jütland und Pommern herrschten. Daraus entstand die Legende über die deutsche Überlegenheit. Seit dem Jahre 16 n. Chr. gab es beinahe keine kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern. Eine gewisse Rolle erfüllte dabei der Limes1. Es war ein mit Kastellen, Wällen, Gräbern und Palisaden geschützter Verteidigungswall, vom Rhein südlich Bonn zur Donau nahe Regensburg. Der Limes wurde unter Domitianus seit 84 angelegt. Er wurde erst 260 von Alemannen überrannt und von den Römern aufgegeben. Reste der Limes - Anlagen sind noch heute in Südwestdeutschland zu sehen. Bis zum heutigen Tag war die Frage nicht beantwortet, wo die Heimat der Germanen lag. Man sagte einfach - in Skandinavien. Die neue Theorie über das Ursprungsgebiet der Germanen hat der Sprachforscher Jürgen Udolph vorgelegt1. Er behauptet: ''Die Keimzelle der germanischen Kultur lag zwischen Harz, Rhön und Erzgebirge.'' Udolph hat 11 000 deutsche Dorf- und Gewässernamen ethymologisch untersucht. Im Harz gibt es z. B. zahlreiche Dörfer mit typisch germanischen Endungen wie -ing und -ung, aber auch Ortsbezeichnungen, die aus den germanischen Wasserwörtern Fenn (Moor), Hor (Sumpf) oder Riede In der Spätantike bezeichneten die Römer die Germanen nur als Barbaren. Als Barbaren bezeichneten sie aber auch Sarmaten, Hunnen, Alanen u.a. 2 Zur selben Zeit hatte allein Rom eine Million Bewohner. 300 000 Legionäre standen im Römischen Reich von Schottland bis Armenien unter Waffen. 3 1875 baute man auf einem Gipfel des Teutoburger Waldes bei Detmold eine 57 m hohe Hermann - Statue (so wurde fälschlich Arminius genannt), denn man sah im 19. Jh. in dem Cheruskerfürsten einen Kämpfer für die deutsche Einheit und Freiheit. 1 Lateinisch ''der Grenzweg'', d. h. die Reichsgrenze. Die römische Reichsgrenze betrug damals 15 000 km, der Limes 584 km. 1 J. Udolph: Namenkundliche Studien zum Germanenproblem. Walter de Gruyter. Berlin, N. York, 1996, 1036 S. (Bachlauf) gebildet wurden. Andere Siedlungsnamen wiederum enthalten germanische Grundwörter wie hude, -leben, -loh oder -horst. Im 3. - 4. Jh. n. Chr. führte der Zerfall des Römischen Reiches zu einem allmählichen Rückzug der Römer aus den Rheinprovinzen. Mittlerweile schlossen sich germanische Stämme jenseits des Limes zu mindestens acht Großstämmen (Sachsen, Friesen, Franken, Alemannen, Goten, Wandalen, Angeln und Jüten) zusammen. Aus ihnen bildeten sich Völkerschaften, die eine gewisse historische Tradition und Stabilität besaßen und eine gemeinsame Sprache sprachen. Mittlerweilen kämpfen die Anhänger des Christentums im Römischen Reich um ihren Glauben. Bei den Germanen fand der christliche Glaube Eingang in Gestalt des Arianismus. Die Arianer nannte man Anhänger des Presbyters Arius ( um 260 - 336). Arius lehrte, der geborene Sohn (Christus) könne dem ungeborenen Vater (Gott) nicht wesensgleich (d.h. gottgleich, ewig und dem Gott - Vater gleichgestellt und gleichrangig) sein; sie bilden keine Wesenseinheit, vielmehr sei der Sohn Geschöpf des Vaters und ihm untergeordnet. Es kam zu theologischen Auseinandersetzungen. Erst im Jahre 360 n. Chr. , auf der Synode von Konstantinopel, siegte die theologische Formel von der Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater. An dieser Synode nahm auch der Gotenbischof Wulfila teil. Er hat noch im Jahre 350 die Bibel ins Gotische übersetzt und den Arianismus unter den Goten verbreitet. Auch andere germanische Stämme haben den Arianismus übernommen und bis zu ihrem Übertritt zum Christentum bewahrt (die Langobarden bis zum Ende des 7. Jhs.). 394 setzte Kaiser Theodosius I. das Christentum als römische Reichsreligion durch. Nach dem Tod Theodosius zerfällt das Römische Reich in zwei Reichshälften - ins Weströmische Reich und ins Oströmische Reich. Aber die Trennung der Verwaltung des Westens von der des Ostens berührte nicht die Einheit des Römischen Reiches. Der verschwundene Kaiser (siehe unten) des westlichen Gebietes des Imperiums wurde durch den römischen Kaiser ersetzt, der seither an der Spitze der Welt stand. Die germanischen Könige räumten dem Kaiser eine Art Primat über sich ein. Auch für den Papst blieb der Kaiser der legitime Monarch. Die weströmische Kirche entwickelte vom 5. bis 9. Jh. den römischen Glauben (fides romana): Im Himmel sitzt der Kaiser - König Gott, sein Vertreter auf Erden sei Kaiser oder König, der durch seinen Klerus sein Volk leite. Solche religiösen Vorstellungen entsprachen genau der Lebensweise der Germanen. Denn die Germanen wählten immer den besten Krieger zum Führer (d.h. zum Stammesherzog) und bildeten seine Gefolgschaften. Auf diese Weise wurde die Voraussetzung geschaffen, die Germanen im 7. Jahrhundert zu christianisieren. 1. 3. DIE VÖLKERWANDERUNG (375 - 486) Rund 300 Jahre schützte der Limes - Schutzwall das Römische Reich gegen die wilden Germanen. Im Jahre 260 wurde er von den Alemannen überrannt. Rom erlahmte unter dem Ansturm der jähzornigen Plünderer. Beim Überfall römischer Anwesen töteten die blonden Wilden die Bewohner mit Äxten, Frauen wurden skalpiert, die Leichen zerstückelt und in die Hofbrunnen geworfen. Der Grund für den Massenansturm auf römisches Gebiet war wohl das Klima. Um 300 n. Chr. wurde es in Nordeuropa kühler und feuchter. Im 4. Jahrhundert steigt der Meeresspiegel deutlich an. Die Nahrungsgrundlagen schwinden, ständige Stammeszwiste sind die Folge. Auf dem Höhepunkt der Krise machten sich die Angeln, Jüten und Sachsen davon. Sie setzten im 5. Jh. in großer Zahl nach England über. Benutzt wurden dabei grob beplante Ruderboote. 375 fallen die Hunnen ins Römische Imperium ein, die unterwegs das Reich der Alanen am Kaspischen Meer und das südrussische Reich der Ostgoten zerstört haben. Die Hunnen waren ein Turkvolk, das vom Asowschen Meer bis zu China lebte 1 . Hungersnot trieb sie westwärts. Vom oströmischen Kaiser erzwangen sie hohe Tributzahlungen. Trotzdem entschließt sich 434 der Hunnenkönig Rugila, Byzanz anzugreifen, aber in der Nacht vor dem Angriff fährt ein Blitz in sein Zelt. Rugila verzichtet aus Gottesfurcht auf den Angriff. Dank diesem Ereignis konnte das Byzantinische Imperium noch etwa 1000 Jahre weiterexistieren, bis die Osmanen ihm 1453 das Ende gelegt hatten. Als Rugila stirbt, tötet Attila (in der Nibelungensage wird er König Etzel genannt) seinen Bruder und wird Alleinherrscher. Fr. Engels schreibt: ''Die Hunnen erklommen die letzte und oberste Stufe barbarischer Existenz und waren den Griechen der heroischen Zeit (d.h. Belagerern Trojas) ähnlich. Ihr Hauptverdienst besteht in der Vernichtung der Sklavengesellschaft in Europa.'' Die Hunnen waren ebenso wie die Spanier in der Neuzeit und die SS - Leute in Hitlerdeutschland von Gold besessen. Zuerst plündert Attila den Balkan aus, verschont aber die Byzanz, weil er von ihr 2500 kg Gold als Lösegeld bekommt. Um 450 ist ganz Europa sein Vasall: Gepiden, Ostgoten, Skiren, Heruler, Thüringer u.a. Nur Alemannen bleiben neutral. Attila beschließt, Westrom zu vernichten. Seine Armee sollte minimal 60 000 , maximal 400 000 Mann enthalten. 451 verwüstet er Gallien und zerstört Trier. Die Römer unter 1 N. Schreiber: Die Hunnen. Attila probt den Weltuntergang. Econ - Verlag Düsseldorf, Wien, 1976. Feldherrn und Patricius Aetius treten 451 mit den Westgoten unter Theoderich I. , den Franken und Burgundern seinem hunnisch - germanischen Heer auf den Katalaunischen Feldern (in der Gegend von Troyes, Champagne) entgegen. In dieser Schlacht entscheidet sich das Schicksal Europas. Theoderich I. kommt ums Leben, aber Attila wird besiegt. Hätte Attila gesiegt, wäre ganz Europa heute von Asiaten bewohnt. 60 000 Tote bleiben auf dem Feld. Attila gelingt es zu entkommen. Attila bedankt sich auf seine Weise: Er sammelt eine neue Armee auf und verwüstet Mailand, Pavia und Aquitea. 453 heiratet Attila eine seiner Geliebten, Kriemhild, betrinkt sich auf der Hochzeit besinnungslos und bekommt Bluterguß2 . Nach Attilas Tod zerfällt das Hunnenreich rasch. Die Hunnen bleiben in Pannonien leben und werden im 10. Jh. von Kaiser Otto I. christianisiert3 . Zurück zum Jahr 375. Der Angriff der Hunnen nach dem Westen, die Hungersnot und die schlechten Wetterbedingungen zwangen viele germanische Stämme, fluchtartig ihre Wohnplätze zu verlassen, was eine Kettenreaktion auslöste. Die Völkerwanderung begann. Sie erreichte ihren Höhepunkt im 5. Jahrhundert. Die Germanen ziehen in Richtung Süden. Unter dem Ansturm der Massen bricht das Imperium Romanum schließlich zusammen. Von den Hunnen zerschlagen, zerfallen die Goten in zwei Gruppen. Die erste Gruppe, von den Historikern Westgoten genannt, zieht nach Westen. Ihr Anführer Frithigern erhält 376 von Kaiser die Erlaubnis, sich auf dem Balkan, in Thrakien, anzusiedeln. Der nächste Anführer, Alarich, wird 395 zum König erhoben. 15 Jahre später fällt König Alarich in Italien ein und plündert im Jahre 410 Rom. Nach Alarichs Tod wenden sich die Westgoten Südgallien zu und errichten als Verbündete Roms 419 das Westgotenreich mit der Hauptstadt in Tolosa (heute: Toulouse) , das sich allmählich bis nach Spanien ausdehnt. Im Kampf gegen die Franken (507) fast ganz auf Spanien beschränkt, erlegen sie 711 dem Ansturm der Araber. Die zweite Gruppe der Goten, Ostgoten genannt, zog nach Pannonien (Ungarn). Der Anführer der Ostgoten, Theoderich, wurde vom oströmischen Kaiser Zenon zum König erhoben. Die Armee der Ostgoten war sehr stark, deshalb hatte der Kaiser Angst vor den Ostgoten, die jede Sekunde Byzanz angreifen könnten. Nach dem Westgoteneinfall in Italien überschritten auch Sweben, Wandalen, Burgunder und Alanen die Reichsgrenze und wanderten 409 nach Spanien ab. Die Burgunder erhielten durch einen Bündnisvertrag mit Rom (413) das Gebiet um Worms, nach einer schweren Niederlage gegen die Hunnen (436) wurden sie in Savoyen angesiedelt. Die Wandalen und Alanen unter Geiserich setzten sich 429 nach Nordafrika über und eroberten es bis 439. Das Wandalenreich brach 534 zusammen, als die Wandalen gegen den byzantinischen Feldherrn Belisar verloren. Die Sweben zogen nach Spanien und gründeten hier 438 ihr swebisches Königreich (heute: Portugal). Sie haben ihre alte Gesellschaftsordnung mit Volksversammlung (Thing) erhalten, wurden aber 585 von den militärisch stärkeren und ökonomisch weiter entwickelten Westgoten erobert und damit Bestandteil des Westgotenreiches. Im römischen Heer dienten viele Germanen, darunter der Skire Odoaker. Er machte einen militärischen Putsch, stürzte 476 den letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus und versetzte der Weltmacht den Todesstoß. Das Zeitalter der Antike war beendet. Seit dieser Zeit ist der oströmische Kaiser der Alleinherrscher in Europa. Er schickte Odoaker das purpurrote Gewand des römischen Königs (d.h. er hat die Macht Odoakers anerkannt und ihn zum König erhoben), aber Odoaker schickte das Gewand nach Konstantinopel zurück. Jetzt versuchte der Kaiser , seine Herrschaftsansprüche über Italien geltend zu machen. Er beauftragte Theoderich, den König der Ostgoten, in Italien einzudringen und Odoaker zu vernichten. Denn dadurch konnte er auch Theoderich loswerden. König Theoderich drang 488 in Italien ein. Nach jahrelangen Kämpfen, unter anderem um Odoakers Hauptstadt Ravenna1 , einigte sich der Ostgotenkönig zum Schein mit seinem Rivalen auf eine gemeinsame Herrschaft, doch kurz darauf (493) ermordete er Odoaker und gründete in Italien das Ostgotenreich (493 553). Im Jahre 497 nahm Theoderich das purpurrote Gewand des Königs vom oströmischen Kaiser an und wurde Herr Italiens. König Theoderich der Große hat vieles geleistet: 1. Er hielt die Ostgoten von der lateinischen Bevölkerung getrennt; 2. Er konzipierte als erster Germane eine Reichs - Politik ; er sei der geistige Vater Karls des Großen. Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter des Mittelalters, läßt Theoderichs Statue inmitten seiner Ahnen um sein Grabmal in Innsbruck aufstellen; 3. Er ist Protogonist der Bündnisund Heiratspolitik. Nach dem Tode Theoderichs (526) hatte sein Lebenswerk leider keinen Bestand. Das Ostgotenreich wurde von den oströmischen Feldherren Belisar und Narses unter Kaiser Justinian vernichtet. 2 In der Kriemhildsage erzählt man dagegen, Kriemhild sei Burgunderin gewesen und habe Attila aus Rache erschlagen, weil Attila 436 das Burgunderreich vernichtet hat. 3 Das sind die heutigen Ungarn. 1 Die ''Rabenschlacht'' in der Sage um Dietrich von Bern. Der Großverband der Franken unterwarf nach dem Untergang des weströmischen Reichs 476 das nördliche Gallien bis zur Loire. 486 entsteht in Gallien das Merrowingerreich der Franken. Das ist der Anfang des Mittelalters. 1. 4. MITTELALTER (486 - 1500) 1. 4. 1. ALLGEMEINE ZÜGE DES MITTELALTERS Das Mittelalter besteht nach Marx, Freud und Einstein aus vier Elementen: 1. Einer griechischen und hellenistischen Geistesbildung (vermittelt durch östliche Christen, Juden und Araber); 2. Einer römischen politischen Bildung und Rechtskultur (vermittelt durch die römische Kirche und eine laikale italische städtische Zivilisation); 3. Einer christlichen religiösen Kultur; 4. Völkischer Eigenart der ''Barbaren''. Diese vier Elemente und ihr Zusammenstoß machen Europa zur Mutter der Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts, die auf den Aufständen, Rebellionen und Auseinandersetzungen des 8. bis 18. Jh. basieren. Die wichtigste Voraussetzung für das Verständnis der Geschichte Europas ist die, dass alle bedeutendsten historischen Phänomene und Prozesse multikausal und multivalent sind . Die Geburtshelfer des westeuropäischen Mittelalters sind Byzanz und Islam. Byzanz war eine Handelsstadt der Altgriechen am Bosporus, um 660 v. Chr. gegründet, 330 n. Chr. von Konstantin dem Großen als Konstantinopel (heute: Instanbul) zur Reichshauptstadt des Oströmischen Reiches erhoben. Konstantinopel behauptete sich ankämpfend gegen Germanen, Araber, Perser und Türken bis 1453. Für die Franken2 ist Konstantinopel (Konstantinopel ist eine Millionenstadt ; die größten Städte Westeuropas haben im 9. - 12. Jahrhundert nicht mehr als 50 000 Einwohner) die Weltstadt des Mittelalters, die Traumstadt der Welt, der größte Handelsplatz des Mittelalters, der größte Hafen der Welt. Konstantinopel beherbergt zwei Drittel des Reichtums der damaligen Welt. Konstantinopel ist das Zentrum der Wissenschaft und der Kultur. Das Byzantinische Reich ist dem Weströmischen Reich an Kultur und Kunst weit überlegen. Als die Franken 1204 Konstantinopel vernichten, verbrennen sie die Schriften der Griechen1 und der hellenistischen Autoren, - das ist das größte Vernichtungswerk der Weltgeschichte, die Bücherscheiterhaufen von Nazis 1933 sind im Vergleich dazu einfach lächerlich. Das ist die Rache Westroms für das offen ausgesprochene Superioritätsbewusstsein der Byzantiner, die in den Franken ungebildete Barbaren sehen. Islam war nicht so sehr der ständige Feind der westlichen Christenheit, sondern vielmehr der Schöpfer einer Kultur2 , die vom 8. Bis 12. Jh. Europa unersetzlich befruchtete. Ohne arabischen Einfluss gäbe es keine europäische Dichtung zwischen den Troubadouren, Trouvers und Dante, es gäbe keine Universitäten, keine europäische Theologie und Philosophie eines Albert Magnus, Thomas von Aquin, Roger Bacon, Meister Eckhart. Im arabischen Spanien entsteht die ''Welt der drei Ringe'': eine fruchtbare Koexistenz und Symbiose einer arabisch - islamischen, jüdischen und christlichen Geisteswelt und Lebenskultur, die in der europäischen Aufklärung des 18. Jh. ihre Wiedergeburt erlebt3. Der Vorstoß des Islam nach Europa (711) bringt jähe Folgen für europäische Geschichte: 1. Der Islam zerbricht die antike Geschichte. Sie ist nun endgültig zu Ende; 2. Nach der arabischen Eroberung Nordafrikas sind der christlichen Welt nur Italien und die nördliche Küste des Mittelmeeres übriggeblieben, der Rest gehörte dem mächtigsten Herrn aller Epochen dem Kalifen von Bagdad; 3. Der Islam führte neue Ordnung ein, in der Kirche und Staat eine Einheit bildete; 4. Das ganze Leben wurde den Grundsätzen des Korans4 von Grund auf angepasst. Von der früheren Verwaltung, Justiz, Wirtschaft usw. blieb nichts übrig. Das mohammedanische Recht ersetzte das römische, die arabische Sprache verdrängte die griechische und die lateinische; 5. Die Araber als Nomaden übernahmen den geistigen Reichtum des Römischen Reichs, seine landwirtschaftlichen, handelsmäßigen und gewerblichen Methoden und passten alles den eigenen Lebensformen an. Auf dem geistigen Gebiet machte die mohammedanische Kultur keinen tiefen 2 So nennt Ostrom alle Westeuropäer. So nennt Westrom die Byzantiner. 2 Islam hat nach Europa gebracht: künstliche Bewässerung, neue Pflanzen und Obstsorten, städtische Kultur, Chemie und Alchemie, Astronomie und Astrologie Mathematik und Physik, Medizin und Spitalspflege, Geographie und Geologie, Philosophie und Theologie, Musik und bildende Kunst. 3 So z.B. in ''Nathan der Weise'' von Lessing. 4 A. Schimmel: Der Islam. Eine Einführung. Philipp Reclam Jun. Stuttgart, 1991.; A. Th. Khoury, L. Hagemann, P. Heine: Islam - Lexikon. Geschichte - Ideen - Gestalten. Bd. 1 -3, Herder: Freiburg, Basel, Wien, 1991. 1 Einfluss auf europäische Völker; 6. Anders war es aber auf wirtschaftlichem Gebiet. Die Araber wurden durch ihre Kontakte zwischen dem Westen und dem Osten (China, Indien) zu unentbehrlichen Vermittlern. Sie brachten nach Afrika und Europa Zuckerrohr, Reis, Baumwolle, Seide, Papier, Kompass und Schießpulver. Die Mohammedaner schufen Häfen und Stützpunkte, Städte und Handelszentren. Alle großen Seewege waren in ihren Händen; 7. Das Zentrum Europas war seit Jahrtausenden das Mittelmeer. Es gehörte jetzt den Mohammedanern. Das Zentrum Europas wurde nun Frankenreich - das bedeutendste weltgeschichtliche Ergebnis der arabischen Eroberungen. 1. 4. 2. FRÜHMITTELALTER. 1. 4. 2. 1. MEROWINGERREICH DER SALISCHEN FRANKEN (486 - 751) Der erste Frankenkönig5 war ein Salier namens Childerich. Sein Sohn Chlodwig (482 - 511) , der mit seinem Stamm in der Gegend des heutigen Belgien lebte, war ein echter Schurke : Er schloss Verträge und brach sie gleich, befreundete Herzöge und Könige beseitigte er beim geselligen Umtrunk. Er gelobte, sich taufen zu lassen, falls ihm der Christengott den Sieg gegen die Schwaben schenkte. Und er bekam ihn. Nach dem Sieg trat er 498 zum römisch - katholischen Glauben über. Die Folge war, dass nur die Franken im Frühmittelalter mit Hilfe der weströmischen Kirche einen mittelalterlichen feudalen Statt aufbauen konnten. Der byzantinische Kaiser verlieh ihm wie seinem Stellvertreter in Europa den Titel ''Konsul''. Ungeachtet der Taufe ließ Chlodwig alle seine Verwandten heimtückisch umbringen. Seine vier Söhne setzten das Morden fort, so dass die Geschichte der Merowinger eine einzige Folge von Heimtücke und Grausamkeit ist. Die Frauen waren dabei noch schlimmer als Männer1 . Wie war die Lage der weströmischen Kirche nach dem Untergang des Römischen Reiches? Obwohl die katholische Kirche tief gesunken war, blieb sie die große und die einzige kulturelle Macht jener Zeit (5. - 7. Jh.). In ihr allein lebte die römische Tradition weiter, und dies verhinderte den Rückfall Europas in die Barbarei. Die Kirche hatte geschulte Menschen, die dem Staat fehlten. Inmitten des politischen Chaos bewahrte die Kirche ihre einfache und feste Struktur. Sie behielt die gleichen Grundsätze, das gleiche Recht und die gleiche Sprache. Sie besaß das Monopol des Wissens: ihre Schulen waren die einzigen Schulen, ihre Bibliotheken auch. Ohne Klerus funktionierte nichts. Dabei war die Kirche kein Untertan des Staates. Sie besaß weiterhin große Eigentümer und zahlte keine Steuern. Deswegen überstand die Kirche die Eroberung des Römischen Reichs durch die Germanen und Araber problemlos. All dies trug zum Aufstieg der Päpste und des Mönchtums zu geschichtlicher Macht bei. Die Mönche bekehrten zuerst die Angelsachsen zum Christentum, diese dann die Germanen und Skandinavier. Zugleich brauchte die Kirche ihre Beschützer. Das konnte nur der König (oder später der Hausmeier) der Merowinger sein. Das Merowingerreich hielt sich mehr als 250 Jahre, bis die Merowingerherrscher nicht von dem Geschlecht der Karolinger verdrängt wurden. Die Karolinger waren die königlichen Hausmeier, die Leiter der damaligen ''königlichen Regierung'' in den einzelnen Reichsteilen und zugleich Vertreter der Aristokratie des jeweiligen Landes. 613 wird der karolingische Hausmeier Pippin der Ältere erwähnt. 687 besiegt Pippin der Mittlere seine Konkurrenten und wird zum mächtigsten Hausmeier der Karolingerdynastie. 711 landen die ersten Musulmanen in Spanien. 732 gelingt es Pippin , Karl Martel, die Araber zwischen Tours und Poitiers zu schlagen. 751 erlaubt Papst Zacharias dem Sohn Karl Martels, Pippin dem Kleinen, sich weströmischer König zu nennen. Pippin der Kleine lässt den letzten merowingischen Herrscher, Childerich III., in einem Kloster unterbringen. Mitte des 8. Jh. war das Papsttum in Rom bedroht: von Norden durch die Langobarden und von allen anderen Seiten durch Byzanz. Papst Stephan II. brauchte unbedingt ein Schutzbündnis mit den Karolingern. Dieses Schutzbündnis, die Pippinische Schenkung genannt, wurde 754 unterzeichnet. Seine Bedeutung besteht in folgendem: 1. Der Frankenkönig verpflichtet sich, die weströmische Kirche überall und immer zu schützen. Die defensio ecclesiae Romanae wurde zur Hauptaufgabe des abendländischen Kaisertums; 2. Der Frankenkönig schenkt dem Papst die früheren byzantinischen Gebiete (Rom und alle Provinzen Italiens). Später hat die Kurie in Rom die Fälschung der ''Konstantinischen Schenkung'' (Konstantin war oströmischer Kaiser) angefertigt, in der dem Papst auch eine kaisergleiche Rangstellung verliehen wird. 5 1 Der Name ''Franke'' erschien im 3. Jh. und bedeutete ''der Freie''. Kein Mensch ist, z. B. im Nibelungenlied, so rücksichtslos und erbarmungslos wie Brunhilde. Sie ist eine typische germanische Frau des 5. - 9. Jhs. Damit war die Rechtsbasis für die Errichtung des Kirchenstaates und für alle späteren päpstlichen Ansprüche geschaffen. 1. 4. 2. 2. WELTREICH DER KAROLINGER (751 - 911) Als Pippin der Kleine 768 starb, regierten die Brüder Karlmann und Karl das Karolingerreich. Als Karlmann 771 starb, übernahm Karl auch die Herrschaft in Karlmanns Gebieten. Seine Gegner waren Langobarden, Awaren und Araber. 774 besetzte Karl die Hauptstadt der Langobarden Pavia (in Oberitalien), 778 führte er einen erfolglosen Feldzug gegen die Araber in Spanien, der mit einer schweren Niederlage durch die Basken auf dem Rückzug endete (Darüber erzählt Chancon de Roland. Roland war bretonischer König, Neffe von Karl. Nach der Ermordung von Roland werden die Basken zu flammenden Nationalisten und Chauvinisten. Sie kämpfen bis zum heutigen Tag um ihre Unabhängigkeit). Die Sachsen kämpften besonders hartnäckig kämpften gegen Karls Versuche, sie zu taufen und zu unterwerfen. Karl führte sein Heer gegen die Sachsen 772, dann 775 und 782 aus. Im Jahre 782 brach ein Aufstand der Sachsen unter Widukind aus. Widukind vernichtete ein fränkisches Heer. Karl entsandte eine Strafexpedition, Widukind floh. Bei dem Strafgericht in Verden an der Aller wurden 4500 Sachsen hingerichtet1. Karl erläßt die Anordnung, dass jeder Sachse, der sich gegen das Christentum stellt und christliche Gebote nicht beachtet, den Tod erleiden soll. Wer sich nicht taufen lässt, muß hingerichtet werden. 792 erheben sich die Sachsen noch einmal. Karl greift nach Massendeportationen. Er übersiedelt die Hälfte der Sachsen ins Gebiet , wo heute Leipzig und Dresden liegen2. Das sächsische Gebiet überlässt er dem slawischen Stamm der Abodriten. 795 greift Karl die Awaren an und erobert den unermeßlichen Awarenschatz. Der silberne und goldene Awarenschatz begründet Karls Reichtum. Er wird dadurch zu einer Finanzmacht. Nur Byzanz hat mehr Gold. Das Reich Karls drang nun zu einer universalen Anerkennung, wie sie bisher allein der Kaiser in Byzanz beanspruchen konnte. Karl forderte Gleichrangigkeit mit dem oströmischen Kaiser, er betonte die Selbständigkeit der westlichen Kirche gegenüber Byzanz. Auch im Pfalzbau zu Aachen (Pfalz = Palast) und in der Staatssymbolik stellte Karl die Gleichrangigkeit mit Byzanz heraus. Der Papst unterstützte diese Emanzipationsbestrebungen. Er übertrug Karl die vollen Rechte eines ''römischen Patriziers''3. Schließlich wurde Karl im Jahre 800 zum weströmischen Kaiser vom Papst gekrönt und gesalbt. Erst 812 akzeptierte der Kaiserhof in Konstantinopel den Kaisertitel von Karl. In Aachen wurde ein Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Kaisern unterzeichnet. Er markierte den Beginn des großen Ost - West - Konfliktes in Alteuropa, den Zusammenstoß des lateinischen und des griechischen Europa, der bis heute wirksam ist. Das Großreich Karls des Großen hat die Strukturen Westeuropas bis zum 20. Jh. vorgeprägt. Es reichte von den Pyrenäen bis zur Elbe und umfaßte 15 Mio Menschen, seine Fläche betrug 135 000 km2. Karls Armee zählte 3000 gepanzerte Reiter und 6000 bis 10 000 Mann Fußvolk. Die Ausrüstung und Bewaffnung eines Panzerreiters kostetenn so viel wie 20 Kühe4. Karl der Große unternimmt bestimmte Reformen: 1. Kaiser ist Oberhaupt des Reiches und der Kirche. Er verfügt über den königlichen Bann. Dem Bann verfallen seine Untertanen, die Kirchen und die Geistlichkeit, der weltliche Adel und die Armen. Dem Bann vefällt jeder, der seine Treuepflicht verletzt. Die Treue verlangt: a) auf gebotenen Gerichtstagen zu erscheinen; b) sich an den festgesetzten Heereszügen zu beteiligen. 2. Die Streitfälle zwischen Bischöfen, Äbten und Grafen sowie hohem Adel soll das Königliche Gericht entscheiden. Für die Lösung aller anderen Streitfälle sind die Grafen in ihren Provinzen verantwortlich (> Grafschaftsgerichte). Die Arbeit von Grafen wird von kaiserlichen Boten kontrolliert; 3. Im Jahre 802 wird der öffentliche Eid eingeführt, den alle vom 12 Lebensjahr an schwören sollen. Die Untertanen verpflichten sich: a) Den Kaiser zu unterstützen; 1 Die Hervorhebung dieses Massakers und die Sehnsucht der Rache verhalfen Hitler 1932 in Braunschweig, Mitglied des Reichstages zu werden. 2 Auf diese Weise entstehen zwei Gebiete, in denen die Sachsen leben: Niedersachsen in Westdeutschland und Sachsen in Ostdeutschland. 3 Das bedeutet, dass Karl nicht mehr ein Barbar, sondern ein römischer Aristokrat ist und römischer Kaiser werden darf.. 4 Die Sachsen müssen jährlich einen Tribut von 500 Kühen an Karl zahlen. b) c) d) e) f) g) Nichts zu stehlen; Kirchen, Waisen, Witwen und Kinder nicht zu berauben und ihnen kein Unrecht anzutun; Sich die Lehen nicht anzueignen; Am Heereszug teilzunehmen; Den Befehlen des Kaisers zu gehorchen; Den Kaiser bei Gerichtsversammlungen zu unterstützen. Auch der Kaiser hat seine Pflichten und Rechte. Seine Pflichten sind: a) Dafür zu sorgen, dass jeder Untertan gemäß seinem Stand lebt; b) Kirchen, Waisen, Witwen und Kinder zu schützen; c) Dafür zu sorgen, dass jedem sein Recht werde. Seine Rechte sind: a) Auf die Unversehrtheit seines Grundbesitzes zu achten, weil ihm alle Lehen gehören; b) Zum Heereszug aufzurufen; c) Bei Bann und Befehl zu gebieten. Dabei gelten für die Bewohner das römische Recht, für die Geistlichen das kanonische Recht. Die historische Bedeutung des Karolingerreiches: 1. Der Schwerpunkt des politischen Geschehens verlagerte sich vom Mittelmeer in den germanisch romanischen Norden. Aachen wurde zur Hauptstadt dieses barbarisch - weströmischen Reiches; 2. Das Bündnis zwischen dem Papsttum und den Karolingern (754) und die Bildung des Kirchenstaates in Italien führten zum Kampf zwischen geistlichen und weltlichen Mächten und bestimmten die weitere Geschichte des Abendlandes; 3. Das Kaiserreich Karls des Großen verstärkte die Einheit Europas und gab Europa mit der Synthese verschiedenster Elemente verschiedener Kulturen seine unverwechselbaren kulturellen Grundlagen; 4. Die monarchisch - aristokratische Herrschaftsordnung des Frankenreiches prägte die innere politische und gesellschaftliche Ordnung Europas im Mittelalter (vor allem in Deutschland) und wurde in manchen Staaten erst durch die moderne Demokratie abgelöst. Nach dem Tode Karls des Großen regiert Kaiser Ludwig der Fromme. Als er stirbt, erbt der älteste Sohn Lothar1 den Kaisertitel, die jüngeren Söhne werden Unterkönige: Pippin in Aquitanien, Ludwig (der Deutsche) in Bayern. Aus der zweiten Ehe Lothars mit der Welfin Judith2 geht Karl der Kahle hervor, dem Lothar, ungeachtet der Nachfolgeordnung, den Vorrang vor Pippin und Ludwig zu sichern sucht. Es kommt zum Bruderkrieg. Während des Bruderkrieges sterben Kaiser Ludwig der Fromme und Pippin natürlichen Todes. Im Vertrag von Verdun 843 wird das Reich geteilt: Ludwig der Deutsch bekommt den Großteil der deutschen Lande3 , Karl der Kahle den Großteil der fränkischen Lande4, dazu die bretonischen und baskischen Gebiete, Kaiser Lothar bekommt die Kaiserstädte Rom und Aachen, das fränkische Kerngebiet um Maas und Mosel (d.h. Lothringen), Burgund und Italien sowie als Kaiser die nominelle Oberhoheit über das Gesamtreich. Als Kaiser Lothar 855 starb (seine drei Söhne waren inzwischen schon verstorben), teilten Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle im Vertrag von Meersen 870 das Reich unter sich auf. Friesland und Lothringen (seit 880 nach dem Vertrag von Ribemont) wurden dem ostfränkischen Reich zugeteilt. Damit war die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich im Mittelalter gezogen. Sie war weitgehend identisch mit der Sprachgrenze. Ludwig der Deutsche erbte sein ostfränkisches Reich an die drei Söhne, zwei von denen kurz danach starben. Karl der Dicke blieb 884 Alleinherrscher und hatte die Möglichkeit, das Reich Karls des Großen wieder in eine Hand zu bekommen. Aber er war so völlig unfähig und feige, dass man ihn in allen drei Teilen des Reiches in aller Ruhe absetzte. Er verpasste die letzte Chance, die Einheit des Reiches zu sichern. Die drei Teile trennten sich wieder und wählten eigene Könige. Die Germanen wählten Ludwig das Kind , der von 900 bis 911 regierte. Als er 911 kinderlos starb, erlosch das Geschlecht der Karolinger. Der letzte Zusammenhang mit den anderen Teilen des Reiches war dahin. Man war auf sich selbst gestellt, man wollte eigenständig gegenüber anderen zwei Reichsteilen sein. Die Sendboten ritten durchs Land und luden alle bedeutendsten Edlen ein, zur Wahl eines Königs nach Forchheim zu kommen. In der Kaiserpfalz bei Bamberg wählte man 919 Konrad zum König. In diesem Akt liegt der Anfang der Entstehung des deutschen Reiches. Vor seinem Tod schickte Konrad I. die Königskrone seinem erbitterten Gegner, dem Sachsenkönig Heinrich. Mit Heinrich I. beginnt die deutsche Geschichte, die germanische Geschichte ist zu Ende. Mit Heinrich I. beginnen die großen glanzvollen 300 Jahre des Deutschen Reiches. 1 2 3 4 Seine Ländereien nennt man zuerst Mittelreich, später Lothringen. Sie ist übrigens Jüdin.. D. h. Ostfrankenreich. D. h. Westfrankenland 2. DEUTSCHE GESCHICHTE 2. 1. HOCHMITTELALTER 2. 1. 1. BEGRÜNDUNG DES DEUTSCHEN REICHES. DEUTSCHES REICH UNTER OTTONEN (936 - 1024) Stammtafel der ottonischen Könige: Heinrich I. ( regierte 919 - 936, † 936) Otto I. , der Große (reg. 936 - 973, zum Kaiser gekrönt 962, † 973) Otto II. (reg. 961 - 983, Kaiser 973, † 983) Otto III. (reg. 983 - 1002, Kaiser 996, † 1002) Heinrich II. (reg. 1002 - 1024, Kaiser 1014, † 1024) 919 bekommt Heinrich I. die Königskrone. Aber von den 5 Großstammherzögen akzeptieren ihn als König nur zwei. Heinrich I. braucht zwei Jahre, bis sie ihm gehorchen: denn die Herzöge sind absolute Herrscher, sie brauchen keinen König, die Idee des Reiches ist ihnen völlig fremd. Da fallen die Ungarn plündernd in Thüringen und Böhmen ein. Heinrich I. verfolgt sie und hat Glück. Er nimmt einen ungarischen Heeresführer in Gefangenschaft. Die Ungarn bieten ein riesiges Lösegeld. Heinrich macht aber einen Gegenvorschlag: Gegen einen Waffenstillstand von 9 Jahren will er den Gefangenen freilassen. Und nach neun Jahren wird er den Ungarn Tribut zahlen. Wie nutzte er diese neun Jahre Frist? Zuerst baute er Burgen. Die zinnengekrönten Mauern entstanden um die Königspfalzen, um Berghöfe von Adligen, um Abteien und um kleine Siedlungen mit Märkten. Die Burgen waren eng und düster. Die Städte aus der Römerzeit waren seit langem untergegangen - in diesem Augenblick wurden sie zum zweitenmal geboren. Aus königlichen Pfalzen und Burgen entstanden Erfurt, Meissen, Merseburg, Frankfurt, Ulm, Goslar, Aachen. Aus Abteien und Klöstern wuchsen Augsburg, Passau, Straßburg, Trier, Worms, Köln, Mainz und Speyer. In den Burgen ließ Heinrich die Bauern ein Drittel ihrer Ernte lagern. Dann setzte er die Bauernburschen auf die Pferde, um sie als schwerbewaffnete Panzerreiter auszubilden. Er umkleidete ihre Brust und Beine mit Eisenblech und überzeugte sie, dass sie nun unverwundbar seien. Das war die Geburtsstunde der deutschen Ritter. Das neue Heer erprobte er in den Heereszügen nach Osten. Nach neuen Jahren erschienen die Ungarn und verlangten Tribut. Sie bekamen nichts. Die grimmig bösen Ungarn fielen mit einem gewaltigen Reiterheer über Böhmen ein, machten aber große Augen: Sie konnten die Landschaften nicht mehr wiedererkennen. Schon in der ersten Sclacht schlug Heinrich sie vernichtend. Heinrichs I. Lebenswerk besteht in folgendem: 1. Er setzte das Prinzip der Unteilbarkeit des Reiches durch. Das Reich erbt nur der älteste Sohn, es wird nicht in mehrere Teile geteilt; 2. Er gewinnt Lothringen zurück (925); 3. Mit einem Truppenaufgebot aus allen Stämmen seines Reiches besiegt er die ungarischen Reiterscharen. In der Einheit liegt die Macht, das beginnen die Stämme zu verstehen; 4. Er beginnt die deutsche Ostexpansion. Ziel ist nicht die Einbeziehung fremder Territorien ins reich, sondern Zwang zu Tributzahlungen und Sicherung der Ostgrenze. Burg Brandenburg wird erobert und Burg Meissen errichtet (Bewachung des Elbüberganges!). Bevor Heinrich starb, krönte er seinen Sohn Otto zum deutschen König. Man schrieb das Jahr 936. Das Ostfränkische Reich1 bestand aus 5 Ländern: Sachsen, Franken, Lothringen, Schwaben und Bayern, in denen es einen Stammesherzog und einen Stammesrat gab. Die Welt endete hinter den Grenzen eines Stammes. Dahinter lebten Fremde. Auch der König war meistens ein Fremder, im Gegensatz zum Stammesherzog, der vom Stamm war und stets von ganzem Stamm gewählt wurde. Als Herzog Arnulf von Bayern starb, wurde sein Sohn Eberhard Herzog. König Otto I. erwartete ihn zum Treueid.. Der erschien ein halbes Jahr lang nicht bei Otto I. Da ritt Otto I. mit einem Reiterheer nach Bayern, nahm Eberhard gefangen, setzte ihn ab und schickte ihn in die Verbannung. Die Angehörigen des Stammes konnten es nicht fassen: Ihrer Meinung nach war es ein Staatsstreich! Zum erstenmal setzte der König einen Stammesherzog willkürlich ein. Zugleich nahm er ihm noch die Finanzhoheit und das sehr wichtige Recht der Einsetzung von Bischöfen ab. Für die Bayern war es das Signal zum offenen Aufstand. Der Aufstand verbreitete sich blitzschnell. Die Aufrührer, darunter Heinrich, der Bruder Ottos I., ritten zum Königshof. Unterwegs trafen die Aufrührer aber eine Schar Königsritter, wurden von ihnen angegriffen und vernichtend geschlagen. Nur der Königsbruder entkam. Er ritt nach Paris und bat den westfränkischen König um Hilfe gegen Otto I. Otto I. verlangte inzwischen Paris, seinen Bruder auszuliefern. Paris schwieg. Da ritt Otto I. mit dem Heer nach Paris. Vor Angst hat der König des westfränkischen Reiches Otto I. als seinen König anerkannt.. Otto I. sollte nur noch diese Bitte akzeptieren und König über Ost- und Westfränkisches Reich werden. Otto I. sagt ''Nein''. Er begnadigt seinen möglichen Mörder Heinrich und setzt den westfränkischen 1 Seit dem Jahre 1000 nennt man es regnum Teutonicorum (Reich der Deutschen). König wieder ein. Die Geschichte schreibt das Jahr 941, das Großreich entsteht nicht. Warum benimmt sich Otto I. so komisch? Weil er weiss: die Ost- und Westfränkischen Reiche haben sich schon zu weit entfremdet und sich auseinandergelebt, um noch einmal zusammenzuleben. Die Feinde würden das aufgeblähte Reich angreifen und es vernichten. Damit ist eine der größten Entscheidungen der Geschichte gefallen. Die Geschichte hat die Klugheit Ottos I. bestätigt: Nur kleine Reiche überleben, alle großen sterben1. Otto I. lässt sich 951 in Pavia ''König der Franken und Italiener'' nennen. Ihm gehören jetzt Italien und Deutschland, zwei Teile des ehemaligen Reiches Karls des Großen. 954 fallen die Ungarn in Deutschland ein, was einen Schock hervorruft, denn zuvor haben die Ungarn zusammmen mit den Petschenegen und den Russen das hochzivilisierte bulgarische Reich vernichtet. Die deutschen Herzogtümer, die innerlich zerstritten sind und mitteinander kämpfen (Otto I. kämpft 20 Jahre gegen ihre Stammesherzöge) vereinen ihre Kräfte. Das Ungarnheer ist zehnmal größer. Am 10. August 955 beginnt auf dem Lechfeld bei Augsburg die Entscheidungsschlacht. Otto I. vernichtet das Ungarnheer. Von dieser Stunde an nennt ihn das Volk Imperator. Die zerschlagenen Ungarn siedeln sich in Pannonien an und lassen sich taufen. Mit dem Lechfeld - Sieg ist die Gründung der bayerischen Ostmark (= Österreich), die Errichtung des christlichen ungarischen Reiches und die Italienpolitik der deutschen Könige verbunden. Am 16. Oktober 955 besiegt Otto I. an der Recknitz in Meklenburg die Slawen. Olga von Kiew tritt mit Otto in Verbindung (vor zwei Jahren trat sie zum Christentum über). 961 sendet Otto I. zur Russlandmission als Missionsbischof den Mönch Adalbert von Trier nach Kiew. Byzanz unternimmt alles, um die Verdeutschung Russlands nicht zuzulassen. Adalbert scheitert. Russland nimmt den griechischen Glauben an. 962 setzt der Papst die Kaiserkrone auf das Haupt Ottos I. auf und salbt ihn mit dem Öl der Gnade des Hl. Himmels. Das (Erste) Deutsche Reich ist begründet. Papst fordert, dass nur solcher König Kaiser werden darf, den er salbt, d. h. approbiert. Die päpstliche Approbation bindet den Kaiser an das Papsttum2. 10 Tage nach der Kaiserkrönung gründet Otto I. Erzbistum Magdeburg und macht Adalbert zum ersten Erzbischof. Magdeburg soll Hauptstadt des Ostens (ein neues Konstantinopel) und Ausgangspunkt der Missionspolitik nach Osten sein. Otto formuliert Adalbert so die Aufgabe: ''Die Slawenvölker jenseits von Elbe und Saale sind dem Joch Christi zu unterwerfen''. Es beginnt die Ostpolitik deutscher Könige, die bis 1945 dauert und tragisch endet. Zuerst zerschlägt Otto der Große die slawische Kirche, aber der große Slawenaufstand von 983 beseitigt das Christentum und die deutsche Herrschaft östlich der Elbe. Es entsteht kleine Atempause, erst die Kreuzritter werden den Drang nach Osten fortsetzen1. Italien gehört Otto I. Die Italiener bringen ihre Kultur und Zivilisation vom Mittelmeer über die Alpen nach Deutschland. Die Deutschen nehmen alles in sich auf. Das Staatsbewusstsein, das Volksgefühl sind bereits ins Blut aufgenommen. Also, wenn wir die Ostpolitik Ottos des Großen als gescheitert bezeichnen dürfen, so ist seine Italienmission sehr erfolgreich2. Zwei große Aufstände des Adels und die Verringerung des Königsgutes zwingen Otto I., nach neuen materiellen Grundlagen seines Königtums im Kampf gegen den Adel zu suchen. Er findet sie in der Heranziehung der Kirche zur Erfüllung administrativer, militärischer, wirtschaftlicher und kultureller 1 Vgl. P. Kennedy: Aufstieg und Fall der großen Mächte. S. Fischer Verlag: Köln, 1989. Erst im 14. Jh. versucht Ludwig der Bayer, im Reichstag von 1338 diese Bindung zu lösen. Karl IV. Überging in seiner ''Goldenen Bulle'' (1356) die Erwähnung der Approbation. Der letzte von Papst gesalbte Kaiser war Friedrich III. (1452). Maximilian I. nannte sich ''erwählter'' römischer Kaiser. Wie war das Verhältnis zwischen Kaiser und König? Kaiser war ein universaler Herrscher. Könige bezeichnete man im 11. - 13. Jh. abwertend ''Königlein'' (regulus) oder ''Provinzkönig''. Ab 14. Jh. war aber König Kaiser in seinem Königreich, der Kaiser musste um seine universale Macht kämpfen. Seit 1555 ist Kaiser meistens eine repräsentative Gestalt. Wie war das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst? Bis 754 (Pippinische Schenkung) war Papst nichts. Danach ernennt er Könige. Später ringt er mit dem Kaiser um kaiserliche Würde. 962 erlässt Otto I. die Papstwahlbestimmungen, nach denen nur der Kaiser einen Papst wählen oder absetzen kann. Das führt zum Kampf zwischen Kaiser und Papst. Ab 1075 ist Papst universaler Herrscher, Kaiser sein Untertan. Seit 1309 (Papst in Avignon) ist Papst Spielzeug in den Händen des französischen Königs. Im 15. - 17. Jh. kämpfen Papst, Kaiser und der französische König um die Macht gegeneinander. Im 16. Jh. steht die christliche Kirche an der Schwelle des Verschwindens, sie wird von Syphilis und Luther gerettet. 1 Insgesamt haben die Deutschen seit 789 bis 1939 175 Feldzüge nach Osten unternommen: Ein Drittel erreichte das militärische Ziel, ein Viertel brachte halbe Erfolge ein, der Rest ist gescheitert. 20 Feldzüge endeten mit totalen Katastrophen des deutschen Heeres. 2 Viele Historiker kritisieren jetzt Otto den Großen, warum er nach Italien zog. Er konnte doch den ganzen Osten besetzt haben. Seine Nachfolger kämpften ja erfolglos 250 Jahre lang um Italien. Aber: Italien war damals Zentrum der Zivilisation, Deutschland Peripherie, der Osten war Niemandsland. Es waren riesenhafte Felder und Wälder mit ein paar Lehmbuden. Jetzt sagen wir aber komischerweise: Ex oriente lux, ex occidente luxus. 2 Aufgaben.Voraussetzung dafür sind gemeinsame Interessen des Kaisers und der Kirche. Die Kirche benötigt eine starke königliche Zentralgewalt, um das Kirchengut gegen den weltlichen Adel zu schützen, um die Kirchendisziplin und eine einheitliche Anwendung von Liturgie und Dogma durchzusetzen. 962 - 973 entsteht das ottonische Reichskirchensystem (es existiert bis in das 20. Jh. hinein). Die Reichskirche hat folgende Rechte und Pflichten: 1. Sie bekommt Zoll-, Markt- und Münzrechte (= königliche Rechte bisher); 2. Sie verfügt über Immunitätsprivilegien (= Rechte des Adels); 3. Sie hat das Recht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit (= politische Rechte); 4. Bischöfe und Reichsäbte erledigen die Verwaltung, tun Kriegsdienste und sind für die Beherbergung und Versorgung des königlichen Hofes verantwortlich (= administrative, militärische und wirtschaftliche Rechte); 5. Die Hofkapelle bildet fortan Kapellane aus und wird zur Pflanzschule der Bischöfe, die dem Kaiser treu sind und seine Politik in allen Reichsteilen durchsetzen helfen. Die Reichskirche wird zur Hauptstütze der politischen Macht der deutschen Kaiser 950 - 1075. Theoretisch wird das so erläutert: Reichsbischof und König - Kaiser dienen gemeinsam auf Erden dem himmlischen König-Kaiser Christus. Das Volk soll dem Kaiser und seinen Reichsbischöfen gehorchen, denn sie sind Vertreter Christus auf Erden. Der Kaiser sorgt dabei im Reich für Frieden und Sicherheit. Hier wurzelt das Wesen des deutschen Glaubens an König und Kaiser. Otto der Große lässt überall Dome bauen. Sie sind Gottesburgen. Dank Otto entsteht der Stil der Romanik in der Baukunst. Die bahnbrechenden Bauten in Quedlinburg und Magdeburg sind die Standardbauten dieses Stils. Die ersten Dichter stehen auf. Sie tun den Stabreim ab und beginnen Verse zu reimen.Die ottonische Kunst ist führend in Europa. Die Chronisten (Adalbert in Magdeburg, Notker in St. Gallen) beschreiben jeden Schritt und jede Handlung des Kaisers: Historisches Bewusstsein erwacht. Langobardische Gelehrte kommen mit ihren Bibliotheken nach Deutschland. Der Hof des Kaisers wird ein Sammelpunkt der weisesten Männer aus allen Ländern des Reiches. Das ist eine Weltenwende. Otto erschafft Deutschland und den romanischen Menschen. Er ist das erste deutsche Genie. 987 sterben die letzten französischen Karolinger aus. Zur Macht kommen die Kapetinger, die bis 1789 regieren. Französische und deutsche Könige streiten im ganzen Hochmittelalter darüber, wer die wahren Franken sind1 . Als Konrad II. 1033 das Königreich Burgund erobert, sprechen alle vom Deutschen Reich, das sich aus der Trias (Italien+Frankreich+Deutschland) besteht. Der Sohn Ottos des Großen, Otto II., macht wie sein Vater aktive Italienpolitik und passive Deutschlandpolitik. Er verliert in Italien und im Osten. Er regiert nur 10 Jahre. Otto III. ist drei Jahre alt, als er deutscher König wird. Otto III. gilt als Wunderkind. Er ist sehr gut erzogen. Als er Italien erobert, träumt er von der Erneuerung der Antike, von altem römischem Reich. Er will das Großreich Karls des Großen neu gründen, vor allem aber die respublica romanorum. Er erklärt Rom zur Hauptstadt der Welt, in der Papst und Kaiser ihren Sitz haben. Wollte Otto der Große über Italien, so will Otto III. in Italien herrschen. Nur einmal, im Jahr 1000, ritt er nach Deutschland, von dort nach Polen, nach Gnesen, wo im Walde Adalbert, der große Missionar Ottos I., begraben lag. Es war das Jahr 1000, als die Welt zu Ende gehen sollte. Otto III. betete vor den Gebeinen des Missionars und erklärte ergriffen Gnesen zum polnischen Erzbistum, das vom deutschen Erzbistum in Magdeburg unabhängig sein sollte2 . Dann kehrte Otto III. nach Italien zurück. Hier aber erhoben sich der italienische Adel gegen ihn und verjagte ihn. Damit war Otto III. gescheitert. Er starb auf der Flucht in Italien. Sein Nachfolger Heinrich II. verlegte den Schwerpunkt seiner Herrschaft wieder nach Deutschland und trieb die Politik von Otto I. weiter. Er ging äußerst behutsam mit den Italienern um. Er brauchte alle Kräfte, um die Ordnung in Deutschland wiederherzustellen. Mit Heinrich dem Zweiten endete die Dynastie der sächsischen Könige. 2. 1. 2. DEUTSCHES REICH UNTER SALISCHEN KÖNIGEN (1024 - 1125). 1 Der Name ''Francia'' lebt geographisch nur in der alten karolingischen ''Provinz am Rhein'' weiter (> Franconia, > Frankfurt am Main). 2 Somit löste er die polnische Kirche aus der deutschen Kirche, und das polnische Volk wurde nicht verdeutscht, weswegen ihn die Ultrakonservativen deutschen Historiker bis zum heutigen Tag kritisieren. Es war der Tag der inneren Unabhängigkeit der Polen. Es gelang den deutschen Ritterheeren niemals mehr, diesen Fehler wiedergutzumachen. Otto III. handelte realpolitischer als Otto I., denn er ahnte in seiner Seele, dass die Deutschen geistig nicht befähigt sind, Osteuropa zu missionieren. Otto III. gründete ausserdem das Benediktinerstift Brewnow bei Prag, das zum Ausgangspunkt der Christianisierung Polens und Ungarns wurde. GROSSKAMPF ZWISCHEN PAPST UND KAISER. Stammtafel salischer Könige: Konrad II. ( reg. 1024 - 1039, Kaiser 1027, † 1039) Heinrich III. (reg. 1039 - 1056, Kaiser 1047, † 1056) Heinrich IV. (reg. 1056 - 1106, Kaiser 1087, † 1106) Heinrich V. (reg. 1106 - 1125, Kaiser 1111, † 1125) Der erste salische König Konrad II. setzte die traditionelle Politik fort. Er verteilte große Lehen aus Kirchengut an die weltlichen Vasallen, um das Reichsgut und Kronengut zu vermehren und um von der Kirche unabhängiger zu werden. Die Epoche von Konrad II. bezeichnen die Historiker als ‘’glücklich’’. Wie sahen die deutsche Gesellschaft und die Kirche Anfang des 11. Jh. aus? Es gibt im Hochmittelalter noch keinen Staat3 . Denn es gibt keine Organisation zur Aufrechterhaltung der Ordnung, es gibt keinen Beamtenapparat zur Aufbietung des Heeres, Einziehung der Abgaben, Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, es gibt keine gegliederte Verwaltung. Alles hing von persönlicher Macht eines Individuums ab – je mehr Macht er besaß, desto mehr Recht konnte er sich verschaffen. Das Reich existierte aus der Nutzung verschiedener Güter: des Krongutes und des Reichsgutes. Das Krongut (Hausgut) war Eigentum der königlichen Familie. Das Reichsgut wurde von den Grafen oder Reichsvögten als Verwalter verwaltet. Andere einkünfte bekam das Reich aus Hoheitsrechten (=Regalien, königliche Rechte) wie Münze und Zoll, Markt- und Geleitsrecht, Mühlen, Wälder, Fischerei, Silber- und Salzabbau. Diese Regalien unterstanden der Aufsicht des Reiches. Es gibt keine Reichshauptstadt. Das Reich verkörpert die Person des Königs. Der König regiert, indem er im Reich umherzieht und auf den königlichen Pfalzen oder in Bischofsstädten Hof hält. Es ist eine schwere körperliche Beanspruchung, so das der frühe Tod vieler Kaiser sich dadurch erklärt. Die königliche Pfalz war Mittelpunkt der Reichspolitik und Zentrum eines Wirtschaftsbezirkes, der den Unterhalt des Hofes zu tragen hatte. Sie bildete in der Zeit der Naturalwirtschaft einen wesentlichen Teil der königlichen Einkünfte und hatte auch eine politische Bedeutung. Sie zeigte immer mehr Wehrhaftigkeit und Pracht, z. B. die Pfalzen Werla, Goslar, die Harzburg. Die Pfalzgrafen sahen nach dem Rechten. König war der oberste Richter im ganzen Reich. Wo er nicht war, richteten die Grafen, d. h. das karolingische System funktionierte weiter. Dem König standen nicht Untertanen gegenüber, sondern Krieger, die ihm dienten, d. h. Vasallen.1 Vasall ist ein Freier, der sich in die Schutzherrschaft eines mächtigeren, reicheren, stärkeren Herrn begibt. Er ist soziales Mitglied der Friedens– und Rechtsgemeinschaft seines Herrn. Seine Dienstpflicht ist Rat und Hilfe. Es gibt vier Hilfen: a) Ritterdienst für den ältesten Sohn des Souveräns; b) Ritterdienst bei der Hochzeit seiner ältester Tochter; c) Ritterdienst bei der Befreiung des Souveräns aus der Gefangenschaft; d) Ritterdienst im Kreuzzug; e) (nur im Deutschen Reich:) die Rom – Fahrt mit dem König zur Kaiserkrönung. Der Vasall schuldet seinem Herrn nicht mehr, als der Herr seinem Vasallen. Die Könige der Christenheit verleihen ihren Vasallen (Lehensmännern) Lehensgüter (= feudum2, feod, fief), Ämter, Rechte, Stellen bei Hofe. Zur Zeit Konrads II. war die Ritterschaft schon ein Stand (=luomas). Die bäuerliche Struktur des Mittelalters hielt sich bis zum 19. Jh., mancherorts bis zum 1. Weltkrieg. Die russische, chinesische Revolutionen sind Erhebungen des hungernden Landvolkes. Im Mittelalter lebt ein freier Bauer3 oft bedrückender und viel schlimmer als ein unfreier Bauer. Die Bauern sind ein Herd von Unruhen und Rebellionen. seit dem 11. Jh. darf man die Bauernaufstände und -kriege nicht mehr übersehen. 1m 12. - 13. Jh. kommt es zur Überbevölkerung Europas, daraus erklärt sich der Drang nach außen und aktive Teilnahme an den Kreuzzügen. Im Deutschen Reich finden wir den nördlichen Typ der europäischen Landwirtschaft vor. Hier herrschen der schwere Radpflug, Zweifelderwirtschaft (= auf einen Getreideschlag folgt ein Schlag Klee/ Rüben/ Raps, ein zweites Feld ist eine ungepflügte, beweidete Brache) und Dreifelderwirtschaft (= Wintersaat + Sommersaat + Brache/ Brachfeld (= pūdymas)). Im Wald wurden die Schweine gezogen. Bevorzugt wird die Hufe (= valakas). Sie ist eine Bauernwirtschaft, die mit dem zugehörigen Acker- und Wiesenland und den Nutzungsrechten an Wald und Weide eine dauernde untrennbare Einheit bildet. Die Hufe vermag die Vollbauernfamilie zu ernähren. Die meisten Bauern sind Hörige (= baudžiaunininkai). Es gilt das Gesetz ‘’Luft macht eigen’’ 3 Die ersten Nationalstaaten entstehen in Frankreich unter Philipp dem Schönen (1285 - 1314) und in England unter Eduard I. (1272 - 1307), also mit dem Beginn des Spätmittelalters. 1 2 3 Das keltische Wort Vasall bedeutet Krieger im Dienst eines Herrn. Daraus entstand das Wort Feudalismus. Im 12. Jh. gibt es schon keine freien Bauern mehr. (= kurio pono oru kvėpuoji, tam ponui ir priklausai), d. h. auf welchem Herrengut man arbeitet, dem Herrn gehört man auch. Im Nordosten bilden sich später altpreußische und slawische Landvolksschichten als Leibeigene und Hörige, die besonders untertänig sind und die ganz in die Gewalt ihres Adels geraten (so in Ostelbien, Böhmen, Mähren, Polen und den baltischen Ländern). Der Adel hat hier alle öffentlichen Rechte. Kein königlicher Gerichtsstand vermag dem Bauern zu helfen. Es entstehen agrarische Großbetriebe, die bis zur Neuzeit (16. Jh.) überleben. Die Kirche des 10. - 11. Jh. durchlebte den Prozess der Feudalisierung und der Verweltlichung. Trotzdem war sie demokratischer als die feudale Gesellschaft, denn sie schützte und schuf die Kultur, die eng mit der Volkskultur verbunden war. Die Bischöfe und Äbte bilden die sicherste Stütze der königlichen Gewalt. Die Bischöfe haben den Titel eines Fürsten und sind Vasallen des Kaisers. Sie erbringen nicht nur ökonomische Leistungen, sondern übernehmen auch politische Missionen im königlichen Auftrag. Aber sie sind keine Beamten, da der König sie zwar ernennen, nicht aber absetzen konnte. Die königliche Kanzlei, in der vorwiegend Urkunden ausgestellt werden, ist mit Geistlichen aus der königlichen Kapelle (=Hofgeistlichkeit) besetzt. Im 10. Jh. befindet sich das Papsttum in der Krise. Die Päpste verlieren ihre Macht und müssen den deutschen Kaisern dienen. Die Kirche braucht eine Erneuerung, aber Konrad dem Zweiten sind spirituelle Fragen völlig fremd. Unter seiner Herrschaft wächst eine kirchliche Reformbewegung heran, die er völlig übersieht. Sein Sohn Kaiser Heinrich III. führt das Reich auf eine nie wieder erreichte Höhe: Es reicht geopolitisch von der Oder und der Donau bis zur Rhone und Saone. Als Kaiser regiert er über die Königreiche Deutschland, Italien, Burgund. Heinrich III. hält sich für wiedergeborenen Karl den Größen. Er wird als Stellvertreter Gottes (vicarius dei) , Haupt der Kirche (caput ecclesiae) bezeichnet. Das ist der Höhepunkt der kaiserlichen Macht, kein Kaiser wird mehr solche Macht erlangen. Unter Heinrich III. bildet sich die kirchliche Reformpartei. Sie verlangt: 1. Abschaffung der Simonie1; 2. Einführung des Zölibats (= Ehelosigkeit) der Priester; 3. Die Kirche als Kleruskirche2 zu verstehen; 4. Die Kirche von der Welt, vom Fleisch , aus der Hand der Laien, deren Einmischung in die Führung der Kirche zu befreien (sich. einmischen durfte aber nur der Kaiser!). Die Revolution des Papstes wird heraufgeführt durch Kardinal Humbert. Er behauptet: a) die karolingischen und ottonischen Könige haben durch ihre Einmischung in die Führung der Kirche, durch ihren ‘’simonistischen’’ Klerus, durch ihre Liturgie die römische Kirche vergewaltigt. 98% der Bischöfe und Priester sind falsch, ihre Heilswaltung unwirksam; b) Papst soll nach kanonischem Recht gewählt werden (d. h. von Kardinälen, nicht aber vom Kaiser eingesetzt werden3 ); c) Kaiser soll entheiligt werden (das geschah 1076). 1054 bannt Humbertus den oströmischen Patriarchen Kerllarios von Konstantinopel 4 . Das ist das Schisma (=Spaltung der kirchlichen Einheit), die Trennung zwischen Ost und West in Europa. Er beschuldigt Ostrom des Monotheismus, des Gottkaisertums, der Kooperation mit Islam. Der kalte Krieg zwischen Konstantinopel und Rom beginnt, er endet 1204, als Westrom Konstantinopel erobert und ausplündert. Ostkirche und Russen haben diese beiden Aggressionen des lateinischen Westens bis zum heutigen Tag nicht überwunden. Heinrich III. versucht, mit diesen Reformbestrebungen zu kämpfen. Aber seine kirchlichen Gegner verbinden sich mit einer großen innerdeutschen Adelsopposition in Sachsen, die gegen die absolute Alleinherrschaft des Kaisers ist. Noch Anfang des 11. Jh. begann im Kloster Cluny (Südburgund, Frankreich) eine asketische Bewegung5, der sich allmählich die Päpste anschlossen. Viele Klöster waren verweltlicht, die Mönche schmausten und brausten, viele Klöster waren einfach echte Bordelle geworden. Die Ideen von Cluny (1. Freiheit von der Jurisdiktion des Bischofs; 2. Unterstellung nur dem Papst) und die von Kloster Gorze (Lothringen) ( Abschaffung der simonistischen Äbte) drangen unter Kaiser Heinrich III. in Deutschland ein. Ausgangspunkt wurde das Kloster Hirsau im Schwarzwald, dessen Mönche als Wanderprediger umherzogen. Da sie deutsch predigten, erfassten sie breite Kreise der Geistlichen, so dass die 1 Der Kauf geistlicher Ämter durch Priester und Bischöfe, so genannt nach Simon Magus, der vom Hl. Petrus die Gabe kaufen wollte, Wunder zu wirken 2 Kleruskirche ist eine Kirche, deren Priester und Bischöfe vom Papst gesalbt und eingesetzt sind. Das ist die Kirche in Rom und um Rom. Ihr Antonym ist Laienkirche, d h. Reichskirche. 3 Diese Forderung wurde schon 1059 in die Praxis umgesetzt. 4 Der weströmische Papst soll höher stehen als oströmische Päpste (=Patriarchen), er allein soll Stellvertreter Gottes auf Erden sein. Der Bann von Humbertus wird erst 1968 vom Vatikan aufgehoben. 5 Sie führt zur Entstehung der Gotik. Gotik ist eine asketische Kunst. Reformbewegung zu einer Volksbewegung wurde. Es entstand die obengenannte Reformpartei mit ihren Forderungen. In der Herrschaftszeit Heinrichs III. wurden in Rom vier Deutsche zu Päpsten gewählt. Sie stellten sich später an die Spitze der Reformbewegung, die die Kirche schließlich von weltlichen Mächten unabhängig machte und das Papsttum zu abendländisch- universaler Bedeutung führte. Heinrich III. starb 1056 im Alter von 39 Jahren. Sein Sohn war erst 6 Jahre alt. 1059 wurde auf der Lateransynode das Papstwahldekret beschlossen, das den Einfluss des römischen Adels bei der Papstwahl ausschalten sollte. Wählen durften nur noch die Kardinalbischöfe. 1073 wird ein neuer Papst gewählt, Gregor VII. (der Große)( lit. Grigalis VII) (1073 - 1085). Wer ist er? Er ist kleingewachsen, von unten her kommender Mönch Hildebrand. Er hasst die hochgemuten adeligen Herren der Reichskirche. Er lehrt sofort: 1. Papst ist rector orbis, wahrer Regent der Menschenwelt. Papst ist der Vater und Herr aller Christen; 2. Römische Kirche präsentiert die Gottes-, Rechts- und Geistesmacht des Petrus und Paulus auf Erden; 3. Könige sind keine Häupter der Kirche, nur die Päpste haben heilige Namen, d. h. Rechtsansprüche. 1075 bekundet Gregor VII. sein Dictatus papae, das revolutionärste Programmwerk Westeuropas bis zum Kommunistischen Manifest Karl Marx’. Die Gregorianische Reform besagt: 1. Die Römische Kirche wurde durch den Herrn gegründet; 2. Nur der Papst kann Bischöfe einsetzen, absetzen und lossprechen; 3. Der Papst kann Abwesende absetzen; 4. Mit denen, die er exkommuniziert (atskirti nuo baþnyèios), darf man unter dem gleichen Dach nicht leben; 5. Der Papst allein kann neue Gesetze erlassen; 6. Er allein kann sich kaiserliche Insignien bedienen. Er ist Gott des Kaisers. Der Papst kann de jure alles wie Gott; 7. Dem Papst müssen alle Fürsten die Füße küssen; 8. Der Name des Papstes ist einzig in der Welt und wird in allen Kirchen ausgesprochen; 9. Er kann Kaiser absetzen; 10. Kein Buch kann ohne seine Erlaubnis erscheinen; 11. Sein Urteil darf von niemand verändert werden, und nur er kann die Urteile aller abändern; 12. Er darf von niemand gerichtet werden; 13. Auch der geringste von Römischer Kirche geweihte Kleriker hat mehr Heilsmacht als alle Kaiser und Könige (die priesterliche Würde ist 7, 6mal höher als die königliche, denn das ist das Verhältnis zwischen Sonne (=Papst) und Mond (=Kaiser)1. Doch gegen die Reformen Gregors ist der weltfreudige, weltsichere deutsche, französische und italienische Hochklerus, der keine rein geistliche Kirche will. Um den Klerus aus der bösen Welt zu lösen, verpflichtet ihn Gregor auf den Zölibat. Dieser ist bis heute die mächtigste Waffe des römischen Papsttums, um sich gefügige Diener zu schaffen. Also, der Klerus wird von Frauen befreit. Es wird ein neuer Klerustyp entstehen, der seinen überherrschten, leibseelischen, geschlechtlichen Untergrund zu Wort kommen lassen kann, indem er sich aggressiv engagiert im Kampf für die Kleruskirche, im Kampf um seine Karriere. Außerdem führt Gregor VII. die Beichte ein. Der Priester wird zum Richter , denn der Sünder ist der Feind Gottes. Die Beichte wird bis zum 20. Jh. ein perfektes Instrument in der Hand des Klerus, um die Seelen europäischer Frauen und weibischer sowie infantiler Männer zu unterwerfen. Es wird ein neuer Menschentyp entstehen: ein ängstlicher Mensch, der sekundär lebt, der nie wagt, aus den schöpferischen Tiefen der eigenen Person zu leben. Die Miseren des passiven Kirchenvolkes und der Ausfall schöpferischer Persönlichkeiten in Kunst und Wissenschaft in der Kirche der ‘’Neuzeit’’ haben hier ihre Basis. Schließlich erfindet Gregor den Kreuzzug in seinen beiden Formen: Kreuzzug gegen äussere Feinde der Kirche (z. B. Araber, Türken) und Kreuzzug gegen innere Feinde (z. B. Häretiker). Somit ist Gregor VII. der Schöpfer des lateinischen Westeuropas mit all seinen Schizophrenien, Neurosen, gewalttätiger Trennung von ‘’Gott’’ und ‘’Welt’’, ‘’Geist’’ und ‘’Fleisch’’, von priesterlicher Auserwähltheit und Verdammung des Weltmenschen (des Laien) bis ins 20. Jh. hinein. Heinrich IV. weiss: jetzt geht es um das Ganze. Das Reich bricht zusammen, wenn er seine Rechte verliert. Auf der Synode von Worms 1076 lässt Heinrich IV. den Papst durch 24 deutsche und 2 italienische Bischöfe absetzen. Gregor VII. exkommuniziert seinerseits den Kaiser. Der Investiturstreit (=das Recht der Einsetzung der Bischöfe) bricht los, ein mörderischer Kampf beginnt. Die Gesellschaft ist tief erschüttert. Hier setzt jene tiefe Demoralisierung ein, die im Spätmittelalter zur Reformation führt und im Hochmittelater Dichter und Denker wie Walther von der Vogelweide in Deutschland und Dante in Italien erregt. In diesem Kampf stehen Bischöfe gegen Bischöfe, Äbte gegen Äbte, Mönche gegen Mönche. 1 Im Jahre 1870 wird das Vatikanische Konzil noch das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes (=Papst irrt nie) annehmen. Die Exkommunikation des Kaisers hat im deutschen Reichsraum eine Massenabfall von Heinrich zur Folge. Um einer drohenden Katastrophe vorzubeugen, eilt Heinrich IV. im Winter 1076/ 77 nach Canossa (= eine Burg in Apennin, Winterresidenz des Papstes), denn seine Feinde drohen mit der Wahl eines Gegenkönigs für den Fall, dass es Heinrich nicht gelänge, sich binnen Jahresfrist vom Bann zu lösen. Statt aber die Lösung vom Bann durch Verhandlungen und politische Zugeständnisse zu erreichen, wählt Heinrich einen Weg, den wohl niemand erwartet hat: er überquert die Alpen im Winter (was lebensgefährlich ist) und erfleht im Büßergewand die Vergebung des Papstes. Dem reuigen Büßer durfte Gregor die Absolution (=išrišimas) nicht verweigern. War es politische List, dieser Gang nach Canossa ? Der rebellische deutsche Adel ließ sich aber durch demütiges Zukreuzkriechen nicht beeindrucken und stellte den Gegenkönig, Rudolf von Rheinfelden, auf. Es kam zum Bürgerkrieg, in dem Heinrichs Söhne Konrad und Heinrich (der spätere Heinrich V.) sich gegen ihren Vater erhoben. Mit Hilfe der Welfen, die Erzfeinde der salischen Könige waren, stürzte der Sohn Heinrich den Vater und ließ seinen Leichnam jahrelang unbestattet in einer Nebenkapelle des Salischen Domes in Speyer aufbahren und wurde Nachfolger der väterlichen Politik im Kampf mit dem Papst Paschalis II. Die Tragödie Heinrichs IV. und Gregors VII. besteht darin, dass beide nur Macht- Fragen sehen. Beide sind machthungrige Gegner, der zweite ist aber gefährlicher, weil der Plebejer Papst geworden ist. Aus niederm Blut kann nichts Edles kommen. Gregor will buchstäblich alle Machtinstrumente, die seit den ersten römischen Kaisern erfunden worden waren, in den Dienst des Papstes überführen. Das Werk Gregors VII. wird Innozenz III. fortsetzen und den Höhepunkt päpstlicher ‘’Weltherrschaft’’ im 13. Jh. erreichen. Mittlerweile tobt der Investiturstreit auch in England und Frankreich und führt dort zur Selbstbehauptung des englischen und französischen Königtums im Spätmittelalter. Am 23. September 1122 schlossen die Legaten des Papstes mit König Heinrich V. in Worms einen Vertrag, durch den der Investiturstreit beendet wurde. Das Wormser Konkordat besagt: In Deutschland setzt der König- Kaiser den Bischof ein, bevor er geweiht wird. In Italien und Burgund wird der Bischof zuerst vom Papst geweiht, dann empfängt er vom König seine Regalien und leistet dabei ihm den Treueid. 1095 rief Papst Urban II. den 1. Kreuzzug aus. Es sollte eine bewaffnete Pilgerfahrt sein, vor allem zur Befreiung und Sicherung der Heiligen Stätten der Christenheit in Palästina, also eine Art Ritterdienst mit der Waffe. Es war eigentlich der Kampf des Westens gegen Byzanz. Byzanz betrachtete Rom als Babylon, die Mutter aller Sünden, als einen einzigen Abfall von Christus und von wahrer Bildung. Die abendländischen Christen galten als ungebildet, kulturlos, kriegslüstern und räuberisch. Die Ostkirche kennt keinen heiligen Krieg. Der Christ darf nur mit geistlichen Waffen kämpfen. Aber unter dem steigenden Druck der Türkengefahr muss Byzanz im 13. -15. Jh. eine Union mit der römischen Kirche schließen, um Waffenhilfe aus dem Westen zu bekommen. 1274 muss Byzanz die Suprematie des Papstes anerkennen. 1284 führt der Papst Martin IV. die Kirchenunion ad absurdum, indem er den byzantinischen Kaiser exkommuniziert. Dieser organisiert 1282 die Sizilianische Vesper (= die Ausrottung aller Franzosen in Sizilien). Schon der 1. Kreuzzug war gegen das byzantinische Reich gerichtet, denn Rom weiss: der Weg zur Eingliederung Osteuropas, Russlands und des Nahen Ostens in die westeuropäische Welt geht über Konstantinopel, dieses Versailles des Mittelalters, das Vorbild für alle Kaiser, für alle höfische und politische Kultur des Westens ist. In der Zeit der Kreuzzüge strömt eine Fülle von Erzählgut, von Romanen und Märchen aus Byzanz nach Westeuropa. Zum erstenmal erscheint in Europa der Name Buddha. Die ersten zwei Kreuzzüge (1096- 1146, wobei die Deutschen am 1. Kreuzzug nicht teilgenommen haben), an denen normannischer und nordfranzösischer Adel teilnahm (etwa je 4500 Berittene und an die 30 000 Mann Fußvolk) , waren echte Räuberzüge. Während des 1. Kreuzzuges erschlugen die Kreuzfahrer in Jerusalem etwa 100 000 Muslime, darunter Frauen und Kinder. Sie überfielen z.B. ein muslimisches Dorf , töteten alle Einwohner und dann verspeisten sie die Leichnamen. Der Eindruck in der arabischen Welt war ungeheuer. Hier entstand, in Reaktion gegen den Westen, der Hass gegen ‘’christliche Hunde’’. Als Jerusalem 1187 durch Sultan Saladin eingenommen wurde, organisierte Kaiser Friedrich Barbarossa den dritten, gesamteuropäischen Kreuzzug. Während dieses Kreuzzuges kamen 500 000 Mann auf beiden Seiten ums Leben. Es war ein furchtbarer Aderlass für Europa. Wütende Christen schlachteten 3000 muslimische Kriegsgefangene ab. Die Eingeweide der Leichen wurden nach verborgenem, von den Gefangenen verschlucktem Gold durchsucht; man verbrannte die Leichen, um in der Asche nach Gold suchen zu können. Dieser Gefangegenmord erweckt Entsetzen in der islamischen Welt. Der 4. Kreuzzug bringt die Eroberung und Plünderung Konstantinopels: Damals, 1204, und nicht erst 1453 bei der Eroberung der Stadt durch die Türken, wurden die meisten Kunstwerke und Kulturschätze des Mittelalters vernichtet. Man hat das Gold und Silber, die Edelsteine und das Silbergeschirr, die Seidenstoffe, Pelze und Gewänder gar nicht zählen können. Ritter, Priester und Fußsoldaten waren nach dem Prozentsatz 20: 10: 5 an der Aufteilung der Beute beteiligt. Die Greuel, Katastrophen und Opfer der Kreuzzüge führen zur Ablehnung der Idee des Kreuzzuges Ende des 12. Jh. in Europa. Jetzt nimmt das Papsttum Werbung, Organisation und Leitung der Kreuzzüge selbst in die Hand. Der Aufbau einer riesigen Finanzorganisation (z. B. zur Finanzierung des 4. Kreuzzuges) macht die römische Kurie zur größten Geldmacht Europas, was bedeutende Folgen für die innere Entwicklung Westeuropas hat. Die Kreuzzüge zeigen: 1. Die mittelalterliche Naturalwirtschaft ist außerstande, die Kreuzzüge mit Lebensmitteln zu versorgen; 2. Die mittelalterliche scholastische Wissenschaft ist außerstande, mit dem Wissen und der Technik des Orients zu konkurrieren; 3. Die westeuropäische christliche Moral ist niedriger als die islamische oder oströmische Moral. Drei Erscheinungen erregen den Unwillen echter Christen: a) Der Missbrauch der Ablösung (reiche Ritter kaufen sich gegen Geld los von der Verpflichtung, am Kreuzzug teilzunehmen; b) Die Verwendung der Kreuzsteuern für andere Zwecke; c) Die betrügerische Erwerbung von Steuererträgnissen durch Herrscher, die nur vorgeben, einen Kreuzzug zu unternehmen, z. B. König Heinrich III. von England. Hier ist die Quelle der Entstehung neuer, reiner ‘’Religionen’’, die in der Gründung geistlicher Ritterorden (Templerorden, Johanniterorden, Deutscher Ritterorden) und Mönchsorden (Orden der Zisterzienser und Orden der Prämonstratenser) besteht, hier ist die Quelle der Entstehung europäischer Ketzerbewegung von Katharern, Waldensern, Albigensern u. a., was zur Schaffung der Inquisition führt. 2. 1. 3. DEUTSCHES REICH UNTER HOHENSTAUFEN (1125 - 1273) Die Stammtafel der Staufer / Hohenstaufen: Lothar III. von Sachsen (reg. 1125 - 1137, Kaiser 1133, † 1137) Konrad III. von Staufen (reg. 1138 - 1152, † 1152) Friedrich I. Barbarossa (reg. 1152 - 1190, Kaiser 1155, ertrunken 1190) Heinrich VI. (reg. 1190 - 1197, Kaiser 1191, † 1197) Philipp von Schwaben (dt. König 1198 - 1208, ermordet1208) Otto IV. von Braunschweig (= ein Welfe) ( Gegenkönig, reg. 1208 - 1218, Kaiser 1209, † 1208) Friedrich II. (reg. 1212 - 1250, Kaiser 1220, † 1250) Konrad IV. (dt. König 1250 - 1254, † 1254) Konradin (1254 Herzog von Schwaben, hingerichtet 1268) Der Name Staufer kommt von der Burg Stauf auf dem Berg Hohenstaufen bei Göppingen (Baden Württemberg). Heinrich IV. hatte den schwäbischen Grafen Friedrich zum Herzog von Schwaben ernannt und ihm seine Tochter Agnes zur Frau gegeben. Mit Herzog Friedrich von Schwaben beginnt die Bedeutung der Staufer in der Reichspolitik. Heinrich V. hinterließ keine Kinder. Staufer waren nächste Verwandte der Salier, aber die deutschen Fürsten wählten den mit den Welfen verbündeten sächsischen Herzog Lothar III. von Supplinburg zum König. Bürgerkrieg zwischen den Staufern und den Welfen war die Folge. Als Lothar III. starb, wurde 1138 der Staufer Konrad III. zum König gewählt, nicht aber der Welfe. Konrad III. nahm am 2. Kreuzzug teil. Seine Regierung war glückslos. Der nächste König wurde Friedrich. Er war Neffe von Konrad III. und hatte einen staufischen Vater und eine welfische Mutter, was den Streit zwischen den Adelsgeschlechtern beruhigte. Friedrich I. Rotbart (Barbarossa) ist der wohl bekannteste mittelalterliche deutsche König. 1155 wurde er in Rom zum Kaiser gekrönt. Er war ein Ideal des Ritters und der höfischen Kultur. Er betrieb eine aktive Italienpolitik, aber die durch Handel und Gewerbe reich und selbstbewusst gewordenen italienischen Städte setzten sich gegen Friedrich zur Wehr und führten mit den lombardischen Städten jahrzehntelang Krieg gegen ihn. Friedrich Barbarossa erreichte Heiligsprechung Karls des Großen. Als Erbe und Nachfolger des heiligen ‘’Vaters Europas’’ sah er sich selbst als von Gott unmittelbar in sein Kaiseramt eingesetzt. Er proklamierte die Unabhängigkeit von der Kirche. Unter Bezugsnahme auf die ersten christlichen Kaiser (Konstantin, Theodosius, Justinian) stellte er der religiösen Heiligkeit der Kirche (sancta ecclesia) die weltliche historisch gewachsene Ehre des Reiches (honor imperii) entgegen. Er wollte die Ehre des Reiches wiederherstellen und meinte damit die Wiederherstellung alter Kaiserrechte in Italien und Deutschland. 1180 stürzte er Heinrich den Löwen. Heinrich der Löwe war ein Welfe und der ärgste Feind Konrads III. Er regierte in Braunschweig, das er zu einer imponierenden Residenzstadt machte. 1166 ließ er im Zentrum der Stadt das Löwendenkmal aufstellen, das seine hochritterliche Gewalt symbolisieren sollte. Seine Zeitgenossen charakterisierten ihn als den ‘’hochfahrendsten und rücksichtslosesten fast aller Menschen’’, er war Schrecken aller fürstlichen Nachbarn. Friedrich Barbarossa unterstützte ihn und schenkte ihm das Herzogtum Bayern. Er vertrieb Slawen aus Mecklenburg und verdrängte Dänen aus Holstein. Er gründete 1143 Lübeck und Schwerin. Er siedelte deutsche Bauern in Holstein und Mecklenburg an. 1176 schlug er die Bitte des Kaisers um militärische Unterstützung in Italien ab. Das Vertrauensverhältnis war zerstört. Friedrich Barbarossa lud ihn mehrmals vors Gericht ein, Heinrich der Löwe erschien nicht. Mit Hilfe der Fürsten verurteilte der Kaiser ihn 1180 zum Verlust aller seiner Eigentümer und Lehen und verbannte ihn. Friedrich I. verbrachte im Kampf gegen Italien und Papst mehr Zeit in Italien als irgendein anderer deutscher Herrscher vor ihm. Schließlich ist er gescheitert. Er organisierte den 3. Kreuzzug und ertrank an einem heissen Tag beim Baden im eiskalten Fluss Saleph in Kleinasien (1190), bevor er das Heilige Land erreiche konnte. Sein Sohn Heinrich VI. vergrößerte das Reich, denn er bekam als Mitgift von seiner normannischen Frau Konstanze Sizilien. Als er starb, war sein Sohn Friedrich II. drei Jahre alt und bereits zum deutschen König gewählt. Aber die Kaiserwitwe Konstanze (sie hasste die Barbaren Deutsche) , die stauferfeindlichen deutschen Fürsten sowie der Papst waren dagegen, Süditalien mit dem Reich zu vereinigen. Als sie hörten, dass Konstanze für ihren Sohn auf die deutsche Königswürde verzichtet hatte, bereiteten sie die Königswahl Ottos IV., eines Sohnes Heinrichs des Löwen, vor. Aber die Stauferpartei kam ihnen zuvor: sie wählte den Bruder des verstorbenen Kaisers, Herzog Philipp von Schwaben, zum König, ohne allerdings die Königswahl Ottos verhindern zu können. Seit 1198 hatte das Deutsche Reich 10 Jahre lang zwei Könige, die sich gegenseitig bekämpften. 1208 wurde Philipp ermordet. Otto IV. erreichte weitgehende Anerkennung als König, bis er Friedrich dem Zweiten, der erwachsen aus Sizilien 1212 nach Deutschland kam und nach seiner Königskrone verlangte, weichen musste. Friedrich II. fand bald allgemeine Anerkennung als König. Der Thronstreit 1198 - 1208 gilt als einer der Wendepunkte der deutschen Geschichte. Er führte zur Fehde (=kivirčas). Die Fehde wurde nach dem Prinzip des Schadentrachtens (=siekis pakenkti kitam) geführt: Alles, was der Gegner hatte, sollte zerstört werden. Die Folge war : Die Reichsfürsten erstarkten, der König verlor die Stellung eines absoluten Alleinherrschers. Die deutschen Könige waren im Spätmittellater außerstande (im Unterschied zu den französischen und englischen Königen), einen deutschen Einheitsstaat / Nationalstaat aufzubauen. 1235 gelang es Friedrich II. , den berühmten Mainzer Reichslandfrieden zu erlassen, mit dem alle Fehden im Deutschen Reich verboten wurden. Im Reich breitete sich eine Friedensbewegung aus, die zur Entwicklung eines modernen Rechtsstaates (= teisinė valstybė) führte, in dem alle Streite von staatlichen Gerichten entschieden werden. Inzwischen wird Friedrich Kaiser. Er verfasst ein Buch: ‘’Kaiser- Buch’’ (Liber Augustalis). In ihm beschreibt er, wie ein Staat aussehen muss, wie er funktionieren soll. Der Staat, das sind: treue Staatsbeamte, eine Staatspolizei, ein durchgebildetes Gerichtswesen, ein Heer zur Verteidigung des Staates im Innern und nach außen, ein ausgebautes Steuersystem. Der Friedrichsche Staat ist als Vorbild und Modell für alle Staaten der Zukunft gedacht. Friedrich behauptet: Christus hat die Kirche, der Kaiser den Staat gestiftet. Die Kirche ist notwendig für das Heil der Seelen, der Staat für das Heil der Menschen. Ohne Staat gibt’s keine Ordnung auf Erden. Er, der Kaiser manifestiert die absolute Gerechtigkeit. Revolutionäre Gedanken! Friedrich II., Schrecken des Erdkreises und wunderbarer Verwandler des deutschen Reiches mit seinem Staatsdenken, wurde in Sizilien, in der sarazenisch - griechisch normannischen Mischwelt, erzogen und ist ein Mensch von hervorragender technischer und politischer Intelligenz. Er sieht vieles voraus. 1246 gründet Friedrich II. das Königtum Österreich, das seine alten staufischen Besitzungen über Wien, Eger, Nürnberg mit dem Elsaß verbinden soll. Er sieht Österreich als seine zukünftige unabhängige Machtbasis. Diesen Traum verwirklichen 30 Jahre später seine Nachfolger, die Habsburger. Das Buch Friedrichs II. bringt den mächtigsten Papst nach Gregor VII., Innozenz IV., in Wut. 1245 exkommuniziert er den Kaiser als Häretiker. Um diese Zeit erleben die Kreuzzüge eine qualitative Umwandlung: sie gehen nicht mehr ins Heilige Land, sondern gegen die päpstlichen Feinde im Innern. Zunächst gegen die Slawen im deutschen Osten (Wendenkreuzzug 1147), gegen die Mauren in Spanien, gegen die Ketzer (ab 1179). 1183 wird von Konzil zu Verona die Inquisition (lateinisch: ‘’Untersuchung’’) geschaffen. Sie wird 1231 von Papst Gregor IX. den Dominikanern (lat.: ‘’Dievo šunys’’), der NKWD des 14. Jh., übertragen. 1252 wird von der Inquisition die Folter eingeführt, ab 1232 wird die Ketzerverbrennung auf dem Scheiterhaufen ( um kein Blut zu vergießen!) Reichsgesetz. Niemand darf mehr ein Altes oder Neues Testament besitzen, weder in der Volkssprache noch auf lateinisch. Erlaubt ist nur der Psalter und das Brevier, aber nur auf lateinisch. Papst verbietet, die Bibel in der Volkssprache zu lesen. Vergleichen wir: Die oströmische (= griechisch- orthodoxe) Kirche ist Trägerin einer Volksmission. Hier werden alle heiligen Schriften nur in der Volkssprache gelesen. Die römische Kirche hält am Latein fest. Daraus entsteht Entrückung und Entfremdung, denn das Volk hat keinen direkten Zugang zu Christ und Gott, nur der Mönch und Priester. Dem Volk bleiben seine Heiligen, die man als Freunde des Gottes versteht. Hätte die römische Kirche die Bibel in die Volkssprachen übersetzt, wäre Afrika nicht in die Hände des Islam gefallen, hätte sie England und Deutschland (in der Reformationszeit) nicht verloren. Die Inquisition hat ihren Sitz in Toulouse, sie gründet hier ihre erste päpstliche Universität. Die Inquisition kämpft gegen antifeudale Volksbewegungen, fortschrittliches wissenschaftliches Denken, Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Inquisitoren verbrennen z. B. in Spanien zwischen 1481 und 1808 31 000 Mann1 . Der letzte Ketzer (ein 17jähriges Mädchen) wurde 1826 in Valencia verbrannt. Die Inqusition wurde erst 1859 verboten. Der Dominikanerorden hatte vom Papst fast unbeschränkte Vollmacht erhalten. Dieser Orden war hochverkomplext, ein Enkel eines perversen Minnezeitlaters, das den Männern Frauenhass beibrachte. Die Inquisitoren entdeckten nämlich, dass die Tortur der Frauen, Kinder und Männer eine starke geschlechtliche Wollust bereitete. Aber woher die Opfer nehmen? Da fanden die Dominikaner in den Schriften von Thomas von Aquinus einen Satz: Verhexte Menschen treiben Geschlechtsverkehr mit dem Teufel. Der Papst höchstpersönlich verfasste ein Buch über verschiedene Formen des Geschlechtsaktes mit dem Teufel. Das Buch wurde zu einem Europabestseller und versetzte die Menschen in einen hochsexuellen Zustand, viele versuchten heimlich die beschriebenen Akte nachzuvollziehen. Jetzt aber konnte die Kirche eingreifen und den Begriff ‘’Hexe’’ und ‘’Hexenmeister’’ (=raganius) einführen. Wer war die Hexe oder der Ketzer? Das waren ungehorsame, zuchtlose und andersdenkende Menschen. Alle waren an der Hexenverfolgung interessiert, denn das Vermögen des Verurteilten fiel zu zweit Dritteln an den Grundherrn oder die Kirche, zu einem Drittel an den Inquisitor, Henker und Denunzianten2. Welche Motive bezweckten die Inquisitoren? 1. Das Motiv der Macht; 2. Das Motiv des Terrors; 3. Das Motiv des Staatsstreichs; 4. Das Motiv des echten Glaubenseifers und religiösen Wahnsinns; 5. Das Motiv der Habgier, der Bereicherung und persönlicher Rache; 6. Das Motiv des zur Sucht gewordenen perversen Sadismus und Geschlechtstriebes; 7. Das Motiv der Angst, seinen Job zu verlieren, würde es auf einmal keine Hexen mehr geben. Die Massen betrachteten die Scheiterhaufen der Inquisition ‘’als - ob - es - nicht - wirklich - wäre’’. Die Massen sehen sich im Ausgang des 20. Jh. die sadistisch - masochistischen Porno- und Gewaltfilme so , ‘’als - ob - es - Wirklichkeit - wäre’’. Die wichtigste Folge der Inquisition : Die Frau war inquisitionsamtlich zum Viehzeug geworden (Denn sie ist ‘’das Gefäss des Bösen’’, wie ein Heiliger sagte). In Deutschland leitet die Inquisition Konrad von Marburg. Dieser Mann , der Ketzer in Scharen verbrennt, ist der Beichtvater einer der liebenswertesten Heiligengestalten des Mittelalters, der Hl. Elisabeth von Thüringen (sie lebte auf der Wartburg bei Eisenach). Also seit 1231 beginnt in Deutschland die Terrorherrschaft Konrads von Marburg. Als er den Adel zu verdächtigen beginnt, wird er 1233 ermordet. Erzbischof Siegfried III. von Mainz beschreibt dem Papst das Wüten von Konrad. Der Papst erschrickt, ist betroffen und erstaunt - er hatte ‘’nichts’’ gewusst. Wie kam es also zu diesem Terror? Wegen der Volks- und Gruppenpsychosen, sagen die Psychologen heutzutage. Die Träger der Inquisition und ständiger Motor derselben war nämlich das Volk, das in einer Mischung von Glaubensinbrunst und Massenhysterie, von Angst vor allen Fremden und Höllenfurcht sich selbst reinigen wollte vor aller ‘’Unzucht’’. Der Christe muss ja nicht nur an Gott, sondern auch an Teufel und Dämonen glauben. Die Menschen träumten nachts von Teufeln, bösen Geistern und Hexen, versuchten, sich in die Rolle des Teufels oder einer Hexe einzuleben und glaubten innigst an deren Existenz. So entstanden Frauen und Männer, die überzeugt waren, dass sie Hexen, Hexenmeister, Zauberer u. ä. sind. Manchmal erzählten sie davon ihren Nächsten oder Nachbarn, die sie dann bei der Inquisition denunzierten. Es muss gesagt werden, dass Adel, Bischöfe und Prälaten der Kirche jahrhundertelang gegen die Inquisition gekämpft haben, denn die Inquisition beanspruchte auch über sie die Gewalt (ebenso wie die NKWD eine Institution über alle Institutionen war). Konrad war ein guter Redner und eine neurotische Persönlichkeit. Dabei gab es überall Menschen, die mit diesem oder jenem eine Rechnung zu begleichen hatten (denn jeder Gläubige ist verpflichtet, zu denunzieren und den Denunzianten geheimzuhalten). Die neurotische Persönlichkeit Konrads wirkte wie Katalysator, indem sie die Neurosen von Massen und einzelnen entlud: und gegenseitig steigerten sie sich in die Hysterie, die zum Massenmord an Unschuldigen führte. Ironie des Schicksals 1. Konrad von Marburg liegt begraben im ersten deutschen Dom in Marburg neben der Hl. Elisabeth. Ironie des Schicksals 2. Der größte Inquisitor aller Zeiten, Großinquisitor Thomás de Torquemada (1420 - 1498), war ein zum Christentum überlaufener Jude, ein neurotischer Fanatiker. Er ließ 8000 Ketzer verbrennen und vertrieb Juden und Mauren aus Spanien. Zurück zu Friedrich dem Zweiten. Der Hass des Papstes gegen diesen Kaiser ist unermessen. Der Papst organisiert seit 1212 Kreuzzüge gegen Friedrich II. Das ist die Tragödie des Deutschen Reiches - denn 1 Denken Sie mal daran, wie viele Millionen Menschen der bolschewistische Sicherheitsdienst NKWD - die Inquisition Stalins - umgebracht hatte! 2 Stalin, der sehr eifrig die Geschichte der Inquisition studiert hatte (er wollte ja selber in der Jugend Jesuit werden !), hat dieselben Prinzipien in die Praxis umgesetzt. Kaiser und Papst sind im deutschen Volksbewusstsein zwei Repräsentanten des Reiches auf Erden, die nebeneinander thronen und brüderlich vereint sind. Jetzt wird dieser Glaube an das Hl. Römische Reich zerstört, dieses Reich geht mit seinem Kaiser im Bewusstsein des Volkes in die Sage und Legende, in den Wunschtraum der Zukunft ein. Das Papsttum , das im 13. - 14. Jh. mit Zorn und Angst auf das Deutsche Reich als auf die ‘’Herrschaft der deutschen Barbaren’’ über die Kirche und Italien, als Vergewaltigung dieser beiden, sieht, begeht ohne zu ahnen und zu wissen eine historische Tat. Indem das Papsttum den Kaiser entmachtet, entwürdigt und heillos spricht sowie das Hl. Römische Reich zerschlägt, macht es den westeuropäischen Raum endgültig frei für den Aufstieg der neuen Nationalstaaten in West- und Osteuropa, denn niemand klammert sich mehr an den Leichnam des Hl. Römischen Reiches. So hat sich Rom selbst die Grube gegraben. Der exkommunizierte Friedrich II. irrt in Europa umher. Er ist vogelfrei, jeder kann ihn töten. Im Alter von 56 Jahren stirbt er im Fieber. Sein Sohn Konrad IV. regierte nur 4 Jahre und starb im Alter von 26 Jahren. Sein Sohn Konradin kämpft um Italien, wird aber geschlagen, gefangengenommen und auf dem Marktplatz in Neapel, wo sein Großvater Friedrich II. die kaiserliche antipäpstiche Universität gegründet hatte, hingerichtet. Diese öffentliche Hinrichtung des Königs ist eine revolutionäre Tat, die einen Schock hervorruft und den Anbruch einer neuen historischen Epoche darstellt, in der der sakrale Charakter des Königs kaum noch eine Rolle spielt. Diese Hinrichtung ist geschichtslogisch der richtige Abschluss der 200jährigen Erhebung des römischen Papsttums gegen die Kaiser. Die Könige sind nicht mehr sakral, dementsprechend auch der Adel. Daraus erwachsen die größten Rebellionen des Volkes vom 16. bis zum 19. Jh. gegen den Staat und ihn leitenden weltlichen Adel, die seelensruhig den englischen König Karl I., den französischen König Ludwig XVI. und im 20. Jh. die ganze Familie des russischen Zaren hinrichten. Nach Konradin wagte 17 Jahre lang kein deutscher Herzog mehr, auch nur die Königskrone anzunehmen. Das Deutsche Reich war zusammengestürzt. Woran? 1. An blinder Machtgier der römischen Päpste; 2. An der Frömmigkeitsbewegung von Cluny, denn Asketen brauchen keinen Staat; 3. An freien, reichen italienischen Städten, die die neuen wirtschaftlichen und politischen Kräfte der Städte symbolisieren; 4. Am Selbstbewusstsein der jungen europäischen Nationen, die keine Zentralverwaltung brauchen; 5. An der modernen Geldwirtschaft. Friedrich Barbarossa hat die geistige Revolution, die die Geldwirtschaft hervorbrachte, gar nicht erkannt. Städte waren für ihn nichts als ummauerte Siedlungen. Die Städte kennzeichneten aber die erste abendländische Massenrevolution, die erste Erhebung der Menschen zur Freiheit. Das Dilemma hieß: Stadt oder Reich. Die Geschichte entschied sich für die Stadt, denn die Stadt repräsentierte ja ein in Deutschland noch nie dagewesenes Lebensprinzip: Freiheit. Freiheit gab es nie in Deutschland. Revolutionen fanden in Deutschland nur mit der Erlaubnis der Polizei statt. Persönlichkeiten, Handelskontoren und Bankiers vertragen sich schlecht mit dem Reich. Nach der staufischen Zeit war der sakrale Charakter des Reiches und des Kaisers vermindert, aber das Staatsdenken erwies sich als bahnbrechend und fruchtbar. Seit der Hinrichtung Konradins werden verschiedene Dynastien 150 Jahre lang um die Macht in Deutschland kämpfen, bis Rudolf von Habsburg an die Macht kommt und die Dauer- Monarchie des unglücklich unseligen Hauses Habsburg beginnt. Die Dynastie der Staufer war das begabteste deutsche Herrschergeschlecht. Die Staufer zeit ist die letzte Blüte des Deutschen Reiches. Das Volk verband mit ihnen die Hoffnung auf Frieden und Besserung des Lebens (deutsches Volk glaubte jahrhundertelang, dass Friedrich Barbarossa in einer Grotte im Kyffhäuser, einem kleinen Waldgebirge zwischen Harz und Thüringen, schlafend seine Wiederkehr erwarte, derweil sein rotblonder Bart wegen der Länge der Zeit durch den Tisch wachse. Denn nach der Sage war Friedrich I. Barbarossa in den Kyffhäuser verzaubert). 1256 - 1273 gibt’s in Deutschland Interregnum (=Zwischenregierung, tarpuvaldis) , eine Zeitspanne von 17 Jahren, in der sich kein König durchsetzen konnte. Die Struktur des deutschen Adels ist im Ausgang des 13 Jh. wie folgt: 1. König; 2. geistliche Fürsten } Reichsfürsten } 7 Kurfürsten (nur sie können den deutschen König wählen)1; 3. weltliche Fürsten 4. Grafen } Hochadel (aukštoji bajorija); 5. freie Ritter 6. Mittelfreie und Ministerialen (=Staatsbeamte) (valdininkija) 1 Das sind Erzbischöfe von Köln, Trier und Mainz, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Sachsen, Markgraf von Brandenburg und König von Böhmen. } niederer Adel (þemoji bajorija). 7. Ritterbürtige (riteriðkosios kilmës bajorija) Die europäischen Städte entwickeln sich intensiv seit dem 11. Jh., als sich das Gewerbe von der Landwirtschaft trennte. Die europäische Stadt unterscheidet sich von der außereuropäischen und voreuropäischen Stadt dadurch, dass die letzteren die europäische Stadt in technischer, zivilisatorischer, hygienischer und industrieller Entwicklung bei weitem übertreffen. Die europäische Stadt hat aber ihre Freiheit und ihre Individualität2. Sie entwickelte sich aus zwei Typen der Stadt - der südeuropäischen und der nordischen Stadt. Die nordische Stadt (oppida) hat Stadtviertel des Adels, Kultviertel (= die Stadt ist Sitz der Götter, die diese Stadt schützen; daraus entstehen Heilige als Schutzpatrone, z. B. Hl. Christophor als Schutzpatron von Vilnius), gewerbliches Stadtviertel mit einem Markt. Die Stadt umgeben Schutz- und Wehranlagen. Im 11. Jh. bildet sich ein städtisches Herrentum (= Patriziat), das durch eheliche Verbindungen mit dem landsäßigen Adel Gleichberechtigung mit ihm zu erreichen sucht. Im 12. - 13. Jh. gilt der Grundsatz: Stadtluft macht frei! 3 Die Stadt wird zum rechtlich geschützten Freiheitsraum, in den immer mehr Menschen fliehen. Die Städte bemühen sich um Bündnisse mit dem König, denn nur er kann ihre Freiheit garantieren. So entstehen freie kaiserliche Reichsstädte: Aachen, Frankfurt, Nürnberg, Goslar, Mühlhausen, Wetzlar, Lindau, Zürich u. a. sowie sog. Freistädte (= Bischofsstädte): Köln, Mainz, Worms, Speyer, Strassburg, Regensburg u. a. Die Macht der Städte beruht auf ihrer Wirtschaftsmacht. Diese umfasst 3 Bereiche: a) ein blühendes, reich differenziertes Gewerbe; b) den (Fern)Handel; c) das Geldwesen. Die Wirtschaftsmacht ist die politische Macht der Stadt und die Macht des Patriziats. Die mächtigsten Städte des 12. - 13. Jh. sind die italienischen Städte. Während der Kreuzzüge sicherten sie sich das Transportmonopol und den Lebensmittelnachschub für die westeuropäischen Ritterheere, ließen sich ein Drittel der eroberten syrischen Städte übertragen und bauten hier den ersten europäischen Kolonialkapitalismus auf. Die italienischen Städte schaffen die Sklaverei ab (Bologna 1256). Die Stadtherren wählen zur Verwaltung der Stadt einen Stab (= ital. stato ‘’Staat’’). Ihn leitet ein Jurist (ital. podest?) , dem Stab hilft ein Polizeiapparat. Den Stab bilden in Florenz demokratische Aristokratie und Vertreter der 7 führenden Guilden (gildija). Dieses strukturelle Gebilde nennen sie Republik. In Venedig gilt solche Verfassung vom 12. Jh. bis 1797 und hilft dem Patriziat, alle Versuche einer Diktatur zu ersticken. Zwischen 900 und 1200 wachsen die deutschen Städte von 40 auf 250. Strassburg und Köln - die zwei deutschen Großstädte - sind Zentren des geistigen Lebens, der religiösen Bewegung und der deutschen Mystik. 1160 entsteht die Hanse (norddt. ‘’Schar, Gruppe’’), eine Genossenschaft von westfälischen, sächsischen und lübischen Fernkaufleuten. Ende des 13. Jh. verbindet die Hanse 160 Städte. Sie hat ihre Stützpunkte / Kontoren in Nowgorod, Brügge (Westflandern), Bergen (Norwegen) und London. Die Reichsstadt Lübeck tritt als Haupt der Hanse auf. Das Lübecker Stadtrecht wird zum Modell im Ostseeraum. In Nowgorod kaufen die deutschen Kaufleute den russischen Pelz1 und werden durch ihn zum Herrn der Ostsee (12. Jh.). Die Überbevölkerung Europas im 12. - 13. Jh. und der ständige Hunger nach Brot lösen in Europa den Land- und Freiheitshunger aus. So beginnt im 12. Jh. der deutsche Drang nach Osten. In der Wanderung der Siedler, die nach Land, Brot und Freiheiten im Slawen- und Baltenland suchen, gibt es 3 Höhepunkte: 1150, 1210 und 1250. Wie sieht alles aus? Zuerst erscheinen im fremden Lande die Missionare, die die Länder im Osten und ihre Völker auskundschaften und alles genau beschreiben. Nach ihnen folgen die Ritter, die mit dem Schwert diese Länder zu erobern versuchen. Nach ihnen kommen die Mönche und die land- und geldgierigen Pilgerheere, die durch Plünderung ihre Rechte und Ansprüche den lokalen Fürsten anzuzwingen suchen. Die Hanse sichert dabei den Transport und liefert Lebensmittel. Nehmen wir als Beispiel das Baltikum. Die ersten Deutschen erscheinen in Litauen und Lettland etwa 1170, sofort folgen die Missionare. 1199 wird der erste Kreuzzug gegen die Letten organisiert. Lettland besteht aus mehrern Stämmen, die miteinander und zugleich gegen die Dänen, Russen und Litauer kämpfen. Das erleichtert den Deutschen die Aufgabe. Sie bestechen die Stammesfürsten und kaufen sich ein Stückchen Boden: 1200 entsteht deutsches Livland. 1201 wird an einer strategischen Stelle der unteren Düna (Daugava) 2 Asiatische, kleinasiatische u. a. Städte gleichen einander wie ein Ei dem anderen. In russischen Städten gilt dieser Grundsatz nicht, weil in ihnen keine freien Stadtbürger, sondern Hörige irgendeines Adligen bzw. mehrerer Adligen leben. 1 Westeuropa lernt zum erstenmal russische Kaufleute kennen: bärtige Riesen in Zobelpelzen unvorstellbaren Wertes (Zobel gab es nur in Sibirien), die Kleidung verziert mit Gold und Edelsteinen, tagelang schmausend und kübelweise die stärksten westeuropäischen Getränke saufend. Sie machen Furore in Westeuropa. Der reiche russische Pelz wird zur Prestigekleidung des Mittelalters. 3 Riga gegründet, 1202 entsteht der Schwertbrüderorden (Livländischer Orden) (kalavijuočių ordinas). 1224 sind das gesamte Lettland und ein Teil Estlands erobert. Die Letten werden getauft. In Litauen besiegt das Bauernheer ( 23 000 Mann) die Kreuzritter in der Schlacht bei Saule (1236) und in der Schlacht von Durbe (1260). Die Litauer plündern regelmäßig die Polen aus ( von 1246 bis 1307 vierzehnmal). 1225 wendet sich Herzog Konrad von Masowien um die Hilfe vor Litauern an den Deutschen Orden. Dieser Orden (= Preußischer Orden, Deutschritterorden, Kreuzritterorden) entstand 1199. Seine Ideale waren Armut, Keuschheit und Gehorsam mit der Pflicht zu Heidenkampf und militärischem Pilgerschutz. Die Struktur des Deutschen Ordens war wie folgt: 1. Verwaltung: a) der Konvent - taryba; b) Hochmeister des Ordens - didysis magistras; c) Drapierer (er verwaltete die Kleider- und Zeugkammer) – drabuþininkas; d) Treßler - iždininkas; e) Marschall - maršalas ( arsenalo viršininkas bei kautynių vadas); f) Kaplan – kapelionas (kanceliarijos vadovas, ordeno antspaudo saugotojas) 2. Ritter: a) ritterbürtige Abkunft, ehelich geboren, von der Welt enttäuscht, immer bereit zu sterben den Märtyrertod; b) weißes Waffenkittel mit einem schwarzen Kreuz ( pas kalavijuočius: mit einem roten Schwert und Kreuz übereinander); c) sie nennen sich miles Christi (=Gottesstreiter, Dievo kariai); d) sie durften kein Eigentum, nicht mal eine Mütze, besitzen (später vergessen sie dieses Gebot). 3. Priester (= Beichtväter der Kreuzritter); 4. Diener: a) Gewappnete (ginklanešiai); b) Handwerker. Der Deutsche Orden sagte dem Konrad von Masowien, dass er erst dann mit den Heiden Pruzzen und Litauern kämpfen wird, wenn, erstens, der Deutsche Orden von polnischem Herzog ein Stück Land geschenkt bekommt und wenn , zweitens, das ganze von Heiden eroberte Land dem Orden gehören wird. Der Herzog erklärte sich einverstanden. Ein schicksalsschwerer Fehler! Der Pappst bestätigte all dies durch die Goldbulle von Rimini 1226. Nach dieser Bulle bekam der Deutsche Orden von den Polen das Land zwischen Flüssen Weichsel (= Vysla) und Ossa (= das sog. Kulmer Land, Kulmo žemė). Der Orden bekam Münz- und Zollrecht, der Hochmeister des Ordens wurde zum Reichsfürsten ernannt. Die ersten Kreuzritter kamen aus Italien 1230 und erbauten 1232 die Burg Thorn (= Torunė). Sie arbeiteten mit der Hanse zusammen. So entstand der Ordensstaat in Polen, mit dem dann Litauen 200 Jahre lang einen Kampf auf Leben und Tod führte. Schon 1230 beginnt der Sturm der heidnischen Pruzzen. 1233 wird Culm (poln. Cheùmno, lit. Kulmas) gegründet, in dem Münzen geprägt werden. Das Kulmer Landrecht1 wird zur Grundlage des Landrechtes in Preußen. Culm ist Zentrum des Ordensstaates, bis Marienburg (poln. Malbork, lit. Marienburgas, dabar: Malborkas) - ein Wunder der ordensstaatlichen Wehrarchitektur - 1274 gegründet und zur Hauptstadt Preußens wird. 1255 entsteht Königsberg (Karaliaučius). Im Laufe von 150 Jahren werden im Ordensland 93 Städte und 1400 Dörfer mit 60 000 Bauernhufen begründet. Die deutschen Siedler bekommen das deutsche Recht: a) persönliche Freiheit (!); b) Ersatz der ungemessenen Dienstleistungen (lažas) und der Naturalabgaben (natūrinė duoklė) durch einen festen Zins und durch Markt- und Gerichtsgelder (d. h. Steuergelder statt Fronarbeit und Naturalbagaben ! Und das am Anfang des 13. Jh.!) ; c) korporativer Zusammenschluss der Siedler (valstiečių korporacijos). Mit der deutschen Siedlung ging ein intensiver Landesausbau. Die deutschen Siedler brachten Fortschritt (Eisenpflug, Dreifelderwirtschaft, entwickeltes Handwerk, intensiven Fernhandel, große Dörfer, planmäßig schachbrettartig angelegte ummauerte Städte). Ende des 13. Jh. hat Preußen 2 im Vergleich zu den polnischen Fürstentümern eine fünffache Bevölkerungsdichte und wird zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum in Osteuropa. Erst 1295 entsteht Königtum Polen (unter Przemysl II.) und erst König Kasimir I. (1310 - 1370)3 beginnt der Kampf gegen den Deutschen Orden. 1410 wird der Deutsche Orden von Polen und Litauern zerschlagen, 1525 wird der Ordensstaat säkularisiert (verweltlicht) und zum Vasall des polnischen Königs gemacht. 1 Es ist eine Tochter des Magdeburger Stadtrechtes, das in Brandenburg, Schlesien (= Silezija), Preußen, Böhmen (= Bohemija, t. y. Čekija), Ungarn, Polen und Litauen dominiert. 2 Die deutschen Eroberer übernahmen diesen Namen von dem vernichteten Pruzzenstamm. 3 König Kasimir verzichtete übrigens auf Schlesien, das 1339 deutsch wurde. Anfang des 15. Jh. beginnt auch der Niedergang der Hanse, denn englische und holländische Kaufleute erobern die Ostsee. 1494 wird das Kontor der Hanse in Nowgorod, 1603 in London geschlossen. Das ist das Ende der Hanse als Wirtschaftsmacht. Im geschlossenen Europa des 13. - 14. Jh. existiert neben dem Freiheitsraum Stadt noch ein Freiheitsraum im übertragenen Sinne des Wortes - die Universität, wo man unverschämt alle Fragen stellen darf, die irgendwo sonst verboten sind. Sonst sind auch die Universitäten geschlossen: sie sind Festungen des Glaubens, Bollwerk der Papstkirche, Instrument von Königen und Orden, die sich hier neue Kader heranbilden. Die Universität ist die größte Hoffnung und zugleich die größte Enttäuschung der Päpste. Universitas bedeutet eine Schutzgenossenschaft von Studenten und Professoren im fremden Lande. Paris und Bologna sind die beiden Archetypen der europäischen Universität. Paris liefert das Modell einer Universität von Professoren, Bologna das Modell einer Universität von Studenten. Bologna ist Zentrum der Rechtswissenschaften in Europa, Paris - das der Theologie, Salerno - das der Medizin, Oxford - das der Naturwissenschaften. Bologna bildet die Juristen (Kanonisten) heran, die alle Führungsstellen der römischen Kirche seit dem 13. Jh. besetzen. Diese Juristen entwickeln die Lehre von der Weltherrschaft und politischer Oberhoheit des Papstes über alle Völker der Erde. Bis zur Mitte des 14. Jh. sind Deutschlands intellektuelle Zentren Paris und Oberitalien, z. B. Kaiser Karl IV. ist in Frankreich gebildet. Erst 1348 entsteht in Prag die erste deutsche Universität. Die anderen Universitäten entstehen: 1365 in Wien, 1379 in Erfurt, 1385 in Heidelberg, 1388 in Köln. Die europäischen Universitäten erziehen und prägen einen neuen Menschentyp: den Akademiker und Intelektuellen. Sie tragen den Aufstieg und Ausbau des Staates im Hochmittelalter. Sie sind Funktionäre, Manager und oft die allein führenden Männer am Hebel der Macht. Sie sind hochentwickelt im Verstand, doch kalt in Gefühlen. Ihre Laster sind Homosexualität und Sodomie. Sie sehen mit Verachtung auf das Volk, auf die Bauern herab. Geistig fühlen sie sich dem Adel überlegen. Sie glauben, alles zu beherrschen und zu verstehen, hassen aber tierisch ihre Konkurrenten, sind hochmütig, neidvoll, neugierig, atheistisch, gottlos und zynisch. Sie sind der Grund vieler anti- intellektueller Bewegungen des Mittelalters. Die größten Universitäts- Intellektuellen jener Zeit (12. - 14. Jh.) sind Boethius von Dacien, Roger Bakon, Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Siger von Brabant, Duns Scotus, Meister Eckhart - sie alle lehren in Paris an der Sorbonne. Paris ist im 12. - 14. Jh. die geistige Hauptstadt Europas. 2. 2. SPÄTMITTELALTER 2. 2. 1. DEUTSCHES REICH UNTER HABSBURGERN (1273 - 1517) Stammtafel der Habsburger bis Maximilian I.: Rudolf I. von Habsburg (reg. 1273 - 1291, † 1291); Adolf von Nassau (reg. 1292 - 1298, abgesetzt 1298); Albrecht I. von Habsburg (reg. 1298 - 1308, ermordet 1308); Heinrich VII. von Luxemburg (=Haus Luxemburg) (reg. 1308 - 1313, Kaiser 1312, † 1314); Ludwig IV., der Bayer (=Haus Wittelbach) (reg. 1314 - 1347, Kaiser 1328, † 1347); Friedrich der Schöne (Gegenkönig 1314 - 1330, † 1330); Karl IV. (Karl I. von Böhmen) (reg. 1347- 1378, Kaiser 1355, † 1378); Wenzel (deutscher König 1378 - 1400, abgesetzt 1400); Ruprecht I. von der Pfalz (deutscher König 1401 - 1410); Sigismund (reg. 1410 - 1437, Kaiser 1433, † 1437); Albrecht II. von Habsburg (reg. 1438 - 1439, Kaiser 1438, † 1439) (= endgültiger Übergang der Kaiserkrone an die Habsburger 1438); Friedrich III. von Steiermark (reg. 1440 - 1493, Kaiser 1452, † 1493); Maximilian I. (reg. 1486 - 1519, Kaiser 1508, † 1519). Der Papst hatte also mit Hilfe der französischen Anjoudynastie die staufischen Könige besiegt und schickte sich nun, auch die höchste weltliche Herrschaft über Westeuropa in Anspruch zu nehmen. Entscheidende Unterstützung erhielt der Papst durch die Bettelorden (Minoriten, Franziskaner, Dominikaner, Augustiner - Eremiten, Karmeliten: sie predigten Armut und klösterliche Abgeschiedenheit, erteilten Bußsakrament, trieben Seelsorge und kämpften gegen Ketzer. Im 13. Jh. verzichtete Rom auf Armut, was zu Auseinandersetzungen mit Minoriten und Franziskanern führte, sie wurden zu Ketzern abgestempelt und flohen an den Hof Ludwigs des Bayern), deren Tätigkeit sehr effektiv war und aus deren Reihen die bedeutendsten Gelehrten jener Zeit (Bonaventura, Albertus Magnus, Thomas von Aquin) hervorgegangen sind. 1302 veröffentlichte Papst Bonifaz VIII. die Bulle ‘’Unam sanctam’’ , in der er die Unterordnung aller weltlichen Dinge unter den Papst biblisch begründete. Das war der Höhepunkt der päpstlichen Machtansprüchen und zugleich ein Wendepunkt. Der französische König Philipp IV. klagte den Papst als Ketzer an und ließ ihn gefangennehmen. Diesen Schock konnte der Papst nicht überleben: er starb an Herzschlag. Der neue Papst Clemens V. übersiedelte sich mit der Kurie nach Avignon in den Einflussbereich der französischen Könige. Die Gefangenschaft der Päpste in Avignon (1309 - 1377) war eine Krise der Kirche. Die Thronkämpfe und die hemmungslose königliche Ausgaben- und Verpfändungspolitik führten dazu, dass das Reichsgut beinahe geschmolzen war. Wer König werden wollte, sollte viel Reichtümer und Boden haben, d. h. sollte eine Hausmacht sein. Anfang des 14. Jh. gab es 3 Hausmächte in Deutschland: die Habsburger mit Österreich und Steiermark, die Luxemburger mit Böhmen und die Wittelsbacher mit Brandenburg. Eben diese Herrscherhäuser bekämpften sich im Laufe des 14. Jh. einerseits und kämpften alle drei gegen das Papsttum andererseits, was den historischen Inhalt des 14. Jh. ausmacht. 1273 wählten die Kurfürsten Rudolf von Habsburg zum römisch - deutschen König. Er war sehr bescheiden, armselig angezogen und sehr leutselig. 1282 er warb er für das Haus Habsburg Österreich und Steiermark und legte damit die entscheidende Grundlage für den Aufstieg dieses Herrscherhauses. Als Rudolf I. von Habsburg 1291 starb, schlossen sich im Westen des Habsburger Herrschaftsgebietes die drei schweizerischen Talgemeinden Uri, Schwyz und Nidwalden zum ‘’Ewigen Bund’’. Nach Rudolfs Tod wählten die Kurfürsten den schwachen Grafen Adolf von Nassau zum Nachfolger. Diese Wahl setzte der Bischof von Köln durch, denn er wollte auf Kosten des Reichs sein Erzbistum erweitern und reich machen. Adolf von Nassau wurde seine Marionette. Als König Adolf versuchte, seine eigenen politischen Wege zu gehen, setzten ihn die Kurfürsten ab und wählten Albrecht I. von Habsburg, den Sohn Rudolfs I., zum König. Es war das erste Mal, dass die Fürsten einen deutschen König absetzten, der nicht vorher vom Papst gebannt war. In der Schlacht zwischen Albrecht und Adolf siegte der erstere, Adolf wurde im Kampf getötet. Albrecht I. versuchte, die Habsburger Hausmacht für ein starkes deutsches Königtum zu nutzen. Er besiegte militärisch die vier rheinischen Kurfürsten, die seine Absetzung planten. Da wurde er aber von seinem Neffen wegen Erbansprüche ermordet. Jetzt war das Reich den Territorialinteressen der wiedererstarkenden Kurfürsten ausgeliefert. Nun riss sich das Haus Luxemburg die Krone an sich. Heinrich VII. von Luxemburg wollte die alte Kaiserpolitik der Ottonen und Salier wiederbeleben und zog nach Italien. Die Päpste waren in Avignon, der französische König aus Italien vertrieben. Zuerst wurde Heinrich VII. als Friedensbringer begrüßt, als er aber sich zum lombardischen König krönen ließ, danach auch zum Kaiser und eine harte Politik zu treiben anfing, leisteten die Italiener militärischen Widerstand. Schließlich musste er fliehen, unterwegs erkrankte er an Malaria und starb. Heinrich VII. rückte erneut in das Bewusstsein vieler Deutscher die Idee des Kaisertums. Erzfeinde imperialer Ansprüche deutscher Kaiser waren seitdem im 14. - 15. Jh. der Papst und der französische König. Nach Heinrichs VII. Tod kommt es in Deutschland zur Doppelwahl. Könige werden der Wittelsbacher Ludwig IV. (der Bayer) und der Habsburger Friedrich der Schöne. Der letztere wird besiegt, wird aber 1325 Mitregent (bendravaldis). Als er 1330 stirbt, wird Ludwig IV. Alleinherrscher (patvaldys, autokratas). Auch er will sich Italien unterwefen. Doch diesmal handelt der Papst blitzschnell: er verhängt über Ludwig den Bayer den Kirchenbann. Doch die Feinde des Papstes krönen Ludwig den Bayern in Rom zum Kaiser. Als Kaiser verkündet Ludwig die Absetzung des Papstes und setzt Gegenpapst Nikolaus V. (antipopieþius), der ihn noch einmal krönt, ein. Als er aus Rom abzieht, unterwirft sich Nikolaus V. sofort dem Papst Johannes XXII. 1342 heiratete Johann Heinrich, der Sohn König Johanns von Böhmen, ein Luxemburger, Margarete Maultasch, die Erbin Tirols. Ludwig der Bayer wollte nicht zulassen, dass Tirol luxemburgisch wird, und erklärte diese Ehe für ungültig. Die Luxemburger wandten sich vom Kaiser ab und entschlossen sich, einen Gegenkönig (antikaralius) aufzustellen. Es ist der Luxemburger Karl IV. (Karolis IV) , Sohn König Johanns von Böhmen, der größte deutsche König des Spätmittelalters. Er wurde am Hofe des französischen Königs erzogen, sein Lehrer war Papst, der ihn 1346 zum König krönte. Karl IV. war ein kunstsinniger und gelehrter Mann, auch mit einem ausgeprägten Sinn für Wirtschaft und Finanzen1 . Es begann der Thronkampf zwischen Kaiser Ludwig dem Bayern und Karl IV. Bevor es zur Entscheidung kam, erlag Ludwig der Bayer 1347 auf der Jagd einem Herzschlag. Jetzt widmete sich Karl IV. der Stärkung seiner Hausmacht. Er erwarb Niederlausitz, Oberpfalz, viele Orte in Südwestdeutschland. Er baute seine Residenzstadt Prag aus: Dom, Burg Hradschin, steinerne Brücke 1358 schlug Karl V. den Großfürsten Algirdas und Kęstutis vor, sich taufen zu lassen. Diese verlangten, dass sich der Deutsche Orden aus dem litauischen Grenzgebiet zurückzieht und alle eroberten litauischen Ländereien zurückerstattet. Karl IV. nahm diese Bedingungen nicht an, und die litauischen Großfürsten ließen sich nicht taufen. 1 über die Moldau (später wird sie seinen Namen bekommen) und gründete 1348 die erste deutsche Universität. Die Deutschen wurden privilegiert und unterdrückten die Tschechen, was im 15. Jh. zur hussitischen Bewegung führte. Später schränkte König Wenzel den deutschen Einfluss ein. Wütend bös verließen daraufhin deutsche Studenten und Professoren die Prager Universität und gründeten 1409 die Leipziger Universität. Sehr viel trug Karl IV. zur Förderung der deutschen Sprache bei. Heinrich IV. schuf den Kanzleistil der deutschen Sprache und machte viele Übersetzungen lateinischer Schriftsteller. Die Kanzleisprache Heinrichs IV. wurde Grundlage für Luthers Bibelübersetzung und diente zur Vereinheitlichung deutscher Schriftsprache. Er verheiratete seinen Sohn Sigismund mit der ungarischen Prinzessin und bekam so Königreich Ungarn. 1355 salbte der Papst ihn zum Kaiser. Der Papst erhoffte viel von seinem Schüler, doch dieser verkündete mit der Unterstützung der Reichsfürsten die Goldene Bulle (1356)1 (Aukso bulė). Die Goldene Bulle 1356 war das bedeutendste Reichsgesetz des Heiligen Römischen Reiches. Es bestand aus 31 Kapiteln. Es stellte fest: a) die Ordnung der Königswahl; b) die Rechtsstellung der Kurfürsten. Seit jetzt konnten de jure nur noch die 7 Kurfürsten den König wählen1 . Die Goldene Bulle überging die päpstlichen Ansprüche der Weltherrschung mit Stillschweigen, d. h. das Königtum unter Kaiser Karl IV. konnte sich mit seiner Rechtsauffassung gegenüber dem Papsttum durchsetzen. Die freie Königswahl durch die Kurfürsten, wobei ihre Verwandschaft zum königlichen Haus nicht berücksichtigt wurde, bedeutete, dass Reichsinteressen und dynastische Interessen der Herrschaftshäuser nicht mehr identisch waren. Die Kurfürsten strebten nach der Entmachtung des Königs und der Schwächung der königlichen Zentralgewalt. Der deutsche spätmittelalterliche König konnte deswegen keine Zentralverwaltung, keine Ausführung der Reichsgesetze und Urteile des königlichen Hofgerichts erreichen. Das führte zur Entstehung der Missstände (vaidai, nesantaika), die sich im 14. - 15. Jh. in allgemeiner Rechtsunsicherheit, einem zügellosen Fehdewesen und Raubrittertum sowie in weitgehender Schutzlosigkeit gegenüber äusseren Bedrohungen (Hussiten, Türken) äusserten. Als 1378 Kaiser Karl IV. starb, schien die Zukunft des Hauses Luxemburg gesichert. Doch seine Söhne und Neffen machten die Eintracht des Hauses Luxemburg durch ihren Interessenegoismus schnell zunichte, und Anfang des 16. Jh. fielen die Territorien der Luxemburger an die Habsburger. Inzwischen kam aus Asien nach Europa die Pest. Die Große Pest verbreitete sich in Europa von 1347 bis 1351. Ein Drittel der Bevölkerung Europas starb aus (in dem 2. Weltkrieg nur 5 Prozent !), d.h. etwa 60 Mio. Menschen sind ums Leben gekommen. In Deutschland tobte der Schwarze Tod 1349-50. Es kam zu massenhysterischen Exzessen (=Judenpogromme, Geisslerumzüge), zur Verknappung der menschlichen Arbeitskraft, zum Preisverfall bei Boden und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. 1377 kehrte der Papst aus Avignon, starb aber nach einem Jahr. Ohne den französischen König zu fragen, wählten die Italiener Urban VI. zum Papst. Der empörte französische König ließ Clemens VII. zum Papst wählen. Das war das Abendländische Schisma (1378 - 1417). Der neue deutsche König Wenzel (Sohn Kaiser Karls IV.) unterstützte mit rheinischen Kurfürsten Urban VI., die süddeutschen Kurfürsten dagegen Clemens VII. Die letzteren erreichten 1400 die Absetzung Wenzels und die Wahl Sigismundes zum König. Mittlerweilen setzte das Konzil von Pisa (1409) beide Päpste ab und wählte den dritten Papst. Seit 1409 bis 1417 gab es drei Päpste. Das Konstanzer Konzil (1414 - 1417), an dem 700 Theologen teilgenommen hatten, beendete das Abendländische Schisma. Dieses Konzil befasste sich mit 3 Problemen: 1. Mit dem Schisma selbst. Alle drei Päpste wurden zum Rücktritt gezwungen und ein neuer Martin V. - gewählt; 2. Mit der inneren Reform der Kirche. Nichts wurde erreicht. Die kirchliche Reform blieb das größte Problem der Kirche im 15. Jh.; 3. Mit den Lehren des Johannes /Jan Hus. Jan Hus kämpfte gegen: a) Den Ablasshandel (prekyba indulgencijomis) der Kirche; b) Die zunehmende Verweltlichung und sittliche Verwahrlosung (dorovinis apsileidimas) großer Teile des Klerus; c) Die Privilegien des deutschen Klerus in Böhmen. Er kritisierte den Papst und die römische Kircheninstitutionen. Er forderte die Kirche auf, zum Idealbild einer in apostolischer Armut lebenden Urkirche zurückzukehren und sich der Predigt und der Verkündung der Heiligen Schrift zu widmen, nicht aber der Politik, den Finanzen usw. Ausserdem predigte Jan Hus in tschechischer Sprache. Er fuhr nach Konstanz, denn der Kaiser höchstpersönlich hatte ihm freies Geleit (= Der Name ‘’Bulle’’ stammt von der Bezeichnung des goldenen kaiserlichen Siegels und bedeutet den päpstlichen Erlass. 1 1648 gab es schon 8 Kurfürsten (der achte war der Kurfürst von Bayern), später noch 7 (Hannover, Regensburg, Toskana, Salzburg, Wurttemberg, Baden, Hessen - Kassel), also insgesamt 15 Kurfürsten. 1 d.h. freien Abzug mit Begleitung) zugesichert, um die Theologen in seiner Richtigkeit zu überzeugen. Dort wurde er aber festgenommen und wie ein gewöhnlicher Ketzer 1415 zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die Empörung in Böhmen führte zu den hussitischen Kriegen. Wie waren die Gesellschaftsstrukturen des 15. Jh.? Kurfürsten, Reichsfürsten, Grafen und geistlicher Hochadel übten jetzt Herrschaft nicht nur über Personen, sondern auch über einen bestimmten geographischen Raum. So entstand die Landesherrschaft (suverenus nuosavų žemių valdymas), zu der noch die Rechte zur Ausübung der Gerichtsbarkeit, polizeilicher und militärischer Befugnisse, Schutz- und Herrschaftsrechte über Kirchengut, das Befestigungsund Geleitrecht, das Forstrecht und andere Rechte gehörten. Es existieren geschlossene Landesherrschaften der Habsburger in Österreich und Steiermark und die der Wittelsbacher in Bayern. Die Untertanen der Landesherren (suverenas,siuzerënas, valdovas) (das sind der Landesadel und die Landstädte) (kilmingi dvarininkai ir provincijos miestai) formierten sich zu Landständen (zemstva, žemės atstovybė, zemstviniai pareigūnai) , die auf Landtagen (= landtagas) Gesetzgebung und Steuern mit dem Landesherrn beschlossen. Die Bauern schlossen sich zu Dorfgemeinden (kaimo bendruomenė). Sie durften nicht mehr zum Kriegsdienst herangezogen werden und keine Waffen tragen. Freies Bauerntum gab es nur in den Alpenländern und in Dithmarschen, sonst waren die Bauern unfrei. Sie konnten nicht frei heiraten und mussten ihrem Grundherrn (žemvaldys) Abgaben und Arbeitsdienste erbringen. In den Städten waren die Handwerker zwangsweise (>Zunftzwang) in Zünften (Innungen, Gilden, Ämtern, Gaffeln) (cechas,gildija,korporacija) organisiert. Die Zunft organisierte die Ausbildung von Lehrlingen, reglementierte Produktion und Absatz, kontrollierte die Qualität, hatte eigen¿e Gerichtsbarkeit, leitete die gemeinsame Teilnahme an Gottesdienst und Prozessionen, Begräbnisse der Zunftmitglieder. Die Zunft errang gegen den Widerstand der Patrizier in langen Kämpfen Anteil an der Stadtherrschaft. Ihr Recht war in den Zunftrollen (cecho nuostatai) niedergelegt. Im Laufe der Zeit bildeten sich besondere Zunftbräuche heraus. Eine besondere Gruppe innerhalb der städtischen Bevölkerung bildeten die Juden . Sie leben friedlich in Europa bis zu dem 1. Kreuzzug. Während der ersten zwei Kreuzzüge gibt’s Judenverfolgungen. Ab 1215 müssen sie in Europa eine Sondertracht mit einem gelben Fleck auf dem Obergewand tragen. Ab 1223 ist jedes theologisch - religiöse Gespräch zwischen Christen und Juden verboten. Sie gelten bis 1965 als Mörder Christi. Große Judenverfolgungen gibt’s 1306 in Frankreich, 1492 in Spanien, 1495 in Litauen, 1497 in Portugal. Während der Pogrome begehen ganze jüdische Familien Selbstmord. Das jüdische Martyrium in Europa hat, an zeitlicher Dauer (von der Zerstörung Jerusalems 73 v. Chr. bis 1965), an Größe und bewusstem Ertragen gemessen, nichts Vergleichbares in der Weltgeschichte. Die Juden fliehen nach Polen, Schlesien, Ungarn und Österreich. In Polen - Litauen und in Österreich1 genießen sie besondere Privilegien und tragen viel zum Aufstieg dieser Staaten bei, denn ohne jüdische Ärzte2, Übersetzer, Philosophen, Theologen und Finanzleute ist Europa des 9. - 13. Jh. unvollstellbar. Ab 14. Jh. wird die weltoffene jüdische Theologie und Philosophie zu einem streng und angstvoll geschlossenen System. Die Frauen spielen im 6. - 12. Jh. eine große Rolle. Die größten Frauen des Früh- und Hochmittelalters sind: Brunhilde, Bathilde, Plektrude, Bertrade (die Mutter Karls des Großen), Hildegard (die 3. Gattin Karls des Großen), Kaiserin Judith. Seit dem 9. Jh. verbietet die Kirche den Frauen die Teilnahme an politischen Versammlungen (im Süden Europas ignorieren die Frauen dieses Verbot bis zum 12. Jh.). Das 12. - 13. Jh. sind Epochen großer führender Frauen: Königin Eleanore, Kaiserin Mathilde (=Mutter Heinrichs I.), die Gattin Wilhelms des Eroberers Mathilde, Gräfin Ermengardis von Norbonne (sie leitet 50 Jahre lang den Kampf gegen die Engländer), die Jeanne und Margarethe von Flandern (sie regieren 65 Jahre lang Flandern und maches es zum wirtschaftlichen Zentrum Nordwesteuropas), Königin Blanca von Kastilien, Jeanne d’Arc. Ab 13. Jh. gilt die päpstliche Lösung: ‘’Die Frau hat nichts mitzureden. Recht ist Männerrecht. In der Familie, Gesellschaft, im Staat haben die Männer allein das Wort.’’ Die Epoche der Frau ist vorbei. Ab 1317 werden die Frauen in Frankreich vom Recht der Thronfolge ausgeschlossen. Das Dominium der Frau wird Kinder, Kirche und Küche. Um 1250 hat Deutschland 500 Frauenklöster mit 30 000 Nonnen. Doch die Kirche sorgt sich nicht für die Seelsorge der Nonnen, denn sie betrachtet die Nonnen als maskierte Hexen. Der größte Theoretiker der Kirche Thomas von Aquin lehrt: ‘’Die Frau wurde geschaffen, um dem Manne zu helfen, aber einzig bei der Zeugung.’’ Hieronymus lehrt: ‘’Die Frau ist die Pforte des Teufels, der Weg der Bosheit, der Stachel des Skorpions, mit einem Wort, ein gefährlich Ding.’’ Die Frau darf nur auf dem Lande und in 108 Gewerben in der Stadt arbeiten. Es entsteht eine breite Schicht proletarischer Frauen. Die öffentliche Unzucht im 13. Jh. nimmt erschreckliche Maße an. Auf je 1000 Männer kommen 1295 Frauen, 1 2 Das österreichische Judenstatut von 1244 ist richtungsgebend für Polen, Litauen und Ungarn. Europäische Ärzte sind Theoretiker, jüdische dagegen Praktiker. die geistig und religiös schutzlos und heimatlos sind. Sie stürzen sich verzweifelt in die häretischen und Hexenbewegungen. Zurück zum 15. Jh. Die typischen Merkmale des 15. Jh. sind: 1. Die Idee eines einheitlichen römisch - christlichen Reiches ist nicht mehr populär. Die Idee des Kaisertums verblasst. Der Kaiser kann jetzt nur noch über deutsche Gebiete herrschen, denn in Italien sind die Städte stark und souverän und in Frankreich regiert ein starker König. Und so entsteht 1442 die Bezeichnung natio germanica, 1486 die Bezeichnung ‘’Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation’’ (Vokiečių nacijos Šventoji Romos imperija); 2. Die königliche Gewalt versagt. Die Macht gehört der Reichsstandschaft (= Kurfürsten, Reichsfürsten, Grafen und geistlicher Hochadel) (Reicho / imperinis luomas); 3. Aus den Landesherrschaften entwickeln sich ständische Territorialstaaten (luominės teritorinės valstybės). Die Reichsstandschaft fügt Klerus, Adel, Zünfte und Patriziat zu Landständen (= zemstva) zusammen; 4. Die politische Ordnung des Reiches beruht de facto (faktiškai) , nicht aber de jure (įstatymiškai) auf den Ständen des Reiches: auf der Reichsstandschaft und den Landständen; 5. Im Laufe des 15. Jh. kämpft man um eine Reform der Kirche und des Reiches. Eine Reform der Kirche propagiert seit 1432 der bedeutendste Gelehrte des 15. Jh. Kardinal Nikolaus von Kues. Seine Hauptideen sind: a) Papst und Kaiser sind gleichrangig; b) Das Reich soll eine starke Zentralgewalt haben; c) Im Reich soll es eine einheitliche Rechtsprechung (= vieninga teisinė praktika) geben; d) Im Reich soll es eine bundesstaatliche Ordnung (=federalinė santvarka) geben. Seine Reformversuche scheitern, denn sie entsprechen absolut nicht den Interessen der Reichsstandschaft, die den königlichen Einfluss eindämmen will. Sie lässt alle Reformversuche König Sigismunds und Friedrichs III. scheitern. 1486 –93 kommt es zur Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians I. Der erste war stockkonservativ, der zweite einer der größten und fortschrittlichsten Politiker Deutschlands. Kaiser Friedrich III. kümmerte sich so gut wie gar nicht um das Reich und ließ dem Territorialisierungsprozess im Innern des Reiches freien Lauf. 1489 bilden sich drei Reichsstände / Kurien (= trys Reicho kurijos): 1. Kurfürstenrat (kurfiurstų taryba); 2. Reichsfürstenrat (reichsfiurstų taryba); 3. Kollegium der Frei– und Reichsstädte (vyskupų ir laisvųjų kaizeriškųjų miestų kolegija). 1493 stirbt Kaiser Friedrich III. König Maximilian I., genannt ’’der letzte Ritter’’ (des Mittelalters), der durch seine Heirat mit Maria von Burgund (1477) die Niederlande1 für die Habsburger gewonnen hat, beginnt Kriege mit Frankreich um Italien und braucht Unterstützung der Kurfürsten. Diese stellen bestimmte Forderungen auf, die der König teilweise auf dem Wormser Reichstag2 1495 befriedigt. Da werden folgende Reichsreformen beschlossen: 1. Der ‘’Ewige Landfrieden’’ (Amžinoji šalies taika) wird verkündet, das Fehderecht aufgehoben; 2. Es wird ein Reichskammergericht (Reicho aukščiausiasis teismas) mit dem Sitz in Frankfurt gebildet, das von König weitgehend unabhängig ist. Das ist ein Fundament für die Fortbildung des Reiches zu einer Rechtsgemeinschaft. 3. Es wird eine allgemeine Reichssteuer (Visuotinis Reicho mokestis) eingeführt. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1500 werden zusätzliche Reichsreformen angenommen: 1. Es wird das Reichsregiment (Reicho vadyba) errichtet. Es ist eine ständische Regierung, eine fürstlich aristokratische Regierung. 2. Die Regierungsmassnahmen des Königs werden an die Zustimmung des Reichsregiments gebunden. Der König wird nur ein repräsentatives Staatsoberhaupt, er verliert seine Gewalt, denn das Reich regieren die Reichsstände. Das Deutsche Reich ist 1500 eine ständische Rechtsgemeinschaft (teisinė luominė bendrija) geworden 1. 3. NEUZEIT (1517 – 1789) 3. 1. REFORMATION UND GLAUBENSKRIEGE (1517 - 1648) Die Stammtafel der Habsburger seit Maximilian I.: Maximilian I. (reg. 1493 - 1519, Kaiser 1508); 1 Und durch die Vermählung seines Sohnes Philipp mit der spanischen Erbtochter (1504) auch Spanien. Die Bezeichnung ‘’Reichstag’’ erscheint im 15. Jh. und bezeichnet eine allgemeine Versammlung der Reichsstandschaft (später auch der Landstände) am Königshof. 1 In Großbritannien entsteht das Parlament 1265. 2 Karl V. (reg. 1519 - 1556, Kaiser 1530); Ferdinand I. (reg. 1556 - 1564, Kaiser); Maximilian II. (reg. 1564 - 1576, Kaiser); Rudolf II. (reg. 1576 - 1612, Kaiser); Matthias (reg. 1612 - 1619, Kaiser); Ferdinand II. (reg. 1619 - 1637, Kaiser); Ferdinand III. (reg. 1637 - 1657, Kaiser); Leopold I. (reg. 1658 - 1705, Kaiser); Joseph I. (reg. 1705 - 1711, Kaiser); Karl VI. (reg. 1711 - 1740, Kaiser); Maria Theresia (reg. 1740 - 1780, Kaiserin); Karl VII. Albrecht (reg. 1742 - 1745, Kaiser); Franz I. Stephan (reg. 1745 - 1765, Kaiser); Joseph II. (reg. 1765 - 1790); Leopold II. (reg. 1790 - 1792, Kaiser); Franz II. (reg. 1792 - 1806, 1806 - 1835 als Franz I. Kaiser von Österreich); Ferdinand I. von Österreich (1835 - 1848); Franz Joseph I. von Österreich (1848 - 1918). Die Stammtafel der Hohenzollern: Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst (1640 - 1688); Kurfürst Friedrich III. , Friedrich I., König in Preußen (1701 - 1713); Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1713 - 1740); Friedrich II. von Preußen, Friedrich der Große (1740 - 1786); Friedrich Wilhelm II. (1786 - 1797); Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840); Friedrich Wilhelm IV. (1840 - 1861); Wilhelm I. von Preußen (1861 - 1888, Kaiser 1871); Kaiser Friedrich (09. 03. 1888 - 15. 06. 1888); Kaiser Wilhelm II. (1888 - 1918). Typische Merkmale des 16. Jh.: 1. Im 16. Jh. dominieren die Persönlichkeiten Luthers, Calvins und Zwinglis und das Suchen nach religiösem Gewissen; 2. Es beginnt der Kampf um die Hegemonie in Europa, der bis heute dauert2; 3. Karl V. versucht, die christliche Einheit und das Kaisertum herzustellen. Es kommt zur Rivalität zwischen den Habsburgern und Frankreich; 4. Es entsteht das landesherrliche Kirchenregiment (teritorinis bažnytinis valdymas). Das 16. Jh. beginnt mit Luther. Er wurde 1483 in Eisleben geboren. Seine Eltern waren Bauern. Er studierte an der Universität Erfurt Jura. Doch plötzlich trat Martin Luther ins Kloster ein und wurde Priester. Später studierte er Theologie. Ab 1512 ist er Leiter des Lehrstuhls für Altes und Neues Testament an der Universität Wittenberg. Er war überzeugt, dass man nicht an äußere gute religiöse Werke glauben muss, sondern an die ausschliessliche Kraft des innerlichen Glaubens und der göttlichen Gnade. Gerecht ist nur jener, der innerlich glaubt. Das ist der Hauptgedanke seiner Rechtfertigungslehre, die er dann 1520 in seinen reformatorischen Schriften ‘’An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung’’, ‘’Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche’’2 und ‘’Von der Freiheit eines Christenmenschen’’ erweiterte. Am 31. Oktober 1517 schlug er seine 95 Thesen in lateinischer Sprache an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg an. Er wollte mit ihnen eine theologische Disputation über den Ablasshandel herausfordern. Versteckt zwischen den Zeilen war folgende These: Nicht vor der Kirche ist der Christ verantwortlich, sondern direkt vor Gott. Die Thesen fanden rasch eine weite Resonanz. Der Dominikanerorden erhob gegen Luther Anklage wegen Ketzerei, doch zuerst unternahm der Papst nichts. Er wollte einen weiteren Zuwachs des Hauses Habsburg verhindern und den sächsischen Kurfürsten Friedrich, unter dessen Schutz Luther aufgetreten war, als Nachfolger Maximilians I. auf dem Kaiserthron sehen. So hat der Dominikanerkardinal Cajetan Luther nur noch verhört. Aber 1519 wurde der spanische Habsburger Karl V. zum König gewählt. 2 Es scheint, diesen Kampf habe die USA nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 und des bosnisch jugoslawischen Krieges 1991 - 94 gewonnen , denn weder die BRD noch Frankreich, kaum zu sprechen von Russland , sei imstande, in Europa zu dominieren. 2 Gemeint ist die Gefangenschaft der Päpste in Avignon. Jetzt provozierte der Papst eine theologische Diskussion zwischen dem Theologen Johann Eck und Luthers Kollegen Karlstadt. Eck stellte die Frage, ob der römische Bischof von Anfang an die Oberhoheit über die anderen Bischöfe gehabt hatte. Jan Hus antwortete 1415 ‘’Nein’’ und wurde verbrannt. Luther musste Karlstadft helfen, er musste aufs Ganze gehen. Er sagte:’’Hus habe nicht in allen Fragen falsche Ansichten vertreten und auch Konzilien können irren.’’ Damit hatte er sowohl die Autorität des Papstes wie die der Konzilien in Frage gestellt. Den Weg zurück gab es nicht mehr. Eben 1520 erschienen die obengenannten reformatorischen Hauptschriften Luthers. Die päpstliche Bannandrohungsbulle verbrannte Luther im Dezember 1520 vor dem Stadttor Wittenbergs. Es entsthet eine kuriöse Situation. Der Kaiser Karl V. will: a) Luther als ein Schreck- und Druckmittel gegen Rom ausspielen; b) Die Exkommunition Luthers nicht akzeptieren, denn damit hätte er den reichsten und einflussreichen Kurfürsten Friedrich von Sachsen vor den Kopf gestoßen. Die Kurfürsten: a) unterstützen Luther, denn sein Prinzip ‘’Jeder Mensch ist ein Gerechter, er ist freier Herr über alle Ding und niemandem untertan’’ entspricht ihrem Prinzip ‘’Jeder Fürst ist Herr in seiner Landesherrschaft und niemandem untertan’’. b) unterstützen Luthers Kritik des Ablasshandels und überhaupt sind sie gegen die fiskalischen und rechtlichen Übergriffe der römischen Kurie in Deutschland. Auf dem Reichstag zu Worms 1521 werden zwei Probleme behandelt: Die Teilung des Reiches zwischen Ferdinand und Kaiser Karl V. sowie der Fall Luther. Luther sollte vor dem Reichstag seine Lehre widerrufen. Am ersten Tag bat Luther um Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Am nächsten Tag hält Luther eine wohlvorbereitete Rede. Er sagt: ‘’Der Papst ist die Macht, die die christliche Welt verheert, verwüstet und verdorben hat’’. Auf die Frage, ob er seine Werke widerrufen will, ja oder nein, antwortet Luther: ‘’Mein Gewissen bleibt im Worte Gottes gefangen, ungut und gefährlich ist, gegen das Gewissen zu handeln. Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen’’. Am anderen Tag erklärte Karl V. Luther zum Ketzer. Die Fürsten wollten Luther noch überreden, aber er verwarf alle Kompromisse. Die Kurfürsten entschieden sich dann, Luther zu verbergen und mit ihm den Kampf gegen den Papst und Kaiser fortzusetzen. Sie überfielen ihn auf dem Heimweg und brachten ihn auf die Wartburg bei Eisenach in Sicherheit. Hier übersetzte er in 10 Monaten (als Junker Jörg getarnt) das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. Mit dieser Bibelübersetzung wurde eine qualitativ neue Stufe in der Hearusbildung einer einheitlichen deutschen Nationalsprache eingeleitet. Inzwischen verbot der Kaiser alle Werke Luthers, aber es war zu spät. Die Bewegung, die Luther ausgelöst hatte, griff weiter um sich. Es war keine religiöse Reform mehr, sondern eine echte frühbürgerliche Revolution. Das Auftreten Luthers auf dem Reichstag zu Worms war der Gipfel der einheitlichen nationalen Bewegung gegen Rom. Jetzt bildeten sich 4 religiöse politische Gruppierungen heraus: 1. Das konservativ - katholische Lager (Kaiser, geistliche und ein Teil der weltlichen Fürsten, teilweise das städtische Patriziat). Dieses Lager war an der Erhaltung der bestehenden Verhältnisse interessiert. Der Sprecher dieser Gruppierung war der Kaiser; 2. Das Lager der bürgerlich - gemäßigten Reformation (die Masse des niederen Adels, das Stadtbürgertum und ein großer Teil der weltlichen Fürsten ). Sie unternahmen alles, damit die Revolution die Volksmassen nicht ergreift. Sie wollen weiterhin Herren in ihren Territorialstaaten bleiben. Der Sprecher dieser Gruppierung war Luther; 3. In der Schweiz bildet sich unter der Führung von Zwingli ein radikal - bürgerliches Lager heraus (besitzende Kreise von Zürich und Bern). Vom zweiten Lager unterscheidet dieses Lager humanistische Forderungen und republikanische Haltung. Im zweiten Lager sind Fürsten führend, im dritten das reiche, intellektuelle Stadtbürgertum. Sie sind alle für aktive städtische Politik mit Kirchenzucht. Nicht Fürsten sollen die Entscheidungsgewalt, sondern die Städte besitzen. 4. Das radikal - revolutionäres Lager der Bauern und Plebejer unter der Führung von Thomas Münzer. Sie wollen alle Ausbeutung vernichten und Paradies in Art einer Kommune einführen. Die Bestrebungen aller vier Gruppierungen gipfeln im Großen Bauernkrieg 1525 -1526. Er war keine durchorganisierte, geschlossene Erhebung, sondern eine Folge von regionalen Aufständen, vor allem in Hessen und Thüringen. Die Forderung der Bauern, niedergelegt in den ‘’12 Artikeln der Bauernschaft in Schwaben’’, waren maßvoll und zeigten Verständigungsbereitschaft. Man forderte: a) Die Aufhebung der Leibeigenschaft; b) Freie Wahl des Gemeindepfarrers; c) Armenpflege usw. Den Bauernkrieg leiteten kriegserfahrene Adlige Florian Geyer, Götz von Berlichingen und der Theologe Thomas Münzer. Die Bauern zerstörten viele Burgen, Schlösser und Klöster. Eben dieser Umstand zwang den Reformator Luther, das Vorgehen der Bauern aufs schärfste als eine Gefahr für das Evangelium zu verurteiln. Er rief in seiner Schrift ‘’Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern’’ die Obrigkeit auf, die Bauern schonungslos niederzuschlagen. Es gelang dem Schwäbischen Bundesheer unter Georg Truchsess von Waldburg, die Bauernheere einzeln zu schlagen, so am 15. 5. 1526 die thüringischen Bauern unter der Leitung von Thomas Münzer bei Frankenhausen. Im Juli 1526 waren die Bauern besiegt und grausam bestraft. Seit dieser Stunde verliert das deutsche Bauerntum als Klasse jegliche Rolle in der deutschen Geschichte. Die entstandene leere Stellung übernimmt das Bürgertum. Seit nun bis zum Ausgang des 19. Jh. wird das deutsche Bürgertum um seine Rechte kämpfen. Kaiser Karl V. kämpft gegen Frankreich. Er führt 4 Kriege gegen Frankreich und den Papst: 1521-26, 1526-29, 1534-36 und 1542-44. Franz I. von Frankreich verbündet sich mit den Türken. 1520 greift der größte Sultan des Osmanischen Reiches, Suleiman II., Europa an. 1521 fällt Belgrad, 1522 die Festung Rhodos, 1526 erobert er Ungarn1. 1527 erobert Karl V. Rom. Die Deutschen plündern und töten wie die Vandalen. 1529 kommt es zu Frieden mit Franz I. Kaiser Karl V. verzichtet auf die Burgund, um die die deutschen Könige etwa 100 Jahre lang gekämpft haben, Franz I. verzichtet seinerseits auf Oberitalien, das bis 1859 dem Haus Habsburg gehören wird. Nach der Lutherschen Revolution lautete das Hauptproblem der evangelischen Fürsten so: Wie ist die neue religiöse Freiheit zu schützen? Luthers Lösung war: Nur der Landesherr, der die politische Macht hat, kann die evangelische Kirche beschützen.. Die evangelischen Landesherren verlangen von Karl V. das Recht, in ihren Gebieten das landesherrliche Kirchenregiment aufzubauen. Kaiser erlaubt es auf dem Reichstag zu Speyer 1526. Was bedeutete die Einführung des landesherrlichen Regiments? Das bedeutete, dass die Kirche dem Staat untergestellt, d. h. säkularisiert wurde. Bis jetzt standen der Staat und die Kirche als autonome Organisationen gegenüber und es herrschte Gleichgewicht zwischen ihnen. Jetzt aber blieb nur noch der Staat, der , mit Gottes Vollmacht ausgerüstet, allein über Leib und Gewissen seiner Untertanen herrschen wird. Statt den Menschen zu befreien, machte Luther ihn zu noch einem größeren Sklaven, der Weg zur modernen Sklaverei war frei. Der Protestantismus schrie: Weg mit den Klöstern und Mönchen! In Folge wurde jeder Protestant zum Mönchen (früher konnte sich ein Gläubiger hinter dem Rücken des Priesters verstecken, jetzt stand er Auge in Auge vor Gott, und das war schrecklich, das lähmte den Menschen psychisch und physisch), und jeder Landesherr wurde zu seinem eigenen Papst (jetzt hatten sie vor nichts mehr Angst, sie wurden allmächtig). Das ist die Ironie des Schicksals und das bittere Los aller Revolutionäre! Einen anderen Weg ging der Schweizer Reformator Zwingli. Er verwarf Luthers Lehre von zwei Welten (der himmlischen und der irdischen) durch die Lehre einer ungebrochenen Einheit geistlich - weltlicher Lebensordnung. Sein Motto lautete: Kirchenzwang plus aktive städtische Politik nach innen und außen. Und so standen im Süden des Reiches nicht die Fürsten, sondern die Städte an der Spitze der reformatorischen Bewegung. 1529 findet der Reichstag zu Speyer statt. Der Beschluss lautete: Die evangelisch gesinnten Fürsten sollen ihr neuaufgebautes Kirchwesen preisgeben. Die evangelischen Fürsten organisierten einen Protestmarsch durch die Stadt. Davon der Name ‘’Protestanten’’. Der Bruch der Katholiken und Protestanten war vollzogen. Nun gab es zwei Konfessionsparteien im Reich. Die Katholiken mit dem Kaiser Karl V. an der Spitze beginnen zu drohen. Die Protestanten gründen am 27. Februar 1531 in Schmalkalden den Bund evangelischer Fürsten und Städte. Der neue Glauben war unter den Schutz der Waffen gestellt worden. Der Prozess der Zuordnung von Territorialstaat und evangelische Gemeindebildung war abgeschlossen. Der Kaiser entschließt sich zum befristeten Religionsfrieden, der 1532 in Nürnberg abgeschlossen wird. Die Protestanten können jetzt in Ruhe ihren Glauben propagieren. Bald werden Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Lettland und Estland evangelisch. Heinrich VIII. von England begründet in England die anglikanische Kirche, wobei die Gegner, z. B. der Kanzler Thomas Morus, enthauptet werden. Seit diesem Moment planen Papst und Kaiser eine bewaffnete Invasion. Der größte Versuch , England zu rekatholisieren, endet mit der Vernichtung der spanischen Armada im Ärmelkanal 1588. 1534 wird Paul III. zum Papst. Er führt große Reformen durch und beseitigt all die Zustände, die Luther so scharf kritisierte. 1536 entsteht der Jesuitenorden. Sie verwandeln die introventierte Passivität zur extravertierten Aktivität. Ihre Losung lautet: ‘’Alles, was du tust, tue für Gott’’. Mit ihnen beginnt die Gegenreformation (kontrreformacija). Der erste bedeutende Jesuit im Reich war Petrus Canisius. Der Berater des Papstes Erasmus von Rotterdam ist für die Reunion mit den Protestanten. Aber alle Reunionsversuche schlagen fehl. Der Schmalkaldische Bund hat inzwischen unter der Führung Kursachsens und Hessens eine Bundesverfassung angenommen und ein Bündnis mit Dänemark geschlossen. Kaiser und Papst erklären dem Bund Krieg. So kommt es 1546-47 zum Schmalkaldischen Krieg. Die Protestanten werden besiegt, die Fürsten geraten in Gefangenschaft. Der Kaiser verkündet 1548 das Interim (interimas, 1 In der Schlacht von Mohaã vernichtet er das Ritterheer des letzten Königs von Böhmen und Ungarn, Ludwigs II., der im Kampf fällt. Seit jetzt gehört Böhmen und Ungarn dem Haus Habsburg, sie werden mit Österreich vereinigt. laikina padėtis), wo der Protestantismus als eine kaiserliche Notreligion bezeichnet wird, d. h. als etwas Befristetes und Provisorisches. Außerdem verkündet Karl V., dass sein Bruder Ferdinand zum Kaiser wird. Danach soll nicht Maximilian, Sohn von Ferdinand, sondern Philipp, Sohn Karls, den Kaiserthron erhalten. Außerdem soll Ferdinand Italien an Philipp übergeben. Das bedeutete Nachteile für Maximilian, d. h. für die Wiener Linie der Habsburger. Deshalb waren diese spanische Sukzession und das Interim von Anfang an gescheitert. Die unzufriedenen Fürsten beginnen im März 1552 den sog. Fürstenaufstand. Im Juli unterzeichnet man in Passau den Waffenstillstand, mit der Bedingung, dass die verfassungsrechtliche Verankerung des evangelischen Bekentnisses vorbereitet wird. Auf dem Reichstag zu Augsburg wird 1555 der Augsburger Religionsfrieden unterschrieben. Der Protestantismus wird offiziell anerkannt. Das Hauptprinzip lautet: cuius regio, eius religio (wessen Gebiet, dessen Religion). Die Jahre 1548- 15561 stellen das Scheitern der universalen Politik Karls V. dar. Der Gedanke, die christliche Einheit und das Reich (monarchia universalis, dominium mundi) herzustellen, scheiterte. Es siegt das Prinzip der Partikularität, der Individualität. Es siegt die europäische nationale, regionale und institutionelle Mannigfaltigkeit. Übrig bleibt die zentralisierende, bürokratische spanische Monarchie Philipps II. Golo Mann fragt: Was ist besser: ein zentralisierter, absolutistischer Nationalstaat mit einer einheitlichen Kultur, oder mehrere gespaltene Fürstenstaaten mit vielen eigenartigen Kulturen? Wie glauben Sie? Das Habsburgische Haus spaltete sich 1555 in eine österreichische und eine spanische Linie. Die letztere erhielt die Niederlande. 1559 erscheint die endgültige lateinische Fassung von Calvins ‘’Christinae Religionis Institutio’’ als Zusammenfassung der Lehre des Calvinismus. 1563 beschließt der Konzil von Trient, die römische Kirche zu reformieren. 1580 wird die Konkordienformel und das Konkordienbuch als einheitliche Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche angenommen. Politisch spaltete sich der Protestantismus in lutherische Protestanten, die dem Kurfürsten von Sachsen treu waren, und in calvinistische Protestanten, die dem Kurfürsten von Kurpfalz treu waren. Sie alle schlossen sich gegen Habsburg zusammens. Die konfessionelle Karte Europas ist nach 1555 sehr bunt: in England sehen wir die anglikanische Kirche, in Nordeuropa die Protestantische, in den Niederlanden die calvinistische, die evangelische und die katholische, in der Schweiz finden wir Zwinglianer, Calvinisten und Katholiken, in Frankreich Katholiken und Hugenotten2 , in Deutschland Calvinisten, Lutheraner und Katholiken, in Österreich Protestanten und Katholiken. Und wie sah das Reich in dieser Epoche des Ringens der Konfessionen aus? 1. Die Schweiz gehörte formell (de jure) zum Reich. Den schweizerischen Jesuiten war es gelungen,den protestantischen Einfluss einzudämmen. In Genf herrschte unumschränkt Calvin. Er gründete mit Zwingli die Reformierte Kirche. Der Calvinismus verbreitete sich über Westdeutschland, Holland, Frankreich (=Hugenotten) , England (=Puritaner) und von dort nach Nordamerika. 2. Österreich lag im Mittelpunkt des Geschehens. Es war ein Bollwerk westlicher Zivilisation gegen die Türken, die seit dem Anfang des 16. Jh. Europa bedrohen, es war eine Bastei der Gegenreformation und der Sitz der katholischen Mächte im 30jährigen Krieg des 17. Jh. Von 1555 bis 1598 schwankte Österreich zwischen Katholizismus und Protestantismus hin und her. Da berief Kaiser Ferdinand die Jesuiten an die Wiener Universität. Um 1598 herrschte die römisch - katholische Kirche wieder im Lande vor. Dasselbe geschah auch in Böhmen, Mähren und Schlesien. Die Jesuiten machten auch sie wieder katholisch (auch Litauen !). In Böhmen blieb aber eine religiöse Gemeinde der Böhmischen Brüder. Ab 1609 erlaunte Kaiser Rudolf II. wieder den protestantischen Gottesdienst in Böhmen. Als Kaiser Rudolf II. starb, verlegte Kaiser Matthias die kaiserliche Hauptstadt von Wien nach Prag. 3. Deutschland war ein Gemisch von Fürstentümern, die die Sprache und die Wirtschaft gemeinsam hatten, aber in Bräuchen, Religion, Währungen und Konfessionen eifersüchtig ihre eigenen Wege gingen. Die ökonomische Lage hat sich verschlechtert. Führende Mächte der Welt waren jetzt Spanien und Portugal. Die Nordsee beherrschten die Niederlande. Die Hanse war nur noch ein Wort. Lübeck war zugrunde gerichtet ( durch den Krieg mit Schweden 1563-70). Nur Frankfurt am Main mit seiner bestbesuchten Messe in Europa besaß noch seinen Wohlstand. Die großen Finanzfirmen (die Gebrüder Loitz, die Fugger1 und die Welser) gingen zugrunde. Die Falschmünzer nahmen überhand, um 1600 lagen alle deutschen Währungen darnieder. Das Elend war unerträglich geworden. Um 1616 wurde überall (außer in Sachsen und Bayern) wieder die Leibeigenschaft eingeführt. Der Bergbau sank, denn Gold und Silber aus 1 1556 dankt Karl V. freiwillig ab und begibt sich ins Kloster; 1558 wird Ferdinand zum Kaiser gewählt. Franz. ‘’Eidgenosse’’. Das sind französische Protestanten, Anhänger Calvins. 1 Es war eine Augsburger Großkaufmannsfamilie, die zu Anfang des 16. Jh. das bedeutendste europäische Bank- und Handelshaus war, das den Päpsten und Kaisern große Summen lieh. Die Fugger wurden dann Reichsgrafen, z. T. auch in den Fürstenstand gehoben. 2 Amerika überfluteten Europa. Die Industriearbeiter begannen ihre Arbeit um 4 Uhr morgens und beendeten sie um 7 Uhr abends. Um 1600 war Deutschland in den Hintergrund der Weltgeschichte geraten. Warum? 1. Die lutherische Revolution erstarrte. Zu dieser Zeit war das Luthertum eine deutsche Erscheinung geblieben, der Calvinismus aber eine internationale Erscheinung geworden. 2. Deutschland machte die beginnende Europäisierung der Welt nicht mit. Früher beteiligte es sich an Romanisierung und Christianisierung, Feudalismus und Kreuzzügen, an der Bildung der Klöster und Universitäten, an der Entstehung der Städte und der Bürgerstände, machte Renaissance und Reformation mit. Jetzt verschlossen sich die deutschen Fürsten in ihren Staaten, und in der Welt wurde die Holländische Republik gegründet, England besiegte Spanien, Spanien und Portugal kämpften um ihre Kolonien, Nordamerika wurde kolonisiert. Allmählich beginnt zwischen Lutheranern und Calvinisten, Protestanten und Katholiken ein Wort- und Tintenkrieg. Worte wie Mist, Kot, Esel, Schwein, Hure, Mörder machten sich in der theologischen Terminologie breit. Die Protestanten verglichen die Katholiken mit Türken, Juden und Heiden. Die Jesuiten wurden zur Zielscheibe der Karikaturisten, Pamphletisten und Dichter. Man beschuldigte die Jesuiten der Homosexualität, des Ehebruchs und der Bestialität. Den Papst zeigte man in Gestalt einer sau, wie er Jesuiten in Gestalt kleiner Ferkel wirft. Zuerst schwiegen die Jesuiten, aber 1594-99 erschienen 10 Pamphlete von Jesuit Konrad Vetter, in denen er die Protestanten mit gröbsten Schimpfwörtern ausschimpfte. 1618 erschienen in einem Jahr insgesamt 1800 Pamphlete. Als Herzog Maximilian I. von Bayern 1608 die Reichsstadt Donauwörth gewaltsam katholisierte, entstand die Protestantische Union der lutherischen und calvinistischen Protestanten (ohne Kursachsen). Im Gegenzug wurde 1609 die Katholische Liga unter bayerischen Leitung gegründet. Sie wurde finanziell von Spanien unterstützt. Die Ermordung des französischen Königs Heinrichs IV. von Frankreich 2 , der in Frankreich nach der Bartholomäusnacht 1572, in der etwa 2000 Hugenotten ermordet wurden, die religiöse Toleranz eingeführt hatte, kündigte einen europäischen religiösen Krieg an. 1617 wurde Ferdinand zum König von Böhmen gewählt. Einmal hatte er beiläufig gesagt, wo immer er herrschen würde, würde er alles unternehmen, um den Protestantismus auszurotten. Nach seinem Befehl regierten Prag 5 katholische Gouverneure, im Stadtmagistrat saßen aber auch Protestanten. Es sollte eine Kirche gebaut werden, doch die Gouverneure wollten die Meinung der Protestanten dazu nicht hören. Sie warfen sogar die Protestanten ins Gefängnis. Darauf führte am 23. Mai 1618 der Protestant Graf Heinrich von Thurn eine Menge zorniger Protestanten auf den Prager Hradschin, drang in das Gemach ein, wo zwei der Gouverneure saßen und warf sie, zusammen mit einem protestierenden Sekretär, aus dem Fenster. Alle drei fielen 17 Meter in die Tiefe, landeten aber auf einem Misthaufen und kamen beschmutzt, aber nicht verletzt, mit dem Leben davon. Dieser berühmte ‘’Prager Fenstersturz’’ war eine dramatische Herausforderung an den Kaiser, den Erzherzog Ferdinand und die Katholische Liga. Thurn vertrieb den Erzbischof und die Jesuiten und bildete ein revolutionäres Direktorium. Er konnte sich schwerlich vorstellen, dass er die Kriegshunde losgelassen hatte, denn der wachsende religiöse Gegensatz entlud sich im 30jährigen Krieg 1618- 1648. Der 30jährige Krieg verlief in 4 Phasen: a) Die böhmische Phase (1618 - 1623). In dieser Phase begann der Krieg als ein Konflikt zwischen Konfessionen. Diese Phase endete mit katholischem Sieg, der vollständig war. b) Die Phase von Wallenstein (1623 - 1630). In dieser Phase versuchte Wallenstein als Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen, Norddeutschland für die Habsburger zu besetzen. Dänemark mischte sich in den Krieg ein, um evangelische Fürsten zu beschützen. Wallenstein siegte, denn seine Parole lautete: Soldaten, plündert und tötet! Sein politisches Ziel war aber, alle Deutschen zu einem mächtigen Habsburgerstaat zusammenzuschließen ( Ironie des Schicksals: Wallenstein war eigentlich ein Böhme!). Kaiser unterstützte diese Pläne. 1628 machte er Wallenstein zum Herzog von Mecklenburg. 1629 erschien das Edikt Kaisers, dass alle eroberten norddeutschen Ländereien der katholischen Kirche zurückzuerstatten sind. Nach diesem Restitutionsedikt wurden protestantische Kirchen geschlossen und Klöster wieder eingerichtet. Der Papst und die Katholische Liga waren gegen dieses Edikt, denn die meisten Ländereien und Reichstümer bekam der Kaiser. Den endgültigen Erfolg des Edikts und die Gegenreformation in Norddeutschland verhinderte nur die Ankunft Gustav Adolfs. c) Die Phase von Gustav Adolf (1630 - 1632). Sie war sehr blutig, denn sowohl Schweden als auch Katholiken quälten und töteten mit Lust. Am 17. September 1631 errangen die Schweden und die Sachsen den Sieg über die kaiserlichen Truppen bei Breitenfeld. Das war der erste Sieg der Protestanten. Der Kaiser wandte sich wieder an Wallenstein um Hilfe. Wallenstein verlangte den Oberbefehl über alle kaiserlichen Truppen sowie die Vollmacht, über Verträge verhandeln und sie unterzeichnen zu können H. Mann hat zwei wunderschöne monumentale Bücher über ihn verfasst: ‘’Die Jugend des Königs Henri Quatre’’ und ‘’Die Vollendung des Königs Henri Quatre’’. 2 (dieses Recht hatten nur Könige!), das Recht, Konfiskationen zu vollziehen und Pardon zu geben. Der Kaiser willigte schweren Herzens ein. Am 16. November 1632 standen Gustav Adolf mit 25 000 Mann und Wallenstein mit 40 000 Mann sich gegenüber vor Lützen bei Leipzig. Die Schweden verloren die Schlacht, der König Gustav Adolf fand den Tod. d) Die französiche Phase (1633 - 1648). Die letzte Phase des Krieges endete als ein gigantisches Duell zwischen Österreich und und Spanien auf der einen und Frankreich, Schweden und Seemächten (Holland und England) auf der anderen, mit Deutschland als Kampfarena. Mansfeld, Wallenstein, Gustav Adolf, Tilly, Spinola waren keine strategischen Genies, sondern Truppenführer, die kaum Gewalt über die brutale Soldateska hatten, weswegen der Krieg in seiner letzten Phase die absolute und bedingungslose Form annahm: der Krieg leitete den Krieg, er war nicht mehr lenkbar geworden. In der letzten Phase dominierte Richelieu. Wallenstein zog sich nach Böhmen zurück und sammelte neue Armee. Er plante sich selbst zum König von Böhmen und Ludwig XIII. von Frankreich zum deutschen König zu machen. Da beschloss der Kaiser Ferdinand, Wallenstein seines Kommandois zu entheben (18. 02. 1633). Dieser floh vier Tage später mit tausend Mann nach Eger, wo er am 25. Februar 1634 von ein paar Soldaten, die auf Belohnung hofften, in seinem Gemach allein und unbewaffnet mit Schwertern durchstochen wurde. Die Mörder erhielten in Wien Beförderung, Geld und Land. Der Krieg schleppte sich noch 14 Jahre. Das waren die grausamsten Jahre. Die Soldateska tötete, quälte und plünderte wann und wen sie wollte. Am 24. Oktober 1648 wurde der Westfälische Frieden geschlossen. Nach diesem Friedensvertrag: 1. wurden die Schweiz und die Vereinigten Provinzen der Niederlande de jure unabhängig; 2. erhielt Bayern die Südpfalz; 3. errang Brandenburg Hinterpommern; 4. erhielt Schweden die Bistümer Verden und Bremen (ohne die Stadt Bremen), Stettin und Vorpommern (das Gebiet der Odermündung). Schweden besaß auch Livland, Estland, Ingermanland, Karelien und Finnland und wurde zur Großmacht und Herrin über die Ostsee bis zu Peter dem Großen; 5. erhielt der Kaiser Böhmen und Ungarn. Das zukünftige österreichisch - ungarische Reich nahm innerhalb des Römischen Reiches Gestalt an; 6. zugesprochen wurde Frankreich endgültig der Besitz der lothringiscen Bistümer Metz, Toul und Verdun und faktisch der des Elsasses. Die Bourbonnen wurden zu todernsten Konkurrenten der Habsburger. Bald wird Ludwig XIV. von Frankreich der Sonne gleichgestellt; 7. katholisiert wurden Mainz, Köln, Trier, Würzburg, Konstanz, Bamberg, Münster, Baden, Bayern, Österreich und zahlreiche Kleinstaaten in Norddeutschland und längs des Rheins - ein großer Sieg der Gegenreformation gegen den Protestantismus. Wer waren die Gewinner des 30jährigen Krieges? Es waren: 1. die neuen Westmächte Frankreich1, Holland und Ostmacht Schweden; 2. die deutschen Fürsten, die jetzt ihre selbständige Existenz hatten; 3. das Haus Habsburg, das als eine mitteleuropäische Macht, gestützt auf Österreich, Ungarn und Böhmen, aus dem Chaos des Krieges hervorging. Wer waren die Opfer des 30jährigen Krieges? 1. Das Reich war das 1. Opfer. Denn nun gab es das Reich in Wirklichkeit nicht mehr; 2. Das Volk war das 2. Opfer, denn das Reich war immer noch eine Quelle des Rechtes und Rechtsschutzes. Von nun an regierten die Landesfürtsen lege absoluti (d. h. absolut, über dem Gestz stehend). Das Deutsche Reich verlor 35 Prozent der Bevölkerung. Es gab 7 Mio. Tote; 3. Das 3. Opfer war die deutsche Kultur und Zivilisation. Das deutsche Volk war in seiner tiefsten materiellen, psychologischen und moralischen Krise; 4. Das 4. Opfer war die deutsche Sprache. Frankreich stand nun im Vordergrund, das französische Jahrhundert (es wird bis zum Jahre 1763 dauern), Französich wurde zur Sprache der Höfe, der Politik, der Wisenschaft, der Kultur und Mode. Die Folgen des 30jährigen Krieges waren wie folgt: 1. Die deutschen Bauern waren vollständig ruiniert; 2. Seit nun wird der Adel (100 Reichsfürsten, 1500 kleinere selbständige geistliche und weltliche Adlige) zum absoluten Herrscher - das Zeitalter des Absolutismus beginnt; 3. Wirtschaftlich war Deutschland für 200 Jahre ruiniert (nach dem 1. Weltkrieg für 20, nach dem 2. Weltkrieg für 8 Jahre !). Deutschland war zu einem verarmten und benachteiligten Land geworden; 4. Die Zerstückelung Deutschlands (300 Staaten als souveräne Einheiten) war bestätigt und legalisiert; 1 Wie Richelieu sagte, war der Westfälische Frieden eines der schönsten Juwelen in der französischen Krone. 5. Deutschlands Zerrissenheit und Machtlosigkeit wurde Bestandteil der natürlichen europäischen Ordnung (so auch in den Jahren 1945- 90). Sie sollten dem internationalen Frieden dienlich sein. Sie machten aber die Deutschen zu Nationalisten, dann zu Chauvinisten und schließlich zu Nationalsozialisten und Massenmördern. 3. 2. DEUTSCHLAND IM ZEITALTER DES ABSOLUTISMUS (1648 - 1789) Der 30jährige Krieg hat die privilegierte Stellung der Aristokratie auf Kosten des Bürgertums und der Landbevölkerung gestärkt. Das Bürgertum war jetzt auf militärische und administrative Dienste für Adel angewiesen Die Fürstenresidenzen (Würzburg, Karlsruhe, Mannheim) waren jetzt bedeutender als Handelszentren (Nürnberg, Augsburg, Lübeck). Die herrschende Klasse bis zur Mitte des 19. Jh. war: a) die Landaristokratie (kaimo aristokratija); b) der beim Militär dienende Adel; c) das höhere Beamtentum (aukðtoji valdininkija). Die Untertanen dieser herrschenden Klasse waren untergeordnete Beamte, nämlich: a) die Polizei; b) die Zollbeamten; c) die Steuereinnehmer; d) die Lehrer; e) die Geistlichen. Im 17. – 18. Jh. haben wir also mit einer fortschreitenden Bürokratisierung Deutschlands zu tun. Die untergeordneten Beamten waren bereit, sich jeder Autorität zu unterwerfen, die uniformiert war und stark genug schien, eine Wiederkehr der Schrecken des 30jährigen Krieges zu verhindern. Diese unkritisch atavistische Unterwerfung erschien normal und erlangte das Gewicht der Tradition. Sie wurde durch eine allgemein gültige religiöse (lutherisch - evangelische) Ethik begründet. Friedrich Karl von Moser schrieb 1785: ‘’Jede Nation hat ihre große Triebfeder. In Deutschland ist’s Gehorsam, in England Freiheit, in Frankreich die Ehre des Königs’’. Die evangelische Kirche lehrte den passiven Gehorsam, die calvinistische den aktiven. Die Schule predigte im 17. - 19. Jh.: a) Treue zu Thron und Altar; b) Autoritätsgläubigkeit; c) Widerspruchslose Ausführung der kaiserlichen Befehle; d) Bereitschaft, den Befehlen der Beamten (eines Uniformierten oder einer sonstigen Dienstperson) zu gehorchen, ganz egal, wie niedrig ihre Stellung und wie arrogant ihr Auftreten war. Im 17. - 19. Jh. entwickeln sich folgende typische Eigenschaften eines Deutschen: a) Fleiß, Treue, Pünktlichkeit, exaktheit, Mut, Heiterkeit, Gemeindezugehörigkeit, provinzieller Patriotismus; b) Sturheit, Geizheit, Philistertum, Bigotterie, Fremdenhass, übertriebener Respekt vor Autorität, (blinder) Gehorsam. Welche politisch - gesellschaftliche Tendenzen lassen sich in der 2. Hälfte des 17. Jh. beobachten? Die Landesherren im Reich waren meist französisch gesinnt. Der Reichstag zu Regensburg 1663 entwickelte sich zu einem ständigen Gesandtenkongress der Reichsstände, vor allem der Landesfürsten, in deren Territorien sich der Schwerpunkt des politischen Lebens verlagerte. Hier entstanden vom fürstlichen Absolutismus geprägte Staaten (Österreich, Brandenburg - Preußen, Hannover, Bayern, Baden und Sachsen Weimar). Der dynastische Fürstenstaat wurde durch die Wehrverfassung des stehenden Heeres (= kariniai pastovios armijos įstatymai) und das Verwaltungshandeln eines neuen Beamtentums geprägt. Es entstand allmählich eine systematisch geförderte Wirtschaftspolitik, was zur Ausbildung von Merkantilismus und Kameralismus führte. Die Finanzpolitik schuf das System der modernen Steuern: Grundsteuer, Vermögenssteuer, Verbrauchssteuer (Akzise). Die Gewerbe- und Handelspolitik wurde als Instrument der Wirtschaftslenkung erkannt und zu einem staatlichen Hoheitsrecht erhoben. Die Ausbeutung der inländischen Rohstoffquellen und die Förderung der produktiven Kräfte waren die Hauptziele der Merkantilpolitik. Der Staat gründete selbst subventionierte Manufakturen. Die Hauptbereiche der Manufakturen waren teils Massengüter (Heeresbedarf), teils Luxusgüter. Oberstes Ziel der Handelspolitik war die Aktivierung der Handelsbilanz, denn nur sie bedeutete Gold zu gewinnen. Darum wurde der Export gefördert und der Import begrenzt. Wie waren die Beziehungen des Deutschen Reiches zu seinen zwei todernsten Kornurrenten - zu Frankreich und zum Osmanischen Reich? Seit 1648 stand das Deutsche Reich unter dem politischen Einfluss Frankreichs, das zeitweise mit Schweden und Polen verbündet war. Nach dem Sieg im 30jährigen Krieg begann Ludwig XIV. von Frankreich seine aggressive Annexionspolitik: 1667 griff er Spanische Niederlande an, 1670 die Vereinigten Niederlande und das Herzogtum Lothringen, 1672 kam es zu militärischen Zwischenfällen in Brandenburg, 1674 zog der preußische Kurfürst erneut gegen Frankreich. Doch er konnte mit seinen 50 000 Soldaten die französischen Truppen nicht nachhaltig schwächen. Er bat den Kaiser , dann die Niederlande und sogar Schweden um Hilfe. Dieser 1. Reichskrieg gegen den französischen König Ludwig XIV. dauerte bis 1679. Nach dem Frieden von Nimwegen erhielt der französische König Freiburg in Breisgau. Der Krieg zeigte die militärische Schäche des Reiches, und so konnte Ludwig XIV. weiter seine Eroberungspolitik treiben. Er annektierte stückweise den größten Teil des Elsasses, Gebiete bis weit in die Pfalz und sogar von Trier und besetzte 1681 Straßburg. Das Osmanische Reich hat sich im 14. - 15. Jh. über die ganze Balkanhalbinsel ausgedehnt. Sultan Mohammed II. eroberte 1453 Konstantinopel, das er zur Hauptstadt erhob und zu Instanbul umbenannte. Selim I. eroberte Ägypten und Syrien. Suleiman II. eroberte 1526 und 1541 den Hauptteil Ungarns und drang erstmals bis vor die Tore Wiens vor. Die Türken eroberten das Nordufer des Schwarzen Meeres, Armenien, Mesopotamien, Arabien, Tripolitanien, Tunesien und Algerien. Ab 1664 griffen sie wieder Europa an. Sie wurden zwar 1664 bei St. Gotthard geschlagen, aber Österreich verlor den größten Teil Ungarns an den Türken. 1683 starteten sie einen neuen Angriff. Ihre Armee zählte 250 000 Mann, die der Christen 64 000. Sie belagerten 1683 Wien. Die Geschichte weiß nicht, was den Polenkönig Johann Sobieski bewog, Österreich gegen die Türken zu Hilfe zu eilen. Jedenfalls haben 3000 polnische Kavalleristen und 23 000 Fußsoldaten im Laufe eines Tages die ganze türkische Armee in Wien zerschlagen. In der Schlacht verloren die Türken 10 000 Mann (die Polen 3000) und flohen, indem sie das ganze Kriegsmaterial und unvorstellbare Schätze (Gold, Silber, Diamanten, Seide, Elfenbein usw.) liegen ließen. Für dieses Gold baute der Kaiser hunderte von Barockkirchen und -bauten in Österreich. Östereich wurde zum Land des Barock. D Die Türken wurden noch einmal 1687 bei Mohaã (wo sie 1526 die Österreicher schlugen und danach halb Europa besetzten) geschlagen. Die Türken waren keine Großmacht in Europa mehr. Ungarn wurde Österreich einverleibt. Endgültig wurden sie aber 1697 bei Zenta von Prinz Eugen von Savoyen geschlagen. 1699 entstand der Frieden von Karlowitz. Die Türken verzichteten auf Siebenbürgern und Ungarn, traten die Westukraine an Polen ab. Immerhin besaßen die Türken noch Süddalmatien, Bosnien, Serbien 1 , Bulgarien, Rumänien und den größten Teil Griechenlands. Aber es bedeutete das Ende der türkischen Gefahr für die Christenheit. 1685 erhob Frankreich Erbansprüche auf die Pflaz, nachdem der pfälzische Kurfürst Karl, dessen Schwester mit Ludwig XIV. geschwägert war, gestorben war. 1688 begann der 2. Reichskrieg gegen Ludwig XIV. Aber diesmal zeichnete sich ein breites Bündnis gegen Frankreich ab. Zur Führungsfigur stieg dabei Wilhelm III. von Oranien auf, inzwischen König von England. Unvergessen war sein entschlossener und verbissener Abwehrkampf in den Niederlanden 1672, als in höchster Not die Holländer sogar die Dämme durchstachen und so das eigene Land im Verteidigungskampf gegen die Franzosen überfluteten. Mit dem Fall von Fall von Belgrad 1686 (gemeint ist der oben geschilderte Türkenkrieg Österreichs) bekam auch der Kaiser freie Hand, so dass 1689 das Deutsche Reich, Spanien, Holland, England, Schweden und Savoyen zu einer großen Koalition zusammenfanden. Ihre Ziele: Frankreich als Seemacht gänzlich ausschalten, die Bedrohung des Reiches und die in Frankreich unbarmherzig durchgeführte Verfolgung der Hugenotten endgültig zu beenden. Ludwig XIV. war isoliert, aber des Sieges gewiss, als er die Pfalz überfiel. Doch schnell zeichnete sich eine unwiderrufliche militärische und politische Wende ab: Frankreich musste sich aus der Pfalz zurückziehen. Da befahl Paris seinen Truppen, bei ihrem Rückzug Stadt und Land zu verwüsten. Heidelberg, Mannheim, Worms und Speyer wurden in Schutt und Asche gelegt. Eine gute Schule für die Russen bei der Verteidigung Russlands gegen Napoleon und Hitler sowie für Hitlers Kriegsführung der ‘’verbrannten Erde’’! Erst 1697 wurde in Ryswijk der Frieden geschlossen. Ludwig XIV. musste sich von seinen Brückenköpfen am rechten Rheinufer trennen. Seine Ansprüche auf die Pfalz und die Mitentscheidung bei der Wahl des Kölner Erzbischofs wurden zurückgewiesen. Außerdem hatte er das Herzogtum Lothringen herauszugeben, doch er behielt Straßburg und das Elsaß. Doch der Frieden währte nicht lange. Es ging erneut um Erbansprüche, diesmal auf den spanischen Thron. Deshalb überzog der Spanische Erbfolgekrieg (1701 - 1714) (Ispanijos įpėdinystės karas) fast vierzehn Jahre lang Westeuropa. Das Wesen des Konflikts: Es ging um die Vormacht in Westeuropa - wer sollte es regieren: Habsburger oder Bourbonnen? Der Thronerbe sollte Spanien, die Spanischen Niederlande, Mailand, Neapel, Sizilien, Gebiete in Indien und in Amerika erhalten. Drei Feldherren, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, Prinz Eugen von Savoyen und der Herzog von Malborough, bestimmten das Kriegsgeschehen. Es war ein weltumspannender Krieg. 1704 verloren die Franzosen eine große Schlacht, 1709 verloren die Franzosen eine der größten Schalchten des 18. Jh., in der 100 000 Allierte (England, Holland, deutsche Fürsten außern Bayern und Köln, Brandenburg - Preußen) gegen 90 000 Franzosen kämpften. Als 1711 Karl III. von Spanien zum Kaiser Karl VI. gewählt worden war, zerfiel die Koalition, 1 Serbien, Bulgarien und Rumänien erhielten Unabhängigkeit im Türkenkrieg Russlands 1877-78; der Türkenkrieg Russlands 1828- 29 sicherte die Unabhängigkeit Griechenlands. denn Holland und Ebngland konnten keinesfalls einen Habsburger als Kaiser dulden. Nach langen Verhandlungen, die England leitete, fiel Sizilien an Savoyen, sonst hat sich nichts verändert. Aber: der einzige Sieger war England, denn Frankreich war geschwächt aus dem Krieg hervorgegangen: seine Bevölkerung war ausgesaugt durch die Kriegslasten, die Wirtschaft durch die Kosten für Kriege und Hofhaltung ruiniert. England konnte dagegen sein Kolonialreich erweitern und gefestigt und zugleich die Schiedsrichterrolle in Europa übernehmen. Diese zukunftweisenden Entwicklungen hatten sich aber weit über den Köpfen der deutschen Fürsten abgespielt, die vielfach in maßloser Überschätzung ihrer Möglichkeiten damit verbrachten, französisches Hofleben zu imitieren. Während sie sich noch am allmählich welkenden Glanz von Versailles ergötzten, war England zur Großmacht Nummer eins aufgestiegen. Endgültig wird England Frankreich erst 50 Jahre später schlagen und für 200 Jahre Weltmacht Nummer eins werden. Zuerst stand aber noch ein strategisch wichtiges Ziel den europäischen Mächten vor Augen: wer sollte nun den Ostseeraum beherrschen. Nach dem 30jährigen Krieg war es Schweden. Als der Kurfürst von Sachsen, August der Starke 1697 polnischer König und litauischer Großfürst wurde, war der Konflikt um die Ostsee unvermeidlich geworden. Schon zwei Jahre später konnte der Kurfürst ein Bündnis zwischen Sachsen - Polen, Dänemark und Russland vermitteln. So begann der Nordische Krieg (1700 - 1721) (Šiaurės karas) . Zum erstenmal beteiligte sich das Russische Reich an einem europäischen Konflikt. Zar Peter I., eine Persönlichkeit mit ungewöhnlicher Energie, Kenntnissen, Führungsqualitäten und dem unbeugsamen Willen, sein Reich in kürzester Zeit dem Standard westlicher Großmächte anzugleichen, richtete seine kulturellen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Anstrengungen fast ausschließlich auf die Verwirklichung dieses Vorhabens. Doch der Anfang des Krieges verlief zugunsten des jungen Schwedenkönigs, Karls XII. In rascher Folge schaltete er 1700 nacheinander Dänemark und ein Heer Russlands aus, zwang den verhassten August den Starken zum Verzicht auf die polnische Krone. In Sachsen griff er den russischen Zaren an, doch dieser zog sich mit seinem Heer bis in die Ukraine zurück. Hier unterlagen die nach einem strengen Winter völlig ausgezehrten Schweden 1709 bei Poltawa. Karl XII. flüchtete in die Türkei. Jetzt schlossen sich wieder Dänemark, Sachsen - Polen, ja sogar Preußen und Hannover Russland an. Als Karl XII. 1718 unverhofft vor der norwegischen Festung Frederikshald fiel, war der Weg zur Verständigung offen. England gestaltete auch diesmal die Friedensbedingungen in seinem Sinn. Scheden wurde als Ostseemacht abgelöst, an Hannover fielen die Herzogtümer Bremen und Verden, an Preußen Vorpommern bis zur Peene. Damit war Schweden bis auf einen unbedeutenden Gebietsrest vom deutschen Reichsgebiet verdrängt. Wer waren die Sieger? 1. August der Starke konnte die polnische Krone behalten, aber der Krieg und die eklatante Verschwendungssucht haben ihn so geschächt, dass er keinen weiterreichenden politischen Einfluss ausüben konnte; 2. Das Deutsche Reich, denn der Nordische Krieg korrigierte den Westfälischen Frieden zugunsten des Reiches; 3. Königtum Preußen, das sich als neue Großmacht etablieren konnte. Es sollte, dem Wunsch Englands entsprechend, als Widerpart Russlands für Gleichgewicht im Ostseeraum sorgen. 4. Russland, denn es wurde mit dem Gewinn von Livland, Estland, Lettland, Ingermanland und Südkarelien unumstrittene Vormacht im Ostseeraum. Und jetzt, nachdem wir die Entwicklung der Beziehung des Deutschen Reiches zu Frankreich, dem Osmanischen Reich und Schweden beschrieben haben, wollen wir zur Beschreibung der inneren historischen Entwicklung der zwei wichtigsten Territorialstaaten des Deutschen Reiches - Österreichs und Brandenburg Preußens - übergehen. Zuerst befassen wir uns mit Brandenburg - Preußen. Die Markgrafschaft Brandenburg entstand im 10. Jh. Aktiv wurde sie 1411 - 1417, als ihr Markgraf Friedrich von Hohenzollern Kurfürst wurde. Von nun regierte das Haus Hohenzollern bis 1918 über Brandenburg, das preußisch wurde. Die Hohenzollern traten 1613 zum Calvinismus/ Kalvinismus über, während die Bevölkerung lutherisch blieb. Der Kalvinismus basiert auf den Ideen von der Staatsräson (Valstybės interesai), Staatswissenschaft (dabar sakome politologija) und vom Staatswachstum. Die Hohenzollern wollten ihr Land zu einer unabhängigen Macht in Europa erheben, deswegen passten ihnen am besten die kalvinistischen Ideen. Die kalvinistischen Priester betonten den aktiven Gehorsam und den Gedanken des Dienstes am Staat, sie förderten die staatliche Zentralisation und Macht. Als 1817 die reformierte (kalvinistische)1 und die lutherische Kirche in Preußen verschmolzen wurden, war der organisierte Protestantismus in Preußen zum Stützpfeiler des zentralisierten absoluten Staates geworden. Die Hohenzollern nahmen am 30jährigen Krieg teil. Brandenburg war schrecklich von Schweden verwüstet worden: von 610 000 Einwohnern blieben nur 210 000 am Leben. Der 1640 - 1688 regierende Kurfürst Friedrich Wilhelm vollbrachte Wunder, um Brandenburg wiederaufzubauen, weswegen er von den Zeitgenossen der ‘’große Kurfürst’’ genannt wurde. 1 Von der lutherischen Kirche unterscheidet sich die reformierte Kirche durch eine andere Auffassung des Abendmahls und der Prädestination. Brandenburg war ein Pufferstaat zwischen zwei Kolossen, dem zentralisierten Kursachsen (August der Starke von Sachsen wechselte nach dem 30jährigen Krieg zum Katholizismus, um König von Polen zu werden) und Schweden, das die protestantischen Länder leiten wollte. Brandenburg wollte seinerseits ganz Norddeutschland unter dem Hause Hohenzollern einen. Das gelang Brandenburg. Wie? Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm: 1. hatte die Absicht und den Willen dazu; 2. verschaffte er sich mit Steuern und französischen Subsidien Geld; 3. stellte er mit dem Geld das erste stehende Heer Europas (pastovi kadrinė armija) (18 000 gut ausgebildete Soldaten) auf. 4. führte Wirtschafts- und Verwaltungsreformen durch: a) Der Adel sollte in den höheren Rängen der Armee und der Verwaltung dienen. Er gab ihnen eine glänzende Uniform und einen Korpsgeist, der an die Stelle der feudalistischen Königstreue früherer Zeiten trat und zur Folge hatte, dass das Heer blind der Regierung gehorchte; b) Unter Friedrich Wilhelms Druck verbesserten die Grundherren ihre Ackerbaumethoden2 und steigerten damit die Erträge ihrer Güter; c) Er entwickelte eine blühende Seidenindustrie, indem er überall Maulbeerbäume pflanzen ließ; d) Er hielt die Tendenz zur Entwaldung auf, indem er jedem Bauern befahl, vor seiner Hochzeit 12 Bäume zu pflanzen; e) Er plante und finanzierte den Bau des Kanals zwischen Oder und Spree; f) Durch Edikt von Potsdam (November 1685) erlaubte er 20 000 Hugenotten, die Frankreich verließen, sich in Brandenburg niederzulassen. Es waren begabte Handwerker, Juweliere und Intellektuelle, die großen Beitrag zur wirtschaftlichen Erstarkung preußischer Industrie leisteten; g) Kurfürst Friedrich Wilhelm arbeitete selbst in der Verwaltung nach dem Motto: der Herrscher müsse der erste Diener seines Staates sein; h) Er führte im Lande die religiöse Toleranz ein. Auf welche Weise erhielt der preußische Kurfürst Subsidien für seine Reformen? Geld verschafften ihm die Juden. Die Juden hatten internationale Verbindungen und Zugang zu Kreditgeldern. Somit trugen sie sehr viel zur wirtschaftlichen Erholung Deutschlands nach 1648 bei. Die Fürsten hießen die Niederlassungen von Juden willkommen, und die sog. ‘’Hofjuden’’ spielten in der Finanzverwaltung eine unentbehrliche Rolle, nicht nur an kleineren deutschen Höfen, sondern auch in Österreich während der Regierungszeit Leopolds I., Josephs I., Karls VI. und Maria Theresias. Brandenburg - Preußen zeigte die größte Toleranz gegenüber den Juden. Zum wirtschaftlich - politischen Aufstieg Preußens trugen also die Juden und die Hugenotten wesentlich bei. Dank den Juden kam es Ende des 17. und in der 1. Hälfte des 18. Jh. in Preußen zu einer systematischen Rationalisierung der Finanzverwaltung des Staates und zu einem stetigen Anwachsen von Handel und Fabrikation. Diese Dienste wurden nicht nur vom preußischen Hof, sondern auch von der preußischen Gesellschaft anerkannt, die sich zunehmend bereitwilliger zeigte, die Juden zu akzeptieren. Dies galt besonders für Berlin, wo es am Ende des 18. Jh. zu einer Art kultureller Symbiose zwischen den reichen jüdischen Familien und des oberen Mittelstandes gekommen ist. Diese Entwicklung hat Moses Mendelssohn vorbereitet. Er glaubte, die Juden müssten sich aus dem geistigen Ghetto, in dem sie seit Jahrhunderten lebten, dadurch befreien, dass sie aufhörten, sich als ein Volk für sich zu betrachten, dass sie die deutsche Kultur als die ihre annahmen und ihre Religion überholter ritueller Formen entkleideten, dass die Juden kein exotisches Volk waren, sondern Deutsche mit den gleichen Interessen wie andere aufgeklärte Mitglieder der deutschen Gesellschaft. Mendelssohn gab selber Beispiel. Ihm folgten viele aufgeklärte Deutsche, aber die breite Masse des deutschen Volkes betrachtete die Juden immer noch als Menschen zweiter Klasse. Das die deutsche Aufklärung scheiterte, scheiterte auch der Versuch, die Massen des deutschen Volkes vom Vorurteil gegen die Juden abzubringen. Viele Juden ließen sich aber katholisch taufen und hielten sich für Deutsche (so sind z. B. Heine, Karl Marx, Lenin, Hitler, Heydrich, Himmler, Eichmann jüdischer Abstammung). Der Nachfolger Friedrich Wilhelms wurde Kurfürst Friedrich III. (1688 - 1713). Er gewann sich die Geneigtheit Kaiser Leopolds I. dadurch, dass er sich mit ihm gegen Frankreich anschloss. Dafür, und auch für 8000 Supersoldaten, die er dem Kaiser schenkte, verlieh ihm Leopold den Titel ‘’König in Preußen’’. Am 18. Januar 1701 wurde er in Königsberg als König Friedrich I. gekrönt. Auf einmal entsteht ein neuer mächtiger Staat im Deutschen Reich - Königreich Preußen. Wie ein Komet erschien es 1701 auf der politischen Szene Europas und wie ein Komet verschwand es 1945 in den Tiefen der Geschichte. Friedrich I. gründete die Universität von Halle. Seine Frau Sophie Charlotte war die hübscheste und klügste Frau Deutschlands. Von ihr und von Leibnitz gedrängt, gründete Friedrich I. die Berliner Akademie 2 So wurde z. B. zwangsweise der Anbau der Kartoffeln in Brandenburg eingeführt, woher sie dann nach Litauen kamen. der Wissenschaften. Für seine Frau baute er Charlottenburg bei Berlin, wo sie in ihrem Salon mit den führenden Gelehrten, Philosophen, Theologen und Freidenkern verkehrte. Mit dem Hof von Berlin konnte sich nur der sächsische Hof in Dresden messen. Kurfürst Friedrich I. von Sachsen, genannt August der Starke, hinterließ Europa eine Schar von Bastarden (er hatte 354 uneheliche Kinder). Er machte Dresden zur schönsten Stadt Deutschlands, aber die Sachsen vergaßen ihm nie seinen Glaubenswechsel zum Katholizismus 1697 und dass er ihr Geld und ihre Männer für Polens Kriege und für den kostspieligen Luxus seines Hofes verbrauchte. Inzwischen wurde Kurfürst Georg von Hannover, der mit den englischen Königen blutverwandt war, zum Georg I. von England (1714). 1713 bestieg Friedrich Wilhelm I. den preußischen Königsthron. Durch seine Heirat mit Sophie Dorothea war er ein Schwiegersohn Georgs I. von England. Der König verminderte die Verwaltung um die Hälfte, erhob Steuern auf alles und jedes. Er führte den Schulzwang ein, und 1750 war Preußen ganz Europa sowohl an Volksschulen als an hoher Schulbildung voraus. Der Same für das Zeitalter von I. Kant und J.W. Goethe war gesät. Sein Lebensziel war, auch in Friedenszeiten über ein starkes Heer zu verfügen. Seine Armee bestand aus hochwüchsigen Kerlen (180 cm). Der König überwachte die Ausbildung seiner Truppen bis in alle Einzelheiten. 1712 wurde ihm der Sohn Friedrich geboren, der zukünftige König Friedrich II., der Soldatenkönig, der größte Feldwebel der preußischen Nation, ein militärisches Genie, der spätere Alte Fritz1 . 1730 war Friedrich ein frecher, verweichlichter junger Mann, der die Soldaten und die Jagd verabscheuchte, der sich über Religion lustig machte, französische Gedichte schrieb und Flöte spielte. Darauf reagierte der Vater mit Wutausbrüchen und Gewalttätigkeit, er versuchte sogar, seinen Sohn Fritz umzubringen. 1739 schrieb Friedrich: ‘’Das einzig wahre Regierungsprinzip ist die Zuverlässigkeit, die Gerechtigkeit und Ehrenhaftigkeit des Herrschers’’. 1740 bekommt Preußen einen neuen König, Friedrich II. Am zweiten Tag seiner Regierung befahl er, die öffentlichen Kornkammer zu öffnen und den Armen, zu vernünftigen Preisen, Korn zu verkaufen. Am dritten Tag schaffte er in ganz Preußen den Gebrauch der Folter bei Kriminalfällen ab - ein epochemachendes Ereignis. Nach zwei Monaten verkündete er die Pressefreiheit. Doch allmählich wurde aus einem Pazifisten und Anti - Machiavell ein harter Militarist und Kriegshetzer. Der Apfel fällt ja nicht weit vom Stamm! Bald zählte das preußische Heer 100 000 Mann. Friedrich II. versuchte, mit gesundem Menschenverstand die strategische Lage einzuschätzen. Wie geht es meinem Konkurrenten, fragte er sich? Sein Konkurrent war Österreich. Das Bild war traurig. 1658 bestieg Leopold I. den Thron und hatte ihn 74 Jahre lang. Er war von Jesuiten zum Priester erzogen und bewahrte seine Vorliebe für die Jesuiten und wich nie viel von ihrer Führung ab. Er liebte Dichtung, Kunst und Musik, komponierte selber und begünstigte die Oper in Wien. In seinen Regierungsjahren wurden in Wien 400 neue Opern gespielt. 1711 wurde Karl VI. Kaiser. 1713 erklärte das Haus Habsburg, dass die drei Throne von Österreich, Ungarn und Böhmen im Haus Habsburg erblich sind, womit die böhmischen und ungarischen Aristokraten ihr traditionelles Recht verloren, ihre Könige selbst zu wählen. In Österreich zählte der Hofstaat des Kaisers Karl VI. 40 000 Personen. Der Adel war steinreich und allmächtig, der Mittelstand arm. Die Aristokratie arbeitete Hand in Hand mit der Kirche, die so gut verstand, die Leibeigenen und die Armen mit ihrem traurigen Los auf Erden durch die Hoffnung auf ein besseres Jenseits zu versöhnen. Religiöse Toleranz war politisch unerwünscht, und so mussten 30 000 Protestanten aus Salzburg nach Preußen auswandern (1722-23). Prinz Eugen von Savoyen leitete absolut alles. In der Außenpolitik verfolgte Österreich ein Pech. Im polnischen Erbfolgekrieg (1733 - 35) verlor Österreich Lothringen, Neapel und Sizilien. Im Krieg mit Russland gegen die Türkei verlor Österreich Bosnien, Serbien und die Wallachei. Am 20. Oktober 1740 bestieg seine Erbtochter Maria Theresia den Thron, denn Kaiser Karl VI. starb, ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen. Sie war sehr schön, gesund und intellektuell, aber jung und unerfahren. Sofort meldeten ihre Rechte auf den Thron Karl Albrecht, Kurfürst von Bayern, und Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen. Die Lage wurde kompliziert, denn der kaiserliche Schatz enthielt nur 100 000 Gulden und im Heer herrschte Verwirrung, die Generäle waren alt und unfähig. Auch von außen konnte keine Hilfe kommen, denn der russische Zar Iwan VI. war ein kleines Kind. Die strategische Lage war also günstig, und Friedrich II. entschloss sich, sie auszusnutzen. Er verlangte von Österreich Schlesien 1 (Silezija). Ohne Antwort abzuwarten, fiel er am 23. Dezember 1740 in Schlesien ein, und die 23 Jahre alte Königin musste gegen die beste Armee Europas Krieg führen. 1 Diesen Namen gab dann der sowjetische Schriftsteller Ilja Ehrenburg den Soldaten Hitlerdeutschlands während des Großen Vaterländischen Krieges 1941-45. 1 Schlesien liegt beiderseits der oberen Oder, zwischen Sudeten im Südwesten und polnischer Ebene im Osten. Es war ein Acker- und Gartenland mit reichen Erträgen im Tiefland. Es war sehr reich an So begannen die (drei) Schlesischen Kriege2 . Nach der Schlacht bei Mollwitz (10. 4. 1741) gewann Preußen in Frankreich und Bayern Verbündete. Der Krieg weitete sich zum Österreichischen Erbfolgekrieg (1741-48) aus. Kurfürst Karl Albrecht von Bayern (als Kaiser Karl VII.) verbündete sich mit Frankreich und Spanien gegen Maria Theresia. Auf Österreichs Seite traten England, Holland, später Russland. Im Präliminarfrieden von Breslau (11. 6. 1742) konnte Preußen den Besitz Schlesiens für sich sichern. Als Österreich und England die Oberhand erlangten, fiel Friedrich II. 1744 erneut in Böhmen ein. Nach den Siegen bei Hohenfriedberg (4. 6. 1745) und Kesselsdorf (15. 12. 1745) wurden im Frieden von Dresden (25. 12. 1745) die Festlegungen von Breslau erneut bestätigt. 1756 begann der Siebenjährige Krieg (1756-63), oder der 3. Schlesische Krieg. Um das von Friedrich II. für Preußen eroberte Schlesien zurückzugewinnen, verbündete sich Österreich mit Russland, Frankreich, Kursachsen, Schweden und der Mehrheit der deutschen Fürstenstaaten. Friedrich schloss einen Bund mit England - Hannover, Hessen - Kassel und Braunscheig. Historisch gesehen war es der erste Weltkrieg, der den Lauf der Geschichte der ganzen Welt radikal verändert hat. Friedrich kam den Angriffsplänen seiner gegner zuvor, besetzte 1756 Sachsen und drang im Frühjahr 1757 in Böhmen ein. Trotz glänzender Siege in den nächsten Jahren (Prag, Roßbach, Leuthen, Zorndorf, Liegnitz, Torgau, Krefeld, Minden) geriet Friedrich durch die feindliche Übermacht in immer größere Bedrängnis (Niederlagen bei Kolin, Hochkirch, Kunersdorf), da auch die Reichsarmee und Schweden gegen ihn standen. Gerettet haben Friedrich II. der plötzliche Tod der russischen Zarin Jelisaweta Petrowna3 im Jahre 1762 und die Siege Englands auf dem Atlantik, in Nordamerika und in Indien gegen Frankreich. Hier gewann England die Herrschaft über den Atlantik, eroberte die französischen Kolonien in Amerika (die Louisiana und Kanada), besetzte die französischen Sklavenhandelsstationen an der Westküste Afrikas (der Sklavenhandel wurde erst im 19. Jh. von allen Kolonialmächten verboten) und schlug 1757 eine riesige französische Armee in Kalkuta. Es entstand das Britih Empire (Britų imperija), das bis 1960 existierte. Am 15. Februar 1763 unterschrieb man den Frieden von Hubertusburg. Militärische Ergebnisse des Siebenjährigen Krieges: 1. Österreich verlor den Krieg und hatte eine Kriegsschuld von 100 Mio. Silbertalern; 2. Schweden verlor 25 000 Mann und gewann nichts als Schulden; 3. Russland verlor 120 000 Mann. Es hatte durch sein Vordringen in den Westen eine neue Ära eröffnet den Drang nach Westen, der erst 1968 in Prag sein Ende finden wird; 4. Frankreichs Verluste waren enorm. Sie führten zum finanziellen Bankrott und zum politischen Zusammenbruch, der in der Großen Französischen Revolution seinen Höhepunkt erreichte. 5. Preußen behielt Schlesien, musste aber Sachsen räumen 6. Die deutschen Fürsten waren finanziell geschwächt, auf sich selbst gestellt und unterwarfen sich bald der preußischen Hegemonie im Reich. Politische Ergebnisse des Siebenjährigen Krieges: 1. England wurde Weltmacht Nummer eins; 2. Preußen wurde Großmacht in Europa. Der Weg war frei für Bismarck. Wirtschaftliche Ergebnisse: Auf einmal verstanden alle den Nutzen des industriellen Kapitalismus, denn die Armeen waren ideale Märkte für den Massenverbrauch von Massenartikeln. Moralische Ergebnisse: Der Krieg war Schrittmacher des Pessimismus, des Zynismus und des moralischen Verfalls. In England, Frankreich und Deutschland erfolgte bald eine Rückkehr zur Religion. Auf diese Weise wurde in Deutschland der Protestantismus vor der Selbstvernichtung bewahrt. Hätte Friedrich verloren, wäre Preußen bestimmt wieder katholisch geworden. Für Preußen waren die Folgen des Siebenjährigen Krieges verheerend: 13 000 zerstörte Häuser, 100 Städte und Dörfer vollständig abgebrannt, 180 000 Mann tot. Nur Friedrich fühlte sich gut, denn jetzt nannte man in in Europa Friedrich den Großen, obwohl er selber wie ein Gespenst aussah. Jetzt sollte man Preußen wiederaufbauen. Was tat Friedrich der Große dafür? 1. Er sparte. Der königliche Haushalt wurde so sparsam geführt wie der eines rechnenden Kaufmanns. Des Königs Garderobe bestand aus einer Soldatenuniform, drei alten Röcken, einigen mit Schnupftabak beschmutzten Westen und einem Festkleid, das ihm sein ganzes Leben lang reichte1; 2. Das ersparte Geld gab er für die Armee aus2 ; Bodenschätzen (Stein- und Braunkohle, Zink, Blei, Eisen, Ton, Porzellanton), an Wald und Wasserkraft. Daher erwuchs seine militärisch - strategische Bedeutung. 2 1. Schlesischer Krieg (1740-42), 2. Schlesischer Krieg (1744-45), 3. Schlesischer Krieg / Siebenjähriger Krieg (1756-63). 3 Einer der Gründe des Krieges war die scharfe Zunge Friedrichs. Er bezeichnete Jelisaweta Petrowna, Maria Theresia und Madame de Pompadour als die drei ersten Huren Europas. 1 Das erinnert Sie wohl an Lenin, der den Alten Fritz verehrte, den preußischen Entwicklungsweg dem bolschewistischen Russland vorsah und die Lebensweise Friedrichs nachahmte. 2 Si vis pacem, para bellum (Plato). 3. Er schuf ein einheitliches Rechtssystem, das ‘’Allgemeine Preußische Landrecht’’ (Visuotinis Prūsijos teisynas). Leibeigenschaft blieb, die Strafen wurden gemildert, Todesurteile durften nicht ohne Bestättigung durch den König vollstreckt werden, und jedermann konnte sich zwecks Berufung an den König wenden. Die preußischen Gerichte galten bald als die verlässigsten und leistungsfähigsten in Europa; 4. 1763 erließ Friedrich ein ‘’Generallandschulreglement’’ (Visuotinis mokyklų įstatymas). Jedes Kind von seinem 5. bis zu seinem 14. Lebensjahr musste die Schule besuchen. Latein war im Lehrplan der Volksschulen gestrichen. Der Unterricht hatte halb militärischen Charakter; 5. Friedrich II. hat 20, 3 Mio. Taler für den wirtschaftlichen Wiederaufbau ausgegeben. Es entstanden neue Städte und Dörfer; 6. Um den Handel zu fördern, schaffte er die Binnenzölle ab. 48 000 km neue Straßen wurden gebaut, Häfen vergrößert und Kanäle gegraben. Berlin wurde zum Handels- und Verwaltungszentrum. Es hatte im Jahre 1721 60 000 Einwohner, 1771 schon 140 000. Berlin war auf dem Wege, die Hauptstadt Preußens zu werden. Auf diese Weise wurde Preußen reich und stark. Bei seinem Tode 1786 hinterließ Friedrich der Große 51 Mio. Taler im Staatsschatz. Die Bevölkerungszahl verdoppelte sich: 1740 gab es 3, 3 Mio. Einwohner, 1800 schon 5, 8 Mio. Die religiöse Intoleranz verschwand gänzlich. Was war das für ein Staat, dieses Preußen? Verallgemeinern wir die wichtigsten Meinungen der Historiker zu diesem Problem. 1. Die ertse Gruppe der Historiker behauptet, dass Preußen ein Königreich war, das durch Kriege und Räubereien gewachsen ist. Das kann man aber von jedem Staat sagen, z. B. von Russland, den USA, Frankreich; 2. Die anderen behaupten, dass Preußen ein Junkerstaat war. Junker (= privilegierter Landbesitzer) waren in ganz Europa Herren, nicht aber in Preußen. Der Staat war hier der Herr. Die Junker haben Preußen nicht gemacht, Preußen haben ein paar von der Furie der Staatsräson besessene Könige und ihre Diener gemacht, welche sie kommandierten; 3. Die dritten sagen, dass Preußen ein Staat war. Die meisten Staaten beruhen auf den Stämmen (z. B. Frankreich, Bayern) oder auf Nation (Russland). Es gab aber keinen preußischen Stamm. Es gab nicht mal ein einheitliches Territorium, sondern zerstreute preußische Ländereien in Ost- und Mitteleuropa. Andere Staaten haben eine Armee, in Preußen hatte aber die Armee einen Staat. Richtiger wäre es so zu sagen: andere Völker hatten einen Staat; in Preußen hatte ein Staat eine Anzahl von Ländereien, hatte die Fragmente eines Volkes oder mehrere Völker: in Preußen lebten ja west- und mitteldeutsche, ostelbische, polnische und litauische (nach 1795) Untertanen. 4. Preußen war ein Soldateska - Staat, rufen verärgert sowjetische Historiker. Es gab aber keine Soldateska in Preußen wie in allen übrigen deutschen Staaten. Die Soldaren waren diszipliniert bis zum Äußersten, bis zum Schrecklichsten. Die Offiziere waren bescheiden bezahlt und unpolitisch. Die Armee diente dem Staat, seiner Erhaltung, Sicherung und Erweiterung. Der Krieg wurde nicht romantisch verherrlicht. Deswegen sollte man nicht vom Militarismus, sondern vom Etatismus sprechen. 5. Aber er war ja reaktionär, dieser Staat! Im 18. Jh. galt Preußen als fortschrittlich und philosophisch. Es galt als gut regiert. Seine Verwaltung erschien als rational, konsequent und sauber, seine Justiz prompt, unparteiisch, etwas ähnliches wie in einem Rechsstaate. Erst im 19. Jh. wich diese Vorstellung einer anderen. Und wie war der Ruf Friedrichs des Großen in Europa? Er genoss Sympatie. Warum? 1. Aus einigen Landfetzen schuf er eine Großmacht; 2. Durch das Bündnis mit England stand das provinzielle, zurückgesetzte Deutschland wieder mitten in der Weltpolitik; 3. Friedrich hat die Armeen der drei größten Militärmächte (Russlands, Österreichs und Schwedens) geschlagen; 4. Friedrich war ein militärisches Genie, Reformator, Schriftsteller (er schrieb französisch), Philosoph, Musikant und ein guter Büroangestellter - eine unerhörte Verbindung; 5. Er wat tolerant. Er ließ geistige, religiöse, aber keine politische Freiheit zu (so wie China heutzutage); Zugleich aber war Friedrich der Große ein aufgeklärter Despot, Menschenverächter, Beschützer des Junkertums, volksfremd, grimmig, trostlos, abergläubisch, starr und finster. Und sein Staat war, politologisch gesehen, eine Mischung aus Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus und Autokratie. Und wie lebte es sich Maria Theresia nach dem Siebenjährigen Krieg? Sie war gezwungen, einige Reformen durchzuführen, vor allem, um die Macht der Kirche einzuschränken. Sie ordnete an: 1. Die Anwesenheit von Geistlichen bei der Abfassung von Testamenten zu verbieten; 2. Die Zahl der religiösen Einrichtungen (Klöster) zu vermindern; 3. Das religiöse Besitztum zu besteuern; 4. Die Heirat erst ab 21 Lebensjahr zu erlauben; 5. Kirchen und Klöstern zu verbieten, Verbrechern Asyl zu gewähren; 6. Die Inquisition durch die Regierung zu überwachen; 7. Die Erziehung neu zu organisieren: a) die jesuitischen Professoren durch Laien zu ersetzen; b) die Universität Wien unter weltliche Verwaltung und Staatskontrolle zu stellen; c) den Lehrplan an den Hochschulen durch Naturwissenschaften und Geschichte zu erweitern. Sie schuf einen neuen Ministerrat. Fürst von Kaunitz übernahm das Außenministerium, Ludwig Haugwitz die innere Verwaltung und Rudolf Chotek die Wirtschaft. Diese drei Männer taten für Österreich , was Richelieu für Frankreich getan hatte: Sie schufen einen neuen Staat. Haugwitz reorganisierte die Armee (108 000 Mann). Sie sollte zentrale Führung haben (bisher kommandierte jeder Fürst seine Regimenter ). Sie wurde finanziert durch die Besteuerung der Adligen, des Klerus und der Bürger. Die Justiz wurde von den Adligen befreit und ein neuer Gesetzkodex, die Theresianische Halsgerichtsordnung (Thereziškasis kriminalinis kodeksas, arba Tereziana), verkündet. Chotek belebte die Industrie. Linz hatte bald Wollmanufakturen mit 26 000 Beschäftigten, Wien produzierte Glas und Porzellan, Böhmen war führend in der Metallgewinnung. Doch das Land behielt seinen landwirtschaftlichen und feudalistischen Charakter. Am 3. April 1764 ließ Maria Theresia ihren Sohn Joseph in Frankfurt am Main zum Deutschen König krönen. Am 17. November 1765 wurde er zum Mitregenten (bendravaldis) des Reiches. Am 29. November 1780 starb Maria Theresia. Jetzt konnte Kaiser Joseph II. allein regieren (1765-90). Er war der radikalste Staatstheoretiker der 80er Jahre des 18. Jh., ein echter aufgeklärter Monarch. Seine Reformen waren so fortschrittlich, dass nicht mal der fortschrittlichste preußische Professor sich so was hätte einfallen lassen. Seine Reformen waren: 1. Er veröffentlichte ein neues Gesetzbuch. Die Strafen wurden gemildert, die Todesstrafe abgeschafft. Zauberei, Hexerei und Ketzerei konnten nicht mehr durch das Gesetz bestraft werden. Das Duell wurde verboten, die Ehe als Zivilvertrag anerkannt. Ehen zwischen Christen und Nichtchristen wurden legal, die Scheidung möglich. Alle Personen galten als gleich vor dem Gesetz; 2. Er förderte die Wirtschaft und den Handel. Er verminderte die Zahl der Feiertage, schaffte die Binnenzölle ab, hob das Zinsverbot auf, erhob die Steuern; 3. Kritik und Satire wurden erlaubt, wissenschaftliche Arbeiten durften nicht zensuriert werden; 4. Von 2163 Klöstern wurden 413 geschlossen. Alle kirchlichen Besitztümer wurden registriert. Bischöfe mussten Gehorsam der Regierung schwören. Päpstliche Erlasse waren ohne Sanktionierung durch die Regierung nicht gültig; 5. Es wurden Elementarschulen gegründet, auch Schulen für Mädchen. Die Universität von Innsbruck, Brünn, Graz und Freiburg wurden in Lyceen umgewandelt, die Universität von Wien, Prag, Lvov (Lemberg), Pest und Löwen wurden unterhalten. In Wien entstand das Josephinum (die Medizinische Hochschule zur Ausbildung von Militärärzten), das bald weltberühmt wurde und an dem die besten russischen Militärärzte ihre Ausbildung bekamen. Wien begann, eines der fortschrittlichsten medizinischen Zentren der Welt zu werden. 6. Die Leibeigenschaft wurde 1785 abgeschafft; 7. Joseph II. erließ ein Toleranzedikt für alle Juden in Österreich (1781), doch er kümmerte sich nicht um seine Durchführung in der Praxis. Am 30. Januar 1790 widerrief Joseph II. alle seine Reformen (außer der Abschaffung der Leibeigenschaft). Warum war er gescheitert? a) Die Aristokratie und die Kirche waren gegen diese Reformen. Die Kirche gewann auf ihre Seite die Bauern; b) Österreich war ein Mehrvölkerstaat (daugianacionalinė valstybė). Was für Böhmen gut war, war für Ungarn schlecht. Ungarn wurde zum Erzfeind des Kaisers, weil dieser das Ungarische durch das Deutsche in den ungarischen Schulen ersetzt hatte; c) Die Aufhebung der Leibeigenschaft führte zu blutigem Aufstand der Bauern in der Wallachei. Die Bauern verbrannten 132 Schlösser, 60 Dörfer und töteten 4000 Ungarn. Sie erklärten, sie täten all dies mit dem Segen des Kaisers, denn sie sind frei und werden die Grundherren über sich nicht dulden; d) Einen großen Eindruck haben auf den Kaiser die Schrecken der Französischen Revolution gemacht, wo die freien Bauern und Arbeiter tausende Adlige aufs grausamste ermorderten. In den österreichischen Niederlanden kam es unter dem Einfluss der Revolution zu Aufstand, die österreichische Armee war besiegt. Am 11. Januar 1790 erklärten sieben Provinzen (Brabant, Luxemburg, Limburg, Flandern, Hennegau, Namur und Geldern) ihre Unabhängigkeit und riefen die Republik der Vereinigten belgischen Staaten aus1. 1 Die Niederlande gehörten im Spätmittelalter zu Herzog von Burgund, später (1555) wurden sie Besitztum von Habsburgern. Die nördlichen Niederlande kämpften seit 1566 gegen die spanischen Habsburger und bildeten die überwiegend protestantische Republik der Vereinigten Niederlande, die erst 1648 de jure anerkannt wurde. Die südlichen Niederlande blieben katholisch und kamen 1713 an Österreich, 1797 an Am 20. Februar starb der 48jährige Kaiser Joseph II. Zum neuen Kaiser wurde Leopold II. (1790-92). Die Reformen Josephs II. wurden erst im 19. Jh. eine nach der anderen wiedereingeführt. Die österreichischen Revolutionäre von 1848 legten einen Kranz dankbarer Anerkennung am Grab Josephs II. nieder. 4. NEUESTE ZEIT 4. 1. DIE NAPOLEONISCHE ÄRA (1790 – 1815) In Österreich regierte Kaiser Leopold II. Er war reaktionär und hob alle Reformen seines Bruders völlig auf. Als in Frankreich 1789 die Große Französische Revolution ausbrach, schlug Leopold vor, die Revolution zu unterdrücken (Maria Theresia hatte 16 Kinder, 5 waren Könige geworden, darunter Maria Antoinette in Frankreich). Er unterschrieb mit Friedrich Wilhelm II. von Preußen am 27. August 1791 in Pillnitz eine Deklaration, die eine Intervention in Frankreich androhte. Er befahl die Mobilmachung der österreichischen Armee. Die französische Nationalversammlung verlangte eine Erklärung. Leopold starb am 1. 03. 1792, ehe die Note eintraf. Sein Sohn und Nachfolger Kaiser Franz II., 24 Jahre alt, wies das Ultimatum zurück, aber Frankreich erklärte am 20. April 1792 Österreich den Krieg. Österreich wurde von Preußen unterstützt (seit 1793 auch von England) (die 1. Koalition). Österreich und Preußen als Interventionsmächte marschierten nach Frankreich, um die französische Revolution niederzumetzeln. Aber nach der Kononade von Valmy (20. 09. 1792) waren die Preußen zum Rückzug gezwungen, und die Österreicher bei Jemappes besiegt (6. 11. 1792). 1795 unterzeichnete Preußen in Basel Frieden mit Frankreich, 1797 folgte Österreich (mit dem Frieden von Campoformio). Die Schwäche der gegen Frankreich gerichteten Koalition ausnützend okkupierte Frankreich Norditalien, Belgien und das linke Rheinufer. Damit fielen reiche Gebiete mit Städten Speyer, Mannheim, Mainz, Koblenz, Aachen, Bonn und Köln an die Franzosen. Russland, England und Österreich bildeten die 2. Koalition. Mit dem Staatsstreich vom 9. 11. 1799 übernahm General Napoleon Bonaparte die Macht und führte in Frankreich eine Militärdiktatur ein. Den 2. Koalitionskrieg beendete Napoleon durch die Friedensschlüsse von Lunéville (1801) und Amiens (1802). 1803 traf Napoleon mit Österreich, Preußen und Russland ein Übereinkommen, nach welchem in Westdeutschland alle herrschenden Bischöfe ihren Besitz verloren. Ihr Besitz wurde verstaatlicht. 1805 schlugen die Landesherren Westdeutschlands Napoleon vor, die Führung der neuorganisierten Fürstentümer zu übernehmen. Am 12. Juli 1806 schlossen sich Bayern, Wurttemberg , Baden, Hessen - Darmstadt, Nassau, Berg und noch einige Staaten zum ‘’Rheinbund’’ (Reino Sąjunga) zusammen. Am 1. August 1806 übernahm Napoleon das Protektorat über den Rheinbund. Die bedeutenden Mitglieder behielten ihre Unabhängigkeit in inneren Angelegenheiten, wobei die Aussenpolitik und die Streitkräfte Napoleon unterstanden. Die Staaten des Rheinbundes teilten dem Kaiser Franz II. und dem Reichstag mit, dass sie sich nicht länger als Glieder des Deutschen Reiches betrachten1. Am 6. August 1806 erklärte Franz II. offiziell das Heilige Römische Reich für aufgelöst und verzichtete auf den Kaisertitel, so dass er nur noch Kaiser von Österreich blieb2. Der Rheinbund nahm neue Gesetze an: 1. Feudale Privilegien und kirchliche Zehnten wurden abgeschafft; 2. Freiheit des Gottesdienstes wurde eingeführt; 3. Alle waren gleich vor dem Gesetz; 4. Das französische System der Verwaltung durch Präfekten wurde eingeführt; 5. Es entstand ein zentralisiertes, leistungsfähiges und ausgebildetes Gerichtswesen, ads der Bestechung kaum zugänglich war. Für Napoleon war der Rheinbund eine Sicherheitszone vor Frankreichs Grenzen; dieser Rheinbund lieferte einen Gedankenstoß für Bismarck, das deutsche Land zu einigen. 1803 besetzte Napoleon Hannover und schloss es 1807 mit Westfalen zusammen. 1810 unterwarf sich Napoleon Hamburg mit seinen 115 000 Einwohnern. Zuerst respektierte Napoleon Kursachsen. 1806 warnte er Kurfürsten Friedrich August III. (1786 - 1806) davor, preußischen Truppen den Durchmarsch durch Sachsen zu gestatten. Der Kurfürst gab aber dem Druck Preußens nach und vereinigte sogar seine sächsische Armee mit der preußischen. Napoleon schlug beide Armeen bei Jena und verlangte von Sachsen 25 Mio. Frank Kriegsentschädigung. Kurfürst Friedrich Frankreich. 1815 wurden sie mit den nördlichen Niederlanden zu einem Königreich vereint, rissen sich aber durch die Revolution von 1830-31 los und wurden zum Königreich Belgien. 1 Das Territorium des Rheinbundes machte ein Drittel Deutschlands aus ! 2 Diesen Titel hat Franz II. im Jahre 1804 angenommen. August zahlte die Summe, bekam aber von Napoleon den Titel König in Sachsen1 und wurde zum Staatsoberhaupt des Großherzogtums Warschau gemacht. Napoleon zwang Preußen, den Cottbuser Kreis an Sachsen abzutreten. Preußen blieb von allen Seiten von Vasallen Napoleons eingekreist. 1786 - 1797 regierte in Preußen Friedrich Wilhelm II. Er interessierte sich für Kriegsgeschäfte und Krieg nicht, aber für Frauen und Kunst. Er hatte 3 Frauen und 13 Kinder. Er spielte gern Violoncello, empfing Mozart und Beethoven, gründete eine Musikakademie und ein Nationaltheater. Schließlich wurde er fromm, intolerant, etablierte eine Zensur und vertrieb aus Berlin viele Schriftsteller. Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840) war willensschwach und gütig, bescheiden und gerecht. Nach der Vernichtung der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 musste er nach Ostpreußen fliehen und von Memel aus weiterregieren. Napoleon lebte seitdem in den Gemächern des Königs in Berlin. Napoleon siegte über die 4. Koalition (Österreich, Preußen und Russland). Nach dem Frieden von Tilsit (1807) musste Friedrich Wilhelm III. Napoleon sein gesamtes Staatsgebiet westlich der Elbe abtreten und an Polen alle Gebiete zurückgeben, die es bei den drei Teilungen Litauen- Polens angeeignet hatte. In Preußen stationierten französische Truppen. Ausserdem sollte Napoleon 160 Mio. Frank Kriegsentschädigung erhalten. Preußen verlor 49 Prozent seines Territoriums und 5, 25 Mio. Einwohner seiner vorher 9, 75 Mio. Köpfe zählenden Bevölkerung. So kam es 1808 zum Zusammenbruch Preußens. Somit markiert der Tilsiter Frieden einen Wendepunkt in der Geschichte Deutschlands. Mit dem Tilsiter Frieden begann die Liberalisierung und die Demokratisierung Deutschlands. Während des 5. Koalitionskrieges (Russland und Österreich gegen Frankreich) siegte das österreichische Heer unter Erzherzog Karl bei Aspern 1809 erstmals über Napoleon. Kurz darauf folgte aber die Niederlage der Österreicher bei Wagram, und Napoleon konnte in der einstigen Residenz Maria Theresias den ‘’Frieden von Schönbrunn’’ diktieren. In Tirol war unter der Führung Andreas Hofer ein Volksaufstand gegen Napoleon ausgebrochen, der aber niedergeschlagen wurde. In Preußen führen inzwischen (1809 - 1812) Minister für innere Angelegenheiten Freiherr Heinrich Friedrich vom Stein und später Staatskanzler Hardenberg Agrar-, Gewerbe-, Gemeinde-, Schul- und Universitätsreformen durch, von denen folgende die wichtigsten sind: 1. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft; 2. Die Städte müssen von einem örtlichen Rat (vietinė taryba) regiert werden, nicht von feudalen Baronen, Offizieren und Steuerkommissaren; 3. Alle Berufe werden frei erklärt, d. h. nicht abhängig von der Abstammung; 4. Jeder kann sich Land kaufen und es besitzen, auch die Bauern; 5. Die Kirchengüter wurden verstaatlicht, die Juden emanzipiert; 6. Zünfte wurden abgeschafft, der Adel mit einer Grundsteuer belegt, die Freiheit von Unternehmentum und Handel verkündet. Das gut dressierte preußische Volk verwirklichte sofort diese Reformen, und so kam es 1809 - 1812 zur Wiedergeburt Preußens. Seit 1808 beginnen in Europa die Befreiungskriege der europäischen Völker gegen Napoleon. Warum waren die Völker gegen Napoleon ? Er hat doch Freiheit und Gleichheit, moderne Verwaltung und Gerichtsbarkeit den Völkern Europas gegeben, er hat Polen wiederhergestellt, die Hörigkeit der Bauern aufgehoben. Nehmen wir als Beispiel nur die Deutschen, z. B. die Rheinbunddeutschen. Sie mussten sehr hohe Steuern zahlen, um die Ausgaben der Regierung, des Hofes und er Armeen Napoleons zu bezahlen. Sie mussten sich als Soldaten Napoleon zur Verfügung stellen und sogar gegen Deutsche kämpfen. 16 000 Westfalener nahmen am russischen Feldzug teil, nur 2000 kehrten zurück. Die Herrschaft Napoleons brach nach der Vernichtung der Großen Armee in Russland (1812) und nach der Völkerschlacht bei Leipzig (16. - 19. 10. 1813) zusammen. In der Völkerschlacht bei Leipzig schlugen die Böhmische Armee, die Nordarmee von Schweden, die Schlesische Armee unter Blücher und die russische Armee die französische Armee. Deutschland war bis zum Rhein befreit. Der Rheinbund fiel auseinander. Die Befreiungskriege endeten am 31. März 1814, als die Truppen der 6. Koalition Paris besetzten. Am 11. April verzichtete Napoleon auf den Thron. Der deutsche Befreiungskrieg trug Züge eines national - demokratischen Volksbefreiungskrieges. Die Unabhängigkeit Deutschlands war wiederhergestellt. Die Zersplitterung des Landes jedoch und die politische Herrschaft des Feudaladels blieben erhalten und wurden in den Bestimmungen des Wiener Komgresses bestätigt. Der Befreiungskrieg trug dazu bei, den Prozess der Formierung der bürgerlichen deutschen Nation voranzutreiben. Während der Napoleonzeit schwand die Toleranz gegenüber den Juden gänzlich. Die Deutschen waren voll patriotischer Gefühle. Gesellschaften wie der Deutsche Tugendbund und die Christlich - deutsche Tischgesellschaft: a) machten antifranzösische Agitation; b) wandten sich entschieden gegen die progressiven und kosmopolitisch- liberalen Anschauungen der Aufklärung1; 1 König Friedrich August von Sachsen (1806 - 1827). c) verbreiteten die Lehre eines integralen Nationalismus mit einer stark christlichen Beimischung; d) forderten eine Beschränkung der jüdischen Einwanderung nach Deutschland, keine Vergrößerung der bürgerlichen Rechte für die Juden und eine gesetzlich klare Definition des Verhältnisses zwischen Deutschen und Juden. All das führte zum Beginn der antisemitischen Propaganda. 4. 2. DEUTSCHE GESCHICHTE IM 19. JAHRHUNDERT 4. 2. 1. CHARAKTERISTIK DES 19. JAHRHUNDERTS Im Mittelpunkt des historischen Geschehens im 19. Jh. stehen folgende Fragen und Probleme: 1. Die nationale Frage und das Ringen um einen deutschen Nationalstaat. Es ist das Jahrhundert des deutschen Nationalismus und Patriotismus; 2. Das Schicksal des deutschen Liberalismus. Die Spannung zwischen nationalen und verfassungspolitischen Zielen (Wie soll der neue deutsche Nationalstaat aussehen? Soll es Monarchie, Republik oder liberaler, demokratischer Staat sein?) ist die wichtigste Ursache für: a) obrigkeitsstaatliche Struktur des Deutschen Kaiserreichs (1871 -1918); b) die Schwäche der Parlamente und der politischen Parteien; c) den Aufstieg und die Herrschaft Hitlers. 3. Die Industrialisierung und das durch sie geprägte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Das Bewusstsein, in einem Zeitalter der Bewegung zu leben und zugleich einer ständigen Steigerung des Tempos und der Intensität der Veränderungen ausgesetzt zu sein, wurde zu einer Grunderfahrung der Menschen des 19. Jh. Gleichzeitig kennzeichneten aber auch Widersprüche, Kompromisse zwischen Altem und Neuem, vielfältige Zwischenlösungen und lange Übergangszeiten die Entwicklung, die in der Krise des geistigen Lebens des Abendlandes am Ende des 19. Jh. (= Dekadenz) gipfelte; 4. Die Auflösung der feudalen Ordnung und die Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschaft (1815-71) in Deutschland. Die wichtigsten Ursachen für die Auflösung der feudalen Ordnung sind folgende: a) Die Herausbildung eines Weltmarktes; b) Die industrielle Revolution in England; c) Das Bevölkerumswachstum; d) Die Entwicklung der Landwirtschaft; e) Die Ausformung des modernen Staates. Das Bürgertum versuchte, in drei Anläufen die bürgerliche Gesellschaft durchzusetzen: a) durch die preußischen Reformen 1809-12; b) durch die Revolution von 1848; c) durch die Revolution ‘’von oben’’ in den 60er Jahren. All das bedeutete den Anfang des bürgerlichen Zeitalters mit seiner Lebensweise, Lebensphilosophie und Kunst (=Biedermeier). Es war also das Zeitalter der Emanzipation, des Aufsprengens und Abschüttelns der Fesseln der ständisch - feudalen Ordnung. Das Ziel war das freie, sich selbst bestimmende Individuum. 5. Das 19. Jh. ist das Jahrhundert eines ständigen Kampfes gegen alle Arten politischer, gesellschaftlicher und geistiger Abhängigkeit. Genau an diesem Punkt entwickelte Karl Marx seine Lehre des gesellschaftlichen Wandels. Es ist die Geburtsstunde des theoretischen Marxismus. Unbestreitbar ist, dass die Marxsche Theorie für das Verständnis der Entstehung und des Charakters der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft des 19. Jh. sehr hilfreich ist. All das andere waren reine Spekulationen1 . 1 In Frankreich dagegen bezeichnete das Jahr 1806 den endgültigen Sieg des Liberalismus, weswegen Hegel das Ende der Weltgeschichte proklamierte. Dasselbe machte der japanische Wissenschaftler Fukuyama 1989, als der Liberalismus den Sozialismus weltweit besiegt hatte. 1 Konrad Löw weist in seinem Buch ‘’Der Mythos Marx und seine Macher’’ (Langen Müller: München, 1996), dass vieles, was Marx zugeschrieben wird, in Wirklichkeit gar nicht mit ihm in Verbindung steht: Die frühen sozialdemokratischen Parteigründungen in Deutschland gehen nicht auf seine Initiative zurück; Marx war auch nicht der Gründer der Internationalen Arbeiterassoziation von 1864, und er hat auch nicht den Aufstand der Pariser Kommune 1870 inspiriert. Marx war weder ein geistig origineller noch im persönlichen Umgang erfreulicher Zeitgenosse. Er war eine ausgesprochen unsympathische Gestalt, die alle möglichen Vorlagen plagierte und kompilierte. Die Arbeiter hatten einfach Bedürfnis nach Personifizierung des Edlen, Guten und Großen. Nach dem Willen Friedrich Engels’ sollte Marx’ ‘’Kapital’’ gar zu Bibel der Arbeiterklasse werden. Sogar die katholische Kirche stilisierte Marx zum Propheten mit Heilandsqualitäten. Der führende Theolofge Ernesto Cardenal: ‘’Ich glaube, dass beide leben: Jesus und Marx.’’ Löw beschreibt ausführlich die Lobpreisungen Marx’ und des Marxismus durch das Christentum, obwohl es eigentlich den anhaltendsten Widerstand gegen die kommunistische Ideologie leisten sollte. Statt dessen diagnostizierten 6. Die Trennung zwischen bürgerlicher und proletarischer Bewegung in den 60er Jahren (es gründeten sich selbständige Arbeiterparteien) kennzeichnet den bereits erreichten Grad der Differenzierung der Gesellschaft. Da in Deutschland die bürgerliche Gesellschaft ohne eine erfolgreiche bürgerliche Revolution entstanden war, waren die Folgen schicksalsschwer: a) Das liberale Bürgertum verzichtete darauf, die Machtfrage eindeutig zu stellen und begnügte sich statt dessen weiterhin mit der Rolle eines politischen Juniorpartners der noch immer mächtigen Monarchie und des Adels; b) Die bürgerlich - demokratischen Elemente der politischen Ordnung bildeten sich nicht aus, es gab aber ihre Wurzeln. 7. Es war das Jahrhundert der politischen Revolutionen (1830 in Frankreich, 1848 in Deutschland, 1870 in Frankreich) und der industriellen Revolution in England; 8. Es kam zum Ende der gemeinsamen österreichisch - deutschen Geschichte 1866 - 67. Für die Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland 1815 - 67 war folgendes Typisch: a) Entfremdung auf politischem und geistig - wissenschaftlichem Gebiet; b) Mit der Gründung des Deutsche Zollvereins und dem Scheitern der österreichischen Bemühungen um eine Reform und Erweiterung des Zollvereins wurde Österreich zum ‘’Wirtschaftsausland’’ gegenüber den anderen deutschen Staaten; c) Die Industrialisierung trug dazu bei, dass Österreich und Deutschland auseinanderdrifteten; d) Die Kluft zwischen Österreich und Deutschland vertieften die politischen Parteien, die die Grenze zu Österreich respektierten. Charakterisieren wir kurz die wichtigsten sozialpolitischen Entwicklungstendenzen im 19. Jh. A. Die Bevölkerungsentwicklung Die Bevölkerung Europas verdoppelte sich 1750 - 1850 und zwischen 1850 und 1913 nahm sie noch einmal um etwa 80% zu. Das war eine echte Bevölkerungsexplosion. Die Ursachen dafür: a) Ein länger anhaltender Rückgang der Sterbezahlen; Fortschritte der Medizin spielten dabei nur eine geringe Rolle; b) Entscheidend war eine bessere Ernährung, die mit allmählicher Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und sehr guten Ernten im letzten Viertel des 18. Jh. verbunden war; c) Eine größere Zahl von Frauen erreichte wegen der genannten Umstände das heirats- bzw. gebärfähige Alter. Dabei nahm vor allem die ländliche Bevölkerung mehr zu als die städtische. Im 18. Jh. betrug die Lebenserwartung 29 Jahre, 1842 - 32 Jahre, 1871 - 35, 6 (in der BRD 1973: Männer - 68, 6, Frauen - 75, 2 Jahre). 1816 lebten 74% der Bevölkerung auf dem Lande, 1871 - 62, 6% (in Österreich 1880 - 70%). Zwischen 1841 und 1871 wanderten aus dem Deutschen Bund 2, 47 Mio. Menschen aus (90% , d. h. 2, 3 Mio., in die USA). Es waren vor allem Südwestdeutsche. Die Städte 1850: Wien - 444 000, Berlin - 419 000, Hamburg - 132 000, Prag - 118 000, Breslau - 114 000, München - 110 000, Dresden und Köln - 97 000 Einwohner. 1830 gab es 80, 1871 220 Städte mit 10 000 Einwohnern. 1816 gab es 1, 1% Juden, 1871 - 1, 2%. In Zahlen: 1825 - 373 000 Juden, 1850 - 545 000 Juden, davon lebten 230 000 in Preußen und 130 000 in Österreich. Die Juden lebten vor allem in Preußen, Böhmen, Mähren und in Niederösterreich. In Wien machten sie 1857 1, 3% der Bevölkerung aus, 1880 - 10% (72 543 Juden). 1881 lebte ein Drittel der preußischen Juden in Großstädten, davon ein Zehntel in Berlin. In Preußen waren 1860 6, 8 aller Gymnasiasten jüdisch (1880 - 10, 1%), in Österreich 1882 - 14, 4%. 1885 waren 10% der preußischen Studenten Juden. 1859 wurde in Deutschland zum erstenmal ein Jude zum Ordentlichen Professor ernannt (das war der Matematiker Moritz Stern in Göttingen), 1860 wurde zum erstenmal ein Jude zum Richter ernannt (Gabriel Riesser in Hamburg). Bis weit ins das 20. Jh. hinein blieb die deutsche Sprache die wichtigste Sprache des modernen Judentums. B. Landwirtschaft Das war die größte und wichtigste Branche der Wirtschaft. Die wichtigste Entwicklung in der Landwirtschaft war die folgende: Bauern und Gutsbesitzer wurden zu Landwirten, der Ackerbau wurde zum Gewerbe, der Bauern- und Gutshof zum landwirtschaftlichen Betrieb. Es kam zur Bauernbefreiung: viele Theologen Seelenverwandschaften. 1951 hielt, so eine Umfrage, noch rund ein Drittel der Bundesbürger den Nationalsozialismus für eine gute Sache. Man kann kaum erwarten, dass nach dem Zusammenbruch des Kommunismus jene, die ihn einst rühmten, jetzt seine geistige Überwindung feiern sollten. Das wissenschaftliche ‘’Plancksche Gesetz’’ besagt:’’Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass die Gegner allmählich aussterben und das die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.’’ 1. Die Leibeigenschaft wurde abgeschafft : in Österreich 1848, in Baden 1783, in linksrheinischen Gebieten 1797, in Westfalen 1808, in Schleswig - Holstein 1760-1805. 1820 gab es in Deutschland nirgendwo mehr Leibeigenschaft; 2. Die Dienstleistungen (lažas), die Geld- und Naturalabgaben (piniginė ir natūrinė duoklė) sowie die Hand- und Spanndienste (atodirbių ir priestočių prievolė) wurden aufgehoben; 3. Feudale genossenschaftlichen Strukturen wurden aufgelöst: a) Das Gemeindeeigentum wurde aufgeteilt; b) Der bäuerliche und gutsherrliche Besitz (valstiečių ir dvarininkų turtas) wurde getrennt; Die Landwirtschaft wurde also kommerzialisiert. 4. Infolge der preußischen Agrarreformen (9. 10. 1807) wurde(n): a) Die Leibeigenschaft aufgehoben; b) Die Frondienste und Abgaben bis zum 1820 erhalten; c) Grund und Boden zu einem privaten, frei verfügbaren Eigentum; die ständischen Beschränkungen für den Kauf und Verkauf sowie die Nutzung des Bodens wurden aufgehoben; d) Freiheit des Güterverkehrs und die freie Wahl des Gewerbes ausgesprochen. In Österreich gab es bis 1848 keine Agrarreformen. Die feudalen Abhängigkeitsverhältnisse wurden erst am 7. September 1848 aufgehoben. C. Die Industrialisierung. Die Bedeutung der industriellen Revolution des 19. Jh. kann man nur mit der neolithischen Revolution (dem Übergang der Menschheit vom Sammeln und Jagen zu Ackerbau und Viehzucht) vergleichen. Die Merkmale dieser industriellen Revolution: a) Breiter Einsatz neuer Techniken der Produktion (Werkzeug- und Dampfmaschinen) und der Kommunikation; b) Massenhafte Nutzung bislang wenig verwendeter Rohstoffe (Eisen und Kohle); c) Ausbreitung des Fabriksystems als Organisationsform arbeitsteiliger gewerblicher Produktion. Der Markt wurde zur zentralen regulierenden Instan; d) Freie Lohnarbeit wurde zur Erwerbsform von Massen und führte zur Entstehung des Proletariats; e) Erschließung neuer Märkte und der Einsatz von immer mehr Kapital. Zu Beginn der 70er Jahre war die gesamtwirtschaftliche Führung von der Landwirtschaft auf die Industrie übergangen. In Österreich vollzog sich die Industrialisierung wesentlich langsamer. Österreich verwarf das Modell einer beschleunigten Industrialisierung. Bis 1870 gibt es in Österreich keine industrielle Revolution, die Industrialisierung trägt hier eindeutig regionalen Charakter. Ihre Zentren lagen in Böhmen und um Wien herum. D. Soziale Strukturen. Allgemeine Prozesse am Anfang des 19. Jh.: 1. Die Klassenstrukturen waren nicht mehr rechtlich, sondern wirtschaftlich bestimmt; 2. Die Privilegien der Zünfte und Gilden waren aufgehoben; 3. Die Unterscheidung zwischen städtisch - bürgerlicher und ländlich - bäuerlicher Bevölkerung ( miestelėnai/ biurgeriai ir kaimo valstietija) verlor an Bedeutung. Neue Erscheinungen: 1. Es entstehen Vereine (sąjunga, draugija) als freiwillige Zusammenschlüsse von Individuen zu selbst gewählten Zwecken. Vereine beherrschen das geistig - gesellschftliche Leben der Deutsche bis zum 1. Weltkrieg; 2. Es entstehen an der Stelle der älteren Korporationen (ihr Mitglied wurde man durch Geburt und Stand) die Assoziationen (ihr Mitglied konnte jeder werden); 3. Familie und Haushalt ändern ihre Struktur und Funktion. DA. Stand Ein Stand war rechtlich definiert und von anderen Ständen abgegrenzt. Die Zugehörigkeit zu einem Stand entschied in der älteren Gesellschaft über die Art der Arbeit und der Gesellschaft und verpflichtete zu einer standesgemäßen Lebensführung. Im Spätmittelalter gab es vier Stände: 1. Den Adel; 2. Die Geistlichkeit; 3. Das Bürgertum; 4. Die Bauern. Die Juden galten nicht als ein eigener Stand. Außerdem unterschied man: Geburtsstände (prigimtinis luomas) ( Adel, Bauern und Bürgerschaft) und Berufs– bzw. Staatsstände (profesinis luomas) (Beamte, das Militär und Geistlichkeit). Im 19. Jh. sind alle Klassen rechtlich gleich, ungleich aber nach ihrer Stellung im Produktionsprozess und im Marktgeschehen. So entstehen neben der rechtlichen Gleichheit ein neues System der sozialen Ungleichheit. Es entstehen zwei neue Hauptklassen - die der Bourgeoisie und die des Proletariats. Zwischenklassen sind die gesellschaftlichen Großgruppen: das Handwerk (amatininkai), der Kleinhandel (smulkūs pirkliai), die mittleren und kleinen Bauern (vidutinioji ir smulkioji valstietija) und die Beamten (valdininkija). Prozentual (l880) sieht das folgenderweise aus: Adel (1%), Bürger (24%) : städtische Oberschicht 3%, städtische Mittelschicht 10%, städtische Unterschichten (= Hausgesinde, Tagelöhner, Arme) 11%; Bauern (75%): Kleinstellenbesitzer 20%, landlose Unterschichten 25%, Landhandwerk 8%, Bauern 22%. DB. Adel 1800 gab es 50 000 adlige Familien. Sie behaupteten ihre wirtschaftliche und soziale Führungsposition. 50 000 Adel - Familien: a) 80 standesherrliche Familien (valdančiosios aukštosios bajorijos šeimos) (= regierende Fürsten- und Grafenhäuser); b) frühere Reichsritter; c) landsässiger Adel (= Junker); d) 17 000 Familien: besitzloser, veramter Adel (= Kleinadel, šlėkta). Bis 1872 besaßen die preußischen Rittergutsbesitzer die örtliche Polizeigewalt. Bis 1861 war der preußische Adel von der Grundsteuer befreit. Er wurde im Staatsdienst bevorzugt: 1865 waren 65% aller preußischer Offiziere (von den Obersten und Generalen sogar 86%) adlig. Adlig waren 45% der Provinzialbeamtenschaft, 66% der Landräte. In Preußen nahmen die Gutsbezirke 1869 noch 45% der Bodenfläche ein (die selbständigen Bauerngemeinden hatten 49% der Bodenfläche). So entstand eine adlig bürgerliche Gutbesitzerklasse (biurgeriškoji kilmingųjų dvarininkų klasė), die eine kapitalistisch betriebene Großlandwirtschaft mit ständischen Privilegien zu verbinden verstand. Ein Drittel der adligen Familien war ohne Grundbesitz. DC. Das Bürgertum Die bürgerliche Gesellschaft als eine im wesentlichen vom Bürgertum getragene Gesellschaftsform ist in Deutschland nie voll zur Entwicklung gekommen. Sie wurde nach 1849 durch spätfeudale oder neue obrigkeitlich bestimmte Herrschaftsordnungen unterdrückt. Den beginn des bürgerlichen Zeitalters in der Welt markiert die Große Französische Revolution von 1789. Die soziale Position des Bürgertums war nicht durch geburtliche Vorrechte (wie beim Adel) oder durch berufsständische Einordnung (wie beim Handwerk), sondern durch die eigene Leistung bestimmt. Seit 1789 unterschied man zwischen ‘’Stadtbürger’’ (frz. bourgeois, lit. buržua, miestietis, miestelėnas, miesčionis) und ‘’Staatsbürger’’ (frz. citoyen, lit. pilietis). Citoyen bekam die neue Bedeutung von ‘’Bürger’’ . Mit Bürger bezeichnete man die freien, gleichen Menschen, es war eine Ehrenbezeichnung bei Revolutionären 1. Der Stadtbürger als Bourgeois wurde zum Träger der industriellen Revolution. Das Bürgertum kämpfte stets einen Zweitfrontenkrieg gegen die spätfeudale Machtelite einerseits und gegen das sich aus absinkendem Kleinbürgertum (=Handwerkgesellen) (smulkioji buržuazija) und Manufakturarbeitern bildende Proletariat andererseits. Das Bürgertum forderte: a) Schaffung von nationaler Einheit und persönlicher Freiheit unter Verzicht auf politische Freiheiten; b) Anerkennung der Volkssouveränität statt Gottesgnadentum (Dievo malonė). Es stellte sich aber nicht eine Beteiligung der Volksmassen an der politischen Mitbestimmung vor. Ihre Mitsprache sollte an Besitz und Bildung gebunden sein; c) Sicherung von Eigentum und Ordnung; Verzicht auf politische Freiheiten und Forderung der Sicherung von Eigentum und Ordnung zeugen von der Angst des Bürgertums vor dem Proletariat und vor der Revolution. Die Revolution von 1848 zeigte ‘’Größe und Versagen des deutschen Bürgertums’’. Innerhalb des Bürgertums gab es folgende Schichten: a) das höhere Bürgertum / Großbürgertum / Bourgeoisie (buržuazija): aa) Die Schicht der großen Unternehmer und der mächtigen Bankiers; ab) Die Schicht der höheren, in der Regel akademisch gebildeten Beamten; ac) Die Schicht der Universitäts- und Gymnasialprofessoren; ad) Die Schicht der Großbauern (buožė). b) das untere Bürgertum / Kleinbürgertum (smulkioji buržuazija) 2 : ba) Die Schicht der niederen Beamten; bb) Die Schicht der Volksschullehrer; bc) Die Schicht der Handwerksmeister; bd) Die Schicht der mittleren Bauern. Das Kleinbürgertum war gegen den Fortschritt, denn: a) es fürchtete sich vor Verelendung und vor der Radikalisierung des Proletariats; b) es blieb noch lange ständischen Traditionen und Lebensverhältnissen verhaftet. DD. Das Proletariat Die Bolschewiken machten aus dem ‘’Staatsbürger’’ eine Anredeform der Verbrecher: wenn jemand in der Zeitung als ‘’гражданин’’ bezeichnet war, so bedeutete es, dass er verhaftet, verurteilt oder hingerichtet ist. 2 Das Volk = Kleinbürgertum + soziale Unterschichten (d. h. Proletariat) + Bauern. 1 Zum Proletariat gehörten alle, die ohne feste Stellung im Leben, ohne eigenes Geschäft und ohne Besitz waren, die kein gesichertes fremdes Eigentum hatten, deren Existenz von dem bloßen Erwerb ihrer Arbeit abhing, den sie jedoch noch mit einem Arbeitsgeber (darbdavys) teilen mussten. Die Proletarier arbeiteten 6 Tage pro Woche 12 oder mehr Stunden. Ihr Lebensstandard war sehr niedrig. Lediglich die besser bezahlten Facharbeiter (kvalifikuotieji darbininkai) waren in der Lage, allein den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Das Proletariat wurde zum Kristalisationskern der entstehenden Arbeiterklasse. Auf das Wachstum des Proletariats übte die Ausbreitung der proletarischen Familie einen entscheidenden Einfluss aus. 1849 waren etwa 5% der Proletarier verheiratet, 1875 schon 32% (88% der Fabrikarbeiter !). Mit den Arbeiterfamilien begann eine soziale Verfestigung des Proletariats, entstand ein dauerhaftes soziales Milieu, bildete sich ein ‘’erbliches’’ Proletariat aus. In den 30er Jahren des 19. Jh. hatte das Wort ‘’Arbeiter’’ eine abwertende Bedeutung, in den 40er Jahren schon eine positive. 1870 war der Klassenbildungsprozess in Deutschland abgeschlossen. Und jetzt noch ein paar Bemerkungen zur Entwicklung der nationalen Idee in Deutschland. Die nationale Idee war in Deutschland nacheinander und nicht gleichzeitig Sache der Linken und der Rechten gewesen. Nationalismus und Liberalismus waren bis zum Scheitern der Revolution von 1848 miteinander verknüpft, wenn nicht vermischt. Es galt, durch die Zusammenfassung der Nation, die bis dahin in Gruppen von Untertanen größerer oder kleinerer Herrscher audgesplittert war, die Legitimität des Volkes gegen die Legitimität der Fürsten zu setzen. Die drei Farben der deutschen Demokratie (Schwarz, Rot und Gold) sind zuerst die Farben der Jenaer Burschenschaften gewesen, deren Gründer von 1813 bis 1815 in den Befreiungskriegen gegen Napoleon gekämpft hatten. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 war es dann aber ein autoritärer Staat, der die nationale Einheit schuf. Die Obrigkeit übernahm die Gründung und die Verteidigung der Nation. Eine Nation, die sich auf das Volk, aber nicht auf das Volk als Macht, als Volk des Willens zur Zusammengehörigkeit gründet. Man betrachtete das Volk als Stamm, als Untertanen, die sich ihren weltlichen und geistlichen Herren fügen. Die Obrigkeit soll befehlen, der Bürger hat die privaten Berufs- und Familientugenden bieder zu pflegen, während die einzige politische Tugend die Treue zur gesetzmäßigen Obrigkeit ist. Eine bestimmte christliche Doktrin wies seit langem in diese Richtung. Luther konnte so interpretiert werden. Ein berühmter Theologe schrieb Ende des 17. Jh. ein dickes Buch, um festzustellen, ob man das Recht hat, am Sonntag Holz zu fällen. Die Antwort ist eindeutig: Ja, wenn man den Befehl dazu bekommen hat; die Sünde ist nur bei dem, der den Befehl gegeben hat. Wohin es geführt hat, sehen wir am deutlichsten im 20. Jh., ich meine die deutsche Geschichte 1933-45 und die russische 1989-91, als Soldaten blind und gehorsam jeden Befehl ausführten. 4. 2. 2. DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH IM ZEITALTER DER RESTAURATION ( 1815 - 1848) Die Ära Napoleons endete mit dem Wiener Kongress. Der Wiener Kongress, eine Versammlung europäischer Fürsten und Staatsmänner von über 200 Staaten, fand vom 1. November 1814 bis 19. Juni 1815 statt. Präsident des Wiener Kongresses war der österreichische Außenminister Klemens Fürst von Metternich. Das Hauptziel des Wiener Kongresses bestand darin, die staatlichen und politischen Veränderungen, die seit der Französischen Revolution eingetreten waren, so weit wie möglich rückgängig zu machen und eine gemeinsame Front gegen die nationalstaatlichen und freiheitlichen Bestrebungen der Völker zu errichten. Die 5 Großmächte (Russland, Großbritannien, Österreich, Preußen und Frankreich) beschlossen in der Wiener Kongressakte vom 9. 6. 1815 territoriale Veränderungen: 1. Polen wurde zwischen Russland, Preußen und Österreich neu aufgeteilt; 2. Oberitalien wurde erneut Österreich einverleibt; 3. Belgien und die Niederlande wurden zu einem Königreich vereint; 4. Preußen erhielt die Hälfte des Königreiches Sachsen, das Rheinland und Westfalen. Die am 10. 6. 1815 unterzeichnete Bundesakte regelte die staatliche Neuordnung in Deutschland und schuf den Deutschen Bund, der bis 1866 existierte. Als Zweck des Bundes bestimmte die Bundesakte im Artikel 2: ‘’Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten’’. Aber er sollte keineswegs von vornherein ein innenpolitisches Repressionsorgan werden. Die Bundesakte enthielt vielmehr Bestimmungen, die in Richtung größerer Rechtssicherheit und Liberalisierung der politischen Verhältnisse zielten. Mitglieder aller christlichen Religionen sollten gleiche bürgerliche und politische Rechte erhalten, und die Gleichstellung der Juden wurde in Aussicht genommen. Doch das blieb alles auf dem Papier. Denn schon 1819 sprach Metternich vom ‘’Phantom der sog. Volksfreiheit’’ und beschwor die Gefahr der Anarchie, die aus der Volkssouveränität hervorgehe (d. h. man sah in der Gesellschaft zwei oppositionelle Kräfte: Körperschaften wie Adel, Städte, Universitäten und Kirchen einerseits und die gewählten volkssouveränen Repräsentativorgane, die nicht Stände, sondern die Nation verkörperten, andererseits). 1819 wurden die Karlsbader Beschlüsse angenommen, mit denen die Autonomie der Universitäten weitestgehend außer Kraft gesetzt, liberal - nationale Burschenschaften (studentų susivienijimas) verboten und die Zensur von Druckwerken einheitlich geregelt wurden. Man traf damit die Bereiche, in denen sich die national- und verfassungspolitischen Forderungen des gebildeten Bürgertums geäußert und zur Zusammenarbeit über die Grenzen der Einzelstaaten hinweg geführt hatten. 1820 wurde in der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes das monarchistische Prinzip verankert: die gesamte Staatsgewalt wurde nicht in den landständischen Verfassungsorganen, sondern in dem Oberhaupte des Staates vereinigt. Somit verlor das Bürgertum alle Rechte: das Recht auf Autonomie der Universitäten, das Recht auf studentische Vereinigungen, das Recht auf freien Gedankenaustausch in der Presse und Literatur, schließlich das Recht, die Gesetze zu verabschieden. Der Dt. Bund blieb ein angstvoller, reaktionärer Verteidigungsbund gegen jede neue Idee. Er hat Deutschland nichts außer 50 friedliche Jahre gegeben. Nun bestand Deutschland wieder aus Einzelstaaten. In etlichen Staaten hatten sich die altständischen Vertretungen ungebrochen erhalten, in anderen, z. B. in Preußen und Österreich, fehlten gesamtstaatliche Vertretungskörperschaften, und in den dritten Staaten, vor allem in Süddeutschland, entstand eine Mischung aus altständischen Vertretungen und modernen Formen staatsbürgerlicher Repräsentation (recht demokratische Verfassung und frühparlamentarische Institutionen). Eben diese süddeutschen Verfassungsstaaten wurden zum Experimentierfeld des Frühkonstitutionalismus. Hier formte sich die deutsche konstitutionelle Monarchie1 , die nach 1830 von den größeren mittel- und und norddeutschen Staaten und 1850 von Preußen übernommen wurde und bis zum 1. Weltkrieg die politische Ordnung in Deutschland bestimmte. So bildete sich Dualismus: Dem Monarchen mit der Regierung und der Verwaltung auf der einen Seite stand die im Parlament vertretene Staatsbürgergesellschaft auf der anderen Seite gegenüber. Doch diese Staatsbürgergesellschaft war sozial und rechtlich eingeschränkt. Das Wahlrecht schränkte den Kreis der Wahlberechtigten so stark ein, daß z. B. in München 1819 nur etwa 6% der männlichen Erwachsenen wählen durften, und die beiden Kammern der Landtage enthielten Vertreter privilegierter Stände. In den ersten Kammern saßen meist neben den Standesherren Delegierte der Kirchen und vom Monarchen berufene Mitglieder, während in den zweiten Kammern in der Regel die gewählten Abgeordneten des niederen Adels, der Städte und des Landes ihren Sitz hatten. Die Landtage hatten das Recht auf Steuerbewilligung, auf Mitwirkung an der Gesetzgebung und auf Petition an den Monarchen. Die Julirevolution von 1830 erfasste Belgien, die Schweiz, Mittelitalien und mündete in den polnischen Aufstand 1830-31, der unter preußischer Mithilfe von Russland niedergeschlagen wurde. In Deutschland kam es in nord- und mitteldeutschen Staaten zu Unruhen, so in Braunschweig, Sachsen, Hannover, Hessen. Unruhen erfassten auch einige Städte, z. B. Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Das Bürgertum konnte einen Teil seiner Forderungen durchsetzen, doch schon 1832-34 wurden alle erkämpften Freiheiten (z. B. das freisinnige badische Pressegestz) wieder aufgehoben. 1833-42 wurde eine zentrale Überwachungsbehörde politisch Verdächtiger eingeführt.Viele dieser Verdächtiger flüchteten in die Schweiz oder nach Frankreich, wo sich die Organisationen deutscher Emigranten bildeten, die die demokratisch republikanischen Ideen nach Deutschland einschleusten und die Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung schufen. Seit 1830 sprechen die Österreicher nicht mehr von sich selbst als von Deutschen. 1819 erscheint das Buch ‘’Teutschland und die Revolution’’ des Philosophen Joseph Görres. Er schreibt: ‘’Preußen sollte noch 1813 ganz Deutschland vereinigen. Die Wiener Kongressbeschlüsse führen zur Revolution und werden mit einer republikanischen Verfassung enden.’’ So wird der Gedanke geboren, Preußen könnte der Einiger Deutschlands werden. In Jena entstand die Studentenvereinigung der ‘’Burschenschaften’’. Diese Vereinigung war christlich, national, antisemitisch, antiliberal, aber antimonarchistisch. Sie war für das alte Germania, für Turnen, für Glauben an alte deutsche Götter und an den Menschen. Als ihr Mitglied Karl Ludwig Sand 1820 den Lustspieldichter Kotzebue mit dem Dolch ermordete (er war russischer Agent), machte Metternich aus diesem Ereignis den Bastillensturm. Die politischen Verfolgungen begannen, die politischen Flüchtlinge trafen sich in London, Paris, Brüssel und Zürich. In Deutschland beginnt die Industrialisierung. Es entstehen viele neue Fabriken, Banken, Versicherungsgesellschaften. Das Leben verbürgerlicht sich. Es entsteht der Zollverein (1834), abseits stehen nur Hannover und Hamburg. Die Einigung der deutschen Staaten zu einem Zoll- und Handelsverband führt zugleich Einigung zu einem und demselben politischen System mit sich. Auf dem Territorium des Zollvereins entstehen Eisenbahnen: zuerst die Eisenbahnstrecke Nürnberg - Fürth (1835), dann die 116 km lange Strecke Leipzig - Dresden (1839), danach München - Augsburg, Frankfurt - Mainz u. a. 1845 gibt es 2143 km Schienenstränge in Deutschland, 1855 schon 8000 km. 1840 spricht man schon von ‘’Proletariat’’. Die Zeit des Pferdes und der Ritter ist vorbei. 1 Heutzutage sind z. B. Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien und Großbritannien konstitutionelle Monarchien. 1840 stirbt Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Friedrich Wilhelm IV. (1840-61) ist witzig, redsam, geistreich, aber schwach, abergläubisch, unselbständig, hochmütig und treulos. Seine Ideen sind die des Romantikers. Er will einen Staat mit Ständen aufbauen: mit fröhlichen Bauern, biederen Bürgern, frommem Klerus und treuem Adel. Er träumt vom mittelalterlichen Deutschen Reich in alter Pracht. 1843 verbietet er die ‘’Rheinische Zeitung’’ von Marx ‘’wegen Zügellosigkeit des Ausdrucks und der Gesinnung’’. 1844 kommt es zum Aufstand der Leineweber in dem schlesischen Städtchen Peterswaldau. Die Untersuchungskommission deckt die entsetzlichen Bedingungen auf, unter denen sie leben. Man unternimmt nichts. 1840 äußert Frankreich den Wunsch, wieder das Rheinland zurückzubekommen. Die Empörung in Deutschland ist unbeschreibbar. Die Deutschen drohen mit Krieg. Frankreich, das stets Preußens Verbündete war, ist verwundert und geschmerzt. Da schreibt Edgar Quinet, der größte französische Liberale, der mit der Tochter eines deutschen Professors verheiratet ist und in Deutschland 10 Jahre verlebt hat: ‘’Deutschland ist ein materialistisches Land, dass sich einem reizbaren, kolerischen Nationalismus ergeben hatte. Der preußische Staat wird sich andere deutsche Staaten unterwerfen und diesen Geist verbreiten. Dazu ist alles bereit, nur der große Mann fehlt noch. Wenn er aber erscheint, wehe Frankreich!’’ Und wie lebte die Kirche Anfang des 19. Jh.? Napoleon hat sie säkularisiert (=verweltlicht). Nach seiner Vertreibung konnte sich die katholische Kirche in Deutschland bis 1866 hauptsächlich auf Österreich stützen, denn sie war ja eine religiöse Minderheit. Die Einstellung zur evangelischen Kirche war anders. Die Furcht vor Revolution und Rationalismus brachte den preußischen Adel zur Überzeugung, religiöse Inbrunst sei die beste Garantie gegen politische Massenagitation, deshalb soll man dafür sorgen, dass die Kandidaten für das geistige Amt bei Stipendien und Ernennungen Pietisten wären. Das christianisierte Preußen sollte ein Bollwerk gegen progressive politische Tendenzen werden. Die führenden Positionen im Kultusministerium (kultūros ministerija) und in der Hierarchie der evangelischen Kirche wurden mit Pietisten besetzt. Diese begannen sofort eine Belästigungskampagne: a) gegen Geistliche mit zu betont rationalistischen Ansichten; b) gegen die Junghegelianer; c) gegen die Pfarrer, die unter dem Einfluss von D. F. Strauß’ ‘’Leben Jesu’’ (1835) Zweifel an der Echtheit des Berichtes der Bibel über das Leben Jesu bekommen hatte; d) gegen die Widersacher der Liturgiereform, die mit der Vereinigung der lutherischen und der reformierten kalvinistischen Kirche einhergegangen war. Die evangelische Kirche wurde zum Werkzeug der politischen Reaktion. Die Protestbewegung ‘’der Lichtfreunde’’ wandte sich gegen die Starrheit der staatlichen Kirchenpolitik und forderte Reformen (z. B. größere Laienbeteiligung in der Kirchenleitung). Als aber die Revolution von 1848 kam, missbilligten sowohl die militanten Pastoren der Lichtfreunde als auch die Mehrheit der evangelischen und lutherischen Pastoren die Revolution und traten für bedingungslose Treue zum Staat und König ein. Am 15. 8. 1832 erscheint das Rundschreiben Gregors XVI. ‘’Mirari vos’’, das den letzten Versuch des Papsttums darstellte, die Macht Roms in der Welt zu erhalten. Der Papst befiehlt allen Bischöfen gegen alle Neuerungen einzuschreiten: ‘’Denn eifrig möget Ihr erwägen, dass durch irgendwelche Neuerung die ganze Kirche getroffen wird, dass nach dem Wort des hl. Papstes Agatho von dem, was ordnungsgemäß bestimmt worden ist, nichts vermindert, nichts verändert, nichts hinzugefügt werden darf, sondern alles nach Wort und Sinn unverletzt zu bewahren ist’’. Treue den Fürsten und Königen - das ist die einzige Pflicht des Katholiken. 1860-66 versetzte der Befreiungskampf Garibaldis einen Todesstoß dem Vatikan. Er bedeutete die beginnende Befreiung des Katholizismus von der Ideologie der antikischen, mittelalterlich - barocken Kosmosstadt Rom. 4. 2. 3. DIE BÜRGERLICH - DEMOKRATISCHE REVOLUTION VON 1848-49 Die Revolution begann im März, als die Deutschen erfuhren, dass man in Frankreich den Louis Philipp verjagte und die Republik proklamierte. Das deutsche Volk forderte sofort: 1. Freiheit der Presse und der Versammlungen; 2. Bewaffnung des Volkes; 3. Geschworenengerichte; 4. Reform des Wahlrechts; 5. Mitarbeit am Aufbau eines deutschen Bundesstaates; 6. Einberufung einer Deutschen Nationalversammlung. Der Kaiser in Österreich und der preußische König bewilligten alles. Das Volk beruhigte sich, die Revolution war aus. Ein führender Liberale1 sagte:’’In Preußen ist Revolution ausgeschlossen. Wir wollen in Preußen friedliche, volkstümliche Reform und eine liberale Verfassung, aber unter keinen Umständen eine Revolution!’’ Am 18. Mai 1848 beginnt in Frankfurt am Main die Deutsche Nationalversammlung (DNV) ihr Werk. Die Rechten wollen eine gemäßigte, balancierte Verfassung mit Erhaltung aller Privilegien für Stände. Die Linken wollen wirkliche Volkssouveränität, in der sie von unten mitregieren könnten, und gleiche Rechte für alle. Die Radikalen fordern eine nationale deutsche Republik. Gleichzeitig tagt in Berlin die Preußische Nationalversammlung (PNV), und in Wien beginnt ihre Arbeit die Österreichische Nationalversammlung (ÖNV). Ganz Deutschland zerfällt in 3 Teile, dabei existiert Österreich nicht mehr: In Prag tagt der Slawenkongress, der Unabhängigkeit Prags von Wien verlangt, in Budapest beginnt der Aufstand von Kossuth, der eine Magyarenrepublik bilden will. Im Juni erholen sich die Armee und der Feudaladel vom momentanen Nervenzusammenbruch und starten die Offensive gegen die Revolution. Zuerst besetzt die reaktionäre Armee Prag. Alles endet nach zwei Wochen. Inzwischen zerfällt in Paris die Koalition der Arbeiter und der Bauern, und die Armee beendet die französische Revolution in einem Blutbad. Das Ergebnis ist die völlige, über Jahrzehnte hinaus wirkende Niederlage des Sozialismus. Im Juli bricht ein Aufstand in Schleswig los. Schleswig gehört Dänemark. Der dänische König, der bis 1863 deutscher Reichsfürst ist, hat keinen Sohn und nach seinem Tod muss Schleswig preußisch werden. Die Schleswiger rufen eine unabhängige Republik aus. Der dänische König schickt Armee nach Schleswig. Der preußische König auch. Es beginnt der preußisch - dänische Krieg. Nur unter dem Druck der Großmächte kommt es zum Waffenstillstand von Malmö. Das gefiel aber der DNV in Frankfurt nicht: Niemand hat sie konsultiert. Die DNV erklärt den Waffenstillstand für ungültig (4. 9. 1848). Niemand reagiert. Nach 8 Tagen erklärt die DNV den Waffenstillstand für gültig. Jetzt versteht das deutsche Volk, dass das Gremium, auf das sie alle ihre Hoffnungen gesetzt haben - die DNV - überhaupt keine Macht hat, dass es betrogen ist. Außerdem hat die DNV zu ihrem Präsidenten (Reichsweser) den Erzfeind Metternichs, Erzherzog Johann von Österreich, gewählt, einen Habsburger. Auf diese Weise verbindet sich das dritte Deutschland mit Österreich, und Österreich kann die DNV unsichtbar manipulieren. Außerdem ist Erzherzog Johann ein schwacher Mensch, der keinen Einfluss und keine Entschlossenheit hat. Er und seine DNV reden, reden und reden. Ändern tut sich nichts. Aus diesen Gründen erhebt sich das Volk in Frankfurt und in Hessen. Die DNV muss bei der preußischen Garnison, die in Frankfurt stationiert ist, um Schutz bitten. Die Preußen zerschlagen den Aufruhr. Die Frankfurter Wirren zeigen ganz deutlich, dass die DNV ohnmächtig ist, dass das Reich der Liberalen eine Illusion ist, denn die DNV kann weder über Frieden noch Krieg entscheiden, dass das dritte Deutschland kein Staat ist., solange Preußen und Österreich echte Staaten sind. In Wien waltet ein revolutionäres Zentralkomitee. Die Arbeiter sind bewaffnet. Im Oktober kommt aus Italien aber die Armee unter Leitung von General Radetzky, aus Prag die böhmische Armee. Wien wird belagert. Niemand kann den Wiener Revolutionären helfen: a) Die DNV tagt jetzt unter dem Schutz der preußischen Kanonen; b) In Paris herrscht Reaktion; c) Die Magyaren sind mit sich selbst beschäftigt. Die Wiener Revolutionäre kämpfen hart, doch die Revolution wird niedergemetzelt. Der weiße Terror beginnt. Die Generale verjagen im Dezember den schwachsinnigen Kaiser Leopold und setzen den Kaiser Franz Joseph I. (1848-1916) ein. Dieser ist streng konservativ und hasst jegliche Revolution. Jetzt beschließt auch Friedrich Wilhelm IV., die Ordnung in Berlin wiederherzustellen. Ende Oktober wird in Berlin der Belagerungszustand erklärt und die PNV in die Provinz verlegt. Dann wird sie für aufgelöst erklärt. Am 5. Dezember ist Berlin in Königshänden. Es gab nicht mal ein Opfer, niemand leistete Widerstand. Das Entschied den Niedergang der preußischen und letzlich der gesamten deutschen Revolutionsbewegung und beseitigte vollends jegliche Bereitschaft der Liberalen, sich auf einen risikoreichen Widerstand gegen die preußische Reaktion einzulassen. Mit der Niederlage der Revolutionäre in Wien und Berlin endete im Herbst 1848 die erste Phase der deutschen Revolution. Die DNV in Frankfurt verabschiedet am 20. Dezember 1848 den Grundrechtskatalog. Im Mittelpunkt steht die Sicherung der individuellen Freiheitsrechte. Von den sozialen Grundrechten, die von Demokraten und Arbeitervereinen gefordert werden, fand nur eins Eingang in die Verfassung: die Unbemittelten sollten in der Zukunft kostenlosen Unterricht erhalten. Machtfragen werden nicht mal erwähnt, was die bittere Erfahrung der DNV widerspiegelt. Jetzt will die DNV die Zukunft Deutschlands entscheiden. Zwei Lösungen sind möglich: Wenn sich Preußen, Österreich und das dritte Deutschland (d.h. Nord- und Süddeutschland) verbinden, wird 1 Unter ihrer Führung erfolgte die Märzrevolution. Großdeutschland entstehen; wenn sich Preußen und das dritte Deutschland verbinden, wird Kleindeutschland entstehen. Da die Revolution in Wien geschlagen ist, entscheidet sich die DNV für Kleindeutschland als erbliche Monarchie, die vom preußischen König regiert werden sollte. Sie schicken eine Delegation zum preußischen König und bieten ihm an, König von Kleindeutschland zu werden. Friedrich Wilhelm IV. sagt:’’ Ich kann euch weder ja noch nein antworten. Ihr habt mir gar nichts zu bieten. Das mache ich mit meinesgleichen1 ab. Jedoch zum Abschied die Wahrheit: Gegen Demokratien helfen nur Soldaten. Adieu!’’ Da muss die DNV zum zweitenmal entdecken, dass sie überhaupt nichts ist. Es kommt im Frühling 1849 zum Volksaufstand in Sachsen, im preußischen Rheintal, in Baden, in der bayerischen Pfalz2 . Die zweite Phase der Revolution beginnt. Es gibt wieder keine zentrale Führung des Aufstandes. Auch die wichtigste Frage jeder Revolution - wer wen töten wird, d. h. die Machtfrage - wird nicht gestellt. Die Fürsten greifen diesmal blitzschnell an. Von Mai bis Juni 1849 geht das Blutbad. Es endet in standrechtlichen Erschießungen (sušaudymas be teismo). Die Rachsucht der Reaktion ist endlos. Im Blut des Bürgerkrieges von 1849 endet die deutsche Revolution, die anders hatte sein wollen als andere Revolutionen: freundlich, tolerant und gesetzlich. Die Geschichte hat bewiesen: man macht keine Revolution in weißen Handschuhen. Im August bittet der Kaiser Franz Joseph I. den russischen Zaren um Hilfe. Der schickt seine Kosaken nach Ungarn. Auch da endet alles im Blutbad. Der Tragödie folgt ein Satyrspiel. Im März 1850 beruft Friedrich Wilhelm IV. einen Reichstag aus den Staaten der Nordeutschen Union (sie entstand im Mai 1849 als Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Sachsen und Hannover) nach Erfurt. Der Reichstag sollte die 1849 von der DNV angenommene Verfassung Kleindeutschlands verbessern und ihn, Friedrich Wilhelm IV., zum Kaiser ausrufen. Aber der Romantiker Friedrich Wilhelm ist zu spät erwacht: 1848-49 konnte er ohne jegliche Schwierigkeit und ohne jegliches menschliche Opfer Deutschland vereinen und Kaiser werden, denn Österreich existierte nicht. Jetzt, 1850, konnte Österreich tun, was er wollte, denn es war wieder Großmacht, hinter dem Russland mit seinen 500 000 Soldaten stand. Österreich sprach sein Veto gegen Kleindeutschland aus und zog seine truppen an die preußische Grenze zusammen. Der größte Träumer und Demokratiehasser Friedrich Wilhelm gab kein und leise bei. Er gab alles zu, was Österreich verlangte: Die Wiederherstellung des Deutschen Bundes, Österreichs Präsidialstellung in ihm, Dänemarks Herrschaft über Schleswig - Holstein - alles. Drei Jahre nach dem März 1848 besaßen Kaiser Franz JosephI und sein Außenminister Schwarzenberger eine Stellung in Deutschland, wie der alte Metternich sie nie besessen hatte. So endete die Revolution von 1848-49 - mit Enttäuschung, Scham und Spott. Woran ist die Revolution gescheitert? 1. Sie scheiterte an der Politik der Großmächte. Sie betrachteten die Idee eines Großdeutschlands mit 70 Mio. Menschen als Gefahr; 2. Sie scheiterte an der Nationalitätenpolitik. Bis 1848 glaubte man, dass Italiener, Polen, Tschechen und Ungarn sowie andere Völker gern mit den Deutschen in Großdeutschland zusammenleben würden. 1850 war klar: a) Europa wird sich nach Nationalitäten rekonstruieren; b) Der Mehrvölkerstaat Österreich wird früher oder später am Nationalismus zugrunde gehen. Die Historiker der ehemaligen DDR und andere kommunistisch gesinnte Forscher führen noch folgende Gründe an: 1. Sie scheiterte an der Zielstellung der Revolution: Die Liberalen kämpften nicht um die Macht, sondern um die Beseitigung der (feudalen) Bürokratie; 2. Sie scheiterte an der Zentralführung. Die politische Führung gab es nicht. Die Liberalen waren zu schwach dazu. Sie wollten Reformen, aber keine revolutionären Veränderungen1 ; 3. Sie scheiterte am Klassenkampf. Dagegen könnten wir folgende Argumente führen: I. Es war eine bürgerliche Revolution, genauer, die Revolution der Intellektuellen, aber keine proletarische Revolution, denn die Klassen in Deutschland waren längst nicht die geschlossenen und klar voneinander abgegrenzten Gruppen. II. Man kann auch daran zweifeln, ob es eine revolutionäre Situation (nach Lenin) gab: Es gab keine zusammnebrechende bankerotte Verwaltung (die österreichische war nicht schlecht, die preußische 1 Nicht das Volk entscheidet seine Geschichte, sondern Könige. Heute würde man sagen: Nicht das Volk entscheidet seine Geschichte, sondern die Präsidenten der USA, Frankreichs, der Ex - UdSSR usw. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. 2 Hier hat der Adel im Winter 1848 und im Frühling 1849 alle Reformen der Märzrevolution annulliert. 1 Bismarck nannte den führenden Liberalen Prof. Dahlmann ‘’Phrasen - Gießkanne’’. Bismarck sagte: ‘’Nicht durch Reden und Mehrheitsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der große Fehler von 1848-49 gewesen -, sondern durch Blut und Eisen’’. sogar gut), es gab keine finanzielle Krise oder eine Krise oben. Diese Revolution war gegen den oft überwirksamen Obrigkeits- und Beamtenstaat, d. h. gegen die Bürokraten. III. Es gab in Deutschland eine Million Arbeiter, aber viel mehr Handwerker und noch mehr Bauern (alle zusammen machten sie neun Zehntel der Beschäftigte aus). Sie forderten gewerkschaftliche Rechte, größere Aktionsfreiheit im Geschäft, politische Beteiligung in der Verwaltung durch Vetreter in der Nationalversammlung, vor allem aber nationale Einheit. IV. Außerdem gab es noch keine proletarische Partei und der Kommunistenbund zählte in Deutschland 200 Anhänger. Marx hat dazu noch zwei grobe Fehler gemacht: a) Im August 1848 schlug er vor, Deutschland solle England, Russland (nichts hasste Marx mehr als die Slawen) und Frankreich Weltkrieg erklären, aus dem allein eine echte Weltrevolution erblühen könnte; b) Er war gegen die Nationalitätenpolitik und gegen den Nationalstaat2. Marx ging es nur um den Arbeiter- und Bauernstaat, wo es keine Nationalitäten gibt. V. Die Kommunisten interessierte nur die sozialistische Revolution. Als in Köln 1852 ein Prozess gegen die Kommunisten begann, protestierte Marx in der amerikanischen Zeitung ‘’New York Tribune’’ gegen das ungeheure Vorgehen der preußischen Regierung: ‘’Wie könnte man sie, die Kommunisten, Verschwörer gegen den preußischen Staat nennen, da sie doch nur Verschwörer gegen den Staat seien, der nach dem jetzigen kommen würde, gegen die bürgerliche Republik’’. Es begann eine Massenauswanderung der Deutschen nach Amerika. In den 40er Jahren waren es etwa 100 oder 1000 im Jahr, 1848 etwa 50 000, nach 1849 250 000 Menschen jährlich. Was blieb nach der Revolution von 1848-49? 1. Es blieben folgende ungelöste Probleme: a) Volksvertretung beim monarchistischen Recht; b) Dynastie in einem neuen Bundesstaat (Kleindeutschland); c) Fremde Nationalitäten in einem Nationalstaat. 2. Es blieb Österreich, das wie ein Kranker auf seinem Bett nach immer neuen Lagen sucht, doch der nie genesen kann, denn politische Unschuld und Unbewusstsein blieben verloren; 3. Es blieb die Realpolitik, denn die Idealpolitik überlebte nicht. Die Realpolitik bedeutete aber Hinwendung zu einem starken Realismus und Materialismus im Leben, in Literatur und Philosophie. Es kam eine neue Generation der rohen Materialisten, der Konsumverbraucher und Antisemiten, die Deutschland in den 50er und 60er Jahren zum kapitalistischen Industriestaat machten. 4. 2. 4. GRÜNDUNG DES DEUTSCHEN KAISERREICHES (1850 - 1871) 1858 trat Friedrich Wilhelm IV., von unheilbarer Geisteskrankheit getroffen, ab. Sein Bruder Wilhelm I. (1858-1888) war konservativ, fest, nüchtern, soldatisch und ehrenhaft. 1859 befreite sich Italien vom österreichischen Joch. Das war ein schrecklicher Schock für Österreich. Im Herbst 1859 entsteht in Deutschland ein Nationalverein, der sich zum Ziel setzte, Deutschland zu vereinigen. Italien ist für ihn das beste Beispiel. 1861 entsteht die bürgerlich - liberale ‘’Fortschrittspartei’’. Sie fordert: 1. Weg mit den Bürokraten, die das Funktionieren der Konstitution nicht erlauben; 2. Reform des Parlaments, in dem der Adel alle Liberalisierungsversuche torpediert; 3. Kontrolle des Staatshaushaltes; 4. Sparsamkeit im Militärwesen; 5. Gewerbefreiheit und gleiche Steuern für alle. Auch der österreichische Kaiser Franz Joseph I. steht vor einem Problem: Was ist besser - Österreich als ein zentralisierter Staat mit liberal - parlamentarischen Einrichtungen oder eine Föderation von Nationalitäten? Er entscheidet sich für die erste Variante. Ab Oktober 1860 entstehen Landtage in den Provinzen und im Februar 1861 das Parlament in Wien. Die deutschen Bürger aus dem Mittelstand haben in den Landtagen ein Übergewicht über die Nicht - Deutschen. Der Vorteil ist ein doppelter: a) Der deutsche Mittelstand wird zur loyalsten Klasse in der Monarchie; b) Die Liberalen behalten die Oberhand. Die Schlussfolgerung: Der Kaiser braucht seit nun keine neue Revolution zu befürchten. 1862 will Wilhelm I. eine Heeresreform durchführen: Die Ausgaben für die Armee sollen erhöht und die Landwehr der Städte (=bürgerliche Miliz) soll liquidiert werden. Die Liberalen und die Fortschrittspartei 2 An der falschen Nationalitätenpolitik und am Nationalstaat ist auch das kommunistische Weltreich 1991 zugrunde gegangen. sehen darin die Einschränkung ihrer Rechte (die Landwehr gehorchte dem Reichstag). Sie stimmen dagegen. Wilhelm I. löst ergrimmt das Parlament auf und verschreibt neue Wahlen, die mit absoluter Mehrheit die Fortschrittspartei gewinnt. Der König will abdanken (atsisakyti sosto). Preußen soll eine konstitutionelle Monarchie werden, in der das Parlament alles entscheidet und der Monarch nur eine repräsentative Figur ist. In diesem Moment kommt zu Wilhelm I. der preußische Gesandte in Paris, Otto von Bismarck, und bietet sich an, den Kampf gegen das Parlament zum siegreichen Ende durchzuführen. Während der nächsten 9 Jahre (1862-71) ist die politische Geschichte Deutschlands die Geschichte Bismarcks. Bismarck war ein skeptischer, praktischer Intellektueller1 , ein furchtloser, geistreicher, kampflustiger Diplomat, der jede Tendenz der Zeit ausnützte. Er war heimtückisch, aggressiv und brutal, von besten Hofmanieren, redsam. Er war Jäger, Ritter, Royalist und Rebell. Er war machthungrig und überstark egoistisch. Als in Polen 1863-64 der Volksaufstand ausbrach, half er Russland, ihn niederzudrücken. Frankreich, England und selbst Österreich protestierten gegen das brutale Morden der Polen und Litauer durch russische Kosaken, Preußen machte aber mit. Seit dieser Zeit waren alle Liberalen Deutschlands gegen Preußen. Kaiser Franz Joseph I. meldete sofort seinen Führungsanspruch im deutschen Reich an. Er schlug vor, den Deutschen Bund zu reformieren. Bismarck reagierte darauf mit dem demagogischen Vorschlag, ein gesamtdeutsches, nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht zu wählendes Parlament in Frankfurt zusammentreten zu lassen. Die politische Lage war für Preußen günstig: Russland war nach dem Krimkrieg geschwächt, Österreich nach dem Verlust Italiens erschüttert, England beschäftigte sich mit Nordamerika und Frankreich war preußenfreundlich eingestellt. 1864 hat Dänemark erneut Schleswig inkorporiert, obwohl es unter der Leitung des Deutschen Bundes stand. Österreich und Preußen erklärten Dänemark Krieg und besetzten Schleswig und Holstein. Jetzt aber, als die ‘’Dardanellen des Nordens’’ gemeinsam regiert werden sollten, kam es zu Konflikten. Österreich hatte mehr Chancen. Für Österreich waren die deutschen Fürsten, die Kirche, die Demokraten und die Arbeiter. Für Preußen nur einige norddeutsche liberale Wissenschaftler. Aber Österreich besaß kein politisches Programm. Das Lebensprinzip des Habsburger - Reiches stimmte mit dem des Nationalstaates nicht zusammen. Preußen hatte aber politisches Programm: a) Auflösung des Deutschen Bundes; b) Trennung Deutschlands von Österreich; c) Unterwerfung der deutschen Fürstenstaaten (=des dritten Deutschlands) unter Preußen. Bismarck entschied sich, die deutsche Frage mit Gewalt zu lösen. 1866 begann der preußisch österreichische Krieg. Er sollte der Meinung der Experten nach viele Jahre dauern, er dauerte aber 7 Wochen. Das preußische Heer, von einem Meisterstrategen, General von Moltke, geführt, bewies seine Schlagkraft und Fähigkeit des Einsatzes neuer technischer Mittel. Der preußische Sieg bei Königgrätz (3. 7. 1866) entschied militärisch den Sieg. Die Ergebnise des Friedens von Prag (23. 8. 1866) und seine Folgen lauteten: 1. Der Deutsche Bund galt als aufgelöst. Der Norddeutsche Bund wurde gegründet; 2. Österreich war praktische von Deutschland getrennt; 3. Hannover, Hessen - Kassel, Nassau und Frankfurt, die im Krieg auf der Seite Österreichs standen, wurden Preußen einverleibt. Da fühlte sich Frankreich bedroht, und der französische Kaiser Napoleon III. erklärte sich mit der Einverleibung dieser süddeutschen Staaten erst dann einverstanden, als Bismarck ihm versprochen hatte, nie die Main - Linie zu überschreiten. 4. Es blieb Süddeutschland als Rest des dritten Deutschlands, das sich nun entscheiden sollte: soll es einen Süddeutschen Bund gründen, der antipreußisch wäre, oder sich dem Norddeutschen Bund anschließen. 5. Die katholische Kirche Deutschlands blieb ohne finanzielle Unterstützung Österreichs. Ein Katholik schrieb 1866: ‘’Die Welt sinkt’’. Der Norddeutsche Bund bestand aus 22 Staaten. Er nahm eine Bundesverfassung (federalinė konstitucija) an: 1. Im Bundesrat (Bundesratas) sitzen die Vertreter verbündeter Regierungen; 2. Den Bundesrat leitet der Kanzler, der Vertreter der preußischen Regierung ist. Er ist direkt dem König verantwortlich und keinem mehr; 3. Der Reichstag soll nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht gewählt werden; 4. Dem Reichstag steht die Gesetzgebung und das Budget zu. Diese Verfassung war bis 1918 gültig. Der Norddeutsche Bund war nicht das Werk des deutschen Volkes, sondern des preußischen Staates. Preußen wollte in Deutschland nicht aufgehen, doch weiter als ein homogener Staat existieren. Es wurde nichts daraus. Preußen hat ganz Deutschland verpreußt, und Deutschland hat Preußen verdeutscht. 1 Er hinterließ Tausende Briefe, die in einem wunderschönen Deutsch verfasst waren. Von höchster Schönheit sind auch 22 000 Briefe, die Napoleon geschrieben hatte Inzwischen entstand 1867 aus der österreichischen Monarchie die Doppelmonarchie. Der Kaiser gab den Magyaren ihren Staat: Es entstand Königreich Ungarn und die kaiserlich und königliche (= k.u .k.) Monarchie Österreich - Ungarn. 1867-70 wollte Österreich noch einmal mit Preußen kämpfen, aber die Ungarn ließen es nicht zu. Süddeutschland bestand aus Bayern, Württemberg, Baden und Hessen. In Bayern war das liberale Bürgertum für den Anschluss an Preußen. Der Adel, die Bauern und die Kirche waren dagegen. Sie bildeten die antipreußische Bayerisch - Patriotische Partei. In Baden waren alle für den Anschluss an Preußen. Bismarck betrieb ein Doppelspiel. Er sagte: ‘’Wir müssen warten, bis die Geschichte sich von selbst vollzieht. In der Reife der Zeit werde der Süden seinen Weg nach Deutschland schon finden’’. Handeln tat er anders. 1867 schlug er vor, eine Reform des Deutschen Zollvereins durchzuführen. Man soll ein Zollparlament mit den Abgeordneten aus dem Süden berufen und die Reformen besprechen. Faktisch wäre das aber Anschluss der süddeutschen Abgeordneten an den norddeutschen Reichstag. Bayern protestierte. Bismarck drohte:’’Komme kein Zollparlament zustande, so sei der Zollverein aufgelöst, Süddeutschland müsse dann zusehen, wie es seine Wirtschaft auf eigene Faust in Gang hielte’’. Inzwischen drängen die Ratgeber den französischen Kaiser Napoleon III., Preußen zu fordern, die Pfalz, das Saargebiet und Belgien als französisch anzuerkennen und sie Frankreich zurückzugeben. Außerdem soll Deutschland Frankreich als territorialen Ausgleich für die 1866 erhaltenen süddeutschen Staaten Großherzogtum Luxemburg überlassen. Bismarck schweigt. Da will der französische Kaiser wenigstens etwas von diesen Territorien kaufen. Da erhebt die deutsche Öffentlichkeit einen Schrei: Kein Quadratmeter uralten deutschen Landes den Welschen! Außerdem erwog im Frühjahr 1870 das spanische Parlament, einen Prinzen aus einer Nebenlinie der Hohenzollern zum König von Spanienzu wählen. Der französische Kaiser wollte Wilhelm I. zu einer Erklärung über den definitiven Verzicht der Hohenzollern auf den spanischen Thron zwingen. Bismarck konnte mit der Veröffentlichung seiner Emser Depesche, in der er diese Vorgänge zuspitzend skizzierte, eine Welle nationaler Empörung in Deutschland wecken. Diese wiederum veranlasste Frankreich am 19. Juli 1870 zur Kriegserkärung an Preußen. Preußen proklamierte einen nationalen Verteidigungskrieg. Süddeutschland stellte sich auf die Seite Preußens. Bismarck konnte noch einen Erfolg verbuchen: weder Großbritannien noch Österreich oder Russland griffen in den Deutsch - Französischen Krieg ein.Am 2. September 1870 schlug die deutsche Armee die französische bei Sedan. Der französische Kaiser wurde gestürzt und die Republik ausgerufen. Die Franzosen schlugen einen Frieden vor, doch deutsche Liberalen verlangten die Annexion des Elsasses und eines Teiles von Lothringen, um die blutigen Opfern irgendwie zu rechtfertigen, was den Krieg über ein halbes Jahr verlängerte. Der Krieg geriet außer Kontrolle und war sehr blutig. Im Herbst wurde über den Eintritt der Südstaaten in den Norddeutschen Bund verhandelt. Bayern wollte sein eigenes Heer, seinen diplomatischen Dienst, Eisenbahn und Postwesen sowie Vorsitz im diplomatischen Ausschuss des Bundesrates erhalten. Bismarck war einverstanden. Auf diese Weise verlor Preußen die Hegemonie über Süddeutschland, auch teilweise über Deutschland, denn jetzt musste Preußen zu Deutschland werden. Am 18. Januar 1871 wurde im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles das Deutsche Kaiserreich proklamiert1 . Im Februar wurden dem Deutschen Kaiserreich Elsaß und Lothringen einverleibt. Die Errichtung des deutschen Nationalstaates war ein großer Fortschritt, obwohl die Umgestaltung auf antidemokratischem Wege beendet worden war. Am 21. März 1871 trat in Berlin der deutsche Reichstag zusammen. Bismarck wurde zum Fürsten erhoben. Wäre er jetzt zurückgetreten, so wäre er als einer der größten deutscher Politiker in die deutsche Geschichte eingegangen. Doch er regierte noch 19 Jahre als Reichskanzler - ein Unglück für Deutschland und für ihn selbst. Ziehen wir die Schlussfolgerungen: 1. Alles in der Gründung des deutschen Nationalstaates war unrein: a) Es war das Volk, das diese Einigung wollte, aber es war nicht das Volk, das die Einigung vollzog; b) Alles entschied die Gewalt. Die Süddeutschen beklagten sie, die Norddeutschen beklagten die Sonderrechte der Süddeutschen; c) Die Preußen waren unglücklich, denn vieles ging jetzt anders, nicht auf preußische Art. 2. Das neue Reich war kein Reich: Österreich, die Schweiz und die Niederlande fehlten. Es bestand aus einigen echten Mächten (Preußen, Sachsen, Bayern) und aus zahlreichen unechten Mächten. Und Preußen kommandierte; 3. Das neue Reich war auch kein echter Bundesstaat. Es war nicht demokratisch (Preußen kommandierte), es hatte keine föderale Zentralgewalt und keine echte Hauptstadt; 4. Der deutsche Nationalstaat konnte solange allein nicht existieren, bis das andere Reich gab - Österreich. 67 jahre später versuchte Hitler, durch den Anschluss Österreichs an Deutschland die Idee Großdeutschlands endgültig zu realisieren, obwohl man fragen sollte, ob die Österreicher Deutsche sind 1 Es war das Zweite Deutsche Reich. (Die Schweizer sind keine Deutschen, denn sie haben im Laufe des 17. - 19. Jh. ihre eigene Nationalität und sogar ihre Sprache - Schwyzerdütsch - entwickelt). 4. 2. 5. BISMARCKZEIT UND WILHELMINISCHES ZEITALTER (1871 - 1914) Im neuen Reich betrieb Bismarck eine sozialkonservative Politik. Die Pariser Kommune (vom 18. März bis 28. Mai 1871) erschreckte ihn und andere reaktionäre Kräfte in Europa. Am 22. Oktober 1873 entsteht das Dreikaiserabkommen (zwischen Wilhelm I., Franz Joseph I. und Alexander II.), das die konservative Gesellschaftsordnung in Europa schützen soll. In den Jahren 1871-88 kommt es zur starken Entfaltung des Kapitalismus in Deutschland. Am 1. Januar 1872 wird in Deutschland das metrische System für Maße und Gewichte eingeführt, 1873 das Goldstandard. 1875 wird die Reichsbank geschaffen, 1877 das Patentgesetz für deutsche Produktion eingeführt. Von Frankreich bekam Deutschland 4, 2 Mlrd. Mark Kriegskontributionen, die in die Industrie investiert wurden. Die industrielle Revolution verwandelt Deutschland aus einem Agrar - Industrie - Staat in einen führenden europäischen Industriestaat. Inzwischen gab es schon einige Parteien. Am 23. Mai 1863 entstand in Leipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV). Ihn leitete Ferdinand Lasalle, Erzfeind von Marx. Es war eine kleinbürgerlich sozialistische Partei, deren Ziel war: Mit Hilfe des demokratischen Wahlrechts und durch die vom Staat subventionierte Produktivgenossenschaften die Gesellschaft auf friedlichem Wege zum Sozialismus zu führen. Die am 7. - 9. August 1869 in Eisenach entstandene Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) wurde von August Bebel geleitet und stellte sich zum Ziel: a) Abschaffung aller Klassenherrschaft; b) Beseitigung der kapitalistischen Ordnung. Es war eine revolutionäre marxistische Klassenpartei. Im Winter 1870-71 entstand die bürgerlich - klerikale Zentrumspartei . Eine führende Rolle spielten in ihr die Vertreter des schlesischen und westfälischen Großgrundbesitzes. Die Zentrumspartei: a) wandte sich gegen die Vorherrschaft Preußens im Deutschen Reich; b) kämpfte gegen die Verminderung der Rechte der katholischen Kirche, denn die Regierung hat 1874-75 die Zivilehe und die staatliche Aufsicht der Schulen angeordnet, wogegen die katholische Kirche heiligen Krieg erklärte; c) trat für den Austritt Nord- und Süddeutschlands aus dem Deutschen Kaiserreich . Als Otto von Bismarck es einsah, versuchte er die Zentrumspartei in der berüchtigten Kampagne zu zerschmettern. So kam es 1871-75 zu innerpolitischen Auseinandersetzungen, die als Kulturkampf in der Geschichte bezeichnet werden. Der Kulturkampf wurde mit der Behauptung gerechtfertigt, die deutsche katholische Kirche sei das Werkzeug einer ausländischen Macht, nämlich des Papsttums, und somit Österreichs. Das Papsttum verkündete 1864 den Syllabus der Irrlehren (=Verzeichnis aller abzulehnenden modernen theologischen Lehren) und erklärte 1870 die Unfehlbarkeit des Papstes in Dingen des Glaubens und der katholischen Lehre. Es waren ehrgeizige Ziele mit ernsten politischen Auswirkungen. Dieser extreme Konservatismus des Papstes Pius IX. (1846-78) verschärfte die Beziehungen zwischen Rom und der katholischen Kirche Deutschlands, obwohl sie seit dem 17. Jh. herzlich waren. Die deutschen katholischen Bischöfe widersetzten sich der Doktrin von der päpstlichen Unfehlbarkeit. Ihr Sprecher war J. J. I. Döllinger. Seiner Meinung nach darf die Kirche weder eine Maschine des Polizeistaates (wie sie in Österreich und beinahe schon in Preußen war) noch Werkzeug bürokratischer Administration werden. Er war überzeugt, dass die päpstliche Kurie die Unabhängigkeit der deutschen katholischen Kirche bedroht. Er wurde exkommuniziert, weil er die Unfehlbarkeit Papstes nicht anerkennen wollte. Diese Spaltung zwischen Rom und deutscher katholischer Kirche wäre schicksalsschwer für die deutschen Katholiken gewesen, hätte Bismarck seinen unbesonnenen Kulturkampf nicht begonnen. Im Mai 1873 verkündete Bismarck 4 preußische Gesetze (=Maigesetze) , nach denen die Macht der katholischen Kirche beschränkt wurde. Er war ein spektakulärer Fehlschlag. Er ließ nicht nur die deutschen Katholiken enger zusammenrücken in eindrucksvoller Solidarität, die sich in der Verdoppelung der Wählerstimmen der Zentrumspartei widerspiegelte, sondern führte auch zu einer deutlichen Verminderung der antikatholischen Gefühle in der Nation insgesamt. Als Bismarck seinen Fehler einsah, kam es 1879 zum Waffenstillstand.Ab 1898 war die Zentrumspartei zur loyalsten Stütze der Regierung geworden Diese Partei spielte in der deutschen Geschichte bis 1933 eine wichtige, manchmal eine entscheidende Rolle Sie schürte den Argwohn der Protestanten gegen den Katholizismus. Der rechte Flügel der Zentrumspartei ist mitverantwortlich für die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur 1933. Die intensive Industrialisierung und die darauf folgende Verstädterung sowie die stürmische Entwicklung der modernen Wissenschaften bedeuteten für die Religion die größte Gefahr. Der deutsche Katholizismus zeigte sich hier besser vorbereitet als Protestantismus. Die katholischen Theologen begegneten elastischer und gelassener den Angriffen von Bibelkritik und Darwinismus. Ihre Theologen opferten die mystischen und intuitiven Elemente der christlichen Tradition und dogmatische Positionen. Die evangelisch - lutherische Kirche war dazu nicht fähig, was ihre Fähigkeit zum Wettstreit mit den neuen weltlichen Religionen - Nationalsozialismus, Sozialismus und Liberalismus ernstlich gefährdete. Beide Konfessionen griffen aber nach einer verbessernden Sozialarbeit. Die katholische Kirche durchsetzte ein staatliches Fabrikgesetz und gründete katholische Gesellenvereine zur kostenlosen Berufsausbildung für Arbeiter. In den 60er Jahren gründete sie katholische Arbeitergenossenschaften und Erholungseinrichtungen. Die Zentrumspartei betrieb sehr aktiv diesen Sozialkatholizismus und gründete 1894 katholische Gewerkschaftsbewegung. In der evangelischen Kirche fanden die Sozialreformen wenig Unterstützung. Sie leistete sogar Widerstand den christlichen Sozialprogrammen. Die evangelische Kirche wollte keine Sozialpolitik betreiben und sich nur auf die Schaffung der Seelenseligkeit orientieren. Sie hatte Angst, dass jeder Versuch zu einer Verbesserung der sozialen Verhältnisse als Kritik am Staat aufgefasst werden und sie so als illoyal erscheinen lassen könnte wie die Katholiken, deren Zentrumspartei sich in alle Regierungsfragen einmischte. Die protestantischen Kirchen unterstützten die sozial gefühllose und gefährlich verantwortungslose Außenund Militärpolitik der kaiserlichen Regierung bis 1918. 1875 entstand auf dem Gothaer Parteitag aus dem ADAV und der SDAP die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Ihr Ziel war die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, d. h. entschiedener Sozialismus.1877 erhielt sie über eine halbe Million Stimmen. Am 11. Mai und am 2. Juni 1878 wurden zwei Attentate auf den Kaiser verübt. Bismarck führte den Ausnahmezustand ein und verkündete am 21. Oktober 1878 das Sozialistengesetz: a) Parteiorganisationen, Gewerkschaften und deren Presse und Druckschriften sind verboten; b) Jegliche sozialistische Propaganda ist unter Strafe gestellt; c) Die Regierung verfügt über das Recht, über einzelne Gebiete den Kleinen Belagerungszustand zu verhängen und Sozialdemokraten auszuweisen. Viele führende Sozialdemokraten wurden sofort ausgewiesen. So begann die reaktionäre Phase der Bismarckschen Regierung (1878-90), die als Zeit ‘’des Zuckerbrotes und der Peitsche ‘’ bezeichnet wird. Dieser Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen das Sozialistengesetz war für Bismarck schon im voraus chancenlos. Diese reaktionäre Politik Bismarcks führte zur Entstehung einer breiten oppositionellen, antibonapartistischen Bewegung, die von der liberalen Bourgeoisie geführt wurde. Es kam zu Konflikten zwischen Regierung und Reichstag, denn Bismarck setzte eine Zoll- und Steuererhöhung durch und forcierte Militarisierung Deutschlands. Am 25. Januar 1890 verweigerte der Reichstag die Verlängerung des Sozialistengesetzes; es trat am 30. 9. 1890 außer Kraft. Am 20. März 1890 schied Bismarck aus allen seinen Ämtern aus. Der deutsche Bonapartismus1 war gestürzt. Die Sozialdemokratie hatte sich in diesem Kampf zu einer Massenpartei entwickelt. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat ein 12 Jahre dauerndes Verbot durchgestanden. Sie wurde aber auch weiter von Wilhelm II. für ‘’inneren Feind und für Leute ohne Gesinnung und ohne Vaterland’’ gehalten. Die zwei größten Feinde Bismarcks, die SPD und die Zentrumspartei, gewinnen 1912 die Wahlen mit 34, 8% bzw. 16, 4% der Stimmen. Das Tragische besteht darin, dass die SPD, ungeachtet ihres bevorrechtigten Platzes in der Internationale, keinen Einfluss auf das politische Kräftespiel in Deutschland ausübt. Sie ist isoliert, woraus ihre doktorinäre Unnachgiebigkeit entsteht. Die Jahre 1890-1914 bezeichnet man als Wilhelminisches Zeitalter, oder Zeitalter des deutschen Imperialismus. Sie tragen den Namen des letzten deutschen Kaisers, Wilhelms II. Er wurde mit 29 Jahren Kaiser (1888). Er verehrte glühend Bismarck, doch die Zusammenarbeit mit ihm führte gleich zu Reibereien, die mit Bismarcks Entlassung im März 1890 endeten. Der neue Kaiser wollte selbst regieren, er war aber unsicher und spontan, verzichtete auf die Meinung erfahrener Experter und Diplomaten, weswegen die deutsche Politik bald den Anstrich des Unsteten und Unberechenbaren erhielt. Kaiser Wilhelm II. begann den sog. ‘’Neuen Kurs’’. Sein Wesen: A. In der Innenpolitik: 1. Einführung einer Arbeiterschutzversicherung: a) Generelles Verbot der Sonntagsarbeit für Kinder und der Fabrikarbeit für Kinder unter 13 Jahren; b) Begrenzung der Arbeitszeit für Frauen auf 11 Stunden täglich, für Jugendliche unter 16 Jahren auf 10 stunden; 2. Gründung der Gewerbegerichte, die künftig betrieblichen Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schlichten sollten. 1 Bonapartismus beruht auf der Armee und Führung der reaktionären Bourgeoisie und vereint Unterdrückung nach innen und Aggression nach außen. Das Hauptziel war, die Masse der Industriearbeiter von der Sozialdemokratie, die in der Reichstagswahlen vom 20. Februar 1890 soeben die stärkste Partei geworden war, zu trennen und mit dem Staat zu versöhnen. B. In der Außenpolitik: 1. Öffnung der Auslandsmärkte für die deutsche Industrie, was zum Aufschwung der deutschen Wirtschaft führte; 2. Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Russland von 1887. Er verpflichtete die Vertragspartner - Deutschland und Russland - zur Neutralität, falls das Deutsche Reich von Frankreich oder Russland von Österreich - Ungarn unprovoziert angegriffen würde. Das Deutsche Reich erkannte die russischen Interessen in Bulgarien an. Am 1. Juli 1890 tauschte Kaiser mit den Engländern die Insel Sansibar, die deutsch war, für die Insel Helgoland, die englischer Besitz war. Russland hatte den Eindruck, dass Deutschland jetzt die britische Freundschaft der russischen vorzog. Russland verstärkte seine Beziehungen mit Paris. Das führte dazu, dass die sehr guten deutsche Beziehungen zu Petersburg kühl wurden. Der wichtigste Bündnispartner Deutschlands wurde Österreich - Ungarn. Somit verlor Deutschland seine sehr guten Beziehungen zu Russland, relativ gute zu Frankreich, wobei die Beziehungen zu England neutral waren. Die Schlussfolgerung: Die Außenpolitik Wilhelms II. scheiterte. Ebenso die Innenpolitik, denn es gelang nicht, die Arbeiterschaft der SPD zu entfremden. Wilhelm II. besaß eine geradezu grotesk - altmodische, romantische Vorstellung von seiner Herrscheraufgabe, die sich bei ihm mit dem Bewusstsein paarte, anderen überlegen zu sein. Seine Vorliebe für Prunk und militärisches Gepränge, für Paraden und Manöver führte in der deutschen Gesellschaft zu einer krassen Überschätzung des Soldatentums und brachte dem Deutschen Kaiserreich den Ruf ein, eine Hochburg des Militarismus zu sein. In den Reden des Kaisers herrschten immer öfter ein kriegerischer und säbelrasselnder Ton vor. Der Kaiser war oberflächlich und sprunghaft in seinen Entscheidungen, ließ sich von verschiedenen, oft miteinander rivalisierenden Mächtegruppen und Kräten beeinflussen und zu plötzlichen und unausgereiften Entschlüssen hinreißen. Die Reichsregierung war nie souverän gegenüber dem Kaiser. Der Kaiser hatte kein Gespür und nahm kaum zur Kenntnis die drängenden sozialen Probleme der Arbeiterschaft, die so typisch für einen Übergang vom Agrar- zum Industriestaat sind. Um diese Probleme zu vertuschen und die Sozialdemokratie als innenpolitische Opposition zum Schweigen zu bringen, betrieb der Kaiser eine betont aggressive Außenpolitik, mit der er nur erreichte, dass bald Russland und Frankreich beste Bündnispartner wurden, d. h. Feinde Deutschlands. Jetzt sollte eigentlich der Kaiser alles unternehmen, um England auf seine Seite zu bekommen. Von der eigenen Machtposition überzeugt, beging Wilhelm II. den zweiten strategischen Fehler: er befahl, nichts zu tun: England müsse selbst einsehen, dass Englands Feinde Russland und Frankreich sind und die Anlehnung an die stärkste Kontinentalmacht, das Deutsche Kaiserreich, suchen. Er läßt seinen Staatssekretär des Äußeren, Bernhard von Bülow, am 6. Dezember 1897 im Reichstag die berühmte Rede halten. Bülow fordert für Deutschland ‘’Platz an der Sonne’’ (vietos po saule), d. h. einen den ökonomischen Potenzen und Expansionsinteressen der deutschen Großindustrie adäquaten Platz in der internationalen Arena. Die Herausbildung des deutschen Imperialismus beginnt. 1897 erwarb Deutschland in China die Bucht von Kiautschou und das umliegende Gebiet. 1898 beschloss der Reichstag, eine große Kriegsflotte aufzubauen1 . Das Programm sollte Alfred von Tirpitz ausarbeiten. 1902 erhielt die Deutsche Bank vom osmanischen Sultan eine Konzession zum Bau der Bahnlinie Konya Bagdad - Basra2 . Nach China wurde Mittelasien zum zweiten Ziel der deutschen Expansion. Mitte der 80er Jahre hatte Deutschland eine Reihe von Kolonien in Afrika erworben, 1898 bekam es als Entschädigung von Spanien die Karolinen-, Palau- und Marianeninsel als Marinestützpunkte in der Südsee. 1908 annektierte Österreich - Ungarn Bosnien und Herzegowina. 1912 führten Bulgarien, Serbien, Griechenland und Montenegro einen Krieg gegen die Türkei (=1. Balkankrieg). Die Türkei verlor. 1913 kam es zum Krieg zwischen Serbien, Griechenland und Rumänien einerseits und Bulgarien andererseits (=2. Balkankrieg). Im Gefolge dieser Kriege wurde die Position Österreichs geschächt. Das Ziel Österreichs war, Serbien zu annektieren, das von Russland unterstützt war. Österreich - Ungarn und Deutschland versprachen einander, eine gemeinsame Politik zu führen. 1904 entsteht die Entente zwischen Frankreich und Großbritanien, 1907 tritt ihr Russland bei. In die über ganz Europa lastende gewitterschwüle Atmosphäre des Jahres 1914 platzten am 28. Juni 1914 die Schüsse eines serbischen Freischärlers3 , die in Sarajewo den österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Frau töteten. Serbien war stets Förderer der südslawischen Freiheitsbewegung. Dieser Mord brachte die hochexplosive Spannung zwischen Österreich - Ungarn und Serbien zur Entladung. 1 Diese Kriegsflotte war im 1. Weltkrieg vollständig durch die englische Kriegsflotte blockiert. Konya / Konia liegt in der kleinasiatischen Türkei, Bagdad ist die Hauptstadt des Irak und Basra ist Hafenstadt im Irak, am Zusammenfluss von Euphrat und Tigris, an der Grenze zum Iran 3 Das war der serbische Student Gavrilo Princip. 2 Es kam zur Julikrise 1914. Der deutsche Kaiser ermunterte Österreich - Ungarn, gegen Serbien als Hort der Verschwörung mit äußerster Schärfe vorzugehen und sagte am 6. Juli der österreichischen Regierung seine volle Unterstützung zu. Der deutsche Kaiser wollte einen lokalen Blitzkrieg führen. Am 23. Juli übergab Österreich - Ungarn Serbien das Ultimatum, das teilweise unannehmbare Forderungen stellte, nämlich - die rigorose Strafverfolgung der Verschwörer und aller Hintermänner mit Teilnahme österreichischer Diensstellen an den Nachforschungen. Doch Serbien nahm die Forderungen an. Die Welt atmete erleichtert auf. Da erklärte Österreich - Ungarn am 28. Juli Serbien den Krieg. Am 29. Juli wurde Belgrad beschossen. Deutschland wollte Österreich - Ungarn zu direkten Verhandlungen mit Russland zwingen, aber Russland begann am 30. Juli mit der Mobilmachung. Der russische Zar bewirkte noch für Stunden einen Stopp der Mobilisierungsmaschnerie, doch russische Generäle waren für den Krieg. Am 31. Juli erklärte Russland die Generalmobilmachung. Am 1. August erklärte Deutschland Russland, am 3. August Frankreich den Krieg. Als deutsche Armee in Belgien einmarschierte, erklärte Großbritannien am 4. August Deutschland den Krieg. Wie stand das deutsche Volk und das deutsche Proletariat zum Krieg? Beide waren dafür, sogar mit großem Enthusiasmus. Der Sommer 1914 enthüllte, in welchem Maß die proletarische Solidarität, in Deutschland, Russland oder Frankreich, im Angesicht der nationalen Solidarität verblasst. Wie das Zentrum, so auch die SPD akzeptierte die Parole des Kaisers: ‘’Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche’’, die den Parteien den Rest Kontrolle wieder fortnahm, die sie über die Staatsmacht noch ausüben konnten. 5. DEUTSCHE GESCHICHTE IM 20. JAHRHUNDERT 6. 1. MERKMALE DES 20. JAHRHUNDERTS Typische Merkmale des 20. Jahrhunderts sind die folgenden: 1. Es entsteht der Begriff ‘’Weltpolitik’’; 2. Die Weltpolitik ist bis 1941 europazentrisch, denn Europa beherrscht die Welt und hat überall Initiative. Europa hält sich für die Mitte der Welt. Auch der Völkerbund hat seinen Sitz in Europa, dabei ist dieser Völkerbund weder ein echter Bund noch ein Bund aller großen Völker. Hitlers Politik war der letzte Ausdruck der europazentrischen Weltpolitik. Danach, in der 2. Hälfte des 20. Jh., entsteht eine planetarische Mächtekonstellation und neue Machtzentren der Welt: Die USA, China, Israel, Irak und Iran, Japan. Die 2. Hälfte des 20. Jh. demonstriert die Beinahe - Allmacht, oder genauer, die Scheinmacht und die Ohnmacht Europas (Bosnien 1992-96 und die Hilflosigkeit der NATO); 3. Das 20. Jh. ist das Jahrhundert der Ideologie, die sich in aggressiver Außenpolitik der Weltmächte (der UdSSR, der USA, Chinas, Großbritanniens, Frankreichs, Israels, Japans, Hitlerdeutschlands); 4. Drei Wörter dominieren im 20. Jh.: Nationalismus, Demokratie, Sozialismus. In der 1. Hälfte des 20. Jh. findet ein weltweites Duell zwischen Nationalsozialismus / Faschismus, dessen politische Führer zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit kaltblütig und zielstrebig 6 Mio. Menschen in den Konzentrationslagern ermordet haben, und Demokratie statt, in der 2. Hälfte führt die Freie Welt einen entschiedenen Kampf gegen den Sozialismus. Die Welt erlebt das Fiasko des Nationalsozialismus und des sowjetischen Kommunismus, auch das Fiasko der Diktaturen verschiedenster Formen und Farben in Lateinamerika und Asien. 5. Drei große Ideen beherrschen die Gemüter der Politiker in der Dritten Welt: Nationalismus, Neutralität und das Suchen nach einem dritten Entwicklungsweg, d. h. nach der Überwindung des Kapitalismus und des Sozialismus; 6. Zwei große Ereignisse des Jahres 1917 erschüttern die Welt: Das Eingreifen der Amerikaner in die europäische Geschichte und die Revolution der Russen. Die Amerikaner schenken keine Aufmerksamkeit diesem Ereignis, halten es für einen Irrtum, doch es ist der Beginn des Zusammenfließens europäischer und amerikanischer Schicksals zum atlantischen Schicksal. Die Russen sehen in ihrer Revolution den Beginn der Weltrevolution, doch es ist der Beginn der weltweiten Isolierung Russlands. Um diese Isolierung durchzubrechen, wird die UdSSR zu neuer imperialer, atomarer Weltmacht; 7. Zum letzten Mal wird ein europäischer Krieg (1939) zum Weltkrieg, denn erst mit Pearl Habour ist ein Weltkrieg im vollen Sinne des Wortes gegeben. Im 20. Jh. entartet der Krieg zum ‘’totalen’’, später zum ‘’atomaren’’. Den atomaren Krieg ersetzen die lokalen und religiösen Kriege. Die Welt steht an der Schwelle der Kriege zwischen den Zivilisationen, des Kampfes der Kulturen (christlicher und islamischer, konfuzianistischer bzw. islamischer und hinduistischer); 8. Zwei Weltreiche brechen zusammen: das Britische Empire und das sowjetische Imperium. Die Völker bekommen Angst vor neuem Kolonialismus. Und die Religion triumphiert. Von ihr wird das endgültige Los des Menschengeschlechts abhängen; 9. Die chinesische Revolution erschüttert 1949 die Welt und hält bis jetzt die Welt in Atem; 10. Politische und wirtschaftliche Katastrophen (1929) werden zum grundstürzenden Faktor der wirtschaftlichen Gestaltung, des wirtschaftlichen Denkens. Politik und Wirtschaft werden zum Schicksal Europas; 11. Zum erstenmal führt der Kalte Krieg die Menschheit an die Schwelle der Selbstvernichtung, ebenso wie der sowjetische Kommunismus seine Völker an die Schwelle des geistigen kollektiven Selbstmordes; 12. Im 20. Jh. beginnt die 2. industrielle Revolution, die das Wesen des Proletariats, die Sex - Revolution von 1968 das Wesen des bürgerlichen Lebens und die PC- Revolution (PC = Personalcomputer) der 80er Jahre das Leben der ganzen Menschheit verändert; 13. Der freie Staat wird zum größten Auftraggeber, zum Kontroleur und Förderer der Wirtschaft und der Wissenschaft; 14. Zehn Wissenschftszweige dominieren im 20. Jh.: Kernphysik, die alle Politiker beschäftigt, Medizin, die zur Weltmedizin wird, Biochemie, Paläoanthropologie und Genetik, Biologie, Psychologie, Astronomie, Soziologie und Informatik,; 15. Es entsteht statt totalitärer Gesellschaft die pluralistische Gesellschaft. Die Massengesellschaft beginnt sich zu entwickeln; 16. In der 2. Hälfte des 20. Jh. ist Europa am Ende mit seiner geistigen Ausstrahlungskraft. Europa ist nicht mehr imstande, die Welt zu europäisieren. New York, Los Angeles und Tokyo werden zu neuen Geisteszentren der Welt. 17. Anfang der 80er Jahre entwickeln sich die postindustrielle und die Informationsgesellschaft; Die Informationsgesellschaft bedeutet die Revolution der Information, die Entstehung der Datenautobahnen (Internet, WWW), elektronischer Zeitungen und Zeitschriften, des E - Mails, der Online - Dienste, der virtuellen Realität, digitaler und Computerkunst, der (Online -) Computerspiele, der Kriegsführung per Computer (der Amerikanisch - irakische Krieg im Persischen Golf), des TV - Shoppings usw. 18. Die 90er Jahre markieren den Beginn der Informationszivilisation1 . Ihre Merkmale: a) ihr Expansionsobjekt ist die menschliche Psychik; b) ihre Kultur ist eine eine ephemere Kultur, eine Kultur ohne Zukunft, denn sie schafft die Gegenwart aus der Vergangenheit; c) ihre Grundlage ist das Verschmelzen der postindustriellen Gesellschaft mit der archaischen Gesellschaft, denn sie schafft einheitliche, durch Worte nicht ausdrückbare Erlebnisse; d) ihr Wesen ist die Verbindung westlicher Wissenschaft und Technologie mit östlicher Weisheit, Mystik und Religion; e) Die östliche Weisheit und Mystik beruht auf folgenden Prinzipien: ea) Die Geschichte entwickelt sich zyklisch, im Kreise. In ihr wierderholt sich stets alles; Das Prinzip der Wiederkehr ist grundlegend für das ganze östliche Denken; eb) Der menschliche Verstand ist beschränkt, er ist außerstande, das Weltall zu verstehen. Das Weltall ist nicht erkennbar, die Welt auch; ec) In unserem Leben herrscht das Geheimnis, nicht aber das Rätsel. Ein Rätsel kann man lösen, ein Geheimnis nicht. Die Chaos - Theorie hat bewiesen: auf einer bestimmten Stufe werden alle genauen Wissenschaften nicht mehr genau. Die Schlussfolgerung: jegliche Planung einer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen usw. Entwicklung ist unmöglich (das hat auch die Geschichte der UdSSR sehr anschaulich gezeigt). ed) die Welt ist einheitlich, organisch, harmonisch (Singularitätsprinzip!), in ihr gibt es keine Gegensätze; ee) es dominieren Tradition und Ritus. Der Sinn des Lebens besteht darin, einfach an seinem Platz zu sein, sich aktiv am kosmischen Spiel des Lebens und des Todes beteiligen, organisch in den Wechsel der Generationen hineinwachsen und seine Reproduktion garantieren. Das Pathos einer solchen Kultur besteht in der Regularität. Hauptziel ist die Mitarbeit mit der Natur, nicht ihre Beherrschung (christliches Hauptdogma!) f) sie geht vom individuellen Zeitempfinden aus, ihr Zentrum ist das individuelle Eigenhaus, wo ein Individuum sich per Computer mit der ganzen Welt in Verbindung und Korrespondenz steht. Ihre Hauptmerkmale sind deswegen Dezentralisation (der Mensch kann zu Hause am Computer arbeiten, Deurbanisation (Intellektuelle verlassen fluchtartig Großstädte), Demassifikation (Es lebe das Individuum!; dabei wird nicht vergessen, dass es nur ein Teil des Kollektivs ist.) 1 Siehe mehr dazu in: Genis A.: Wawilonskaja baðnja. Iskusstvo nastojaščego vremeni, in: Inostrannaja literatura 9 / 1996; Gates Bill: Über die Zukunft der Informationsgesellschaft. I. Die Jagd nach dem Gold; II. Die 500 - Millionen - Dollar - Wette, in: Der Spiegel, 47- 48/ 1995 g) ihre Kraft beruht auf der Massenkultur, deren Merkmale sind: ga) Mythologische Sinnbilder und Visionen gb) sie widerspiegelt Erlebnisse, geistige Erschütterungen und Lebensweise der Masse (das sind mexikanische TV- Seifenopern, Comics, Eastern und Western, Boulvardpresse, Schaufenster, Horoskope, Videoklips, Werbung, Mode, in der aller erlaubt ist); gc) sie gibt dem Menschen Extase, denn sie beruht auf einer sehr eindrucksvollen, vitalen und universalen Kultur. Sie macht den Alltag zum Märchen, die Physik zur Metaphysik. Sie widerspiegelt nicht den Schein (regimybė), sie schaftt ihn. Das ist eine erregende, angsteinjagende, extatische Kunst (das sind Horror- und Gruselfilme, Psychothriller, brutale Gangsterfilme; Hollywood hat den Anfang der neuen Informationszivilisation gespürt und sofort die Massenkultur geschaffen). gd) die Massenkultur komm vollständig durch Sport zum Ausdruck. Der Sport ermöglichte, die Uhren des 20. Jh. zurückzudrehen. Athletismus und Kulturismus erlaubten es, seinen Körper zu bilden, zu den alten psychophysischen Praktiken zurückzukehren, die mit den ‘’Lebensenergien’’, Intuition und Instinkt verbunden sind. Sport ist Superschau, Sport ist Mystik, Sport ist ein Supererlebnis. ge) es ist eine Zivilisation von Mitautoren, sie braucht keine Genies. Die Moderatoren von Talk - Shows, TV - Shows, Quiz- und Glücksradsendungen sind nur Provokateure, Organisatoren, die unser schöpferisches Schaffen anregen sollen. Das Auditorium soll nicht mitfühlen, sondern mitwirken. 6. 2. DER ERSTE WELTKRIEG UND DIE NOVEMBERREVOLUTION (1914 - 1918) Die Mittelmächte (die Verbündeten) verfolgten im 1. Weltkrieg folgende militärische Ziele: A. Deutschland wollte: 1. In einem Blitzkrieg1 wollte es Frankreich schlagen; 2. Danach sollte Russland zerschlagen werden. Im Osten wollte Deutschland annektieren: Polen, die Ukraine und das Baltikum; 3. Schließlich sollte das Überseereich in Asien und Afrika erweitert werden. B. Österreich - Ungarn wollte den Balkan erobern; C. Auch die Türkei stellte sich dasselbe militärische Ziel. Die Entente (die Alliierten) verfolgten folgende Ziele: A. Russland wollte den Balkan erobern. B. Frankreich wollte das Elsaß und Lothringen zurückbekommen. C. England wollte seine Weltmacht- und Seemachtgeltung behaupten. D. Die USA griffen erst dann in den Krieg ein, als Deutschland den uneingeschränkten U - Boot - Krieg erklärte und die US - Schiffe zu torpedieren begann2 . Die USA kämpften unter der Losung ‘’Freiheit der Meere’’. E. Italien wollte Tirol erobern. Typische Merkmale des 1. Weltkrieges: 1. Die Armeen waren ungeheuer stark und mit schrecklichen Zerstörungsmitteln (Flammenwerfer, Giftgas, riesige schwere Haubitzen, Maschinengewehre, Panzer) ausgerüstet; 2. Ganze Völker wurden in den Krieg hineingezogen; 3. Keine Waffenruhe - Unterhandlungen wurden geführt; 4. Der Krieg war sehr grausam: a) niemand sorgte sich für die Verwundeten zwischen den feindlichen Linien3; b) Lazarettschiffe wurden versenkt, die schwimmende Besatzung der torpedierten Schiffe getötet; c) ganze Völker ließ man verhungern; 1 Der Krieg sollte 14 Tage dauern. Denn soviel brauchte Russland für Generalmobilmachung und den Transport der Soldaten an die Front. 2 Das war ein grober strategischer Fehler Deutschlands. Sonst hätte Deutschland den Krieg bestimmt gewonnen. 3 Das Niemandsland war z. B. während der Somme- oder Verdun - Schlacht von -zigtausend Leichen bedeckt, die niemand begrub, Millionen von Ratten fraßen schwer Verwundete lebendigen Leibes, vor Verwesungsgestank konnten die Soldaten kaum atmen d) Städte und Denkmäler zerstörte man durch Artilleriefeuer, man warf wahllos auf alles Bomben herab. 5. Es entwickelten sich neue militärische Bereiche: Fernmeldewesen, Flugaufklärung, mobile Verbände und Panzertruppen. Der 1. Weltkrieg zeigte, dass: a) die Kavallerie ein veraltetes Instrument war; b) alles die Feuerkraft entscheidet; c) man sehr erfolgreich die Panzer einsetzen kann; d) der U - Boot - Krieg sehr effektiv ist; e) der Schwerpunkt beim nächsten Krieg im Flugzeug- und Panzereinsatz liegen wird. Wie verlief der 1. Weltkrieg? Das Kriegsjahr 1914: Die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) unter der Leitung von Generaloberst von Moltke führte den Angriff über Belgien in Richtung auf Paris - Verdun vor. Die dt. Armee schlug die Engländer, zwang die Belgier zum Rückzug und überschritt die Marne und marschierte vorwärts. Frankreich wurde von Russland gerettet, dessen zwei Armeen in Ostpreußen in Offensive übergingen. Um diese Offensive aufzuhalten, musste die OHL Soldaten aus der Westfront nach Osten befördern. Hier vernichtete dann die 8. dt. Armee unter General von Hindenburg die erste russische Armee vollstänig bei Tannenberg (26.-31.8) und schlug die zweite Armee an den masurischen Seen (6.-14.8.). Die 1.-5. dt. Armeen wurden in die Schlacht von Marne verwickelt und mussten sich zurückziehen. Somit hat Russland mit ein paar hunderttausend in Ostpreußen gefallenen Soldaten Frankreich gerettet. Der neue dt. Angriff in Flandern (20.10. - 3. 11.) scheiterte, die Front erstarrte im Stellungskrieg. Österreich - Ungarn unternahm eine Offensive in Galizien, musste sich aber vor der russischen Übermacht in die Karpaten zurückziehen. Die bis Warschau vorgestoßenen Deutschen mussten sich auch zurückziehen, um nicht eingekesselt zu werden. Im Dezember kam es auch an der ganzen Ostfront zum Stellungskrieg. Am 2. 12 eroberten die Österreicher Belgrad, doch die serbische Gegenoffensive zwang sie, das eroberte Serbien zu räumen. Im ersten Kriegsjahr endete der deutsche Blitzkrieg mit vollem Fiasko. Das Kriegsjahr 1915: Österreich - Ungarn blieb bis Mai in Defensive. Die Alliierten versuchten vergebens, die dt. Westfront in der Champagne und im Artois im Frühling und im Herbst durchzubrechen. Im Osten schlug Hindenburg den russischen Nordflügel im Februar in der Winterschlacht in Masuren. Im Mai brach die russische Front in Galizien zusammen, und die Deutschen konnten bis Ende September bis zur Linie Tarnapol - Dünaburg - Riga vorstoßen. Italien, anfangs neutral, erklärte am 23. 5. Österreich - Ungarn den Krieg und brachte den Verbündeten unvorgesehene Komplikationen. Die Türkei, seit Oktober 1914 an der Seite der Verbündeten im Krieg, wehrte erfolgreich an den Dardanellen See- und Landangriffe der Alliierten ab, die um die Jahreswende abzogen. Um Landverbindung mit der Türkei zu bekommen, warfen die Verbündeten und Bulgarien Serbien nieder (6.10.- 27.11). Am 5.10 bei Saloniki gelandete, nach Mazedonien vorgegangene englisch-französische Kräfte wurden zurückgeworfen, Montenegro und Albanien Anfang 1916 von österr.-ung. Truppen besetzt. Das Kriegsjahr 1916: Im Westen führten der dt. Großangriff auf den feindlichen Eckpfeiler Verdun (31.2) und der engl.-franz. Großangriff an der Somme1 (24.6.) zu monatelangem entscheidungslosem, blutigstem Ringen um jeden Fußbreit Boden. Ein österr.- ung. Angriff in Tirol lief fest. Hingegen erzielte eine russische Offensive gegen den Südteil der Ostfront (4.6.) beträchtlichen Geländegewinn. In dieser gespannten Lage erklärte Rumänien Krieg an Österreich - Ungarn. Die OHL musste die Angriffe auf Verdun einstellen und sich gegen die Rumänen wenden. Diese wurden von Hindenburg und Ludendorff in der Dobrudscha und in Siebenbürgen(26.9. - 8.10.) geschlagen und aus der Wallachei (Besetzung Bukarests 6.12.) bis hinter den Sereth zurückgeworfen. Die Errichtung des Königreiches Polen brachte den Mittelmächten keinen Gewinn. Das Kriegsjahr 1917: Im Westen tobte der Stellungskrieg. Im Osten dagegen eroberten die Verbündeten im Juli Ostgalizien, am 3.9. Riga. Die russische Front brach zusammen. Im Herbst organisierte der Generalstab der OHL eine spektakuläre Aktion. Dt. Politiker und Militärs überredeten Lenin, mit ihrer finanziellen Hilfe einen Militärputsch in Russland zu organisieren und danach einen separaten Frieden mit Deutschland zu schließen. Zu diesem Zweck brachten die Deutschen Lenin und seine Kampfgefährten aus der Schweiz mit einem Zug durch Deutschland nach Schweden. Von dort gelangten sie nach Russland. Hier stürzten sie die bürgerliche Regierung Kerenskijs und riefen den Sieg der ‘’sozialistischen Revolution’’ aus. Am 15.12. schlossen die am 7. 11. zur Macht gelangten Bolschewisten Waffenstillstand, aber erst nach einem neuen dt. Vormarsch am 3.3. 1918 unterschrieben die Sowjets und Deutschland am 3. März 1918 den Frieden von Brest - Litowsk , nach dem Deutschland alles bekam, was es wollte, nämlich das Baltikum und 1 England wollte 1914 einen kleinen Expeditionskorps nach Frankreich absenden, hatte aber im Sommer 1916 56 Divisionen auf dem Kontinent (Frankreich 95, Deutschland 117). Die Engländer warfen ihre ganze Armee in die Somme - Schlacht und erlitten eine totale Niederlage. die Ukraine. Diesem Frieden folgte am 7. 3. ein Sonderfriede mit Finnland, das mit dt. Hilfe die Bolschewisten vertrieb, und am 7.5. der Friede mit Rumänien. Ein gemeinsamer dt. - österr. Angriff vom 24.10 warf die Italiener hinter die Piave zurück. Am Ansturm gegen die dt. - bulg. Front in Mazedonien beteiligte sich seit 27.6. auch Griechenland. Die Türken verloren am 11. 3. Bagdad, am 9.12. Jerusalem an die Engländer. Der seit 1. Februar uneingeschränkte U - Boot - Krieg führte zur Kriegserklärung der USA am 6. April 1917. Das Kriegsjahr 1918: Den Krieg im Osten hat Deutschland gewonnen. Nun konzentrierte sich Deutschland auf die Westfront. Doch alle Großangriffe scheiterten. Ihrerseits starteten die Alliierten am 18.7. eine Gegenoffensive und drängten die Deutschen in die Antwerpen - Maas - Stellung zurück. Inzwischen hatten Bulgarien in Mazedonien, die Türkei in Palästina und Österreich - Ungarn schwere Niederlagen erlitten und am 29. September, 31. Oktober und 3. November Waffenstillstand mit der Entente geschlossen. Auf Drängen der OHL hat die Reichsregierung am 3. Oktober 1918 den amerikanischen Präsidenten W. Wilson um Waffenstillstand und Einleitung von Friedensverhandlungen ersucht. Noch zuvor hat der große Pazifist W. Wilson seine ‘’14 Punkte’’ veröffentlicht, in denen er einen Frieden verlangte, der keinen Unterworfenen und keinen Triumphator kennen sollte. Nur eines verlangte der US - Präsident: Die Abdankung des deutschen Kaisers. Auf die Forderung des US - Präsidenten wurde sofort der U - Boot Krieg am 20.10. eingestellt. Der Kaiser muss etwas unternehmen, um seinen Sturz zu vereiteln. Er läßt die Verfassung ändern. Am 28. Oktober 1918 wird die Verfassung des Reichs abgeändert: von nun an, das heißt im Moment, wo der Zusammenbruch beginnt, ist die deutsche Regierung vor dem Reichstag verantwortlich (nicht mehr wie früher nur vor dem Kaiser). Gleichzeitig läßt man die Führer der Parteien in ein umgebildetes Kabinett eintreten, was es möglich machen wird, ihnen die Verantwortung für die militärische Niederlage zuzuschieben. Denn die Armee will ihre Niederlage nicht anerkennen. Doch die Amerikaner gaben sich nicht zufrieden. Der Kaiser muss gehen, forderten sie noch einmal. Als der preußische Innenminister A. W. Drews am 1. November 1918 im Kaiserlichen Hauptquartier im belgischen Spa dem Kaiser Wilhelm II. die Abdankung nahelegte, empörten sich die Offiziere, und der 71jährige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg erklärte, die Armee werde aus Empörung nach Hause gehen wie eine Horde marodierender Banditen. Dies war nur eine von vielen Fehleinschätzungen führender Militärs und Politiker. Schon wenige Tage später erwies sich, dass die deutschen Divisionen immer unzuverlässiger wurden - nicht trotz, sondern gerade wegen des Kaisers. Besonders die Männer der Kriegsmarine, die zum Teil schon viereinhalb Jahre lang ununterbrochen Kriegsdienst geleistet hatten, ließen sich nicht länger zum Gehorsam zwingen: Sie wussten, dass erst die von den Alliierten geforderte Abdankung Wilhelms II. den Weg zum Frieden ebnen würde. Ende Oktober verweigerte das 3. Geschwader der Hochseeflotte, die Engländer mehr anzugreifen. Viele Matrosen wurden massenweise verhaftet, aber die Meuterei griff zu rasch um sich: Am 1. November versammelten sich die Matrosen in der Kieler Stadthalle und verlangten die Freilassung ihrer Kameraden. Am 3. November verbrüderten sich die Matrosen und Arbeiter. Sie erklärten den Krieg für beendet - unter Hochrufen auf die Republik. An einer Straßenecke ließ ein Leutnant der Reserve in die erregte Menge feuern. Acht Tote und 29 Verletzte blieben auf dem Platz - die ersten Opfer der Novemberrevolution. Die noch im April 1917 in Gotha entstandene Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) und der kommunistische Spartakusbund sahen sofort die Möglichkeit ein, mit bewaffneter Hand den Kaiser zu stürzen und die Macht in Deutschland zu erobern. Sie gab den kommunistisch eingestellten Matrosen den Befehl zum Aufstand. Der Kieler Aufstand begann am 3. November. Am 4. November wurde auf den meisten Kriegsschiffen die rote Fahne aufgezogen. Um 15 Uhr gab der Gouverneur des Reichskriegshafens, Admiral Wilhelm Souchon, auf und empfing Abgeordnete des 1. deutschen Matrosen- und Soldatenrates. Noch immer aber wollte die große Mehrheit der Aufständischen keine sozialistische Republik, sondern einfach nur nach Hause1 . Am 5. November erst war aus der Meuterei endgültig eine Revolution geworden. Die gesamte Arbeiterschaft trat an die Seite der Anführer. Tausende führten rote Fahnen mit sich. Auch Lübeck, Hamburg und Bremen fielen in die Hände der neuen Arbeiter - und Soldatenräte. Am 7. November wehte die Flagge der Revolution auch über Köln, München und den meisten anderen Städten. Die SPD informierte den Reichskanzler Prinz Max von Baden, die SPD- Regierungsmitglieder würden die Regierung verlassen und den Umsturz organisieren, wenn der Kaiser nicht Mittag nächsten Tages abgedankt habe. Wilhelm II. plante statt dessen, Fronttruppen gegen die Revolutionäre zu führen. Am 9. November berief er den Kronrat ein, um über ‘’Operationen gegen die Heimat unter Führung des Kaisers’’ zu diskutieren. 1 Am 4. November riefen die prokommunistischen Arbeiter in Süddeutschland den Generalstreik aus. In Berlin begann der Bürgerkrieg zwischen den Spartakisten und den Sozialdemokraten, die keine bolschewistische Republik wollten. Es folgte die ‘’rote Woche’’, eine von den Spartakisten entfachte Terrorwelle. Jetzt zeigten sich auch an der Front erste Auflösungserscheinungen. Hindenburg weinte und war außerstande, vor dem Kronrat zu sprechen. Für ihn sagte General Wilhelm Groener:’’Eure Majestät haben keine Armee mehr. Das Heer ... steht nicht mehr hinter Ihnen.’’ Nun endlich begriff der Kaiser seine Lage. Hindenburg hatte sich wieder gefasst und erklärte:’’Ich muss Eure Majestät dringend ersuchen, sofort abzudanken und nach Holland abzureisen. Ich kann es als preußischer General nicht verantworten, dass Sie von Ihren eigenen Truppen verhaftet und den revolutionären Bewegungen ausgeliefert werden.’’ Wilhelm II. gehorchte. Im Morgengrauen ging er bei Eysen über die Grenze in das neutrale Holland. Dort kam es zu letzten operettenhaften Szenen: Der Monarch übergab einem verdatterten Grenzposten seinen Degen. Und als Wilhelm II. später im Wagen des Grafen Godard Bentinck auf dessen Schloss in Amerongen zurollte, sagte er zu seinem Gastgeber:’’Jetzt müssen Sie mir eine Tasse heißen, guten, echten englischen Tee geben lassen.’’ Am 9. November 1918 wurde die (Weimarer) Republik2 ausgerufen. Jetzt waren die Alliierten bereit, am 11. November um 12 Uhr den Waffenstillstand zu erklären. Wenige Stunden vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes, am Vormittag des 10. November, bahnte sich eine welthistorische Stunde an, eine verhängnisvolle Stunde freilich für das Deutsche Reich. Diese Stunde war an keinem Anzeichen zu erkennen, es wurde nicht darüber gesprochen, und ihr Ort lag geographisch nicht in einem Machtzentrum, sondern in der mecklenburgischen Kleinstadt Pasewalk. Dort rief der seelsorgische Betreuer der Verwundeten des Reservelazaretts alle diejenigen zusammen, die gehen oder zumindest humpeln konnten. Der evangelische Geistliche war tief erschüttert, hatte Tränen in den Augen und teilte den um ihn Versammelten die Abdankung des Kaisers, den Ausbruch der Revolution in Berlin und die Unumgänglichkeit des Abschlusses eines Waffenstillstandes mit. Einer seiner Zuhörer war der Gefreite Adolf Hitler. Am Morgen des 16. Oktober war er bei einem Meldegang in den Beschuss durch Gasgranaten geraten. Senfgas war in seine Augen geraten und hatte ihn geblendet. Inzwischen war die Augenverletzung nahezu wieder ausgeheilt. Hitler schlich sich - nach eigener Schilderung - davon und vergrub sich in seinen Kissen. Der Kaiser bedeutete ihm nicht viel, aber die Niederlage schien ihm unerträglich. Er wollte eines, die Revolution gegen die Revolutionäre, und es war ihm bitter ernst. In dieser Stunde , so schrieb er später in seinem Buch ‘’Mein Kampf’’, wusste er genau was er wollte, und er war gewiss, dass er es mit eisernem Willen durchsetzen würde. ‘’Ich aber beschloss’’ , so schrieb er, ‘’Politiker zu werden...’’ Am 11. November 1918 unterschrieb die deutsche Armee im Wals von Campiégne, in demselben Eisenbahnwagen, in dem die Franzosen 1870 ihre Kapitulation unterzeichnet hatten, einen Waffenstillstand und warf alle Kräfte zur Eindämmung der Revolution. Die sozialisten wollten Deutschland vor Bolschewisierung retten und unterschrieben mit dem Oberbefehlshaber der OHL, General Groener, einen Pakt. Ihn unterschrieb am 10. November Friedrich Ebert, der von der Rätevollversammlung1 in Berlin zum Haupt der neuen Regierung gewählte Sozialdemokrate. Dieser Groener - Ebert - Pakt war für beide Seiten vorteilhaft: Die Rechtssozialdemokraten konnten die kapitalistische Staatordnung erhalten, der Militarismus, der seine Massenbasis verloren hatte, denn das Volk war jetzt gegen den Krieg, konnte sich als Unterstützer der Gesellschaftserneuerung legimitieren. Die Armee war die Rettung für die Opportunisten, die Opportunisten, die gegen die Gewlt, d. h. Revolution, auftraten, waren die Rettung für die Armeespitze. Die Armee konnte jetzt ruhig die Legende verbreiten, sie hätte im Krieg gesiegt, wenn sie vielmehr von hinten durch Juden, Pazifisten und Kommunisten nicht erdolcht wäre (=Dolchstoßlegende2). Am 24. Dezember 1918 versuchte die Armee ihren ersten Angriff auf die Volksmarinedivision in Berlin, wurde aber zurückgeschlagen. Dann bildete sie terroristische Stoßtrupps - die aus Offizieren, kastenbewussten Studenten und deklassierten Elementen bestehenden Freiwilligenverbände (=Freikorps). Der Waffenstillstand war unterzeichnet, und die deutschen Truppen mussten binnen 15 Tagen Nordfrankreich, Belgien und Elsaß - Lothringen verlassen. Der Friede mit Russland und Rumänien war für null und nichtig erklärt. Doch die Alliierten hielten ihre Blockade Deutschlands aufrecht: Die Aushungerung ging weiter, Kinder und Kranke starben an Unterernährung. In Deutschland herrschte totales Chaos. Was 2 So genannt deswegen, weil die Nationalversammlung hinter Militärkardons ab Frühjahr 1919 in Weimar über die Verfassung der neuen demokratischen Republik beriet. 1 In den Arbeiter- und Soldatenräten dominieren Reformisten, Sozialdemokraten und Radikale. 2 Nach dem Krieg, im Frühjahr 1919, suchte General der Infanterie Ludendorff General Malcolm von der alliierten Waffenstillstandskommission auf. Vor ihm beschuldigte er die deutsche Regierung und das deutsche Volk - alle hätten ihn im Stich gelassen. Der General Malcolm fragte: ’’Wollen Sie damit sagen, General, dass man Ihnen einen Dolchstich in den Rücken versetzt hat?’’ Ludendorff griff das sofort auf. Die gängige Formel, der Slogan, war gefunden. ‘’Das stimmt’’, sagte Ludendorff, ’’man hat uns einen Dolchstoß in den Rücken versetzt.’’ 1945 beschlossen die Alliierten, Deutschland zu besetzen, um das neuerliche Aufkommen einer Dolchstoßlegende zu verhindern. blieb, war der Große Generalstab. Er meisterte die fast unlösbare Aufgabe, innerhalb von zwei Wochen die Heeresverbände aus dem Westen in guter Ordnung über den Rhein zurückzuführen. In den Weihnachtstagen tobten Straßenkämpfe in Berlin. Polnische Freischärler überrannten am 28. Dezember die schwachen deutschen Truppen in Posen. Die ganze Provinz Westpreußen geriet in polnische Hand. Grenzschutz im Osten war vonnöten. Die OHL befiehl, den Freiwilligen die Ostgrenze zu schützen. Am 16. Januar musste der Waffenstillstand verlängert werden. Der Preis: Auslieferung der gesamten Handelsflotte an die Entente. Zwei Tage später begann in Versailles die Friedenskonferenz - deutsche Vertreter waren dazu nicht mal geladen. Der US - Präsident Wilson wollte seine in den 14 Punkten niederlegten Ideale durchsetzen. Doch die vom gewaltigen Sieg berauschten Entente - Politiket hielten nichts mehr von diesen 14 Punkten.Empört verließen die Amerikaner Europa und wollten bis zu Pearl Habor 1941 nichts mehr von der Weltpolitik hören. Anfang Mai 1919 hatte eine Delegation der deutschen Reichsregierung in Versailles zu erscheinen, um die Friedensbedingungen in Empfang zu nehmen. Sie waren ungeheuerlich. In der Endfassung war der Friedensvertrag von Versailles ein 248 Seiten starkes Buch. Darin stand, was Deutschland nunmehr abzuliefern, zu zahlen, zu unterlassen und zu dulden hatte und was ihm verboten war: 1. Elsaß - Lothringen musste an Frankreich, die Kreise Eupen und Malmédy an Belgien abgetreten werden. Die Provinzen Posen und Westpreußen, Teile von Ostpreußen, von Oberschlesien und Pommern gingen an Polen (Polen erhielt seine Unabhängigkeit!): Memel, Danzig, Nordschleswig (es ging an Dänemark) und das Saargebiet waren vom Reich abzutrennen; 2. Die deutsche Armee musste auf 100 000 Mann reduziert, die Marine drastisch verkleinert, die Fliegertruppe ganz abgeschafft werden. Die Armee durfte weder Panzerkampfwagen noch Gaswaffen noch schwere Geschütze noch einen Generalstab haben, aber auch keine Festungen. Unterseeboote waren nicht erlaubt; 3. Es waren sofort 40 Mlrd. Mark Kriegsschadenersatz, später weiter 20 Mlrd. Mark zu zahlen. Zusätzliche Zahlungen sollten später festgelegt werden. Fünf Jahre lang hatten deutsche Werften jährlich 200 000 Tonnen Schiffsraum für die Alliierten zu bauen; 4. Abzuliefern waren auch 700 Hengste, 40 000 Stuten, 4000 Stiere, 149 000 Milchkühe, 40 000 Jungrinder, dazu Tausende von Schafen, Ziegen und Schweinen. Kohlen waren zu liefern, auch Lokomotiven, Waggons und Lastwagen zusätzlich zu den schon am 11.- 26. November 1918 abgegebenen. 5. Deutsche Luftfahrt, auch die zivile, wurde verboten. 859 Kriegsverbrecher sollten ausgeliefert werden, darunter Hindenburg, Ludendorff und alle U - Boot - Kommandanten. Außerdem hatte Deutschland anzuerkennen, dass es die Schuld am Ausbruch des Krieges trage und für alle Verluste und Schäden verantwortlich sei. Deutschland verlor auf diese Weise 13% seines Territoriums mit 7 Mio. Menschen, zwei Drittel seiner Erzlager, neun Zehntel der Handelsflotte, die ganze Kriegsflotte, ein Zehntel des Nationaleinkommens und 2, 5 Mio km2 Kolonialterritorien mit 12 Mio. Menschen. Am 16. Juni wurden die Bedingungen den Deutschen übergeben. Deutschland sollte innerhalb von fünf Tagen diese Bedingungen annehmen, falls nicht, geht der Krieg weiter. Am 21. Juni versenkten deutsche Marinesoldaten, die ihre Kriegsschiffe zur Auslieferung an die Alliierten in die Bucht von Scapa Flow gebracht hatten, ihre eigenen Schiffe durch Öffnen der Flutventile: 6 Schlachtkreuzer, 10 Schlachtschiffe, 8 Kleine Kreuzer, 50 Torpedoboote und 100 U- Boote - die ganze Kriegsflotte! Am Tag darauf nahm die deutsche Nationalversammlung die Unterzeichnungsvorlage des Friedensvetrages an. Am 28. Juni 1919 wurde dort, wo 48 Jahre zuvor das deutsche Kaiserreich neu geründet worden war, im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles, der Friedensvertrag unterzeichnet. Es war Frieden. Europa hat sich verändert. Durch den für Österreich geltenden Parallelvertrag von Saint Germain war Österreich - Ungarn zerstört worden - ein schwerwiegendster Fehler. Ohne Befragung der Slowaken war die Tschechoslowakei entstanden, die sich auch 3, 5 Mio. Deutsche und 750 000 Ungarn gegen ihren Willen einverleibte. Sie bildeten zusammen mit den 2, 5 Mio. Slowaken fast die Hälfte der Bevölkerung dieses neuen Staates. Genau so künstlich erschien das neugeschaffene Jugoslawien, in dem katholische Slowenen und Kroaten in unversöhnlicher Feindschaft den orthodoxen Serben gegenüberstanden. Östereich verlor Tirol an Italien und durfte sich an das Deutsche Reich nicht anschließen. Und die Siegermächte? 1. Russland hatte weder seine Interessen am Balkan wahren noch Konstantinopel erobern können. Das Zarenreich war untergegangen, im Baltikum entstanden unabhängige Staaten: Litauen, Lettland und Estland. 2. Frankreich und England waren so erschöpft, dass sie schrittweise in den nächsten Jahrzehnten ihre bisherige Weltgeltung einbüßten; 3. Die USA fühlten sich von ihren Verbündeten hintergangen. Ihre Soldaten waren um nichts gefallen. Im September 1917 haben die USA innerhalb von 4 Tagen im Argonnerwald in einem Massenangriff auf die deutsche Armee 120 000 Mann verloren. Nicht die blöden US - Generäle waren natürlich nach dem Krieg daran schuld, sondern die blutrünstigen Teutonen. Deswegen überließen sie die Aushandlung der Friedensbedingungen vollständig den Engländern und Franzosen, mit dem Rat, alle englischen und französischen Rüstungsschulden auf Deutschland aubzuladen. 4. Profitiert hat Italien: es hatte erheblichen Landgewinn zu verbuchen. Benito Mussolini, ein Korporal der italienischen Armee, marschierte 1922 mit seiner faschistischen Partei nach Rom, übernahm die Regierung und wollte ein neues römisches Reich aufbauen. Sein erstes Opfer war Äthiopien. 5. Ein wirklicher Sieger war Japan, das am Krieg beinahe nicht teilgenommen hatte. Es erhielt deutsches Pachtgebiet Kiautschou auf der chinesischen Halbinsel Schantung. Außerdem erhielt es nach dem Vertrag von Versailles die deutschen Südsee - Inseln. Japan drang später tief in China ein, und die Südsee - Inseln wurden das Sprungbrett für den Krieg gegen die USA. Als Sieger konnten sich auch die Polen und die Tschechen bezeichnen. Die Republik Polen erhielt Zugang zum Meer. Ostpreußen wurde von Deutschland durch den sog. polnischen Korridor getrennt Die Millionenzahl der in ihren Staaten lebenden Deutschen boten zwei Jahrzehnte nach Versailles für Hitler den willkommenen propagandistischen Anlass, diese Deutschen ‘’heim ins Reich’’ zu holen und den 2. Weltkrieg zu riskieren. Die mächtigste Waffe in den Händen Hitlers war aber von der Entente selbst gescmiedet: der Vertag von Versailles. Ihn aus der Welt zu schaffen war der Wunsch nahezu aller Deutschen. Die wenigsten von ihnen folgten Hitler wegen seiner wirren Rassenideen - sie folgten Hitler, weil er daranging, sie vom Versailler Vertrag und seinen Folgen zu lösen. So gebar der 1. Weltkrieg den nächsten, den 2. Weltkrieg. Die Folgen der beiden Kriege prägen das Weltbild von heute. 5.3 DIE WEIMARER REPUBLIK Die Geschichte der Weimarer Republik besteht aus drei Phasen: a) 1918 - 1923; b) 1924 - 1929 (die sog. Ära Stresemann); c) 1929 - 1933. Die erste Phase der Weimarer Republik (1918 - 1923) Nachdem am 9. November 1918 in Berlin die Republik ausgerufen worden war, der letzte kaiserliche Reichskanzler, Prinz Max von Baden, die Regierungsgeschäfte an Friedrich Ebert, den Vorsitzenden der Sozialdemokraten, übergeben und die Abdankung des Kaisers verkündet hatte, begann der schwierige Weg des jungen Staates von der Monarchie zu einer modernen Demokratie. Es war zugleich ein Weg aus Krieg und Niederlage auf der Suche nach einem Zustand der Normalität. War die Ausrufung der Weimarer Republik überhaupt eine Revolution? 1. Ja, insofern es sich um einen Regimewechsel und um eine Verwandlung der vorherrschenden politischen Weltanschauung handelte. Denn die Legitimität der Fürsten wurde durch die der Mehrheit ersetzt, d. h. Monarchie wurde durch Demokratie ersetzt. 2. Ja, insofern es, obwohl auch in nur sehr geringem Ausmaß, eine soziale Revolution war. Am 15. November 1918 wurde zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ein Abkommen unterzeichnet. Es brachte den Arbeitern Verbesserungen: Achtstundentag, Anerkennung der gewerkschaftlichen Vertretung usw. Dafür gestanden die Gewerkschaften durch ihre Unterschrift zu, dass sie die Strukturen der deutschen Gesellschaft nicht durcheinanderbringen und an dem wirtschaftlichen Machtverhältnis nicht rütteln werden. Die Folgen dieses Abkommens waren: a) aus der deutschen Gewerkschaftsorganisation ist nie der vorwärts drängende Flügel der Arbeiterbewegung geworden; b) aus ihr ist keine sozialistische Partei hervorgegangen (wie z. B. die Labor Party in England); c) sie hat nie die Linken unterstützt, sie betrachtete überhaupt misstrauisch das politische Spielfeld; d) trotz seiner zweieinhalb Millionen Mitglieder im Jahr 1913 trat der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund eher als Versorgungswerk denn als Faktor der sozialen Auseinandersetzung auf. Die erste provisorische Regierung der Republik - der Rat der Volksbeauftragten (Otto Landsberg, Philipp Scheidemann, Gustav Noske, Friedrich Ebert, Rudolf Wissell) - stellte mit der Ausschreibung von Wahlen für eine deutsche Nationalversammlung die Weichen für eine parlamentarische Demokratie und gegen die von den Linkssozialisten geforderte Räterepublik. Bei den Wahlen am 19. Januar 1919, bei denen zum ersten Male auch Frauen wahlberechtigt waren, errangen die Parteien, die schon im bisherigen Reichstag die Mehrheit besessen hatten - Sozialdemokraten, Zentrum und Fortschrittliche Demokratische Partei, die sich jetzt Deutsche Demokratische Partei (DDP) nannte -, einen überwältigenden Erfolg. Zusammen erhielten sie 78,1% der Mandate (die SPD allein 38,1%). Demgegenüber kamen die beiden Republik ablehnenden Rechtsparteien auf 15%, die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) nur auf 5,2% der Mandate. Am 11. Februar 1919 wählte die - wegen der unruhigen Situation in Berlin (Spartakus - Aufstand!) - in Weimar tagende Nationalversammlung Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten, der zwei Tage später die Regierung der ‘’Weimarer Koalition’’ aus Sozialdemokraten, Zentrum und DDP ernannte. Im Mai 1919 wurden in Deutschland die harten Bedingungen des Versailler Vertrages bekannt und stießen bei nahezu allen Parteien auf einhellige Ablehnung. Den heftigsten Protest entfachte der Artikel 231, in dem Deutschland die alleinige Kriegsschuld zugewiesen wurde. Die junge demokratische Republik wurde für alle Verluste und Schäden, die den Alliierten im Kriege entstanden waren, verantwortlich gemacht. Die aus diesem Kriegsschuldartikel abgeleiteten Reparationsansprüche der Alliierten stellten eine langjährige, schwere Belastung dar, die den jungen Staat in seiner Entwicklung nachhaltig schwächte. Unter dem Druck der Alliierten unterzeichneten am 28. Juni 1919 die Vertreter der Regierung den Vertrag. Fortan war die Weimarer Republik in ihrer Existenz sowohl von den Linken als auch von den Rechten bedroht. Zu den Linken gehörten Sozialisten und Kommunisten. Sie fühlten sich von den Sozialdemokraten verraten, weil sie so viel von der Novemberrevolution erwartet hatten. Zu den Rechten zählten die höhere Beamtenschaft, Unternehmer und Großgrundbesitzer sowie das Offizierkorps, also die alten Eliten des Kaiserreichs. Im August 1919 wurde die Weimarer Verfassung angenommen. Diese Verfassung war so demokratisch, dass sie alle Voraussetzungen dafür schuf, die Demokratie an der Demokratie zugrunde gehen zu lassen, was auch geschah. Sie war eine Verfassung für gute Demokraten, von denen es zu wenig gab. Die Hauptperson der Weimarer Verfassung war der Reichspräsident. Er war eine Art Kaiser - Ersatz, eine Art Diktator. Der Reichspräsident konnte: a) den Reichstag auflösen (was zwischen 1920 und 1933 siebenmal geschah). Kaiser Wilhelm II brauchte dafür noch die Zustimmung des Bundesrates; b) das Notstandsrecht einführen; c) erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten (wie das 1919-23 wiederholt geschah), denn Reichspräsident war auch Oberbefehlshaber der Reichswehr; d) bestimmte Grundrechte - Freiheit der Person, Unverletzlichkeit der Wohnung, Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit ganz oder zum Teil außer Kraft setzen; e) Gesetze verabschieden (1932 verabschiedete der Reichstag 5 Gesetze, der Reichspräsident von Hindenburg 66). Der Reichspräsident war ein Ersatz - Kaiser. Im Falle, wenn er kein überzeugter Anhänger der demokratischen Republik war, konnte es zu folgenschweren Verwicklungen kommen. Dieser Fall war eingetreten, als zum zweiten Reichspräsidenten der ehemalige Feldmarschall Paul von Hindenburg wurde (1925). Der Versailler Vertrag erlaubte der Republik, eine 100 000 Mann starke Reichswehr und eine 15 000 Mann starke Marine zu haben. Die Reichswehr war ein Berufsheer. Zum Reichswehrminister wurde General von Seeckt, obwohl er sich während des Kapp - Putsches geweigert hatte, Reichswehreinheiten gegen die Putschisten vorgehen zu lassen. Seeckt verbannte strikt die Tagespolitik aus den Kasernen und machte aus der Reichswehr einen Staat im Staate. Seeckt wollte die Reichswehr gegen jegliche demokratische Gesinnung und jeden Einfluss der demokratischen Parteien absichern. Deshalb wurde die Reichswehr zu keiner echten Streitmacht der Republik, sie war gegenüber dem Staat neutral und der dem Staat durch die Nationalsozialisten drohenden Gefahr unempfindlich. Sie ging 1933 widerstandslos zu Hitler über und hat bis zum letzten Atemhauch treu für ihn gekämpft. Ab 1922 begann Deutschland Reparationen zu zahlen. Auf Initiative des britischen Premierministers David Lloyd George kam im April 1922 in Genua eine internationale Wirtschaftskonferenz zustande, auf der zum ersten Mal seit dem Versailler Vertrag die wirtschaftlichen und politischen Probleme Europas beraten werden sollten. Alle europäischen Staaten waren vertreten, erstmalig auch die Sowjetunion. Man vermutete die Bildung eines internationalen Wirtschaftskonsortiums mit Beteiligung der Deutschen. Zu Beginn der Konferenz zeigte sich jedoch, dass eine gleichberechtigte Behandlung der Deutschen nicht beabsichtigt war. Zudem war das für Deutschland wichtige Reparationsthema auf Veranlassung Frankreichs von der Tagesordnung gestrichen worden. Die Sowjets waren an einer internationalen Organisation zum Aufbau ihres Landes nicht interessiert, da sie darin eine weitere Einmischung sahen. Sie drängten deshalb die Deutschen, mit ihnen ein Sonderabkommen abzuschließen. Die Delegationen trafen sich am 16. April im benachbarten Rapallo und unterzeichneten den Rapallo - Vertrag. Es ging im Vertrag von Rapallo um nichts als drei Schlussstriche: unter die Schulden der Vorkriegszeit, den Diktatfrieden von Brest - Litowsk und den westlichen Siegfrieden von Versailles. Für den künftigen Handels- und Wirtschaftsverkehr sollte der Grundsatz der Meistbegünstigung gelten. Die diplomatischen und konsularischen Beziehungen wurden wieder aufgenommen. Die beiden Außenseiter der Nachkriegsordnung (UdSSR und Deutschland) kamen überein, sich den Spielregeln des Westens zu entziehen: zum bleibenden Misstrauen all derer, die nicht dabei waren. Während die sowjetischen Machthaber die deutsche Revolution erwarteten und sie geheim vorbereiteten, suchten sie zugleich von Anfang an in Reichswehr und bürgerlicher Republik den Mitspieler für eine große Bündnispolitik gegen den Westen, die polnische Republik, die baltischen Staaten, den Völkerbund und den Status quo der Nachkriegszeit. Die Deutschen, die Kommunisten im Innern als Staatsfeind bekämpfend, sahen in Russland die Chance, das Spiel der Mitte (Deutschland als mitteleuropäische Macht) gegen den Westen noch einmal zu beginnen. Dem Versailler Frieden von 1919 fehlte der Rückhalt an der Realität. In Rapallo gaben zwei deklassierte Großmächte einander zu verstehen, die Ordnung von 1919 werde nicht von Dauer sein. Somit bedeutete der Rapallo - Vertrag für den deutschen Nationalismus eine mögliche Verwahrung gegen den Westen, für die Bolschewiki einen Anspruch auf Teilhabe an Zentraleuropa; und für den Westen immer Alptraum, Drohung und Erinnerung an deutsch - russische Ungewisstheiten. Kein Wunder, dass die Nachricht vom Abschluss dieses Vertrages bei den Alliierten mit Empörung aufgenommen wurde. Er verstärkte ihre unnachgiebige Haltung den Deutschen gegenüber. Und wie standen die Linken zur Ausrufung der Weimarer Republik? Sie erklärten dieser bürgerlichen Republik sofort den heiligen Krieg. Am 1. Januar 1919 entstand die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg leiteten. Die KPD stützte sich auf das von R. Luxemburg ausgearbeitete Programm, das sich wesentlich von dem bolschewistischen Programm Lenins unterschied. Es strebte zwar die Räterepublik an, doch tendierte es zu einem demokratischen Kommunismus: ‘’Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mitglieder einer Partei .... ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden’’ stand im Programm schwarz auf weiß. Beide KPD - Führer wurden von reaktionären Offizieren am 15. Januar ermordet. Noch nach der Novemberrevolution waren in Bremen, Braunschweig und Bayern Räterepubliken entstanden. Diese Räterepubliken waren keine rühmenswerten Ereignisse, sondern die exemplarisch ins Werk gesetzten Wahnideen der Bolschewiki. In ihren Statuten (Verfassungen) stand geschrieben, dass ‘’alle Macht in der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens allein von Räten ausgeübt werden könne’’, und dies auch noch gegen den Willen der nichtkommunistischen Bevölkerungsmehrheit. Nun organisierte die KPD den Spartakus - Aufstand in Berlin. Nach der Ermordung von Liebknecht und Luxemburg ging die Armee zum Angriff über. Es kam zum Bürgerkrieg. Zuerst fiel das revolutionäre Berlin, dann die Rätemacht in Bremen, dann die Münchner Räterepublik (03. 05. 1919). Der Spartakus - Aufstand war niedergeschlagen. Seit nun werden die Deutschen jegliche Revolution als Aufstand von Vandalen betrachten und alles unternehmen, um neue Revolutionen zu vereiteln. Nach dem misslungenen Spartakus - Aufstand und den zusammengebrochenen Räterepubliken durchlief die KPD eine schwere Periode. Von 1919 bis 1925 hatte sie sechs Generalsekretäre gehabt. Sie wurden von Stalin als Revisionisten abgestempelt und vernichtet, weil sie außerstande waren, die Anordnungen der Komintern1 in die Praxis zu versetzen. 1990 brachte R. Oldenbourg Verlag in München die Manuskripte der Lebens- und Kampfgefährten, Ruth Fischers und Arkadij Maslows, heraus. Sie beide waren im Frühjahr 1924 von der Komintern zu den Generalsekretären der KPD ernannt worden und bekleideten diesen Posten bis September 1925, als Ernst Thälmann die Leitung der KPD übernahm. Vor Fischer und Maslow war Heinrich Brandler Generalsekretär der KPD. Er wurde des Postens enthoben, als er den Befehl zum bewaffneten Aufstand der KPD im Oktober 1923 in Anbetracht der für die KPD ungünstigen Kräfteverhältnisse zurückgezogen hatte. Damals, im August 1923, beschloss das Politbüro der bolschewistischen Partei Russlands im Kreml, am 9. November eine Revolution in Berlin, Hamburg, Dresden und anderen deutschen Städten zu machen. Die Dokumente dieser Politbüro - Sitzung lagen sieben Jahrzehnte im Geheimarchiv des ZK der KPdSU. Erst Jelzin hat gewagt, sie zu publizieren. Das Politbüro beschloss an jenem 22. August 1923: a) Die gesamte Komintern wurde verpflichtet, den Deutschen zu helfen, die Revolution in Deutschland zu organisieren; b) Die Vorbereitung sollte von einer Sonderkommission kontrolliert werden. Mitglieder dieser Kommission waren: Sinowjew, Stalin, Trotzki, Radek und Tschitscherin; c) Für die Unterstützung der Revolution sollte in der Sowjetunion Geld gesammelt werden. Aus diesem Grunde wurden Löhne gesenkt und die Revolutionäre aufgefordert, goldene Eheringe der Revolution in Deutschland zu opfern; d) Eine Getreidereserve von einer Mio. Tonnen wurde bereitgestellt; e) Es wurden alle für den Einsatz in Deutschland geeigneten Genossen - deutschsprechende Balten, Ungarn, Polen und ehemalige Kriegsgefangene - mobilisiert; 1 Anfang März 1919 trafen sich in Moskau Vertreter verschiedener kommunistischer und sozialistischer Parteien, um aus Enttäuschung über das Verhalten der sozialdemokratischen Zweiten Internationale im Weltkrieg und in der Hoffnung auf die nun bevorstehende Weltrevolution die Dritte, die Kommunistische Internationale (Komintern) zu gründen. Der zweite Weltkongress 1920 legte 21 Bedingungen für die Aufnahme von Parteien in die Komintern fest. Diese mussten sich nach dem Muster der Bolschewiki organisieren und sich dem Weltkongress und seinem Exekutivkomitee mit Sitz in Moskau, das von der Führung der russischen Kommunisten beherrscht wurde, unterordnen. f) Die Rote Armee wurde in den Vorbereitungsprozess für den Durchmarsch Polens und der Baltischen Staaten versetzt. Denn es bedeutete Krieg. Am 13. September berieten die Lage in Moskau R. Fischer, E. Thälmann, Clara Zetkin, H. Brandler und Jan Rudsutak, verantwortlich für Deutschland. Nach der Ausrufung Deutscher Sozialistischer Republik sollte sofort ein militärisches und wirtschaftliches Bündnis (etwas Ähnliches wie Stalin - Hitler - Pakt von 1939) geschlossen werden. Zum Waffenkauf stellte das Politbüro 50 000 Goldrubel bereit. Radek sollte die ganze Revolution leiten. Walter Ulbricht befiehl seinen Genossen in Thüringen, ihre Gewehre hinter dem Küchenherd zu halten. Inzwischen weilten in Deutschland 24 russische Bürgerkriegsexperten, geleitet von General Alexis Skoblewski. Er hat einen Stab gebildet. Zur Verfügung standen 100 000 bewaffnete Revolutionäre. Skoblewski erhielt 200 000 Dollar zur Beschaffung von Dynamit, Munition und sogar Cholera - Bakterien als biologisches Kampfmittel. Moskau rechnete mit 20 Millionen Proletariern in Deutschland. Die KPD bestand damals aus 300 000 Mann (1924 hat die KPD 3, 7 Mio. Wählerstimmen erhalten, die SPD 6 Millionen). Die Revolution sollte in Sachsen beginnen. Mit 150 000 Flugblättern rief die KPD ihre Mitglieder auf, sich zu bewaffnen. Am 21. Oktober 1923 fand eine Konferenz der sächsischen Betriebsräte und Gewerkschaftler in Chemnitz statt, in der die Kommunisten in der Minderheit waren. Die Konferenz beschloss, keine Revolution zu machen, sondern erstmal mit der Regierung zu verhandeln. Das war schon das Ende. Die KPD konnte in alle Bezirke Deutschlands mit Befehl zum Losschlagen entsandte Kuriere noch auf dem Bahnhof von Chemnitz zurückhalten, nur einer kam nach Hamburg mit der Botschaft, der Tag der Aktion sei gekommen: nämlich am 23. Oktober. Etwa 300 Kommunisten mit 196 Gewehren bauten in Hamburg Barrikaden, stürmten 17 Polizeireviere und schossen von Dächern auf Marinetruppen und SPD - Reichsbanner (40 Tote). Doch die Werftarbeiter griffen nicht ein, und schon war die Revolution in Deutschland vorbei. Aber es gab noch eine ‘’Organisation nach dem Muster der bolschewistischen Staatspartei’’ (R. Fischer): die NSDAP von Hitler. Am 9. November 1923 griff Hitler in München nach der Macht. Aber darüber später. Nach der misslungenen Revolution leiteten Fischer und Maslow die Bolschewisierung der KPD ein. Jetzt betrieb die KPD absolut deutlich nichts anderes als subversive Agitation, überwiegend in den Gewerkschaften und der SPD. Die KPD verstand sich unter Fischer - Maslow - Führung als revolutionäre Umsturzpartei und stellte sich, wie Clara Zetkin 1924 formulierte, die Aufgabe: a) ‘’die Forderung der Eroberung der Macht als Ziel; b) die Aufforderung zum Bürgerkrieg als Weg zum Ziel mit allen Tagesnöten und c) die Erkenntnis von der Notwendigkeit, der Unvermeidlichkeit des Kampfes mit bewaffneter Hand.’’ Die These, dass die KPD an einer Zusammenarbeit mit der SPD interessiert war, wird in den Manuskripten von Fischer und Maslow widerlegt. Es ging allein um die Frage der richtigen Einschätzung der Krisen- bzw. Stabilisierungssymptome des Kapitalismus, um einen passenden Termin für den Aufstand und die anzuwendende Taktik zu wählen. Später sollten die Sozialdemokraten als Feinde des Volkes ‘’entlarvt’’ und vernichtet werden. Fischer und Maslow betrachteten die Sozialisten als Sozialfaschisten und basta. Maslow schrieb an den jungen Sohn Ruth Fischers (sie starb 1961 in Paris, Maslow wurde 1941 in Havanna von den NKWD - Agenten ermordet): ‘’Rotten die Arbeiter nicht die anderen aus, physisch, ohne Residuen und ohne Sentimentalität, zerbrechen sie nicht die ganze Staatsmaschine, so sind sie verloren.’’ Er pries Lenins Pamphlet ‘’Staat und Revolution’’ als ‘’Kanon der Transformation’’. Er sah noch im Exil (beide flüchteten vor Stalins Agenten 1925 in den Westen) im bewaffneten Aufstand den Weg zur Machteroberung und konnte sich, wie Lenin, die Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft nur durch das bewaffnete Volk vorstellen. Der ehemalige Unabhängige Sozialdemokrat Wilhelm Dittmann fällte seinerzeit das Verdikt: ‘’Die DKP ist überhaupt keine politische Partei, sondern eine militärische Putschorganisation’’. Und was unternahmen mittlerweile die Rechten gegen die neue demokratische Republik? Sie schliefen auch nicht. Sie setzten sich zum Ziel, die Monarchie zu restaurieren. Am 13. März 1920 besetzten die Freikorpsführer und höhere Truppenkommandeure unter Führung des Generals von Lüttwitz das Berliner Regierungsviertel. Die Regierung floh nach Dresden. Der Kopf der Verschwörer, Wolfgang Kapp, übernahm die gesamte Gewalt als Reichskanzler. Von Dresden aus forderte die Reichsregierung das deutsche Volk zum Widerstand und zum Ungehorsam gegen die Aufrührer auf. Die Gewerkschaften riefen daraufhin den Generalstreik aus, der in ganz Deutschland von Arbeitern und Angestellten befolgt wurde. Nach vier Tagen sahen die Putschisten ein, dass sie verloren hatten. Kapp flüchtete ins Ausland, die Truppen zogen sich in ihre Kasernen zurück. So endete der Kapp - Putsch. Ende 1922 war Deutschland nicht imstande, Reparationen in Holz und Kohle vollständig an Frankreich zu liefern. Der französische Ministerpräsident Poincaré ließ am 9. Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzen. Die Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen rief in Deutschland einen allgemeinen Sturm der Entrüstung hervor. Die Reichsregierung rief die Bevölkerung des besetzten Gebietes zum passiven Widerstand auf. Die Franzosen schnürten daraufhin die Ruhr vollständig vom übrigen Reich ab. Die Reichsregierung unterstützte die Ruhrbevölkerung durch Geldzahlungen und Sachleistungen in Milliardenhöhe, war aber bald finanziell pleite. Am 26. September hatte sie kapituliert und begann Verhandlungen mit Frankreich. Die Franzosen unterstützten inzwischen die deutschen Separatisten in der Ruhr, die eine selbständige Rheinische Republik ausgerufen hatten (Oktober 1923). Doch sie besaß keinen Rückhalt im Volk. Die Franzosen beschlossen zu verhandeln, es kam zum Abbruch des Ruhrkampfes. Doch die Ruhr - Krise rief eine Inflation hervor, an die sich die Deutschen noch heute erinnern. Die finanzielle Unterstützung führte zur Abwertung der deutschen Mark. Im April kostete eine Zeitschrift 200 Mark, im Juli 2000, am 1. September 150 000, am 15. September 500 000, am 1. Oktober 2 Millionen, am 15. Oktober 25 Millionen, am 2. November 2 Milliarden und am 8. November 8 Mrd. Mark. Die Inflation war eine soziale Tragödie, die Millionen kleine Leute ruinierte. Eben diese Inflation schuf ideale Bedingungen für eine potentielle Revolution. Sie wurde von den Bolschewiki im Kreml organisiert (wir haben von ihr oben erzählt). Es wurde aber nichts daraus. Am 15. November 1923 wurde als neues Zahlungsmittel die Rentenmark (=1 Billion Papiermark) herausgegeben. Das neue Geld sollte Grundbesitz, Handel, Banken und Industrie mit einer Hypothek im Werte von 3, 2 Mrd. Rentenmark unterstützen. Das Experiment glückte. Im Oktober 1924 wurde die Reichsmark eingeführt. So wurden die Voraussetzungen für eine Stabilisierung der innenpolitischen Lage geschaffen. Die Ära Stresemann konnte beginnen. Doch zuvor versuchten die Rechtsextremisten noch einmal, den demokratischen Staat zu stürzen. Noch 1919 entstand in Bayern die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) unter der Führung von Drexler. Im September trat ihr der berufslose ehemalige Gefreite der k. und k. - Armee, Adolf Hitler, bei (Mitgliedsausweis - Nr. 555). Am 1. Januar 1920 wurde die DAP in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) umbenannt. Im Juli 1921 wurde Hitler ihr Vorsitzender. Dank seinen Reden hat diese rechtsradikale Partei schon 1921 3000 Mitglieder (1939: 8 Millionen). Hitler formulierte zwei Thesen, die diese Partei besonders attraktiv machten: 1. ‘’Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich’’; 2. ‘’Die Juden sind unser Unglück’’. Dieser ‘’terrible simplificateur’’ (baisusis supaprastintojas) (so hat Jakob Burckhardt Hitler genannt) nahm mit seiner NSDAP im Jahre 1923 in Bayern eine Schlüsselposition zwischen Landesregierung, Reichswehr und nationalen Wehrverbänden im Kampf gegen die demokratische Reichsregierung in Berlin ein. Bayern stand seit 1921 unter konservativen Landesregierungen, die offen gegen die Reichsregierung im ‘’roten Berlin’’ opponierten. In diesem Klima fühlte sich die NSDAP vorzüglich und konnte gut gedeihen. Sie tat sich mit ihren ‘’Sturmabteilungen’’ (SA) durch Massenversammlungen und Aufmärsche in der Öffentlichkeit hervor. Inzwischen bahnte sich Benito Mussolini durch den von ihm inszenierten ‘’Marsch auf Rom’’ am 27.- 28. Oktober 1922 mit seinen paramilitärischen Verbänden gewaltsam den Weg zur Macht. König Viktor Emanuel III. ernannte ihn am 30. Oktober zum Ministerpräsidenten einer nationalen Regierung, der vier Faschisten angehörten. Am 15. Dezember gelang es Mussolini, das politische System zugunsten der Faschisten umzuwandeln. Im März 1923 vereinigten sich die Partei der Nationalisten und die ‘’Partito Nazionale Fascista’’. Allmählich wurden alle Parteien verboten, die Pressefreiheit aufgehoben, die individuellen Grundrechte und die Gewaltenteilung beseitigt. Das Führerprinzip wurde auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen eingeführt (‘’stato totalitario’’). Die Entwicklung der Ereignisse in Italien veranlasste die Reichsregierung zur Anordnung an die bayerische Landesregierung, den Ausnahmezustand in Bayern zu verhängen. Die Reichsregierung hatte Angst, denn schlechte Beispiele sind ansteckend. Die Landesregierung weigerte sich, die Befehle Berlins auszuführen. Eine von der Landesregierung am 8. November 1923 im Münchener Bürgerbräu - Keller einberufene Versammlung nutzten Hitler und Ludendorff, indem sie gewaltsam das Podium besetzten und die Landesregierung zwangen, die Absetzung der Reichsregierung zu verkünden und eine provisorische Regierung, der auch Hitler und Ludendorff angehören sollten, auszurufen. Am Morgen des 9. November formierten sich SA - Sturmtrupps und andere rechtsextreme Verbände zu einem Marsch durch München. Bayerische Polizei stoppte den Zug an der Feldherrnhalle und trieb die Menge auseinander. Hitler floh und tauchte zunächst unter, Ludendorff ließ sich gefangennehmen. Damit war die ‘’nationale Revolution’’ (Hitler - Putsch) zusammengebrochen. Die von den Deutschnationalen und der Bayerischen Volkspartei getragene bayerische Landesregierung solidarisierte sich schließlich doch mit der Reichsregierung, und die NSDAP wurde verboten. Die zweite Phase der Weimarer Republik (1924 - 1929) Nach der Aufgabe des Ruhrkampfes und der Stabilisierung der deutschen Währung waren die Voraussetzungen für eine grundlegende Neuregelung der Reparationsfrage geschaffen. Eine Kommission aus amerikanischen und britischen Bankiers und Wirtschaftsfachleuten begann im Januar 1924 mit der Prüfung der wirtschaftlichen Situation Deutschlands und seiner Zahlungsfähigkeit. Und so kam es zum Dawesplan1 , 1 Charles G. Dawes war amerikanischer Bankier und Vorsitzender des Sachverständigenrates. der die sehr hohen Jahresleistungen früherer Regelungen durch erträglichere für die nächsten fünf Jahre ersetzte. Die Notwendigkeit einer Erholungspause für die deutsche Wirtschaft wurde festgestellt, zu deren Wiederbelebung eine internationale Anleihe von 800 Mio. Goldmark bereitgestellt wurde. Als Garantien des Reiches wurden die Reichsbahn in ein vom Reich unabhängiges, internationales Unternehmen umgewandelt und die Reichsbank der Kontrolle eines internationalen Generalrates unterstellt. Auf der Londoner Konferenz im August 1924 wurde der Dawesplan von allen beteiligten Regierungen angenommen. 1928-29 kam die Reparationsfrage erneut auf die Tagesordnung, weil der Termin näherrückte, von dem an die deutschen Jahresleistungen sich laut Dawesplan drastisch erhöhen sollten. Doch die deutsche Wirtschaft sah sich nicht in der Lage, diese Zahlungen aufzubringen. Es kam zur Einberufung einer unabhängigen Kommission unter dem Vorsitz des amerikanischen Managers Owen D. Young. Im Mai 1929 legte sie den sog. Youngplan vor. Eine 5,5% ige Anleihe über 300 Mio. US - Dollar wurde gewährt. Die Reparationssumme wurde auf 112 Mrd. Goldmark festgelegt, die in 59 Jahresraten zu durchschnittlich 2 Milliarden Mark gezahlt werden sollten. Der neue Plan stellte eine wesentliche Verbesserung der früheren Bestimmungen dar. Aber die lange Dauer der Zahlungsverpflichtungen über Generationen rief Enttäuschung und Empörung in Deutschland hervor. Die bis dahin im ganzen Reich unbekannte NSDAP rief zu einem Volksbegehren (Referendum) auf. Aus dem Volksbegehren wurde nichts, nur die NSDAP wurde auf Schlag sehr populär. Der deutsche Reichstag ratifizierte am 12. März 1930 den Youngplan. Frankreich räumte dafür bis zum 30. Juni 1930 das besetzte Rheinland (Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort). Die Zahlungen wurden bereits 1931 eingestellt. Nach dem Abschluss von Dawesplan bot der deutsche Außenminister Gustav Stresemann der französischen Regierung einen umfassenden Sicherheitspakt an, in dem die deutsch - französische und die deutsch - belgische Grenze international als endgültig garantiert werden sollte. Frankreich reagierte erst nach Monaten und auf Drängen Großbritanniens und der USA. Nach intensivem Notenwechsel kam im Oktober 1925 in Locarno eine Konferenz zustande. Am 16. Oktober 1925 wurden die Verträge von Locarno unterzeichnet. Es war eine Reihe von Einzelverträgen, in deren Mittelpunkt der Rheinpakt stand. Mit ihm verzichteten Frankreich, Belgien und Deutschland auf eine gewaltsame Veränderung ihrer gemeinsamen Grenzen. Großbritannien und Italien traten dem Abkommen als Garantiemächte bei. Deutschland erkannte die Rechtmäßigkeit seiner Westgrenzen an. Rheinland sollte entmilitarisiert bleiben. Dem Rheinpakt schlossen sich Schiedsverträge an, die Deutschland mit Polen und der Tschechoslowakei vereinbarte. Eine weitergehende Anerkennung der deutschen Ostgrenzen lehnte die deutsche Delegation ab, um den Anspruch auf eine spätere Revision der Ostgrenzen aufrechtzuerhalten. Frankreich schloss, um dem Sicherheitsbedürfnis Polens und der Tschechoslowakei entgegenzukommen, zusätzliche Beistandsverträge mit beiden Staaten ab. Die Verträge von Locarno galten als bedeutsamer Schritt zu einer dauerhaften Befriedung Europas. Die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund1 (Tautų Sąjunga) im September 1926, die im Schlussprotokoll des Locarnopaktes zugesagt worden war, war die logische Folge dieser politischen Entwicklung zur Entspannung. Im April 1926 wurde in Berlin ein deutsch - sowjetischer Freundschaftsvertrag unterzeichnet und damit das Bündnis von Rapallo bekräftigt. All diese diplomatischen Erfolge - Dawesplan, die Verträge von Locarno, die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund - verdankt die Weimarer Republik Gustav Stresemann. Gustav Stresemann (1878 - 1929) gehörte dem deutschen Reichstag seit 1907 als Abgeordnete der Nationalliberalen Partei an. Während des Krieges vertrat er annexionistische Kriegsziele und gründete 1918 die monarchistische Deutsche Volkspartei (DVP). Als Mitglied der Nationalversammlung und des Reichstages wandelte er sich jedoch zum Befürworter des Weimarer Staates. Als Kanzler einer großen Koalition brach er im Krisenjahr 1923 den Widerstand gegen die französische Ruhrbesetzung ab, um aus Einsicht in das realpolitisch Mögliche die Voraussetzungen für eine neue Phase der Politik zwischen den Alliierten und Deutschland zu schaffen. Als Außenminister in den folgenden Regierungen setzte er diese Politik der Versöhnung fort. Für die Verträge von Locarno (=Versöhnung mit Frankreich) erhielten Stresemann und der französische Außenminister Aristide Briand 1926 den Friedensnobelpreis. Beide Politiker haben 1928 noch den Briand - Kellog - Pakt ausgearbeitet, der den Krieg allgemein für rechtswidrig erklärte. Der plötzliche Tod Stresemanns im Oktober 1929 hat die Fortführung der deutsch - französischen Zusammenarbeit jäh beendet. Die dritte Phase der Weimarer Republik (1929 - 1933) 1 Der Völkerbund entstand nach dem Ersten Weltkrieg. Mitglieder des Völkerbundes wurden zunächst die 32 Siegermächte des Weltkrieges sowie 13 eingeladene neutrale Staaten. Oberstes Organ war die einmal jährlich in Genf tagende Bundesversammlung, in der jedes Mitglied eine Stimme besaß und bis zu drei Delegierte stellen konnte, sowie der Völkerbundsrat als wichtigstes Beschlussgremium. Nach Gründung der Vereinigten Nationen (Jungtinnės Tautos, JT) wurde der Völkerbund, der im zweiten Weltkrieg politisch ohnmächtig war, aufgelöst. Die dritte Phase der Weimarer Republik begann mit der Weltwirtschaftskrise. Am 25. Oktober 1929 kam es in den USA zum ‘’Schwarzen Freitag’’, dem größten Börsenkrach. Die Weltwirtschaftskrise führte in Deutschland zu einer Katastrophe. Viele deutsche Banken brachen zusammen, Massenentlassungen waren die Folge. Ende Oktober 1929 gab es 1, 6 Mio. Arbeitslose, im September 1931 schon 4, 3 Mio., Anfang 1933 bereits über 6 Millionen. Bereits Anfang 1929 gab es in Berlin 300 000 Arbeitslose, im Frühjahr 1932 hatte sich diese Zahl auf 600 000 erhöht. Auf dem Höhepunkt der Krise (Ende 1932) erhielt ein arbeitsloser Hilfsarbeiter eine wöchentliche Unterstützung von etwa 11 Mark. Für seine Ein - Zimmer - Wohnung ohne Bad musste er pro Monat 33, 50 Mark Miete zahlen, so dass ihm für Frau und Kind im Monat noch 18 Mark übrigblieben - zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Es begann die Jagd auf kleine Nebenverdienste wie Teppichklopfen und Botendienste für Männer, Wäschewaschen und sonstige Haushaltarbeiten für Frauen. Viele Kinder trugen vor Schulbeginn Brötchen und Milch aus, so dass sie oft für den Unterhalt der Familie sorgten. Daheim war Schmalhans Küchenmeister: Eintopgerichte dominierten, Fleisch gab es, wenn überhaupt, nur sonntags. Margarine galt als die ‘’Arme - Leute - Butter’’, Kaffee war Luxus, Malzkaffee war das Getränk der Armen. Halbe Schweineköpfe wurden gekauft und zu Sülze verarbeitet. Sülze gab es als Beilage zu den Bratkartoffeln abends. Zwei- bis dreimal klingelte an der Tür ein Bettler, im Hof oder auf der Straße erschienen Leierkastenmänner, Sänger oder Kleinartisten. Kleintierzüchter boten Brennholz gegen Kartoffelschalen. Das Elend griff immer weiter um sich. 1932 waren 25% aller Berliner in der einen oder anderen Form von öffentlichen Zuwendungen abhängig. Wer seine Miete schuldig blieb, wurde erbarmungslos exmittiert, die Exmittierten lebten in Erdhöhlen. Pro Tag registrierte man 7 Morde. Das Leben radikalisierte sich politisch. Als die Kommunisten am 1. Mai 1929 trotz eines Verbotes unter freiem Himmel demonstrierten, kam es zu einer Straßenschlacht mit der Polizei - 31 Tote! Am 9. August 1931 erschossen die Kommunisten, einer der Täter war der spätere Stasi - Minister der DDR, Erich Mielke, am damaligen Bülowplatz zwei Polizisten. Im selben Jahr verübten die Nazis auf dem Kurfürstendamm in Berlin die ersten Ausschreitungen gegen Juden, - eine Vorübung zu Pogromen der späteren Jahre. Schon 1930 war den Nazis der große politische Durchbruch gelungen: Bei den Reichstagswahlen am 14. September konnten sie die Zahl ihrer Reichstagsabgeordneten von 12 auf 107 hinaufkatapultieren und 1932 sogar auf 230. Die instabile innenpolitische Lage führte zur gefährlichen Staatskrise. Alle Gegner der demokratischen Staatsordnung beschuldigten die Regierung, das Parlament und die demokratischen Weimarer Parteien einer völligen Versagung. Es kam zum Zusammenbruch der demokratischen Staatsordnung (in den USA hat die Weltwirtschaftskrise den Sieg des Demokraten Roosevelts und des New - Deals ausgelöst!). Ist die Weltwirtschaftskrise daran schuld, dass die Nazis an die Macht kommen konnten? Die Weltgeschichte hat bewiesen, dass das Ökonomische niemals die unmittelbare Ursache einer politischen Realität ist: sie ist eine sekundäre Ursache, vermittelt durch Strukturen, Überzeugungen, Verhaltensweisen. Die Weltwirtschaftskrise war nur einer der Faktoren, der Hitler verholfen hatte, die Macht an sich zu reißen. Die instabile Lage in Deutschland hat auch Stalin ausnützen wollen. Auf Betreiben Stalins hat die Komintern beschlossen, dass die kommunistischen Parteien überall eigene Wege gehen und die Sozialdemokraten als ‘’Sozialfaschisten und Sozialverräter’’ anprangern sollten. Somit hat Stalin die einheitliche deutsche Linke in zwei Lager gespaltet und den Weg für den Sieg Hitlers geebnet. Die KPD verstieg sich nun, dem Stimmengewinn und der Wirksamkeit bei den Massen zuliebe, zu allen nationalistischen Übertreibungen und sprach vom Vertrag von Versailles, den Reparationen und dem Völkerbund in ebenso hetzerischen Ausdrücken wie die extreme Rechte. Und wer war diese extreme Rechte? Es fällt schwer, sie abzugrenzen. Am 11. Oktober 1931 trafen sich verschiedene Leute und Gruppen in Bad Harzburg zusammen, um die Ergreifung der Macht zu besprechen. Das waren: 1. Adolf Hitler und seine NSDAP; 2. Der Stahlhelm (=Der Bund der deutschen Frontsoldaten); 3. General von Seeckt, der nicht mehr Chef der Reichswehr war, aber viele Freunde dort hatte; 4. Hjalmar Schacht, der ‘’Retter der Mark’’ von 1923, der 1930 als Präsident der Reichsbank zurückgetreten war, um damit gegen den Youngplan zu protestieren; 5. Alfred Hugenberg, Führer der Deutschnationalen Partei, die für eine autoritäre Auffassung kämpfte. Er war Herr über die deutsche Presse und die größte Filmgesellschaft. Diese Menschen gründeten die ‘’Harzburger Front’’, die einen entscheidenden Faktor bei Hitlers Sieg symbolisierte: die Unterstützung von einer anderen Rechten, die stark war, weil sie Eigentum hatte. Das Großkapital wollte sich Hitlers bedienen, um wieder die starke autoritäre Staatsordnung herzustellen. Die Geschichte wird beweisen, dass sich Hitler ihrer bedienen wird. Am 27. März 1930 stürzte die Regierung, die sechzehnte seit den Wahlen von 1919. Der Reichstag war außerstande, eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden. Der Präsident löste den Reichstag auf und setzte die Notverordnung zur ‘’Sicherung von Wirtschaft und Finanzen’’ in Kraft und begann als Diktator zu regieren. Am 14. September 1930 fanden die Reichstagswahlen statt. Die NSDAP wurde mit ihrem Erdrutschsieg (18, 3% der Wählerstimmen) die zweitstärkste Partei und damit ein Machtfaktor im politischen Leben. Die KPD gewann 13,1%, die SPD 24,5%, das Zentrum 11, 8% der Wählerstimmen. Zum Reichskanzler wurde Heinrich Brüning, Zentrumschef, christlicher Gewerkschaftler und Finanzexperte. Er regierte zwei Jahre lang mit Unterstützung des Präsidenten, bald mit der Zustimmung des Parlaments, bald mit Verordnungen (įsakais). Fast von Anfang an hob eine Mehrheit aus Extremisten und Sozialdemokraten seine Verordnungen auf und zwang ihn zur Parlamentsauflösung und damit zu Wahlen, die die innen- und außenpolitische Krise verschlimmerten. Die Währungs- und Wirtschaftskrise bewirkte den Aufstieg Hitlers, der so schnell kam, dass das Zentrum, die SPD und die DDP in dem Augenblick als der Führer der NSDAP, der zuvor durch einen juristischen Dreh die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte, sich als Präsidentschaftskandidat für 1932 zu bewerben entschloss, niemand anderen gegen ihn aufstellen konnten als den alten Feldmarschall Hindenburg. Hindenburg schaffte es erst beim zweiten Wahlgang am 10. April 1932. Hitler unterlag, weil alle Parteien sich hinter Hindenburg stellten. Am 30. Mai entließ Hindenburg Brüning und ernannte Franz von Papen zum Reichskanzler, einen rechts vom Zentrum stehenden Katholiken, der ein glänzender Herrenreiter und ein jämmerlicher Politiker war, ein Günstling des Präsidenten, der jedoch keinerlei parlamentarischen Rückhalt hatte. Papen löste den Reichstag auf und ließ die uniformierten Einheiten der NSDAP wieder zu, die Brüning und sein Innen- und Wehrminister General Groener am 13. April verboten hatten. Die Gewalt auf den Straßen nahm daraufhin zu. In den Wochen vor den Wahlen vom 31. Juli 1932 wurden die Toten zu Dutzenden, die Verletzten zu Hunderten gezählt. Hitler erhielt 37, 2% der Stimmen, die SPD 21, 6%, die KPD 14, 3% , das Zentrum 12, 5%. Mit 230 Sitzen war Hitlers Partei zum erstenmal die weitaus stärkste Partei des Reichstags, dessen Präsident Hermann Göring wurde. Die NSDAP und die KPD haben zusammen die absolute Mehrheit im Reichstag. Jede Regierung kann somit durch ihre gemeinsame Opposition gestürzt werden. Doch weder die NSDAP noch die KPD noch Papen hat wirkliche Macht in der Hand. Papen löst erneut den Reichstag auf und bestimmt Neuwahlen am 6. November. Sie gehen schlecht aus für Hitler, der 2 Millionen Stimmen verliert, und auch für Papen, dem niemand unterstützt und den Hindenburg endlich opfert, ohne ihm jedoch das Vertrauen zu entziehen. General Kurt von Schleicher, Reichswehrminister im Kabinett Papen, ein seit langem einflussreicher Mann und eine vielschichtige Persönlichkeit, wird am 3. Dezember 1932 Reichskanzler. Er will die Linke durch eine fortschrittliche Sozialpolitik für sich gewinnen und gleichzeitig die NSDAP zähmen, indem er auf die Rivalitäten innerhalb der Partei setzt. Er scheitert in zweierlei Hinsicht. Einmal gelingt es Hitler, den internen Konflikt und die Finanzkrise der Partei, die ihn in diesem letzten Monat des Jahres 1932 in eine ziemlich düstere Lage bringen, zu überwinden. Andererseits ist ein großer Teil der Arbeitgeber gegen die sozialen Reformen Schleichers (denn sie werden diese Reformen bezahlen müssen) und zieht ihm von nun an Hitler vor. Am 4. Januar 1933 verbünden sich Hitler und Papen und machen ihr Bündnis publik. Am 23. Januar lehnt Hindenburg Schleichers Forderung nach Auflösung des Reichstages ab. Am 26. Januar beginnen Hitler, Hugenberg und Papen mit der Bildung der neuen Regierung. Am 28. Januar tritt Schleicher zurück. Am 30. Januar wird Hitler zum Reichskanzler ernannt. Wie reagieren die Parteien darauf? Nur die Kommunisten rufen zum Streik auf, während das Organ der SPD ( ‘’Vorwärts’’) am 31. Januar schreibt, dass der Streik als Waffe für die Freiheitsrechte des Volkes zwar legitim sei, dass man aber nicht ‘’die Munition der Arbeiterklasse zwecklos in die leere Luft’’ verschießen sollte. Wie reagieren die Leute darauf? Für sie ist es kein Umsturz. Zum Beweis die beruhigende Erklärung des neuen Kanzlers. Zum Beweis die Legalität, in deren Rahmen Hitler zum Kanzler ernannt worden ist. Zum Beweis die Zusammensetzung seiner Regierung: Papen ist Vizekanzler, Hugenberg Wirtschaftsminister, Baron von Neurath bleibt Außenminister, desgleichen die Minister der Finanzen und der Justiz. Neu ist der Arbeitsminister, aber er ist Vertreter der patriotischen Organisation ‘’Stahlhelm’’. Nur ein NSDAP Mitglied, W. Frick, wird Innenminister. Hermann Göring ist Innenminister von Preußen. Erst im März wird für Joseph Goebbels ein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda gegründet. Wer hatte schon den Verdacht, dass man mit der Polizei (H. Göring) und dem Informationsapparat (J. Goebbels) die wahre Macht hat? Wie war die Einstellung der Kirchen zu diesen Ereignissen? Der Anbruch der Weimarer Republik 1919 änderte nichts am tief eingewurzelten Konservatismus bei der Mehrheit des deutschen Protestantismus. Die Protestanten wollten keine Regierung akzeptieren, in der die Sozialdemokraten und die katholische Zentrumspartei eine so dominierende Rolle spielten, deswegen unterstützten sie hartnäckig den Monarchismus, somit auch nationalsozialistische und antirepublikanische Bewegungen. Sie fürchteten einen kommunistischen Umsturz und fanden Interesse an der anwachsenden nationalsozialistischen Bewegung. Die Katholiken nahmen in der Weimarer Republik auch eine ambivalente Haltung ein. Die Zentrumspartei beteiligte sich an der Koalitionsregierung bis 1924, dann wurde sie opportunistischer und ging schließlich ein Bündnis mit den Rechten ein. In den Jahren 1930-33 waren es konservative Zentrumspolitiker, die Kurs auf Hitler nahmen und ihm bei der Durchsetzung des Ermächtigungsgesetzes halfen. Die Weimarer Republik war der erste praktische Versuch in der deutschen Geschichte, auf dem Boden des Deutschen Reiches eine demokratische Staatsform zu errichten. Der Versuch war gescheitert, die junge Republik ging nach 14 Jahren in der Hitler - Diktatur unter. Warum scheiterte die Weimarer Republik? Es gab mehrere Gründe: 1. Die Weimarer Republik entstand nicht so sehr von innen als Ergebnis der Novemberrevolution 1918 und des Bürgerkrieges 1919, sondern vielmehr durch Anstoß von außen, weil die Siegermächte es abgelehnt hatten, mit dem Kaiser Friedensverhandlungen aufzunehmen. Die Demokratien entstehen recht selten aus Niederlagen; 2. Die jungen Parteien, die in den Wahlen zur Nationalversammlung im Frühling 1919 gesiegt hatten und bereit waren, den jungen demokratischen Staat zu tragen, waren schockiert, nachdem sie die Friedensbedingungen von Versailles erfahren hatten. Das war kein Vertrag auf der Grundlage der Gleichberechtigung und Völkerverständigung. Von nun an standen diejenigen, die für diese demokratische Republik eintraten, mit dem Rücken zur Wand und mussten sich stets gegen die Angriffe von der Linke und der Rechte wehren. Niemals konnte die Weimarer Republik die nationale Erniedrigung durch den Versailler Vertrag verkraften. Denn jetzt war Deutschland nicht nur als Verlierer, sondern auch als Schuldiger abgestempelt. Diese doppelte Ächtung des Besiegten geschah aber in demselben Augenblick, als seine staatliche Organisation endlich den Normen entsprach, auf die sich die Sieger beriefen. 3. Das vorherrschende Merkmal des Weimarer Systems war der Umstand, dass der Staat von Kräften beherrscht war, denen die Verfassung keinen Platz eingeräumt hatte, nämlich den politischen Parteien. Es gab keine 5 - Prozent - Klausel bei den Parlamentswahlen, deswegen konnte jede Partei ihre Deputierten zum Reichstag entsenden. 1932 gab es z. B. 38 Parteien, obwohl nur 3 Parteien die Demokratie unterstützten (die SPD, das Zentrum und die Deutsche Demokratische Partei). 4. Die Justiz unterstützte die nationale Einheit und somit die Rechten. Sie war streng mit den Männern und Parteien, die Kompromisse mit den Siegern befürworteten und die mit ihrer Forderung nach sozialen Veränderungen in ihren Augen die Einheit der Nation gefährdeten. 5. Die Weimarer Reichsverfassung enthielt mehrere schwache Punkte: a) sie machte den Reichspräsidenten omnipotent, zu einer Art Ersatzkaiser; b) Es war kein System parlamentarischer Mechanismen und Kontrollen1 ausgearbeitet, mit dem man den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und den Reichstag kontrollieren könnte. Somit konnte sich die Weimarer Republik leicht zur Monarchie oder zur Diktatur degenerieren, was 1933 auch geschah. c) Die Weimarer Verfassung beruhte auf dem Groener - Ebert - Pakt, d. h. dem lebenswichtigen Bündnis von Sozialdemokratie und Reichswehr. Die Sonderstellung der Reichswehr machte sie zum ‘’Staat im Staate’’. 5. 4. DAS DRITTE REICH (1933 - 1939) Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Warum kapitulierte Deutschland, das allgemein zu den zivilisiertesten Nationen Europas gezählt wurde, vor einem Mann, der alle Werte der Zivilisation verachtete. Es gab mehrere Gründe: 1. Die Weimarer Republik fand im Volk keine Unterstützung wegen: a) der strukturellen, rechtlichen und psychologischen Mängel der Republik, z. B. Reichspräsident Hindenburg setzte ohne Beteiligung des Parlaments seit 1930 Reichskanzler ein und entließ sie wieder, Verwaltung und Justiz funktionierten als Folge unvollendeter Revolution von 1918 mangelhaft; b) ihrer ungeheuren wirtschaftlichen Probleme. Die Arbeiterparteien und Gewerkschaften waren durch die Massenarbeitslosigkeit geschwächt. Die Gesellschaft bestand aus Arbeitslosen und Superreichen; 1 Wie z. B. in der BRD: Die 5 - Prozent - Klausel im Wahlrecht, die Einrichtung eines obersten Verfassungsgerichts, die Unterordnung des militärischen unter die zivile Führung, die Institution des konstruktiven Misstrauensvotums sowie Ausdrucksformen direkter Demokratie wie Referendum und Volksentscheid. c) ihrer untergeordneten Stellung in Europa; d) der Verantwortungslosigkeit der politischen Parteien sowie der allgemeinen Schwäche ihrer Führung. Außerdem waren die SPD und die KPD verfeindet. Der verlorene Krieg machte die Deutschen zu Nationalisten und Revanchisten. Deswegen dominierte die antidemokratische Tradition in der Reichswehr 2. Die Panik des deutschen Bürgertums vor der anflutenden Welle der bolschewistischen Revolution. Diese große Angst hatte ihre tiefere Ursache in einer Furcht vor der Moderne. Der technisch - ökonomische Prozess der Modernisierung und das unbarmherzige Vorrücken von Industrialisierung und Urbanisierung hatte radikale Veränderungen kultureller und moralischer Wertvorstellungen zu Folge. Es führte zur Spätromantik (Agrarromantik und Kulturpessimismus), zum sozialen Ressentiment und zur rassistischen Antipathie. Eben darum: a) wollte die Reichswehr die Demokratie nicht unterstützen; b) unterstützte die Wirtschaft in Teilen Hitler; c) stand die Landwirtschaft unter nationalsozialistischem Einfluss; d) betrachtete die Beamtenschaft die Machtübernahme der Nazis als legal (es gab so wenig Demokraten in Deutschland!). Der Liberalismus war bereits politisch zerrieben worden. 3. Die Intellektuellen sahen im Programm Hitlers nur die erste Komponente des Nationalsozialismus. Den Sozial - Nationalismus erkannten nicht alle und man brauchte einen ganz außerordentlichen Scharfblick und Tiefblick, hinter diesen zwei Komponenten den Radikal - Faschismus, die künftiger Katastrophe, zu erkennen. 4. Die katholische Kirche interessierte sich für ihre kirchlichen Organisationen, nicht für die Verteidigung der Demokratie. Die protestantische Kirche unterstützte den Nationalsozialismus; 5. Die meisten Deutschen profitierten materiell und psychologisch von den ersten 6 Jahren der Herrschaft Hitlers, worauf jeder sofort hinwies, wenn jemand Hitler kritisieren wollte. Diese Zuneigung der Deutschen, die sich Hitler durch die positiven Leistungen der Vorkriegsjahre (1933-39) verschafft hatte, war bemerkenswert beständig gegenüber Vernunft und Realität; 6. Die Weltwirtschaftskrise half Hitler in doppelter Weise: a) sie lieh dem Traum vom autarken Reich mehr Plausibilität; b) sie erlaubte es den Nazis, zusätzlich mit Parolen und Verheißungen zu arbeiten, die mit dem Radikal Faschismus und dem NS - Expansionismus überhaupt nichts zu tun hatten. 7. Das wichtigste war, dass das deutsche Volk reif war für Hitler. Er war eine Projektion der in der deutschen Seele schlummernden Kräfte, eine Art höchster Ausdruck des deutschen Romantizismus. ‘’Er (=Hitler) war kein Zufall oder Irrtum oder Fehlgriff der Geschichte. Er war die einzige Lösung. Er war Deutschland und Deutschland war er im Europa des 20. Jahrhunderts’’ (Hans Jürgen Syberger). 8. Nationalsozialismus war eine Protestbewegung gegen den Liberalismus. Den Hauptwiderspruch des Liberalismus - die politische Schwäche, die materialistische Weltanschauung und das Fehlen des Gefühls der Gemeinschaft - versuchte der Nationalsozialismus zu lösen durch: a) einen starken Staat; b) die Individualität der Nation (nacionalinis išskirtinumas); c) eine ‘’Volksgemeinschaft’’ (tautinė bendrija). 9. Es gäbe keinen Nationalsozialismus ohne Hitler: a) Hitler war Verkörperung von Wille und Tatkraft (im Gegensatz zu Weimarer Republik), und auch seine NSDAP war vielmehr eine Religion der Hoffnung als eine gewöhnliche politische Organisation, eine stetig anwachsende Schar wahrer Gläubiger, die sich im Glauben an ihren Führer verbunden wußte. Die NSDAP: I) wollte nichts gemein mit den parlamentarischen Parteien haben, die die wirtschaftliche Krise nicht beheben konnten; II) war entschlossen, die ‘’Schmach von Versailles’’ auszulöschen; III) berief sich auf Rassismus, Antisemitismus und übersteigerten Nationalismus, was aber die Ideologie der deutschen Volksgemeinschaft stets war. b) Hitler war der einzige deutsche Politiker, der öffentlich gegen den Versailler Vertrag und die Reparationspolitik auftrat; c) Hitler war ein begabter Gesellschaftler, der die Fähigkeit hatte, sich bei den unterprivilegierten und grollenden Schichten des Volkes beliebt zu machen und ihre Unterstützung auch in Notzeiten zu erhalten; d) Hitler hatte ein superbes Gespür für den richtigen Zeitpunkt, eine fast unheimliche Fähigkeit, Fehler politischer Gegner zu seinem Vorteil auszunützen und besaß Schnelligkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der er die relativ begrenzte Macht ausdehnte, die ihm im Januar 1933 gegeben worden war, so dass er innerhalb eines Jahres Herr der Nation war; e) Der Schlüssel zu Hitlers politischem Aufstieg lag in seiner erstaunlichen Rednergabe. Seine Reden waren zwingend kraftvoll, trivial, emotional und vulgär. Das Geheimnis lag in der magischen Verbindung, die gleich nach den ersten Sätzen zwischen dem Redner und dem einzelnen Zuhörer hergestellt wurde. Hitler artikulierte die oben im Punkt 2 genannten Gefühle der Besorgnis der Deutschen, er mobilisierte und verlieh Richtung und Stoßkraft diesen Besorgnissen. Er artikulierte jedermanns geheimen Kummer, jedermanns verborgenes Verlangen und die kollektive Stimmung, so dass die Menschen sich wie elektrisiert in ihm wiedererkannten. Er hat am besten die psychischen, gesellschaftlichen und ideologischen Grundantriebe der nationalsozialistischen Bewegung zum Ausdruck gebracht. Er war niemals nur ihr Führer, sondern stets auch ihr Exponent. Er war gleichzeitig die Verkörperung des ‘’rückwärtsschauenden Utopismus’’ von Millionen seiner Landsleute und der Verheißung, dass die Vergangenheit zurückgeholt werden würde mittels einer entsprechenden Rache an all denen, die Deutschland in diese kritische Lage gebracht hatten. Nehmen wir z. B. seine Rede vom 28. April 1939. Hitler rühmte sich, er habe das Chaos in Deutschland überwunden, die Ordnung wiederhergestellt, die Produktion in allen Industriezweigen gesteigert, die Arbeitslosigkeit beseitigt, das deutsche Volk politisch und moralisch vereinigt, somit hat er den Versailler Vertrag annuliert, dem Reich die 1919 verloren gegangenen Gebiete wiederangegliedert, Millionen von unglücklichen Deutschen aus fremder Herrschaft ins Vaterland zurückgeführt, und alles das ohne Blutvergießen, und alles aus eigener Kraft, obwohl er 21 Jahre zuvor ein unbekannter Arbeiter und Soldat gewesen sei. Der Hörer konnte nur eines schlussfolgern: trotz einer ekelhaften Selbstbeweihräucherung stimmt ja alles, oder fast alles. Muss ich jetzt ihn ablehnen, ohne alles, was er geleistet hatte? dachte ein Deutscher. Das ist die Antwort auf die Frage der heutigen Jugend. Hitlers bellende und geifernde Reden, die heute Ekel und Lachreiz erzeugen, hatten damals oft einen Tatsachenhintergrund, der dem Hörer innerlich die Widerrede verschlug. Es war dieser Tatsachenhintergrund, der wirkte, nicht das Bellen und Geifern; f) Hitler bot seinem unpolitischen Volk, das der Politik misstraute und dessen Antipathie durch das korrupte und ineffektive Parteienwesen der Weimarer Zeit gerechtfertigt zu sein schien, Rettung mit Hilfe der Kunst und des Mythos. Er hatte sich immer eher als Künstler gesehen denn als Politiker. Hitler ersetzte die üblichen prosaischen Ziele des Alltagspolitikers durch die großartige Konzeption eines deutschen Schicksals und hob die Rituale der Politik durch ihre Dramatisierung ins Ästhetische. Er hatte einen feinen Sinn für Psychologie, denn er gab den öffentlichen Angelegenheiten durch unentwegte Vernebelungspraktiken, durch theatralische Szenerien, Rausch und Vergötzungstumult die vertraute Gestalt zurück. Ihr treffendes Symbol waren die Strahlendome: Wände aus Magie und Licht gegen die finstere, drohende Außenwelt. Hitler hat der Politik den großen Schicksalston wiedergegeben und sie mit einem Element des Schauderns gemischt, was ihm Beifall und Anhängerschaft eingetragen hat, obwohl viele Deutsche seinen Raumhunger, seinen Antisemitismus, seine vulgären und brutalen Züge, die ihm anhafteten, nicht teilten; g) Er hat viel in der ersten Phase seiner Herrschaft (1933-39) dem deutschen Volk gemacht. Die Macht des Führers über das deutsche Volk wurde natürlich nach Kriegsausbruch 1939 durch patriotische Gefühle auf der einen und durch die Brutalität seines Systems und sein Gewaltmonopol auf der anderen Seite verstärkt. Aber die fortdauernde Loyalität vieler Deutscher war eine persönliche, eine Bereitschaft, allen Tatsachen zum Trotz zu glauben, dass der Mann, der in seinen ersten Jahren so viel für sie getan hatte, nichts falsch machen konnte und irgendwie siegreich und unbefleckt aus dem Kampf hervorgehen und seine Feinde und Verleumder beschämen würde. h) Seine negativen Seiten waren Antisemitismus, Fremdenhass usw. Er war schon von seiner Natur her auf Selbstzerstörung ausgerichtet und verließ ab 1939 die Welt der vernunftmäßigen Politik und widmete sich diesem Endziel. Er war in der Außenpolitik und bei seinem Eroberungsprogramm getreulich den Richtungen gefolgt, die er in seinen Reden der 20er Jahre, in ‘’Mein Kampf’’ und in seinem zweiten Buch von 1928 dargelegt hatte. Ebenso hielt sich auch Stalin bis zum Ende konsequent an den Leninismus. Hitlers Gefolgsleute und seine engsten Mitarbeiter (Göring, Himmler) wollten manchmal den nationalsozialistischen Ideen Hitlers keine Zustimmung geben. Hitler blieb aber bis zum Ende entschlossen und handelte sehr schnell (Entschlossenheit und Tempo waren die typischen Merkmale der Außenpolitik Hitlers). Ohne den konsequenten Kriegs- und Eroberungswillen dieses einen Mannes wäre es für die europäischen Staaten wohl nicht notwendig geworden, den Macht- und Herrschaftsansprüchen des nationalsozialistischen Deutschlands mit Waffengewalt zu begegnen. Merken Sie sich: Ohne Hitler kämen die Nationalsozialisten nie an die Macht! Historiker Helmut Heiber schreibt am Ende seiner Hitler - Biographie: ‘’Denn es gab und gibt keinen Nationalsozialismus außer Hitler. Beides ist identisch. Hitler war der Nationalsozialismus, und der Nationalsozialismus ... war nichts weiter als die Projektion des Willens jenes Mannes Adolf Hitler...’’ Ohne Hitler gäbe es auch nie eine ‘’Endlösung der Juden’’ (den Holocaust). Lord Bullock, ein weltberühmter Autor1, sagte: ‘’Für mich ist Stalin die einzige Person in der Geschichte Europas, die man überhaupt neben Hitler stellen könnte. Pol Pot ist weit von 1 Er hat den Weltbestseller ‘’Hitler und Stalin.. Parallele Leben’’ verfasst. Siehe Literaturverzeichnis. diesen zwei Persönlichkeiten entfernt. Es gibt bestimmte gemeinsame Züge zwischen Hitler und Stalin, aber auch viele Unterschiede. Man kann das Massaker der Kulaken von Stalin in den 30er Jahren der Vernichtung der Juden von Hitler gleichstellen. Es geht mir dabei nicht um die Zahl der Opfer, sondern vielmehr darum, wer diese Opfer waren. Das Schicksal des Menschen war in beiden Fällen entschieden, wenn man nur sagte : ‘ Er ist Jude bzw. Kulak’. Dabei wusste niemand genau, was denn das eigentlich ist, ein Kulak. In beiden Fällen haben wir mit den Parteien und Staaten zu tun, für die die Existenz eines Menschen nichts bedeutete ’’2. Wer war überhaupt dieser Adolf Hitler? Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau / Inn als Sohn eines österreichischen Zollbeamten geboren. Er verließ die Realschule ohne Abschluss. Er ging nach Wien und wollte Maler werden. Er legte die Aufnahmeprüfungen leider nicht ab. Bis 1913 lebte er von einer Waisenrente (sein Vater war 1905 gestorben) und vom Verkauf selbstgemalter Postkarten. Er war eine gescheiterte Existenz. Bei Ausbruch des Krieges meldete er sich freiwillig zum bayerischen Heer. Als Soldat an der Westfront war er mehrmals wegen der Tapferkeit ausgezeichnet und im Oktober 1918 schwer verwundet. Nach dem Krieg blieb er beim Militär als Propagandist. Er hatte den Auftrag, politische Veranstaltungen zu besuchen und darüber seinen Vorgesetzten Bericht zu erstatten. Er selbst sollte auch propagandistische Vorträge vor Soldaten halten. Da entdeckte er sein Rednertalent. Ende 1919 trat Hitler der kleinen rechtsradikalen Deutschen Arbeiterpartei (DAP) bei. Als Agitator dieser Splitterpartei erzielte Hitler sehr schnell bemerkenswerte Erfolge. Er redete vom Versailler Vertrag und den Verrätern, den Sozialdemokraten, die ihn unterschrieben haben, und vor allen Dingen über den verderblichen Einfluss der Juden. Am 24. Februar 1920 besuchten etwa 2000 Menschen eine Großveranstaltung der DAP in München. Da nannte Hitler den Zuhörern den neuen Namen der ehemaligen DAP. Sie hieß jetzt Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Die Mitgliederzahlen stiegen, die NSDAP wurde schon außerhalb München, ja sogar außerhalb Bayern gegründet. Am 29. Juli 1921 wurde Hitler der alleinige Vorsitzende der NSDAP. Zu den Mitgliedern zählten schon Dietrich Eckart, Alfred Rosenberg und Ernst Röhm, der Hauptmann im Stab des Wehrkommandos VII. E. Röhm beschaffte 16 000 Reichsmark für den Ankauf einer Zeitung, die Völkischer Beobachter hieß. Über Röhm und Eckart gewann Hitler Kontakte zu bayerischen Politikern, die mit der Berliner Reichsregierung unzufrieden waren. Im November 1923 überredete Hitler sie zum Putsch gegen die Reichsregierung. Am 8. November sagten sich die bayerische Regierungschef Gustaw Ritter von Kahr und der Wehrkreisbefehlshaber von Lossow von Hitler los. Am 9. November 1923 begann der Hitlerputsch, die Landespolizei schoss auf die Demonstranten und tötete 16 Mann. Hitler versteckte sich, wurde aufgespürt und verhaftet. Am 1. April 1924 fand der Prozess statt. Hitler wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Presse schrieb viel von ihm, er wurde in ganz Deutschland bekannt. Im Gefängnis verfasste er sein programmatisches Buch ‘’Mein Kampf’’. Am 20. Dezember 1924 wurde er aus dem Gefängnis vorzeitlich entlassen und konnte seine NSDAP neu gründen, denn sie war nach dem Putsch verboten. Im Programm der Partei behielt Hitler die nationalistischen, antidemokratischen, antisozialistischen und antisemitischen Programmpunkte. Er versicherte überall, seine Partei werde auf legalem und nicht gewaltsamem Wege die Macht erringen. Doch bis 1933 verzichtete Hitler nie auf Gewalt. Am 17. Juli 1932 töteten die SA-Männer 14 Kommunisten. Am 9. August haben 9 SA-Männer den Kommunisten polnischer Herkunft, Potempa, in seinem Haus überfallen und ihn vor den Augen seiner Mutter bestialisch zu Tode getrampelt. Hitler distanzierte sich von diesem Verbrechen nicht. Umgekehrt, in einem Solidaritätstelegramm erklärte er diesen ‘’Kameraden’’, dass er mit ihnen in ‘’unbegrenzter Treue verbunden ‘’ sei. Entscheidend für den Aufstieg der NSDAP waren die äußerst geschickten Propaganda - Aktionen der Partei. Sie waren besonders während der Weltwirtschaftskrise wirkungsvoll. 1928 hatte Hitler 12 Mandate im Reichstag und 2, 6% der Wählerstimmen. Am 14. September 1930 wurde die NSDAP mit einem Schlage zur zweitstärksten Partei mit 107 Abgeordneten im Reichstag. Am 31. Juli 1932 erhielt Hitler 37, 4% der Stimmen und hatte 230 Mandate. Warum haben die Deutschen Hitler gewählt? Es gibt folgende Theorien: 1. Manche Historiker vertreten die Ansicht, dass es innerhalb der deutschen Geschichte einen von Luther bis Hitler verlaufenden Irrweg gegeben habe. Wer war an diesem Irrweg schuld? Man suchte nach einem Sündenbock und man fand ihn in Gestalt der Juden. Jetzt sollte ein Mann mit eisernem Willen kommen und sie ausrotten. Dieser Mann war Hitler. Kritik dieser Theorie: In diesem Falle wird die Geschichte Deutschlands als eine Art Einbahnstraße betrachtet. Schließlich gab es ja Nationalsozialisten nicht nur in Deutschland, sondern auch in 2 Die Zeit, 2. 09. 1989 Frankreich, Großbritannien, Italien, Litauen. Es gab auch verschiedene Alternativen der deutschen Entwicklung, z. B. während der Revolution von 1848-49. 2. Die NSDAP wäre von den Angehörigen des Mittelstandes unterstützt und gewählt worden. Kritik: Das stimmt, aber die NSDAP war nicht die Partei des Mittelstandes, denn diese Partei wurde auch von Mitgliedern der Oberschicht und selbst der Arbeiterschaft gewählt und unterstützt worden. 3. Die NSDAP habe mit ihrer Propaganda die psychischen Ängste und Sehnsüchte der Deutschen angesprochen. Die NSDAP habe alle Neurotiker wie Magnet angezogen. Kritik: Die neusten soziologischen Forschungen belegen, dass es unmöglich ist, politisches Handeln allein und ausschließlich auf psychische Ursachen zurückzuführen. Neurotiker gab es und gibt es in jeder Partei. 4. Die NSDAP sei Agent des Kapitalismus, der Bankiers und der Industriellen gewesen. Kritik: Hitler kam 1933 zweifellos mit Zustimmung und unter aktiver Unterstützung einflussreicher industrieller Kreise zur Macht. Seit 1930 hat die NSDAP bedeutende finanzielle Zuwendungen von der deutschen Industrie erhalten. Später, im 2. Weltkrieg, profitierte die deutsche Industrie an der Aufrüstung, Zerschlagung der Arbeiterorganisationen und an der Ausplünderung europäischer Länder. Kritik: Größere Zahlungen von einzelnen Industriellen an die NSDAP sind erst zu einem Zeitpunkt nachweisbar, als die Partei bereits über eine Massenbasis verfügte. Es gilt als bewiesen, dass sich die NSDAP vor 1933 selbst finanzierte und aus Mitgliedsbeiträgen und Eintrittsgeldern gelebt hat. Eben das ermöglichte Hitler später, als er zur Macht gekommen war, relative Selbständigkeit zu erhalten und die Punkte seines ideologischen Programmes zu verwirklichen, die mit den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Industrie und der Wehrmacht in Einklang standen. Das trifft vor allem auf die Rassenzüchtung und Rassenvernichtung zu. Ausschwitz und systematische Ausrottung des europäischen Judentums sind nicht durch ökonomische Nutzen zu erklären. 5. Frauen hätten durch ihre Stimmabgabe Hitler zur Macht gebracht und ihn besonders intensiv unterstützt, ja verehrt. Kritik: Das sei eine böswillige Legende. Die Zahl der Frauen, die Widerstand und Resistenz gegenüber dem Nationalsozialismus geleistet haben, ist groß. 6. Manche sowjetische Historiker behaupten, Hitler wäre ein Clown, eine lächerliche Figur in der Gewalt der Großkapitalisten gewesen. Diese Idee vertritt z. B. der berühmte sowjetische Filmregissieur und Dokumentarist Iwan Romm, z. B. in seinem Film ‘’Der gewöhnliche Faschismus’’. Kritik: Sehr viele steinreiche Großkapitalisten und Bankiers waren Juden. Hitler war kein Clown der Juden! Als Hitler am 30. Januar 1933 zur Macht gekommen war, verfolgte er zwei Ziele: a) Ausschaltung feindlicher oder konkurrierender politischer Gewalten. Dies wurde durch eine Reihe von Gesetzen erreicht; b) Die völlige Vernichtung politischer Gegner durch terroristische und pseudolegale Methoden. Für die Verwirklichung dieser Ziele schuf Hitler folgende Terrororganisationen: 1. Die Sturmabteilung (SA). Sie erschien zum erstenmal 1921 auf der politischen Bühne. Sie vereinte ehemalige Frontkämpfer und all die, die mit Fäusten und Knüppeln für den Nationalsozialismus ‘’kämpfen’’ wollten. Die Taktik bestand darin, die Feinde so lange zu provozieren, bis sie sich zur Saaloder Straßenschlacht stellten. Diese Truppe trank Bier, Schnaps und stand ständig unter ideologischem und Alkoholrausch. Goebbels formulierte als Gauleiter von Berlin (seit 1926): ‘’Wer die Straße erobern kann, kann auch die Massen erobern, und wer die Massen erobert, der erobert damit den Staat.’’ Die SA-Männer hausten gemeinsam in Unterkünften und verbrachten ihre Zeit in ‘’Sturmlokalen’’. Sie bildeten eine ‘’verschworene Gemeinschaft’’ (prisiekusiųjų bendrija) mit einem Stallgeruch aus Schweiß, Blut und Bier. Alles beherrschte die Bandenmentalität, die man ‘’SA-Geist’’ nannte. Die Beziehungen zwischen Hitler und den soldatischen Führern der SA waren nicht immer gut. Die SA war eine paramilitärische Truppe und wollte an die Macht. Nach dem 1. Weltkrieg waren die Frontkämpfer vergessen, verlacht und verspottet. Deswegen wollte die SA eine sozialistische Revolution machen, nach der sie alle Privilegien hätten. Hitler brauchte eine paramilitärische Truppe, aber sie sollte zugleich mehr eine politische Truppe sein und ihm, dem Parteichef, blind gehorchen. Er wollte den Nationalsozialismus für alle Deutschen (Hitler legte Akzent auf die erste Komponente des Wortes, den Nationalismus, nicht auf den zweiten Teil des Wortes, den Sozialismus), nicht für die SA-Männer allein. Und so entstanden Konflikte zwischen Hitler und den Führern der SA. Hitler hat sich aus der SA ihm ergebene Leute ausgesucht und bildete aus ihnen den ‘’Stoßtrupp Adolf Hitler’’ (smogiamoji grupė) , der später zur SS (Schutzstafel, apsaugos dalis) umbenannt wurde und die die SA-Führer hinrichtete. Die SA-Männer waren schlecht finanziert, sie waren unzufrieden, dass die SA- und NSDAP-Bonzen von Hitler gegängelt und finanziell unterstützt waren. Ihre Unzufriedenheit wuchs mit jedem Tag. Sie wurden von der Partei mit den Hoffnungen an die Machtübernahme gespeist. Als die Macht 1933 errungen war, gab man ihnen 50 000 Häftlinge als Belohnung. Man ernannte am 22. Februar die SAMänner zu ‘’Hilfspolizisten’’. Sie trieben diese 50 000 Kommunisten und Sozialisten in die sog. wilden Konzentrationslager1 (es waren Kasernen und Lokale der SA und SS) zusammen, folterten und ermordeten sie alle bestialisch. Aber die echte Belohnung - Geld, Privilegien, Eigentum - blieb aus. Es baute sich das Konfliktpotential auf. Die SA begann nach einer ‘’zweiten Revolution’’ ohne Hitler zu fordern. 1933 hatte die SA 4 Mio. Mann. Sogar Hitler begann, sich vor ihr zu fürchten. Ihr Führer, Ernst Röhm, entwickelte Pläne eines Volksmilizheeres und nutzte die Unruhe in der SA, um Druck auf Hitler auszuüben. Hitler brauchte aber weder die zweite Revolution noch ein Volksmilizheer. Er brauchte politische Ruhe und eine Berufsarmee als Kern der künftigen Wehrmacht für seine weitreichenden Eroberungspläne. Er wählte in diesem Dilemma die Gewaltlösung. Am 30. Juni 1934 (=Die Nacht der langen Messer2) ließ er seine SS auf die SA los. Er beschuldigte die Führung der SA des Putsches gegen den Führer (Hitler) und der Homosexualität (dafür gab es in Hitler - Deutschland die Todesstrafe). Alle SA-Führer wurden verhaftet, verurteilt und hingerichtet. Nach diesem inszenierten Röhm - Putsch sank die SA zur purer Hilfstruppe ohne nennenswerten Einfluss auf das politische Geschehen herab. Erst 1938 schlüpfte die SA noch einmal in der ‘’Kristallnacht’’ in ihre alte Brutalrolle der ‘’Kampfzeit’’. Welche Rolle spielte die SA in dem Hitler - Staat? a) Sie prägte nicht nur den Aufstieg des Nationalsozialismus, sondern mit ihrem Millionenheer von Sammelbüchsenrasselern, Blockwarten, Luftschutzmännern in Braunhemd das gesamte Bild Deutschlands auch nach 1934. Bis 1939 war Hitlerdeutschland ein SA-Staat, von 1939 ein SS-Staat. b) Sie diente der Droh- und Einschüchterung der Gegner der NSDAP. c) Sie diente als ein Blutzeuge der NSDAP- Bewegung. Hitler trat bis zum 2. Weltkrieg gern im Braunhemd auf, die Marschsäulen der SA prägten die Reichsparteitage, der SA-Mann Horst Wessel hat die Hymne der NSDAP geschrieben). d) Die SA war neben der Hitlerjugend (HJ) die wichtigste Trägerorganisation des faschistischen Regimes (fašistinio režimo svarbiausiasis reiškėjas). e) Sie war nach dem Röhm - Putsch wehrtüchtigend tätig (d. h. militärische Sportorganizacion, laisvanoriška karinė sporto organizacija, Sovietų Sąjungoje tai buvo ДОСАФ). Ihr Sportabzeichen (ab 1939 Wehrabzeichen) wurde 1935 von Hitler erneuert mit der Maßgabe, dass es auch von Nichtmitgliedern der NSDAP erworben werden könnte. Die Prüfung für dieses Abzeichen galt zugleich als Nachweis politischer Zuverlässigkeit. Dieses Alibi nutzten bis zum Krieg 1, 5 Mio. Nichtmitglieder. f) Sie diente indirekt (wie die Wehrmacht) als Parteiflucht (išsisukimas nuo prievartinio stojimo į NSDAP). Ein SA-Mitglied war noch keineswegs ein NSDAP-Mitglied. g) Sie verdeckte hinter ‘’brauner’’ Fassade den Umbau des Reiches zum totalen ‘’scharzen’’ SS-Staat. Nach der ‘’Nacht der langen Messer’’ machte die nazistische Propaganda Hitler zum Richter. Das Recht verlor seine Bedeutung, das Individuum als Person auch. Goebbels verkündete: ‘’Du bist nichts, dein Volk ist alles’’. Die Kultur hatte nur einen Sinn als Dienst dem Volk und seinem Führer und als deren Glorifizierung. Der große Scheiterhaufen von Berlin am 10. Mai 1933, auf den unter Bannflüchen Tausende von Büchern geworfen wurden, symbolisierte den Bruch mit der bisherigen lebendigen Kultur. Was hieß Bedürfnis nach freier künstlerischer oder wissenschaftlicher Forschung? Der größte Philosoph des 20. Jh., Martin Heidegger, sagte es den Studenten der Universität, deren Rektor er war: ‘’Nicht Lehrsätze und Ideen seien die Regeln eures Seins! Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz’’. 1936 wurd für Jugendliche der Eintritt in die Hitlerjugend Pflicht. 2. Die zweite Terrororganisation war die Schutzstaffel (SS). Es war nur dem Führer ergebene Garde. Sie war eine der Hauptstützen des Nationalsozialismus. Sie entstand 1925 als Eliteorganisation der SA. Seit 1929 stand an ihrer Spitze Heinrich Himmler, Reichsführer SS. Nach der Ermordung E. Röhms wurde 1 Konzentrationslager (KZ) sind Massenlager zur Internierung und Ermordung politischer und sozialer Gegner einer Gewaltherrschaft. Sie entstanden während der Kolonialherrschaft in Afrika zur Abschreckung und Internierung von Freiheitskämpfern und Aufständischen. Die Deutschen haben ihr erstes KZ 1904 beim Aufstand der Nama errichtet. Stalin perfektionierte das von L. Trotzki und Lenin in Europa eingeführte System von Straf- und Arbeitslagern, wo Millionen politischer Gegner ums Leben kamen (Archipel Gulag). Zum Synonym für Menschenverachtung wurden die KZ durch Greueltaten der Nationalsozialisten, die KZ ab Ende 1941 zum systematischen Massenmord am jüdischen Volk (5, 8 Mio. Ermordete) und an Nicht Juden (500 000 Tote) nutzten. Nach dem 2. Weltkrieg gab es KZ in der UdSSR, in Algerien (von Franzosen errichtet), in Griechenland und Chile sowie in Bosnien - Herzegowina während des jugoslawischen Bürgerkrieges Anfang der 90er Jahre. Lies dazu in: G. Schwarz: Die nationalsozialistischen Lager, 1990. 2 Ausführlich können Sie darüber im gleichnamigen Roman von H.H. Kirst nachlesen. Dieser Schriftsteller verfasste Duzende von Romanen, die alle Bestseller sind, zum Thema Hitler - Deutschland. die SS eine selbständige Organisation. Neben der Allgemeinen SS bestand noch die SSTotenkopfverbände, die die Bewachung der KZ durchführten, sowie die SS-Verfügungstruppe, die 1940 in die Waffen-SS umgewandelt wurde und bis Kriegsende eine Stärke von etwa 580 000 Mann erreichte. Die Verschmelzung der SS mit dem Staatsapparat äußerte sich u.a. in der Ernennung Himmlers zum Chef der Polizei (1936), der Zusammenfassung von Gestapo, Sicherheitsdienst der SS (SD) und Kriminalpolizei im Reichssicherheitshauptamt (RSHA, Reicho vyriausioji saugumo valdyba) und der Übernahme aller Beamten der Gestapo und Kripo in die SS (1939). Die SS wurde direkt von den Industriellen, dem sog. ‘’Freundeskreis Reichsführer SS’’ unterstützt, die seit 1936 jährlich etwa 1 Mio. RM spendeten. Die SS war an der ‘’Endlösung der Judenfrage’’, der über 6 Mio. Menschen zum Opfer fielen, an den Deportationen, Massenerschießungen, Vergasungen usw. führend beteiligt. 1946 erklärte der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg die SS zur verbrecherischen Organisation. 3. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Die Gestapo wurde am 26. April 1933 aus der Abteilung IA des Berliner Polizeipräsidiums geschaffen und dem preußischen Innenminister, Germann Göring, unterstellt. Am 30. November 1933 erhielten die 250 Beamten und Angestellten der Gestapo noch weiter reichende Befugnisse. Gegen ihre Maßnahmen konnte man sich weder beschweren noch gerichtlich vorgehen. 1934 wurde Gestapo Himmler unterstellt und 1939 als Amt IV (Leiter H. Müller) dem RSHA der SS angegliedert. Die Gestapo verfolgte alle oppositionellen Kräfte. Sie wandte unmenschliche Methoden an (Folterung, Mord, Einweisung zur ‘’Schutzhaft’’ in KZ). Sie wurde zu einem schlagkräftigen Instrument des staatlichen Terrors. 1946 erklärte der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg die Gestapo zur verbrecherischen Organisation. 4. Der Sicherheitsdienst der SS (=SD) . Das war ein bereits 1931 gegründetes geheimpolizeiliches Kontrollorgan der NSDAP, das parallel zur Gestapo ausgebaut worden war. Während die Gestapo das ganze Reich, jeden Bürger in ihm überwachte, überwachte der SD politische Gegner und rassische Opfer des Regimes. Chef des SD war zuerst H. Heydrich (er wurde von tschechischen Partisanen 1942 beim Attentat getötet, daraufhin verbrannte die SS lebendig alle Einwohner des Dorfes Lidice), später (1943) Ernst Kaltenbrunner (er wurde zugleich auch Chef des RSHA). Seit 1934 arbeitete im SD in Berlin ein Feldwebel, Adolf Eichmann. Er hat später die Pläne für die Deportation und Vernichtung der Juden ausgearbeitet und ihre Verwirklichung geleitet. 1946 erklärte der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg die Gestapo zur verbrecherischen Organisation. E. Kaltenbrunner wurde zum Tod durch Strick verurteilt und gehängt. 5. Hitler brauchte irgendein Organ, das ihn ermöglichte, kurzen Prozess mit den Gegnern des Regimes zu machen. Daher wurde am 14. Juli 1934 der Volksgerichtshof (Liaudies teismas) geschaffen. 1935 fällte er 210 Todesurteile, 1940 - 400, 1942 - 1033, 1944 - 2087. In der Zeit von 1934 bis 1944 sind insgesamt 12 891 Todesurteile verkündet worden, darunter waren 1100 Frauen. Wer waren die Opfer des Hitler- Regimes? Das erste Opfer waren die Juden. 1933 lebten in Deutschland 460 000 Juden. Die antisemitische Politik betrieb Hitler systematisch und gezielt. Am 7. April 1933 wurden alle Beamten jüdischer Herkunft entlassen (Ausnahme waren jüdische Soldaten des 1. Weltkrieges). Am 21. Mai 1935 wurde festgelegt, dass Juden nicht Offiziere werden dürfen. Am 15. September 1935 durften auch ehemalige Soldaten jüdischer Herkunft kein Amt bekleiden. Bis 1945 erschienen 500 antijüdische Erlasse. Am 15. Juni 1938 wurde die erste Gruppe von Juden (1500 Mann) in KZ verschleppt. Am 9.-10. November 1938 (=Kristallnacht) wurde das erste großangelegte Pogrom der Juden durchgeführt. Man zerschlug Fensterscheiben von 7000 jüdischen Geschäften und man plünderte sie, es wurden alle Synagogen zerstört, 26 000 Juden in KZ eingeliefert und 91 Mann ermordet. Am 12. November mussten die Juden die während der Pogromnacht angerichteten Schäden bezahlen und als ‘’Sühneleistung’’ eine Milliarde Reichsmark an den Staat entrichten. Man untersagte ihnen außerdem alle handwerklichen Berufe. Auch durften sie nun keine Theater, Konzerte, Kinos usw. mehr besuchen. Seit dem 15. November 1938 waren jüdischen Kindern die öffentlichen Schulen verboten. Gleichzeitig wurden ihnen die Führerscheine und Fahrzeugpapiere entzogen. Man erließ auch Wohnbeschränkungen für Juden. Am 30. April 1939 wurde der Mieterschutz für Juden gänzlich aufgehoben. Seit dem 1. September 1939 durften sie ihre Wohnungen nur noch am Tage verlassen. Seit Februar 1940 erhielten sie keine Kleiderkarten mehr, seit dem 7. März 1941 mussten sie Zwangsarbeit leisten, und seit dem 19. September 1941 mussten alle Juden vom 6. Lebensjahr an den gelben Davidsstern tragen. Bis zum Ende 1941 waren von den Einsatztruppen der SS, den Polizeibataillonen und der Wehrmacht in Polen und der Sowjetunion bereits über eine Million Menschen (Juden, Kommunisten usw.) ermordet worden1. Das genügte aber Hitler nicht. Am 20. Januar 1942 trafen sich in Berlin in einer Villa an der Straße ‘’Am Großen Wannsee’’ Vertreter der Ministerien der Justiz, des Auswärtigen 1 Haben die Alliierten von den Massenvernichtungen nichts gewusst? Sie behaupten, sie hätten die ersten Dokumente darüber erst 1943 erhalten. Das ist aber eine Lüge. Noch im Herbst 1941 entschlüsselten die Briten Funksprüche der Einsatzkommandos der SS und der Polizeibataillone, in denen tagtäglich Berichte nach Berlin dem Reichsführer SS Himmler geschickt worden waren, wer, wo und wie viele Juden ermordet Amtes, des Inneren und Angehörige der SS, um über noch effektivere Maßnahmen zu beraten, wie man eine ‘’Endlösung der europäischen Judenfrage’’ (galutinis žydų klausimo Europoje išsprendimas) in möglichst schneller Zeit erreichen könne. Auf dieser Wannsee - Konferenz wurde beschlossen: a) Alle Juden Europas in die sog. ‘’Durchgangsgettos’’ im Osten zu treiben; b) Die arbeitsfähigen Juden sollten Sklavenarbeit leisten; c) Der nicht arbeitsfähige Rest sollte ‘’entsprechend behandelt’’ werden, d. h. durch das Gas Zyklon B in den Vernichtungslagern Beùzec, Treblinka, Sobibor, Majdanek, Cheùmno und Ausschwitz getötet werden. Es begann die Massendeportation der Juden nach Osten (die ersten Massendeportationen starteten noch im Februar 1940 in den Bezirken Stettin, Stralsund und Schneidemühl). Zugleich erließ man neue Gesetze und Verordnungen, die keinen Sinn hatten, aber vor allem der Diffamierung und Schickanierung der noch in Deutschland verbliebenen Juden dienten. Seit dem 21. Dezember 1941 war ihnen das Telefonieren von öffentlichen Fernsprechern verboten, am 22. April 1942 durften sie keine arischen Friseure aufsuchen, am 15. Mai 1942 mussten die Juden ihre Haustiere, am 19. Juni alle elektrischen und optischen Geräte, Fahrräder, Schreibmaschinen und Schallplatten abliefern, am 1. Juli 1942 wurde der gesamte Unterricht für jüdische Kinder eingestellt, seit dem 9. Oktober 1942 durften sie keine Bücher mehr kaufen, 10 Tage später wurden ihnen die Fleisch- und Milchkarten entzogen. Insgesamt sind etwa 6 Mio. Juden in den KZ getötet worden. Das zweite Opfer waren die Roma und Sinti, d. h. Zigeuner. Sie wurden seit 1933 in KZ verschleppt, andere zwangsweise sterilisiert, 1940 alle nach Polen deportiert. Erst am 13. März 1942 wurden sie offiziell den Juden gleichgestellt. Die Nazis haben ca. 600 000 Zigeuner ermordet. Das dritte Opfer waren die Fremdarbeiter, die zwangsweise nach Deutschland deportiert wurden und in der deutschen Wirtschaft arbeiten mussten. 1944 waren es 7, 5 Mio. Mann. Die Lage der Fremdarbeiter war äußerst schlecht. Sie lebten in primitiven Sammelunterkünften und wurden unzureichend verpflegt. Wenn sie sich lehnten, gut zu arbeiten, wurden sie der Gestapo überstellt, die sie in KZ oder in sog. Arbeitserziehungslager überwies. Hier war die Todesrate fast genauso hoch wie in den KZ. Das vierte Opfer waren Homosexuelle und Geistesgestörte. Sie wurden alle sterilisiert oder vergast. Wer leistete dem Terrorregime Hitlers Widerstand? 1. Die KPD. Der Widerstand der KPD wurde schnell gebrochen. Immerhin bestand ein gut funktionierendes Informationsnetz zwischen den einzelnen KPD - Gruppen im Reich und im Ausland. Seit 1941 entstanden im Reich Gruppen des Nationalkomitees ‘’Freies Deutschland’’ und eine weitverzweigte und sehr erfolgreich tätige Spionageorganisation der KPD, die von der deutschen Abwehr (sie wurde von Admiral Canaris geleitet) ‘’Rote Kapelle’’ genannt wurde. 2. Die SPD hat schnell (im Unterschied zur KPD) erkannt, dass illegale Massenorganisationen mit einzelnen Zellen, Parteileitungen und Abkassierung der Mitglieder den Zugriff der Gestapo geradezu provozieren. So beschränkte sie sich im wesentlichen darauf, die traditionellen Bindungen in Form von Diskussionskreisen, Sportvereinen etc. aufrechtzuerhalten. Im Sommer 1945 konnten die Sozialdemokraten auf dieses von der Gestapo kaum erfasstes System lockerer Verbindungen zurückgreifen und in überraschend kurzer Zeit eine neue und festgefügte Organisation errichten. Die SPD organisierte im Dritten Reich einige regionale und überregionale aktive Widerstandsgruppen. Zu nennen sind vor allem die Sozialistische Front und der Rote Stoßtrupp. 3. Die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), die Kommunistische Partei Deutschlands - Opposition (KPO) und der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) leisteten aktiven Widerstand. Zu ihnen gehörten die Revolutionären Sozialisten und die Gruppe Neubeginn. Doch sie sind von der Gestapo aufgespürt und zerschlagen worden. 4. Emigranten, die aus ihrem Exil heraus das Dritte Reich zu bekämpfen versuchten. Sie wollten die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung überwinden und eine neue Arbeiterbewegung außerhalb von KPD und SPD ins Leben rufen. Sie nannten sich Antifaschisten. Sie wurden später (1945-46) sowohl in den westlichen Zonen wie in der östlichen Besatzungszone unterdrückt worden. wurden. 55 Jahre lang trugen diese Funkrapporte der SS-Leute den Stempel ‘’Most secret - Never to be removed from the office’’. Im Januar 1942 unterzeichneten Großbritannien und die USA den Vertrag, nach dem geheime Militär- Information ausgetauscht werden sollte. Somit wusste auch die US - Führung von Beginn an über die Massenvernichtung der Juden. Warum schwiegen dann die USA und Großbritannien? 1. Beide Regierungen wollten nicht verraten, dass ihre Funkspezialisten deutsche Funksprüche abhörten und den deutschen Kode geknackt haben; 2. Das britische Außenministerium zögerte wegen der weithin bekannten Vorurteile der Briten gegen Juden. Viele Briten wären womöglich nur ungern für Juden in den Krieg gezogen; 3. 4. Außerdem hätten London und Berlin im Sommer 1941 ganz geheim mit Hilfe finnischer und schwedischer Mittelsmänner über einen Separatfrieden verhandelt. Siehe darüber mehr in: Geheime Reichssache, in: Der Spiegel, 47/1996. 5. Die Kirchen. Zuerst versuchten die Nazis, sie als Bündnispartner in ihrem Kampf gegen Sozialismus und Demokratie zu gewinnen. Zumindest zeitweise waren die Kirchen dazu bereit. Die Evangelische Kirche, abgesehen von den relativ kleinen (kaum 10% umfassenden) Gruppen der liberalen Theologen, hat vollständig Machtergreifung, Zerstörung und Errichtung des nazistischen Terrorregimes zugestimmt, ja sogar begeistert zur Kenntnis genommen. In dieser Kirche behielten die ‘’Deutschen Christen’’ (=überzeugte Nationalsozialisten unter der Leitung von Ludwig Müller) die Oberhand und strebten die Errichtung einer Volkskirche und die Arisierung des Christentums an. Sie wollten das Alte Testament und die Briefe des hl. Paulus als jüdisch abstempeln und sie aus der Bibel ausschalten. Daraufhin entstand die Bekennende Kirche (Januar 1934), die den Anspruch des Hitler - Staates zurückwies, ‘’die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens’’ darzustellen. Doch daraus entstand kaum politisch motivierter Protest gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Die absolute Mehrheit der protestantischen Pfarrer und Bischöfe hielten für notwendig, für den Sieg des Dritten Reiches zu beten. Ähnliches gilt auch den katholischen Christen. Die katholische Kirche hat vor 1933 aus theologischen und politischen Gründen den Nationalsozialismus abgelehnt und bekämpft. Aber am 23. März 1933 stimmte das katholische Zentrum dem Ermächtigungsgesetz zu. Voll ‘’Dankbarkeit’’ löste Hitler die Zentrumspartei auf. Als Hitler mit dem Vatikan das Reichskonkordat (12. Juli 1933) unterzeichnet hatte, gewann die katholische Kirche zahlreiche Privilegien: Gesetzliche Absicherung der Bekenntnisschulen und zahlreicher katholischer Laien-, Frauen-, Handwerks- und Jugendvereine. In einer Zeit, als alle anderen nicht - nationalsozialistischen Organisationen verboten und verfolgt wurden, nahm das katholische Vereinswesen einen großen Aufschwung. Viele Deutsche traten 1933-34 der katholischen Kirche bei. Seit 1935 versuchte die NSDAP jedoch mit zunehmendem Erfolg, den Einfluss der katholischen Jugendverbände zurückzudrängen, die nach und nach aufgelöst und in die Hitlerjugend eingegliedert wurden. Die katholische Kirche in Deutschland schwieg über die Verfolgung von Kommunisten, Sozialisten, Demokraten und Juden. Nur der Vatikan sandte mehr als 50 diplomatische Protestnoten an das deutsche Auswärtige Amt. Als dies nichts half, wandte sich Papst Pius XII. mit seiner Enzyklika ‘’Mit brennender Sorge’’ an die Weltöffentlichkeit und attackierte die nationalsozialistische Religionspolitik und den Bruch des Konkordats. Im Sommer 1941 protestierten auch katholische Bischöfe in einem gemeinsamen Hirtenbrief energisch gegen die intensive Unterdrückung der katholischen Kirche, denn bis 1941 hat Hitler seine Kampagne gegen die Bekenntnisschulen intensiviert und alle Bistumsblätter verboten. Zugleich ging eine vom Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, geleitete Aktion gegen die von den Nazis durchgeführte Tötung von Geisteskranken erfolgreich zu Ende. Die Proteste wurden von der nationalsozialistischen Führung als so wichtig und gefährlich angesehen, dass das Euthanasie Programm gestoppt wurde. Also, was die katholische Kirche anbetrifft, so wirkte ihre relativ späte Reaktion befremdlich. Es gab natürlich zahlreiche katholische Geistliche und Laien, die mit oder ohne Billigung der kirchlichen Führung entschiedenen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet haben. Eines ist aber zu betonen: Die aktive Solidarität für die diffamierten und verfolgten Juden war im ganzen gesehen relativ gering. Sehr aktiv dagegen kümmerten sich um ihre jüdischen Mitbürger die Quäker (kvakeriai) und die Sekte der ‘’Zeugen Jehovas’’, deren Mitglieder zu 97% von den nazistischen Terrororganisationen verfolgt wurden. Ein Drittel von ihnen kam dabei ums Leben. Die Vernichtungswut, mit der die Nazis die Zeugen Jehovas verfolgten, kann nur mit der brutalen Ausrottung der Juden und Zigeuner verglichen werden. Die Zeugen Jehovas verweigerten den Wehrdienst, konsequent den ‘’deutschen Gruß’’, jede Eidesleistung und lehnten total und kompromisslos das totalitäre Dritte Reich ab. Der Gestapo ist es nicht gelungen, den Widerstand dieser Sekte zu brechen. Immerhin soll die Tatsache erwähnt werden, dass im Grunde genommen diese Sekte keine konkrete Bedrohung für den Bestand des Hitler - Regimes darstellte. 6. Die Mitglieder der bürgerlich - militärischen Kreise. Es waren Adlige (Carl Friedrich Goerdeler, Graf Moltke) und hohe Militärs (ein Kreis von Offizieren um Generaloberst Ludwig Beck). Die Aristokratie um Graf Moltke war bestrebt, mit Hilfe von Militärs Hitler zu beseitigen. Das Problem bestand darin, dass die deutschen Generäle den Eid auf Hitler geleistet hatten und sich schwer davon überzeugen ließen, dass sie verpflichtet sind, die Massenmorde und die anderen Untaten des Dritten Reiches zu stoppen. Hinzu kam, dass die politischen und militärischen Erfolge Hitlers zunächst alle politischen Oppositionsströmungen in der Wehrmacht erstickten. Immerhin gelang es Generaloberst Beck, am 20. Juli 1944 einen Attentat auf Hitler in seinem Hauptquartier zu verüben. Oberst Stauffenberg hat eine Bombe zünden lassen. Als die Bombe hochging, begann zuerst sehr erfolgreich in Paris, Wien und Berlin der Aufstand der Generäle, die zwei Ziele vor ihren Augen hatten: Hitler beseitigen und einen neuen Reichskanzler, der von den Westalliierten akzeptiert wäre, zu wählen, um einen Separatfrieden mit dem Westen zu schließen und gemeinsam die Sowjets im Osten zu erledigen. Doch als sich die Nachricht verbreitete, dass Hitler beim Attentat nur leicht verletzt worden war, wurden die Verschwörer im Gebäude des Oberkommandos der Wehrmacht verhaftet. Generaloberst Beck beging erzwungenen Selbstmord, auch Generalfeldmarschall Erwin Rommel (Führer der deutschen Truppen in Afrika, seit 1943 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B in Frankreich), die anderen Offiziere - Stauffenberg, Werner von Haeften, Merz von Quirnheim und Friedrich Olbricht - wurden am Abend des 20. Juli standrechtlich erschossen. In der Folgezeit wurden von SS und Gestapo etwa 7000 Personen verhaftet, von denen etwa 200 zum Tode (sie wurden in einem Viehschlachthof an Fleischerhaken gehängt, Hitler sah sich oft mit Vergnügen den Dokumentarfilm mit dieser Hinrichtung an) verurteilt wurden. Ihre Familien wurden in KZ geworfen. 7. Nicht parteigebundene Widerstandsgruppen. Es waren Jugendliche (z. B. die Mitglieder der Gruppe um die Geschwister Scholl - ‘’Weiße Rose’’), Angehörige verschiedener oppositioneller Jugendgruppen (Edelweiß - Piraten, Meuten, Swing - Gruppen u.a.), Arbeiter, Intellektuelle usw. Und jetzt zurück in das Jahr 1933. Die Nazis haben die Macht erobert. Jetzt wollten sie ihre Konkurrenten und Feinde ausschalten und vernichten. Zuerst verursachten sie den Reichstagsbrand (28.02.). Er diente als Anlass, durch Notverordnung die wichtigsten Grundrechte außer Kraft zu setzen. Dennoch erreichten die Nazis bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 keine Mehrheit (nur 43, 8% der Stimmen). Ohne Mehrheit konnten sie die Weimarer Verfassung nicht ändern. Mit Drohung sicherte sich Hitler das Ermächtigungsgesetz (Įstatymas dėl ypatingų įgaliojimų suteikimo vyriausybei), das der nationalsozialistischen Regierung für die Dauer von 4 Jahren das Recht geben sollte, sogar verfassungsändernde Gesetze ohne Beteiligung des Reichstages und des Reichsrates zu erlassen. Entscheidend bei der Abstimmung waren die Stimmen der katholischen Zentrumspartei. Hätte sie nicht für das Ermächtigungsgesetz gestimmt, wäre die Hitlersche Regierung zusammengebrochen. Jetzt wurde überall eine Nebenverwaltung auf der NSDAP - Ebene aufgebaut. Am 10. Mai 1933 wurden in Berlin und anderen deutschen Universitätsstädten Bücher namhafter Autoren auf den Scheiterhaufen verbrannt. Im Sommer 1933 zerschlug Hitler alle Parteien. Es erschienen Erlasse, die die DKP und die SPD verboten, andere Parteien wurden gezwungen, sich aufzulösen. Dasselbe Schicksal erwartete auch alle Gewerkschaften. Auf diese Weise eroberte Hitler das Monopol der politischen Macht. Am 1. Dezember 1933 erschien das Gesetz zur Sicherung der ‘’Einheit von Partei und Staat’’, nach dem die NSDAP die einzige Partei Deutschlands wurde. Nach dem am 30. Juni 1934 Hitler seinen Hauptkonkurrenten, Ernst Röhm, ausgeschlatet hatte, konnte er sich der Wirtschafts- und Sozialpolitik widmen. Hitler hat seinen Wählern versprochen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Er hielt sein Wort. 1937-38 wurde sie hundertprozentig liquidiert. Auf welche Weise? 1. Die meisten Menschen fanden Arbeit in der Schwer- und Rüstungsindustrie, wo sie Kanonen und Panzer bauten, die dann in den Eroberungskriegen Hitlers eingesetzt wurden; 2. Die ‘’Arisierung der Wirtschaft’’ (=Ausplünderung der deutschen Juden, deren Vermögen in die Hände staatlicher und privater Institutionen und in die einzelner Personen gelangte) führte zur allgemeinen Belebung der Konjunktur, die spürbar die Lage der Angestellten und Beamten verbesserte; 3. Mit dem Reichserbhofgesetz (Reicho įstatymas dėl ūkio paveldijimo) vom 29. September 1933 erhielten deutsche Bauern handfeste materielle Vorteile. Dieses Gesetz sah vor, dass Bauernhöfe mit einer Mindestgröße von 7, 5 Hektar nicht verkauft und nicht zwangsversteigert werden durften. Im sozialen Bereich führte Hitler mit großem propagandistischen Aufwand folgende sozialpolitische Maßnahmen durch: Bau von Wohnungen und Siedlungshäusern, Sammlungen des Winterhilfswerkes (labdara kenčiantiesiems žiemą) (der überwiegende Erlös ging jedoch in die Rüstung) und Erholungsreisen der Aktion ‘’Kraft durch Freude’’. Als 1937 die Vollbeschäftigung erreicht war, konnten einzelne Arbeiter ihre Marktposition dadurch ausnutzen, dass sie durch Arbeitsplatzwechsel oder die Drohung damit vielerorts (vor allem in der Rüstungsindustrie) eine übertarifliche Entlohnung erzwingen konnten. Auch durch Androhung von Streiks konnten die Arbeiter eine Verbesserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage erreichen. Um die Steigerung der Produktion nicht zu gefährden, erfüllten Industrielle mit Billigung von Staat und Partei verschiedene Forderungen der Arbeiter. Wirtschaftspolitische Zwänge erwiesen sich hier als stärker als ideologische Ansprüche. Was die Frauenpolitik anbetrifft, so betrieb Hitler bereits vor 1933 eine extrem frauenfeindliche Politik. Nach Hitler sollten die Frauen weitgehend aus dem Erwerbsleben entfernt und dem Reich viele Kinder gebären. Nach der Machtergreifung 1933 hielten sich die Nazis rigoros an diese Politik und versuchten, Frauen von akademischen und hochqualifizierten Berufen fernzuhalten. Etwa 5% der Frauen verloren ihre Arbeitsstellen. Aber nach 1936 wurden immer mehr Frauen auf Verlangen der Industrie eingestellt. Immerhin waren längst nicht so viele Frauen für die Kriegswirtschaft mobilisiert worden wie etwa in England. Gewisse Erfolge konnte die NSDAP im Bereich der Bevölkerungs- und Familienpolitik verzeichnen. Das war wohl mit der repressiven Verschärfung der Abtreibungsgesetze und mit finanziellen Maßnahmen (z. B. Ehestandsdarlehen (paskola sutuoktiniams)) erreicht worden. Für die Frauen und Mädchen schuf Hitler nationalsozialistische Organisationen wie Bund Deutscher Mädel (BDM), Bund des weiblichen Reichsarbeiterdienstes (Reicho darbininkių sąjunga) und der NS Frauenschaft (Nacionalsocialistinė moterija). Viele Frauen wurden Mitglieder dieser Zwangsorganisationen einfach aus dem Grund, um den familiären Zwängen zu entkommen. Diese Frauenorganisationen trugen dazu bei, dass die extrem frauenfeindliche Ideologie des Nationalsozialismus schließlich doch nicht in allen Bereichen und in allen Punkten verwirklicht werden konnte. Außerdem leisteten viele Frauen im Dritten Reich dem Nationalsozialismus Widerstand. Am 2. August 1934 starb Reichspräsident Hindenburg. Hitler wurde Staatsoberhaupt als ‘’Führer und Reichskanzler’’, die Reichswehr schwor ihren Treueid auf Adolf Hitler. Im Oktober 1933 trat Hitler - Deutschland aus dem Völkerbund aus. 1935 schloss Hitler das deutsch britische Flottenabkommen, das dem Dritten Reich einen ersten außenpolitischen Erfolg brachte. Am 7. März 1936 besetzte Hitler das demilitarisierte Rheinland. Die Zone stand unter dem Befehl des französischen Marschalls Foch. An der Aktion beteiligten sich nur 2500 deutsche Soldaten. Marschall Foch gab Befehl zum Rückzug. Hätten die Franzosen interveniert, konnten sie die Deutschen sogar ohne Blutvergießen aus Rheinland vertreiben. Die erste Hitler - Invasion wäre gestoppt und Hitler womöglich samt dem Nazi - Regime gestürzt. Die Welt hat diese Lehre verdaut und so lautet z. B. die gegenwärtige US Außenpolitik wie folgt: Man soll dem Aggressor so frühzeitig und resolut wie nur möglich die Zähne zeigen (eben auf diese Weise haben die Amerikaner im Krieg im Persischen Golf 1990-91 um Kuweit gehandelt). Überhaupt, warum haben die Westmächte bis 1939 nichts gegen Hitler unternommen? 1. Sie haben die wahren Zielsetzungen Hitlers unter- und falsch eingeschätzt.. Sie klatschten Hitler Beifall, als Hitler Kommunisten, Sozialisten, Demokraten und ihre Gewerkschaften vernichtete; 2. Als Hitler seine Expansionspolitik begann, haben die Staatsmänner Westeuropas keinen Versuch unternommen, diese Politik zu bekämpfen. Statt dessen haben sie versucht, Hitler durch eine Beschwichtigungspolitik (eng. appeasement, lit. numaldymas) zu besänftigen. Tragischerweise waren es die Polen, die diese Politik ausgedacht haben. Solange Hitler von angestammten deutschen Ländereien und vom Drang nach Osten sprach, unternahmen sie nichts. ‘’Geben wir ihm alles, was er will, und er wird uns in Ruhe lassen’’ haben die meisten Politiker in Frankreich und Großbritannien gedacht. Und so konnte Hitler, der ein genialer Politiker war, Rheinland besetzen und später den General Francisco Frank in Spanien militärisch unterstützen. Der Spanische Bürgerkrieg gab Hitler die Möglichkeit, die neuesten Waffen im Kriegseinsatz auszuprobieren, und brachte auch die Annäherung Hitlers an Benito Mussolini. So wurde am 25. Oktober 1936 ein deutsch - italienischer Vertrag abgeschlossen, dem sich dann, am 6. November 1937, Japan anschloss. Es entstand der Anti - Komintern - Pakt. Im Namen der Beschwichtigungspolitik ließen die Westmächte den Anschluss Österreichs ans Dritte Reich (März 1938), zwangen die wehrlose Tschechoslowakei nach der Münchener Konferenz vom 29. September 1938, das Sudetenland an Hitler - Deutschland abzutreten, und im März 1939 wurden darüber hinaus die Zerschlagung der ‘’Rest - Tschechei’’ und die Okkupation des litauischen Memelgebietes schweigend und protestlos hingenommen. Am 23. August 1939 unterzeichneten Deutschland und die Sowjetunion den Hitler - Stalin - Pakt (Molotow - Ribbentropp - Pakt). In Geheimprotokollen haben sie ihre Interessensphären in Osteuropa abgegrenzt. Danach fielen Finnland, baltische Staaten, Bessarabien (= die Moldau, das Rumänien gehörte) und Polen bis zur Linie Narew, Weichsel und San unter sowjetische Kompetenz, die Territorien westlich von dieser Linie, Warschau inklusive, den Nazis zu. Außerdem wurde vereinbart, Hunderttausende Deutsche aus dem sowjetischen Interessengebiet heim ins Reich umzusiedeln. Die Gestapo und der NKWD sollten gemeinsam jeglichen polnischen Widerstand unterdrücken. Nebenher überstellte der NKWD rund 800 deutsche Emigranten aus den sowjetischen KZ in die deutschen KZ. Bald kamen sowjetische Berater nach Polen und unterrichteten die Gestapo und die deutsche Polizei im Fach Bandenbekämpfung. Die Sowjets deportierten aus Ostpolen 900 000 Menschen nach Russland (meistens nach Sibirien und in den Fernen Osten) und vernichteten in seinen KZ die ganze polnische akademische und politische Führungsschicht, außerdem die Führungsschicht der polnischen Kommunistischen Partei. In den Wäldern von Katyn bei Smolensk erschoss der NKWD 15 000 polnische Offiziere. Wie entwickelten sich die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Deutschland nach der Unterzeichnung vom Rapallo - Vertrag 1922? Sie blühten. Vor allem auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie und der militärischen Zusammenarbeit. Nach dem Versailler Vertrag war es Deutschland verboten, seine Rüstungsindustrie zu entwickeln und militärische Kader auszubilden. Deutschland beschloss, dieses Verbot mit Hilfe von Sowjetrussland umzugehen. So baute es in der Sowjetunion mehrere Rüstungsfabriken: Die Firma Junkers erbaute 1924 in Moskau eine Fabrik zur Herstellung von Kriegsflugzeugen; der Konzern von Friedrich Krupp half Sowjetrussland, alle Artilleriewerke wiederaufzubauen; die Firma Karl Walther rekonstruierte die Rüstungsbetriebe für leichte Waffen in Tula und Leningrad; die Firma Bersol erbaute in der Nähe von Samara ein Werk für Giftgasproduktion; die Firma BMW baute in Charkow und Leningrad Panzerwerke. Die Ausgaben und die Erzeugnisse der Rüstungsbetriebe wurden halb und halb geteilt. 1926 eröffneten die Deutschen in Kasan eine Schule für Panzersoldaten, an der auch General Guderian unterrichtete. In Lipezk gründete man eine deutsche Fliegerschule, die 450 deutsche Berufsflieger absolviert hatten. Sie bildeten den Kern der Luftwaffe - Führung von H. Göring. Ohne Sowjetrussland wäre Deutschland nie imstande, seine Armee auszubilden und auszurüsten. Auch Sowjetrussland konnte auf die deutsche Know - how - Hilfe nicht verzichten. Während der Revolution und des Bürgerkrieges haben die Bolschewiken 355 250 Intellektuelle, darunter 6000 Professoren und Lehrer vernichtet, der Rest floh in den Westen 1 . Ohne deutsche Fachleute wären die Bolschewiken nicht imstande, weder was Neues zu schaffen noch die zerstörten Rüstungsbetriebe wiederaufzubauen. Außerdem studierten an der Akademie des Generalstabes der Reichswehr in Deutschland 27 hohe sowjetische Militärs (darunter J. Uborewitsch, M. Tuchtschewskij u. a.) Seit 1929 liefen gemeinsame deutsch - sowjetische Rüstungswerke auf volle Leistung. Stalin konnte seine Rote Armee mit modernster Technik ausrüsten. Allein in den Jahren 1929-31 erhielt die Rote Armee 860 Flugzeuge, 740 Panzer, 1911 Artilleriegeschütze, 40 982 Maschinengewehre usw.1 1930 erhielt die Sowjetunion von Deutschland ein Darlehen im Werte von 300 Mio. RM. Deutschland kaufte jedes Jahr von der Sowjetunion Militärtechnik im Werte von 150 Mio. RM (= ein Drittel des Militärbudgets). 1930 wurde die erste Säuberung in der Roten Armee durchgeführt. Etwa 5000 Offiziere wurden erschossen. In diesem Jahre machte man J. Uborewitsch zum Oberkommandierenden des weißrussischen Militärgebietes. Hier arbeitete er die Idee aus, Polen zum vierten Mal aufzuteilen. Als Hitler zur Macht gekommen war, verlangte er von den deutschen Industriellen, jegliche militärische Zusammenarbeit mit den Sowjets einzustellen. Das war aber nicht so leicht, denn der deutsche Waffenimport aus der UdSSR betrug 46% des ganzen deutschen Imports. Hitler entschloss sich, nur noch die militärische Ausbildung sowjetischer Offiziere in Deutschland zu verbieten. Deutschland begann, den ganzen Umfang ökonomischer, politischer und militärischer Beziehungen mit der Sowjetunion zu vermindern. Stalin geriet in eine prekäre Lage, denn die ganze sowjetische Kriegsindustrie beruhte auf deutscher Fachhilfe. Auf Stalins Befehl schlug M. Tuchatschewskij Hitler vor, unbegrenzte Menge sowjetischen Giftgases gegen deutsche Bombenflugzeuge zu tauschen. Hitler lehnte den Vorschlag ab. 1934 begann in der Sowjetunion die erste große Säuberungswelle in der bolschewistischen Partei. Sie war gegen die Parteifunktionäre jüdischer Herkunft gerichtet (z. B. G. Sinowjew, Kamenew u. a.). 1934 unterzeichnete Hitler mit Polen einen Nichtangriffsvertrag. Den verblüfften deutschen Generälen erklärte er: ‘’Polen wird auf der deutschen Speisekarte nicht die Vorspeise, sondern der Nachtisch sein’’. Hitler dachte an Polen als Aufmarschfeld gegen die Sowjetunion. Um strategisches Gleichgewicht wiederherzustellen, unterzeichnete Stalin Nichtangriffsverträge mit Litauen, Lettland und Estland (1934). 1935 gab Stalin an Hitler alle deutschen Antifaschisten, die aus Hitler - Deutschland geflohen waren, aus. Hitler zeigte keine Dankbarkeit. 1936 begannen endlich die ersten sowjetischen Verhandlungen mit Hitler. Hier wurde den Nazis die Idee von Uborewitsch unterbreitet, eine gemeinsame Grenze zu haben, d. h. Polen zu beseitigen. Hitler sagte nichts. 1937 sagte Stalin zu Jeshow, dem Chef des NKWD: ‘’Sehr bald werden wir ein exzellentes Übereinkommen mit Deutschland erzielen, deshalb stellen wir jede Spionagetätigkeit in Deutschland ein.’’ Am 3. Mai 1939 wurde der Jude Litwinow, der sowjetische Außenminister, gegen den blutigen Stalinisten Molotow ausgetauscht. Hitler verstand diesen Wechsel als Angebot, einen Pakt zu unterschreiben. Molotow war ein perfekter Verfechter der Sowjetpolitik in einer tödlichen Welt, ‘’sein Lächeln glich dem sibirischen Winter’’, schrieb W. Churchill. Inzwischen machen sich Großbritannien und Frankreich Sorgen: die diplomatische Aktivität zwischen Hitler und Stalin war zugenommen. Was, wenn Hitler gegen den Westen marschiert?! Man schlug Chamberlain vor, den ehemaligen britischen Außenminister A. Eden nach Moskau zu schicken. Doch der britische Premierminister verzichtete auf Edens Dienste. Er hielt ein Übereinkommen zwischen Hitler und Stalin für unmöglich. Man schickte einen William Strang, den ehemaligen Direktor der Mitteleuropa Abteilung im Außenamt und eben wegen dieses nachgeordneten Ranges eine Beleidigung für Stalin, nach Moskau. Es wurde nichts aus den Verhandlungen. Für alle Fälle führte Chamberlain in Britannien im Frieden die Wehrpflicht ein, obwohl er wenig an den Krieg glaubte. Anfang August 1939. Das deutsche Heer macht in der Nähe Polens Sommermanöver. Seit dem 25. Juli ist Hitler in der Wagnerischen Musik versunken. Am 4. August setzt er den Angriffsbeginn auf Polen auf den 26. August fest. Am 10. August erreicht Leningrad der Dampfer ‘’City of Exeter’’ und legt an. An Bord sind hohe britische und französische Offiziere, die Verhandlungen mit Stalin führen sollen. Leiter der britischen Mission ist nicht der Generalstabschef Lord Gort, sondern Admiral R. Drax. Leiter der französischen Mission ist ein früherer Vizechef des Generalstabs General J. Doumenc. Stalin ist enttäuscht, in seinen 1 1 Siehe Istorija Velikoj Otečestvennoj Vojny Sovietskogo Sojuza 1941 - 45. Moskva, 1964, Bd..1, S. 65. Siehe McMurry S.: Deutschland und die Sowjetunion 1933 - 36. Köln, Wien 1979, S. 40 Augen ist das ganze westliche Unternehmen1 eine unbegreiflich realitätsfremde Posse, ein Narrenschiff. Das gibt Stalin den letzten Anstoß für seinen schicksalhaften Sinneswandel weg vom Westen, hin zu Hitler. Während der Verhandlungen fragt Verteidigungsminister Woroschilow Drax und Doumenc: ‘’Wird den sowjetischen Bodentruppen erlaubt, polnisches und rumänisches Territorium zu betreten, um Feindberührung mit dem Gegner aufzunehmen?’’ Die Verhandlungen werden unterbrochen, denn der Westen muss die Erlaubnis von Polen und Rumänien für den sowjetischen Durchmarsch ihrer Territorien erhalten. Man setzt Polen und Rumänien unter Druck, um das ‘’Ja’’ - Wort zu erpressen. Der polnische Armeebefehlshaber Marschall Rydz - Smigly antwortet: ‘’Bei den Deutschen laufen wir Gefahr, unsere Freiheit zu verlieren. Bei den Russen verlieren wir unsere Seele. Nein.’’ Für Stalin ist alles klar. Woroschilow erklärt die Verhandlungen am 14. August für beendet. Am 23. August, während Briten und Franzosen noch ratlos in Moskau sitzen, landet Reichsaußenminister von Ribbentropp in Moskau, um noch am gleichen Tag mit Molotow die 4. Teilung Polens zu unterzeichnen. Hitler jubelt, denn der Weg nach Moskau, obwohl er sich um 300 Kilometer verlängerte, ist frei. Es waren die Kilometer, an denen Hitler scheitern sollte, denn sie machten den Weg nach Moskau zu lang für seine Armee. 5. 5. DAS DRITTE REICH UND DER ZWEITE WELTKRIEG (1939-45) Der Angriff auf Polen sollte am 26. August beginnen, doch der Abschluss des britisch - polnischen Beistandspaktes am 25. August zwang Hitler, den Angriff zu verschieben. Nach Englands Vorschlag sollte am 30. August ein polnischer Unterhändler nach Berlin kommen. Als dieser am 30. August nicht erschien und Polen mobilmachte, schlug Hitler am 1. September 1939 zu. Italienische Vermittlung am 02. 09. schlug fehl. Am 03. 09. erklärten England und Frankreich nach kurzfristigen Ultimaten dem Reich den Krieg. Italien blieb neutral. Der Feldzug gegen Polen. Zwei deutsche Heeresgruppen brachen aus Oberschlesien und der Grenzmark konzentrisch auf Warschau vor. Ihre inneren Flügel vernichteten die polnische Armee an der Bzura (07. 19. 09.), ihre äußeren Flügel trafen sich am 19. 09. bei Wlodawa. Der eingekreiste Rest der polnischen Armee wehrte sich. Am 17. 09. waren auch sowjetische Truppen in Polen einmarschiert und besetzten bis zur Linie Narew, Bug, San das östliche Polen. Am 27. 09. kapitulierte Warschau. Im Westen wagten Frankreich und Britannien nicht, Deutschland anzugreifen. Die erste Etappe des 2. Weltkrieges war für Hitler sehr erfolgreich. Polen wurde zum Generalgouvernement. Der nordische Feldzug. Am 30. 11. griff die Sowjetunion Finnland an. Die Alliierten wollten Finnland über Norwegen helfen, doch am 12. 03. 1940 schloss die Sowjetunion und Finnland Frieden. Da wollte Großbritannien norwegische Häfen besetzen, um die deutschen Schwedenerz - Transporte zu unterbinden. Hitler kam dieser Aktion zuvor und besetzte am 09. 04. 1940 Norwegen und Dänemark. Es kam zu schweren Kämpfen zwischen Deutschen und Briten - Norwegen. Anfang Mai zogen sich die geschlagenen Briten aus Norwegen zurück. Die norwegische Regierung und der König flüchteten nach England, in Norwegen wurde ein Reichskommissar eingesetzt. Der Westfeldzug 1940. Am 10. Mai 1940 griffen zwei deutsche Heeresgruppen Frankreich an. Zuerst besetzten die Deutschen in 4 Tagen Holland und am 17. Mai Brüssel. Die Belgier kapitulierten am 28. Mai. Die Engländer ließ Hitler über Dünkirchen entkommen, das am 04. 06. fiel (Hitler wollte dadurch Großbritannien überreden, einen Frieden mit ihm zu schließen und gemeinsam gegen Sowjets aufzutreten). Am 14. Juni fiel Paris und bis 19. Juni war ganz Westfrankreich bis zur Loire und längs der Atlantikküste bis Bordeau besetzt. Am 17. 06. erreichten die Deutschen Truppen die Grenze der Schweiz. Am 22. Juni kapitulierte Frankreich. Im Wald von Compiegne wurde zum drittenmal der Waffenstillstand unterzeichnet. Die französische Regierung ging nach Vichy. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs hoffte Hitler auf Verständigung mit England. Als er sich getäuscht sah, befahl er am 16. Juli 1940 die Vorbereitung zur Landung in England. Zuerst sollte man aber die englische Luftwaffe niederkämpfen. Am 8. August begann die Schlacht um England (the Battle of England). Es waren Großangriffe der deutschen Luftwaffe gegen die südenglischen Flugplätze, Produktionsstätten, Häfen und ab 06. 09. auf London. Am 12. Oktober befahl Hitler, die Bombardierung einzustellen. England hat die Schlacht gewonnen. Inzwischen eroberte Italien Libyen und griff Ägypten an. Sie war aber von den Briten zurückgeworfen. Hitler schickte zur Unterstützung Mussolinis das deutsche Afrikakorps unster General E. Rommel. Rommel, der Wüstenfuchs genannt, warf die Briten bis Tolbruk zurück. 1 Es ging um die militärische Hilfe Frankreichs und Großbritanniens für Polen in dem Falle, wenn Hitler Polen angreifen würde. Russland sollte auch mithelfen. Eigentlich sollte Russland kämpfen, Briten und Franzosen wollten nur noch Beifall klatschen. Mitterweile eroberte Stalin im Juni 1940 die baltischen Staaten und zwang Rumänien zur Abtretung Bessarabiens. Nach dem Putsch kam General Antonescu in Rumänien zur Macht. Er unterzeichnete mit faschistischen Regierungen der Slowakeu und Ungarns den Dreimächtepakt (Oktober 1940). Mussolini griff inzwischen aus Albanien Griechenland an. Die Briten setzten ihre Air Force (Luftwaffe) ein, was seinerseits Hitler zum Eingreifen veranlasste. Am 6. April 1941 drangen deutsche Truppen in Mazedonien ein. Am 21. April kapitulierte Griechenland. Zugleich griff Hitler am 08. 04. auch Jugoslawien an. Am Feldzug nahmen auch Italien und Ungarn teil. Am 17. April kapitulierte Belgrad. Am 27. April besetzten die Deutschen Athen. Am 20. 05. landeten deutsche Fallschirm- und Gebirgstruppen auf Kreta, das am 1. Juni vollständig erobert wurde. Jetzt war Hitler mit West- und Mitteleuropa fertig. Hitler befahl, sich für den Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni vorzubereiten. Russlandfeldzug. Am 12. November 1940 kam die sowjetische Delegation unter der Leitung von Außenminister Molotow in Berlin an. Während der Verhandlungen präzisierte Molotow das weitgehende Interesse der Sowjetunion am Balkan - an Ungarn, Jugoslawien und Griechenland. Molotow stellte die schwedische Neutralität in Frage und brachte die dänischen Ostseemeerengen ins Spiel. Diese letzte Forderung riss Hitler fast vom Stuhl. Die Forderung nach den Stützpunkten in dem seit April 1940 deutsch besetzten Dänemark war zu viel für Hitler. Die Verhandlungen blieben unergiebig. Trotzdem steuerte die UdSSR weiterhin auf Verständigungskurs. Sie schickte den Vize Außenkommissar Dekanossow als Botschafter nach Berlin und ließ sich auf neue Wirtschaftsverhandlungen ein. Im Memorandum vom 25. November 1940 erneuerte die Sowjetunion ihre inzwischen abgemilderten Bedingungen für einen Viermächtepakt (Deutschland, Italien, Japan, UdSSR) 1 : Rückzug der deutschen Truppen aus Finnland, Zustimmung zur Entsendung sowjetischer Truppen nach Bulgarien, militärische Stützpunkte an den türkischen Meerengen. Notfalls sollte die Türkei gemeinsam von Russland, Deutschland und Italien militärisch zur Abtretung der Meerengen gezwungen werden. Als neue Einflusssphäre beanspruchte die Sowjetunion den Raum südlich von Batum und Baku in der Richtung zum Persischen Golf. Diese Bedingungen waren genau betrachtet das kaum noch verhüllte Angebot eines Offensivbündnisses: Stalin erklärte sich damit bereit, mit Hitler die Welt aufzuteilen. Stalin riskierte durch den Griff nach dem irakischen und persischen Öl einen Krieg mit den Weltmächten England und Amerika. Hitler wollte seit nun nichts mehr von einer neuen Waffenbrüderschaft mit Stalin wissen. Er entschloss sich, die UdSSR anzugreifen, denn der russische Waffenbruder wurde mit jedem Tag aggressiver und konnte sogar eines Tages ihn selbst verschlingen. Doch seine Generäle hatten Angst vor einem Zweifrontenkrieg. Hitler überzeugte sie, dass sie die Russen ja schon in zwei bis drei Monaten erledigen und eben dadurch einen Zweifrontenkrieg verhindern. Auf diese Weise erblickte am 18. Dezember 1940 die berühmte Weisung Nr. 21 ‘’Fall Barbarossa’’ das Tageslicht: ‘’Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen.’’ Nie ist ein Krieg leichtfertiger und fahrlässiger vom Zaun gebrochen worden als der Russlandfeldzug. Hitler und seine Generäle nahmen die Rote Armee als Gegner nicht ernst. Grund dafür waren die Säuberungen in der Roten Armee nach der Erschießung des Vize - Verteidigungskommissaren Marschall Tuchatschewskij und sechs Generäle wegen Hoch- und Landesverrates im Frühjahr 19372. Die im nachhin folgenden Verfolgungen überstiegen alle Vorstellungen. Vom 27. Februar 1937 bis zum November 1938 wurden 42 000 Offiziere erschossen, später noch 8000. Mehr als 60 000 Offiziere wurden repressiert. Dadurch wurde die Rote Armee einfach enthauptet, denn in dieser Verfolgung hat die Armee mehr Offiziere verloren als im Großen Vaterländischen Krieg 1941-45. Im Juni 1941 hatten sich die Streitkräfte von diesem Verbrechen und dem psychischen Schock noch nicht erholt. Denunziantentum, Misstrauen und Verantwortungsscheu machten sich breit. Ähnlich sah es bei den Technikern, Konstrukteuren und Leitern der Rüstungsindustrie aus. Bereits im finnischen Winterkrieg 1939- 40 wurde erschreckend offenbar, dass die jungen Offiziere nichts können. Die Divisionen wurden von Leutnants oder Hauptleuten geführt. Marschall Wassilewskij sagte später: ‘’Ohne 1937 hätte es vielleicht kein 1941 gegeben.’’ Mit solch einer führerlosen Armee gedachte Hitler spielend leicht fertig zu werden. Dabei wussten seine Generäle so gut wie gar nichts über Qualität, Stärke und Ausrüstung ihres künftigen Gegners. Die Militäraufklärung (Abteilung '‘Fremde Heere Ost'’) leitete Oberstleutnant Kinzel. Er sprach weder Russisch noch kannte er Russland. Außerdem oblag seiner Abteilung nicht nur Russland, sondern noch China, Japan und Amerika. Da er nur sehr wenig Information aus der UdSSR hatte, beschäftigte er sich mit den Vorurteilen. Und die waren negativ. Er schuf das Bild vom ‘’tönernen Koloss’’ (kolosas ant molinių kojų). Die Folge: Hitler sprach von einem Zwei - Wochen - Krieg, wobei er die Rote Armee als einen Witz 1 Diesen Pakt hat Hitler Stalin vorgeschlagen. Es war bloß ein taktischer Zug, mit dem er die Sowjetunion von Europa auf Britisch - Indien ablenken wollte. 2 Die Gestapo lieferte an Stalin Dokumente, nach denen Tuchatschewskij und andere hohe Militärs den Sturz Stalins geplant hätten. Stalin ließ sie sofort hinrichten. Die Gestapo hat im voraus berechnet, welchen Nutzen die Wehrmacht damit erzielen könnte. betrachtete (Generaloberst Halder hielt sie für ‘’Fensterglas’’ und General Jodl für eine ‘’Seifenblase’’, Generalfeldmarschall von Brauchitsch sprach von der ‘’Hasenjagd’’). Deswegen wurde der Ostfeldzug in schlampiger, unverantwortlicher Weise vorbereitet. Es waren weder schwere Rückschläge noch ein Winterkrieg eingeplant. Siegestrunken von Frankreichfeldzug, wollte das deutsche Militär jetzt zum erstenmal einen wirklichen Blitzkrieg führen, d. h. eine Operation, die von der Hand in den Mund lebte. Zuerst musste das Heer bis zum Mai 1941 auf 180 Divisionen vergrößert werden, d. h. 37 neue Infanteriedivisionen mussten auf die Beine gestellt werden. Die Rüstungsindustrie musste für sie Waffen, Gerät und Munition bereitlegen. Im Spätsommer 1940 rief aber Feldmarschall Keitel vom Oberkommando der Wehrmacht die Bestellungen zurück: wozu soll man die Kapazitäten der Rüstungsindustrie mehr als nötig ausweiten, wenn der Krieg nur zwei Monate dauert. Auf diese Weise erhielt das Ostheer Munition für ein Jahr, jedoch Waffen und Geräte nur für drei Monate. Als Verluste wurden 475 000 einkalkuliert. Dem standen aber nur 385 000 Mann Ersatz. Generaloberst Fromm formierte die 37 Divisionen aus Ersatzsoldaten ohne Kriegserfahrung. So kam, was kommen musste: am 22. Juni 1941 waren 40% der Infanterie- und 25% der Panzerdivisionen nicht voll einsatzbereit. In bester Form standen nur die drei Divisionen der Waffen - SS. Noch schlimmer war die verkehrstechnische Ausrüstung. Nur 26 von 152 Divisionen hatten deutsche Kraftfahrzeuge, die anderen mussten sich mit Beutefahrzeugen von 2000 unterschiedlichen Typen begnügen, die eine Million Ersatzteile brauchten. Nur die Heeresgruppe Mitte (die mächtigste und wichtigste der drei Heeresgruppen) war mit Lkw versorgt. Dabei verfügte das OKW (=Oberkommando der Wehrmacht) nicht mal über genaue Straßen- und Wegekarten Russlands und hatte keine blasse Ahnung, wie die russischen Straßen im Herbst aussehen. Die Folge: im Herbst blieb die Hälfte der deutschen Lkws im Schlamm stecken, und die Wehrmacht musste den Nachschub auf Pferdewagen transportieren. Die Ölversorgung war nur für zwei Monate vorgesehen, danach sollte man aber schon die Ölfelder von Baku erobert haben.... Seit 1941 sollte die deutsche Presse unmerklich das Volk auf den kommenden Krieg einstimmen. Es sollte mehr nichts Gutes über die Sowjetunion geschrieben werden. Seit März waren alle Zeitungsberichte über Russland von Hitler verboten. Dabei hätte es allerlei Erfreuliches zu berichten geben. Anfang 1941 war ein neues Wirtschaftsabkommen mit Moskau unterzeichnet worden, mit einem Rahmen von 600 Mio. RM. Die Sowjets verpflichteten sich, für die nächsten anderthalb Jahre die gewaltige Menge von 2, 5 Mio. Tonnen Getreide zu liefern, außerdem Hülsenfrüchte, Ölsamen, Baumwolle, Mineralöl, Erze. Die Sowjets sollten dafür hochwertige Ausrüstungen für die Rüstungsindustrie und feinmechanische Apparaturen für die Öl- und Textilindustrie erhalten. Nichts davon haben sie erhalten. Molotow versuchte den politischen Wert des Wirtschaftsabkommens zu erhöhen, indem er den Deutschen für 30 Mio. RM Südwestlitauen abgetreten hatte. Als Hitler den Kriegsplan gegen die Sowjetunion bestätigt hatte, schwankten viele seiner Gefolgsleute, z. B. Göring, Ribbentropp und der Staatssekretär von Weizsäcker. Als erster kapitulierte Göring, dann Ribbentropp. Von Weizsäcker hatte mit dem deutschen Botschafter in Moskau, Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, und seinem Botschaftsrat, Hilger, ein Memorandum Hitler eingereicht, in dem alle Argumente gegen den Russlandfeldzug zusammengefasst waren. Am 28. April 1941 empfing Hitler seinen Moskauer Botschafter. Er hörte ihm eine halbe Stunde geduldig zu, dann log er von der Schulenburg, einen Grandseigneur aus kaiserlichen Zeiten, ins Gesicht: ‘’Und noch eins, Graf Schulenburg, einen Krieg gegen Russland beabsichtige ich nicht!’’ Tief erschüttert kehrte Schulenburg nach Moskau zurück. Er und Botschaftsrat Hilger beschlossen, in einem Akt sittlich gerechtfertigten Landesverrates der sowjetischen Regierung den Ernst der Lage aufzuzeigen. Für den 5. Mai wurden zwei Vertraute Stalins zu einem Frühstück in die deutsche Botschaft geladen. Der eine war der Berliner Sowjetbotschafter W. Dekanossow. Schulenburg berichtete von der entstandenen Lage und seinem Gespräch mit Hitler. Dekanossow bewahrte im Laufe des Treffens eine entmutigende Sturrheit. Er glaubte den Deutschen nicht. Als Dekanossow über das Gespräch mit Schulenburg Stalin berichtete, mokierte sich der Diktator im Politbüro: ‘’Nun hat die Desinformation schon die Ebene der Botschafter erreicht.’’ Der Hinweis Schulenburgs war nur eine von mehr als 80 Warnungen, die den Kreml in den letzten Monaten erreichten. Sie liefen auf mehreren Wegen ein: über eigene oder fremde diplomatische Kanäle, über den militärischen Geheimdienst GRU, über den NKWD sowie über die Feindaufklärung der Grenztruppen. Stalin schenkte ihnen keinen Glauben und hielt sich eisern an dem Dogma fest: Hitler blufft, die Engländer provozieren (eine ausführlich detaillierte Warnung hat ihm W. Churchill geschickt). Also lautete die Parole: ‘’Nur nicht auf Provokationen eingehen! Über den Provokationen stehen!’’ Die bedeutendsten Warnungen lieferte der Meisterspion Richard Sorge in Tokio. Stalin warf diese Warnungen auf den Tisch und lachte sie aus: ‘’Solle man diesem Arschloch in Japan, das Hurenhäuser unterhalte und seine Informationen von den Deutschen bekomme, etwas glauben?’’ Inzwischen kreisten in großer Höhe deutsche Aufklärungsflugzeuge über den westlichen Bezirken der Sowjetunion und fotografierten alle Flugplätze und sonstige Objekte. Stalin verbot den Streitkräften, auf sie zu schießen. Für alle Fälle hat Shukow, der Stalin als Gott bewunderte, einen Plan des vorbeugenden Erstschlages ausgearbeitet, doch Stalin unterschrieb ihn nicht. Stalin hatte keine Angst vor Deutschen. Er hatte ganz andere Schreckensvisionen. Darüber berichtete später Botschafter Litwinow in Washington: ‘’Stalin glaubte, dass die britische Flotte über die Nordsee herandampfte, um zusammen mit Hitler Leningrad anzugreifen.’’ Als Beweis dazu diente die Flucht von Rudolf Heß, eines getreuen Gefolgsmannes Hitlers, nach England. Er hatte gedacht, er könne mit England einen Frieden aushandeln, ehe die Deutschen gen Osten aufbrachen. Hitler erklärte Heß für verrückt, aber Stalin war überzeugt, dass Hitler blufft. Außerdem war das Benehmen Londons für Stalin unverständlich. Anfang Juni fuhr der britische Moskauer Botschafter Cripps nach London und sagte, vielleicht komme er gar nicht mehr zurück. Zugleich wurden einige Familien der Botschaftsangestellten aus Moskau evakuiert. Stalin verstand es nicht. Als Provokation behandelte er auch die vom alten Kommunistenfeind Churchill zugestellten Erkenntnisse der britischen Fernaufklärung über den deutschen Aufmarsch. Das war der Augenblick, wo die Spannung für Stalin unerträglich wurde. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als einen weltweit hörbaren Verzweiflungsschrei auszustoßen - in Gestalt eines Dementis, das er selbst formulierte. Es wurde am 13. Juni veröffentlicht. In diesem publizistischen Meisterstück bezeichnete er als unsinnige und plumpe Propaganda die Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg zwischen Deutschland und der UdSSR. Hitlers Kommentar zum Tass - Dementi: ‘’Eine Ausgeburt der Angst.’’ Nach diesem Dementi atmete man tief in der Sowjetunion auf: Kein Krieg! Die Rote Armee reagierte erstaunt, verwirrt, ungläubig. Es war vorbei mit der Wachsamkeit. Die Offiziere fuhren am Wochenende aus den Kasernen nach Hause, die Soldaten legten sich ausgezogen schlafen. Der sowjetische Historiker Merzalow: ‘’Das war die beste Methode, die Truppen in den Tod oder die Gefangenschaft zu schicken.’’ Am 21. Juni 1941 protestierte der sowjetische Außenminister Molotow gegen die dauernden Luftverletzungen. Botschafter Dekanossow suchte um halb zehn abends Staatssekretär von Weizsäcker in gleicher Sache auf, wurde aber kurz und kalt abgefertigt. In der kurzen Nacht vor dem Überfall konnte Hitler nicht schlafen. Er verspürte ein unheimliches Gefühl vor diesem riesigen Land der Hunnen, Awaren, Ungarn, Tataren und Kosaken. Russland kam ihm wie das Geisterschiff im ‘’Fliegenden Holländer’’ vor. Er hatte Angst, dass die Russen Giftgas und Bakterien einsetzen. Nach Miternacht begab sich Stalin in seine Datscha außerhalb der Stadt. Kaum hatte er eingeschlummert, wurde er geweckt. Es sei Krieg, berichtete Shukow. Stalin verschlug es die Sprache. Shukow fragte in die entstandene Stille hinein: ‘’Haben Sie mich verstanden?’’ Wieder Schweigen. Dann: ‘’Kommen Sie mit Timoschenko in den Kreml.’’ Um halb fünf versammelte sich das Politbüro. Erster Befehl an die Grenztruppen: Nicht zurückschießen! Zweite Anordnung: Schulenburg in den Kreml rufen! Der war jedoch schon auf dem Weg zu Molotow. Er teilte Molotow offiziell mit, Deutschland erkläre Russland den Krieg! In den ersten Wochen des Krieges war Stalin am meisten durch die Nachricht erschüttert, die feindlichen Panzer hätten Minsk erreicht. Hier waren die strategischen Reserven Russlands disloziert, die nun in den Strudel der Vernichtung gerissen wurden. ‘’Wir haben jetzt alles verschissen, was Lenin aufgebaut hat’’, soll in jenen Tagen Stalin gesagt haben. Und dies war nur die erste von vielen Katastrophen, die folgen sollten - in der Ukraine, bei Smolensk und an der Rollbahn nach Moskau - mit irrsinnigen Verlusten an Menschen und Material. Noch weiß man nicht genau, wann sich - am 26. Juni oder am 7. Oktober 1941 oder erst im September 1942 - jene gespenstische Szene abgelaufen ist, als Stalin, Molotow und Berija als letzten Ausweg ein Friedensangebot an Deutschland erwogen: Man wollte durch bulgarische Vermittlung einen zweiten Brets - Litowsker Frieden anbieten und Hitler das Baltikum, Weißrussland, Bessarabien und die halbe Ukraine abtreten, alles Gebiete, die ohnehin schon von der Wehrmacht besetzt waren. Hitler war bereit, einen zweiten Brest - Litowsker Friedensvertrag anzunehmen, was die Notizen des Staatssekretärs von Weizsäcker vom 28. September 1941 bestätigen. Die Deutschen hätten ihr Ziel, Russland zu besiegen und es auf die Grenzen von Peter I. zurückzuwerfen, beinahe zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert erreicht. Nicht, weil der Kriegszug perfekt geplant war, sondern weil die sowjetische Führung und das stalinistische System versagt hatten und sich jetzt die Folgen jahrzehntelanger grausamer Zwangsherrschaft auswirkten. Jubelnd begrüßten die Balten die deutschen ‘’Befreier’’. Wenige Tage zuvor waren noch Zehntausende nach Sibirien verschleppt worden. Als der Krieg ausgebrochen war, befreiten die Litauer ihre Republik, und die Sowjets waren gezwungen, sich schleunigst aus Litauen zurückzuziehen. Nach drei Tagen war Litauen in den deutschen Händen. Ebenso enthusiastisch gaben sich die Ukrainer. Millionen Rotarmisten warfen die Waffen weg, hoben die Hände und liefen zu den Deutschen über. Sie waren die Söhne der verhungerten oder verbannten Kulaken, die Kameraden der erschossenen oder eingesperrten Offiziere, die gefolterten und geschundenen Verfolgten der GPU (=sowjetischer Geheimdienst des NKWD), die durch Stalins Versagen enttäuschten und demoralisierten Jungkommunisten. Mit Flugblättern und Lautsprechern hatten die Deutschen sie zum Überlaufen aufgefordert, ihnen gute Behandlung und Freiheit von Terror und Tyrannei versprochen. Aber dann geschah das unglaubliche Verbrechen, der ungeheuerlicheVertrauensbruch: Die Überläufer wurden nicht anders behandelt als jene Soldaten, die sich bis zur letzten Patrone gewehrt hatten. Wider das Völkerrecht, wider die Haager Konvention von 1907 (sie bestimmte die Art und Weise der rechtlichen Behandlung der Kriegsgefangenen), wider die soldatische Tradition wurden alle Gefangenen der Vernichtung anheimgegeben: Von 3 350 000 Kriegsgefangenen des Jahres 1941 lebten am 1. Februar 1942 nur noch 40 Prozent. Zu Hunderttausenden waren sie an Hunger und Durst, an Erschöpfung und Flecktypus gestorben. Zu Zehntausenden waren sie am Wegesrand erschossen, in Wäldern und Sümpfen niedergemetzelt oder vom SD der SS in den Lagern ermordet worden. Dieses brutale Vorgehen der Deutschen gegen die Kriegsgefangenen und die Zivilbevölkerung, der man verboten hat, die halbverhungerten Gefangenen zu verpflegen und vor deren entsetzten Augen die Gefangenen erschossen und die Leichen liegengelassen wurden, war ein tödlicher Irrtum. Die Folgen waren: a) das unerwartete Erstarken des sowjetischen Widerstandes. Die sowjetischen Soldaten bekamen eine panische Angst vor der Gefangennahme; b) die zivile Bevölkerung im Baltikum und in der Ukraine musste erkennen, dass sie lediglich eine Tyrannei gegen die andere eingetauscht hatte. Den Bauern hatte man Land versprochen, aber die Kolchosen blieben bestehen; c) die Millionen Gefangenen hätte man dringend als Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie und die Kohlenbergwerke gebraucht. Das verstand die deutsche Generalität aber erst nach dem Scheitern des Blitzkrieges. Das ist aber eine Halblüge, denn der Tod von ‘’zig Millionen’’ Sowjetbürger war im vornhinein einkalkuliert worden. Was Hitler wirklich vorhatte, wurde am 16. Juli 1941 von Reichsleiter Martin Bormann in einem Aktenvermerk für die Nachwelt festgehalten. Deutschland wolle folgende Gebiete annektieren: a) das gesamte Baltikum (‘’Ostland’’); b) das altösterreichische Galizien; c) die Bialystocker Forsten (als Jagdgebiete für die Generalität); d) das Wolga - Gebiet; e) die Krim (sie sollte von allen Fremden geräumt werden); f) das Ölgebiet um Baku; g) die Halbinsel Kola (wegen der Nickelvorkommen); h) Finnland und Norwegen sollten ein deutsches Bundesland werden. Das verbleibende riesige Gebiet bis zum Ural sollte unter den Schutz der Wehrmacht gestellt werden. Hitler bezeichnete es als ‘’unser Indien’’, das Rohstoffe liefern sollte. Dort sollte jeder, ‘’der nur schief schaut’’, totgeschossen werden. Das Reichskommissariat Ostland (Baltikum + Weißrussland) leitete Reichsminister für die besiegten Ostgebiete, Alfred Rosenberg. Er war ein Deutschbalte, den es 1918 mit anderen russischen Emigranten nach München verschlagen hatte. Dort lernte er den völkischen Agitatoren Adolf Hitler kennen, dem er die Richtung nach Osten wies. Als Feind der Großrussen wollte Rosenberg Russland als Staat und Namen verschwinden lassen. Moskau und Leningrad sollten dem Erdboden gleichgemacht werden. Rosenberg war in die Idee verliebt, aus der Ukraine einen selbständigen Staat zu machen, natürlich unter deutscher Oberhoheit. Unter dem deutschen Kommando hatten die ukrainischen Freischärler bereits am 30. Juni 1941 Lemberg (Lwow) befreit. Doch dann kam die Enttäuschung, als sie verstanden haben, was die Deutschen mit den Ukrainern vorhaben möchten. Die Ukraine sollte jährlich 10 Mio. Tonnen Getreide liefern, d. h. den ukrainischen Bauern sollte nichts bleiben. Den ganzen Ostraum sollten gemeinsam das Militär, das Wirtschafts- und Ernährungsministerium, die Industrie und die Großbanken ausbeuten. Himmler nannte übrigens die Ermordung von 30 Mio. Slawen als ein Ziel des Unternehmens ‘’Barbarossa’’. Zugleich wurde der sog. ‘’Generalplan Ost’’ , das gigantische Völkerwanderungs-, Ausrottungs- und Siedlungsvorhaben der Nazis, vorbereitet. Es ging darum, den Raum zwischen Weichsel und Ural für 25 Jahre für hundert Millionen germanische Siedler zu erschließen. Slawen, Polen, Tschechen und Mähren sollten nach Sibirien abgeschoben werden. Zuvor sollten die rassisch ‘’minderwertigen Volksgruppen’’ (Juden, Zigeuner) ausgerottet und die rassisch ‘’wertvolle Volksgruppen’’ (z. B. baltische Völker als indogermanische Völker) ‘’eingevolkt’’ werden. Zunächst sollten nur drei Marken geschaffen werden: Ingermanland (=Leningrader Gebiet), Gotengau (die Krim) und Bialystock/ Westlitauen. Die versklavten Völker sollten auf niedrigstem Bildungsniveau gehalten werden. Lesen, Schreiben und Rechnen seien überflüssig, es genüge, wenn Menschen, die Hitlers Ansicht nach ohnehin wie Tiere lebten, die Verkehrzeichen kannten und wüssten, dass Berlin die Hauptstadt sei. Aber erst einmal war Krieg, der russische Widerstand wurde täglich hartnäckiger, die Deutschen immer mehr rücksichtsloser. Als an der Südfront niedergemetzelte deutsche Kriegsgefangene gefunden wurden, gab es bei der deutschen Armee kein Pardon mehr. Die jahrelang betriebene Nazipropaganda gab jetzt reiche Früchte. Seit nun waren die deutschen Soldaten überzeugt, dass die russischen Soldaten Bestien sind, dass die Rote Armee ‘’undurchsichtig, unberechenbar, hinterhältig und gefühllos’’ sei, dass die russischen Kriegsgefangenen ‘’stumpf, tierisch, zerlumpt und heimtückisch’’ seien. Die Einstimmung der Truppe entsprach ganz und gar jenen verbrecherischen Befehlen Hitlers, denen die Heeresführung ohne Widerspruch zugestimmt hatte. Was waren es für Befehle? 1. In besetzten Gebieten sollten die Juden in den Gettos wohnen und allmählich vernichtet werden; 2. Die sowjetischen Offiziere und Politruks sollten sofort an der Stelle ‘’erledigt’’ werden; 3. Die Kommunisten sollten reihenweise erschossen werden; 4. Freischärler sollten schonungslos erledigt werden, wobei der Verdacht schon genügte; 5. Bataillonskommandeure durften jederzeit für einen einzigen ermordeten deutschen Soldaten ‘’kollektive Gewaltmaßnahmen’’ gegenüber die Zivilbevölkerung verhängen, d. h. Dörfer in Brand stecken und Einwohner dutzendweise erschießen (was im litauischen Dorf Pirčiupiai auch geschah: Die Partisanen haben in der Nähe des Dorfes ein paar Deutsche erschossen, die Deutschen verbrannten dafür das ganze Dorf). Das Heer war mithin am Ausrottungskrieg ebenso beteiligt wie die Einsatzgruppen des SD und die Polizeibataillone im Hinterland. Da blieb den Sowjetmenschen, ob sie Stalin nun mochten oder hassten, nichts übrig, als seinem Ausruf zum heiligen Volkskrieg vom 3. Juli 1941 zu folgen und sich mit allen Mitteln gegen das Schicksal zu wehren, das ihnen Hitler - Deutschland zugedacht hatte. Die Hitler - Armee hat diese Wende zum erstenmal Anfang August 1941 bei Smolensk gespürt. Stalin war jetzt lernfähig. Er hörte auf seine militärischen Berater, auch wenn ihm zwischendurch noch haarsträubende Fehlentscheidungen (z. B. bei der Schlacht um Charkow im September 1941, wo ganze russische Armeen vernichtet wurden). Vor Terror gegen die eigene Armee schreckte er nicht zurück: Generäle, die an der Front versagten, wurden erschossen; Sperrdivisionen des NKWD schnitten weichenden Truppen den Rückzug ab; halb ausgebildete Verbände und leicht bewaffnete Fallschirmjägerdivisionen wurden rücksichtslos geopfert, um den Vormarsch des Feindes auf Moskau aufzuhalten, ehe die neuaufgestellten oder aus Fernost herbeigeholten Reserven zur Gegenoffensive antreten konnten. Der Preis war hoch. Die Inhumanität des Stalinschen Systems offenbarte sich im rücksichtslosen ‘’Verheißen’’ ganzer Armeen. Aus Inkompetenz oder Starrsinn wurden die Soldaten oft massenweise in den sicheren Tod gejagt die Verluste waren oft fünfmal so hoch wie die des geschlagenen Feindes. Offiziell spricht man von 27 Millionen Toten (davon 8, 5 Millionen Soldaten). Die wahre Zahl soll noch höher liegen. Schließlich hat die Rote Armee gesiegt und mit ihrem Sieg die Völker in Ostmitteleuropa befreit. Doch die Geschichte hat Paradoxe und Tragik gern. Denn dieser Triumph festigte auf beinahe 50 Jahre hinaus die Existenz eines Unterdrückungssystems, das weder demokratische Rechte noch wahren Sozialismus zuließ und vielen Völkern die Unfreiheit bescherte. Im Laufe dieser 50 Jahre wurden die Sieger zu Okkupanten, Bettlern und Verlierern, die Besiegten aber zur zweitstärksten Nation der Welt. Hatte denn Solshenizyn recht, als er sagte, dass ‘’es auf Erden kein schlimmeres Los gibt, als Russe zu sein’’? Und jetzt wollen wir noch kurz die wichtigsten militärischen Ereignisse des Ostfeldzuges und anderer Kriegsplätze des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1941-45 überblicken. Der Ostfeldzug verlief bis zum 5. 12. 1941 sehr erfolgreich. Doch ein russischer Gegenangriff am 05.12. nötigte die Deutschen zum Rückzug. Nach längerer Kampfpause wollte Hitler 1942 Stalingrad und das Kaukasische Ölgebiet nehmen. Die Offensive begann am 2. Juni und endete mit der Vernichtung der Armee von Feldmarschall Paulus in Stalingrad am 2. 02. 1943. Das war der Wendepunkt des Krieges. Am 7. 12. 1941 überfiel Japan den amerikanischen Marinestützpunkt in Pearl Habor. Die USA traten in den Krieg ein. Am 8.11. 1942 landeten amerikanische und britische Truppen unter General Eisenhower in Marokko und Algerien. Kurz darauf ließ Hitler am 27. November Restfrankreich besetzen. Im Frühling 1943 kapitulierten die deutschen und italienischen Truppen in Tunis. Am 10. Juli 1943 landeten die Alliierten auf Sizilien, das bis 17. August genommen war. Inzwischen war am 25. Juli der Duce Mussolini gestürzt worden. Der neue Ministerpräsident Italiens, Marschall Badoglio, ging auf die Seite der Alliierten über, nachdem diese ihm versichert haben, dass die italienischen Faschisten für ihre Greueltaten in Abessinien usw. rechtlich nicht verfolgt werden, und erklärte am 13. Oktober 1943 dem Dritten Reich den Krieg. Hitler ließ Italien von deutschen Truppen besetzen, die italienischen Truppen entwaffnen und Mussolini aus der Haft (12. 09.) befreien. Am 3.09. landeten die Alliierten in Süditalien und konnten bis Jahresende ganz Unteritalien befreien (auch Sardinien und Korsika). Aber die starke deutsche Front konnte erst Mitte Mai 1944 durchbrochen werden. Am 4.06. befreiten die Alliierten Rom, am 12. 08. Florenz, doch dann lief ihr Angriff vor den Apennin fest. Im Sommer 1943 begann Hitler seine letzte Großoffensive gegen den russischen Frontbogen um Kursk. Sie schlug fehl. Im August traten die Sowjets zu neuer Großoffensive an. Am 6. 11. fiel Kiew. Anfang Januar 1944 erreichten die Russen die ehemalige polnische Grenze bei Shitomir. Die Offensive dauerte bis Sommer 1944, als die Sowjetunion von den deutschen Truppen vollständig befreit war. Jetzt geschah das Unerwartete. Auf Befehl Stalins knüpfte der sowjetische Geheimdienstchef Berija über den schwedischen Industriellen Raul Wallenberg Kontakte mit Reichsführer SS Himmler an (Herbst 1944). Stalin wollte einen Separatfrieden mit Hitler aushandeln. Berija schickte Vizeminister Dekanossow extra nach Stockholm, wo er über Botschafterin Kollontai R. Wallenberg ansprach und ihn bat, mit Himmler Kontakt anzuknüpfen. Er wusste nicht, dass Wallenberg ein Doppelagent (der USA und Russlands) war und sofort darüber den amerikanischen Geheimdienst in Kenntnis setzte. Die Amerikaner beauftragten sofort ihren Mann in der Schweiz, Allan Dulles, den Gesandten Himmlers, den Obersturmbannführer Kurt Becher, zu empfangen und mit ihm über den Separatfrieden zwischen den westlichen Alliierten und Hitler Deutschland zu verhandeln. Himmler konnte jetzt wählen zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten. Er entschied sich für die Westalliierten. Doch die sowjetischen Agenten erfuhren von den Verhandlungen zwischen Dulles und Becher in der Schweiz. Stalin protestierte laut, die Verhandlungen wurden abgebrochen, und die Rote Armee war gezwungen, die Grenzen der Sowjetunion zu überschreiten und Osteuropa zu ‘’befreien’’. R. Wallenberg hat im Jahre 1944 geholfen, viele ungarische Juden vor sicherem Tod zu retten. Als er im befreiten Budapest im Frühling 1945 Kontakt mit den sowjetischen Offizieren anknüpfte, wurde er in den Armeestab gebracht, dort verhaftet und nach Moskau geflogen. 1947 wurde er erschossen. Am 6. Juni 1944 landeten die Truppen der Alliierten in der Normandie. Die Invasion begann, die zweite Front wurde eröffnet. Am 21.10. nahmen die Alliierten Aachen und am 22.-27.11. Elsaß - Lothringen. Der Einsatz deutscher V - Waffen (V-1- und V-2 - Raketen) (12.06.) hat nichts gegeben. Am 22.08. kapitulierte Rumänien, im September Bulgarien. Im Norden schlossen die Finnen am 19.09. mit den Sowjets Waffenstillstand, der die Deutschen zwang, ihre Truppen aus Norwegen abzuziehen. Am 15. Februar 1945 begannen die Alliierten eine neue Offensive. Am 26. 03. 1945 konnten sie die Brücke bei Remagen erobern und so über den Rhein ins Herz Hitler - Deutschlands vordringen. Die Westfront brach zusammen. Am 20. April erreichten die Briten die Elbe bei Hamburg, am 2.05. Lübeck. Die Amerikaner trafen am 25.04. bei Torgau an der Elbe auf die Rote Armee. Am 2. Mai kapitulierte die deutsche Armee in Oberitalien. Im Januar 1945 startete auch die Rote Armee eine neue Großoffensive. In Ostpreußen kapitulierten die deutschen Truppen am 9. April. Am 13. 02. fiel Budapest, am 13.04. Wien. Am 25. April schloss die Rote Armee Berlin ein, das sie am 2. Mai bezwang. Hitler endete am 30. April durch Selbstmord 1 . Die Vertreter der Wehrmacht unterzeichneten die bedingungslose Kapitulation am 7. Mai in Reims, am 8. Mai in Berlin. Sie trat am 9. Mai um 0. 01 Uhr in Kraft. 5.6. DAS DEUTSCHLAND DER SIEGER (1945 - 1949) 5.6.1. DIE WESTLICHEN BESATZUNGSZONEN. DAS WERDEN DES WESTSTAATES (1945 - 1949) Seit dem 8. Mai 1945 galt Deutschland als besetzt. Es verschwand aber weder im Jahr 1945 noch beugte sich dem Willen der Alliierten. Die UdSSR und die USA, Großbritannien und Frankreich übernahmen die innere wie äußere Souveränität Deutschlands. Von nun an wird es keine Macht in Deutschland und über Deutschland geben, die nicht von ihnen delegiert oder von ihnen wieder überlassen ist. Der totale Krieg, der von dem totalitären Regime gewollt war, endete in totaler Entäußerung. Am 14. August 1941 hatten Roosevelt und Churchill die Atlantik - Charta unterzeichnet, deren Inhalt von dem sowjetischen Vertreter einen Monat später auf der interalliierten Konferenz von London gebilligt wurde. Darin war es zu lesen: 1. Es soll bei Kriegsende ohne die freie Willensäußerung der betroffenen Völker keine territoriale Veränderung vorgenommen werden; 2. Der deutsche Militarismus und Nazismus sollen zerschlagen werden. Zuerst galt es aber, Deutschland militärisch zu erledigen. Aber schon am 23. Februar 1942 sagte Stalin: ’’Es wäre lächerlich, die Hitlerclique mit dem deutschen Volk und dem deutschen Staat zu identifizieren. Die Hitler kommen und gehen, während das deutsche Volk und der deutsche Staat bleiben.’’ Deswegen wird das ‘’Nationalkomitee Freies Deutschland‘’ gegründet. Vom 14. bis 26. Januar 1943 fand in Marokko die Casablanca - Konferenz der Westalliierten statt, an der Roosevelt und Churchill teilnahmen, wo aber Stalin fehlte, da er wegen des Kampfes um Stalingrad die Sowjetunion nicht verlassen konnte. Präsident Roosevelt verkündete nach dem Gipfeltreffen auf einer Pressekonferenz als vorrangiges Kriegsziel die bedingungslose Kapitulation Deutschlands und seiner Verbündeten. Stalin verstand darunter die Hitlerarmee, Roosevelt ganz Deutschland. Angestrebt werde nicht die Vernichtung der Völker, sondern die Zerstörung ihrer Kriegsmacht und ihrer auf Eroberung und Unterjochung anderer Länder ausgerichteten Weltanschauung. Roosevelts Erklärung bedeutete für die Kriegsgegner, dass man keinen Unterschied zwischen Nationalsozialismus und deutschem Volk macht. Sie zerstörte die Hoffnungen des sowieso geringen deutschen Widerstandes in Deutschland, mit einem erfolgreichen Putsch gegen Hitler günstigere Friedensbedingungen für Deutschland erreichen zu 1 Über die letzten Lebenstage von Hitler siehe in: Hitlers Höllenfahrt, in: Der Spiegel, 14 und 15 / 1995. können. Die Ergebnisse von Casablanca und die Kapitulation in Stalingrad veranlassten die nationalsozialistische Propaganda zur Ausrufung des ‘’totalen Krieges’’ (Sportpalast - Rede von Goebbels am 18. Februar 1943); trotz des verstärkt einsetzenden Luftkrieges über Deutschland solidarisierte sich die Bevölkerung mit den Durchhalteparolen der NS - Führung oder war zumindest zur resignativen Hinnahme des immer aussichtsloser erscheinenden Kriegsgeschehens bereit. Auf der Konferenz von Teheran (28. November - 1. Dezember 1943) stand im Mittelpunkt der Beratungen die Zukunft Deutschlands und Polens. Eine Aufteilung Deutschlands wurde bereits ins Auge gefasst, wobei über die Zergliederung im einzelnen noch keine Einigung erzielt werden konnte. Mit Rücksicht auf Stalin akzeptierte Churchill den Vorschlag der Sowjets, Polen nach Westen bis an die Oder zu ‘’verschieben’’, während Ostpolen bis zur Curzon - Linie von der UdSSR beansprucht wurde. Freie Wahlen in den baltischen Ländern lehnte Stalin ab, denn er setzte darauf, diese nach der Rückeroberung wieder in die UdSSR eingliedern zu können. Die größten Verteidiger der Demokratie - Roosevelt und Churchill - hatten nichts dagegen. Inzwischen häuften sich auf englischer und amerikanischer Seite vielerlei Pläne hinsichtlich der Zukunft Deutschlands. Churchill präsentierte 1944 den Morgenthau - Plan. Der Plan sah die Abtrennung Ostpreußens und Oberschlesiens an Polen, die Abtretung der Saar und des Gebietes zwischen Rhein und Mosel an Frankreich, die Konstituierung eines deutschen Staatenbundes, die Internationalisierung des Ruhrgebietes und vor allem die Umwandlung Deutschlands in ein Agrarland durch die vollständige Zerstörung aller Industrie- und Kohleförderungsanlagen. Das war ‘’Plan blinder Rache’’. Roosevelt lehnte diesen Plan ab und schlug seinen eigenen Plan vor, der als ‘’Direktive JCS 1067’’ an den Oberbefehlshaber der US - Besatzungstruppen am 14. Mai 1945 in Kraft trat. Dieses Dokument zeigte, dass die USA ein kurzsichtiges Land war und dass dieses Dokument weitgehend durch Rache und wenig Einsicht in die fundamentalen Probleme einer Besetzung motiviert war. Nach diesem Dokument sollte nichts unternommen werden, was zur wirtschaftlichen Wiederaufrichtung Deutschlands führen könnte oder geeignet wäre, die deutsche Wirtschaft zu stärken. Das bedeutete, Deutschland sollte im Chaos bleiben und verhungern. Die USA hielten sich an dieser Direktive bis zum Juli 1947 fest. Am 14. November 1944 wurde in London ein wichtiges Dokument unterzeichnet. Es sah die Teilung Deutschlands in drei Besatzungszonen vor. Die Grenzen der Zonen wurden abgesteckt. Berlin sollte gemeinsam regiert und Deutschland gemeinsam von drei Oberbefehlshabern geleitet werden Mittlerweile fand am 4. bis 11. Februar 1945 die Konferenz von Jalta statt. Hier erschien Frankreich als die vierte Großmacht (dank Stalin) auf der politischen Szene. Auf der Krim - Konferenz wurden: 1. Maßnahmen der vollständigen Entwaffnung, Entmilitarisierung und Aufteilung Deutschlands ergriffen; 2. Sehr viel Zeit widmete man Polen, seiner Regierung und seinen Grenzen; 3. Es wurde die totale, vollständige Vertreibung der Deutschen aus Preußen, Polen und der Tschechoslowakei beschlossen; 4. Es wurde die Sach - Reparation angenommen: Materialentnahmen während zweier Jahre nach der Machtübernahme, jährliche Lieferungen aus der laufenden Produktion in einem noch zu bestimmenden Zeitraum, Zwangsbeschäftigung deutscher Arbeitskräfte. Am 5. Juni 1945 wurde in Berlin die lange ‘’Deklaration über Deutschland’’ unterzeichnet. Darin sprach man von der bedingungslosen Kapitulation nicht einer Armee, sondern eines Volkes. In den 15 Artikeln der Deklaration wurden alle nur möglichen Konsequenzen gezogen. Gleich danach zogen sich die US - Truppen aus Sachsen und Thüringen zurück, weil diese Gebiete Russland zugesprochen waren. Hätten die USA es nicht gemacht, wäre das Territorium der DDR bedeutend kleiner! Am 17. Juli 1945 wurde die Potsdamer - Konferenz eröffnet. Sie beschloss folgendes: 1. Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für eine Kriegsproduktion benützt werden könnte. Nur so viel Industrie soll in Deutschland bleiben, um einen Lebensstandard zu erhalten, der den Durchschnitt europäischer Länder nicht überschreitet. Die deutsche Wirtschaft soll zentralisiert verwaltet werden. Deutschland muss Reparationen zahlen. Deutsche Industrieanlagen sollen demontiert werden (496 in britischer, 185 in amerikanischer, 236 in französischer und 1367 in russischer Zone, insgesamt 2284 Anlagen). Dazu gehörten militärische Anlagen und Anlagen, die für die erlaubte Produktion nicht erforderlich waren. Die UdSSR sollte 25% der in den Westzonen liegenden Industrieanlagen abbauen (15% im Austausch gegen Nahrungsmittel und Rohstoffe und 10% ohne Gegenleistung). Es wurde bestimmt, was die Deutschen frei oder beschränkt produzieren durften und was verboten war. Verboten waren: Kriegswaffen, Kriegsausrüstung und Kriegsmittel, Flugzeuge und Seeschiffe aller Typen, schwere Werkzeugmaschinen, schwere Traktoren, Funkausrüstungen, Motorräder mit einem Hubraum von mehr als 250 cm3. Beschränkt waren: chemische Grundindustrie (40% von 1936), Stahl: 5,8 Mio. Tonnen pro Jahr (1936: 19, 2 Mio. t, BRD 1987: 36 Mio. t), 40 000 Pkws (BRD 1988: 4, 34 Mio.), 10 000 Traktoren (leichte!), 10 kg Textilien und Bekleidung pro Kopf, 1, 7 Paar Schuhe pro Kopf. Die Russen haben aus ihrer Zone etwa 40% des Industriepotentials demontiert. Vieles verrottete schon auf dem Abtransport oder schließlich in der Sowjetunion. 129 Firmen wurden in Sowjetische Aktiengesellscften (SAG) verwandelt, darunter Europas größtes Chemiewerk, Leuna, das Bunawerk (zur künstlichen Herstellung von Gummi) bei Merseburg, 80% der Kaligruben und große Teile der elektronischen Industrie, des Fahrzeug- und Maschinenbaus. Die Franzosen bekamen als Reparationen Kohle von der Saar, Holz aus dem Schwarzwald und die Agrarprodukte aus Württemberg und der Pfalz. 1948 zeigte das französische Budget einen Devisengewinn von 335 Mio. Dollar. Wie war die Lage der deutschen Industrie nach dem Krieg? Sie hatte den Krieg überraschend glimpflich überstanden. Die Flächenabwürfe angloamerikanischer Bomberpulks galten vor allem den Städten, dem Transport- und Verkehrswesen. Der Kriegsverlust an westdeutscher industrieller Kapazität wird mit lediglich 8, 1% veranschlagt. Die Demontageverluste waren etwa 7, 3%. Die Qualität der deutschen Industriewaren erreichte am Ende des 2. Weltkrieges ihren höchsten Stand. Der Bergbau an der Ruhr hatte kaum Schäden erlitten. Die Stahlindustrie verlor nicht mehr als ein paar Hochöfen und wichtige Maschinen; nur ein einziges Walswerk war total zerstört (so konnte die Stahlindustrie nach dem Kriege innerhalb von vier Monaten auf drei Viertel der Kriegsproduktion steigen). Arbeitskräfte gab es mehr denn je. Kohle gab es reichlich, aber sie konnte nicht befördert werden. Das Transport- und Verkehrssystem war zusammengebrochen. Auf Schienen, Straßen und Brücken haben die USA und England in den letzten 16 Kriegsmonaten (seit Januar 1944) 457 284 Tonnen Bomben geworfen, 194 682 Tonnen auf Treibstoff produzierende Werke, 379 254 Tonnen auf Städte. Von den 60 000 km Reichsbahnnetz, auf dem vor dem Krieg zwei Drittel aller Güter befördert wurden, war ein Drittel unbefahrbar, 12 828 Weichen waren kaputt. Von 22 400 Lokomotiven, 578 000 Güterwagen war die Hälfte, von 64 000 Personenwagen zwei Drittel schrottreif, der Rest meist in schlechtem Zustand. Zerstört waren, durch feindliche Bomben oder eigene Sprengungen, 33 von 34 Eisenbahnbrücken über Rhein und Weser, 22 von 34 über die Donau. 50 000 Tonnen Stahl und Beton und 1500 Schiffswracks lagen im Rhein, 3455 Wracks in den Häfen von Hamburg, Kiel und Bremen auf Grund. Auf den Wasserwegen ruhte jeglicher Verkehr. Von den 13 000 Straßenkilometern in den britischen Zone waren nur noch 1000 km passierbar, ähnlich sah es in der amerikanischen Zone. Doch die Aufräumekommandos, vor allem die legendären Trümmerfrauen, schafften schnell Ordnung. Auch alle Nazis mussten zwangsweise dabei unentgeltlich mithelfen (einen Tag in der Woche). Bereits ein Jahr nach Kriegsende waren in den Westzonen fast alle Schienenwege wieder offen, die meisten Straßen und der Rhein in voller Länge befahrbar. Zurück zur Potsdam - Konferenz! Der zweite Beschluss der Konferenz lautete: 2. Das gesamte Gebiet östlich der Linie Oder - westliche Neiße sollte der Verwaltung Polens überlassen werden. Im Juni 1950 werden die Regierungen Polens und der DDR ein Abkommen unterzeichnen, das die Oder Neiße - Linie als endgültige Grenze anerkennen wird. Die Regierung der BRD wird diese Grenze erst 1970 anerkennen. Der Bundestag des vereinigten Deutschlands wird 40 Jahre später dasselbe tun. 3. Die Überführung der deutschen Bevölkerung aus Polen, der Tschechoslowakei, Preußen und Ungarn nach Deutschland. 10 Mio. Deutsche mussten umsiedeln. Man nannte sie Umsiedler, sie nannten sich Heimatvertriebene. Unterwegs nach Deutschland wurden Tausende von ihnen grausam von Polen, Russen und Tschechen ermordet. Erst im Februar 1997 hat sich die Regierung Tschechiens für die Exzesse während der Überführung bei den Deutschen entschuldigt, wobei die deutsche Seite bei den Tschechen für das den Tschechen während des Krieges zugefügte Unrecht um Entschuldigung bat. 4. Die Kriegsverbrecher sollten vor ein internationales Gericht gestellt werden. Dieses Gericht tagte vom 20. November 1945 bis 1. Oktober 1946 in Nürnberg. a) Es gab drei Einzelfreisprüche: den Freispruch (išteisinimas) Hans Fritsches, Goebbels blassem Adjutanten, den Freispruch Franz von Papens und den Freispruch Hjalmar Schachts. b) Vier Angeklagte, die zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden (10, 15 und 20 Jahre) wurden nach Verbüßung ihrer Strafe entlassen: 1956 Admiral Dönitz, 1954 Baron von Neurath, Außenminister und später Reichsprotektor von ‘’Böhmen und Mähren, 1966 der Reichsjugendführer Baldur von Schirach und Rüstungsminister Albert Speer. c) Zu lebenslänglicher Haft waren verurteilt: Walther Funk, Wirtschaftsminister ab 1936 (er wurde 1957 wegen Gesundheitszustandes entlassen) und Rudolf Hess, ehemaliger Stellvertreter des Führers. d) Hitler, Goebbels, Himmler und Goering hatten sich das Leben genommen. Hitlers persönlicher Adjutant Martin Bormann floh nach Brasilien und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. e) Zehn Angeklagte wurden gehängt: Joachim von Ribbentropp, die Generäle Keitel und Jodl, Gauleiter Julius Streicher u.a. Die Urteile des Nürnberger Prozesses waren problematisch: a) Verurteilt wurde Hitler - Deutschland mit seinen KZ, Gestapo, SS und SA, NSDAP und HJ. Nicht behandelt wurde die Affäre des Massengrabes von Katyn, die UdSSR mit ihren KZ, der NKWD, die KPdSU und der Komsomol. Wehe den Besiegten! b) Verurteilt wurde der deutsche U - Boot - Krieg. Aber ebenso kämpften auch angloamerikanische U Boote. Verurteilt wurde das Bombardement der Städte durch die deutsche Luftwaffe. Man sprach aber nicht von dem US - Bombardement, z. B. von Dresden mit 100 000 oder von Hamburg mit 40 000 Todesopfern? Man verlor kein Wort über Hiroshima und Nagasaki? Also, was ist dann ein ‘’Kriegsverbrechen’’? c) Soll man das deutsche Volk verurteilen? Die Deutschen versuchen, sich folgenderweise zu verteidigen: A) Es hat ja angeblich Widerstandsbewegung in Nazi - Deutschland gegeben, ja sogar Resistenz, womit das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 gemeint wird. Die Historiker behaupten jetzt was anderes: Die Generäle und Oberste, die das Attentat auf Hitler organisierten, hielten überwiegend dem NS - Staat Treue, solange die Wehrmacht siegte; erst in der Niederlage lehnten sie sich auf. Aber auch dann opponierten sie nicht gegen das verbrecherische Regime, sondern gegen ihre politische Entmachtung und Gleichschaltung ihres Standes. Somit ist die Legende von der Resistenz der tapferen ‘’Männern des 20. Juli’’ nicht haltbar. Komischerweise (oder tragischerweise) tragen heutzutage die Bundeswehr Kasernen die Namen von Nazi - Generälen der Wehrmacht und die kommunistischen Widerstandskämpfer werden in der BRD vom offiziellen Gedenken ausgeschlossen, die ehemaligen Mitglieder der Waffen - SS erhalten Staatsrenten, die Opfer des Nazi - Regimes dagegen keine. B) Die Deutschen sagen: Wir haben nichts vom Hitler - Terror gewusst, und wenn doch, so haben wir nichts dagegen unternehmen können. Also, reden wir lieber nicht davon. Aus diesem Nicht- wissen - Wollen und dem Wunsch, die Untaten des Nazi - Regimes zu ‘’beschweigen’’, erwuchs in den 80er und 90er Jahren die Xenophobie - die Furcht vor dem anderen, d. h. der Fremdenhass, die Ausländerfeindschaft. Die besten Beispiele sind die Ausländer - Pogrome von 1992-93 in beiden Teilen Deutschlands. Paradoxon: Hitler hatte in seiner Jugend vielfältigen Umgang mit Juden und ist keineswegs als ‘’exterminatorischer Antisemit’’ in die Politik gegangen, hat wohl aber die politische Kraft des Antisemitismus zur Fanatisierung der Massen kennen gelernt und sie ausgenützt. Er nützte den Ethnozentrismus des deutschen Volkes geschickt aus. Eben der Ethnozentrismus gebar dann unter bestimmten Umständen den Antisemitismus, so wie die Furcht vor Entfremdung, vor den Anderen zur panischen Verfremdung, zur Intoleranz den Nichtdeutschen gegenüber geführt hatte. ‘’Wir sind insoweit die Erben von Pogromisten und Gettoerbauern - nicht erst seit den Tagen von Himmler, Eichmann und Stroop’’, schreibt Dr. Helmut Dahmer, Professor für Soziologie an der TH Darmstadt 1 C) Nur einige ‘’verbrecherische Gruppen von Deutschen’’ seien am Holocaust (žydų masinis naikinimas) schuldig. Der 37 Jahre alte US - Historiker, Daniel Goldhagen, vertritt die These, die gesamte deutsche Gesellschaft habe den Genozid an den Juden gewollt, ihr sei der ‘’exterminatorische Antisemitismus’’ inhärent gewesen2 . Allmählich wird auch die These nicht haltbar, dass Hitler allein für den Genozid verantwortlich sei (darüber schrieb Brigitte Hamann in ihrem Buch ‘’Hitlers Wien’’). D) Nur SS, Gestapo, SA, HJ und ein paar andere Organisationen waren verbrecherisch, nicht aber die Wehrmacht. Auch diese Legende zerbröckelt nun an der Last der Dokumente. 1995 legte das Hamburger Institut für Sozialforschung seine Forschungsergebnisse zum Thema ‘’Wehrmacht und Holocaust’’ vor. Historiker Alfred Dregger schrieb einst ‘’von den braven Soldaten, die ehrenvoll und unter Beachtung des Völkerrechts tapfer für ihr Vaterland, das in große Not geraten war’’, gekämpft hatten. Die Forschungen des Hamburger Instituts zeigen ein andres Bild: Bis in untere Dienstränge beteiligte sich die Wehrmacht eifrig an der ‘’Endlösung’’. Der Mythos von der ‘’anständigen Truppe ließ sich nicht weiter aufrechterhalten. Doch als im Februar 1997 in Hamburg eine Ausstellung über die Teilnahme der Wehrmacht am Genozid eröffnet werden sollte (‘’Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944’’), kam es zu landesweiten Protesten. Jan Philipp Reemtsma, Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung’’ und der ‘’Arno Schmidt Stiftung’’, schrieb: ‘’Die Ausstellung ‘Vernichtungskrieg’ dokumentiert den Krieg eines Staates, dessen zivile und militärische Führung vorsätzlich die meisten Werte außer Kurs gesetzt hatten, deren es bedarf, will man zwischen erlaubter und unerlaubter Gewalt in einem Krieg unterscheiden. Der Krieg der deutschen Wehrmacht im Osten war ein Ausrottungskrieg, in dem eine Mehrheit von Soldaten entweder Kriegsverbrecher begangen hat oder Zeuge von Kriegsverbrechen wurde oder doch wenigstens von ihnen wusste. (...) Es handelte sich ... um angeordnete, meist kaltblütig exekutierte Massenmordaktionen’’1. Das Nachkriegsdeutschland ließ die Weltkriegsveteranen gleichfalls weder als Helden heimkehren noch schenkte ihrem Leid sonderlich viel Anteilnahme. Warum? 1. Weil der Krieg verloren war. 1 2 1 H. Dahmer: Die Stunde der Gesundbeter und Schleiermacher, in: Die Weltwoche, 12. 08. 1993 D. Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker. Siedler, 1996 J. Ph. Reemtsma: Krieg, Verbrechen, Moral, in: Der Spiegel, 49/ 1996, S.57 2. Weil im Vordergrund der Nachkriegsaufmerksamkeit die zivilen Opfer standen: Die Toten und Obdachlosen der Luftangriffe und die Vertriebenen. 3. Weil es das gab, was Hermann Lübbe das ‘’kommunikative Beschweigen’’ genannt hat. Die Verbrechen der Wehrmacht wurden zum vielleicht größten Tabu der deutschen Nachkriegsgeschichte. Sie wurden durch ein kollektives Schweigen geleugnet, um den Preis, dass man ihren Veteranen den Heldenstatus nicht zuerkannte und das Leid der einzelnen Soldaten nicht thematisierte. Noch schlimmer: Historiker Frei bewies in seiner Arbeit ‘’Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS - Vergangenheit’’, die 1996 erschienen war, dass die führenden Politiker der BRD in den Jahren 1949-54 alles getan haben, um Nazis zu entlasten. Das waren die Jahre des ‘’Triumphes des Beschweigens’’, dessen Ausmaß, Tiefe und Bedeutung bisher historiographisch nicht einmal im Ansatz erforscht sind. 1949-54 kamen Straffreiheitsgesetze NS - Belasteten entgegen, welche auch die Zustimmung der oppositionellen SPD fanden. Es ging schließlich, so Frei, um die ‘’Transformation vormaliger NS- ‘Volksgenossen’ in die Bürger der Bundesrepublik’’. Eugen Gerstenmaier, ehemaliger Widerstandskämpfer und 1954 Bundestagspräsident sagte damals mit entwaffnender Offenheit: Auf die Millionen ‘’Verführter’’ könne und dürfe beim ‘’Neuaufbau des deutschen Vaterlandes’’ nicht verzichtet werden. Die verharmlosend ‘’Braun - Schweiger’’ genannten Nazis - es müssen Tausende gewesen sein -, die mit neuer Identität im neuen Staat neue Karrieren einschlugen hatten kaum etwas zu befürchten. Und so lebten 87 000 deutsche Kriegsverbrecher ruhig in der BRD. Denn es gab, im Unterschied zu Ostdeutschland, keine Entnazifizierung in Westdeutschland. Zum Teil wurden die nationalsozialistischen Verbrecher erst in den letzten Jahren enttarnt. Wollte denn wirklich absolut niemand in der BRD von den Verbrechen der Nazis erfahren? Doch, zuerst hat es die junge Generation von 1968 versucht. Diese erste Nachkriegsgeneration bedrängte während der Studentenbewegung die Eltern mit der (inquisitorischen) Frage nach ihrer moralischen Beteiligung, forderte ein Schuldeingeständnis. Doch sie bekam das Mea culpa nicht. Die Zeit war noch nicht reif dafür. Zum zweitenmal stellte die zweite Nachkriegsgeneration diese Frage erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Warum erst jetzt? 2 a) Die politischen Auswirkungen der NS - Zeit, der Kalte Krieg und die Aufteilung der Welt in zwei Blöcke waren überwunden. Eine Ära konnte als abgeschlossen betrachtet werden. Nun konnte über die NS - Zeit geforscht werden wie über das Mittelalter - ohne den Impetus der Anklage. Man nennt diesen Vorgang ‘’Historisierung’’. b) Die Beschuldigten stehen nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft (Mommsen). Die Handelnden und Zeitzeugen der Jahre 1933 bis 1945 sind fast ausgestorben, sie hatten die Diskussion bis in die 80er Jahre hinein beherrscht, sie forderten Rücksichtsnahme und behaupteten kategorisch, an NS Verbrechen nicht beteiligt gewesen zu sein, ja sogar Schlimmeres verhindert zu haben. c) Manche Historiker versuchten, die deutschen Verbrechen zu relativieren, den Schlussstrich zu ziehen, z. B. Berliner Professor Ernst Nolte, der damals fragte: ‘’War nicht der ‘Archipel Gulag’ ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der ‘Klassenmord’ der Bolschewiken die logische und faktische Fortsetzung des ‘Rassenmords’ der Nationalsozialisten?’’ Ja, Professor Nolte hat recht, denn sowohl der Nationalsozialismus als auch der Bolschewismus waren verbrecherische totalitäre Systeme. Sind aber alle Völker der Sowjetunion an den Verbrechern Stalins schuld, ist das deutsche Volk am Genozid schuld, ist das litauische Volk an Judenpogromen 1941 schuld? Nach der Kapitulation sprachen die Alliierten nur von der Kollektivschuld des deutschen Volkes. Die Folge war: die Kollektivanklage ließ eine Art Solidarität mit dem geschlagenen Regime wiedererstehen, während der Prozess der Abwendung von diesem Regime im Gang war. Aus diesem Grund nannte man und hielt man die Amerikaner bis 1990 für die Okkupanten - wiederum ein Paradoxon der Geschichte! Zurück zu den Beschlüssen der Potsdamer - Konferenz: 5. Deutschland sollte entnazifiziert werden. Zum Teil haben wir dieses Problem schon oben angeschnitten. Also, gleich nach dem Kriegsende wurden alle nazistischen Funktionäre automatisch verhaftet (64 000 in der britischen Zone, 95 000 in der US - Zone, 19 000 in der französischen und 67 000 in der sowjetischen Zone). Es gab massenhaft Entlasungen der Nazis aus den Arbeitsstellen, und man verbot ihnen nach wechselnden Kriterien die Ausübung jeglicher öffentlichen Tätigkeit. 1945-46 wurden in der französischen Zone 70 000 Berufsverbote ausgesprochen, in der britischen 320 000. In der amerikanischen Zone wurden die NSDAP Mitglieder in 5 Kategorien eingestuft: Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer, Entlastete. Diese Kategorien galten ab November 1946 in allen drei Zonen. Es wurden Säuberungen an den Universitäten durchgeführt, viele Universitäten wurden funktionsunfähig, weswegen viele entfernte Universitätslehrer wieder in ihre Lehrstühle eingesetzt wurden. Die Entnazifizierung war anfangs zu streng, dann zu nachsichtig und schließlich zu kurzsichtig. Die soziale Klasse der ‘’Entnazifierten’’ war verbittert, 2 M. Berger: Warum erst jetzt?, in: Die Woche, 3.01.1997 dass sie wegen eines ‘’Überzeugungsdelikts’’ verurteilt worden waren, und wurde zu Gegnern der neuen Staatsordnung. Konrad Adenauer tat alles, um ihre Verbrechen zu ‘’beschweigen’’ (siehe oben). Nach der Besetzung Deutschlands wurden die Deutschen von 12 000 Amerikanern unter Fünf - Sterne General Dwight D. Eisenhower, von 25 000 Briten unter Feldmarschall Bernard Law Montgomery, von 11 000 Franzosen unter General Jean de Lattre de Tassigny und von 60 000 Russen unter Marschall Georgij Shukow regiert. Die Militärgouverneure waren L. D. Clay (USA), B. Robertson (UK), Louis M. Koeltz (F) und W. Sokolowski (SU). Die vier Gouverneure regierten im Namen des Alliierten Kontrollrats in Berlin, in dem jede Besatzungsmacht das Vetorecht hatte. Vier Großmächte mit grundverschiedenen Gesellschaftssystemen beherrschten zum erstenmal in der Weltgeschichte gemeinsam ein Land. Stalin hatte sofort gesagt: ’’Wer immer ein Gebiet besetzt, erlegt ihm auch sein eigenes gesellschaftliches System auf.’’ Nach einiger Zeit verstanden es auch Eisenhower, de Gaulle und Churchill. General Clay erfuhr von Deutschland erst 1945, zuvor hat er nichts von ihm gewusst. In Deutschland fühlte er sich als Sieger, nicht als Befreier. Denn wen haben die Amerikaner befreit? Einige Tausende KZ Gefangene! Millionen Deutsche wollten sich aber nicht befreien lassen. Sie waren bis zum letzten Tag Hitler treu geblieben. Noch nach dem Krieg war über die Hälfte überzeugt, der Nationalsozialismus sei an sich eine gute Sache, nur leider sei die Idee schlecht verwirklicht worden (ebenso denken auch viele ehemalige Bürger der UdSSR und der DDR). Das deutsche Volk fühlte sich von Kollektivschuld unbefleckt, von Kollektivscham unberührt, aber es fühlte sich erlöst und vernichtet, auch auf ewig besiegt. Der Kampf um die buchstäblich nackte Existenz, das Bangen und Hoffen um die Hunderttausende Verschollene, die Not der Ausgebombten, Vertriebenen und Flüchtlinge machten die Hinterbliebenen unfähig, über das zu trauern, was das zerstörte Reich in ihrem Namen der Menschheit angetan hatte. 7, 35 Mio. Deutsche waren im Krieg umgekommen (darunter nur 3 Mio. Soldaten!), 12 Mio. deutsche Soldaten waren in Kriegsgefangenschaft. Die meisten kehrten nach einem Jahr zurück, viele erst nach zehn Jahren, über eine Million überhaupt nicht. 9, 5 Millionen treckten 1945 aus dem deutschen Osten in das heutige Bundesgebiet. Tausende starben vor Hunger auf den Landstraßen. Über Deutschland lagen 400 Mio. Kubikmeter Trümmer. Auf dem Gebiet der heutigen BRD waren 41,2% der Wohnungen total zerstört. Heimkehrende Evakuierte (3,1 Millionen) und Ausgebombte hatten nirgendwo ein Dach über dem Kopf. Auf Lebensmittelkarten gab es knapp tausend Kalorien pro Tag. Sowjet - Kommissar für Außenhandel A. Mikojan berichtete nach einer Berlin - Visite: ‘’Menschen essen Gras und Rinde von den Bäumen’’. Überall kam der Schwarzhandel in Gang. Eine neue Gesellschaft entstand. Oben war nun, wer Butter und Speck produzierte oder verschob. Zum Geldadel zählte, wer über Zigaretten verfügte (Camel oder Lucky Strike). Der Mittelstand setzte sich aus denen zusammen, die aus Stahlhelmen Kochtöpfe, aus Kartuschenhülsen Ofenbleche machen konnte. Und unten waren die, die nichts zu versilbern und zu vertauschen hatten. Th. Mann nannte das Jahr 1945 ‘’ein Gedränge von Schocks und erbitternden Geschehnissen’’. Es war ein Jahr des Ab- und Umbruchs, ein Augenblick der Zeitlosigkeit, es war die Stunde Null, von der an alles neu begonnen werden musste. 1946 verkündete der britische Außenminister E. Bevin, Deutschland werde seine Existenz geteilt fortsetzen müssen. Das gefiel Stalin nicht. Stalin war zuerst für die deutsche Einheit. Ostdeutschland war in seiner Hand, und ein gemeinsam verwaltetes Deutschland versprach Einfluss auf ganz Deutschland. Charles de Gaulle war dagegen für die Schaffung separater Staaten Bayern, Baden, Hessen - Kassel, Hessen Darmstadt usw. Er war für die Erneuerung der Bismarckschen Deutschen Bundes mit 41 Staaten. Die Franzosen sprachen sich noch im August 1945 kategorisch gegen Zentralverwaltung Deutschlands aus. Sie waren auch dagegen, die Eisenbahn in gemeinsamer Regie der vier Großmächte zu nehmen. Die Russen waren dagegen, dass die Zonengrenzen für Deutsche offen wären. General Clay drohte den Franzosen, die amerikanische, britische und sowjetische Zonen zusammenzuschließen. Aber die Russen lehnten es ab. Schließlich erklärten auch die Russen ihr Veto gegen eine Zentralverwaltung Deutschlands. Sie passte nicht ins sowjetische Deutschland - Konzept. Die Zentralverwaltung würde den Russen nicht erlauben, den Aufbau des stalinistischen Sozialismus in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) - Diktatur, Staatswirtschaft, Enteignung, Bodenreform - durchzuführen. Neun Monate nach Potsdam befassten sich die Alliierten, im Frühjahr 1946, auf der Außenministerkonferenz in Paris, zum erstenmal wieder mit der deutschen Frage - in geladener Atmosphäre. Die Sowjetisierung Osteuropas und Moskaus Druck auf den Iran und Griechenland hatten die Westmächte geschockt. Jetzt war klar: Die Russen wollen zweifaches erreichen: die Sowjetisierung seiner SBZ und die Konsolidierung des Ostblocks. Das Ziel: in Gesamtdeutschland mitzureden. Die Amerikaner wollten noch 1945 möglichst schon zwei Jahre nach Kriegsende Deutschland räumen und den Vertrag über friedliche Koexistenz mit der UdSSR unterzeichnen. Es blieb nur eins - die Spaltung Deutschlands zu forcieren. Im Dezember 1945 akzeptierte Stalin den amerikanischen Plan, Deutschland zu neutralisieren und für 25 Jahre zu entwaffnen. Im Frühling 1946 blockierte aber Molotow diesen Plan in Paris. Die sowjetische Seite verlangte in Paris, eine genug demokratische deutsche Regierung zu bilden. Dies würde aber Moskau ermöglichen, in einigen Jahren aus der demokratischen Regierung eine volksdemokratische zu machen und die Kontrolle in den Westzonen in seine Hände zu bekommen. Die Franzosen verwarfen sofort den sowjetischen Vorschlag. Die Briten auch. Am 5. März 1946 hielt W. Churchill seine berühmte Rede, mit der die Epoche des Kalten Krieges begann. Er sagte: ‘’Von Stettin an der Ostsee bis nach Triest an der Adria hat sich ein Eiserner Vorhang über den Kontinent gesenkt.’’ Die Amerikaner zögerten. Die Pariser Außenministerkonferenz endete mit nichts. In den USA gewannen aber antikommunistische Politiker Oberwasser und warnten vor Gefahr aus dem Osten. Jetzt zögerten die USA nicht mehr. Am 6. September 1946 hielt der Außenminister der USA, James F. Byrnes, die berühmte Wende - Rede. Byrnes sagte: ‘’Wir treten für die wirtschaftliche Vereinigung Deutschlands ein. Auch für die baldige Bildung einer vorläufigen deutschen Regierung. Wir bestehen darauf, dass Deutschland die Grundsätze des Friedens und der Menschlichkeit befolgt. Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Platz zurückzufinden unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt.’’ Inzwischen kam der kalte Winter des Jahres 1946-47, der Hungerwinter, der die Wirtschaft lahm legte, der die Produktion auf den unmittelbaren Nachkriegsstand - 29% gegenüber 1936 - zurückwarf. Von den 18 Mio. Einwohnern der US - Zone waren 6, 6 Mio. in erbärmlichen Zustand. Das ganze öffentliche und wirtschaftliche Leben geriet in einen Zustand der Stagnation. Hunderttausende Menschen formierten sich zu ‘’Hungermärschen’’ und demonstrierten gegen die Besatzungsmächte. Am 3. April 1947 traten 300 000 Ruhrkumpel in einen 24stündigen Generalstreik. Der US - Militärgouverneur General Clay hat das Unheil des Winters 1946-47 vorausgesehen. Jetzt trieb er die Fusion (susiliejimas) der amerikanischen und britischen Zone zur Bizone voran, die am 1. Januar 1947 entstand. General Clay predigte: Wirtschafts- und Massenelend in Deutschland können nur überwunden werden, wenn ein einheitliches Wirtschaftsgebiet geregelten Austausch von Rohstoffen, Lebensmitteln, Gütern und gemeinsamen Außenhandel erlauben. Am 12. März 1947 hielt der US - Präsident Truman eine Rede: ‘’Die freien Völker der Erde blicken auf uns und erwarten, dass wir sie in der Erhaltung der Freiheit unterstützen’’. Die Truman - Doktrin legte das Ende den Plänen der Vereinigung Deutschlands. Sie bedeutete den realen Anfang des Kalten Krieges. Zugleich aber auch die Wiederaufrichtung des freien, demokratischen Europas. Dazu sollte der Marshall Plan dienen. Der Marshall - Plan verfolgte folgende Ziele: 1. Er sollte den Europäern zeigen, dass die amerikanische Wirtschaft als Erfolgsmodell dienen könnte, wenn die Europäer nur endlich ihre ideologischen Streitereien hinter sich lassen und ihre Volkswirtschaften integrieren würden, d. h. ein vereintes Europa bilden; 2. Seine Grundpfeiler hießen Vertrauen in den technischen Fortschritt, Anerkennung der Produktivkraft der amerikanischen Wirtschaft und Glaube an die klassenübergreifende Zusammenarbeit; 3. Wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeiter und unter Bildung verschiedener politischer Koalitionen; 4. Aufbau von kooperativen Arbeitsbeziehungen, die Wirtschaftswachstum hervorbringen und somit die unverzichtbaren Voraussetzungen für eine politisch - demokratische Stabilität schaffen würden. Das Ziel war ein Wohlfahrtsstaat und kooperative Gewerkschaften. Natürlich steckte hinter dem Marshall - Plan auch das strategische Ziel, Macht und Stabilität der USA zu sichern, Absatzmärkte zu erschließen und die ökonomische Einflusssphäre auszudehnen, die Westintegration Westdeutschlands zu präjudizieren und das kapitalistische System zu restaurieren. Vier Jahre lang haben die USA 2, 5% des Sozialprodukts der Vereinigten Staaten nach Europa geschleust. Ohne diese finanzielle Hilfe wären die sozialdemokratischen Gewerkschaften Europas zusammengebrochen, denn die kommunistischen Gewerkschaften in Frankreich und Italien waren außerordentlich stark. Außerdem war diese Hilfe nicht an zahlreiche Bedingungen geknüpft, wie es heute bei der Vergabe von IWF - Mitteln der Fall ist.. Als Stalin einsah, dass die osteuropäischen Staaten wie Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn u.a. vom Kreml unabhängig werden könnten, falls sie finanziell von den USA unterstützt wären, sagte er ‘’nein’’ zum Angebot. Auf den Marshall - Plan reagierte die UdSSR mit der Gründung der Kominform (kommunistisches Informationsbüro), die weltweit die kommunistischen Parteien leiten sollte und eine Neuauflage der 1943 aufgelösten Komintern war, die die kommunistische Weltrevolution vorantreiben sollte. Stalins Parteiideologe A. Shdanow teilte in einer Rede die Welt in zwei Blöcke - den eigenen, ‘’antiimperialistischen und demokratischen’’ und den gegnerischen ‘’imperialistischen und antidemokratischen’’. Es war nicht nur die Teilung Deutschlands, sondern auch der ganzen Welt. Und wie standen die deutschen Politiker und die deutschen Parteien zur Teilung Deutschlands und zur Gründung eines Weststaates? Die deutschen Politiker - Reinhold Maier, Konrad Adenauer - betrachteten die Gründung der Bundesrepublik als ein Danaer - Geschenk, das den Fortdauer der Fremdherrschaft und die Verzicht auf die Wiedervereinigung bedeutete. Sie sprachen sich gegen einen ‘’Weststaat’’ als Endlösung des politischen Problems aus., denn die Russen werden sofort mit einem Oststaat antworten, und das wäre die Teilung Deutschlands. Die Deutschen wollten nur eine wirtschaftliche und verwaltungsmäßige Zusammenfassung der drei Zonen, einen Zweckverband administrativer Qualität. Schon gar nicht sollte die Verfassung ‘’Verfassung’’ heißen, sondern , z. B. Grundgesetz. H. Kopf sagte: ‘’Zur Zeit sei das deutsche Volk nicht in der Verfassung, sich eine Verfassung zu geben. Verfassung gehört zu den Requisiten eines regelrechten Vollstaates.’’ Am 10 Juli 1948 äußerten sich die deutschen Regierungschefs der Länder ihr Bedenken hinsichtlich des Willens der drei Großmächte, einen deutschen Weststaat zu gründen. Der US - Militärgouverneur Lucius D. Clay war enttäuscht: ‘’Sie haben eine goldene Chance verpasst’’, sagte er. ‘’Wenn wir im Westen nicht hier wären, wären sie schon längst russisch!’’ General Clay war zuerst für das auf der Potsdamer Konferenz angenommene Ziel, Gesamtdeutschland zu bewahren. Jetzt aber, 1948, als der Zerfall der antihitlerschen Koalition unabwendbar war und die amerikanische Hegemonialpolitik dem deutschen Weststaat eine wichtige Funktion im antikommunistischen Bollwerk zuwies, war Clay für den Vollzug der Teilung Deutschlands. Und wie stand’s mit den Parteien, und überhaupt, welche Parteien gab es nach dem Krieg in den Westzonen? 1945 fanden sich die führenden SPD - Mitglieder heimlich zusammen. Die Alliierten haben jegliche parteipolitische Betätigung verboten. Der frühere SPD - Reichstagsabgeordnete, Kurt Schumacher, verkündete: ‘’Die innere Notwendigkeit zwingt die Sozialdemokraten, sich in die erste Reihe zu stellen und das Recht für sich in Anspruch zu nehmen, die deutsche Politik führend zu gestalten, denn die SPD sei die einzige deutsche Partei gewesen, die an der großen Linie der Demokratie und des Friedens ohne Konzessionen festgehalten hat.’’ Wie man sieht, die politische Realität war anders. Schumacher gründete am 6. Mai 1945 heimlich den SPD - Ostverein in Hannover. Er wollte aus der SPD nicht mehr eine Arbeiter-, sondern eine Volkspartei machen: Ende September wurden in der britischen und amerikanischen Zone (in der französischen Zone erst ab Jahresende 1946) die Parteien auf lokaler Ebene zugelassen. Die SPD hatte 1946 633 000 Mitglieder (ebenso viele wie 1930 im ganzen Reich), Mitte 1947 875 000 (nur rund 35 000 weniger als 1988). Zwei Drittel der Mitglieder waren ehemalige SPD - Mitglieder. Am 5. Oktober 1945 organisierte Schumacher in Wennigsen (nahe Hannover) die erste SPD - Konferenz. An ihr nahm auch der Sozialdemokrate Otto Grotewohl, später DDR - Ministerpräsident, teil. Man debatierte über die Ausrottung des Nazismus, über die Zurückdrängung der privatkapitalistischen Wirtschaftswünsche, über die planmäßige Lenkung und Organisierung des Aufbaus und über den Versuch der Berliner Sozialdemokraten, in der Sowjetzone mit den Kommunisten zu paktieren und einen zentralen Geltungsanspruch für das ganze Reich anzumaßen. Am Ende der ersten und letzten gesamtdeutschen SPD - Konferenz in Wennigsen stand ein Kompromiss: Keine gesamtdeutsche SPD - Führung. In Berlin sollte den Zentralausschuss weiterhin Otto Grotewohl leiten, im Westen Schumacher (im Mai 1946 wurde er SPD - Vorsitzender). Kampflos räumte Schumacher die Position der SPD in Ostdeutschland und ließ zu, dass im April 1946 die SPD und die KPD zur SED verschmelzen. Schumacher, ein militanter Sozialist, grenzte sich rigoros nicht nur von der KPD, sondern auch von der CDU ab. Die CDU war für ihn eine totalitäre Partei, die den Restkapitalismus in Deutschland repräsentierte. Nach den Landtagswahlen 1947 stellte die SPD in fünf von elf westdeutscher Länder den Regierungschef. In Schleswig - Holstein regierte sie allein, in anderen elf Ländern war sie an der Regierung beteiligt. Schumacher war dagegen, mit kleineren bürgerlichen Parteien zu koalieren. Die SPD kümmerte sich nur wenig um die Langzeitperspektive. Als Oppositionspartei manövrierte die SPD zwei Jahrzehnte lang. Die Entstehung der CDU / CSU nach dem Krieg war ohne Beispiel in der 100jährigen deutschen Parteigeschichte. Dies ist Konrad Adenauer zu verdanken. Im Unterschied zu Schumacher war er ein gewiefter Taktiker, der alle Schliche kannte und nutzte, listig, rigoros. Sein Programm war sehr einfach: hoch soll das christliche Abendland leben und heilig der Kampf gegen den heidnischen Kommunismus sein. ‘’Wir erblicken in der materialistischen Weltauffassung den Todfeind des deutschen Volkes und überhaupt Europas. Asien steht an der Elbe. Die SPD ist der Untergang Deutschlands.’’ Die CDU/CSU war eine neue, überkonfessionelle Mitte - Rechts - Partei, eine christliche Volkspartei. Mit der Idee einer solchen Partei trug sich 1920 der prominente Vertreter der Zentrumspartei A. Stegerwald. Er wollte eine deutsche, christliche, demokratische und soziale Partei, einen Block zwischen Großkapital und deutschem Sozialismus gründen. Die alten bürgerlichen Parteien, die dieselben Ziele verfolgten - Deutsche Volkspartei, Deutsche Demokratische Partei, Deutschnationale Volkspartei, das katholische Zentrum - hatten sich auf enger Tuchfühlung mit den Nazis verstrickt und waren mit Schuld befleckt. Die CDU/CSU bestand aus Konservativen und Liberalen uns aus Vertretern der Zentrumspartei mit reinen Händen. Am 17. Juni 1945 entstand in Köln die Christlich - Demokratische Partei (CDP). Am gleichen Tag entstand in Berlin die Christlich - Demokratische Union Deutschlands (CDU Deutschlands). Ihr Ziel: Deutschland zwischen den Blöcken, zwischen Kapitalismus und Kommunismus, d. h. Deutschland sollte ein demokratischer, neutraler Staat werden. Adenauer erhob sofort Widersprüche: auf keinen Fall sollte Berlin wieder der Nabel Deutschlands oder auch der der CDU werden. Aber auch zu den Gründern der Kölner CDP hielt Adenauer Distanz. Am 6. Januar 1946 meldete auf einmal der 70jährige Adenauer seinen Führungsanspruch an: er wolle CDU - Vorsitzender werden. Am 22. Januar wurde er zum Vorsitzenden der Zonen - CDU gewählt, am 5. Februar 1946 zum Vorsitzenden der ganzen CDU. Der fünfte Februar ist der Tag der Machtergreifung Adenauers. Am 7. Mai 1947 fand in München die Konferenz der Regierungschefs aller vier Besatzungszonen statt. Sie scheiterte, bevor sie begonnen hatte. Die Vertreter aus der französischen Zone durften über die Politik nicht sprechen - Paris hat es verboten. Die SPD vertrat den Standpunkt, dass es ausschließlich Sache der Parteien, nicht der Regierungschefs sei, über das neue Gesamtdeutschland Pläne zu schmieden. Schumacher wollte verhindern, dass die Idee einer Föderation der deutschen Länder auf der Konferenz siegt. Er war für einen zentralisierten Staatsaufbau. Zentralismus schien ihm eine notwendige Voraussetzung für Sozialisierung und Wirtschaftsdemokratie. Am 28. Mai erhielt die Konferenz aus der Sowjetzone folgende Forderung: 1. Teilnahme auch von den Vertretern der Parteien und Gewerkschaften an der Konferenz, die sich 2. hauptsächlich mit der ‘’Schaffung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands befassen und 3. in Berlin, dem Sitz des Alliierten Kontrollrats, tagen sollen’’. Professor Ludwig Erhard (CDU), Direktor für Wirtschaft im bizonalen Wirtschaftsrat, lehnte die Punkte 1 und 3 ab und lud die SED - Spitze und die Regierungschefs der Sowjetzone, gemeinsam den Punkt 2 zu besprechen. W. Ulbricht, SED - Chef, verlangte sofort folgendes Problem zu besprechen: ‘’Bildung einer deutschen Zentralverwaltung zur Schaffung eines deutschen Einheitsstaates’’. Darunter verbarg sich das Ziel, den deutschen Einheitsstaat unter Betreuung der Alliierten Kontrollrates zu stellen, in dem die UdSSR jederzeit ihr Veto einlegen konnte. So wäre der sowjetische Einfluss über die Sowjetzone hinaus auf ganz Deutschland gesichert gewesen. Außerdem hätte die SED in der Zentralverwaltung, da die SED bei freien Wahlen keine Chance hatte, auf paritätische Besetzung mit den Parteien der Westzone bestanden. Am 6. Juni trafen in München 5 Ministerpräsidenten der Ostzone ein. Die Ministerpräsidenten der Westzone standen jetzt vor dem Dilemma: sollen sie politische Fragen auf die Tagesordnung setzen und so das Verbot der drei Westmächte, über die Politik nicht zu sprechen, brechen oder nicht. In den Gesprächen haben die westlichen Ministerpräsidenten überhaupt nicht mit ihren östlichen Kollegen über freie Wahlen, die Zulassung der SPD in der Sowjetzone, über Gewaltenteilung und Rechtsstaat, über wirtschaftliche Einheit diskutiert. Als die Vertreter der Sowjetzone sahen, dass die westlichen Kollegen über die Bildung der Zentralgewalt in Deutschland nicht debattieren wollen, lehnten sie weitere Teilnahme an der Konferenz ab und fuhren nach Berlin. Der Liberale R. Maier murmelte: ’’Gottlob, dass wir die Kommunisten los sind’’. Bürgermeister W. Kaisen aus Bremen regte an, Erhard solle zum Ausdruck bringen, dass man auch für die Deutschen dieser Sowjetzone mitspreche’’ - daraus wurde nach Gründung der beiden deutschen Teilstaaten die Hallstein Doktrin, der Bonner Alleinvertretungsanspruch. Nur ein Ausweg blieb: Wiedervereinigung als Wirtschaftswunder. Schumacher: ‘’Die Prosperität der Westzonen kann den Westen zum ökonomischen Magneten machen’’. Er hatte recht. Auf der Londoner Sechsmächtekonferenz Ende Februar 1946 wurde vor Gesamtdeutschland gewarnt. Deutschland, von Russland beherrscht oder mit ihm verbündet, wäre eine tödliche Gefahr. Andererseits: Westdeutschland mit 40 Millionen von der Russenfurcht beherrschten Einwohnern ist dagegen auf die Zusammenarbeit mit den Westmächten angewiesen, um Schutz zu erhalten, zugleich ist es dann vollkommen von den Westmächten im Hinblick auf Rohstoffe, Nahrungsmittel und Absatzmärkte abhängig. Diese Überlegungen begründeten die Westorientierung der Regierung Adenauer ab 1949. General Clay drängte auf die Fusion der drei Westzonen zu einem Weststaat. Zwei Tage nach dem Konferenzbeginn stürzten die Kommunisten die bürgerliche Regierung in der ČSSR. Das war ein Schock für den Westen. Die Konferenz endete mit einem Deutschland - Programm: ‘’Das deutsche Volk soll jetzt die Freiheit erhalten, für sich die politischen Organisationen und Institutionen zu errichten, die die Rechte und Freiheiten des Individuums garantieren werden’’. Am 20 März 1948 verließ die UdSSR den Alliierten Kontrollrat. Dies bedeutete, dass die Spaltung Deutschlands nun Wirklichkeit geworden war. Am 1. Juli 1948 erläuterten die drei westlichen Militärgouverneure in Frankfurt den elf Länderchefs, dass spätestens zum 1. September 1948 eine verfassungsgebende Versammlung einberufen werden soll, die eine demokratische Verfassung ausarbeitet, die durch ein Referendum angenommen wird. Den Militärgouverneuren sollten weiterhin folgende Machtbefugnisse zustehen: 1. Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen; 2. Kontrolle des deutschen Außenhandels; 3. Kontrolle der Ruhr, der industriellen Produktion, der Konzern - Entfaltung, Abrüstung und Entmilitarisierung. Die drei Westzonen sollten zum Protektorat (wie einst in Afrika oder Asien) der Westmächte werden. Die Souveränität des deutschen Volkes wurde durch die Londoner Empfehlungen nicht wiederhergestellt. Vor allem empörten die Adenauer - CDU die drei oben genannten Punkte des Besatzungsstatuts. Adenauer nannte sie ‘’System der Ausbeutung’’ und moderne Form der Annexion. Aber umgekehrt machte das Ruhrstatut endgültig alle französischen Annekxionspläne der Ruhr (die Ruhr war in der französischen Zone) zunichte. Deutschland sollte am Europäischen Wiederaufbauprogramm (OECC) mitarbeiten. Die Ministerpräsidenten aller drei Zonen lehnten die Londoner Empfehlungen / Frankfurter Dokumente ab. Die USA waren empört, Frankreich war zufrieden, Stalin freute sich. Auf der Schlusskonferenz mit den Militärgouverneuren am 26. Juli in Frankfurt gaben die Ministerpräsidenten klein bei. Es wurde beschlossen, nur die Termini zu wechseln: statt Verfassung Grundgesetz, statt verfassungsgebende Versammlung - Parlamentarischer Rat, statt Volksabstimmung Ratifizierung des Grundgesetzes durch die Landtage. Jetzt galt es, die Währungsreform vorzubereiten. Schon im Januar 1946 hatten die Amerikaner begonnen, sich Gedanken über eine gesamtdeutsche Währungsreform zu machen, um die Folgen von Hitlers inflationärer Kriegsfinanzierung zu liquidieren und die nachkriegsdeutsche Wirtschaft anzukurbeln. Unter dem NS - Regime waren der Geldumlauf von etwa 5 auf 70 Mrd. und die Reichsschuld von 12 auf 400 Mrd. Reichsmark (RM) gestiegen. Forderungen für europaweit angerichtete Kriegsschäden und andere Ansprüche gegen das Reich summieren sich noch einmal auf rund 300 Mrd. RM. So entstand Ende 1946 der ‘’Plan für die Liquidation der Kriegsfinanzierung Deutschlands’’, doch die Sowjets lehnten ihn ab. Im Frühjahr 1948 willigten die Russen ein, deutsches Geld herauszugeben. Aber sie forderten die Errichtung einer gesamtdeutschen Zentralbank unter Viermächtekontrolle und eine gemeinsame Finanzverwaltung für alle vier Zonen, was ihren Einfluss auch auf die Wirtschaft der Westzonen gesichert hätte. Das wollten die Amerikaner ganz und gar nicht. Am 20. April 1948 schickte General Clay 25 deutsche Finanzexperten und Mitarbeiter auf eine Kaserne hinter Stacheldraht mit striktem Ausgangsverbot. Die eingesperrten Herren sollten über die Währungsreform beraten und technische Hilfsdienste leisten. Nach 49 Tagen war die Währungsreform vorbereitet. Noch im Oktober 1947 hatten die Amerikaner in Washington Deutsche Mark heimlich produzieren lassen - dem Dollar ähnlich, aber ohne Angabe von Ausgabebehörde und -ort. Einen Monat später lief die Operation ‘’Hühnerhund’’ an - eine geheime US - Staatsaktion. Die Amerikaner schafften die neuen Geldscheine in 23 000 Kisten per Schiff nach Bremerhafen, in acht Sonderzügen weiter nach Frankfurt, wo sie sie im Keller des alten Reichsbankgebäudes verstauten, sodann, kurz vor dem Tag X, unter militärischer Bewachung auf Lastwagen zu rund 200 Zweigstellen der 11 westdeutschen Landeszentralbanken. Am 18. Juni 1948 verkündete der Rundfunk die Währungsreform - ein epochales Ereignis, das den Zeitgenossen mehr beeindruckte als, ein knappes Jahr später, die Gründung der BRD. Viele stellten sich die Frage: Ist das ein neuer Anfang oder der Anfang vom Alten? Eines war klar: Kapitalismus war neu auferstanden. Das war ein Schlag ins Kontor für die SPD - Partei Schumachers, die gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem auftrat. Unter dem Einfluss der SPD trug man in die meisten Länderverfassungen ein, dass man für Sozialisierung und Planwirtschaft eintritt. Die Währungsreform bedeutete eine umfassende sozial - wirtschaftliche Neuorientierung und eine restaurative Wende zum Kapitalismus mit weniger Demokratie. Seit dem 21. Juni war die Reichsmark ungültig. Jeder in den Westzonen konnte sein Kopfgeld in Höhe von 40 DM im Verhältnis 1 : 1 eintauschen. Alle waren jetzt gleich, es schien wenigstens, so zu sein. Das Geld auf den Sparkontos (70 Mrd. RM) wurde enteignet und auf 6, 5% reduziert (von 70 Mrd. RM blieben 4, 5 Mrd. DM). Am 24. Juni erschien das ‘’Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform’’. Das war das Lebenswerk von Ludwig Erhard, das ihn unsterblich machte. Er war von Anfang an gegen die Planwirtschaft: Planung und Lenkung mussten weg! Der Markt und das Geld sollten die Bezugscheine und die Zuteilungen ersetzen. Ein neues Geld sei sinnlos, wenn man nicht zugleich dem Markt die Steuerung des Wirtschaftslebens überlasse. Erhard plante, die Bewirtschaftung der Güter weitgehend aufzuheben. Er setzte diesen Plan in einer denkwürdigen nächtlichen Debatte im Wirtschaftsrat der britischen und amerikanischen Besatzungszone gegen erbitterten Widerstand durch. Er verkündete diesen Plan am 24. Juni, ohne die Vertreter der Sieger zu fragen. Er wusste: Die Sieger würden nicht zustimmen. In Frankreich und in Großbritannien hatte man gerade weite Teile der Wirtschaft verstaatlicht. Die Planung der Wirtschaft schien eine Notwendigkeit. General Clay herrschte Erhard am nächsten Tag an: ‘’Wie kommen Sie dazu, alliierte Bestimmungen zu ändern?’’ ‘’Herr General, ich habe sie nicht geändert. Ich habe sie aufgehoben’’, soll Erhard geantwortet haben. Es half ihm, dass Clay persönlich einer der wenigen alliierten Gouverneure war, die einsahen, dass es so wie zuvor in Deutschland nicht weitergehen konnte. Er hat den Anteil Erhards an dem ökonomischen Umbruch später eindrucksvoll beschrieben: ‘’Die Währungsreform war eine alliierte Entscheidung. Die Aufhebung der Wirtschaftskontrollen aber war eine Entscheidung von Direktor Erhard, und zwar von ihm ganz allein.’’ Und so wurden die planmäßige Bewirtschaftung von 400 Produkten und die Preisbindung für 90% aller Waren aufgehoben (ausgenommen Hauptnahrungsmittel, Erzeugnisse der eisenschaffenden Industrie, Benzin, Mieten und Verkehrstarife). Der von Hitler verfügte Lohnstopp hingegen blieb bestehen. Der Erfolg war überwältigend. 1945-48 war Deutschland ein einziger Trümmerhaufen. Nirgends machten sich Zeichen der Erholung bemerkbar. Vom Juni 1948 änderte sich alles mit einem Schlag. Alle Kurven stiegen steil an. Bald erreichte der Wiederaufbau ein solches Tempo, wie man es sich in keinem der benachbarten Ländern auch nur vorstellen konnte. Wo es auch sei, überall statt Totenstille der Ruinen das Gerassel der Baustellen. Von einem Tag zum anderen füllten sich die Läden, begannen die Fabriken zu arbeiten. Die Preise stiegen - die Nahrungsmittel wurden um ein Fünftel, Bekleidung um ein Drittel teurer. 1948 gab es in den drei Westzonen 442 000 Arbeitslose, ein halbes Jahr später 937 000, im Januar 1950 rund 2 Millionen (was freilich auf die Rückkehr von Kriegsgefangenen und dem Zustrom von Ost- Flüchtlingen zurückzuführen war). Die SPD versuchte zweimal, die Reformen Erhards zu Fall zu bringen. Es wurde nicht daraus. Erhards Credo war: ‘’Die Planwirtschaft mündet immer darin, dass das einzelne Individuum als Erzeuger und als Verbraucher unter die Knute des Staates - nein, vielmehr noch unter die Knute einer seelenlosen Bürokratie gezwungen wird. Der einzelne Staatsbürger wird entwürdigt und gedemütigt. Die Planwirtschaft musste abgelöst werden durch eine Marktwirtschaft.’’ Komischerweise nahm sogar der Parteitag der CDU im August 1948 störrisch und einmütig das Ahlener Programm mit der Forderung nach Vergesellschaftung an. Am 12. November 1948 traten in der englischen und amerikanischen Zonen 9 Millionen Arbeiter in einen 24 - Stunden - Streik. Sie verlangten die Einführung der Planwirtschaft. Doch Adenauer war schon für Erhard, die CDU unterstützte ihn auch schon, und so konnten die unter dem Einfluss der SPD demonstrierenden Arbeiter nichts erreichen. Am 21. Juni 1948, am Tag der Währungsreform, sperrten die Sowjets die Interzonengrenze. Der gesamte Personenzug- und Pkw - Verkehr von und nach den Westzonen wurde blockiert, der Güter- und Schiffsverkehr streng kontrolliert. Auch Fußgänger durften nicht mehr von Deutschland nach Deutschland. Mit dieser Maßnahme sollte verhindert werden, dass im Westen wertlose Reichsmark in den Osten schwappte und dort die Inflation anheizte. Und wirklich waren in den ersten 5 Tagen nach der Währungsreform 90 Mio. RM in die Sowjetzone gesickert. Am 23. Juni verfügten die Russen eine Währungsreform für die Sowjetzone und führten sie in ganz Berlin durch.. Die Westmächte protestierten und schlugen vor, für Groß - Berlin eine in allen vier Sektoren geltende Sonderwährung zu schaffen. Die Russen sagten ‘’nein’’. Da führten die Westmächte in ihren Sektoren die DM - West ein, mit einem ‘’B’’ abgestempelt (B = Berlin, umgangssprachlich: ‘’Bärenmark’’). Die Sowjets überklebten die alte Reichsmark mit Kupons (umgangsspr.: ‘’Tapetenmark’’) . Neue Geldscheine, die noch gedruckt werden sollten, kamen erst einen Monat später in Umlauf. Auf der Warschauer Konferenz vom Juni 1948 stellten der Außenminister der UdSSR und deren Satellitenstaaten fest, mit der Währungsreform im Westen hätten die Westmächte ‘’eine wirtschaftliche Trennungsmauer zwischen den Westgebieten Deutschlands und dem übrigen Deutschland aufgerichtet’’. Militärgouverneur Marschall Sokolowski kündigte sofortige und notwendige Maßnahmen an. General Clay spürte, dass etwas in der Luft lag. Es stimmte. Stalin dachte einen Plan aus, wie er ganz Berlin in die sowjetische Wirtschaftszone einbeziehen könnte. Truman sagte später: ‘’Es war ein Ringen, ein Kampf um Deutschland und, im weiteren Sinne, um Europa’’. Worum ging es? Es ging um legale Rechte der Westmächte in Berlin. Ende Juni 1945 verhandelte General Clay mit Marschall Sokolowski über den Berlin - Zugang. Wir wollen drei Eisenbahnlinien, zwei Landstraßen und zwei Luftkorridore. Shukow bewilligte nur eine Bahnlinie, eine Straße und zwei Luftkorridore. Es sollte keine Grenzkontrolle geben. Am 30. März 1948 ordneten die Sowjets Kontrollen alliierter Zonenreisender, ob Soldat oder Zivilist, und deren Gepäck durch sowjetische Grenzpolizisten an. Außerdem verfügten sie, dass militärische Güter Berlin nur mit der sowjetischen Genehmigung verlassen durften. In Ostberlin standen 18 000 Rotarmisten, im Großraum Berlin 100 000, in der Sowjetzone insgesamt 300 000 Rotarmisten. Die Amerikaner begannen Pläne zu erörtern, wie man die US - Soldaten aus Berlin evakuieren könnte. General Clay war dagegen: ‘’Wenn Berlin fällt, folgt Westdeutschland als nächstes. Wenn wir beabsichtigen, Europa gegen den Kommunismus zu halten, dürften wir uns nicht von der Stelle rühren’’. Am 23. Juni 1948, kurz vor Mitternacht, gingen in West - Berlin die Lichter aus. Die Sowjets schalteten das Großkraftwerk Golpa - Zschornewitz ab, das die ehemalige Reichshauptstadt mit Fernstrom versorgt hatte. Am folgenden Morgen legten sie den gesamten Straßen- und Schienenverkehr zwischen den Westzonen und Ostberlin lahm. Marschall Sokolowski erklärte, dass dies so lange anhalten werde, bis der Westen seine Pläne für eine westdeutsche Regierung begraben hätte. Ein paar Tage später wurde auch der Verkehr auf den Wasserstraßen gestoppt. Zwei Millionen West - Berliner und 8 000 alliierte Soldaten nebst 22 000 Angehörigen saßen in der Falle. Die Blockade West - Berlins 1948-49 begann. In diesen Stunden wurde General Clay zum Helden des längst ausgebrochenen Kalten Krieges. Ohne Rückversicherung in Washington und gegen die Empfehlung seines eigenen Stabes in Berlin installierte der Pioniergeneral die Berliner Luftbrücke, das größte Transportunternehmen der Weltgeschichte. Inzwischen erörterte das Weiße Haus die Lage. Es gab drei Möglichkeiten: 1. Rückzug der Alliierten aus Berlin mitsamt 20 000 erlesenen Westberlinern; 2. Widerstand mit Waffengewalt, Einsatz von Atombomben. Man beschloss, 60 B - 29 - Atombomber nach England und Westdeutschland zu verlegen; 3. Versorgung der Westberliner per Luft, was General Clay schon tat. Am 28. Juni sagte Präsident Truman: ‘’Wir sind in Berlin, und da bleiben wir. Punktum.’’ Am Tag, als die Berlin - Blockade begonnen hatte, reichten die Vorräte an Lebensmitteln in West - Berlin nur für 36, die an Kohle nur für 45 Tage. Täglich mussten rund 4000 Tonnen nach Berlin geschafft werden plus 500 Tonnen für die Alliierten. Die Transportkapazität reichte anfangs aber nur für 500 bis 700 Tonnen täglich. In der ersten Woche wurden in 500 Flügen lediglich 1273 Tonnen nach Berlin gebracht. Die US Luftwaffe kommandierte Flugzeuge von US - Stützpunkten in aller Welt ab und warf sie in den Kampf um Berlin. Die Engländer machten mit, die Franzosen nicht. Der Flughafen Tempelhof erhielt eine zweite Rollbahn, an der dritten wurde gebaut. In 85 Tagen erbaute man den Flughafen Tegel. Als die ‘’Operation Lebensmittel’’ auf Hochtouren lief, waren auf der 440 km langen Strecke Frankfurt a. M. - Berlin ständig 32 Flugzeuge gleichzeitig in der Luft. Sie flogen in fünf Ebenen übereinander. 500 Flugzeugbesatzungen waren im Einsatz. Am 16. April 1949 (=Osterparade) stellten die Amerikaner und Briten Rekorde auf. Mit 1383 Flügen schafften sie in 24 Stunden 12 849 Tonnen Lebensmittel, Kohle und Rohmaterialien in die blockierte Stadt. Die Berliner verhungerten nicht, aber sie waren ständig hungrig. Pro Tag gab es: 400 g Brot, 50 g Nährmittel, 40 g Fleisch, 30 g Fett, 40 g Zucker, 400 g Trockenkartoffeln und 5 g Käse. Strom und Gas waren tagsüber meistens abgeschaltet. Mitte Januar 1949 gab es Strom von 9 - 11 und 20 - 22 Uhr am Sonntag, Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. Im Winter gab es pro Kopf 12, 5 kg Holz, Kohle oder Kohleersatz. Die industrielle Produktion sank auf 25% des Standes von 1936 (in den Westzonen stieg sie auf 86% des Standes von 1936). Die Zahl der Arbeitslosen nahm um 250% zu. Ende Juli verkündeten die Sowjets, die Westberliner können in Ostberlin einkaufen, aber sie müssen sich den Personalausweis abstempeln lassen. Sich ködern ließen sich im August 22 000, im Dezember rund 100 000 Westberliner. Dann erklärte die SED die Stadtverordnetenversammlung für Groß - Berlin als ungültig und trieb sie auseinander. Am 5. Dezember 1948 wählten die Westberliner ein eigenes Parlament. Die SPD erhielt 64, 5%, die CDU 19, 4% , die Liberale Partei Deutschlands 16, 1% der Stimmen. Ernst Reuter wurde Oberbürgermeister von West - Berlin. In Berlin herrschte Frontstadt - Stimmung. Reuter wurde zur Symbolfigur fanatischen Durchhaltewillens gegen die Kommunisten - Blockade. Am 12. Mai 1949 gaben die Russen auf - die größte Niederlage seit Kriegsende für die UdSSR. Die Blockade hatte 322 Tage gedauert, 78 Menschen - 31 Amerikaner, 39 Engländer und 8 Deutsche - kamen bei Luftbrücke - Unfällen ums Leben. 36 Rosinebomber (so nannten die Westberliner diese Transportflugzeuge) waren abgestürzt. Insgesamt schafften Amerikaner und Briten in fast 200 000 Flügen 1, 44 Mio. Tonnen Fracht nach Berlin. Zwei Drittel waren Kohlen, ein Viertel Lebensmittel, der Rest Rohmaterialien. Sperrige Großgüter wurden im Westen zerlegt und in West - Berlin remontiert, darunter das Kraftwerk ‘’Reuter’’. Das spektakulärste Luftunternehmen verschlang rund zwei Milliarden DM. Die Amerikaner bezahlten beinahe alles, den Rest die Westdeutschen in Form der Abgabe von etwa einem Prozent von Löhnen und Gehältern. Das brachte zwischen 25 und 40 Mio. DM monatlich. Nachdem die Westzonen die Feuerprobe bestanden hatten, blieb die schwierigste Aufgabe. Man musste das Grundgesetz eines neuen demokratischen Staates ausarbeiten. Am 1. September 1948 versammelten sich in Bonn die Regierungschefs der Länder, die Spitzen der Bizonen - Verwaltung, Vertreter der Militärregierungen und die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates, der an diesem Tag die Arbeit am Grundgesetz der BRD aufnahm. Die Hälfte der Deutschen befürchtete, der westdeutsche Teilstaat werde die Teilung Gesamtdeutschlands vertiefen und den Ost - West - Konflikt verschärfen. Es konstituierten sich an diesem Tag der Parlamentarische Rat mit 65 Abgeordneten. Nach Kontakten zwischen Christ- und Sozialdemokraten wählte der Parlamentarische Rat Konrad Adenauer zu seinem Präsidenten. Seine Pflicht war, in ständigem Kontakt mit den Militärgouverneuren zu stehen. So wurde Adenauer zum ersten Mann des zu schaffenden Staates, noch ehe es ihn gab. Adenauer war überzeugt, dass ungefähr im Jahr 1950 ein Krieg zwischen den Alliierten und der UdSSR ausbricht. Er war bereit, 30 deutsche Divisionen zu formieren. 1918-19 leisteten reaktionäre Eliten, die monarchistische Bürokratie und Generalität Widerstand gegen die parlamentarische Demokratie. Nach dem Zusammenbruch des totalitären Staates gab es keinen Widerstand mehr. Die Grundlage des neuen Grundgesetzes war die Weimarer Verfassung. Man musste nur Vorsorge schaffen, dass die Demokratie nicht noch einmal an der Demokratie zugrunde geht, legal in Diktatur umschlägt. Die Weimarer Verfassung war eine Verfassung für gute Demokraten, von denen es zu wenig gab. Das Bonner Grundgesetz war eine Verfassung für schlechte Demokraten, mit denen gerechnet werden musste. Die Maxime lautete: ‘’Wehrhafte Demokratie’’. Die Hauptperson der Weimarer Verfassung war der Reichspräsident. Er war eine Art Kaiser - Ersatz, eine Art Diktator. Der Reichspräsident, eigentlich Hüter der Verfassung, wurde zum Exekutor gegen die Verfassung. Seit dem Zerfall der ‘’Weimarer Koalition’’ aus SPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei 1920 kamen im Reichstag nur noch unsichere, heterogene Mehrheiten zustande. Die durchschnittliche Lebensdauer der insgesamt 20 Reichsregierungen zwischen 1919 und 1932 betrug ganze acht Monate. Seit September 1930 (Sieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen) war das Parlament blockiert, die Regierungen regierungsunfähig, die Kanzler zunehmend darauf aus, den Parlamentarismus zu liquidieren. Das Bonner Grundgesetz : 1. entmachtete den omnipotenten Reichstagspräsidenten und stärkte den Bundeskanzler und den Bundestag. Das neue Deutschland sollte nicht ein Bund deutscher Länder, sondern ein deutscher Bundesstaat sein; 2. Der Bundespräsident wird nicht vom Volk, sondern von einer Bundesversammlung aus Abgeordneten des Bundestages und der Landtage gewählt und darf nur einmal wiedergewählt werden (der Reichspräsident beliebig); 3. Der Bundespräsident schlägt dem Bundestag den Bundeskanzler vor, kann ihn aber gegen den Willen des Bundestages nicht durchsetzen; 4. Der Bundespräsident kann nur dann den Bundestag auflösen, wenn die Bundesregierung keine Mehrheit zustande bringt und als Minderheitsregierung regierungsunfähig ist; 5. Der Bundespräsident kann den Bundeskanzler nicht entlassen. Der Bundeskanzler kann nur durch das ‘’konstruktive Misstrauensvotum’’ (Kern des neuen Regierungssystems) gestürzt werden, also nur dann, wenn sich eine neue Mehrheit auf einen Nachfolger einigt; 6. Der Bundespräsident kann nur sehr schwer zum Diktator werden, weil dieser Prozess durch ein kompliziertes System parlamentarischer Mechanismen und Kontrollen kontrolliert wird; 7. Der Bundespräsident kann nur einmal einen sechsmonatigen Notstand ausrufen; 8. Eingriffe in die Verfassung sind ihm gänzlich untersagt. Das Bonner Grundgesetz beruht auf sakrosankter freiheitlich - demokratischer Grundordnung. Sie kann auch durch eine verfassungsändernde Zweidrittel - Mehrheit nicht angetastet werden (Ewigkeitsklausel), was nicht der Fall in der Weimarer Republik war, deswegen konnte sie sich zur Monarchie degenerieren. In der Weimarer Republik war der Staatsgerichtshof für Konflikte zwischen dem Reich und den Ländern sowie den Ländern untereinander und strittigen Verfassungsfragen in den Ländern zuständig. Dem Bundesverfassungsgericht obliegt die Kontrolle der Regierung, Gesetzgebung und Justiz, im Grunde ein Misstrauensvotum gegen das parlamentarische System. Der Bundesverfassungsgericht kann aber auch vom einzelnen Staatsbürger angerufen werden, wenn der sich in seinen Grundrechten verletzt fühlt. Die Weimarer Verfassung war rein demokratisch, denn sie enthielt plebiszitäre Elemente wie Volksbegehren und Volksentscheid. Plebiszite gibt’s im Bonner Grundgesetz nicht mehr, den sie wären ‘’die Prämie’’ für jeden Demagogen’’ (Th. Heuss). In der Geschichte der Weimarer Republik gab es zwei Volksentscheide: a) über die entschädigungslose Fürstenenteignung; b) gegen den Young - Plan, der die Reparationsforderungen der Siegermächte neu regelte. Beide Volksentscheide scheiterten. Am 8. Mai 1949 wurde das Bonner Grundgesetz verabschiedet. Dagegen waren die Kommunisten, die Zentrumsleute (sie wollten die Konfessionsschule durchsetzen), die Deutscher Demokratischer Partei und die CSU (beiden ging der Föderalismus nicht weit genug). Der bayerische Landtag lehnte als einziger das Grundgesetz (mit 101 zu 63 Stimmen) ab, weil der Bund zu stark war und Bayern zu wenig Privilegien drin hatte. Am 12. Mai genehmigten die Westmächte das Grundgesetz (an diesem Tag stellten die Sowjets die Berliner Blockade ein). Am 23. Mai wurde es verkündet. Welche Stadt sollte die Bundeshauptstadt werden? Die Mehrheit war für Frankfurt am Main, aber Adenauer war für Bonn. Am 10. Mai fiel die Entscheidung: 33 für Bonn, 29 für Frankfurt. Am 14. August 1949 wählten 24, 5 Millionen Bürger den Ersten Deutschen Bundestag. Die CDU/CSU wurde die stärkste Fraktion (31% der Stimmen), die SPD folgte auf dem zweiten Rang (29, 2%), die Freie Demokratische Partei (FDP) erhielt 11, 9%, die Kommunisten 5, 7%, die Deutsche Partei (=Exnazis und Konservative) 4% der Stimmen. Am schwersten hatten die Kommunisten. KPD - Chef Max Reimann wurde von den Briten für drei Monate ins Gefängnis gesperrt, weil er politische Gegner wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Besatzungsmächten als ‘’Quislinge’’ denunziert hatte. Die kommunistischen Wahlbroschüren wurden von den Alliierten beschlagnahmt. Es war ein schmutziger Wahlkampf. Der SPD - Chef Schumacher nannte Adenauer ‘’Lügenauer’’, die CDU/CSU ‘’die heidnischste aller Parteien’’, eine Partei des Mammons und der ‘’Kriegsgewinnler’’. Adenauer antwortete staatmännisch, gelassen und witzig, und er siegte. Eine Woche später lud Adenauer 33 auserwählte CDU - Mitglieder zu sich. Bei Kaffee und Kuchen, einem üppigen kalten Büfett und erlesenen Weinen empfahl sich der Gastgeber als erster Kanzler der BRD (pasisiūlė į bundeskanclerio postą). Er sagte: ‘’Präsident soll ein anderer werden, ich will Kanzler werden. Ich bin 73 Jahre. Aber ich würde das Amt des Kanzlers annehmen, weil der Bundespräsident aus dem Parteileben ausscheiden muss, der Kanzler nicht. Ich verfüge über eine gewisse Erfahrung in staatlichen Dingen und in der Verwaltung habe ich stärkere Ellenbogen, als ich früher geglaubt hätte.’’ Der Arzt von Adenauer bestätigte, dass Adenauer zwei Jahre das Amt ausführen könnte. Es wurden 14 Jahre. Dann schlug Adenauer für das Amt des Bundespräsidenten Professor Theodor Heuss, ein FDP Mitglied, vor. Am 12. September 1949 wurde Th. Heuss Bundespräsident, am 15. September 1949 wurde mit absoluter Mehrheit Konrad Adenauer zum Bundeskanzler gewählt. September gilt als Gründungsmonat der Bundesrepublik Deutschland. 5. 6. 2.. DIE SOWJETISCHE BESATZUNGSZONE Die wichtigste Frage lautet: handelt es sich bei der Gründung der DDR um eine bloße Reaktion auf die vorangegangene Gründung der BRD? Die Antwort ist: Nein. Die Möglichkeiten eines eigenen DDR - Staates waren bereits 1943-44 von der Kreml - Führung ins Auge gefasst worden. Zugleich darf man auch nicht behaupten, die sowjetische Führung hätte schon seit 1943 die Teilung Deutschlands und die Bildung eines Separatstaates bewusst und planmäßig angestrebt. 1943-44 waren 2 Konzeptionen ausgearbeitet. Die Konzeption 1 beruhte auf einer langfristigen Zusammenarbeit der UdSSR mit den westlichen Alliierten, d. h. Bildung eines einheitlichen Gesamtdeutschlands. Man sollte zusammen mit den Alliierten: a) den deutschen Nazismus und Militarismus für alle Zeiten vernichten; b) die im Osten eroberten Ländereien durch entsprechende Friedensverträge mit Hilfe des Westens legimitieren; c) die benötigte Wirtschaftshilfe für die UdSSR und die osteuropäischen Länder erleichtern; d) den Anspruch auf 10 Mrd. Reparationen durchsetzen; e) sich an der geplanten Viermächtekontrolle des Ruhrgebietes beteiligen. Moskau stellte die langfristige Zusammenarbeit mit dem Westen in den Vordergrund. Sogar im April 1945 war in Moskau von der Bildung eines ostdeutschen Separatstaates nicht die Rede. Zugleich wurde auch die Konzeption 2 ausgearbeitet, nämlich das Bestreben, bei Nichterfüllung der Konzeption 1 die Sicherung der eroberten Ländereien in Osteuropa in den Vordergrund zu stellen, ohne jedoch damals bereits einen eigenen Staat in Ostdeutschland ins Auge zu fassen. Das in Moskau geschaffene ‘’Nationalkomitee Freies Deutschland’’ konnte sowohl für die Verwirklichung der Konzeption 1 als auch, falls notwendig, für Konzeption 2 eingesetzt werden. Die Entwicklung der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik von Kriegsende bis zur Gründung der DDR lässt sich in drei Perioden einteilen. Die erste Periode: Mai 1945 bis Frühjahr 1947 Mit der Berliner Viermächteerklärung vom 5.6.1945 übernahmen die Oberbefehlshaber der vier Siegermächte die oberste Gewalt in Deutschland. Am 9.6.1945 errichtete die UdSSR in der ihr durch das Londoner Abkommen vom 14.11.1944 zugesprochenen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die ‘’Sowjetische Militäradministration in Deutschland’’ (SMAD). Die SMAD hatte die Aufgabe, die sowjetischen Interessen zu vertreten. Stalin forderte Deutsche Reparationsleistungen aus allen 4 Besatzungszonen, aber daraus wurde nichts. Er forderte auch den Aufbau einer antifaschistisch demokratischen Staatsordnung nach der Konzeption 1 in ganz Deutschland. Die SMAD begann sofort mit der Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Demontage sowie mit dem Aufbau eines politisch ihr verpflichteten Verwaltungsapparates. Diese Funktion übernahm die in der UdSSR ausgebildete Parteifunktionärengruppe von Walter Ulbricht. Sie besaß einflussreiche Stellen in der Polizei und Justiz, auch in der von ihr errichteten deutschen Zentralverwaltung. In der ersten Welle der Reparationspolitik demontierte die SMAD eine große Zahl von Betrieben1, übernahm etwa 200 Betriebe als ‘’Sowjetische Aktiengesellschaften’’ (SAG) und entnahm in ihrer SBZ Erzeugnisse aus der laufenden Produktion der im Wiederaufbau befindlichen Industrie. 1945-46 begann eine Reihe Reformen: es wurde eine tiefgreifende Schul- und Justizreform durchgeführt, in Gang war die Verstaatlichung von Industrie- und Handelsunternehmen (man gründete volkseigene Betriebe, VEB), es begann eine Bodenreform2 . Danach waren der Grund und Boden von Kriegsverbrechern 1 Man brachte die Ausrüstung dieser Betriebe in die UdSSR, dort wurde sie aber beinahe nicht verwendet und verrostete unter freiem Himmel. 2 Keine dieser Reformen wurde in den westlichen Zonen durchgeführt. und aktiven Nazis sowie der gesamte Großgrundbesitz über hundert Hektar zu enteignen und an Landarbeiter (þemdirbys), landlose Bauern (beþemiai valstieèiai) und ‘’Umsiedler’’ (persikėlėliai) aus den Ostgebieten zu verteilen. Bereits bis Februar 1946 waren rund 6300 Güter über 100 ha aufgeteilt; hinzu kamen jeweils rund 1000 staatliche Betriebe und Höfe von wirklichen oder vermeintlichen Nazi - Aktivisten. In Einzelheiten zog sich die Reform noch bis 1950 hin. Insgesamt wurden 35% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der SBZ von der Reform betroffen - niemals in der deutschen Agrargeschichte hatte es eine derartige radikale Umwälzung gegeben. Rund 210 000 Landarbeiter, landlose Bauern und ‘’Umsiedler’’ wurden durch die Reform zu ‘’Neubauern’’ mit durchschnittlich etwas 8 ha eigenem Boden. 43 000 Pächter bekamen ihren Acker als Eigentum überschrieben, und etwa 300 000 Kleinbauern und andere bekamen Landzuteilungen. Politischer Nutznießer der Bodenreform war die KPD. Gerade in Landbezirken gingen die Mitgliedszahlen steil in die Höhe. Im agrarischen Mecklenburg zählte die KPD Ende Juli 1945 erst 3200 Genossen. Im Oktober 1946 waren es schon 19 500 und Ende des Jahres 32 000. Die ehemaligen Besitzer gingen derweil einem ungewissen, oft tragischen Schicksal entgegen. Einige von ihnen mussten ihre Betriebe und Höfe verlassen und in die Westzone auswandern, andere blieben in der Ostzone, wobei sie ‘’nur’’ in andere Kreise verwiesen worden waren und sich ihrem ehemaligen Gut nicht mehr als 30 km zu nähern durften. Ende Oktober 1945 ging die Volkspolizei jedoch in vielen Gebieten, vor allem in Sachsen und Thüringen, dazu über, die enteigneten Besitzer summarisch festzunehmen und zwangsweise in Rügen wieder anzusiedeln. Etwa 600 Familien waren hier angesiedelt. Auf den ehemaligen Gütern sahen sich die Neubauern harten Problemen gegenüber. Ihre materielle Ausstattung war völlig unzureichend. Nur jeder siebte hatte eigene Wohn- und Wirtschaftsgebäude, alle anderen wohnten als ‘’möblierte Bauern’’ in einem Zimmer der Gutshöfe oder bei einem Nachbarn. Im Schnitt hatte nur jeder zweite eine Kuh, jeder fünfte ein Pferd. Bei den Geräten sah es nicht besser aus: nur jeder vierte bekam einen eigenen Pflug, nur jeder fünfte eine Egge. Traktoren und Drehmaschinen sollten sich die Neubauern bei den neugegründeten ‘’Vereinigungen der gegenseitigen Bauernhilfe’’ ausleihen, denen die Großgeräte der Güter übergeben worden waren. Aber in den letzten Kriegswochen war viel zerstört worden, und dann hatten die sowjetischen Truppen zahlreiche Maschinen abtransportiert, so dass im Herbst 1945 kaum etwas übrig war. Die Bauern wollten deswegen ‘’Gemeinwirtschaften’’ (bendras ūkis) gründen, aber die KPD - Führung erklärte: ‘’Jeder Versuch kollektiver oder genossenschaftlicher Bewirtschaftung ... ist Sabotage an der Bodenreform.’’ Bis Anfang 1947 wurde die Gemeinwirtschaft auf Druck von oben fast überall aufgelöst. 1947 geriet die Landwirtschaft der SBZ in eine tiefe Krise. Diese hatte viele Gründe: a) Frühjahr und Sommer waren sehr trocken gewesen; b) Auch die Herbstsaat ging teilweise nicht auf oder verdorrte nach kurzer Zeit; c) Es gab, abgesehen von Kalk, viel zu wenig Dünger und Zugkraft; d) Eine sehr wichtige Rolle hatte auch die Zerschlagung der Gemeinwirtschaften gespielt. Inventarisierungs- und Bauprogramme kamen praktisch nicht voran. Edwin Hoernle, Präsident der Deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft, schlug in einem Brief an Marschall Sokolowski Alarm: ‘’Der politische und wirtschaftliche Erfolg der Bodenreform ist durch das Versagen unserer Bauwirtschaft gefährdet.’’ Die sowjetische Militärregierung befahl schließlich im September 1947 ein umfangreiches Hilfsprogramm: Bis Ende 1948 sollten 37 000 neue Gehöfte gebaut werden, und außerdem waren 85 000 Stück Rindvieh den Altbauern abzukaufen und den Neubauern Brandenburgs und Mecklenburgs zu übergeben. Das Bauprogramm kam zunächst kaum voran, denn es gab nach wie vor wenig Baumaterialien. Viele bürokratische Hemmnisse und Fehlentscheidungen blockierten den Fortgang der Arbeiten. Im Juli 1948 befahl die Deutsche Wirtschaftskommission, die embryonale Regierung der SBZ, einen umfangreichen Kraftakt, um das Bauprogramm doch noch zu retten. Mit Ausnahme weniger Großprojekte wurden fast alle anderen Bauvorhaben stillgelegt. Transport, Arbeitskräfte, Material, alles wurde für die Neubauerngehöfte mobilisiert. Von bürokratischen Sicherheitsbestimmungen sollte man sich nicht aufhalten lassen. In der Tat waren am 31. Dezember 1948 dann 35 000 Gehöfte ‘’fertig’’, rund 95% der Planzahl. Anfang 1950 hatte jede zweite Neubauernstelle immerhin eigene Wohngebäude. Doch nach wie vor arbeiteten rund 30% der Klein- und Mittelbauern unrentabel und hatten größere Ablieferungsrückstände. 1950 liefen die besonderen Hilfsprogramme dann stillschweigend aus. Warum? Die SED - Führung hatte vor, landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPGs) (gamybinis žemės ūkio kooperatyvas) zu gründen. Um den Mangel an Baumaterialien für Neubauerngehöfte abzuhelfen, empfahl die SED - Führung seit 1947 mit Nachdruck den Abriss ehemaliger Schlösser und Gutshäuser. Lediglich kulturhistorisch ganz besonders wertvolle Gebäude sollten verschont werden. Dennoch kam es nur in relativ wenig Fällen zum gezielten Abriss, denn fast sämtliche Gutshäuser beherbergten mittlerweile Verwaltungen, Schulen, Kinderund Erholungsheime, oder sie waren mit Flüchtlingen und Vertriebenen belegt. Viele örtliche Instanzen schreckten davor zurück, als Barbaren in die Lokalgeschichte einzugehen. In den Westzonen geriet die Bodenreform in der SBZ rasch in Verruf: sie sei entschädigungslos gelaufen, sie verletze alle Rechtsnormen, sie stürze viele ehemalige Besitzer in Elend, man beklagte das schwierige Schicksal der Neubauern, man empörte sich über den Vandalismus an den Schlösser, man spekulierte über den hohen Preis für die überhastete Zerschlagung der Gutsorganisation. Man darf aber nicht vergessen: Durch diese Bodenreform kamen 200 000 Familien zu eigenem Grund und Boden weitere 300 000 konnten ihren Kleinbesitz vergrößern, 91 000 Familien aus den Ostgebieten mit insgesamt 340 000 Menschen bekamen eine neue Heimat. Nicht wenige mussten nach einigen Jahren aufgeben, aber weitaus die meisten konnten durchhalten. Einige Zehntausend gingen seit 1952 freiwillig in die ersten LPGs, und die übrigen wurden dann Ende der 50er Jahre dazu gezwungen. Die Zwangskollektivierung war furchtbar, aber sie ist kein Argument gegen die Bodenreform. Im Juli 1945 wurden die demokratischen Parteien (KPD, SPD, CDUD, LDPD) zugelassen. Es gelang der KPD nach und nach mit der Unterstützung der SMAD, die konkurrierenden Parteien in ein Blocksystem unter der Führung der KPD zu verbinden. 1946 entstehen die kommunistisch orientierten Massenorganisationen - Gewerkschaft, Freie Deutsche Jugend (FDJ), Frauenbund. Die KPD stellt sich zur nächsten Aufgabe, sich mit der SPD zusammenzuschließen, um bestimmte politische Ziele zu verwirklichen, denn die SED sollte die führende politische Kraft in Ostdeutschland werden. Wie verlief dieser Prozess, wie war die Einstellung der SPD dazu? Die SPD1 konsolidierte sich nach 1945 in der SBZ rasch zu einer schlagkräftigen Organisation. Die KPD bekannte sich unter Führung von Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht zur parlamentarischen Demokratie. In ihrem Gründungsaufruf vom 11. Juni 1945 erklärte die KPD: ‘’Wir sind... der Auffassung, dass die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch - demokratischen Republik mit allen Rechten und Freiheiten für das Volk.’’ Die KPD vermied jede sozialistische Forderung, ja, trat sogar für die ‘’ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums’’ ein. Damit stand die KPD mit ihren programmatischen Forderungen ‘’rechts’’ von SPD und CDU (Christlich- Demokratische Union), die eine soziale Umgestaltung wollten. Vor 1933 hatte die KPD die SPD als ‘’sozialfaschistisch’’ diffamiert und als ‘’Hauptfeind’’ bekämpft. Nun waren die Kommunisten zur Zusammenarbeit mit allen Parteien bereit, insbesondere mit der SPD. Die SPD, von Max Fechner, Erich W. Gniffke und Otto Grotewohl geleitet, war zur Zusammenarbeit mit der KPD bereit, da sich ja nun die KPD zur parlamentarischen Demokratie bekannte. Zuerst lehnte die KPD dieses Angebot der Zusammenarbeit ab, denn sie hoffte mit Hilfe der SMAD rasch zur bestimmenden und größten Partei der SBZ zu werden und in ganz Deutschland maßgebenden Einfluss erringen. Doch im Spätherbst musste die Führung der KPD konstatieren, dass sie nach den Anfangserfolgen sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den anderen Parteien mehr und mehr in die Isolierung geriet. Sie hatte Angst, bei den für 1946 angesetzten Wahlen zu unterliegen2 . Der KPD war es klar geworden, dass sie die Macht nur erringen konnte, wenn sie die SPD, den wichtigsten Konkurrenten, ausschaltete. Die SPD war zersplittert, was die Vereinigung mit der KPD anbetraf. Sie wollten eine solche Vereinigung, aber nur auf der Ebene des ganzen besetzten Deutschlands, nicht aber auf der der SBZ, denn das bedeutete Spaltung der SPD in die ostdeutsche und in die westdeutsche SPD. Kurt Schumacher, Generalsekretär der SPD, gelang es inzwischen, die Sozialdemokraten in den drei Westzonen gegen jede Einheit mit den Kommunisten zusammenzuführen. Er erklärte, ohne die antidemokratische Haltung der KPD wären die Nazis 1933 nicht an die Macht gekommen. Die ‘’Einheitspartei’’ sei nichts als die Suche ‘’nach dem großen Blutspender’’, sei die Absicht, der SPD eine kommunistische Führung aufzuzwingen. Die Geschichte wird die Wahrheit seiner Worte bestätigen. Am 20.- 21. Dezember 1945 traten je 30 Vertreter von SPD und KPD aus der SBZ zur ‘’Sechziger Konferenz’’ in Berlin zusammen. Die SPD beharrte darauf, dass sich die beiden Parteien nur im gesamtdeutschen Rahmen vereinigen könnten. Ihre Vorbehalte legte Grotewohl in 10 Punkten dar. Grotewohl: a) bemängelte die weit stärkere Förderung der KPD durch die SMAD, deren Hilfe beim organisatorischen Aufbau der KPD und ihrer Presse; b) sprach den wesentlich größeren Einfluss der KPD in allen Organen der SBZ, vor allem in der Verwaltung, an; c) kritisierte die KPD, die nicht im Geiste der von ihr selbst bekundeten demokratischen Grundsätze handelte; d) erwähnte die Zeugnisse eines undemokratischen Drucks auf die SPD; 1 Sie entstand 1863 als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein in Leipzig. Ihre ganze Geschichte war mit Eisenach, Gotha und Erfurt verbunden. In Sachsen und Thüringen hatte die Sozialdemokratie ihre Wurzeln. 2 Die Kommunisten haben 1945 die Parlamentswahlen in Ungarn und Österreich verloren. e) lehnte gemeinsame Wahllisten, die die KPD verlangte, ab; f) verwies auf die Repressalien der SMAD, dass die Rote Armee manche SPD - Mitglieder verhaftete und manche sogar erschoss. Die Vertreter der KPD, z. B. W. Pieck, versuchten, die Funktionäre der SPD durch formale Zugeständnisse zu beruhigen. Noch am Abend des ersten Konferenztages war keine Einigung in Sicht. Doch überraschenderweise konnte Max Fechner am nächsten Morgen bei Eröffnung der Sitzung bekanntgeben, es sei eine Kommission ‘’zur gemeinsamen Auffassung’’ gebildet worden. Der Grund war einfach: In der Nacht hatten die Kommunisten und die Offiziere der SMAD die Teilnehmer der SPD bearbeitet. Resultat: in einem gemeinsamen Kommuniqué wurde die ‘’Verschmelzung’’ von SPD und KPD nun zur baldigen Aufgabe erklärt. Aber die SPD - Funktionäre auf unteren Ebenen waren dazu nicht bereit. Da griff die SMAD massiv ein, es ergingen Redeverbote und einzelne sozialdemokratische Einheitsgegner wurden verhaftet. In den unteren Organisationen wurde die Vereinigung oft durch Einwirkung örtlicher sowjetischer Militärkommandanten erzwungen und bereits im März 1946 vollzogen. Am 4. Februar 1946 trafen sich Otto Grotewohl und Gustav Dahrendorf mit einem Vertreter der britischen Militärregierung. Sie zeigten sich ganz pessimistisch. Grotewohl sagte, dass die unteren SPD Organisationen von Kommunisten unterwandert sind, dass viele SPD - Funktionäre unter starkem sowjetischen Druck stehen. Noch im selben Monat ging Dahrendorf in den Westen. Am 8. Februar 1946 traf sich Grotewohl mit Schumacher in Braunschweig. Schumacher erklärte, dass ein SPD - Reichsparteitag unmöglich war. Er schlug vor, die SPD in der Sowjetzone aufzulösen. Er sah weitblickend voraus, was dann auf die SPD unter sowjetischer Besatzung zukäme. Grotewohl musste sich entscheiden: entweder eine Absage an die Vereinigung mit der KPD erteilen oder eine Zusage erklären. Am 10. Februar entschloss er sich für das letztere. An diesem Tag beschloss der Berliner Zentralausschuss der SPD in einer turbulenten Sitzung die Vereinigung. Am 20. und 21. April 1946 (am Vortag des Geburtstages von Lenin!) war es soweit: Im Admiralspalast zu Berlin versammelten sich Delegierte der SPD und der KPD, um ihre Parteien zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) (Vieningoji Vokietijos Socialistinė Partija) zu verschmelzen. Die SED sollte keine ‘’Fortsetzung der KPD’’ sein (so meinte es Grotewohl). Auch W. Ulbricht, ZK Sekretär der KPD, betrachtete den Zusammenschluss nicht als ‘’einfache Vereinigung’’ von Sozialdemokraten und Kommunisten, sondern als ‘’Neugeburt der deutschen Arbeiterbewegung’’. Schon zwei Jahre später sollten sich diese Worte als Betrug erweisen: die SED wird sich von 1948 an als Fortführerin der KPD ausgeben. Doch 1946 definierte sich die neugeschaffene SED noch als sozialistische, demokratische, deutsche Arbeiterpartei. Sie behauptete, aus dem freiwilligen Zusammenschluss der gleichberechtigten KPD und SPD entstanden zu sein. Sofort erhob sie als mitgliedstärkste deutsche Partei (1,3 Mio.) aber einen Führungsanspruch. Mit der Gründung der SED war nicht nur die SPD von der politischen Bühne der SBZ und später der DDR verdrängt. Auch die Ressourcen Der Partei gingen auf die SED über. Die SPD war eine reiche Partei gewesen: sie besaß vor 1933 44 Zeitungsbetriebe, Zeitungen, Druckereien. Auch viele Volkshäuser waren in ihrem Besitz. 1945 bekam sie etliches an Vermögenswerten zurück. 1946 besaß sie 7 Tageszeitungen und 19 Kopfblätter (die KPD 6 Tageszeitungen und 9 Kopfblätter). 1933 verfügte die SPD über ein Vermögen von fast 100 Mio. Reichsmark. Jetzt bekam allen diesen Reichtum die SED. Unter welchem Zwang die Vereinigung zustande kam, zeigt allein schon das Verbot einer Urabstimmung. Viele Sozialdemokraten (so z. B. in Rostock) haben gefordert, über die Frage der Verschmelzung abstimmen zu können. Die SMAD hat es strikt verboten. Die Abstimmung fand aber in Westberlin statt. Von 32 000 Sozialdemokraten stimmten 82% gegen die Vereinigung. Auch in Ostberlin und in der SBZ hätte das Ergebnis nicht viel anders ausgesehen als in Westberlin. Die Kommunisten versuchten, die Vereinigung durch verschiedene ideologische Zugeständnisse zu erleichtern. Sie propagierten für die SBZ einen ‘’besonderen deutschen Weg’’, einen ‘’demokratischen Weg’’, der weithin als Distanzierung von der Praxis der Sowjetunion interpretiert wurde. Alle Positionen in der SED mussten paritätisch (lygiai) mit Kommunisten und Sozialdemokraten besetzt werden. Die SED sollte sich schließlich nur auf den Marxismus, nicht aber auf den sowjetischen Marxismus - Leninismus berufen und auch keine Kaderpartei, sondern eine Massenpartei sein. Aber der Schein trug. Denn die SED setzte latent die alte Politik der KPD fort, denn sie war wie diese der verlängerte Arm der SMAD. Die Gründung der SED markierte einen Wendepunkt in der Entwicklung des Parteiensystems in der SBZ, das nun zugunsten der Kommunisten radikal verändert wurde. Auch die Konsequenzen für die deutsche Politik waren verheerend. Die Spaltung Deutschlands vertiefte sich, denn die Auseinandersetzungen zwischen der westdeutschen Sozialdemokratie und der SED schufen ein feindseliges Klima. Der ideologische Konflikt mit dem jugoslawischen Kommunistenführer Josip Tito und der Kalte Krieg veranlassten Stalin 1948, den Weltkommunismus wieder stärker auf Moskau einzuschwören und die Zügel straffer zu ziehen. Nun wurde auch die SED nach dem Vorbild der stalinistischen KPdSU (TSKP) umgeformt. Die Parität wurde abgeschafft, statt des ‘’besonderen deutschen Weges’’ das sowjetische Modell übernommen und der Marxismus - Leninismus als Ideologie akzeptiert. In wenigen Monaten war die SED zur ‘’Partei neuen Typus’’ umgewandelt. Die sich steigernde Hetze gegen Jugoslawien verband die SED mit einer Parteisäuberung. Am 29. Juli 1948 beschloss der Parteivorstand die ‘’Säuberung der Partei von feindlichen und entarteten Elementen.’’ Wer gehörte dazu? Alle, die ‘’eine parteifeindliche Einstellung’’ oder ‘’sowjetfeindliche Haltung’’ zeigten, wobei der ‘’begründete Verdacht’’ genügte. Damit setzte eine gezielte Aktion gegen Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und oppositionelle Kommunisten ein. Gleichzeitig wurde unter der Losung vom ‘’Kampf gegen den Nationalismus’’ die Anerkennung der ‘’führenden Rolle’’ der Sowjetunion Stalins als verbindlich erklärt. Widerstand gegen diese neue Linie galt als ‘’antisowjetische Propaganda’’. Parteimitglieder, die an der alten Politik festhalten wollten, wurden ausgeschlossen und als ‘’Agenten’’ strafrechtlich belangt. Vor allem aber wurden - jetzt unter der Losung ‘’Kampf gegen den Sozialdemokratismus’’ - frühere Sozialdemokraten verfolgt. Von September 1848 bis Januar 1949 sind 400 sog. Agenten des Ostbüros der SPD1 aus der SED ausgeschlossen und verhaftet worden. Bei der Parteiüberprüfung 1950-51 schloss die Führung 150 000 Mitglieder aus der SED aus, zu einem Großteil Sozialdemokraten. Die Sozialdemokraten verloren auch ihren Platz in der Führung. Von den 40 ehemaligen SPD Mitgliedern des ersten Parteivorstandes der SED 1946 waren einige Jahre später die meisten aus ihren Funktionen verdrängt. 5 von ihnen wurden verhaftet (Fechner, Fank, Szillat, Trabalski und Jesse - letzterer schon wenige Wochen nach der Vereinigung), 9 andere wurden ausgeschlossen und flüchteten in den Westen. Im März 1949 waren von den Mitarbeitern des Zentralsekretariats nur noch 10% ehemalige Sozialdemokraten. Die einfachen Sozialdemokraten mussten sich entweder zu Kommunisten wandeln, oder sie mussten sich seit 1948 vor dem stalinistischen Terror flüchten, oder sie gerieten gar in die Konzentrationslager des SED Staates, in denen etwa 65 000 Häftlinge saßen. 1956 hat der ‘’Kurt - Schumacher - Kreis’’ folgende Opfer Statistik veröffentlicht: a) 20 000 ehemalige Sozialdemokraten haben in der SBZ oder DDR ihren Arbeitsplatz verloren; b) 100 000 Sozialdemokraten mussten in den Westen flüchten; c) 5 000 Sozialdemokraten wurden von ostdeutschen oder sowjetischen Gerichten verurteilt: Von ihnen sind 400 in der Haft verstorben. Schumachers Voraussage vom ‘’Blutspender’’ SPD innerhalb der SED hat sich bewahrheitet. Die SED wandelte sich nach kurzer Zeit in eine antisozialdemokratische, in eine kommunistische Partei, was sie bis 1989 geblieben ist. Im Februar 1990 entstand die SPD in der DDR. Die Partei wurde in Leipzig wiedergegründet. Das Ende der SED und die Wiedergründung der SPD zeigt, dass, historisch gesehen, die Sozialdemokratie nun am Ende die Kommunisten doch besiegt hat. Mit der Entstehung der SED verlieren andere Parteien an politischem Gewicht. Trotzdem zeigt alles, dass der Kreml auf eine breite Zusammenarbeit mit sozialdemokratischen und unterschiedlichen bürgerlichen Parteien auf dem Boden einer antifaschistisch - demokratischen Zielsetzung große Hoffnungen legte. Die SED bot sogar der evangelischen Kirche größere Entfaltungsmöglichkeiten an als es der Fall in den Westzonen war, wo die militärische Administration der Alliierten jegliches politisches Engagement der Kirche abgelehnt hatte (die Kirche durfte nicht mal ihr Zeitungswesen besitzen). In Ostdeutschland erschienen seit 1946 kirchliche Zeitschriften, Lizenzen für landeskirchliche Amtsblätter wurden erteilt, Vertreter der Kirchen saßen im Kulturbund, in den Frauen- und Jugendausschüssen und in der FDJ, und alle Parteien besaßen kirchlich engagierte Mitglieder. Auch in Magistraten und Bürgermeisterämtern. war die Kirche vertreten. Das Bild änderte sich erst mit dem Anbruch des Kalten Krieges 1946. Die Kirche durfte sich nicht mehr politisch engagieren. Sie nahm die Rolle des Kritikers an der politischen Entwicklung in Ostdeutschland ein und erfüllte sie bis 1990. Die evangelische Kirche und das DDR - Theater waren die einzigen Institutionen, wo die Wahrheit gesagt worden war. Bis Frühjahr 1947 wurden die Kommunisten in der SBZ immer wieder vom Kreml gewarnt: ‘’Kein Wort vom Sozialismus. Geht nicht zu schnell vorwärts.’’ Die Rede W. Churchills in Fulton (5. März 1946) und seine Forderung nach einer stärkeren militärischen Zusammenarbeit der westlichen Alliierten gegen die sowjetische Expansion wurde von Stalin als bedrohlich angesehen und scharf kritisiert. Stalin bezeichnete Churchill in seiner Rede am 13. März als ‘’Hetzer des 3. Weltkrieges’’. Das bedeutete aber keineswegs, dass die Zusammenarbeit mit dem Westen beendet war. Die katastrophale sowjetische Missernte 1946 (ähnlich wie die im Jahre 1921) ließ die Führung im Kreml befürchten, gegenüber dem Westen in einer unterlegenen Position zusein, was durch eine schärfere Politik zu überbrücken versucht wurde. Die innersowjetischen Schwierigkeiten wirkten sich direkt auf die deutsche Politik aus und führten zur zweiten Welle der Demontage in der SBZ. 1 Das Ostbüro war eine Abteilung des Schumacherschen Parteivorstandes, das zu Sozialdemokraten in der SBZ und später in der DDR Kontakte hielt. Im Oktober 1946 erlitt die SED bei den freien Wahlen in Berlin eine Niederlage: sie bekam nur 19, 8% der Wählerstimmen. Das verminderte die sowjetische Hoffnung, unter demokratischen Bedingungen eigene Ziele durchsetzen zu können. Außerdem schwand für die UdSSR die Hoffnung, Reparationslieferungen im Wert von 10 Mrd. Dollar zu erhalten und an der Ruhrbehörde beteiligt zu werden. Dies führte dazu, dass die ersten Schritte des Übergangs zur Konzeption II ins Auge gefasst wurden. Die zweite Periode: Frühjahr 1947 bis Herbst 1948 In dieser Periode vollzog sich die entscheidende Wandlung der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik. Als Priorität trat in den Vordergrund folgende Zielsetzung: die Sicherung des eigenen Besitzstandes in Osteuropa. Der Übergang von Konzeption I zu Konzeption II wurde vollzogen. Man entschloss sich, zu Konzeption II zu übergehen, nachdem die Truman - Doktrin am 12. März 1947 verkündet wurde. Das Wesen dieser Doktrin: Amerikanische Hilfe den in ihrer Freiheit bedrohten Ländern Europas. Es folgte die Periode des Abwägens und des Zick - Zack - Kurses, die bis Anfang Juni 1947 währte. Dafür zeugte die etwas unentschlossene Haltung der Sowjetführung bei der Pariser Konferenz im Juni 1947, auf der der Marshall - Plan zur Diskussion stand. Als Stalin eingesehen hatte, welche Gefahr diese amerikanische Hilfe für die zukünftigen sozialistischen Staaten Osteuropas bedeuten kann, lehnte er den Marshall - Plan ab und ordnete die sowjetische Delegation an, die Konferenz zu verlassen. Nach der Ablehnung des Marshall - Plans wurde die Kooperation mit dem Westen eingeschränkt und der Übergang von der Konzeption I zur Konzeption II vollzogen. Dieser Übergang fand seinen Ausdruck in folgenden Ereignissen. Im Juni 1947 fuhren die vier SED Führer (Pieck, Grotewohl, Ulbricht und Fechner) nach Moskau zu Verhandlungen mit Stalin, Molotow , Berija, Shdanow und Suslow. In den Gesprächen mit den SED - Führern wies Stalin darauf hin, dass sich die Einheit Deutschlands verzögere und die SED daher die Aufgabe habe, zunächst die reaktionären Kräfte in Wirtschaft und Verwaltung der Sowjetzone auszuschalten. Im September 1947 wurde das Kommunistische Informationsbüro (Kominform) gegründet, und Shdanow gab im Namen der Sowjetführung die bedeutungsvolle Konzeption der ‘’zwei Lager’’ (= des imperialistischen und des sozialistischen) bekannt, womit nunmehr auch offiziell die Anti - Hitler - Koalition als beendet angesehen wurde. Der Kalte Krieg begann. Im März 1948 sprengten die Sowjets den Alliierten Kontrollrat durch das Ausscheiden Marschall Sokolowskis und übergaben weitere Vollmachten an die ‘’Deutsche Wirtschaftskommission’’ der SBZ, die damit den Kern einer möglichen zukünftigen sowjetzonalen Regierung bilden sollte. Seit Anfang April 1948 wurde der Verkehr von Westdeutschland nach West - Berlin zunehmend erschwert - eine Entwicklung, die im Juni 1948 zur Blockade Berlins führte. Eine weitere Verschärfung ergab sich durch den Ausfall Jugoslawiens aus dem Sowjetblock (Ende Juni 1948) und die sich anschließende Kampagne sowohl gegen Jugoslawien als auch gegen wirkliche und vermeintliche ‘’Titoisten’’ in den osteuropäischen Staaten, darunter auch in der SBZ. Mit der Verurteilung der These vom ‘’besonderen deutschen Weg zum Sozialismus’’ und der Verkündung der neuen Konzeption, dass es nur den sowjetischen Weg zum Sozialismus gäbe (August - September 1948), wurde deutlich, dass es sich hier keineswegs nur um Jugoslawien, sondern um eine grundlegende allgemeine Wandlung handelte. Dies wurde im Spätherbst 1948 auch noch dadurch verdeutlicht, dass die Volksdemokratie offen als eine Form der Diktatur des Proletariats bezeichnet wurde. Im Oktober 1948 erging von Moskau an die SED die Direktive, die Parität in der SED zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten abzuschaffen und zu ersetzen durch die Formel 7 : 2 zugunsten der Kommunisten. Diese Wandlungen waren aber die Voraussetzung für die Bildung eines ostdeutschen Separatstaates, für die Gründung der DDR . Die dritte Periode: Herbst 1948 bis Oktober 1949 Die Politik der sowjetischen Führung war in dieser Phase darauf gerichtet, die Länder Osteuropas (einschließlich der SBZ) politisch, wirtschaftlich, militärisch und ideologisch dem System der UdSSR anzugleichen und gleichzeitig die Unterordnung unter sie Sowjetunion zu festigen und öffentlich herauszustellen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Konzeption I völlig vergessen wurde. Sie blieb als Reserve erhalten, spielte aber nicht mehr die vorherrschende Rolle. Typisch für diese Phase sind folgende Entwicklungen: 1. Völlige Degradierung und Unterordnung der anderen ‘’Bockparteien’’ unter die herrschende marxistisch - leninistische Staatspartei, unter die SED; 2. Verschärfung der Wachsamkeitskampagnen und Säuberungen innerhalb der herrschenden Staatspartei mit dem Ziel, alle nach Unabhängigkeit strebenden Kräfte auszuschalten, verbunden mit der Vorbereitung großer Schauprozesse gegen wichtige Parteiführer oder -funktionäre; 3. Verpflichtung für alle kommunistischen Parteien Ost- und Westeuropas, im Falle eines Krieges die sowjetischen Truppen zu unterstützen. Die entsprechende Erklärung der SED - Führer erfolgte am 4. März 1949, womit die Unterordnung unter die Sowjetunion in einer nicht zu überbietenden Deutlichkeit herausgestellt wurde; 4. Beginn des Übergangs zur Planwirtschaft nach sowjetischem Muster; erste Schritte zur Vorbereitung einer zukünftigen Kollektivierung; 5. Organisierte Flüsterkampagnen seit Sommer 1948, die in höheren Parteikreisen verbreitet wurden, wonach die SBZ in Zukunft als Unionsrepublik der UdSSR angegliedert werden sollte; 6. Zunehmender Einfluss sowjetischer ‘’Berater’’ in allen Bereichen der Wirtschaft, der Partei, des Militärwesens und des Staatssicherheitsdienstes; 7. Verbreitung der Losungen ‘’Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen’’, ‘’Mit der Sowjetunion für ewige Zeiten’’, um die Unterordnung unter die sowjetische Führung zu unterstreichen; Ausdehnung des Stalin - Kults auf die Sowjetzone Deutschlands. Die sowjetische Zielsetzung in Osteuropa, einschließlich der SBZ, bestand in der Forcierung einer innenpolitischen Stalinisierung dieser Länder, gekoppelt mit der verstärkten Unterordnung unter die sowjetische Führung. Im Rahmen dieser Gesamtpolitik war die Bildung der DDR bereits vorgezeichnet. Die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland ist damit nicht die Ursache für die Gründung der DDR, sondern hat lediglich die Formen, Methoden und das Tempo der DDR - Gründung beeinflusst. 5. 7. DIE DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK (1949 - 1990) 5. 7. 1. DIE ÄRA ULBRICHT ( 1949 - 1971) Im Herbst 1948 ließ die SED einen Deutschen Volksrat auf der Grundlage einer Einheitsliste der Parteien und Massenorganisationen wählen. Dieser Deutsche Volksrat konstituierte sich am 7. 10. 1949 als provisorische Volkskammer (laikinieji liaudies rūmai, t. y. parlamentas) und rief unter Annahme einer Verfassung am selben Tag die Deutsche Demokratische Republik (DDR) aus. Gleichzeitig konstituierte sich als politischer Rahmen des Blocksystems die ‘’Nationale Front des demokratischen Deutschland’’. Auf sie gestützt, erhielt Otto Grotewohl am 12. 10. 1949 die Zustimmung der Volkskammer zur Bildung einer Blocksregierung aus allen Parteien, in der jedoch die SED die alleinige Macht besaß. Wilhelm Pieck war am Vortag Staatspräsident geworden. Die DDR entwickelte sich fortan zu einem Einparteienstaat. Am 10. Oktober übertrug die SMAD die bisher von ihr ausgeübten Verwaltungsfunktionen auf die Provisorische Regierung der DDR, sie selbst wandelte sich in die ‘’Sowjetische Kontrollkommission’’ (SKK) um, die die Oberaufsicht über den neuen Staat und seine Organe übernahm. Unter Führung von Walter Ulbricht wurden nun Partei, Staat und Gesellschaft ganz am sowjetischen Vorbild ausgerichtet und stalinistischen Herrschaftsmethoden unterworfen. 1950 bildete sich die SED zu einer Kaderpartei um. Es entstand das Amt des Generalsekretärs des ZK der SED, das von Ulbricht besetzt worden war. Die Losungen der SED waren: ideologische Indoktrination und politische Disziplinierung. Die SPD - Elemente wurden ganz in den Hintergrund gedrängt, man sprach nicht mehr von ‘’einem besonderen deutschen Weg zum Sozialismus’’. Mit der Errichtung des Obersten Gerichts und der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR (Aukščiausioji VDR prokuratūra) , vor allem jedoch mit der Gründung des Staatssicherheitsdienstes (= Stasi) (1950), schuf sich die Partei- und Staatsführung einen wirksamen Apparat zur Kontrolle des gesamten Lebens in der DDR. Andere Parteien verloren jegliche Bedeutung. Es kam zu Säuberungen und Verhaftungen. Man sprach von ‘’Agenten, Trotzkisten, Diversanten und Mördern’’. Am 9. - 12. Juli 1952 hat die 2. Parteikonferenz der SED die planmäßige Errichtung der Grundlagen des Sozialismus in der DDR, den sog. ‘’beschleunigten Aufbau des Sozialismus’’, beschlossen. Es war ein entscheidender Schritt zur gesellschaftlichen Angleichung der DDR an die Wirtschafts- und Sozialordnung der UdSSR.. Am 23. Juli beschloss die Volkskammer die Auflösung der Länder und die Bildung von 14 Bezirken. Es wurden die ersten LPGs (kolūkis) gegründet. Überall herrschte das Stalinsche System vor. Mit der kasernierten Volkspolizei schuf die SED 1952 die Grundlage einer Armee. Der Tod Stalins am 5. März 1953 löste in der SED Unsicherheit und in der Bevölkerung wachsende Unruhe aus. Bei den neuen Chefs im Kreml war Ulbricht unbeliebt und bedeutete eine schwere politische Belastung. Am 9. März 1953 beschloss die SED, den Lebensstandard zu verbessern, führte aber am 25. 5. eine drastische Erhöhung der Arbeitsnormen durch, die praktisch einer Verringerung des Lohnniveaus gleichkam. Warum? Der schlaue Ulbricht, der aus der proletarischen Bewegung kam und sich dort auskannte, hat das so entschieden, weil er die Empörung der Arbeiterschaft absichtlich stimulieren wollte. Alles war mit den letzten Ereignissen im Kreml verbunden. Anfang Juni 1953 beorderte der Kreml die Politbüro - Genossen Grotewohl, Ulbricht und Oelßner nach Moskau und setzte sie unter massiven Druck. Die Sowjets forderten einen ‘’neuen Kurs’’. Der ‘’beschleunigte Aufbau des Sozialismus’’ in der DDR, den Ulbricht ein Jahr zuvor befohlen hatte, sollte gestoppt, der Vorrang der Schwerindustrie abgebaut, der Kirchenkampf eingestellt, der Druck auf die privaten Bauern, Handwerker und den Mittelstand gelockert werden. Die Führer der SED kehrten nach Berlin zurück. Drei Tage später, am 9. Juni, auf einer Sondersitzung des Politbüros des ZK der SED, legte Oelßner los. ‘’Zwei Jahre habe ich geschwiegen, heute werde ich reden’’. Er kritisierte die Zustände im Zentralkomitee der SED, wo die Diktatur Ulbrichts und die Erziehung zu Liebedienerei und Furcht herrschten. Unter dem Druck aus Moskau musste das auf der 2. SED - Parteikonferenz von 1952 beschlossene stalinistische Programm zurückgenommen werden, was am 11. Juni 1953 geschah. Die Korrektur trug den Namen ‘’Neuer Kurs’’. Sämtliche Maßnahmen zu einer gewaltsamen Gesellschaftsveränderung wurden aufgehoben, bis auf eine: Die Normenerhöhung für Arbeiter, anstößigste der Regelungen überhaupt, blieben erhalten. Sie wurden zur geheimen Waffe von Ulbricht. Am 16 Juni 1953 brach der Volksaufstand aus. Er begann mit einem Streik von 300 Bauarbeitern am Block 40 der Stalinallee, breitete sich schnell übers ganze Land aus. 300 000 Demonstranten gingen am 17. Juni auf die Straße und forderten die Erhöhung der Arbeitsnormen aufzuheben. Sie erhoben sich zugleich gegen das ganze Terrorsystem in der DDR. SED - Symbole wurden verbrannt. Walter Ulbricht bat die SKK um militärische Hilfe. Die SKK beschloss, Panzer für die Niederschlagung des Volksaufstandes zu verwenden. Der sowjetische Generalstabchef W. Sokolowski fragte den Stasi - Chef Zaiser: ‘’Wie konnte diese Sache passieren? Solche Dinge stellt man doch nicht von einem Tag auf den anderen auf die Beine. Dazu ist doch eine Organisation erforderlich.’’ Darauf wartete Ulbricht eben. Die Antwort hatte er von vornherein parat: ‘’Der Volksaufstand sei das Werk faschistischer Provokateure.’’ Jetzt konnte Ulbricht alle seine Gegner ausschalten. Der schlaue Fuchs hat gewonnen. Mittags, um 13 Uhr, am 17. Juni 1953, gingen Panzer der Roten Armee in Ostberlin in Stellung und machten dem Volksaufstand ein Ende. 21 Menschen kamen dabei ums Leben. Jetzt kam die Sternstunde von Ulbricht. Doch zu seiner großen Überraschung wurde zuerst er selbst angegriffen. Drei Wochen nach dem Volksaufstand rechneten die Genossen des Politbüros der SED in einer dramatischen Nachtsitzung mit ihrem Parteichef ab. Von den 13 anwesenden Genossen forderten 11 seinen Rücktritt, nur 2, Kaderchef Hermann Matern und Politbüro - Kandidat Erich Honecker, der spätere Nachfolger und Bankrotteur, hielten ihm die Treue. Alle Mitglieder des Politbüros waren empört. Zurückgehalten hat sich in der Debatte nur Rudolf Hernstadt, Chefredakteur des SED - Zentralorgans ‘’Neues Deutschland’’. Er und der Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaiser, standen wegen angeblicher ‘’Fraktionsbildung’’, ‘’Kapitulantentum’’ und ‘’Sozialdemokratismus’’ auf Ulbrichts Abschussliste. Schließlich gelang es Ulbricht, die Mitglieder des Politbüros einzuschüchtern und seine Gegner ihrer Funktionen zu entheben. Mit Hernstadt und Zaiser wurden noch Justizminister M. Fechner (er war für das offiziell erlaubte Streikrecht) und das Politbüro - Mitglied F. Dahlem gefeuert. Alle stimmten zu, Herrnstadt und Zaiser auch. Herrnstadt gab es in der typischen Manier kommunistische Selbstbezichtigung den Genossen schriftlich: ‘’Ich erkläre hiermit, dass ich die Entschließung des ZK, insbesondere die auf mich bezüglichen Stellen, in vollem Umfang als richtig anerkenne’’ 1 . Ein Paradebeispiel der blinden stalinistischen Treue zur Partei. 1956 begann die Entstalinisierung in der UdSSR. Sie rief in der DDR ein Echo hervor. Die Intellektuellen im Verlag ‘’Aufbau’’ und in der Redaktion der Zeitschrift ‘’Sonntag’’ erhoben 7 Forderungen, die als Meinungen formuliert wurden: 1. Die Führung der SED habe aus den Lehren des 20. Parteitages der KPdSU nur ungenügende Konsequenzen gezogen und es insbesondere versäumt, die Fehler der Vergangenheit einer umfassenden und historisch weit ausholenden kritischen Analyse zu unterziehen. In der Parteiführung herrsche ein 1 Siehe R. Herrnstadt: Das Herrnstadt - Dokument. Rowohlt Tsb. - Verlag, Reinbek, 1990. Geist der Schönfärberei und der Vertuschung begangener Fehler, der namentlich das Zentralorgan der Partei, ‘’Neues Deutschland’’, ungenießbar mache; 2. Man müsse wilde Intellektuellendiskussionen (wie in Ungarn und Polen) durchführen, denn ohne Diskussionen sei das geistige Klima in der DDR unerträglich; 3. Man müsse bestimmte personelle Veränderungen in der Führung der SED und in der Regierung der DDR vornehmen. Vor allem müssen der Erste Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, der Justizminister Hilde Benjamin und der Generalstaatsanwalt der DDR, Dr. Melsheimer, abgelöst werden. 4. Es müssen Maßnahmen gegen den Bürokratismus und das Übermaß an Planung ergriffen werden; 5. Die Politik des jugoslawischen Bundes des Kommunisten und überhaupt die Verhältnisse in Jugoslawien seien vorbildhaft. Es sei wünschenswert, dass die DDR sich stärker an Jugoslawien orientiere; 6. Die Bemühungen der SED, zur Verständigung mit der westlichen SPD zu gelangen seien völlig zwecklos, solange nicht durch einen Führungswechsel in der SED und durch tiefgreifende Veränderungen in der Politik der DDR die Voraussetzungen dafür geschaffen werden; 7. Das Kulturleben in der DDR müsse viel großzügiger gestaltet werden. Wozu werden so viele sowjetische Bücher herausgegeben, die doch niemand interessieren? Warum verlege man nicht Hemingway, Faulkner, Joyce, Proust, Kafka, Remarque, Musil u.a.? Die Bewegung der Intellektuellen leitete Wolfgang Harich und Walter Janka. Janka legte diese sieben Forderungen der Intellektuellen im November dem ZK der SED zur Diskussion vor. Zuerst tat Ulbricht nichts. Er wartete eine günstige Gelegenheit ab. Ulbrichts Schlag gegen sie war genau berechtigt und kam präzis. Er erfolgte nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Ungarn und der blutigen Niederschlagung der ungarischen Revolution von 1956. Und wieder zeigten die DDR - Kommunisten ihre blinde stalinistische Treue: sowohl Harich als auch Janka nannten in einer umfangreichen Selbstbezichtigung seine und seiner Gesinnungsfreunde Handlungen ‘’sehr gefährlich’’. Somit lieferten sie selbst Material für den Janka - Schauprozess im März 1957. Janka wurde eines versuchten konterrevolutionären Aktes beschuldigt. Denn er wollte nach Ungarn fahren und dem Theoretiker des Marxismus, der nach der ungarischen Revolution zum Revisionisten vom Kreml abgestempelt war, Georg Lukacs, in die DDR bringen, worum ihn die Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR, Anna Seghers, gebeten hat. Ulbricht aber untersagte das Vorhaben. Die im Prozess anwesende Seghers hat nicht die mindeste Regung eines Protestes von sich gegeben. Sie war eine scheue Person, was jeder wusste. Als Feiglinge erwiesen sich auch B. Brecht und J. Becher. Janka wurde verurteilt. Seine Erlebnisse beschrieb er später im Buch ‘’Schwierigkeiten mit der Wahrheit’’. Die Frage lautet: Hätte eine glückliche Erneuerung der SED - Politik 1956 dem DDR - Sozialismus aus der Misere geholfen? Gomulka, der Parteichef der polnischen kommunistischen Partei, hat es in Polen 1956 geschafft. Zwei Jahre lang herrschte in Polen Ruhe, dann begann das politische Elend des Landes erneut. In der DDR wäre nichts anderes geschehen. Denn der Sozialismus braucht zu seiner Existenz die Autokratie und den Terror, anders bricht er zusammen. Substantielle Reformen sind sein Untergang. Die Stalinisten, vor allem Ulbricht, wussten es gut. Alle Reformer, einschließlich des Michail Gorbatschow, wussten es wohl nicht. 1958 wurden Erich Honecker und Alfred Neumann echte Mitglieder des Politbüros des ZK der SED. Die SED - Führung setzte inzwischen die Umwandlung der Wirtschafts- und Sozialordnung nach sowjetischem Vorbild verstärkt fort. Es wurde das Staats- und Genossenschaftseigentum auf Kosten des Privateigentums an den Produktionsmitteln ausgeweitet. Die Landwirtschaft wurde 1960 vollends in Kollektiveigentum überführt. Die UdSSR hat schon 1954 die SAG - Betriebe an die DDR zurückgegeben, um die Bildung von Produktionsgenossenschaften zu stärken. Sie verzichtete auch auf Reparationsleistungen. Doch die wirtschaftliche Lage und das Lebensniveau in der DDR blieben bedrückend. Der Flüchtlingsstrom ging zwar von (19531) 331 000 auf (1954) 184 000 zurück, stieg aber 1955 auf 252 000 wieder an. Nachdem die DDR bereits 1950 die Oder - Neiße - Linie als deutsche Ostgrenze anerkannt hatte und im selben Jahr dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) (Savitarpio ekonominës pagalbos taryba) beigetreten war, wuchs sie auch außenpolitisch in das von der UdSSR geführte System des Ostblocks hinein und wurde Gründungs - Mitglied des Warschauer Pakts (14. Mai 1955). Am 20. September 1955 gewährte die UdSSR im ‘’Vertrag über die Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR’’ formal der DDR die Unabhängigkeit, behielt sich jedoch hinsichtlich der Deutschland- und Berlinfrage bestimmte Rechte vor. Zugleich blieben auch mehr als eine Million sowjetische Soldaten weiter im Lande. Bis 1955 sprach sich die DDR propagandistisch für die Wiedergewinnung der deutschen Einheit aus, ab 26. 7. 1955 (Chruschtschows Rede in Berlin: Anfang einer neuen Welle des Kalten Krieges) sprach sie nur noch von zwei deutschen Staaten und von der Erhaltung der sozialistischen Errungenschaften. Als die anhaltende Fluchtbewegung aus der DDR und Ostberlin die Wirtschaftspläne existentiell gefährdete (denn in den Westen flohen die 1 Damals ging der ganze Jahrgang der ersten Hochschulabsolventen der DDR vollständig in den Westen, weil man dort viel mehr verdiente als in der DDR. besten Fachleute), ließ die SED, nachdem sie zuvor Erlaubnis vom Kreml erhalten hatte, am 13. August 1961 die Grenze zu Westberlin sperren und unter der Bezeichnung ‘’Antifaschistischer Schutzwall’’ in der folgenden Zeit die Berliner Mauer errichten, die jetzt von den Historikern als ‘’Schandmauer des Sozialismus’’ bezeichnet wird. Damit waren die Voraussetzungen für eine Festigung des kommunistischen Regierungssystems entscheidend verbessert worden2 . 1960 wurde W. Ulbricht zusätzlich Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und Vorsitzender des Staatsrates der DDR3 . Diese Ämter wurden 1960 neu geschaffen. Der Staatsrat (valstybės taryba, t. y. ministrų taryba) ersetzte als kollektive Staatsspitze nach dem Tode Piecks das Amt des Staatspräsidenten. 1964 wurde W. Stoph nach dem Tode Grotewohls Ministerpräsident. Die SED orientierte sich vor allem auf die Entwicklung der Volkswirtschaft, um die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Nach dem 22. Parteitag der KPdSU von 1961 verzichtete die SED auf stalinistische Methoden und ging zu flexibleren Mitteln der Führung über. 1961 wurde das ‘’Gesetz zur Verteidigung der DDR’’ verabschiedet, 1963 die Arbeiter- und - Bauern Inspektion errichtet. 1963 wurde das ‘’Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht’’ veröffentlicht. 1963 entsteht das ‘’Neue Ökonomische System der Planung und Leitung’’ (NÖS), das die Wirtschaftsentwicklung forcieren sollte. Man bezog die Wissenschaften und die sie übergreifende Systematik (Kybernetik) als produktives Element in die Wirtschaftsführung ein. 1963 wird ein ‘’einheitliches sozialistisches Bildungssystem’’ angenommen, 1965 werden ein Familiengesetzbuch und 1968 ein neues Strafgesetzbuch verabschiedet. Die DDR bezeichnet sich in den 60er Jahren als ‘’Vorposten des Sozialismus’’. 1968 nahm die Nationale Volksarmee der DDR an dem Einmarsch des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei teil. Seit 1966 verfolgte die DDR in der innerdeutschen Politik das Ziel, die internationale Position der DDR zu festigen und forderte von der BRD die Anerkennung der DDR als eigenständigen Staates. In diesem Sinne wurde 1967 ein Gesetz über die ‘’Staatsbürgerschaft der DDR’’ (VDR pilietybė) erlassen und 1968 eine neue Verfassung verabschiedet. Die DDR wurde in ihr als ‘’sozialistischer Staat deutscher Nation’’ definiert. Die BRD versuchte, mit ihrer Hallstein - Doktrin lange Zeit die volle diplomatische Anerkennung der DDR und die Errichtung von Handelsmissionen oder Konsulaten der DDR im Ausland erfolglos zu verhindern. 5. 7. 2. DIE ÄRA HONECKER (1971 - 1990) 1971 wurde Erich Honecker als Nachfolger Ulbrichts zum Ersten Sekretär (seit 1976 Generalsekretär) des ZK der SED und zum Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates gewählt. Willi Stoph wurde Staatsrats - Vorsitzender, Horst Sindermann Ministerpräsident. 1976 wurden Honecker noch zum Staatsrats Vorsitzenden und W. Stoph blieb Ministerpräsident. Die Losung der SED in den 70er Jahren lautete: ‘’Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft’’. 1972 wurden auch solche Betriebe verstaatlicht, die bereits mit begrenzter staatlicher Beteiligung arbeiteten. 1976 trat ein neues Zivilgesetzbuch, 1978 ein neues Arbeitsgesetzbuch, 1982 ein Wehrdienst - Gesetzbuch in Kraft. Mit der Ostpolitik von Bundeskanzler W. Brandt begann eine neue Phase in den Beziehungen der beiden deutschen Staaten. 1973 trat die DDR (auch die BRD) zur UNO bei. Die DDR versuchte aber sich vom Einfluss der BRD zu schützen. 1973 wandte sich der ‘’Kulturbund der DDR’’ gegen die Auffassung vom Fortbestand einer einheitlichen deutschen Kulturnation. Es entstanden sozialistische Linguistik, sozialistische Mathematik und sozialistische Philosophie. 1974 wurde der Begriff ‘’deutsche Nation’’ aus der Verfassung der DDR gestrichen. Die Sperranlagen an der deutsch - deutschen Grenze wurden perfektioniert, 1980 die Zwangsumtäusche (priverstinis DM keitimas į VDR markes) für Einwohner der BRD und Westberlin bei der Einreise nach Ostberlin und in die DDR stark erhöht (die DDR brauchte westliche Währung!). Ab 1982 entwickelte sich die Friedensbewegung, die nicht an die offizielle Linie der SED gebunden war. In der Außenpolitik unterstützte die DDR alle Abrüstungs- und Entspannungsinitiativen der UdSSR. Sie arbeitete mit der Dritten Welt unter der Devise ‘’Kampf gegen Imperialismus, Kolonialismus und Neokolonialismus’’ zusammen. Sie leistete kommunistischen Staaten Afrikas, Asiens und Mittelamerikas (Angola, Äthiopien, Nikaragua, Vietnam usw.) sowie prokommunistischen Befreiungsbewegungen (PLO, SWAPO, ANC usw.) militärtechnische, wirtschaftliche, finanzielle und personelle Hilfe. Seit 1980 betreute die Stasi (Abteilung XXII Terrorabwehr) 10 Terroristen der RAF (Rote - Armee - Fraktion), die in der BRD V. Suworow fragt die Leser in seinem Buch ‘’Die letzte Republik’’: ‘’Wann ist es möglich, den Kommunismus aufzubauen?’’ Und führt die Antwort eines KGB - Generals an: ‘’Wenn das Volk absolut keine Möglichkeit hat, irgendwohin zu fliehen.’’ Das heißt, wenn überall in der Welt Kommunismus gesiegt hat oder wenn ein Staat seine Grenzen so dicht schließt, dass niemand aus dem Land fliehen kann. 3 Drei wichtigste staatliche Ämter in den Händen eines Menschen: das ist schon Diktatur. 2 steckbrieflich gesucht waren. Man hat sie in der DDR versteckt, eingebürgert und ihnen gute Lebensbedingungen geschaffen.1 Seit 1984 lautete die Losung der SED: Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen. Doch die gesellschaftlich - politische Lage in der DDR war gespannt: Es existierte eine bevorzugte, privilegierte SED - Nomenklatura, der alles erlaubt war, viele Bürger waren mit ihrer sozial - politischen Situation unzufrieden. Die SED suchte die Unzufriedenheit mit der Steigerung des Wohnbaus und den erweiterten Besuchsmöglichkeiten in der BRD abzubauen. Am 11. März 1985 wurde in der UdSSR M. Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU. Honecker ahnte sofort etwas Schlimmes. Die schlimmsten Befürchtungen wurden auf dem 27. Parteitag der KPdSU wahr, als Gorbatschow die Perestrojka- und Glasnost - Politik verkündete. Als Gorbatschow sagte, ‘’dass eine Reihe von Maßnahmen erforderlich sein wird, damit die Intelligenz die ihr in der Gesellschaft zu Recht gebührende Stellung einnimmt’’, flüsterte Alfred Neumann, der 1. Sekretär der SED für die ideologische Arbeit, auf der Ehrentribüne entsetzt zu Honecker: ‘’ Der redet fast wie Dubček2 ’’. ‘’Nicht nur fast, mein Lieber’’, entgegnete Honecker und ließ sich von dem jungen Mann hinter ihm eine Zigarette anzünden. Die Zigarette sollte ihn beruhigen, denn niemand sollte sehen, dass ihm die Hände zitterten. Wenige Wochen nach dem Abschluss des Parteitages schrieb Novy Mir, das Organ des Schriftstellerverbandes der UdSSR: ‘’Es geht jetzt von der totalitären Diktatur zur offenen Gesellschaft, zur Liquidierung des Machtmonopols und zur wirksamen Kontrolle des Machtelite durch freie Presse und öffentliche Meinung - mit der Arbeit der Bewegung ohne ihre Apparatschiks, mit den mittleren Schichten ohne Gruppen bereitwilliger Kollaboteure, und mit der Intelligenz an der Spitze.’’ Der Artikel blieb ungerügt. Die Alarmglocken schrillten im SED - Zentralkomittee, als im Frühjahr 1987 die Parteifunktionäre der SED erfahren hatten, dass Kuriere aus Moskau an der Universität Basel erschienen, um Ota Šik, den Wirtschaftsreformer des Prager Frühlings 1968, zu fragen, ob er bereit wäre, einen Beratungsauftrag für den Ministerrat der UdSSR zu übernehmen. Die gleichen Herren waren dann weiter an die Universität Bremen gereist, wo Rudolf Bahro lehrte. Er sollte dabei helfen, die Bürokratisierung des Sozialismus einzudämmen. Beide erklärten sich einverstanden und reisten nach Moskau. Am 1. Mai 1987 erschien im SED - Zentralorgan ‘’Neues Deutschland’’ ein anonymer, mit Dr. H. unterzeichneter Artikel, wo die Pereistrojka - Politik zum erstenmal kritisiert worden war. Wenige Tage später kommentierte die Moskauer Prawda ohne jedes Feingefühl den Dr. H.: ‘’ Wir regeln unsere Angelegenheiten selber, so wie alle unsere Bruderländer auch.’’ Der Riss zwischen der KPdSU und der SED war kaum mehr noch zu kitten. Zum endgültigen Zerfall des sozialistischen Lagers kam es, als Gorbatschow im April 1988 zu einem Freundschaftsbesuch in die DDR fuhr, um die SED - Führung zu beruhigen. Vor der Rückkehr gab er öffentlich bekannt, dass die UdSSR 200 000 sowjetische Soldaten aus der DDR abziehen werde. Im SED Politbüro herrschte nun blanke Angst. Die DDR - Regierung verlangte die Einberufung einer Konferenz aller Staaten des Warschauer Paktes, denn sie sah die Sicherheit der DDR gefährdet. Der tschechoslowakische KP - Chef schlug als Konferenzort Čierna nad Tisou vor. Diese Kleinstadt hatte Tradition. Hier hatten kurz vor dem sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 Konsultationsgespräche zwischen Breshnjew und KPČ - Chef Dubček stattgefunden. Die KPdSU bezeichnete diese Ortswahl als Provokation und schickte nur den blassen ZK - Sekretär K. Russakow. Alle anderen Staaten waren durch ihre Parteichefs und die Ministerpräsidenten vertreten. Die Konferenz wurde Anfang Juni eröffnet. Am zweiten Tag tauchte der 1986 abgesetzte frühere sowjetische Verteidigungsminister Ustinow auf und verlas mit beschwörender Stimme ein Hilfeersuchen, das angeblich von zahlreichen Mitgliedern des ZK der KPdSU unterzeichnet war. Emphatisch rief er aus: ‘’Heute steht alles auf dem Spiel, was unser werktätiges Volk in den letzten 70 Jahren geschaffen hat. Alle Errungenschaften des Sozialismus sind in Frage gestellt. Nicht nur unsere sozialistische Demokratie schwebt in Gefahr, sondern auch die Grundlage des Sozialismus in aller Welt, unsere Union der Sowjetrepubliken. Das hat uns vor die Notwendigkeit gestellt, den historischen Beschluss zu fassen, unsere sozialistischen Bruderländer um Hilfe zu bitten.’’ 1. 1 Der Leiter dieser Abteilung, Stasi - General H. Dahl, erklärte vor Gericht am 19. 02. 1997 demagogisch, die DDR hätte Interesse gehabt, Aktionen der RAF möglichst zu unterbinden, denn jeder Anschlag der Terroristen löste in der BRD umfangreiche Fahndungsmaßnahmen der Geheimdienste und der Polizei aus. Dadurch seien auch DDR - Spione akut gefährdet gewesen.(Die Welt, 20. 02. 1997) 2 A. Dubček wurde 1968 als führender Reformpolitiker in der KPČ zum Ersten Sekretär des ZK gewählt. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die ČSSR 1968 wurde er als Parteichef abgesetzt und aller Ämter enthoben. Nach der Samtenen Revolution wurde er zum Parlamentspräsidenten (1989) gewählt 1 J. Nawrocki: Eine ungenützte Chance? Zur Ost- und Deutschlandpolitik der achtziger Jahre, in : Die Zeit, 29. 12. 1989, S.26 Alle waren verblüfft und schockiert. E. Honecker erklärte, bei seiner Kenntnis würde die Rote Armee Ustinow unterstützen, denn der neue Verteidigungsminister W. S. Shagin habe die Armee nicht im Griff. Nach langen hitzigen Debatten stimmten lediglich die DDR und Bulgarien für eine militärische Intervention. Die Polen enthielten sich, die ČSSR, Ungarn und Rumänien stimmten dagegen. Russakow war bereits vor der Abstimmung unter Protest nach Moskau zurückgereist. Die DDR - Führung fiel schweißnass in tiefe Depression. Ustinow erhielt in der DDR politisches Asyl. Inzwischen entstand in der DDR (1984) eine breite Friedens- und Umweltbewegung. Sie wurde von der evangelischen Kirche gefördert und unterstützt. Im November 1987 griff die Stasi (VDR saugumas) zum erstenmal diese Bewegung öffentlich an. Man durchsuchte die Räume der Umweltbibliothek, die zur Ostberliner Zionskirchengemeinde gehörte. Die Bewegung bekam den Namen ‘’Zionskirche’’. Allmählich wurden auch manche Intellektuellen in diese Bewegung mit einbezogen. Jetzt griff die Stasi nach Repressionen. Es kam zur Empörung in den intellektuellen Kreisen. Sie gebar die ostdeutsche Konterrevolution (im Jargon der Stasi - Leute), die am 7. Mai 1989 ihren ersten Schlag gegen das ZK der SED richtete. An diesem 7. Mai 1989 fanden in der DDR die üblichen Kommunalwahlen statt. Zuvor, auf der Politbüro - Sitzung am 2. Mai, gingen die Politbüro - Mitglieder von etwa 5% Gegenstimmen aus. Man wusste, dass bei dieser Wahl mehr Oppositionelle als je zuvor die Stimmabgabe in den Wahllokalen überwachen werden. Am 7. Mai erklärte der Vorsitzende der Wahlkommission, Egon Krenz, im Fernsehen, dass gültige Stimmen für die Kandidaten der Nationalen Front 98, 85% der Wähler abgegeben hatten. Es gab also nur 1, 15% Gegenstimmen. Jubel und Euphorie im Politbüro der SED. Die 26 Politbüro - Mitglieder freuen sich. Wer sind diese Menschen? Das ist Erich Honecker, der zu sagen pflegt:’’ Ich bin das Volk.’’ Das ist Willi Stoph, der Ministerpräsident, Honeckers Watschenmann (atpirkimo ožys) im Politbüro, das aus 5 Greisen (75 bis 81 Jahre alt), 6 Rentnern (65 bis 74 Jahre alt), 14 Frührentnern (55 bis 64 Jahre alt) und einem Jugendlichen (Egon Krenz) besteht. 10 Politbüro - Mitglieder hat Honecker von Ulbricht geerbt, sie sind im Politbüro so lange, bis der Tod sie abholt. Die anderen hat Honecker aus den unterschiedlichsten Gründen in sein Politbüro befördert: weil sie sehr gut Russisch können (Eberlein), weil Margots (Honeckers Frau) Wahlkreis in Halle liegt (Hans - Joachim Böhme), weil Schabowski als Chefredakteur des ‘’Neuen Deuschland’’ einen neuen Weltrekord im Abdrucken von Honecker - Bildern aufgestellt hat oder weil es ein guter alter Bekannter ist (Keßler). Die Älteren haben bis auf Stoph und Mielke, den Stasi - Chef, alle unter Hitler im KZ oder Zuchthaus gesessen und sahen in der BRD den Nachfolgestaat der Nationalsozialisten, die die ostdeutschen Gebiete zurückerobern möchten. Die Jüngeren haben ihre Weltanschauung in den Moskauer Parteihochschule der Nach - Stalin - Zeit erworben und sind echte marxistische Betonköpfe. Nur drei Krenz, Schabowski und Lorenz - haben sich von Gorbatschow ‘’irritieren’’ lassen. Drei Genossen hat Honecker besonders eng: Günter Mittag, den Wirtschaftsexperten, mit dem er häufig zur Jagd geht und die DDR bei dieser Gelegenheit regiert; Joachim Hermann, den Propaganda - Chef, der ihm jeden Tag die Schlagzeilen der nächsten Ausgabe des ‘’Neuen Deuschland’’ zur Genehmigung vorlegt, sowie Erich Mielke, den Stasi - Narren, mit dem er nach jeder Politbüro - Sitzung ‘’so genüsslich über die Sicherheits - Intima des Sozialismus plaudert wie andere Männer über Frauenunterwäsche’’ (Schabowski). Honecker misstraut Mielkes Berichten über die Lage in der DDR und hält Mielke für eine trottelige, unkluge Figur und hat gern, ihn während der Politbüro - Sitzungen zu kritisieren. Mielke vertraut am meisten den Berichten seiner KGB - Kollegen aus Moskau und hört immer weniger auf Honecker. Der Alltag des Politbüros ist grau und trivial. Jeden Dienstag gibt es eine Sitzung. Interessiertes Mitschreiben ist Pflicht, es herrscht Klassenzimmeratmosphäre. Diskussionen und Widerrede sind ausgeschlossen. Wenn etwas schief in der DDR läuft, ist stets Stophs Regierung schuldig. Also, als am 7. Mai die Ergebnisse der Kommunalwahlen veröffentlicht waren, haben sich alle Politbüro Mitglieder gefreut. Nur zwei von ihnen, Schabowski und Kurt Hager, der Chefideologe der SED, kannten die wahren Ergebnisse, vor allem aus den Wahllokalen der Studenten: Hochschule für Bildende Künste Dresden 43% Gegenstimmen, Hochschule für Graphik Leipzig 29, 5% Gegenstimmen, Hochschule für Musik Dresden 35% Gegenstimmen, Hochschule für Musik Weimar 23% Gegenstimmen, Kunsthochschule Berlin 51% Gegenstimmen. Der Wahlleiter Krenz kennt die wahren Ergebnisse nicht, wundert sich über die 98, 85 % und vermutet, dass die Ergebnisse verfälscht worden sind. Heute wissen wir, dass es wirklich der Fall war: sie wurden auf den Befehl Mielkes verfälscht worden. Doch an jenem 7. Mai haben 23 Mitglieder des Politbüros an diese Wahlergebnisse geglaubt. In der Woche nach den Wahlen liegen die ersten Einwände seitens der Opposition gegen das offizielle Wahlergebnis vor. Die Opposition spricht von 10% Gegenstimmen. Mielke befielt allen zuständigen Stasi Stellen zu antworten, dass es keine Wahlmanipulation gegeben hat, er befiehlt, die Oppositionellen in operativen Vorgängen zu bearbeiten, und er untersagt der Post, die Beweisen für die Wahlmanipulation an die Wahlkommission zu versenden. Am 16. Mai bekunden 750 000 FDJler ihre Treue zur DDR. In Ungarn geschieht aber etwas Unvorstellbares: Ungarn beginnt die Sicherungsanlagen an der ungarisch - österreichischen Grenze abzubauen. Die reformfreudigen Kräfte im SED - Parteiapparat und in der FDJ (Freie Deutsche Jugend) sind zu dieser Zeit noch davon überzeugt, durch eine realistische Darstellung der kritischen Lage im Lande, ihren Generalsekretär Honecker und die DDR ändern zu können, nach dem Motto: ‘’Wenn Erich alles wüsste’’. Der Vermittler soll Krenz werden, denn er war lange Zeit FDJ - Generalsekretär, ist Lieblingsschüler von Honecker und soll sein Nachfolger werden. Er bekommt auf einmal haufenweise kritische Papiere der ZK Abteilungen, der FDJ und des Leipziger Instituts für Jugendforschungen. Er liest alles durch, vermerkt alles mit dem Vermerk ‘’Ganz geheim’’ und versteckt alles in seinem Tresor. Er entschließt sich, kein Wort davon an Honecker oder an das Politbüro zu verraten. Krenz ist der Erbe der DDR, wenn Honecker über die Unzufriedenheit im Lande, über die Mehrheitsmeinungen der DDR - Jugend wie ‘’Der Sozialismus ist eine gute Idee, die nicht funktioniert’’, ‘’Entweder Reisefreiheit oder ich gehe (in die BRD)’’ und ‘’Individualität ist wichtiger als soziale Sicherheit’’ erfährt, kann er ihn, Krenz, enterben. Deshalb organisiert Krenz die Treuebekundung zur DDR der FDJler am 16. Mai und verhindert, dass Erich Honecker während seines Pfingsttreffens mit den FDJlern in Berlin etwas Kritisches hört oder merkt. Honecker ist zufrieden nach dem Treffen über die DDR - Jugend. Mittlerweilen beschließt Honecker, einen resoluten Schritt im Punkt Sicherheit der DDR zu gehen. Der ständige Vertreter der DDR in Bonn, Botschafter H. Bertsch, sprach Anfang Mai 1989 im Bundeskanzleramt vor. Er bat die Bundesregierung um verstärkte wirtschaftliche, finanzielle und technische Hilfe, damit sich die Lage in der DDR stabilisiere. Er deutete auch an, dass die DDR - Regierung am Abschluss eines Beistandspaktes interessiert sei. Die Bundesregierung war baff: diese Entwicklung der Ereignisse hat sie völlig unvorbereitet getroffen. Obwohl das Auseinanderfallen des Warschauer Paktes seit Jahren vorherzusehen war, hatte sich niemand Gedanken gemacht, welche Konsequenzen dies für die Deutschlandpolitik haben könnte. Auch die Großmächte Frankreich, Großbritannien und die USA waren jetzt besorgt: Der Gedanke an ein neues Großdeutschland bereitete ihnen Unbehagen. Bei der ersten Bonner Kabinettsitzung nach den Sommerferien gab es ratlose Gesichter. Kanzler Kohl meinte, wenn man der DDR - Führung die Hilfe verweigere, werde sie unverweigerlich von den Oppositionellen oder gar von einem Volksaufstand hinweggefegt. Das sei die lange ersehnte Chance zur Wiedervereinigung. Vizekanzler Lambsdorff wandte ein, ein vereinigtes Deutschland werde keinesfalls eine um die DDR erweiterte Bundesrepublik sein: Die Russen werden es nicht zulassen. Also werden wir dieser deutschen Nachbarnrepublik allseitige wirtschaftliche, technische und finanzielle Hilfe erteilen müssen. Er sei nicht bereit, dies mitzumachen. Der Minister für innerdeutsche Beziehungen, Bebelein, brachte das entscheidende Argument: In Sachsen, Thüringen, Mecklenburg und in Ostberlin dominieren die Sozialdemokraten. Nach der Wiedervereinigung und gesamtdeutschen Wahlen würde die SPD die Regierung bilden, und noch Adenauer hat gesagt, dass eine Stimmenmehrheit der Sozialdemokraten zum Untergang Deutschlands führe’’. Außerdem wäre es dann auch sein Ministerium überflüssig. Alle waren mit Bebelein einverstanden. Die CDU-CSU - Regierung darf doch nicht ihre Macht einfach wegen dieser DDR verlieren. Ihnen allen würde ja plötzlich etwas fehlen, wenn diese DDR - an die man sich doch nach 40 Jahren endlich gewöhnt hatte - sang - und klanglos von der Landkarte verschwände. Die DDR - Führung solle sich mit ihrem Eisenzeit - Sozialismus lange halten! Also, das Kabinett beschloss, der DDR - Regierung jede erdenkliche Hilfe zu leisten. Und für den nächsten Wahlkampf erfand die FDP den flotten Slogan ‘’Liberalismus statt Sozialismus’’. Die CDU setzte auf die elegante Parole: ‘’Sicher in die 90er Jahre.’’ Doch das Jahr 1989 brachte keine Ruhe. Am 4. Juni 1989 schlugen die Militärs die studentischen Protestdemonstartionen auf dem Tiananmen - Platz in Peking mit Panzern und Flammenwerfern nieder. Es gab 4000 Tote. Der Westen ergriff wirtschaftliche Maßnahmen gegen China. Das Politbüro der SED diskutierte auch über die Ereignisse in China und zog die Schlussfolgerung, dass die USA dahinter stehen und dass es eine Konterrevolution sei. Man beschloss mit einer Erklärung der DDR - Volkskammer, dem ‘’bedrängten chinesischen Volk’’ zur Seite zu stehen. Hans Modrow, der Parteisekretär des Bezirkes Dresden, fährt einen Monat später nach Peking, um die solidarische Haltung der SED auszudrücken. Günter Schabowski folgt ihm kurz darauf. Die SED ist aber von der scharfen Kritik Chinas durch die westdeutsche DKP irritiert. Schabowski muss im Namen die kritische Haltung der DKP, die beinahe vollständig von der SED finanziell unterhalten wird, rüffeln. Am 12. Juni 1989 kommt Gorbatschow nach Bonn. Als Kohl ihn über die Möglichkeit einer Wiedervereinigung anspricht, antwortet Gorbatschow recht unentschieden. Das erregt Honecker enorm. Honecker sagt:’’ Bonn hetzt, Moskau flattert, Warschau erbebt, Budapest kippt - es seien Kräfte am Werk, die die Beseitigung des Sozialismus anstreben. Einzig in der DDR seien die Werte des Sozialismus nach wie vor fest im Volke verankert, weil die Parteiführung immer zum Wohl des Volkes handle’’. Im Referat auf der 8. Tagung des ZK der SED wird immer wieder das Alte betont. Dieses Referat ist grotesk realitätsfern. Die Jugend der DDR versteht jetzt, dass alle Hoffnungen auf eine Perestrojka der DDR vergebens sind. Es kommt zur Flucht vieler Jugendlichen in die Botschaften der BRD in Prag und in Budapest. Am 1. August 1989 halten sich dort 150 DDR - Bürger auf, die ihre Ausreise in den Westen erzwingen wollen. Inzwischen reichen 120 000 DDR - Bürger Antrag zur Ausreise ein. Krenz ist schockiert wegen der alarmierenden politischen Stimmung im Land. Erholt kommt Honecker aus dem Urlaub zurück und liest allen Leviten darüber, dass man über die Unzulänglichkeiten des Lebens in der Presse nicht schreiben dürfe, dass die DDR- Jugend fest den Sozialismus unterstütze. Nur Krenz allein weiß, dass der DDR - Sozialismus von der Jugend belächelt wird, dass die Religiosität auf 15% gestiegen ist, dass die Resignation Massencharakter hat. Am 19. August flüchten hunderte DDR - Bürger über die ungarische Grenze nach Österreich. Die ungarischen Soldaten greifen nicht ein. ‘’Verrat am sozialistischen Lager’’ nennt man das im SED Politbüro. Man schickt einen Gesandten nach Ungarn, um die Dinge zu bremsen, doch Ungarn will nichts davon hören. Die BRD hat Ungarn 500 Mio. DM Hilfe versprochen. Das Politbüro: ‘’Die sind gekauft.’’ Es verlangt, ein Außenministertreffen des Warschauer Paktes einberufen zu lassen, um die Sache zu erörtern, doch Gorbatschow winkt ab. Die DDR bleibt allein. Am 5. September erfährt das SED - Politbüro davon, dass die Regierung Ungarns beschlossen hat, die Grenze zu Österreich am 11. September zu öffnen. Die DDR - Bürger werden also die Grenze legal überfahren können. Zum erstenmal entsteht im Politbüro eine heftige Diskussion über den Sozialismus. Warum verlassen die DDR - Bürger ihre Heimat? Es gibt mehrere Gründe: 1. Sie sind vom Sozialismus enttäuscht: In der BRD lebt es sich besser; 2. In der DDR herrscht eine Versorgungskrise, jeder hat sie satt; 3. Die DDR - Bürger dürfen nur in sozialistische Länder reisen. Sie verlangen Reisefreiheit; 4. Die DDR - Mark ist nichts wert. Die DDR - Bürger träumen von der DM; 5. Sie wollen Rede- und Pressefreiheit, sie haben die unobjektive Parteipresse satt. Am 11. September setzt Ungarn das Reiseabkommen zwischen der DDR und Ungarn außer Kraft. In den folgenden Tagen fliehen 57 000 DDR - Bürger in den Westen. Am 12. September schließt die DDR ihre Grenze zu Ungarn. Aber in Ungarn befinden sich noch 120 000 DDR - Bürger. Die meisten gehen auch in den Westen. Die westliche Presse bringt sensationelle Berichte über den Exodus der DDR - Bürger. Auf der Politbüro - Sitzung fordert Stoph, man müsse analysieren, warum die DDR - Bürger gehen. Mittag ist einverstanden, es nach dem 40. Jahrestag der DDR zu tun. Die Oppositionellen bilden in dieser Zeit das ‘’Neue Forum’’. Das ‘’Neue Forum’’ veröffentlicht einen Aufruf an das Politbüro der SED, eine öffentliche Diskussion über die politische Lage in der DDR zu beginnen. Den Aufruf unterzeichnen 1500 DDR - Bürger. Das Alarmierendste ist, dass darunter auch SED Mitglieder sind. Was sollen wir mit dem ‘’Neuen Forum’’ tun, fragt Mielke das Politbüro. Man beschließt, es offiziell nicht zuzulassen, denn es sei ‘’ein gefährliches konterrevolutionäres Sammelbecken’’ (Mielke). Jetzt äußert sich auch der Bund der Evangelischen Kirchen besorgt über die Lage in der DDR. Das Politbüro beschuldigt ihn, die DDR ‘’kapitalistisch und für die Wiedervereinigung sturmreif machen zu wollen’’. G. Schabowski und E. Krenz besprechen die entstandene Lage und beschließen, im stillen zu handeln: zuerst muss man Honecker stürzen, Krenz zum Generalsekretär machen und erst danach reden, wie man den Sozialismus retten soll. Der an Galle operierte Honecker befiehlt aus dem Krankenhaus, alle ‘’feindlichen Aktionen im Keime’’ zu ersticken und die Organisatoren der konterrevolutionären Tätigkeit zu isolieren. Am 25. September informierte Mielke das Politbüro darüber, dass am Vortag 80 Vertreter von Oppositionsgruppen aus der ganzen DDR die oppositionelle Bewegung ‘’Neues Forum’’ unterstützt und eine gemeinsame Plattform vereinbart hatten. Es wurde eine Erklärung verabschiedet, vervielfältigt und an 16 verschiedenen Orten angebracht. Im Schriftstellerverband hätten gestern 8 Mann diese Erklärung unterschrieben, 21 wären dagegen, 2 enthielten sich der Stimme1 Am 29. September 1989 feiert das Politbüro in der Staatsoper Berlin das 40. Jubiläum der Volksrepublik China. Während der Pause lässt Honecker sein Politbüro antreten und erklärt den verdutzten PolitbüroMitgliedern davon, daß 2500 Besetzer der BRD - Botschaft in Prag am 4. Oktober mit den DDR - Zügen in die BRD gebracht werden. Auf Staatskosten, beim Stillschweigen und keinem öffentlichen Empfang in der BRD. Doch die Journalisten in der BRD haben trotzdem davon erfahren, sie brachten ihre Kameras in Stellung und setzten den jämmerlichen Augenblick in der Geschichte der DDR ins Bild. Honecker hat aber einen Fehler gemacht, als er die Regierung in Prag darum bat, diese Züge nicht durch die Tschechoslowakei, sondern durch das Territorium der DDR in die BRD rollen zu lassen. Die DDR - Bürger erfuhren aus den Berichten der BRD - Presse über diese Züge, und hunderte und tausende Bürger in der DDR versuchten, diese Züge anzuhalten, um mitgenommen zu werden. Die Volkspolizei musste alle Bahnhöfe abriegeln. Die 1 Mielke war immer ausgezeichnet informiert, da er überall, sogar in den kleinen gesellschaftliche Gruppen, seine Spitzel (Langohren) hatte. Der Spiegel (17/ 1990, S.54) berichtete, dass die Stasi 85 000 offizielle und 109 000 inoffizielle Mitarbeiter (IM) sowie die ungezählten ‘’gesellschaftlichen Mitarbeiter für Sicherheit’’ (GMS) hatte, die das ganze Land in Schach hielten. Polizeihundertschaften und Armee - Einheiten schlugen die Jugendlichen knüppelweich, worauf die enttäuschten DDR - Jugendlichen viele Bahnhöfe verwüsteten. Die Nacht vom 4. zum 5. Oktober war das blutigste Ereignis des unblutigen Aufstandes. Das Spektakel mit den Flüchtling - Zügen ließ Honecker vor Wut aufspringen. Er beschimpfte die Ausgereisten in einem ADN - Kommentar wie Asoziale. Er fügte dem Kommentar handschriftlich den Satz ‘’Man sollte ihnen deshalb keine Tränen nachweinen’’ ein. Dieser Satz war der Anfang von Honeckers Ende. Er wirkte in der SED wie das Signal zum heimlichen Aufstand. Ganze Parteigruppen verweigerten diesem weltfremden Zynismus die Gefolgschaft. Schabowski und Krenz wurden mit Empörung aus allen Teilen der Parteiorganisationen bedrängt. In der Bevölkerung löste dieser Satz Verzweiflung oder Widerstand aus. In Prag lief die Botschaft wieder voll, in Leipzig zogen an diesem Montag2 25 000 Demonstranten durch die Straßen, fünfmal mehr als eine Woche zuvor. Es entstand die sechste politische Oppositionsgruppe - ‘’Demokratischer Aufbruch’’. Viele kirchliche Friedensgruppen, die in den vergangenen Jahren im stillen gewirkt hatten, traten nun frech an die Öffentlichkeit. Resolutionen und Aufrufe schneiten dem ZK ins Haus - das Volk verlangte Gehör. Am 3. Oktober lässt sich Honecker seine Rede zum 40. Jahrestag der DDR vom Politbüro bestätigen. Alle schweigen. Danach trifft sich Honecker mit den Ersten Sekretären der Bezirke und teilt ihnen mit, dass er beschlossen hat, die Grenze zur Tschechoslowakei zu schließen, das ‘’Neue Forum’’ als staatsfeindlich zu entlarven und die Notstandregierungen (das sind der Erste Sekretär der SED, der Stasi - Leiter, der Ratsvorsitzende und der Polizeichef) in allen Bezirken zu bilden. Am 5. Oktober befiehlt Mielke den Stasi - Leitern aller Bezirke, ‘’die feindlich - negativen Aktivitäten mit allen Mitteln entschlossen zu unterbinden’’. Vor und während der großen Jubiläumsfeierlichkeiten soll es totale Ordnung geben. Am 7. Oktober kommt Michail Gorbatschow mit seiner Frau Raissa nach Berlin, um an den Festveranstaltungen zum 40. Jahrestag der DDR teilzunehmen. Die SED - Führung, die DDR - Regierung und die Ehrengäste nehmen auf der Ehrentribüne Platz. 100 000 FDJler mit Fackeln marschieren an der Tribüne vorbei. Doch niemand von ihnen singt die gängigen Kampflieder oder ruft ‘’Die Partei, die Partei, die hat immer recht’’ oder ‘’Honi, Honi, hoch hoch hoch!’’ Statt dessen stimmen sie russich - deutsch ‘’Drushba, Freundschaft!’’ und ‘’Gorbi, Gorbi!’’ an. Erich und Margot Honecker verlassen wutentbrannt nach dem Ende der Fackelparade ihre sowjetischen Gäste, während Michail und Raissa gutgelaunt sind. Am Abend finden in Leipzig, Plauen, Karl - Marx - Stadt, Magdeburg, Potsdam, Suhl, Erfurt, Halle, Arnstadt Protestdemonstrationen statt. Die Polizeieinheiten schlagen die Leute auseinander. In Dresden gibt es viele Verletzte, denn Hunderte wurden verhaftet und misshandelt. Am 8. Oktober nimmt Gorbatschow an der Sitzung des Politbüros der SED teil.. Zuerst sprechen Gorbatschow und Honecker unter vier Augen. Dann berichtet Gorbatschow über seine Perestrojka - Politik. Honecker hält ihm die Erfolge der DDR vor: in der Landwirtschaft, im Wohnungsbau, in der Mikroelektronik (der Mega - Chip!) - die DDR steht! Honecker beendet seine Rede, guckt schweigend in die Runde. Alle schweigen. Gorbatschow schaut sich ungläubig um und sagt spöttisch lächelnd: ’’Tsss!’’ . Ein letzter Blick in die stummen Gesichter der Politbüro - Mitglieder, abrupt steht Gorbatschow auf und verlässt den Beratungssaal des Politbüros. Schabowski später: ‘’Wir waren Arschlöcher, da hätten wir putschen müssen, unter seinen Augen!’’ Noch an selbem Tag befiehlt Mielke seinen Stasi - Leuten, sofort weitere Krawalle von vornherein zu unterbinden und entsprechende Maßnahmen festzulegen. Das bedeutet verstärkten Knüppeleinsatz gegen die Demonstranten. Doch in Dresden geschieht das Unverhoffte: die Polizisten verweigern den Knüppeleinsatz. Inzwischen beginnt in Leipzig die größte Demonstration: 100 000 Mann sind auf den Straßen. Der Kapellmeister des Leipziger Gewandhauses, Professor Kurt Masur, verfasste einen Aufruf an die Demonstranten, die Gewalt während der Demonstration zu vermeiden: ‘’Stoppt Betrunkene, Provokateure, alle Gewalttätigen!’’ Später verbreitete Krenz Gerüchte, Honecker hätte den Befehl gegeben, auf die Demonstranten in Leipzig mit scharfer Munition zu schießen, er habe aber die Bezirksleitung Leipzig angerufen und diesen Befehl widerrufen. Jedenfalls verlief die Demonstration friedlich, und Professor Masur wurde in das Goldene Buch der Stadt Leipzig als 5. Ehrenbürger der Stadt eingetragen. Es kommt der schicksalsschwere 10. Oktober 1989. Das Politbüro tagt. Honecker spricht giftig über die letzten Ereignisse. Diesmal will aber niemand mehr schweigen. Alle Politbüro - Mitglieder sprechen über die entstandene Lage mit unerhörter Klarheit. Mielke informiert das Politbüro darüber, dass sich die DDR in einer ähnlichen unbeherrschten Situation befinde wie kurz vor den konterrevolutionären Ereignissen am 17. Juni 1953. Honecker hört stumm und ungläubig. Nach langen Diskussionen schlägt Honecker vor, eine gemeinsame Erklärung zu verfassen, in der man die Fluchtwelle bedauert und Reformen im Stil Gorbatschows verspricht. Am nächsten Tag spüren die SED - Politologen im Westen, dass in der SED Führung der Teufel los ist. 2 In Leipzig fanden nun montags gewaltige Protestmärsche durch die Hauptstraßen statt. Honecker beordert alle Ersten Bezirkssekretäre sofort nach Berlin. Er will von ihnen direkt hören, ob das, was ihm Schabowski und Krenz erzählt hatten, wirklich stimmt. Alle lügen, außer Hans Modrow. Honecker sagt: ‘’Am Montag gehe es wieder in Leipzig los, vielleicht muss man diesmal Panzer auffahren lassen’’. Bedenkliches Kopfschütteln an den Tischen. ‘’Nur so, nur zur Drohung’’. Kopfwackeln. ‘’Na, denn nicht!’’ Das Politbüro beschließt, Neuerungen durchzuführen und man ruft die DDR - Bevölkerung zur Diskussion auf. Am 14. Oktober veröffentlicht ‘’Neues Deutschland’’ zum erstenmal kritische Leserbriefe. Am 16. Oktober demonstrieren 100 000 Menschen in Leipzig. Sie rufen im Chor ‘’Wir sind das Volk!’’ Jetzt beschließen Krenz und Schabowski endgültig, Honecker zu stürzen. In ihrem Auftrag fliegt Harry Tisch, Leiter der DDR - Gewerkschaften, nach Moskau, um mit Gorbatschow über den geplanten Sturz zu sprechen. ‘’Ich wünsche euch viel Erfolg’’, sagt dieser. Stoph soll im Politbüro den Antrag stellen, den Diktator zu entlassen. Das macht er auch. Honecker glaubt zuerst, dass sei alles Spaß, doch alle protestieren und sagen schließlich Honecker die Wahrheit ins Gesicht. Honecker sitzt versteinert da und lässt sich widerstandslos entmachten. Nach der Sitzung geht Honecker in sein Büro und unterschreibt die Einladung zur 9. Tagung des ZK der SED, wo er entmachtet werden soll. Während der 9. Tagung am 18. Oktober diskutiert niemand über den Nachfolger. Das ZK hebt einmütig die Hand, und Egon Krenz wird der neue Generalsekretär der SED. Die 18jährige Ära Honecker geht klanglos zu Ende. Nach dem Rücktritt Honeckers gibt es 4 Kräftegruppen im Lande: 1. Die marode SED, die vor der Spaltung in die Stalinisten und die Anhänger des demokratischen Sozialismus stand; 2. Die aufmüpfiger werdenden Blockparteien, die zum erstenmal wagten, die SED zu kritisieren und ihre eigene Politik zu machen; 3. Die neuen Bürgergruppierungen (z. B. die Friedens- und Umweltbewegung ‘’Zionskirche’’) und Parteien (z. B. ‘’Neues Forum’’, die Grüne Partei der DDR, Deutsche Forumspartei, Deutsche Soziale Union, Demokratischer Aufbruch, Bund Freier Demokraten, Die Liberalen u.a.); 4. Die evangelische Kirche. Wie wir sehen, ist es zuerst den Stalinisten unter der Führung von E. Krenz gelungen, die Macht zu erobern. Egon Krenz beginnt zu regieren Er verkündet die Losung: ‘’Wir bauen den Sozialismus in den Farben der DDR auf!’’ Wer war dieser Egon Krenz? Er war viele Jahre lang der 1. Sekretär des Zentralrates der FDJ, das Ziehkind und Kronprinz Erich Honeckers, verantwortlich für die Sicherheit (d. h. die rechte Hand Mielkes). Als oberster Wahlleiter der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 war er letztlich für die Wahlmanipulationen verantwortlich. Dass er die Verantwortung auf die Computer abschob, gab ihn der Lächerlichkeit preis. Erst im November 1990 fand man einen Mielke - Befehl vom 19. Mai 1989, in dem es schriftlich bestätigt wird, dass Mielke Modrow und Krenz über die Verfälschung der Wahlergebnisse in Kenntnis gesetzt hatte. Besonders negativ wirkte auf die DDR - Bevölkerung der Applaus von Krenz für die blutige Niederschlagung der Studentendemonstrationen in China, was ihm den Ruf des Kartätschenprinzen einbrachte. Das Volk glaubte auch nicht, dass Krenz selber, ohne Befehl aus Moskau, Honecker stürzen konnte. Seine Mitstreiter, die geglaubt hatten, er habe einen Haufen voller Konzepte für die Perestrojka in der DDR, müssen bald erkennen, dass der neue Generalsekretär überhaupt keine Reformen will. Wieder finden dienstags Sitzungen des Politbüros statt, doch nichts ändert sich. Krenz verbietet, das Volk und die Opposition ernst zu nehmen und das ‘’Neue Forum’’ offiziell anzuerkennen. ‘’Den demagogischen und antisozialistischen Forderungen des ‘’Neuen Forums’’ müsse der Boden entzogen werden’’, befiehlt Krenz. Eine groteske Verkennung der realen Situation im Lande! Dabei legt Mielke jeden Tag auf den Schreibtisch von Krenz die ausführlichen Stasi - Informationen vor: vom 16. bis 22. Oktober 24 nicht genehmigte Demos mit 140 000 Personen, vom 23. bis 29. Oktober 154 Demos mit 540 000 Teilnehmern, vom 30. Oktober bis 5. November 210 Demos mit 1, 35 Mio. Demonstranten. Die DDR - Medien begreifen bald, dass das ZK nur noch die halbe Macht besitzt und beginnen die ZK Mitglieder an den Pranger zu stellen. Zuerst erwischen sie Harry Tisch, dessen Korruption ans Tageslicht kommt. Tisch muss gehen. Er ist das erste Opfer der Enthüllungen, die später das wahre Gesicht aller ZK Mitglieder entblößen werden. Krenz ist empört über die Unverschämtheit und Dreistigkeit der Journalisten. In Dresden unternimmt inzwischen Modrow alles, um die Demonstranten von der Straße in die Säle zu bekommen. Er pflegt intensiven Dialog mit ihnen, er argumentiert so überzeugend, wirkt so glaubwürdig, redet so verantwortungsvoll, dass die Leute ihn zu ihrem Präsidenten wählen möchten. Modrow, der Stalinist und Stasi - Mann, wird zum deutschen Sozialisten mit menschlichem Gesicht. Modrow wird der gute Mensch, Krenz das böse Schaf. Am 9. November 1989 beschließt das ZK, eine neue Verordnung über die Ausreise in die BRD in Kraft zu setzen. Die Verordnung enthält 28 bürokratisch - umständlich verfasste Zeilen, doch der Sinn ist einfach: ‘’Hiermit öffnen wir die Grenze zur BRD’’. Doch sogar Krenz versteht den so nebelhaft formulierte Verordnung nicht, kaum zu sprechen von dem ZK. Da steht geschrieben, dass die DDR - Bürger nun eben direkt von der DDR (und nicht über Ungarn oder die ČSSR) in die BRD können. Schabowski bekommt dieses Dokument und fährt zur Pressekonferenz, ohne es durchzulesen. Auf der Konferenz fragt ihn ein Journalist: ‘’Gilt das neue Gesetz für die Ausreise der Flüchtlinge oder aller - DDR Bürger?’’ Schabowski guckt ins Dokument und antwortet: ‘’Aller.’’ Da fragt ein anderer Journalist: ‘’Gilt es auch für West Berlin?’’ Schabowski guckt noch einmal ins Dokument und sagt: ‘’Ja, da steht Berlin (West).’’ Und erst jetzt versteht er, was sie alle im ZK gemacht haben: ohne die vier Alliierten zu fragen, haben sie eigenhändig die Berliner Mauer gestürzt und somit den Vier - Mächte - Status von Westberlin verändert. Um halb elf abends entstehen auf allen Straßen Berlins, die zu Übergangskontrollpunkten nach West Berlin führen, Staue. Fahrzeugkolonnen stauen sich in Richtung Grenze. Die Grenzsoldaten haben dem Druck der Menschenmassen nachgeben müssen und haben in Eigenverantwortung die Grenze zur BRD geöffnet, denn ‘’sonst hätte es ein Blutbad in dieser Nacht gegeben.’’ Als Schabowski davon erfährt, sagt er: ‘’Jetzt ist die DDR erledigt.’’ Nächsten Tag ruft Gorbatschow Krenz an und erteilt ihm einen Rüffel, denn hier seien die Interessen der Sowjetunion verletzt. Das ZK kritisiert jetzt Krenz, man hätte wenigstens 10 bis 15 Mrd. DM bei Kohl für die Öffnung der Grenze herausschlagen müssen. Am 21. November enthüllt die westdeutsche Zeitschrift ‘’Der Spiegel’’ Honeckers geheimes Devisen Imperium. Honecker ist ein echter DM - Millionär! Mit Honecker platzt die Karriere von A. Schalck Golodkowski, den Krenz für den Posten des neuen Ministerpräsidenten auserwählt hatte. Der sitzt im ZK und heult. Seine Aufgabe bestand bisher darin, im Ausland alles in DM zu erwerben, was sich nur die Politbüro - Mitglieder gewünscht hatten. Heimlich verkaufte er Waffen ins Ausland, wenn der DDR mal wieder die harte Währung ausging. Am 1. Dezember soll er vor der Volkskammer der DDR Auskunft über Honeckers Valuta - Reich geben. Die Volkskammer der DDR hat inzwischen den Satz über die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen. Am Vorabend flieht A. Schalck - Golodkowski mit seiner Frau nach West - Berlin. Schalcks Flucht ist ein Schlussakkord für das untergehende Politbüro. Das ZK beschließt, die Zahlen über die wahre Verschuldung der DDR nicht zu veröffentlichen. Krenz: ‘’Wir schockieren die ganze Republik!’’ Doch der Süden der Republik ist bereits außer Kontrolle. Ganze Parteigruppen verlassen die SED, Bezirks- und Kreissekretäre verzweifeln an der halbherzigen Untätigkeit des Politbüros. Als am 3. Dezember die Nachricht von Schlacks Waffenhandel und seiner Republikflucht die Runde macht, marschieren die Parteimitglieder zum ZK - Gebäude in Berlin. Die ZK - Mitglieder fliehen durch den Hinterausgang. Am 6. Dezember tritt Krenz als Generalsekretär zurück, mit ihm das ganze ZK. Das ist das Ende des ZK der SED. Das ist das Ende des ZK - Generalsekretärs. Das ist das Ende der SED und des SED - Regimes. Das ist das Ende der 1. Phase der Samtenen (Sanften) Revolution. Die Historiker bezeichnen die Periode des Regierens von Krenz (vom 18. Oktober bis 6. Dezember 1989) als ‘’Stalinismus in den Farben der DDR’’, weil die Führung um Krenz kein Konzept besaß und nicht zu einem radikalen Bruch mit der Vergangenheit bereit war. Dasselbe betrifft auch die Regierung Hans Modrow (er wurde am 13. November neuer Ministerpräsident der DDR und regierte bis zum 12. April 1990, als Lothar de Maisiere (CDU) Ministerpräsident wurde). Jetzt wissen wir, dass im Ministerrat Modrows 35 Stasi - Offiziere saßen und ihre dunklen Geschäfte trieben, so z. B. haben sie alle wichtigsten Dokumente vernichtet, die von der Zusammenarbeit hoher Partei - und Staatspolitiker mit der Stasi Beweise liefern konnten. Wie man sagt: Kleine Diebe hängt man, große lässt man laufen. Am 7. Dezember 1989 treffen sich zur Kontrolle der Regierungsarbeit die Vertreter der Oppositionsgruppen, der Blockparteien und der SED unter der Gesprächsleitung der Kirchen zu einem zentralen sog. ‘’Runden Tisch’’. Es wird beschlossen: a) Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit; b) Ausarbeitung einer neuen Verfassung der DDR; c) Empfehlung, dass am 6. Mai 1990 die ersten freien Wahlen stattfinden sollen. Am 8. Dezember beginnt der außerordentliche SED - Parteitag. Prominente SED - Mitglieder werden festgenommen. Auch gegen Honecker ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Korruption und der persönlichen Bereicherung eingeleitet. Honecker versteckt sich in einem Krankenhaus, das sich auf dem Territorium einer sowjetischen Kaserne befindet. Später flieht er nach Moskau und bekommt politisches Asyl in der chilenischen Botschaft (1991). 1992 wird er an die BRD ausgeliefert, doch der Prozess gegen ihn wird aus gesundheitlichen Gründen eingestellt. Er reist nach Chile aus und stirbt dort an Krebs (29.5.1994). Auf dem Sonderparteitag (8.-9. und 16.- 17. Dezember 1989) wählt man den entschiedenen Reformer, Rechtsanwalt und Stasi - Agent, Gregor Gysi, zum neuen Parteivorsitzenden. Gysi lässt das ZK zu Präsidium und das Politbüro zu Vorstand umbenennen. Auch die SED soll nun SED - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED - PDS) heißen (seit Februar 1990 nannte sie sich nur noch PDS). Gysi entschuldigt sich im Namen der Partei, das Land in eine existenzgefährdende Krise geführt zu haben. Doch es ist zu spät, denn das Volk schenkt der ‘’reformierten’’ Partei der Stasi kein Vertrauen mehr. Am 11. Dezember fordern die Demonstranten in Leipzig die Einführung der DM. Am 24. Dezember werden die Visumpflicht und Mindestumtausch für die Bundesbürger bei Reisen in die DDR fallengelassen. Es ertönen die ersten Stimmen ‘’Für Deutschland, einig Vaterland’’. Anfang Februar 1990 nahm H. Modrow acht Vertreter der Oppositionsgruppen als Minister ohne Geschäftsbereich in die Regierung auf. Am 18. März 1990 endet die Volkskammerwahl mit dem Sieg der konservativen Allianz für vereinigtes Deutschland (CDU, DSU, DA). Die CDU gewann 40,8% der Stimmen und 163 Mandate, die SPD 21, 9% und 88 Mandate, die PDS 16,4% und 66 Mandate. Lothar de Maiziere wurde Ministerpräsident und steuerte im Volltempo auf die Wiedervereinigung. Am 1. Juli 1990 wurde in der DDR die DM eingeführt. Zugleich wurden die Rechtsvorschriften der BRD für das Gebiet der DDR übernommen, um die Rechtsnormen den Erfordernissen der sozialen Marktwirtschaft anzupassen und wichtige Voraussetzungen für ein vereinigtes Deutschland innerhalb Europas zu schaffen. Die rapide Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der innenpolitischen Situation veranlasste die Regierung, die deutsche Einheit zu einem früheren als ursprünglich geplanten Zeitpunkt anzustreben Am 23. August beschloss die Volkskammer den Beitritt zur BRD. Am 31. August unterzeichnete die DDR und die BRD den Einigungsvertrag. Mit dem Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober 1990 (Tag der deutschen Einheit) endete die historische Existenz der DDR am 2. Oktober 1990. Am 14. Oktober 1990 wurden die 16 Bezirke der Ex - DDR in fünf ehemalige Länder (Mecklenburg Vorpommern, Sachsen - Anhalt, Thüringen, Sachsen, Brandenburg) umbenannt. Wir müssen jetzt versuchen, eine wichtige Frage zu beantworten. Ist der Zusammenbruch des SED Regimes der Triumph des Kapitalismus? Nein. Nicht der Kapitalismus mit seinem Wirtschaftssystem, sondern die offene Gesellschaft mit ihren einklagbaren Grundrechten, Wahl- und Meinungsfreiheit, rechtsstaatlichen Sicherungen, einschließlich der Gewaltenteilung, Verwaltungskontrolle und anderem mehr war der Triumphator. Was zu Ende ging,war die lange anachronistisch gewordene Klassengesellschaft unter sozialistischen Vorzeichen, der Neo - Feudalismus der Honecker, Husak und Ceausescu. Welche Ursachen führten zur Samtenen Revolution? 1. Die Konzentration der Macht in den Händen der fünf Politbüro - Mitglieder (H. Axens, K. Hagers, E. Mückenbergers, A. Neumanns, E. Mielkes) und vor allem die arrogante Alleinherrschaft Erich Honeckers. Erich Honecker war Vertreter des aufgeklärten Spätstalinismus. In die 18jährige Honecker Ära fiel der Durchbruch der DDR zur internationalen Anerkennung. Es war der Ausdruck einer westlichen Politik, um der ‘’kleinen Schritte’’ willen die Zweistaatlichkeit Deutschlands gelten zu lassen. Honecker war der Nutznießer dieser Politik. Er empfing serienweise die westlichen Botschafter und westdeutsche Politiker. Ferne Staaten neigten dazu, in dem Ostberliner Regime, weil ihm der historische Teil der alten Reichshauptstadt Berlin zugefallen war, das eigentliche Deutschland zu sehen. Honeckers Erfolg war, dass der Westen die deutsche Frage vorläufig in die Sammlung der abstrakten Begriffe wegrückte, d. h. Stabilisierung der DDR um jeden Preis stand im Vordergrund , denn die Alliierten wollte nie mehr in der Geschichte ein Großdeutschland zulassen. Die Spaltung Deutschlands gehörte zum geschichtlichen Status quo, und niemand wollte daran rütteln. Honecker war Nachfolger des verhassten Ulbricht. Er gebärdete sich als eine Art marxistisch leninistischer Monarch der aufgeklärten Schule. Wirtschaftspolitisch war der Kurs Honeckers unsicher und unbestimmt. Er sprach vom privaten Sektor, gewährte ihm aber nie die nötige Planungssicherheit. Immerhin hat die DDR unter Honecker den ersten Platz in der Versorgung der Bevölkerung mit Gebrauchsgütern im Ostblock gewonnen. Die Unzufriedenen entließ Honecker in den Westen (1984: 20 000 Menschen) gegen Devisen. Der entscheidende Fehler Honeckers war, dass er sogar mit solchen Gestalten wie Friedrich dem Großen von Preußen oder August dem Starken von Sachsen versucht hatte, eine DDR - deutsche Nation zu bilden. Die Versuche schlugen fehl. Die DDR - Bürger standen vor der Alternative: der DDR - Sozialismus oder der freie Westen mit seiner Idee, dass jeder seines Glückes Schmied sein dürfe. Sie haben die letztere Variante gewählt. Die Geschichte ist stets voll Paradoxa: Im August 1961 leitete Honecker den Bau der Berliner Mauer, um mit totaler Abschottung der Grenzen die hunderttausendfache Westflucht zu stoppen. Im November 1989 sah er sich aber gezwungen, die Mauer zu öffnen, denn nur die Reisefreiheit versprach, die neue Massenwanderung nach Westen einzudämmen. Mit Honecker ging am 18. Oktober 1989 einer der letzten klassischen Kommunisten in der DDR, ein echter Antifaschist. Alle, die nach ihm kamen, hatten ein anderes Fundament der Motive: es war ihnen nichts als nützlich, Kommunist zu sein oder zu werden. 2. Steuerung der Wirtschaft durch eine Kommandozentrale, der es an Verständnis für elementare Bedürfnisse der produktiven und sozialen Bereiche der Gesellschaft und für Lebensqualität fehlte, kurzum, das administrative Kommandosystem. Die ganze Wirtschaftsleitung oblag dem ZK - Sekretär für Wirtschaft Günter Mittag. Das von ihm aufgebaute Wirtschaftssystem war in hohem Maße ineffektiv. Mittag hat deshalb bewusst Wirtschaftsdaten, an die auch Wirtschaftsinstitute der BRD geglaubt hatten, verfälscht. Die von Mittag geschaffenen 316 Kombinate beherrschten als Monopolisten uneingeschränkt den Markt für ihre Produkte und diktierten den Konsumenten die Bedingungen. 1971 waren 76, 8% der Betriebe in Privatbesitz, wenn auch mit staatlicher Beteiligung. Sie produzierten 14, 3% des Nettoproduktes der DDR. Im Bauwesen hatten sie sogar einen Anteil von 19, 3%. Es waren kleine und mittlere Privatunternehmen. Später wurden sie in die Kombinate eingegliedert. Auch die zentrale Außenhandelsorganisation war zentral geleitet, blockierte direkte Beziehungen der Betriebe mit ausländischen Unternehmen und minderte das Interesse am Kampf um Marktanteile. Die Folge: die DDR - Betriebe haben jeden Kontakt zum Westmarkt verloren. Mittag hat folgendes ausgedacht: Wer den DDR - Betrieben etwas verkaufen wollte, der sollte im gleichen Umfang Waren aus ihrer Produktion kaufen. 3. Reglementierung und bürokratische Zentralisation von Kultur, Wissenschaft und Bildung, die einen Teil der kritisch eingestellten Geister außer Landes trieb. 4. Terrorregime der Staatssicherheit, politische Entmündung der Bürger und Kriminalisierung Andersdenkender. Der Hauptschuldige ist Erich Mielke, seit 1957 Minister für Staatssicherheit. Zu den Aufgaben der Stasi gehörten: Aufgaben einer geheimen politischen Polizei, geheimer Nachrichtendienst (žvalgyba) im In- und Ausland, Untersuchung politischer Strafsachen und spezielle Wach- und Sicherungsaufgaben (Wachregiment ‘’Felix Dzierzynski’’). Die Stasi war nach den Worten von E. Krenz ‘’ein Staat im Staate’’, der die gesamte Gesellschaft verwaltet und die Bürger entmündigt hat. Die DDR Gesellschaft wurde eingeteilt in Schnüffler und Ausgeforschte, in Jäger und Gejagte, in Täter und Opfer. Es blieben den Opfern nur die Anpassung und die allgegenwärtige Angst. Die Untersuchung der übriggebliebenen Archiven der Stasi beweist, dass die DDR ein Überwachungsstaat schlimmster Sorte war. Die Stasi verfügte über: a) 85 000 festangestellte und wenigstens 109 000 inoffizielle Mitarbeiter, 8000 Mann des bewaffneten Wachregiments ‘’F. Dzierzynski’’ und war zusammen mit der Nationalen Volksarmee (NVA) (173 000 Mann) größter Arbeitgeber in der DDR; b) ein riesiges Waffenarsenal: 124 593 Pistolen, 76 592 Maschinenpistolen, 3611 Gewehre, 766 schwere Maschinengewehre, 3537 Panzerbüchsen; c) einen beachtlichen Immobilienbesitz: 2037 Gebäude, Wohnungen oder Grundstücke, davon in Berlin allein 652, in 24 Erholungsheimen mit 2058 Betten konnten Stasi - Mitarbeiter unter ihresgleichen urlauben; d) eine Stadt in der Stadt als Zentrale: Im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg residierte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in 3000 Räumen. In der Nähe der Regierungsresidenz Wandlitz grub man verbunkerte Kommandostäbe in den Untergrund; e) die Daten von 5 Mio. Bürgern. Finanziert wurde die Stasi jährlich mit 3, 6 Mrd. Mark. Die Stasi sicherte nicht den Staat, sondern die Diktatur der SED, sie war nicht dem Parlament verantwortlich, sondern der Partei, ihr Minister Mielke war stets Mitglied des ZK der SED. Die Stasi Mitarbeiter wurden nicht auf die Verfassung eingeschworen. Sie gelobten ‘’alle Aufträge von Partei und Regierung bedingungslos und mit schöpferischer Initiative in Ehren zu erfüllen.’’ Auf allen Ebene war die Verflechtung zwischen SED und Stasi gleich eng. Die Aufgabe der Stasi bestand nicht nur darin, die Oppositionellen auszuhorchen und zu drangsalieren, sondern der Partei- und Staatsführung allzeit zu Diensten zu stehen. So kopierte die Zentrale der Stasi in den 70er Jahren Dutzende von Porno- und James - Bond - Filmen für das Politbüro. Die Stasi bestand aus 27 Abteilungen. Jede Abteilung wurde von einem Stasi - General geleitet. Die Hauptabteilung I (HA I) war für die Überwachung der Armee zuständig. Die HA II (‘’Spionageabwehr’’) kümmerte sich um jeden westlichen Touristen und Journalisten. In den Devisenhotels wurden prominente Ausländer in den Zimmern mit versteckten Kameras bei ihren Liebesspielen mit einer oder mehreren Stasi Prostituierten gefilmt, um sie dann erpressen zu können. Die HA III war für das Anzapfen der Telefone und die Überwachung des grenzüberschreitenden Telefonverkehrs zuständig. Die HA IV kontrollierte das Innenministerium und die Polizei. Die HA VII befasste sich mit dem Verprügeln der Oppositionellen und Demonstranten. Die HA VIII war für Observation, Durchsuchung und Festnahme zuständig. Auf ihren Fernsehmonitoren beobachteten sie den gesamten Transit - Reiseverkehr zwischen der BRD und West Berlin. Längs der Fahrbahn und an allen Parkplätzen waren die Kameras montiert. Die Mitarbeiter dieser Abteilung waren Tankwarte, Kellner, Verkehrspolizisten usw. an allen Transitstrecken. Die HA IX war für die Untersuchung und Ermittlung in Strafverfahren zuständig. Sie überwachte die DDR - Bürger in allen sozialistischen Republiken des Warschauer Paktes, damit sie mit den Westbürgern nicht kontaktieren oder aus der Republik fliehen. Die HA XVIII überwachte die Wirtschaft der DDR. Sie befasste sich auch mit der wirtschaftlichen Spionage im Ausland. Sie stahl im Ausland einen Megabit - Chip, den dann das Kombinat Carl Zeiss Jena als sein eigenes Erzeugnis 1988 an Honecker übergab, dieser schenkte ihn als Paradestück ostdeutschen Erfindergeistes an Gorbatschow. Herz und Hirn der Stasi war die HA XX, die für die Überwachung der Andersdenkenden zuständig war. Diese Abteilung überwachte Parteien, Massenorganisationen, Kirchen und Jugendverbände, Sportvereine, Krankenhäuser, Skinheads, Rocker, Punks und Faschos. Die Stasi - Leute waren einfach zum absoluten Kadavergehorsam erzogen. Zu Hause durfte niemand über seine Tätigkeit sprechen. Es war die totale Schizophrenie. Missliebige und auffällige Mitarbeiter wurden observiert wie Oppositionelle. Die Wachsamkeit der Mitarbeiter wurde regelmäßig getestet. Die Treue wurde auch mit Privilegien erkauft. Der Stasi - Angestellte bekam 2000 Mark mehr als ein durchschnittlicher Arbeiter. Die Leiter einer Diensteinheit verfügten über einen Lada mit dem Fahrer. Den Wagen konnte man nach Dienstschluss und für die Urlaubsfahrt benutzen. Die Generäle bekamen einen Citroen. Die Stasi Offiziere verbrachten Urlaub in exklusiven Ferienheimen. Die hohen Stasi - Militärs hatten repräsentative Villen und ließen sich dort von Stasi - Personal aushalten, sie hatten Jachten und Motorboote, sie kauften sich Westwaren zu Billigpreisen im sog. Leiterladen in Berlin. Woher bekam man diese Waren? Im Forst von Freienbrink, 8 km südöstlich von Berlin, lag geheimes ‘’Objekt Freienbrink’’, das anrüchtigste Warenlager der Stasi, Mielkes Räuberhöhle. Hier gab es absolut alles, vom Hausrat und Schmuck angefangen bis japanische Fernseher. Seit 1984 wurde hier jedes Paket der Bundespost geöffnet und ausgeplündert. Das war der größte staatlich organisierte Postraub aller Zeiten! Die Post- und Paketkontrolle gehörte zu den Stützpfeilern der Stasi - Republik. Allein in Berlin waren 600 Stasi - Offiziere damit beschäftigt. Im Berliner Hauptbahnhof belegten die Stasi - Kontrolleure eine ganze Etage. In der Mitte des Raumes lief das Postband, der Stasi - Auswerter hatte die vorbeigleitenden Briefe und Pakete abzufahnden. Ein Auswerter konnte 4000 Adressen im Kopf behalten. Er wählte die Sendungen an diese 4000 überwachte Personen aus. Alles schickte man nach Freienbrink, wo man Briefe und Pakete durchröngte, mit Wasserdampf öffnete, las, in Computer einspeicherte und verklebt an den Adressaten weiterschickte. Lag in den Sendungen West - Geld, wurde es ihnen entnommen. Auf diese Weise verdiente die Stasi 1986 -89 6, 5 Mio. DM. Besonders beliebt waren Pakete mit teuren Farbfernsehern, Videorecordern, Spielsachen, mit Sportinventar und Familienschmuck. All das wurde gestohlen, die Sendung galt als vermisst (von 20 Mio. Paketen kamen jährlich 200 000 nicht an!). Wer bekam dieses Diebesgut? Einen Teil verkaufte für Devisen die Spezialeinheit Schalck - Golodkowski im Westen. Den Rest bekamen die Politbüro - und ZK - Mitglieder, mittlere und höhere Führungskader der Stasi. Die medizinische Versorgung der greisen SED - Führung wurde fast ausnahmslos durch gestohlene Arzneimittel aus der BRD sichergestellt. Das Monstrum der MfS gibt es nicht mehr, geblieben sind aber tausende getarnte Agenten und hunderttausende verpfuschte Existenzen des ehemaligen Schnüfflerstaates. Um bestimmte belastende Dokumente mit den Händen des Volkes zu vernichten, inszenierte die Stasi am 14. Januar 1990 den Sturm des Berliner MfS durch 100 000 Demonstranten. Sie vernichteten und zertrümmerten alles, worauf sie von den getarnten Agenten in der Volksmenge hingewiesen wurden. Dasselbe wiederholte sich in allen Bezirkshauptstädten. 5. Verwandlung der Medienlandschaft der DDR in eine trostlose Informationswüste und eine widerliche Hofberichtserstattung. Das ‘’Neue Deutschland’’ veröffentlichte nie kritische Artikel, kritische Meinungen oder kritische Leserbriefe, es schwieg über den Massenexodus der DDR - Bürger 1989. Im August 1989 gab es 0, 5 Mio. Aussiedler (d. h. Leute, die in den Westen geflohen waren), 10 000 Rückkehrer und 7, 8 Mio. Anträge auf ein Ausreisevisum in die BRD. 6. Ausgrenzung einfacher SED - Mitglieder aus allen innerparteilichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Sie sollten nur einstimmig den Beschlüssen des ZK der SED zustimmen und sie gehorsam erfüllen. 7. Das ZK der SED vermochte die Perestrojka (die Umgestaltung) nicht einzuleiten. Am 17.- 21. April 1986 hat es auf dem 11. Parteitag der SED offiziell den Kurs der Umgestaltung für die DDR abgelehnt. Am 16. Oktober 1988 verbot Honecker persönlich die sowjetische Zeitschrift ‘’Sputnik’’ und die Aufführung verschiedener sowjetischer Filme. Das ‘’Neue Deutschland’’ kritisierte sowjetische Parteifunktionäre und Wissenschaftler. 8. Die Verbrechen der Stalinzeit und der poststalinistischen Epoche wurden verschwiegen, und man begann, die Opfer erst jetzt zu rehabilitieren. Wie hoch ist die Zahl der Opfer des SED - Regimes? 1 Von 1945 bis 1968 gab es in der Ostzone bzw. DDR 250 000 bis 300 000 politische Häftlinge, von denen 85 000 bis 95 000 zu Tode gekommen sind, überwiegend durch Verhungern. Die Massengräber von Bautzen, Buchenwald, Frankfurt/ Oder, Fünfkirchen, Höhenschönhausen, Hoyerswerda, Jamlitz, Ketschendorf, Mühlberg, Pirna, Sachsenhausen, Torgau und Weesow sind dafür Zeuge. Von den Internierten aus den Jahren 1945 bis 1950 war nur ein geringer Teil Nazis, denen man Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit hätte anlasten können. Ordentliche Gerichtsverfahren hat es nie gegeben. Maßgeblich für die Internierung waren Schnellprotokolle, die jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechen. Von ihnen sind etwa 30 000 nach Sibirien deportiert worden und ihr Schicksal verliert sich in der Archipel 1 Siehe H. Pieper: Die Opfer des SED - Regimes, in: Die Welt, 13. 12. 1990 Gulag. 50 000 Mann wurden von sowjetischen Militärtribunals verurteilt, wovon 10 000 bis 20 000 umkamen. Bei diesen Verfahren wirkten überwiegend Funktionäre der SED mit, weil man die Chance sah, unter dem Deckmantel des Antifaschismus alle scheinbaren oder wirklichen Gegner aus dem Verkehr zu ziehen, die dem ‘’Aufbau des Sozialismus im Wege standen’’. Durch die DDR - Justiz (sie bestand de facto schon seit 1945) gab es bis 1968 75 000 bis 100 000 politische Verurteilte, von denen 5000 umgekommen sind. Die Verfassung der DDR vom Jahre 1949 lieferte direkt oder indirekt die ‘’Rechtsgrundlagen’’ für die politische Justiz, die Verfassung vom Jahr 1965 setzte diese Richtlinie fort. 9. Abschottung (visiškas izoliavimas) der DDR - Bürger gegenüber dem Westen. Sie durften nicht in den Westen reisen, sie durften nichts vom Westen wissen, ausgenommen die Tatsache, dass es ein stinkender, absterbender Kapitalismus mit all seinen negativen Erscheinungen wie Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität, Trunk- und Rauschgiftsucht, Pornographie und Menschenverfolgung ist. 10. Korruption der führenden Partei- und Staatspersönlichkeiten, die sich durch Missbrauch ihrer Stellungen bereichert haben. Der Sonderausschuss der Volkskammer der DDR zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben überprüfte 45 Personen (9 SED - Politbüro - Mitglieder, 3 Erste Sekretäre und Mitarbeiter des MfS)1 hat folgendes festgestellt: In den Jahren 1988-89 haben 9 Politbüro - Mitglieder in der Siedlung Wandlitz Waren im Wert von rund 1, 7 Mio. DM gegen Scheck und Rechnung gekauft. Für die Unterhaltung und Bewirtschaftung des durch den Stasi - Minister Mielke persönlich genutzten Jagdschlosses Wolletz (Kreis Angermünde) wurden jährlich 600 000 Mark ausgegeben. Für Herman Axen (SED - Politbüro) wurden zum Bau seines Freizeitobjektes mit Bedienstetenhaus 7 Mio. Mark aus gesellschaftlichen Fonds gezahlt. Als Axen in New York war, schlief er drei Nächte in einem Luxus - Hotel (6000 $ pro 3 Tage), obwohl die UNO - Botschaft der DDR genug Luxus - Zimmer hatte. Die Einrichtung und Sanierung des Jagdgebietes Eixen (Bezirk Rostock) für den Chef des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), Harry Tisch, kostete 4, 6 Mio. Mark. Allein in vier Monaten des Jahres 1989 tankte die Sippe von Tisch 1617 Liter Benzin, kostenlos. Das Freizeitobjekt mit Jagdrevieren für Ministerpräsident W. Stoph kostete 4, 5 Mio. Mark. Politbüro - Mitglied G. Mittag verschaffte für sich und seine Familie drei Eigenheime und Freizeithäuschen im Wert von 3, 6 Mio. Mark. Honecker trieb das ganze auf die Spitze. Auf seine persönlichen Anweisungen wurden 45 Mio. Mark für Neueinrichtung und Erweiterung mehrerer Jagdgebiete verwandt. Diese Jagdgebiete standen ausschließlich ihm und einem engen Kreis seiner Vertrauten zur Verfügung. Die DDR - Bürger ahnten alles das. Trotzdem gab es nur eine sehr schwache Opposition in der DDR. Es war wie einst bei Hitler: 5% der Bevölkerung begeisterten sich dafür, 5% waren entschieden dagegen, 90% waren Mitläufer. Das Hauptargument dieser 90% lautete: ‘’Wir konnten doch nichts dafür, wir haben auf Befehl gehandelt, wir führten nur Weisungen aus’’, - dasselbe Bild wie nach der Hitlerzeit. Warum kam es erst 1989 zur Revolte gegen das SED - Regime? a) Man hatte Angst vor sowjetischer Armee und sowjetischen Panzern; b) Man achtete die führenden SED - Funktionäre, weil sie Antifaschisten gewesen waren.; c) Man war ohnmächtig gegenüber dem Moloch Partei; d) Man wusste aus der bitteren Erfahrung, dass der Westen nicht helfen wird. 1990 ist die DDR in den Tiefen der Geschichte verschwunden. Ein Jahr später wird ihr auch die Sowjetunion folgen, das ganze Sowjetimperium wird zusammenbrechen. Es wird ein neues Europa entstehen, das Europa der Freiheit und der Demokratie. 5. 8. DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (1949 - 1997) 5. 8. 1. DIE BRD (1949 - 1982) Aus den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag (14.8. 1949) gingen CDU und CSU als stärkste miteinander politisch verbundene Gruppierungen hervor, dicht gefolgt von der SPD. Die radikalen Kräfte (KPD und Deutsche Republikaner Partei) fanden nur ein geringes Echo. Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer zum Bundeskanzler gewählt. Er setzte die Bildung einer Koalitionsregierung aus CDU, CSU, FDP und Deutscher Partei durch und drängte die SPD, geführt von K. Schumacher, in die Opposition. T. Heuss (FDP) wurde am 12. 9. 1949 zum ersten Bundespräsidenten gewählt. Die Innenpolitik Adenauers stand ganz im Zeichen einer schweren Konfrontation zwischen Adenauer und Schumacher. Der Wirtschaftsminister L. Erhard leitete die Politik der sozialen Marktwirtschaft ein. Die SPD 1 Siehe : Die Welt, 01. 10. 1990 forderte im Sinne einer sozialistischen Gemeinwirtschaft ein planwirtschaftliches Programm, besonders die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien. Von großer Bedeutung war die Adenauers Politik hinsichtlich der Westmächte.Im November 1949 hörten die Westmächte mit der Demontage auf, später, am 15. Juni 1950, trat die BRD zum Europarat bei. 1951 wurde das Besatzungsstatut revidiert, und es wurde der BRD erlaubt, das eigene deutsche Auswärtige Amt zu errichten. Auf diese Weise wurde die BRD mit den Demokratien des Westens verflochten und in das von den USA geführte Bündnissystem einbezogen. Gegen den von Adenauer unter dem Eindruck des Korea Krieges (1950 - 53) vorgeschlagenen eigenen deutschen Beitrag zur Verteidigung der westlichen Staatenwelt wandte sich nicht nur die SPD, sondern auch andere politische Kräfte. Am 26. 5. 1952 wurde in Bonn zwischen der BRD, den USA, Großbritannien und Frankreich der Deutschland - Vertag (Generalvertrag, Bonner Vertrag) unterzeichnet. Er löste das Besatzungsstatut ab, gab der BRD die Souveränität, wenn auch zunächst mit Einschränkungen, und regelte die Rechtslage der in der BRD stationierten britischer, amerikanischer und französischer Truppen. Als Ziel wurden in ihm festgelegt die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und der Abschluss einer frei vereinbarten Friedensregelung. Dieser Deutschland - Vertrag wurde durch die Pariser Verträge (1954) geändert und durch Zusatzverträge (Truppenvertrag, Steuerabkommen, Finanzvertrag und Überleitungsvertrag) ergänzt. Unter der Devise ‘’Ohne mich’’ entwickelte sich eine breite Bewegung gegen die Aufstellung deutscher Streitkräfte, die 1955 in die ‘’Paulskirchenbewegung’’ mündete. Nach leidenschaftlichen Debatten im Bundestag verpflichtete sich die BRD 1952 zur Aufstellung deutscher Streitkräfte im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgesellschaft (EVG). Aber erst im Rahmen der Pariser Verträge (23.10.1954) entließen die Westmächte die BRD in die Unabhängigkeit (1955) und gestanden ihr das Recht zu, im Rahmen der Westeuropäischen Union und des Nordatlantikpakts (NATO) eigene Streitkräfte (die Bundeswehr) unter Verzicht auf Herstellung bestimmter Waffen, z. B. der Atomwaffe, aufzustellen. 1952 wurde die rechtsradikale Sozialistische Republikanerpartei verboten, 1956 wurden die KPD und ihre Nebenorganisationen aufgelöst. Als am 17. Juni 1953 der Aufstand in der DDR ausgebrochen war, zögerten die Alliierten und die Regierung Adenauer, irgend etwas zu unternehmen. Diese Passivität enthüllte die Hilflosigkeit des Westens, der den Kalten Krieg nur propagandistisch zu führen vermochte. Der Westen wollte keinen Dritten Weltkrieg, man wollte gut leben und sich des Lebens freuen. Der 17. Juni gab deutlich zu verstehen, dass der Westen den Nachkriegszustand mit seiner Demarkationslinie als Status quo akzeptieren möchte. Und so redete der Westen, tat aber absolut nichts, um diesen Status - quo - Zustand zu ändern. Große Worte halfen nichts. Das veranschaulicht die absolut passive Haltung des Westens während der Revolution in Budapest im Oktober 1956, der Bau der Berliner Mauer im August 1961, der Prager Frühling von 1968, die Zulassung der Erdrosselung der polnischen Solidaritätsbewegung im Winter 1981-82, die Revolution im Baltikum 1988 - 90, als der Westen die Unabhängigkeit baltischer Republiken erst nach ihrer Anerkennung durch Moskau 1991 still akzeptiert hat und dazu noch als seinen eigenen Sieg im Kampf mit dem Sozialismus charakterisierte. Mittlerweile zeigten die wirtschaftlichen Reformen in der BRD die ersten Zeichen des Erfolgs. Die Zahl der Arbeitslosen sank rapide. In den Jahren 1949-50 allein wurden mehr als eine halbe Million Wohnungen gebaut. Die Exporte nahmen stürmisch zu. Durch die Regelung der Auslandsschulden (15, 28 Mrd. DM) im Londoner Abkommen vom Februar 1953 gewann die BRD internationale Kreditfähigkeit. Und so sprach man vom ‘’deutschen Wirtschaftswunder’’. Beigetragen dazu hat der stille Pakt des sozialen Friedens (Einführung der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Industrie) und die Demontage der Fabriken und Werke durch Westmächte, denn die leeren Fabriken und Werke wurden mit modernsten Produktionsmittel ausgerüstet. Die Folge: Bei der Wahl des 2. Bundestages 1953 gewannen die CDU und CSU zusammen 45, 2 % der Stimmen. Inzwischen drängte der Kanzler die SPD in die Rolle des ewigen ‘’Neinsagers’’. Die SPD stimmte beinahe gegen jeden neuen Vertrag oder jedes neue Gesetz und verlor auf diese Weise ihr Gesicht bei den Wählern. 1955 führte Kanzler Adenauer Gespräche mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten N. Bulganin und dem KPdSU - Chef Chruschtschow. Adenauer erreichte, dass die Sowjets Tausenden deutschen Kriegsgefangenen erlaubten, nach Hause zurückzukehren. 1955 erreichte die Popularität Adenauers den Höhepunkt. Jetzt sollte eigentlich der 79jährige Bundeskanzler aufgeben und zurücktreten, denn er hat so viel erreicht, was es kaum einem anderen Staatsmann im 20. Jh. gelungen war. Doch er blieb und musste erleben, wie unerbitterlich seine Autorität zerfiel. 1957 wurde eine Rentenreform durchgeführt. 1959 schlug der Bundeskanzler dem Bundestag vor, die Bundeswehr mit taktischen Atomraketen zu bewaffnen. Er sagte: ‘’Taktische Atomwaffen sind nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie.’’ Wenige Tage nach dieser törichten Äußerung, am 12. April 1957, formulierten 18 deutsche Atomphysiker, unter ihnen vier Nobelpreisträger, das Göttinger Manifest, in dem eindringlich vor der Illusion gewarnt wurde, eine atomare Bewaffnung diene tatsächlich dem Schutz der Bundesrepublik. Es entstand eine mächtige Anti - Atom - Bewegung. Die Bewegung ‘’Kampf dem Atomtod’’ mobilisierte 1958 Hunderttausende junger Menschen und Intellektueller. Die SPD unterstützte sie, ihr Ruf verbesserte sich. Doch sie beging einen groben Fehler, als sie im Mai 1957, wenige Monate vor den Wahlen, einen Deutschlandplan vorlegte, den F. Erler entworfen hat. Die SPD forderte Verhandlungen zwischen den Westmächten und der UdSSR, die Entlassung der BRD aus der NATO und der DDR aus dem Warschauer Pakt und die Schaffung eines neuen Sicherheitssystems für Deutschland. Das bedeutete, die Alliierten sollten ihre Truppen abziehen, und Deutschland wäre ein Niemandsland.. Doch für die meisten Deutschen bedeuteten der Abzug der alliierten Truppen einen bösen Traum, sonst nichts. Mittlerweile war einer Equipe junger und energischer Talente der Vorstoß in die SPD - Parteiführung gelungen. Das waren Fritz Erler und Willy Brandt. Sie setzten sich zum Ziel, die SPD zu reformieren. Das gelang erst 1959. Unter Führung E. Ollenhauers wandte sich die SPD im Godesberger Programm (15. 11. 1959) stärker von marxistischen Maximen ab und suchte sich über den Charakter einer Arbeiterpartei hinaus zu einer Volkspartei zu entwickeln. Die SPD bestand nicht mehr auf einer planerischen Organisation der Gesellschaft, sondern begnügte sich mit der flexiblen Maxime, dass soviel Markt wie möglich und soviel Planung wie notwendig herrschen sollten. Sie sah nicht länger in einer Sozialisierung der Produktionsmittel den Schlüssel zur Gerechtigkeit, sondern in der Demokratisierung wirtschaftlicher Macht. Sie überwand die Kontaktscheu gegenüber dem Bürgertum der Mittelschichten, denn sie wollte eine Volkspartei werden. Überdies wurde eingesehen, dass der Wohlstand auch das Klassenbewusstsein der Arbeiter in ein eher bürgerliches Lebensgefühl transformiert hat. Man nahm auch zur Kenntnis, dass die Bindung der BRD an die Europäische Gemeinschaft und die NATO den Interessen der Mehrheit entsprach. Siebeneinhalb Monate nach dem Godesberger Parteitag, am 30. Juni 1960, vollzog der SPD - Chef H. Wehner in einer Bundestagsrede die Wende: er akzeptierte für die SPD die europäischen und atlantischen Vertragssysteme als ‘’Grundlage und Rahmen’’ der deutschen Außenpolitik. Damit erklärte die SPD den westlichen Partnern, dass sie bündnisfähig, und der CDU, dass sie im Grundsatz koalitionswillig sei. Mit der Unterzeichnung der ‘’Römischen Verträge’’ setzte Adenauer die Politik der Westintegration fort (Gründung von Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG - und EUROTOM). Was die DDR - Politik Adenauers anbetrifft, so war er dafür: a) die DDR zu zwingen, West - Berlin in das BRD - System zu integrieren; b) beide deutschen Staaten wiederzuvereinigen; c) mit der Hallstein - Doktrin (1955) die Welt zu zwingen, die alleinige Berechtigung der BRD anzuerkennen, für alle Deutschen zu sprechen, d. h. die DDR nicht anzuerkennen. Seit etwa Mitte der 50er Jahre wendete sich die sowjetische Politik zur Forderung nach Anerkennung von zwei deutschen Staaten. Es kommt 1958 zur Berlinkrise, als Chruschtschow mit einem ‘’Sonderfrieden’’ drohte, den er mit der DDR abschließen werde, wenn sich die Westmächte und die BRD nicht bereit fänden, West - Berlin unter das Statut einer Freien Stadt zu zwingen und damit dem Prozess einer langsamen Erstickung preiszugeben. Er drohte auch mit dem Bau der Berliner Mauer. Sie wurde dann, 1961, auch wirklich errichtet. Adenauer beschloss in der schweren Zeit (Algerienkrieg), bessere Beziehungen zu Frankreich anzuknüpfen. Das Ziel war, der Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich ein Ende zu setzen. Die Gespräche mit de Gaulle begannen 1958. Im Januar 1963 schloss Adenauer mit dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle den Elysee - Vertrag über die deutsch - französische Zusammenarbeit, der beide Regierungen zu regelmäßigen Konsultationen, einer engen Koordination der Verteidigungspolitik und zur Gründung des deutsch - französischen Jugendwerkes verpflichtete. Anfang der 60er Jahre begann die Krise der Adenauer Regierung. In den Bundestagswahlen von 1961 verlor die Union die absolute Mehrheit. 1962 weitete sich die Spiegel - Affäre zu einer schweren innenpolitischen Krise aus1 . Außerdem verstärkte sich die latente Kritik an seinem Regierungsstil (‘’Politik der einsamen Entschlüsse, Kanzlerdemokratie genannt). Am 15. Oktober 1963 trat Adenauer als Bundeskanzler zurück. Adenauer folgten zwischen 1963 und 1969 zwei Regierungschefs, die mit dem politischen Format und Durchsetzungsvermögen des ‘’Alten’’ (d.h. Adenauers) nicht aufnehmen konnten: Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger. Sie blieben nur jeweils drei Jahre im Amt und verkörperten - jeder auf seine Weise - den Niedergang der Unionsherrschaft in den 60er Jahren, der schließlich 1969 mit dem Machtverlust der CDU/CSU endete. 1 Der Spiegel ist eine SPD - orientierte Zeitschrift, die gern regierungskritisches Material veröffentlicht. Im Oktober 1962 wurde Herausgeber, Verlagsdirektor und einige Redakteure dieses Nachrichtenmagazins in einer Nacht - und - Nebel- Aktion unter dem Vorwurf des ‘’Landesverrates’’ verhaftet. Bald erwiesen sich die Anschuldigungen als falsch. Daraus erwuchs eine riesige Affäre, die die Stärke und Schwäche der Demokratie in der BRD demonstrierte. 1963-66 regierte die Regierung Erhard. Ludwig Erhard galt als der ‘’Vater des deutschen Wirtschaftswunders’’, seitdem er als Direktor der Wirtschaftsverwaltung im deutschen Wirtschaftsrat 194849 gegen den Widerstand der SPD, der meisten Gewerkschaften und auch eines Teils der CDU die Soziale Marktwirtschaft durchgesetzt und sie in den 50er Jahren als Wirtschaftsminister zum Erfolg geführt hatte. Jetzt wurde er Bundeskanzler. Er wollte ein ‘’Volkskanzler’’ sein. Er verzichtete auf den Stil der einsamen Entschlüsse und wollte kollegial über die modernen Massenmedien ein vernünftiges Gespräch mit der Öffentlichkeit führen. Doch dem neuen Kanzler mangelte es an Entschiedenheit. Der Kanzler und sein Außenminister handelten weder unvernünftig noch unbesonnen, sie waren vielmehr vorsichtig auf die Eindämmung der Konflikte bedacht. Gerade dadurch wirkten sie aber zögerlich und unentschlossen. Im Mai 1965 nahm Erhard diplomatische Beziehungen mit Israel auf, worauf die arabischen Staaten mit dem Abbruch diplomatischer Beziehungen zu Bonn antworteten. Die Starfighter - Krise im Frühjahr 1966 und der Besuch Erhards in Washington im September 1966, als er mit leeren Händen zurückgekommen war, ließen die frühere Beliebtheit Erhards verblassen. Entscheidend für das Scheitern Erhards war jedoch sein Versagen in der Wirtschaftspolitik - seiner ureigenen Domäne! Sinkende Wachstumsraten, Zechenstillegung, schwarze Fahnen demonstrierende Bergbauarbeiter an der Ruhr und das Wiederaufleben des Rechtsradikalismus schufen Mitte der 60er Jahre eine allgemeine Krisenstimmung, die Erinnerungen an den Niedergang der Weimarer Republik weckte. Statt durch staatliche Investitionsprogramme einen neuen Aufschwung herbeizuführen, trug die Bundesregierung mit ihrem Versuch, der Krise durch Sparmaßnahmen zu begegnen, sogar noch dazu bei, die Rezession zu verschärfen, so dass bald auch die Steuereinnahmen zu schrumpfen begannen. Als bei der Beratung des Bundeshaushalts 1967 sich eine Deckungslücke von 3, 3 Mrd. DM auftat, verstand Erhard, dass er gehen muss. Am 10. 11. 1966 wurde K. G. Kiesinger als neuer Kandidat für das Amt des Kanzlers nominiert, am 1. Dezember wurde er Kanzler. Kiesinger (der übrigens seit 1933 der NSDAP angehört hatte) bildete die Große Koalition: CDU, CSU und SPD. Zuerst war die Regierung Kiesinger, besonders unter dem Aspekt innenpolitischer Reformen, sehr erfolgreich. Vor allem gelang es ihr rasch und überzeugend, die Rezession zu überwinden. Eine bemerkenswerte Leistung war auch das am 10. Mai 1967 vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Es verpflichtete die Bundesregierung, im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung Preisstabilität und Vollbeschäftigung sowie ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei angemessenem und stetigem Wirtschaftswachstum zu sichern, und gibt der Regierung zu diesem Zweck ein modernes Instrumentarium an die Hand, mit dem konjunkturelle und strukturelle Fehlentwicklungen korrigiert werden können. Von großer Bedeutung war ebenfalls die nach mehrjähriger Vorbereitung durchgeführte Finanzreform zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Ein neues Arbeitsförderungsgesetz (Mai 1969) schuf die Grundlage für eine dynamische, zukunftsorientierte Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Berufliche Bildung, Ausbildung, Fortbildung und Umschulung wurden umfassend gefördert. Zugleich wurde das Lohnfortzahlungsgesetz angenommen, mit dem erkrankte Arbeiter einen unabdingbaren Anspruch auf Lohnfortzahlung für sechs Wochen erhielten. Angenommen wurden auch die sog. Notstandsgesetze, die dazu dienten, die Versorgung der Bevölkerung und der Streitkräfte im Verteidigungsfall sicherzustellen. Kiesiger bemühte sich auch um eine neue Osteuropa - Politik. Im Januar 1967 wurden die diplomatischen Beziehungen mit Rumänien aufgenommen, im August beiderseitige Handelsmissionen in Prag und Bonn errichtet und im Dezember die diplomatischen Beziehungen mit Jugoslawien wieder normalisiert. Die UdSSR rief im Februar 1967 in Warschau hastig eine Konferenz ihrer Verbündeten und verbot ihnen, diplomatische Beziehungen mit der BRD so lange aufzunehmen, bis die BRD offiziell die DDR nicht anerkennt. Nach der Zerschlagung des Prager Frühlings von 1968 waren die Beziehungen der BRD zu osteuropäischen Staaten sehr gespannt. Der Krieg in Vietnam wurde immer mehr in der BRD kritisiert und führte zur Bildung der außerparlamentarischen Opposition, die in zahlreichen, auch militanten Demonstrationen (besonders in West - Berlin) sichtbar wurde. Neben dem Linksextremismus stieg auch der Rechtsradikalismus an. Die Große Koalition ging 1969 zu Ende. Bereits die Wahl des Sozialdemokraten Gustav Heinemann zum neuen Bundespräsidenten am 5. März 1969 war das Signal für eine Wende. SPD und FDP stimmten gemeinsam für Heinemann. Bei einem Mittagessen im Düsseldorfer ‘’Industrie - Club’’ am 3. Mai 1969 waren Willi Brandt (SPD - Chef) und Walter Scheel (FDP - Chef) rasch einig, nach der Wahl im September eine SPD / FDP - Koalition (=sozialliberale Koalition) zu bilden, wenn das Wahlergebnis dies zuließ. Und das war der Fall. Die Wahl ergab zwar nur eine knappe Mehrheit von sechs Sitzen für SPD und FDP gegenüber der CDU/CSU. Aber nach Meinung von Brandt und Scheel reichte dies aus, um das Experiment zu wagen. Am 21. Oktober 1969 wurde W. Brandt Bundeskanzler. Die Ära Brandt (1969-74) und die Neue Ostpolitik begannen. Denn die Zeit schien gekommen, sowohl in der Innen- als auch Außenpolitik neue Akzente zu setzen: durch Aussöhnung mit dem Osten, den Ausbau des Sozialstaates und die Vergrößerung demokratischer Mitbestimmungsrechte in Staat und Gesellschaft. Die Deutschen, so Brandt, sollte ‘’ein Volk der guten Nachbarn werden im Innern und nach außen’’. Die Aufmerksamkeit der neuen Bundesregierung galt zunächst der Ostpolitik. Am 19. März 1970 traf sich Brand in Erfurt und am 21. Mai in Kassel mit dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph zusammen. Es wurde ein 20 - Punkte - Plan über ‘’Grundsätze und Vertragselemente für die Regelung gleichberechtigter Beziehungen zwischen der BRD und der DDR’’ ausgearbeitet. Die Verhandlungen mit der UdSSR waren sehr kurz und sehr erfolgreich. Bereits am 12. August 1970 wurde der Deutsch - Sowjetische Vertrag zwischen der BRD und der Sowjetunion unterzeichnet, am 7. Dezember 1970 auch der Deutsch - Polnische Vertrag zwischen der BRD und Polen. In Warschau besuchte Brandt das Mahnmal für die Opfer des Aufstandes im Warschauer Getto. Hier kniete er voll Demut und Versöhnungsbereitschaft vor dem Mahnmal nieder. Dieser Kniefall löste in der BRD einen erbitterten Streit aus, doch die USA lobte offiziell Brandt, und das Gerede verstummte. Das Nobelkomitee verlieh ihm 1971 den Friedensnobelpreis für seine ‘’Versöhnungspolitik zwischen alten Feindländern’’. Am 3. September 1971 wurde das Viermächte - Abkommen über Berlin zwischen den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion abgeschlossen. Ihm folgte am 21. Dezember 1972 der Grund(lagen)vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zur Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. In den Verträgen mit Moskau, Warschau und Ost - Berlin spielten die Frage des Gewaltverzichts und die Anerkennung der bestehenden Grenzen eine maßgebliche Rolle. Friedliche Grenzveränderungen blieben möglich. Der territoriale Status quo wurde nur insoweit fixiert, als er eine Folge des Gewaltverzichts bildete. Grenzveränderungen waren demnach nur dann vertragswidrig, wenn sie einseitig gefordert oder durchgesetzt wurden und somit Elemente der Gewalt enthielten. Im Warschauer Vertrag wurde darüber hinaus in mehreren Einzelbestimmungen ausführlich die Frage der Oder - Neiße - Grenze geregelt, im Grundlagenvertrag mit der DDR die Frage der ‘’Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten’’. Brandt hat während der Verhandlungen in Moskau und Warschau darauf hingewiesen, dass eine Ratifizierung der Ostverträge nur möglich sei, wenn zuvor eine befriedigende Berlin - Regelung zustande komme. Auch die Einberufung einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, an der die Sowjetunion besonderes Interesse zeigte, war mit dem Berlin - Problem verknüpft worden. Am 26. März 1970 hatten deshalb Verhandlungen zwischen den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion begonnen, die sich mit der Lage Berlins beschäftigten und im September 1971 zum Abschluss des Viermächteabkommens über Berlin führten. Dieses Abkommen bedeutete eine erhebliche Verbesserung der Lebensfähigkeit Berlins, weil es zusammen mit dem Transitabkommen zwischen der DDR und der BRD vom 17. Dezember 1971, den Vereinbarungen zwischen den beiden deutschen Postverwaltungen vom 30. September 1971 und den Vereinbarungen zwischen dem Senat von West - Berlin und der Regierung der DDR über Reise- und Besucherverkehr und über Gebietsaustausch vom 20. Dezember 1971 eine Regelung darstellte, die den Zugang nach West - Berlin sicherte und das Schicksal der Menschen in der geteilten Stadt wesentlich erleichterte. Sowohl die Ostverträge als auch das Berlin - Abkommen trugen dazu bei, der Entspannung in Europa den Weg zu ebnen und die Hindernisse für die Einberufung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und der Gespräche über beiderseitige, ausgewogene Truppenverminderung in Mitteleuropa (MBFR) zu beseitigen. Im September 1973 wurden die BRD und die DDR in die UNO aufgenommen. Im Dezember 1973 wurde der Deutsch - Tschechoslowakischer Vertrag unterzeichnet. Zugleich begann Brandt innere Reformen durchzuführen. Die Bildungsreform schien besonders dringlich zu sein. Den Entwurf solcher Reform legte die Regierung Brandt im Juni 1970 vor. Mit großem Aufwand und finanziellen Mitteln wurde der Ausbau der Hochschulen vorangetrieben. Die Studentenzahl erhöhte sich von 1969 bis 1975 um 45% (665 000). Doch vollständig wurde die Bildungsreform nicht verwirklicht, denn es fehlte an Finanzmitteln. Am 4. Juni 1970 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer. Leider scheiterte auch diese Reform. In einer Reform der Rentenversicherung wurden durch Beschluss des Bundestages vom 21. September 1972 die flexible Altersgrenze eingeführt, die Rentenversicherung für Selbständige, Hausfrauen und weitere Gesellschaftsgruppen geöffnet sowie eine Rente nach Mindesteinkommen festgesetzt. Im Bereich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer wurde am 10. November 1971 zunächst eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes beschlossen. Der einzelne Arbeitnehmer erhielt dadurch erstmals eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Position, die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrates wurden wesentlich erweitert und gestärkt, die Vertretung der Jugendlichen wurde anerkannt und gesichert. Am 26. April 1974 wurde die Reform des § 218 (Schwangerschaftsabbruch) durchgeführt. Sie band die Straffreiheit für den Schwangerschaftsabbruch an genaue Voraussetzungen im sozialen, medizinischen und ethischen Bereich. Endgültig wurde dieses Gesetz erst im Februar 1976 gefasst. Am 28. März wurde der Gesetzentwurf zur Reform des Ehe- und Familienrechts verabschiedet, in dem das Prinzip der Gleichberechtigung auf der Grundlage eines partnerschaftlichen Verhältnisses der Ehegatten verankert und für Scheidungen das Schuldprinzip durch das Zerrütungsprinzip ersetzt wurde. Nachdem Abgeordnete von SPD und FDP zur CDU/ CSU übergewechselt waren, versuchte die Opposition, die Regierung Brandt durch ein konstruktives Misstrauensvotum am 24. April 1972 zu stürzen. Ihr Kandidat, R. Barzel, erreichte jedoch am 27. April die erforderliche absolute Mehrheit nicht. Bei der daraufhin vorgezogenen Bundestagswahlen am 19. November 1972 wurde die SPD erstmals die stärkste Fraktion. Im Oktober 1973 setzten die arabischen erdölexportierenden Länder (OPEC) Öl als Waffe ein, um den Westen, vor allem die USA, zu zwingen, Druck auf Israel auszuüben. Sie drosselten die Öllieferungen um mehr als ein Viertel und verhängten sogar einen vollständigen Lieferboykott gegen die USA und die Niederlande. Außerdem vervierfachten sie den Rohölpreis. Die Ölkrise begann. Im November verspürten alle Bürger der BRD die Folgen der Ölkrise: die Straßen und Autobahnen waren leer und verödet. Schon 1974 musste die BRD 17 Mrd. DM mehr für ihre Öleinfuhren zahlen. Die Arbeitslosigkeit stieg von 300 000 (1969) auf 600 000 (1974) und auf fast 1, 1 Mio. (1975) an, weil die plötzliche Verteuerung der Energiepreise einen Konjunktureinbruch nach sich zog. Das war eine bittere Lehre für die westliche Welt, doch sie gab nicht nach und stellte ihre ganze Produktion auf energiesparende Technologien um. Das führte zur Zweiten industriellen Revolution, zur Computerrevolution und schließlich zur Informationszivilisation Mitte der 90er Jahre. Immerhin hat diese globale Wirtschaftskrise zum Rückfall in den Kalten Krieg geführt, der seinen Höhepunkt mit dem Einmarsch der Sowjetarmee in Afghanistan 1979 erreichte. Die Welt stand erneut an der Schwelle eines potentiellen 3. Weltkrieges. Die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation (steigende Inflationsrate und Arbeitslosenquote) sowie der sog. Extremisten - Beschluss (28. Januar 1972) verschärften die innenpolitische Lage. Wie ist es zu diesem Extremisten - Beschluss gekommen? Paradoxerweise trug gerade der Erfolg der sozialliberalen Koalition dazu bei, dass die Neue Ostpolitik, d. h. der regelmäßige, auf Zusammenwirken ausgerichtete Umgang mit Kommunisten in der Außenpolitik, eine Abgrenzung gegenüber kommunistischen Strömungen im Innern, wie sie sich seit der Studentenbewegung (seit 1968) verstärkt zeigten, und so musste sich die sozialdemokratische Regierung von dem (an sich absurden) Vorwurf befreien, allzu ‘’kommunistenfreundlich’’ zu sein. Außerdem fühlten sich die radikalen Jugendlichen nach der Revolution von 1968 in ihren Hoffnungen enttäuscht und glaubten, dass sie nur die Wahl hätten, mit den Mitteln des Terrorismus die angestrebte neue Gesellschaftsordnung ‘’herbeizubomben’’, denn die Mehrheit der Studenten, beeindruckt von der Brandtschen Politik, wandte sich von ihnen ab. So entstand die Extremistengruppe Meinhof - Baader, die mit ihren Gesinnungsfreunden den Weg terroristischer Gewalt beschritten. Am 7.5. 1974 trat Brandt als Bundeskanzler zurück, nachdem ein wichtiger Mitarbeiter im Bundeskanzleramt als DDR - Spion entlarvt worden war (Guillaume - Affäre). Neuer Bundeskanzler wurde Helmut Schmidt (1974-82), der eine stärker pragmatisch ausgerichtete Politik verfolgte, vor allem Wirtschaftskrise, Inflation und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen suchte. Doch seine Regierung stand von Anfang an im Schatten einer weltweiten Wirtschaftsrezession. Angesichts steigender Erdölpreise entschied sich die Regierung Schmidt für den begrenzten Ausbau der Kernenergie. Die Gegner versuchten in Bürgerinitiativen organisiert zum Teil mit Erfolg, den Bau von Kernkraftwerken zu verhindern. Aus ihrem Kreis entwickelten sich die Grünen und in enger Verflechtung mit ihnen die Alternativen. Es gab auch gewalttätige Aktionen. Es kam zu großen Demonstrationen gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Die Suche nach alternativen Lebensformen und die Alternativkultur - Emanzipation der Frauen, Bewegung für die Rettung der Umwelt oder der Kampf um die Erhaltung des Friedens - waren Zeichen der Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen und mangelnder Erwartung, dass die dazu bestimmten politischen Parteien und staatlichen Organisationen geeignet sein könnten, befriedigende Regelungen zu finden. All dieser Fundamentalprotest zwang die Politiker, die Grundlagen und Bedingungen des Regierens zu verändern. Inzwischen erstärkte in der BRD der Terrorismus, der in mehreren Wellen die BRD überrollte und Polizei und Politiker vor scheinbar unlösbare Aufgaben stellte. Seinen Höhepunkt erreichte dieser Terrorismus 1977, als zunächst, am 7. April, Generalbundesanwalt Siegfried Buwack und sein Fahrer in Karlsruhe ermordet, dann, am 30. Juli, der Vorstandssprecher der Dresdener Bank, Jürgen Ponto, in seinem Haus in Oberursel/Taunus erschossen und kurz darauf, am 5. September, der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hanns Martin Schleyer, entführt wurden, wobei die drei Polizisten, die Schleyer begleiteten, und sein Fahrer ums Leben kamen. Da Bonn sich weigerte, die Freilassung von elf inhaftierten mutmaßlichen oder verurteilten Terroristen im Austausch gegen Schleyer zu gestatten, die Bundesregierung vielmehr am 14. September beschloss, bis 1981 zusätzlich 870 Mio. DM für die Bekämpfung des Terrorismus aufzuwenden und ein Kontaktsperregesetz im Bundestag einbrachte, das am 2. Oktober in Kraft trat und den Kontakt der in Haft befindlichen mutmaßlichen Terroristen untereinander unterbinden sollte, wurde am 13. Oktober auch noch eine Boeing 737 der ‘’Lufthansa’’ mit 86 Passagieren und Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main von arabischen Terroristen gekapert, um der Forderung nach Freilassung der deutschen Terroristen weiteren Nachdruck zu verleihen. Doch die Terroristen blieben in Haft, und die Lufthansa - Maschine wurde am 18. Oktober von einem Sonderkommando des Bundesgrenzschutzes auf dem Flughafen von Mogadischu gestürmt. Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe begingen daraufhin in ihren Zellen der Haftanstalt von Stuttgart - Stammheim unter offiziell nie ganz geklärten Umständen Selbstmord. Am folgenden Tag wurde die Leiche Schleyers im Kofferraum eines Autos in Müllhausen im Elsaß gefunden. Der deutsche Terrorismus erholte sich von diesem Schlag nicht mehr. Die 2. Hälfte der 70er Jahre war durch den Niedergang der Entspannungspolitik geprägt. Die aggressive Politik der UdSSR in Afrika (Unterstützung der kommunistischen Regimes in Angola, Mosambik, Äthiopien) und die Stationierung der sowjetischen SS-20 Atomraketen in Osteuropa zwangen den Westen, den durchaus umstrittenen NATO - Doppelbeschluss am 12. Dezember 1979 über die Notwendigkeit der Stationierung der nuklearen Mittelstreckenraketen in der BRD anzunehmen. Als am 21. Dezember die Russen in Afghanistan einmarschierten, war die Ära der Entspannung zu Ende. Die Regierung der BRD beteiligte sich am Boykott der Olympischen Spielen in Moskau 1980. Aus der Kriegsangst und der Sehnsucht nach Frieden entstand eine starke Friedensbewegung, die von den Geheimdiensten der DDR und der UdSSR manipuliert worden war. Die Pazifisten, die Grünen und die Alternativen organisierten Massendemonstrationen, ‘’Friedenscamps’’, Menschenketten um Kasernen und andere oft spektakuläre Aktionen. Darin wandten sie sich nicht so sehr gegen die Politik der SPD, sondern drückten ein allgemeines Unbehagen an der Kultur der modernen Industriegesellschaft mit ihrer Anonymität, ihren Umweltproblemen, Atomreaktoren und Massenvernichtungswaffen. Aber die SPD wurde von dieser Fundamentalkritik in besondere Weise in Mitleidenschaft gezogen, weil ein beträchtlicher Teil ihrer Wähler sich den Protestgruppen anschlossen, deren Ideen aufnahmen oder sogar die Parteien dieser Bewegung, vor allem die Grünen, anstelle der SPD wählten. Die Sozialdemokratie musste sich deshalb diesen neuen geistig - politischen Strömungen gegenüber öffnen, um als politische Kraft weiterhin attraktiv und wirksam zu bleiben. Diese Öffnung war mit großen inneren Auseinandersetzungen verbunden, bei denen es der SPD nicht gelang, ihre innerparteiliche Geschlossenheit zu bewahren und eine Linie zu finden, die auch vom Koalitionspartner FDP mitverfolgt werden konnte. Da außerdem die wirtschaftlichen Probleme, vor allem die Arbeitslosigkeit, nicht beseitigt werden konnte, wobei die Auffassungen zwischen SPD und FDP über mögliche Lösungen und Auswege aus der Krise immer weiter auseinandergingen, entstand schon im Sommer 1981 eine Situation, in der offen über einen Bruch der Koalition gesprochen wurde, zu dem es dann im Herbst 1982 kam. 5.8.2. DIE BRD (1982 - 1997) Im Herbst 1982 kam es zum Machtwechsel: am 1. Oktober 1982 wurde Bundeskanzler durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und der Oppositionsführer und der frühere rheinland - pfälzischer Ministerpräsident Helmut Kohl zum neuen Kanzler der BRD gewählt. Die Ära Kohl begann. Anfang 1997 hat H. Kohl schon einen Rekord gebrochen: er bekleidete das Kanzleramt länger als K. Adenauer. Die neue Regierung bildeten Minister, die Vertreter der CDU/CSU und der FDP (=christlich - liberale Koalition) waren. Die Bundestagswahlen am 6. März 1983 bestätigten die Koalition. Bei dieser Wahl gelangten erstmals auch die Grünen als die fünfte Partei neben CDU, CSU, SPD und FDP in den Bundestag (5, 6% der Stimmen). Der Streit um die Kernenergie, vor allem nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986, und wachsende Umweltprobleme, wie ein dramatisch anwachsendes Waldsterben, häufige Smog - Alarme und Gewässervergiftungen nach Chemieunfällen, förderten das allgemeine Bewusstsein für den Schutz von Natur und Umwelt und verhalfen den Grünen zu einer politischen Größe, mit der die anderen Parteien nun zu rechnen hatten. Am 16. Oktober 1985 bildeten die Grünen mit der SPD die erste gemeinsame Landesregierung in Hessen. Für die SPD stellte sich nun jedoch die Frage, welchen Kurs sie künftig einschlagen sollte. Der Machtverlust in Bonn, die Talfahrt in zahlreichen Bundesländern, das Wegtreten von der politischen Bühne solcher SPD - Politiker wie H. Schmidt, H. Wehner, W. Brandt, forderten eine Neuorientierung. Mit Hans Jochen Vogel übernahm ein machtbewusster und erfahrener Politiker die Führung der SPD. Gleichzeitig erschienen neue Leute: Oskar Lafontaine, Björn Engholm, Gerhard Schröder u. a. Helmut Kohl hielt sich für den ‘’Erben Konrad Adenauers’’. Die Anfangsetappe des Regierens war leider von Affären und Pannen überschattet. So gerieten Anfang 1984 Verteidigungsminister Manfred Wörner und der Militärische Abschirmdienst (MAD, kontržvalgyba) im Streit um die Entlassung eines hohen deutschen NATO - Generals in die Schlagzeilen. Im Mai 1984 scheiterte ein Amnestiegesetz der BRD am Druck der Öffentlichkeit. Am 24. Juni 1984 trat Otto Graf Lambsdorff nach einer gegen ihn vorgebrachten Anklage wegen Bestechlichkeit im Amt zurück. Im Oktober 1984 musste Bundestagspräsident Rainer Barzel wegen einer Affäre um den Flick - Konzern, der große Summen an die CDU/CSU gezahlt hatte, zurücktreten. Noch schlimmer war die bis heute ungeklärte Affäre um Uwe Barschel, den Ministerpräsidenten von Schleswig Holstein, der durch Freitod in einem Genfer Hotel endete. Der Kanzler selbst erregte durch unbedachte Äußerungen und fragwürdige historische Vergleiche wiederholt Unwillen und Kritik im In- und Ausland (so verglich er z. B. den redegewandten Gorbatschow mit Goebbels). Doch auf dem wirtschaftlichen Gebiet waren Kohls Erfolge beträchtlich . Das Wachstum des Bruttosozialprodukts erhöhte sich 1983 auf 2, 5% (1982: 1,0%). Es wurde die öffentliche Verschuldung durch eine restriktive Haushaltspolitik deutlich vermindert. 1986 fiel die Inflationsrate von 5% (1982) auf 0,2%. Ein Rekord - Außenhandelsüberschuss von 110 Mrd. DM machte die BRD ab 1986 zur stärksten Handelsnation der Welt. Doch die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich nicht. 1986 lag sie bei 2,23 Mio., 1997 bei 4 Mio. Das ist natürlich mit dem Zuzug von Aus- und Übersiedeln verbunden: 1989 kamen in die BRD 720 000, davon 344 000 aus der DDR, 1990 nochmals 350 000 aus der DDR. Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit ist deshalb eine vorrangige Aufgabe der Regierung Kohl. In der Außenpolitik wurde viel über die amerikanisch - deutsche Beziehungen diskutiert, die von den Problemen der Nachrüstung belastet waren. In der deutsch - deutschen Politik gab es eine wesentliche Intensivierung der Beziehungen. Kohl lud den Staats- und Parteichef der DDR, E. Honecker, telefonisch ein, die BRD zu besuchen. Am 6. Mai 1986 wurde das Kulturabkommen zwischen der BRD und der DDR unterzeichnet. Die BRD übernahm im Juli 1984 Bürgschaften für Kredite deutscher Banken an die DDR in Höhe von insgesamt 1,95 Mrd. DM. Die DDR honorierte diese Entgegenkommen mit menschlichen Erleichterungen: Verbesserungen bei der Grenzabfertigung, Abbau der Selbstschussanlagen und Bodenminen an der innerdeutschen Grenze, Verringerung der Verdachtskontrollen im Berlin - Verkehr, einer Senkung des Mindestaustausches für Rentner und einer Erweiterung der Ausreisemöglichkeiten für die DDR - Bürger. Im September 1987 besuchte Erich Honecker die BRD. Im Juni 1988 besuchte Gorbatschow die BRD. Am 12.06., nach Mitternacht, gingen Kohl und Gorbatschow in den Park des Kanzleramtes in Bonn spazieren. Es begann ein offenes Gespräch am Rhein. Beide waren der Meinung, dass die sowjetisch - deutschen Beziehungen auf eine neue Basis gestellt werden müssten, wenn sich die Lage in Europa zum Besseren wenden sollte. Daraus entwickelte sich der Gedanke, dass man einen Vertrag schließen müsse, in dem die Deutschen und die Sowjets zwar keinen Schlussstrich unter deutsche Vergangenheit zögen, aber eine neue Perspektive für die Zukunft entwickelten. Daraufhin gewährte die Regierung Kohl der UdSSR ein 9 - Mrd. - DM - Kredit. Am 9. November 1989 wurde die Grenze zur BRD überraschend geöffnet. Den historischen Fall der Berliner Mauer erlebte Kohl auf Staatsbesuch in Warschau während eines abendlichen Festbanketts. Etwa um 21 Uhr wurde Kohl von seinem Büroleiter E. Ackermann angerufen. Er sagte begeistert ins Telefon: ’’Herr Bundeskanzler, im Augenblick fällt gerade die Mauer!’’. ‘’Ackermann, sind Sie sicher?’’ fragte Kohl seinen Büroleiter. ‘’Jawohl!’’ Kohl verschlug es die Sprache. Gleich darauf erreichte eine Eilbotschaft Gorbatschows den Bundeskanzler. Er bat Kohl, beruhigend auf die DDR - Bürger einzuwirken. Außerdem wollte er wissen, ob Berichte zuträfen, wonach die Dinge in Berlin völlig aus dem Ruder liefen. Ja, ob es wahr sei, dass eine empörte Menschenmenge dabei sei, Einrichtungen der Sowjetarmee zu stürmen? Erst später hat Kohl erfahren, dass Gorbatschow gezielt falsch informiert worden war: Reformgegener in KGB und Stasi wollten eine militärische Intervention der in der DDR stationierten sowjetischen Truppen herbeiführen. Am 11. November rief E. Krenz Kohl an. Krenz rühmte die Öffnung der Mauer als Beweis der SED Politik der Erneuerung im Interesse der Menschen. Dann versuchte er, Kohl festzulegen. Herr Bundeskanzler gehe wohl davon aus, worin er, Krenz, absolut mit ihm übereinstimmen würde, dass gegenwärtig die Wiedervereinigung Deutschlands nicht auf der Tagesordnung stehe. Da musste aber Kohl den DDR - Politiker stark enttäuschen. Am 28. November legte die Regierung Kohl ein ‘’Zehn - Punkte Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas’’ vor. Im Januar 1990 besuchte H. Kohl den französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand. Der letzte zweifelte nicht daran, dass die Russen in der deutschen Frage nicht nachgeben und wieder mit dem Säbel rasseln werden. Also, keine Wiedervereinigung, bitte. Im Februar erklärt Gorbatschow dem Ost - Berliner Ministerpräsidenten Hans Modrow, die Sowjetunion habe gegen eine Vereinigung von Bundesrepublik und DDR prinzipiell nichts einzuwenden. Daraufhin lässt Modrow die Stasi - Mitarbeiter, heimlich die wichtigsten Stasi - Dokumente vernichten. Am 13.-14. Februar besuchte H. Modrow den Bundeskanzler Kohl in Bonn. Kohl schlug ihm vor, sofort Verhandlungen zur Schaffung einer Währungsunion und Wirtschaftsgemeinschaft aufzunehmen. Am 23. April 1990 konnte in Bonn mitgeteilt werden, dass Bundesregierung und Koalition sich, unter Beteiligung der Deutschen Bundesbank, auf die Grundzüge eines ‘’Staatsvertrages zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion’’ zwischen der Bundesrepublik und der DDR geeinigt hätten. Warum wollte Kohl in der DDR die DM einführen? Als die Grenze zur BRD geöffnet wurde, übersiedelten bis Oktober 1990 700 000 DDR - Bürger in den Westen. Es entstanden riesige soziale Probleme. Wenn man verhindern wollte, dass die Ossies zur DM nach Westdeutschland kämen, muss man die DM zu den Ostdeutschen bringen. Das Problem lautete: in welchem Verhältnis? Man entschied sich zum 1 : 1 - Verhältnis, was von enormer politisch - psychologischer Bedeutung wäre. Diese Verhältnis würde signalisieren, dass es um Solidarität unter Gleichberechtigten ging. Am 5. Mai begannen die 2+4 - Außenministergespräche in Bonn zur Regelung der äußeren Aspekte der deutschen Einheit. Die Hauptprobleme lauteten: Dürfen die neuen Bundesländer der NATO beitreten? Wie schnell können die Sowjettruppen aus der Ex - DDR abziehen? Am 18. Mai unterzeichneten die BRD und die DDR den Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Kohl war überzeugt, dass sich die Kosten zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit bis 1994 auf 115 Mrd. DM belaufen werden. Tatsächlich waren allein aus dem Bundeshaushalt zwischen 1990 und Ende 1996 insgesamt 720 Mrd. DM in die neuen Bundesländer geflossen1. Wie entstand diese Fehleinschätzung? Man nahm an, der Verkauf der volkseigenen Betriebe der Ex - DDR wird 1200 Mrd. DM einbringen, die DDR sei ja die zehntgrößte Industrienation der Erde. Man wusste schlicht und einfach zuwenig von der DDR. Alles, was die BRD - Regierung über die DDR wusste, erwiesen sich letztendlich als Propagandalügen, die von Desinformationsspezialisten des Stasi und der SED überaus geschickt verbreitet wurden. Am 1. Juli wurde in der DDR die DM eingeführt. Das bedeutete Aufhebung aller innerdeutschen Grenzkontrollen und die de - facto - Zollunion Europäische Gemeinschaft - DDR.. Am 15. Juli flog Kohl in die kaukasische Heimat des sowjetischen Präsidenten. In der Nacht zum 16.07. kam es erneut zum Gespräch zwischen Kohl und Gorbatschow am Fluss Selemtschuk. Am nächsten Morgen gab Gorbatschow Punkt für Punkt nach, und das Unvollstellbare wurde real: Auch die neuen Bundesländer dürfen der NATO beitreten, und die Sowjettruppen werden nicht in fünf bis sieben Jahren abziehen, sondern in drei bis vier Jahren. Die ersten Soldaten der Roten Armee haben die Grenze des 3. Reiches im November 1944 überschritten, Ende 1994 sollten sie Deutschland verlassen - ein halbes Jahrhundert später. Am 2. August wurde der Wahlvertrag zur gesamtdeutschen Bundestagswahl mit 5 - Prozent Sperrklausel und der Möglichkeit von Listenverbindungen paraphiert. Am 12. September 1990 wurden der ‘’Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland’’ und begleitende Dokumente von der DDR, der DDR und den vier Siegermächten (2+4) unterzeichnet. Zuvor hatte schon der Bundestag in zwei Erklärungen (8. November 1989, 8. März 1990) die Endgültigkeit der polnischen Westgrenze erklärt, die durch eine gleichlautende Entschließung von Bundestag und Volkskammer der DDR am 21. Juni 1990 bekräftigt wurde. Die staatliche Vollendung der deutschen Einheit durch den Einigungsvertrag, abgeschlossen am 31. August 1990, wurde begleitet von der Wiederherstellung der vollen Souveränität Gesamtdeutschlands, so dass es seit dem Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober 1990 wieder ein souveränes geeinigtes Deutschland gibt. Am 4. Oktober 1990 fand die erste Sitzung des gesamtdeutschen Bundestages im Berliner Reichstaggebäude, am 9. November die erste Sitzung des Bundesrates in Berlin statt. Erste außenpolitische Maßnahmen des neuen vereinigten Staates waren der Abschluss zweier Grundsatzverträge mit der UdSSR (9. November 1990) und Polen (14. November 1990). Der deutsch sowjetische Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit (Generalvertrag) steckte den Rahmen für eine weitreichende wirtschaftliche Zusammenarbeit ab und machte die BRD zum wichtigsten westlichen Bündnispartner der UdSSR und bot auch den Sowjetdeutschen rechtliche Sicherheiten. Im Deutsch - polnischen Grenzvertrag wurden der Verzicht auf die deutschen Ostgebiete und die Anerkennung der Oder - Neiße - Grenze festgeschrieben. Bei den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen am 2. Dezember 1990 erhielt die CDU/CSU 43, 8%, die SPD 33,5%, die FDP 11%, die Grünen 3,8%, die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS, Erbin der SED) 2,4% und in den neuen Bundesländern 11, 1% der Stimmen. Somit erhielt die Koalition CDU/CSU und FDP 398 von 662 Sitzen im Bundestag und konnte weiter regieren. Im Mittelpunkt des politischen Schaffens standen in der Folge insbesondere die Angleichung der Lebensbedingungen in beiden Teilen Deutschlands, die Bewältigung der ökonomischen Probleme in den neuen Bundesländern, deren Anpassung an die föderale Struktur der BRD, die Überwindung der Rezession, die Eindämmung des anwachsenden Rechtsradikalismus (vor allem Anschläge auf Asylantenwohnheime und zunehmende Fremdenfeindlichkeiten) und die in Angriff genommenen gesetzgeberischen Reformvorhaben. Zugleich wurde viel über die UN - Einsätze der Bundeswehr außerhalb der BRD diskutiert. Der Bundestag beschloss, dass die Bundeswehr das Recht hat, an UN - Friedensmissionen im Ausland teilzunehmen, z. B. in Bosnien - Herzegowina. Im Juni 1991 beschloss der Bundestag die Verlegung des Regierungssitzes nach Berlin. Berlin wurde zur Hauptstadt der BRD erklärt. Roman Herzog wurde im Mai 1994 zum ersten gesamtdeutschen Bundespräsidenten gewählt. Bei den Bundestagswahlen am 16. Oktober 1994 konnte die christlich - liberale Koalition ihre Mandatsmehrheit mit 341 von 672 Sitzen knapp behaupten. Die CDU/CSU erhielt 41,5%, die SPD unter ihrem Kanzlerkandidaten R. Scharping 36, 4%. der Stimmen. Die drittstärkste Kraft wurde Bündnis 90/ Die Grünen mit 7,3% vor der FDP mit 6,9% der Stimmen. Die PDS zog aufgrund von 4 gewonnenen Direktmandaten mit 4,4% der Stimmen ebenfalls in den Bundestag ein. Der Misserfolg des ‘’Es verschlug mir die Sprache’’. Bundeskanzler Kohl über die dramatischen Jahre 1989 / 90 und den Weg zur deutschen Einheit, in: Der Spiegel, 40/ 1996, S.80 1 Kanzlerkandidaten R. Scharping bei den Bundeswahlen führte dazu, dass O. Lafontaine zum neuen SPD Chef gewählt worden war. CHRONIK: 113 v.Chr. - Kimbern und Teutonen dringen zum erstenmal ins Römische Reich ein 15 v.Chr. - 16 n. Chr. - Römer besetzen Germanien bis zur Elbe 9 n.Chr. - Arminius vernichtet römische Armee in der Varus- Schlacht im Teutoburger Wald 350 - Bischof Wulfila übersetzt die Bibel ins Gotische um 375 - Hunneneinfall in Europa 476 - Odoaker stürzt den letzten römischen Konig 482 - Chlodwig , aus dem Geschlecht der Merrowinger, gründet das Merrowingerreich 711 - die ersten Musulmanen landen in Spanien 772 - 804 - Sachsenkriege Karls des Großen 786 - erstmals ‘’deutsche‘’ Sprache als Volkssprache erwähnt, im Gegensatz zum Latein 792 - 805 - Bau der Pfalzkapelle in Aachen ( Krönungsort von 30 deutschen Königen 936-1531) 843 - Vertrag von Verdun: Westfrankenreich (Frankreich) an Karl den Kahlen, Ostfrankenreich (Deutschland) an Ludwig den Deutschen, ‘’Zwischenreich’’ (Lothringen) an Lothar I. 919 - Sachsenherzog Heinrich I. von Franken und Sachsen wird zum deutschen König gewählt. Ende der germanischen Geschichte, Entstehung des deutschen Feudalstaates unter den sächsischen Königen 955 - Sieg der Deutschen unter Otto I. über die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg 2. Februar 962 - Otto I. wird in Rom von Papst zum Kaiser gekrönt. Gründung des I. Deutschen Reiches, das im Spätmittelalter Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation genannt wird 968 - Gründung des Erzbistums Magdeburg. Beginn des deutschen Drangs nach Osten 996 - der Name Ostarrichi zum erstenmal erwähnt 1000 - Otto III. stiftet Erzbistum Gnesen: kirchliche Selbständigkeit Polens 1075 - Dictatus papae von Papst Gregor VII. (Gregorianische Reform) 1076 - Beginn des Investiturstreites, der 1122 mit dem Wormser Konkordat endet 1077 - Canossa - Gang Heinrichs IV. 1095 - Papst Urban II. ruft zum 1. Kreuzzug auf (1099 - Eroberung Jerusalems) 1122 - Wormser Konkordat 1155 - Friedrich I. Barbarossa wird Kaiser 1156 - Herzogtum Österreich von Bayern abgetrennt 1169- 1197 - Heinrich VI. deutscher Kaiser und König: Höhepunkt staufischer Weltmacht 1226 - Kaiser Friedrich II. überträgt Deutschem Orden Hoheitsrechte im eroberten pruzzischen Land 1231-33 - Terror der Inquisition im Deutschen Reich 1235 - Mainzer Reichslandfrieden, erstes Reichsgesetz in deutscher Sprache: Landeshoheit der Fürsten 1256 - 73 - Interregnum 1273 - Rudolf I. von Habsburg König, 1278 - sein Sieg über Ottokar II. von Böhmen auf dem Marchfeld: Durchbruch der Habsburger zur Hausmachtbildung 1282 - Vertrag zwischen Lübeck, Riga und Visby über Ostseehandel. Anfänge der Hanse (Gründung der Hanse um 1295) 1291 - ‘’Ewiger Bund’’ der drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden: Anfänge der Schweizer Eidgenossenschaft 1302 - Bulle Unam Sanctam: Bonifatius VIII. verkündet Herrschaft der geistlichen über weltliche Macht: Höhepunkt päpstlicher Macht 1315 - Schlacht bei Mogarten: Schweizer siegen über österreichisches Ritterheer: Aufstieg der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1338 - Beginn des Hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England Kurverein von Rhense (Koblenz): Kurfürsten erklären Königswahl auch ohne päpstliche Zustimmung für gültig 1348 - Große Pest in Europa Erste deutsche Universität in Prag 1356 - Goldene Bulle Karls IV.: Wahl des deutschen Königs/ Kaisers durch sieben Kurfürsten; Kaiserwahl in Frankfurt, Krönung in Aachen 1366 - die Brunsche Verfassung in der Schweiz 1376 - Gründung des Schwäbischen Städtebundes, 1377-1389 - Süddeutscher Städtekrieg. Sieg der Fürsten; Reichslandfriede von Eger : Reichsfreiheit der Städte bestätigt 1410 - Schlacht bei Tannenberg: Niederlage des Deutschen Ordens; allmählicher Niedergang des Ordensstaates 1415 - Tschechischer Reformator Jan Hus in Konstanz, entgegen kaiserlicher Zusage freien Geleits, als Ketzer verbrannt; 1420-1436 - Reichskriege gegen die Hussiten 1438 - Albrecht II. wird deutscher König: Die Habsburger Dynastie regiert bis 1806 1453 - Eroberung Konstantinopels durch die Türken: Ende des Byzantinischen Reiches Friedrich III. erhebt Österreich zum Erzherzogtum 1454 - Preußischer Bund (gegründet 1440 von Adel) sagt sich vom Deutschen Orden los: Krieg Polen/Danzig/Preußischer Bund gegen Deutschen Orden, der 1466 durch den Frieden von Thorn endet: Pommerellen, Ermland, Kulmer Land werden polnisch, Ordensstaat unterwirft sich polnischer Lehnshoheit (bis 1660), Danzig wird freie Stadt unter polnischer Lehnsherrschaft (bis 1793) 1455 - Johann Gutenberg druckt das erste Buch mit beweglichen Lettern (die 42zeilige lateinische Gutenbergbibel) 1460 - Personalunion Schleswig-Holstein mit Dänemark: dänischer König ist bis 1863 deutscher Reichsfürst 1486 - Ausrufung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1491 - Pressburger Vertrag: König Wladislaw V. von Böhmen und Ungarn sichert dem Haus Habsburg Erbfolge zu: seit nun wird deutscher König automatisch auch König von Böhmen und Ungarn 1495 - Reichstag zu Worms: Versuch einer umfassenden Reichsreform. Ewiger Landfrieden, Reichskammergericht, Reichssteuer 1499 - Schweizer Eidgenossenschaft lenht Reichssteuer und Reichskammergericht ab. Schwabenkrieg endet mit faktischer Loslösung vom Reich 1500 - Reichstag zu Augsburg: Deutsches Reich wird eine ständische Rechtsgemeinschaft 1516 - Ewiger Friede zwischen Schweiz und Frankreich (nach der Niederlage der Schweiz bei Marignano 1515). Allmählicher Übergang der Schweizer zur Neutralitätspolitik 1517 - Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel 1519 - Karl V. wird Kaiser: Spanien, Burgund, deutsches Reich und spanisches Kolonialreich vereint. Höhepunkt der deutschen kaiserlichen Macht 1520 - Luthers Schriften ‘’Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche’’, ‘’Von der Freiheit eines Christenmenschen’’ erscheinen, öffentliche Verbrennung der päpstlichen Bannbulle: 1521 - Reichstag zu Worms: Reichsacht Luthers. Auf der Wartburg übersetzt Luther das Neue Testament ins Deutsche 1524 - 1525 - Deutscher Bauernkrieg 1555 - Augsburger Religionsfriede: Landesherr bestimmt Religion, Andersgläubige dürfen auswandern 1580 - Wilhelm I. von Oranien bricht mit Spanien. 1596 werden Niederlande de jure anerkannt 1618 - 1648 - Der Dreißigjährige Krieg. Er endet mit Westfälischem Frieden Die Schweiz wird de jure unabhängig 1653 - Bauernkrieg in der Schweiz 1683 - Belagerung Wiens durch die Türken: Sieg des polnischen Heeres unter König Johann III. Sobieski am Kahlenberg 1688 - Friedrich III. wird Kurfürst von Brandenburg 18.Januar 1701 - Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg krönt sich in Königsberg zum König in Preußen: Königtum Preußen wird gegründet 1740 - Maria Theresia wird Kaiserin (bis 1780) 1740-1742 - Erster Schlesischer Krieg 1744/45 - Zweiter Schlesischer Krieg 1756 - 1762 - Siebenjähriger Krieg um Schlesien: Im Frieden von Paris behält Preußen Schlesien 1772 - Erste Teilung Polens: Ermland, Westpreußen (ohne Thorn und Danzig) und Kulmer Land bleiben preußisch 1789 - Beginn der Französischen Revolution 1792 - Erster Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich 1793 - Zweite Teilung Polens: Preußen erhält Posen, Danzig und Teile Zentralpolens 1795 - Dritte Teilung Polens: Polen und Litauen restlos aufgeteilt zwischen Russland, Preußen und Österreich 1799- 1802 - Zweiter Koalitionskrieg gegen Frankreich 1815 - Wiener Kongress: Beginn der Restauration 1833/36 - Gründung und Erweiterung des Deutschen Zollvereins (ohne Österreich, Hannover und die nordwestdeutsche Küstenstaaten) 1835 - Erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth 1844 - Weberaufstand in Schlesien 1847 - Gründung des Bundes der Kommunisten Sonderbundenkrieg in der Schweiz 1848 - die Schweiz wird Bundesstaat 1848/49 - Die deutsche Revolution 1864 - Internationale Arbeiter - Assoziation (Erste Internationale) in London (Karl Marx wird ihr Sekretär); Preußisch - Österreichischer Krieg gegen Dänemark um Schleswig - Holstein 1866 - Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vormachtstellung in Deutschland 1869 - Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) durch Wilhelm Liebknecht und August Bebel; Eisenacher Programm 1870 - Deutsch - Französischer Krieg; Belagerung von Paris (2. September) 18. Januar 1871 - Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versaille: Wilhelm I. deutscher Kaiser; Gründung des 2. Deutschen Reiches. Bundesstaat unter Hegemonie Preußens, König von Preußen erblicher Deutscher Kaiser; Bundesrat als Vertretung der Fürsten und Freier Städte, Reichstag aus allgemeinen, gleichen, geheimen, direkten Wahlen; Bismarck wird Reichskanzler (bis 1890) 1884 - Beginn deutscher Kolonialpolitik: Deutsch- Südwestafrika, Togo, Kamerun, DeutschOstafrika, Pazifikinseln, Tsingtau und Kiautschou (China) 1900 - Forcierte Weltpolitik unter Reichskanzler von Bülow (bis 1909) 1908 - Österreich- Ungarn annektiert Bosnien und Herzogowina 28. Juni 1914 - Österreichischer Thronfolger von serbischen Nationalisten ermordet; 28. Juli österreichische Kriegserklärung an Serbien; 1. - 3. August - deutsche Kriegserklärung an Russland und Frankreich, englische an Deutschland (4. August). Beginn des 1. Weltkrieges 1916 - Deutsche Offensive gegen Verdun, englische an der Somme 9. November 1917 - Revolution in Deutschland Scheidemann (SPD) ruft die (Weimarer) Republik aus; erzwungene Abdankung Wilhelms II.; Ebert (SPD) wird Regierungschef 1918 - Friede von Brest- Litowsk: Finnland, baltische Provinzen, Ukraine, Transkaukasien von Russland getrennt. Zusammenbruch Österreich- Ungarns Waffenstillstand von Compiègne 12. 11. 1918 - Ausrufung der Ersten Republik Österreich 1919 - Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) durch Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Karl Radek Gründung der Deutschen Arbeiterpartei (DAP), seit 1921 von Hitler geführt und in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) umgenannt Vertrag von Versaille 1922 - Rapallo - Vertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion 1923 - Französische und belgische Truppen besetzen Ruhrgebiet Hitler - Putsch in München (9. November) 1924 - Dawes- Plan: Regelung der deutschen Reparationszahlungen, amerikanische Kredite zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft 1926 - ‘’Mein Kampf’’ von Hitler erscheint Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund (8. September) Gründung der Hitlerjugend (1933 Staatsjugend) 25.Oktober 1929 - ‘’Schwarzer Freitag’’ in New York: Börsenkrach löst Weltwirtschaftskrise aus 26.Januar 1933 - Hitler wird Reichskanzler. Das (3.) Großdeutsche Reich wird ausgerufen 27. Februar 1933 - Reichstagsbrand: Anlass für KPD - Verbot. Grundrechte aufgehoben Juni 1934 - Röhm - Putsch: Entmachtung der SA zugunsten der SS 12. März 1938 - Anschluss Österreichs ans Großdeutsche Reich 9/10. November 1938 - Judenpogrom (Kristallnacht) 14/15. März 1939 - Tschechoslowakei wird besetzt 23.März 1939 - Litauen tritt unter Druck Memelgebiet an Deutschland ab 24.Mai 1939 - Stahlpakt Deutschland/ Italien 25. August 1939 - Hitler - Stalin - Nichtangriffspakt. In geheimem Zusatzprotokoll Teilung Polens, Baltischer Staaten und Osteuropas in Interessensphären 1. September 1939 - Deutschland eröffnet Angriff auf Polen; 3. September - britischfranzösische Kriegserklärung. Beginn des 2. Weltkrieges 2. April 1940 - Norwegenfeldzug; deutscher Überfall auf Dänemark, Norwegen 3. Mai 1940 - Invasion Frankreichs (Kapitulation Frankreichs am 17. Juni) April 1941 - Angriff auf Jugoslawien und Griechenland 22.Juni 1941 - Deutscher Angriff auf die UdSSR 2.Februar 1943 - Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad 6.Juni 1944 - Landung der Westalliierten in der Normandie 8.Mai 1945 - Kapitulation der Wehrmacht 17. Juli - 2. August 1945 - Potsdamer Konferenz 18. November 1945- 1. Oktober 1946 - Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1947 - Marshall - Hilfe 1948 - Währungsreform in den drei Westzonen; 24. Juni 1948 - 12. Mai 1949 - sowjetische Blockade Westberlins 1949- 1963 - die Ära Adenauer 23. Mai 1949 - Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten; 14. August - Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag. Gründung der BRD 24. Oktober 1949 - Gründung der DDR 25. Juni 1953 - Volksaufstand in der DDR 26. Mai 1955 - Österreichischer Staatsvertrag; Vereinigungsverbot, Neutralität, UNO- Beitritt August 1961 - Bau der Berliner Mauer 21. Dezember 1972 Unterzeichnung des Grundlagen- Vertrages zwischen der DDR und der BRD 22. September 1973 - die DDR und die BRD werden Mitglieder der UNO 23. Oktober 1975 - Freundschaftsvertrag der DDR mit der UdSSR: der Vertrag anerkennt die Schutzfunktion der UdSSR für die DDR 6. Mai 1986 - Kulturabkommen zwischen der DDR und der BRD 7. September 1989 - Ungarn öffnet die Grenze für die DDR - Bürger nach Österreich 8. Oktober 1989 - Die erste Oppositionsdemonstration in Leipzig. Beginn der samtenen Revolution 8. November 1989 - Das gesamte Politbüro der SED tritt zurück 9. November 1989 - Die Grenzübergänge zur Bundesrepublik und nach West- Berlin werden für die unkomplizierte Aus- und Einreise geöffnet 10. Juli 1990 - Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der DDR und der BRD tritt in Kraft 3. Oktober 1990 - Beitritt der DDR zur BRD. Wiedervereinigung Deutschlands Verwendete Literatur: Abosch B.: Zwischen Denken und Demagogie. Die schwierige Intelligenz, in: NZZ, 29. 5. 1995 Asimov I.: Die Apokalypsen der Menschheit. Katastrophen, die unsere Welt bedrohen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1982. !!! Augstein R.: Politik der Erinnerung. Über Kriegsende und Nachkriegszeit. In: Der Spiegel, 19/ 1995 Augstein R.: ‘’Nur ein Sandkastenspiel’’. Über Hitlers ureigenen ‘’Blitzkrieg’’ mit der Sowjetunion, in: Der Spiegel, 6/ 1996 ‘’Barbarossa’’ einmal anders, in: Der Spiegel, 6 / 1996 Bazylow L.: Historia powszechna: 1789 - 1918. Ksiąýka i Wiedza: Warszawa, 1981 Benenn M, J. Dülfer: Deutsche Geschichte: Von den Anfängen bis zur Wiedervereinigung. 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