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UE „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten für PhilosophInnen“
Matthias Flatscher, Anja Weiberg
Ludwig Wittgenstein (1889-1951)
Position im Tractatus logico-philosophicus:
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Ziel einer klaren Grenzziehung zwischen Sagbarem und Unsagbarem.
Versuch einer Beschreibung der Welt, die lediglich den Bereich der Tatsachen umfaßt – nur über diese kann
sinnvoll gesprochen werden.
Menschen machen sich Bilder der Tatsachen und erstellen so ein Modell der Wirklichkeit.
Sinnvolle Sätze sind Sätze, die Tatsachen abbilden und über deren Wahrheit oder Falschheit durch die
Überprüfung mit der Wirklichkeit entschieden wird.
Das Erstellen von sinnvollen Sätzen ist den Naturwissenschaften vorbehalten.
Die Philosophie dient der Klärung von naturwissenschaftlichen Sätzen.
Sinn und Wert befinden sich außerhalb der Welt, im Bereich des Unaussprechlichen.
Sätze über den Sinn des Lebens, über Gott, über Gut oder Böse sind Scheinsätze, da sie sich nicht mit
Tatsachen in der Welt befassen, die über das Abbildmodell mit der Wirklichkeit überprüft werden können.
Dieses rigorose Schweigeverdikt geht in keiner Weise mit einer Einschränkung der Bedeutsamkeit religiöser
und ethischer Belange einher:
Auszug aus einem Brief von Ludwig Wittgenstein an Ludwig von Ficker (1919):
Von seiner Lektüre werden Sie nämlich – wie ich bestimmt glaube – nicht allzuviel haben. Denn Sie werden es nicht verstehen; der
Stoff wird ihnen ganz fremd erscheinen. In Wirklichkeit ist er Ihnen nicht fremd, denn der Sinn des Buches ist ein Ethischer. Ich
wollte einmal in das Vorwort einen Satz geben, der nun tatsächlich nicht darin steht [...]. Ich wollte nämlich schreiben, mein Werk
bestehe aus zwei Teilen: aus dem, der hier vorliegt, und aus alledem, was ich nicht geschrieben habe. Und gerade dieser zweite Teil
ist der Wichtige. Es wird nämlich das Ethische durch mein Buch gleichsam von innen begrenzt. [...] Alles das, was viele heute
schwefeln, habe ich in meinem Buch festgelegt, indem ich darüber schweige. 1
Position in den Philosophischen Untersuchungen (s. Referat Kinzel/Schiefer):
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Hinwendung zur Alltagssprache.
Beschränkung auf Betrachtung und Beschreibung des Gebrauchs von Sprachspielen.
Ablehnung der Frage nach einem Wesen und damit verbundenen Ideal der Sprache, Betonung der Vielfalt
und Darstellung des Ideals als „Brille“, die unseren Blick einengt:
Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr und unsrer Forderung. (Die
Kristallreinheit der Logik hatte sich mir ja nicht ergeben; sondern sie war eine Forderung.) [...] Wir sind aufs Glatteis geraten, wo
die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen
gehen; dann brauchen wir die Reibung. Zurück auf den rauhen Boden!2
Position in Über Gewißheit:
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1
Unser Wissen, Argumentieren, Begründen beruht auf der Grundlage eines Weltbilds, das uns bereits mit
dem Spracherwerb vermittelt wird.
All unser Wissen beruht somit auf Grundlagen, die als solche nicht weiter hinterfragt werden: „Aber mein
Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner
Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr
und falsch unterscheide.“3
Ein Fehler ist immer nur ein Fehler in einem bestimmten Bezugssystem.
Das Begründen hat ein Ende, weil das Zweifeln irgendwann ein Ende hat, wenn wir nicht handlungsunfähig
werden wollen: „D.h. die Fragen, die wir stellen, und unsere Zweifel beruhen darauf, daß gewisse Sätze
vom Zweifel ausgenommen sind, gleichsam die Angeln, in welchen sich jene bewegen.“ (ÜG §341)
Somit ist Wissen nicht von der Anerkennung bestimmter Sätze zu trennen.
Argumente der Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Weltsicht laufen in dem Moment ins Leere,
indem man an die Grundlagen des Weltbilds gelangt.
Gelingt es dennoch, den anderen vom eigenen Weltbild zu überzeugen, dann nicht wegen des
Vorhandenseins der „besseren“ Gründe, sondern vielmehr in Form einer „Bekehrung“, durch die der andere
„dazu gebracht (würde), die Welt anders zu betrachten.“ (ÜG §92)
Trotz einer Absage an jegliche dogmatische Ansicht von der eigenen Weltsicht als der einzig richtigen
führen die Konsequenzen nicht zu einem resignierten Relativismus. Hier kommt der Stilbegriff zum Tragen,
da es zum einen möglich ist, „Propaganda“ für den einen oder anderen Denkstil zu betreiben (und hierbei
andere Menschen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen) und zum anderen Wittgenstein angesichts des
persönlichen Stils eines Menschen die ethische Forderung nach Wahrhaftigkeit stellt.
Wittgenstein, Ludwig: Briefe. Briefwechsel mit B. Russell [u.a.]. Hg. v. Brian F. McGuinness u. Georg H. v. Wright. Frankfurt/Main:
Suhrkamp 1980, 96f.
2
Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. Werkausgabe Bd.1. Frankfurt/Main: Suhrkamp 41988, § 107.
3
Wittgenstein, Ludwig: Über Gewißheit. Werkausgabe Bd.8. Frankfurt/Main: Suhrkamp 31989, §94.
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