Trainingswissenschaftliche Experimente Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF) und allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau (AZAN) Gitta Rohde 19.12.2013 Übersicht ● allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau (AZAN) ● Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF) ● Zusammenhang zwischen AZAN und FVF ● Forschungsergebnisse ● aktuelle Studie von Jan Lennartz Gitta Rohde 2 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau:AZAN ● Gegenstand in der Sportmedizin der DDR ● heute auch in der Psychophysiologie ● Grundlagen aus: ● Neurophysiologie ● Biochemie ● Psychologie ● Psychatrie und Neurochirugie ● Pharmakologie ● funktionelle Anatomie Gitta Rohde 3 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau:AZAN Voraussetzungen: ● zentralnervöse Aktivierungs- und Desaktivierungsprozesse ● objektive, reliable und valide Messinstrumente ● Zusammenhang zwischen zentralnervösen Aktivierungs- und Desaktivierungsprozessen und anderen Funktionen Gitta Rohde 4 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition Aktivierung: ● bezieht sich auf gesamten Organismus ● allgemeine Steigerung der Funktionsbereitschaft bzw. als eine generalisierte Mobilisierungsreaktion des Organismus ● häufig auf den Stoffwechsel bezogen Gitta Rohde 5 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition Aktivierung: dynamischer Aspekt (Aktivierung als Prozess) Aktivierungsniveau: statischer Aspekt (Aktivierung als Zustand) Desaktivierung: dynamischer Aspekt Gitta Rohde 6 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition zentralnervöse Aktivierung: ● eine Zustandsänderung (in beide Richtungen) des zentralen Nervensystems (ZNS) ● Erregung von neuronalen und psychischen Prozessen durch innere und äußere Reize, die Aktionen vorausgeht ● hypothetisches psychophysiologisches Konstrukt: ● es nicht unmittelbar erkannt und gemessen werden kann, sondern auf Grund von Verhaltensbeobachtungen und einer Theorie des Verhaltens als wirksam angenommen werden muss ● betrifft psychologische und physiologische Lebensprozesse Gitta Rohde 7 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition Aktivierung führt zu: ● Erhöhung der physischen Leistungsbereitschaft ● Erhöhung der psychischen Leistungsbereitschaft ● verbesserte Aufmerksamkeitsleistung ● verbesserte optische Wahrnehmung ● Verbesserung der Koordination und Präzision motorischer Handlungen Gitta Rohde 8 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition zentralnervöses Aktivierungsniveau: ● Funktionszustand von Neuronen bzw. Neuronengruppen des ZNS ● die Fähigkeit von Neuronen und Neuronengruppen zur Erfüllung spezifischer Aufgaben → Synonym: Vigilanz Gitta Rohde 9 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition Dimensionen zentralnervöser Aktivierung: ● Intensität ● Umfang ● Verlauf ● Konfiguration ● habituelle Eigenarten Gitta Rohde 10 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition Intensität zentralnervöses Aktivierungsniveau niedrig Tiefschlaf Gitta Rohde mittel Schläfrigkeit entspannte Wachheit hoch wache Aufmerksamkeit starke Erregung 11 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Definition Umfang: ● ● lokal, kleine Gebiete des ZNS → lokale oder spezifische Aktivierung allgemein, große Gebiete des ZNS → allgemeine oder unspezifische Aktivierung Verlauf: ● ● Dauer tonische und phasische Prozesse Konfiguration: ● Aktivierung variiert je nach Situation oder Anforderung habituelle Eigenarten: ● individuelle Unterschiede zwischen den Persönlichkeiten Gitta Rohde 12 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Abgrenzung Abgrenzung ● Aufmerksamkeit: ● Fähigkeit, aus allen Informationen die zu filtern, die verarbeitet werden ● psychische Prozesse (Wahrnehmen, Denken,...) ս Aktivierung: Tätigkeit der Nervenzellen → Aktivierung steuert die Aufmerksamkeit (wenn man aktiviert ist, kann man besser denken) ● ● Konzentration: ● gesteigerte Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung ● spezifische Dimension der Aufmerksamkeit Gitta Rohde 13 AZAN Begleiterscheinungen Begleiterscheinungen im ZNS: ● Änderung der bioelektrischen Aktivität der Nervenzellen ● Sensorische Funktionen (Wahrnehmungsschwellen ändern sich) ● Sensomotorische Funktionen (Reaktionszeit, Schriftprobe,...) ● Kognitive Funktionen (erfasst durch KonzentrationsLeistungstests) Begleiterscheinungen außerhalb des ZNS: ● Atmung ● Herz-Kreislauf ● elektrischer Hautwiderstand (abhängig von der Aktivität der Schweißdrüsen) Gitta Rohde 14 AZAN Einflussgrößen Begleiterscheinungen (Bestimmung des AZAN) ս Einflussgrößen (Beeinflussung des AZAN) ● Emotionen (Angst, Schmerz, Stolz, Scham, Selbstsicherheit,...) ● Motivation (Hoffnung auf Erfolg, Furcht vor Misserfolg) ● Ermüdung (psychisch oder physisch) ● physische Ermüdung (muskuläre Beanspruchung) kann aktivierend oder desaktivierend wirken ● psychische Beanspruchung wirkt generell desaktivierend Gitta Rohde 15 allgemeines zentralnervöses Aktivierungsniveau: Messung Bestimmung des AZAN mittels: ● EEG: differenzierte Informationen über zentrale Aktivierung einzelner Hirnregionen ● Herzfrequenz: sehr unspezifische Aktivierung ● Reaktionszeitmessung und Flimmerverschmelzungsfrequenz Gitta Rohde 16 Flimmerverschmelzungsfrequenz FVF ● Phänomen der optischen Verarbeitung von intermittierenden Lichteindrücken ● bekannt seit der Antike als Radphänomen ● Frequenz, die gerade noch als Flimmern wahrgenommen wird und noch nicht als kontinuierlich leuchtend (Verschmelzung) Gitta Rohde 17 Flimmerverschmelzungsfrequenz FVF abhängig von: ● Leuchtintensität (muss konstant bleiben) ● Wellenlänge und -form ● Pupillenweite ● Adaptions- und Akkomodationszustand des Auges ● monokulares vs. binokulares Sehen Gitta Rohde 18 AZAN – FVF Nachteile: ● synchrone Messung der FVF während des Sports nicht möglich, nur vor und nach der Betätigung ● Übungseffekte, Alter,... ● Versuchsleitereffekte ● Bewusstsein des Probanden, gemessen zu werden ● je höher die Ausgangsfrequenz, desto geringer die Reaktion → FVF ist eine einfach durchführbare und schnelle Methode um AZAN valide zu bestimmen Gitta Rohde 19 Forschungsergebnisse Fahrradergometerbelastung: ● 10 min: direkte Desaktivierung, nach 1 min Ruhe: Rückkehr zum Ausgangswert ● 4 min: direkte Desaktivierung, in Ruhe: Anstieg über den Ausgangswert ● 16 bzw. 11 min: belastungsabhängige Aktivierung ● 45-60 min: probandenabhängige Des- bzw. Aktivierung Gitta Rohde 20 Forschungsergebnisse ● Ende der 80er: Studien, die Belastungsarten beschrieben, aber nicht quantifizierten: ● Grundlagenausdauer-, Ausdauerbelastungen führen zu FVF-Anstieg = Aktivierung ● Intervall-, Schnellkraft- und spezifische Kraftbelastung (Krafttraining) führen zu FVF-Abfall = Desaktivierung Gitta Rohde 21 Forschungsergebnisse Wiemeyer (1990): ● anaerober-alaktazider ● anaerober-laktazider ● aerober Belastung → welche Auswirkung hat die jeweilige Belastung auf die FVF und damit die zentralnervöse Aktivierung? 2. Messung 1. Messung Aufwärmen Gitta Rohde 4. Messung 5. Messung 3. Messung 20m Sprint 300m Sprint anaerobalaktazid anaeroblaktazid 15 min Lauf aerob 23 Forschungsergebnisse Ergebnisse: ● Aufwärmen führt zu Aktivierung ● anaerob-alaktazid: keine Auswirkung auf AZAN ● anaerob-laktazid: Desaktivierung ● aerob: Aktivierung 2. Messung 1. Messung Aufwärmen 4. Messung 5. Messung 3. Messung 20m Sprint 300m Sprint 15 min Lauf AZAN: Gitta Rohde 24 Vorbereitung auf Leistung Rothe (1993): Aufwärmen dient nicht nur Reduzierung der Verletzungsgefahr, sondern auch der allgemeinen Aktivierung Aktivierung nicht nur der muskulären (physisch) Leistungsbereitschaft, sondern auch der geistigen (psychisch) Studie, die an 27 Probanden 5 unterschiedliche Aufwärmtrainingsprogramme vergleicht Hierbei werden Zeiteinheiten von 10, 15 und 20 Minuten miteinander verglichen Gitta Rohde 26 Vorbereitung auf Leistung Stretching 10 min 15 min 20 min 10 min 15 min Isometrisches Anspannen 20 min 10 min leichtes dynamisches Programm 15 min 20 min intensives dynamisches Programm gemischtes Programm Gitta Rohde 10 min 15 min 20 min 10 min 15 min 20 min 27 Vorbereitung auf Leistung 15 min Stretching 10 min Stretching vorher vorher nachher nachher +10min +10min 20 min Stretching Gitta Rohde vorher nachher 28 +10min Vorbereitung auf Leistung 15 min isometr. Anspannen 10 min isometr. Anspannen vorher vorher nachher nachher +10min +10min 20 min isometr. Anspannen Gitta Rohde vorher 29 nachher +10min Vorbereitung auf Leistung 15 min dyn.-leicht 10 min dyn.-leicht vorher nachher +10min vorher nachher +10min 20 min dyn.-leicht Gitta Rohde vorher nachher 30 +10min Vorbereitung auf Leistung 15 min dyn.-intensiv 10 min dyn.-intensiv vorher nachher vorher +10min nachher +10min 20 min dyn.-intensiv Gitta Rohde vorher 31 nachher +10min Vorbereitung auf Leistung 15 min Mix 10 min Mix vorher nachher +10min vorher nachher +10min 20 min Mix Gitta Rohde vorher 32 nachher +10min Vorbereitung auf Leistung ➔ verschiedene muskuläre Aufwärmtrainingsprogramme haben unterschiedliche Auswirkungen auf das AZAN ➔ dynamische Programme bewirken eine höhere Aktivierung als statische ➔ Stretching bewirkt Desaktivierung ➔ leichte Belastungen führen zu weniger starker Aktivierung als intensive ➔ 15 und 20 minütige Programme führen zu stärkerer Aktivierung als 10 minütige ➔ Art der Beanspruchung hat deutlicheren Einfluss auf die Aktivierung als die Dauer Gitta Rohde 33 Vorbereitung auf Leistung Kurzfristige Effekte konditioneller Fähigkeiten auf die mentale Rotationsleistung und das zentrale Aktivierungsniveau – Masterarbeit von Jan Lennartz ● Vergleich aerobe Maximalkraftbelastung – anaerobe Ausdauerbelastung (keine Kontrollmessung durchgeführt wird, welche Belastung tatsächlich vorliegt - Laktat-Messung fehlt) ● Vergleich des AZANs mittels FVF und Reaktionszeiten als Abgleich zwischen den Methoden Gitta Rohde 34 Vorbereitung auf Leistung Zur Vertiefung: ● Olivier, N. (Ed.). (1990). Zur Messung der Flimmerverschmelzungsfrequenz im Sport : Beiträge verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zur Methode der FVFMessung. Köln: Sport u. Buch Strauß, Ed. Sport. ● Rothe, M. (1993). Zur Abhängigkeit des zentralnervösen Aktivierungsniveaus von verschiedenen Aufwärmtrainingsinterventionen bei unterschiedlichen Aufwärmzeiteinheiten. ● Wiemeyer, J. (1990). Zentralnervöse Aktivierung und sportliche Leistung : Quantifizierung des zentralnervösen Aktivierungsniveaus mit Hilfe eines verbesserten Verfahrens zur Messung der Flimmerverschmelzungsfrequenz. Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Köln: Köln : Sport und Buch Strauß, Ed. Sport. Gitta Rohde 35