8TPWittgensteinAnja

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UE “Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten für PhilosophInnen”
Matthias Flatscher, Anja Weiberg
27.11.2000
Ludwig Wittgenstein (1889-1951)
Position im Tractatus logico-philosophicus:
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Ziel einer klaren Grenzziehung zwischen Sagbarem und Unsagbarem
Versuch einer Beschreibung der Welt, die lediglich den Bereich der Tatsachen umfaßt –
nur über diese kann sinnvoll gesprochen werden
Menschen machen sich Bilder der Tatsachen und erstellen so ein Modell der Wirklichkeit
Sinnvolle Sätze sind Sätze, die Tatsachen abbilden und über deren Wahrheit oder
Falschheit durch die Überprüfung mit der Wirklichkeit entschieden wird
Das Erstellen von sinnvollen Sätzen ist den Naturwissenschaften vorbehalten
Die Philosophie dient der Klärung von naturwissenschaftlichen Sätzen
Sinn und Wert befinden sich außerhalb der Welt, im Bereich des Unaussprechlichen
Sätze über den Sinn des Lebens, über Gott, über Gut oder Böse sind Scheinsätze, da sie
sich nicht mit Tatsachen in der Welt befassen, die über das Abbildmodell mit der
Wirklichkeit überprüft werden können
Dieses rigorose Schweigeverdikt geht in keiner Weise mit einer Einschränkung der
Bedeutsamkeit religiöser und ethischer Belange einher
Auszug aus einem Brief von Ludwig Wittgenstein an Ludwig von Ficker (1919):
Von seiner Lektüre werden Sie nämlich – wie ich bestimmt glaube – nicht allzuviel haben. Denn
Sie werden es nicht verstehen; der Stoff wird Ihnen ganz fremd erscheinen. In Wirklichkeit ist er
Ihnen nicht fremd, denn der Sinn des Buches ist ein Ethischer. Ich wollte einmal in das Vorwort
einen Satz geben, der nun tatsächlich nicht darin steht (...): Ich wollte nämlich schreiben, mein
Werk bestehe aus zwei Teilen: aus dem, der hier vorliegt, und aus alledem, was ich nicht
geschrieben habe. Und gerade dieser zweite Teil ist der Wichtige. Es wird nämlich das Ethische
durch mein Buch gleichsam von Innen her begrenzt (...): Alles das, was viele heute schwefeln,
habe ich in meinem Buch festgelegt, indem ich darüber schweige. 1
Position in den Philosophischen Untersuchungen
(s. Referat von Elisabeth Sezemsky):
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Hinwendung zur Alltagssprache
Beschränkung auf Betrachtung und Beschreibung des Gebrauchs von Sprachspielen
Ablehnung der Frage nach einem Wesen und damit verbundenen Ideal der Sprache,
Betonung der Vielfalt, Darstellung des Ideals als “Brille”, die unseren Blick einengt
Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr
und unsrer Forderung. (Die Kristallreinheit der Logik hatte sich mir ja nicht ergeben; sondern sie
war eine Forderung.) (...) Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die
Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir
wollen gehen; dann brauchen wir die Reibung. Zurück auf den rauhen Boden!2
1
Wittgenstein, Ludwig: Briefe. Briefwechsel mit B. Russell [u.a.]. Hg. v. Brian F. McGuinness u. Georg H. v.
Wright. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1980, 96f.
2
Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. Werkausgabe Bd.1. Frankfurt/Main: Suhrkamp 41988,
§ 107.
UE “Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten für PhilosophInnen”
Matthias Flatscher, Anja Weiberg
27.11.2000
Position in Über Gewißheit:
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All unser Wissen, Argumentieren, Begründen beruht auf der Grundlage eines Weltbilds,
das uns bereits mit dem Spracherwerb vermittelt wird
All unser Wissen beruht somit auf Grundlagen (sog. “grammatischen Sätzen”), die als
solche nicht weiter hinterfragt werden: “Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich
von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit
überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen
wahr und falsch unterscheide.”3
Ein Fehler ist immer nur ein Fehler in einem bestimmten Bezugssystem
Das Begründen hat ein Ende, weil das Zweifeln irgendwann ein Ende hat, wenn wir nicht
handlungsunfähig werden wollen: “D.h. die Fragen, die wir stellen, und unsere Zweifel
beruhen darauf, daß gewisse Sätze vom Zweifel ausgenommen sind, gleichsam die
Angeln, in welchen sich jene bewegen.” (ÜG §341)
Somit ist Wissen nicht von der Anerkennung bestimmter Sätze zu trennen
Argumente der Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Weltsicht laufen in dem
Moment ins Leere, indem man an die Grundlagen des Weltbilds gelangt
Gelingt es dennoch, den anderen vom eigenen Weltbild zu überzeugen, dann nicht wegen
des Vorhandenseins der “besseren” Gründe, sondern vielmehr in Form einer
“Bekehrung”, durch die der andere “dazu gebracht (würde), die Welt anders zu
betrachten.” (ÜG §92)
Trotz einer Absage an jegliche dogmatische Ansicht von der eigenen Weltsicht als der
einzig richtigen führen die Konsequenzen nicht zu einem resignierten Relativismus. Hier
kommt der Stilbegriff zum Tragen, da es zum einen möglich ist, “Propaganda” für den
einen oder anderen Denkstil zu betreiben (und hierbei andere Menschen von der eigenen
Sichtweise zu überzeugen) und zum anderen Wittgenstein angesichts des persönlichen
Stils eines Menschen die ethische Forderung nach Wahrhaftigkeit stellt.
Wittgenstein, Ludwig: Über Gewißheit. Werkausgabe Bd.8. Frankfurt/Main: Suhrkamp 31989, §94.
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