Staatsschauspiel Dresden Die Theaterzeitung 44 März 2014 Liebes Publikum, unsere Premieren im März sind Stoffe, die den größten denkbaren Bogen durch die Geschichte schlagen – von der griechischen Antike bis in eine fiktive Zukunft. Allen Stücken gemeinsam ist, dass sie nachdenken über das Verhältnis von Mensch und Macht, von Staat und Individuum. Bereits Sophokles nimmt sich dieser Frage an, wenn er in seiner „Antigone“ die staatliche Ordnung in die eine Waagschale wirft und die persönliche Ethik seiner Figuren in die andere. Brechts „Arturo Ui“ hingegen handelt von gesellschaftlicher Verantwortung, von der Macht, wie man sie ergreift und wie sie missbraucht werden kann. Und Juli Zeh entwirft in „Corpus Delicti“ die düstere Dystopie einer zukünftigen Gesellschaft, die den Optimierungswahn bis in die Körper und Seelen übernommen hat. Gesundheit ist hier Staatsdoktrin und weist den Bürgern ihren Rang in einer rundum kerngesunden Gesellschaft zu. Der Staat und seine Bürger also sind unser Thema in den nächsten Wochen, im Staatsschauspiel, im Stadttheater. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Herzlich, Ihr Wilfried Schulz Antigone Tragödie von Sophokles Übersetzung von Ernst Buschor, in einer Bearbeitung von Sebastian Baumgarten Unter Verwendung der Chöre aus der Oper „Antigonae“ von Carl Orff Premiere am 21. März um 19:30 Uhr im Schauspielhaus (weitere Termine: 24.3., 4., 17. und 30.4.) Theater als Geisterbeschwörung „Vielleicht passiert es, dass sich die Toten rühren“ er Regisseur Sabastian Baumgarten sprach zu Probenbeginn über Recht und Recht haben, Theater als Geisterbeschwörung, Orffs Musik und den antiken Chor. Die Fragen stellte Felicitas Zürcher. D Das Stück „Antigone“ von Sophokles wurde im Jahr 442 v. Chr. erstmals aufgeführt, also vor knapp 2500 Jahren. Wie fremd ist uns die Antike heute, 2014 n. Chr.? Sebastian Baumgarten: Sehr fremd. Die Probleme, die im Stück verhandelt werden, die dort sehr existentiell sind, stellen sich in einer wohlsituierten Gesellschaft wie der unseren nicht, oder nicht in der Art, wie sie in der Geschichte beschrieben werden. Was aber sehr wohl nachvollziehbar sein kann, ist der Versuch, sich die Texte nicht auf einer Ebene filmischer Erzählung zu erobern, sondern über das Rituelle, als Auseinandersetzung mit dem Davor, mit den Toten. Fortsetzung auf Seite 02 Antigone (Lea Ruckpaul) mit dem Chor FOTO: MATTHIAS HORN Staatsschauspiel Dresden 02 Fortsetzung von Seite 01 Wie ist diese Auseinandersetzung mit den Toten zu verstehen? Zum einen gewinnt meine Hauptfigur aus ihrem Verhältnis zu den Toten der Familie ihren Wahnsinn, dadurch beschäftigt man sich natürlich mit diesem Thema. Zum anderen ist es ein gesellschaftspolitischer Punkt: Ich glaube, dass eine Gesellschaft, die sich dauernd mit ihrer Gegenwart beschäftigt, keine Zeit mehr für den Rückblick hat, für den Anschluss an Geschichte, an geschichtliche Ereignisse. Diese werden ja immer durch Menschen ausgelöst, die an dieser Geschichte unter Umständen zugrunde gegangen sind. Wenn man diesen Kontakt zur Geschichte verliert, dann gibt es natürlich keine planvolle Perspektive, dann ändert man durch die Gegenwart, und statt des Politischen setzt sich das Ästhetische in den Vordergrund. Es gibt kein „Wohin“, wenn man nicht weiß, woher man kommt. Ich glaube, dieser Anschluss an die Vergangenheit ist kein Akt, der ausschließlich über die Narration, über das aufklärerische Erkunden funktioniert, sondern es ist ein Akt des Versuchs, bestimmte Themen wiederzubeleben und sie per Beschwörung zu reaktivieren. Vielleicht passiert es dann wirklich, dass sich die Totenwelt rührt. Antigone stellt sich in ein klares Verhältnis zu ihrer toten Familie, sie will ihren Bruder Polyneikes begraben. König Kreon aber verbietet diese Tat für den Verräter Polyneikes. Wer von beiden hat Recht, Antigone oder Kreon? Wie es bei guten Theaterstoffen immer der Fall ist: Beide nicht und beide sehr wohl. Wir haben eine instabile Situation durch die Kriegszustände, die dieses Land erlebt hat und durch die innenpolitische, bürgerkriegsartige Auseinandersetzung der beiden Brüder. In einer solchen Situation muss ein Anführer oder König zusehen, dass er das Land stabil hält. Das hat Kreon getan. Ich möchte ihn nicht nur als Despoten oder Tyrannen betrachten; ich sehe ihn auch in dem Versuch, in einem völligen Chaos Politik zu machen, und in dem Versuch, dieses Chaos im Griff zu haben. Gleichzeitig ist die Situation zwischen den beiden Brüdern Eteokles und Polyneikes, die ja den Ursprung des Stoffes bildet, nicht so leicht zu klären; es ist nicht klar, dass Eteokles als derjenige, der den Besitzstand verwaltet, im Recht ist. Insofern ist es nicht richtig, wenn Kreon sich so eindeutig auf dessen Seite stellt. Das Gleiche gilt für Antigone. Natürlich hat sie Recht, wenn sie sagt, dass beiden toten Brüdern gleiche Behandlung zuteil werden soll. Auf der anderen Seite steht sie für eine konservative Blutsbeziehungs-Denkweise, die aus heutiger, europäischer Sichtweise als äußerst konservativ gelten darf. Es ist interessant, dass der alte Kreon, die Vaterfigur, für die moderne Demokratie stehen soll und Antigone, die junge Anarchistin, eigentlich als konservative Glaubensverwalterin verstanden werden kann. Damit ist man vielleicht sehr nah an der Realität, denn so verhält es sich ja auch heute zwischen den Generationen, wenn die Älteren zu den Jüngeren sagen: „Wir waren damals radikaler.“ Neben den Protagonisten gibt es in dem Stück einen Chor, und wie immer in der Antike spielt er eine wichtige Rolle. Wie werden Sie ihn in Ihrer Inszenierung zeigen? Ich fand immer problematisch, dass man auch die Texte der Protagonisten in eine starke Form und Höhe bringen muss, so dass der Chor meistens in Energielosigkeit verschwand. Bei Einar Schleef erlebte ich den Chor das erste Mal anders, als kranke und manchmal faschistoide Masse, aus der man gleichzeitig die Notwendigkeit zu diesem Gestus, zu dieser Haltung verstehen konnte. Wir haben viel über die Toten nachgedacht, die in dem Stück zentral sind. Bei der Recherche bin ich schließlich auf Carl Orffs Musik gestoßen, die in ihrer rhythmischen und repetitiven Form dieser Geisterbeschwörung vielleicht helfen kann, die ich mit dem Text vollziehen will. Insofern werden wir einige der Chöre von Carl Orff in die Inszenierung aufnehmen. Carl Orff hat seine Oper für ein riesiges Orchester geschrieben, er schreibt u.a. sechs Klaviere, vier Harfen, zwei bis drei Xylophone und zehn bis fünfzehn Spieler für Schlagwerk vor. Wir muss man sich das am Staatsschauspiel Dresden vorstellen? Zunächst als eine Reduzierung des orchestralen Aufwandes mittels Elektronik. Gleichzeitig gibt es auf der Bühne einen Livemusiker, Christoph Clöser von „Bohren. The Club of Gore“. Die Musik dieser Band trägt genau diese Repetition, das beschwörend Langsame und diese Atmosphäre in sich, die den Moment des Rituellen unterstützt. Im Original sind es die Thebanischen Alten, warum sind es bei uns Frauen? Nach den Kriegen sind die jungen, kraftvollen Männer „verheizt“, übrig bleiben die Witwen, die Alten, die Kinder und die jungen Frauen. Vielleicht ist dieses „Völkchen“ eine Masse, die Kreon nicht mehr politisieren, nicht beherrschen kann, die sich ideologisch verweigert. Zum Regisseur Sebastian Baumgarten gehört zu den wichtigsten Schauspiel- und Opernregisseuren seiner Generation. Für seine „Orest“-Inszenierung 2006 an der Komischen Oper Berlin wurde er von der Zeitschrift „Opernwelt“ zum Regisseur des Jahres gewählt. 2011 eröffnete er mit Wagners „Tannhäuser“ die 100. Bayreuther FestFOTO: DAVID BALTZER spiele. Er inszenierte an der Semperoper und an der Oper in Kopenhagen, am Zürcher Schauspiel und am Hamburger Schauspielhaus. Am Staatsschauspiel DresIn der Inszenierung spielen nur vier Schauspieler den entstanden unter seiner Regie 2010 E. T. A. Hoffmit. Warum wollen Sie das Stück so erzählen? manns „Der goldne Topf“ sowie zuletzt „Die Räuber“ von In der Antike sah man in der Tragödie nur zwei, seit So- Friedrich Schiller. phokles drei Schauspieler. Es ist nicht ungewöhnlich, dass im Theater diese antike Praxis versuchsweise wiederholt wird und ein Stück über wenige Schauspieler zu erleben ist, die in verschiedene Rollen schlüpfen können. Besetzung Der Vorteil ist für mich, als epischer und von Brecht ge- Mit: Cathleen Baumann, Torsten Ranft, Matthias Reichwald, Lea Ruckprägter Regisseur, dass man dadurch die Möglichkeit paul und Frauenchor Regie: Sebastian Baumgarten Bühne: Hartmut Meyer der Distanzierung gewinnt, dass man einer Figur sowohl Kostüm: Christina Schmitt Video: Stefan Bischoff Musik: den Raum des Pathetischen lassen kann, als auch den Christoph Clöser Bearbeitung der Orff-Chöre: Tobias Peschanel Darstellern den Raum für verschiedene Spielformen, Chor-Einstudierung: Christiane Büttig / Thomas Mahn Dramaturgie: Felicitas Zürcher indem sie die Figuren wechseln. Quiz Die Großbuchstaben vor der richtigen Antwort ergeben das Lösungswort. Frage 1 Das thebanische Herrschergeschlecht der Labdakiden ist seit einer Missetat des Königs Laios mit einem Fluch belegt, der alle nachfolgenden Generationen ins Unglück stürzt. Welcher der hier genannten antiken Helden ist nicht mit Antigone verwandt und demnach von dem Fluch nicht betroffen? S Eteokles H Ödipus G Telemachos Frage 2 Die Schriftstellerin Juli Zeh ist durch Romane wie „Adler und Engel“, „Spieltrieb“ und „Corpus Delicti“ bekannt, die Bühnenfassung des letzteren feiert am 1. März im Kleinen Haus Premiere. Zeh übt neben dem Schreiben noch einen weiteren Beruf aus. Sie verfügt über einen Doktortitel der Universität Saarbrücken im Fachbereich O Medizin R Rechtswissenschaften E Philosophie Frage 3 Brechts „Arturo Ui“ ist eine Parabel über die Machtergreifung und den Machtausbau Adolf Hitlers, die der Dramatiker 1941 in die amerikanische Gangsterwelt übersetzte. Hauptschauplatz des Geschehens ist demnach A Chicago R New York I Atlantic City Frage 4 Tennessee Williams‘ Drama „Orpheus steigt herab“ wird Mitte März als Gastspiel der renommierten Münchner Kammerspiele am Staatsschauspiel Dresden zu sehen sein. Der erste Broadway-Erfolg des Autors Williams im Jahr 1944 trägt den Titel Z Das Glasperlenspiel B Die Glasmenagerie N Der Glaspalast Das Lösungswort bitte bis zum 15. März mailen an: [email protected], Betreff: „Quiz März 2014“. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir 10 x 2 Karten für „Geschichten aus dem Wiener Wald“ am Dienstag, 25. März um 19:30 Uhr im Schauspielhaus. Die Lösung des Februar-Rätsels lautete GAST. Die Theaterzeitung 03/2014 03 Corpus Delicti von Juli Zeh Eine Produktion mit den Studentinnen und Studenten des Schauspielstudios Dresden Premiere am 1. März wegen der großen Nachfrage im Kleinen Haus 1 (weitere Termine: 28.2. [Öffentliche Probe/Voraufführung], 4., 8., 16., 17., 29. und 31.3. sowie 1., 5., 10., 18. und 30.4.) Eine nicht mehr ferne Zukunft D ie Schriftstellerin Juli Zeh schrieb den Theatertext „Corpus Delicti“ (der später auch zu einem Roman wurde) im Jahr 2007. Nicht dass die Welt damals unschuldiger war als heute. Aber wie sehr die Flut von Daten seit der Digitalen Revolution angestiegen ist – und wie weit der Missbrauch der Daten durch Regierungen und Konzerne geht, das war vor sieben Jahren in diesem furchterregenden Ausmaß nicht absehbar. Juli Zeh schrieb eine Dystopie, eine negative Utopie, ein Science-Fiction-Szenario über eine nicht mehr ferne Zukunft, in der die Gesellschaft vom optimierten Menschen gebildet wird. Die 30-jährige Mia Holl arbeitet als Biologin und lebt in einer Welt, in der die Gesundheit und der gesunde Körper das oberste Gut ist. Dieses Staatsziel wird von der Regierung in Form einer Gesundheitsdiktatur durchgesetzt. Über einen Chip im Oberarm werden Daten aller Bürger gesammelt. So gibt es von jedem Bewohner Statistiken über dessen Urin-, Blut- und Schlafwerte. Sexualpartner werden von einer staatlichen Agentur ausgesucht und müssen ein passendes Immunsystem haben. So wird verhindert, dass Krankheiten ausbrechen. Jeder Bürger muss ein Sportpensum absolvieren und darf weder rauchen noch Alkohol trinken. Doch nicht nur die Bürger werden kontrolliert, es wird auch sonst peinlich genau auf Sauberkeit und Ordnung geachtet. In dieser Welt lebt Mia Holl, und sie ist vom System überzeugt, bis ihr Bruder Moritz wegen Vergewaltigung verurteilt wird. Er beteuert seine Unschuld – ohne Erfolg. Er wird verurteilt und Mia hilft ihm, sich das Leben zu nehmen, indem sie ihm eine Angelschnur ins Gefängnis schmuggelt, mit der er sich erhängt. Dieser Schicksalsschlag bringt Mia ins Wanken und sie vernachlässigt ihre Pflichten: Untersuchungsresultate gibt sie nicht mehr rechtzeitig ab, und auch ihr Sportpensum absolviert sie nicht mehr. Dadurch kommt sie in Konflikt mit der Methode und muss mehrmals vor Gericht erscheinen, die Schlinge zieht sich langsam zu. Der Hausjournalist des Systems Kramer hat nämlich erkannt, dass Mia zu einer Gefahr für den Staat werden kann und macht die Geschichte von ihr und Moritz in einer TV-Show zu einer öffentlichen Angelegenheit. Ein Netz aus Lügen und Halbwahrheiten spinnt sich um Mia, die sich dem Staatsapparat hilflos gegenüber sieht und schließlich kapitulieren muss. Seit Juli Zeh die Geschichte um Mia Holl und eine außer Kontrolle geratene Regierung erfand, ist viel passiert. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist noch teurer geworden, noch höher die Hürden für den Zugang zu privater, elitärer Behandlung. Gleichzeitig experimentieren die Kassen und Konzerne mit Mikrochips und „Fitness-Armbändern“, die sämtliche relevanten Körperdaten ihres Trägers verzeichnen und via App mit dem Smartphone kommunizieren können. Da wir uns mittlerweile an den Gedanken gewöhnt haben, dass unsere Daten nirgendwo und vor niemandem mehr sicher sind, scheint der Gedanke, dass eine staatliche Kontrolle auch der Körper der Staatsbürger Realität werden könnte, keinesfalls mehr abwegig. Juli Zehs „Corpus Delicti“ ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit des Menschen. Für ein Auf dem Bild: Max Rothbart, Pauline Kästner, Tobias Krüger, Nina Gummich, Nadine Quittner, Justus Pfankuch, Lukas Mundas, Kilian Land FOTO: MATTHIAS HORN Recht auf Intimsphäre, auf Krankheit, für das Recht, arbeitete „Corpus Delicti“ mit den Studentinnen und unperfekt zu sein, fehlerhaft. Für ein Recht auf das Ab- Studenten des Dresdner Schauspielstudios. Robert Koall seitige, das Schmutzige, das Sinnlose. Und eine Kampfschrift gegen staatliche Kontrolle, gegen selbstverschuldete Unmündigkeit aus Bequemlichkeit, gegen den Besetzung Mit: Nina Gummich, Pauline Kästner, Tobias Krüger, Kilian Land, Wahn der Optimierung. Regie führt Susanne Lietzow, die zuletzt in Dresden mit Kästners „Klaus im Schrank“ für Aufsehen sorgte. Sie er- Lukas Mundas, Justus Pfankuch, Nadine Quittner, Max Rothbart Regie: Susanne Lietzow Bühne und Kostüm: Marie Luise Lichtenthal Musik: Gilbert Handler Video: Petra Zöpnek Licht: Olaf Rumberg Dramaturgie: Robert Koall Staatsschauspiel Dresden 04 Und außerdem im Schauspielhaus Dresdner Reden 2014 In Kooperation mit der Sächsischen Zeitung jeweils um 11:00 Uhr im Schauspielhaus Nach den Dresdner Reden von Prof. Dr. Heribert Prantl, Roger Willemsen und Jürgen Trittin im Februar, ist am 2. März Sibylle Lewitscharoff zu Gast. Die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff veröffentlichte Hörspiele, Essays und Romane, wofür sie u. a. 1998 den Ingeborg-BachmannPreis sowie 2013 den Georg-Büchner-Preis, die wichtigste literarische Auszeichnung im deutschsprachigen Raum, erhielt. In ihrem Werk spürt sie philosophischen und religiösen Grundfragen unserer Existenz nach und stellt FOTOS: DAVID BALTZER dabei die Wirklichkeit immer wieder neu in Frage. Ihre Rede am 2. März steht unter der Überschrift Von der Machbarkeit. Die wissenschaftliche Bestimmung die Faszination des Krieges, über Kriegsbegeisterung über Geburt und Tod. und Kriegsablehnung von Künstlern im europäischen Kontext. Es sprechen u. a. der Regisseur Wolfgang Die Sächsische Akademie der Künste lädt ein Engel, die Musikwissenschaftler Frank Schneider und Künstler zwischen den Fronten am 23. März Jörn Peter Hiekel, der Präsident der Akademie Peter im Foyer 1. Rang Gülke und die Kuratorin der Otto-Dix-Ausstellung in 11:00 bis 14:00 Uhr Podiumsgespräche den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Birgit Dal20:00 Uhr Produktionsgespräch mit Wolfgang Engel bajewa über den Einfluss des Ersten Weltkrieges auf die und dem Schauspielensemble Kunst, auf die Herausbildung bis heute gültiger Topoi Aus Anlass der Inszenierung des Menschheitsdramas und künstlerischer Techniken. Welche Auswirkungen „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus hatte er auf das Entstehen, den Wandel und das Verlöladen die Sächsische Akademie der Künste und das schen künstlerischer Avantgarden? Staatsschauspiel Dresden zu einem Gespräch über Krieg, Moderation: Ole Georg Graf (Staatsschauspiel Dresden) Es gibt Tage ... Live-Konzert mit Armin Mueller-Stahl am 27. März um 20:00 Uhr Der Schauspieler Armin Mueller-Stahl ist einer der ganz wenigen deutschen Stars auf dem internationalen Film-Parkett („Lola“, „Shine“, „Das Geisterhaus“, „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“, „Illuminati“). Anfang des Jahres erhielt er den Bayerischen Filmpreis für sein Lebenswerk. Gemeinsam mit dem Filmkomponisten und Jazzsaxophonisten Günther Fischer, dem Akkordeonvirtuosen Tobias Morgenstern und dem Bassisten Tom Götze gibt er in seinem Programm Es gibt Tage ... einen Teil seiner eigenen Geschichte preis. Die Lieder sind vor mehr als 45 Jahren in der DDR entstanden, in den Songs entfaltet Armin Mueller-Stahl eine skurrile und doch sehr poetische Welt. FOTO: JIM RAKETE Theater aus Berlin, München, Wien und Hamburg zu Gast mit der Inszenierung von Schillers Die Jungfrau von Orleans, Regie Michael Thalheimer, sind im März die Münchner Kammerspiele zu Gast. Das Wiener BurgWir setzen die in der Jubiläumsspielzeit begonnene theater reist am 17. Mai mit der Produktion Die Reihe mit Gastspielen renommierter Theater in dieser letzten Zeugen nach Dresden. Das Projekt von Doron Spielzeit fort. Nach dem Deutschen Theater Berlin Rabinovici und Matthias Hartmann ist im Rahmen des „1. Bürgerbühnenfestivals – Ein deutsch-europäisches Theatertreffen“ zu erleben. Am 28. und 29. Juni folgt das Thalia Theater aus Hamburg mit Jeder stirbt für sich allein nach dem Roman von Hans Fallada in der Regie von Luk Perceval. Münchner Kammerspiele „Orpheus steigt herab“ von Tennessee Williams am 15. März um 19:30 Uhr (Einführung um 18:45 Uhr) und am 16. März um 19:00 Uhr (im Anschluss an die Vorstellung Publikumsgespräch) bei dem dieser ums Leben kam. Sie beschließt, gemeinsam mit Val, das Gartenrestaurant neu zu eröffnen. Es ist ein ebenso unerschrockener wie aussichtsloser Akt des Aufbegehrens gegen kollektive Identitäten, die sich über Rituale der Ausgrenzung stabilisieren. Und wieder rotten sich die anständigen Bürger zu einer Menschenmeute zusammen und blasen zur Hetzjagd. Das ruhige, wohl geordnete Leben einer Kleinstadt im Süden Amerikas. Im Namen des Gemeinwohls haben die Bewohner einen Bannkreis um ihre Idylle gezogen. Das Überschreiten dieser Grenze erweist sich für alle, die diesem Leben fremd sind, als Eintritt in die Hölle. Subkutan aber immer wieder auch in brutalster Offenheit herrscht ein Klima von Angst, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Hier betreibt Lady Torrance zusammen mit ihrem todkranken, tyrannischen Mann einen Gemischtwarenladen. Als der vagabundierende Musiker Val Xavier im Ort auftaucht, gerät die scheinbar stabile Ordnung ins Wanken. Lady Torrance, Toch- Eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2013. Von „Theater heute“ zu einer der drei besten Inszenierungen des Jahres 2013 gewählt. FOTO: JULIAN RÖDER ter eines Einwanderers, erfährt, was jeder andere Bewohner längst weiß: dass ihr Mann einst der Anführer einer Gruppe fanatischer Rassisten war, die den Brandanschlag auf das Gartenrestaurant ihres Vater verübten, Besetzung Mit: Tim Erny, Sylvana Krappatsch, Angelika Krautzberger, Risto Kübar, Christian Löber, Lasse Myhr, Jochen Noch, Annette Paulmann, Wiebke Puls, Çigdem Teke Regie: Sebastian Nübling Bühne: Eva-Maria Bauer Kostüme: Pascale Martin Musik: Lars Wittershagen Licht: Stephan Mariani Dramaturgie: Julia Lochte Die Theaterzeitung 03/2014 Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui von Bertolt Brecht Premiere am 28. März 2014 um 19:30 Uhr im Kleinen Haus 1 (weitere Termine: 4., 9. und 12.4.) Arturo Ui, willkommen im 21. Jahrhundert I m finnischen Exil verfasste Brecht ein Parabelstück über den Aufstieg Adolf Hitlers. Die erste Fassung von „Arturo Ui“ entstand im März 1941, als sich die militärische Ausdehnung des Nazireichs auf dem Höhepunkt befand. Die deutschen Truppen waren in Dänemark und Norwegen eingefallen, hielten Frankreich, Belgien, Holland und Luxemburg besetzt. Den Aufstieg Hitlers schien „unaufhaltsam“, und er bedrohte den Exilanten Brecht unmittelbar. „Arturo Ui“ entstand in der Hoffnung, „mit diesem Stück in Amerika bald zu Geld zu kommen“, erinnert sich Brecht-Mitarbeiterin Ruth Berlau. So wurde aus Adolf Hitler im Zuge Brecht’scher Verfremdung Arturo Ui, ein Gangsterboss aus Chicago, der das Karfiolgeschäft unter seine Kontrolle bringen will. Karfiol ist übrigens Blumenkohl. Auf einer USA-Reise Mitte der 1930er-Jahre war Brecht erstmals auf das dortige organisierte Verbrechen und seine charismatischen Führungspersönlichkeiten aufmerksam geworden. Er sammelte Zeitungsberichte über die Ermordung des New Yorker Gangsters Dutch Schulz und las über die Schutzgeldmafia, die sogenannten „rackets“, in Louis Adamics Buch „Dynamite. The Story of Class Violence in America“ (1931). Mit Hanns Eisler ging Brecht häufig ins Kino und schaute sich Gangsterfilme an, „um, wie wir uns beide lügnerisch versicherten, soziale Studien zu betreiben“, so Eisler. Filme wie „Little Caesar“ (1930) und „Scarface“ (1932) brachten Brecht auf die Spur Al Capones, der neben Hitler für die Figur des Ui Pate stand. Ein berühmtes Motiv der Gangster-Ikonographie, das Massaker am Valentinstag 1929, bei dem Capone die Mitglieder der konkurrierenden Moran-Bande niedermetzeln ließ, setzt Brecht in seinem Drama mit der Ermordung des SAFührers Ernst Röhm in eins, der als „Ernesto Roma“ Uis engsten Vertrauten gibt. Auch für die anderen prominenten NaziSchergen erfindet Brecht Namen, die an die Mafia-Wurzeln zahlreicher Gangster der Prohibitionszeit erinnern: aus Joseph Goebbels wird Giuseppe Givola, aus Hermann Göring Manuele Giri. Biographische Parallelen zwischen Al Capone und Hitler erleichterten Brecht die Gleichsetzung von Politiker und Gangster in der Figur Uis: die ungeklärte familiäre Herkunft, das nachgeholte Einüben von Verhaltensweisen der „höheren Gesellschaft“, die Vorliebe für das Wohnen in Hotels und nicht zuletzt die kriminelle Energie. Doch historische Genauigkeit darf man von „Arturo Ui“ keinesfalls erwarten, weder im Hinblick auf die Darstellung Hitlers noch auf die Al Capones. Die Brecht-Forschung kritisierte zu Recht das „reduzierte 05 Geschichtsmodell“ des Werkes, in dem die Verfolgung und Ermordung der Juden keine Entsprechung findet. Nachdem „niemand in Amerika sich für das Stück interessierte“, hatte Brecht eine Uraufführung zu Lebzeiten stets abgelehnt. Hauptsächlich fürchtete er „die mangelnde historische Reife des deutschen Publikums“, die Qualität seiner Arbeit hingegen schien er nicht in Frage zu stellen. Warum auch? Seit der Uraufführung in Stuttgart 1958 hält sich „Arturo Ui“ in den Spielplänen. Die Verbindung von zwei zunächst disparat erscheinenden Genres – Gangsterkomödie und Historiendrama – sorgt für einen „unterhaltsamen“ Abend in Blankvers, der den Blick auf die unheilvolle Verquickung von profitgeiler Wirtschaft und korrumpierbarer Politik lenkt. In fünfzehn Szenen, die einem Crashkurs für angehende Diktatoren gleichen, werden die wichtigsten Stationen von Uis alias Hitlers Machteroberung durchgespielt. Vom kleinen Bandenchef, den niemand so recht ernst nehmen will, arbeitet sich der Gangster in die Spitzen der Politik hoch. Sei es der Osthilfeskandal um Paul Hindenburg oder der Reichstagsbrand mit Schauprozess gegen den vermeintlichen Brandstifter van der Lubbe – bei Brecht heißt das „Dockhilfeskandal“ und „Speicherbrandprozess“ –, stets weiß Arturo Ui die Schwächen seiner Gegner für sich zu nutzen. Dabei macht sein Umfeld es dem Aufsteiger denkbar leicht. Brecht zeigt eine Gesellschaft, in der die wirtschaftliche Krise nur ein Symptom ist. Die Instabilität der Märkte – in diesem Fall das Blumenkohlgeschäft – ist die Konsequenz einer Gesellschaft, die Menschen nur im Hinblick auf marktwirtschaftliche Aspekte bewertet. Die Welt des „homo oeconomicus“ funktioniert nach glasklaren Regeln: Jeder denkt nur an sich und versucht, den anderen über den Tisch zu ziehen. Bündnisse bestehen nur, solange sie der Gewinnmaximierung dienen. Die Modernität von „Arturo Ui“ liegt vielleicht darin, dass es der Hauptfigur gelingt, den Rückschluss mit äußerster Konsequenz zu vollziehen: Ui behandelt Gefühle, Vertrauen und soziale Kontakte genau wie Waren und Aktien, um so zum Global Player aufzusteigen. Die langjährige Freundschaft zu Ernesto Roma opfert er ohne zu zögern, als sich ihm die Möglichkeit bietet, den Karfiolhandel in Cicero, einem Vorort Chicagos, zu übernehmen – Brechts Version vom Anschluss Österreichs. Während die anderen noch an Blumenkohl denken, ist Ui längst in der Welt der Ich-Vermarktung angekommen. Wie Hitler lässt er sich von einem Schauspieler Unterricht im Auftreten geben, denn er weiß: „Kein Mensch ist heut natürlich. Wenn ich gehe, wünsche ich, dass es bemerkt wird, dass ich gehe.“ Parallelen zu Diktatoren wie Putin, Gaddafi, Kim Jong-il und Kim Jong-un drängen sich auf. Doch in unserer spätkapitalistischen Spätdemokratie ist es gar nicht nötig, soweit in die Ferne zu schweifen. Die Ökonomisierung von allem und jedem hat längst begonnen, und es gilt herauszufinden, wer der beste Fallensteller ist. Ui gelingt es, reihenweise Menschen an sich zu binden, die aus Erfahrung höchst misstrauisch sind. Der Schlüssel zum Erfolg sind Informationen, die gesammelt und gegebenenfalls gefälscht werden. Willkommen im 21. Jahrhundert! Janine Ortiz Besetzung Mit: Thomas Braungardt, Christian Friedel, Albrecht Goette, Ben Daniel Jöhnk, Jonas Friedrich Leonhardi, Philipp Lux, Ahmad Mesgarha, Duran Özer, Ina Piontek Regie: Tilmann Köhler Bühne: Karoly Risz Kostüm: Barbara Drosihn Licht und Video: Michael Gööck Musik: Jörg-Martin Wagner Dramaturgie: Janine Ortiz „Wer für Arturo Ui ist FOTO: DAVID BALTZER die Hände hoch!“ Staatsschauspiel Dresden 06 Zu Gast im Kleinen Haus Außenblicke Von Leontine bis zu Rose Ursula Geyer-Hopfe wird 90! Geburtstagsgala für und mit Ursula Geyer-Hopfe am 2. März um 15:00 Uhr im Kleinen Haus 1 Eine gemeinsame Veranstaltung von Staatsschauspiel Dresden und tjg.theater junge generation. Eintritt frei! Die Schauspielerin Ursula Geyer-Hopfe, eine der bedeutendsten Künstlerinnen unserer Stadt, wird 90 Jahre alt! Das wollen wir gemeinsam mit der Jubilarin, Ensemblemitgliedern beider Häuser und ihren Fans aus dem Theaterpublikum feiern. Gratulanten werden jene Theater sein, an denen sie fast ein halbes Jahrhundert engagiert war, das tjg.theater junge generation und das Staatsschauspiel Dresden. Aber auch Ursula Geyer-Hopfe wird ein Geschenk mitbringen: den legendären AntoniaDietrich-Ring. Einst in Verehrung für die große Dresdner Schauspielerin gestiftet, wurde der Ring 1995 zur Wiedereröffnung des Schauspielhauses dem Theater und Ursula Geyer-Hopfe überreicht und wird nun von ihr an die nächste Trägerin weitergegeben. Mit: Nadine Boske, Christine Hoppe, Tom Quaas, Ulrike Sperberg, Julian Trostorf, u. a. King Kong von und mit Theater ASPIK am 23. März um 19:00 Uhr im Kleinen Haus 2 FOTO: ANDREAS HARTMANN Staatsschauspiel Dresden Adressen: Schauspielhaus Theaterstraße 2, 01067 Dresden Kleines Haus Glacisstraße 28, 01099 Dresden Karten: per Telefon: 0351.49 13 – 555 per Fax: 0351.49 13 – 981 per E-Mail: [email protected] im Internet: www.staatsschauspiel-dresden.de Ein Kryptozoologe und sechs Angestellte eines Großraumbüros erzählen und spielen die Geschichte von King Kong – das Büro verwandelt sich nach und nach in ein Bestiarium von Neurosen, Obsessionen und unterdrückten Trieben. Der Dschungel erobert die kleine, geordnete Welt der Sachbearbeiter, die immer tiefer in die abenteuerliche Geschichte der Begegnung mit dem monströsen Fremden geraten. Getragen von ihren Sehnsüchten, begeben sie sich auf die Suche nach dem „Biest“ ... Wir zeigen dieses Gastspiel im Rahmen einer mehrjährigen Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Team von „Der Fall aus dem All“ und „Wildnis“ (Premiere am 28. 6. 2014), dem Landschaftstheaterspektakel in der Sächsischen Schweiz. Das Gastspiel „King Kong“ wird gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes. von und mit: Florian Brandhorst, Oliver Dressel, Arnd Heuwinkel, Irene Eichenberger, Thomas Klees, Luzia Schelling, Michael Wenzlaff Regie: Uli Jäckle Impressum Herausgeber: Staatsschauspiel Dresden Intendant: Wilfried Schulz Redaktion: Dramaturgie / Öffentlichkeitsarbeit Layout: Anett Hahn, DMV Dresdner Magazin Verlag GmbH Redaktionsschluss: 25. 2. 2014 Einmal im Monat laden wir uns nahestehende Persönlichkeiten ein, in unserer Kolumne „Außenblicke“ ihre Gedanken rund um das Theater kreisen zu lassen. Im März wirft der stellvertretende Geschäftsführer der Sächsischen Staatstheater, Pierre-Yves Bazin, einen Blick von Deutschland aus auf die gegenwärtige Situation der theaterschaffenden Kollegen in Frankreich. Der aus Lyon stammende Betriebswirt ist seit 2013 als Geschäftsführer für das Staatsschauspiel Dresden zuständig und war vorher in Berlin (Sophiensaele, Theater der Welt, Sascha Waltz & Guests) und am Staatstheater Stuttgart engagiert. Theaterblicke nach Deutschland und nach Frankreich. Ensembletheater und Gastkünstlertheater. Repertoiretheater und En-suite-Theater. Ein Vergleich. Frankreichs Gesamtkulturhaushalt liegt bei 12 Milliarden Euro, der Deutschlands bei 9,5 Milliarden. Da staunen alle, die diese Zahlen lesen. Nach dem Auseinanderpflücken der Kulturzahlen sieht es gleich ganz anders aus: Es stehen dem „Spectacle vivant“ in Frankreich knapp 700 Millionen Euro zu. In Deutschland hingegen stehen Theatern und Orchestern 2,7 Milliarden zur Verfügung. In Frankreich unterhält lediglich die Comédie Française als einziges der fünf französischen Nationaltheater ein festes Ensemble. Ansonsten ist Frankreich das Land der Koproduktionen und Gastkünstler. Die Intendanten dort sind Netzwerker, produzieren ununterbrochen im Kompromiss mit anderen. Die Handschrift der „Directeurs Artistiques“ ist meist nur an der Auswahl der gezeigten Koproduktionen zu erkennen. Koproduktionen, Festivals und Tourneen sind das tägliche Brot des Theaterbetriebs. Wo meine Landsmänner noch den Freiraum für die reine Kreation finden, ist mir unklar, aber es gibt sie. Diese Produktionskultur zieht nach sich, dass die frei arbeitenden Theaterschaffenden abwechselnd Phasen von Aktivität und Inaktivität erleben müssen. Die Unédic – die Institution, die allgemein in Frankreich das Arbeitslosengeld verteilt – zahlt an die dauerhaft unregelmäßig beschäftigten Künstler und Techniker, die sogenannten „Intermittents“, über 1,2 Milliarden Euro im Jahr. 1,2 Milliarden Euro, die man dem Gesamtkulturetat zurechnen könnte, wenn man Brice Couturier von France Culture in seiner nicht unpolemischen Chronik vom 17.2.2014 folgen würde. Matthieu Gregoire, Professor der Soziologie in Amiens, zählt in seinem Bericht über die „Intermittence“ vor dem Arbeitsausschuss des französischen Bundestags zwei gegensätzliche Haltungen zum Kulturschaffen auf: in Frankreich fängt man Inaktivitätsphasen auf und in Deutschland finanziert man Vollbeschäftigung. Zu glauben, dass die französische Regierung die genannten 1,2 Milliarden in Kulturgelder umwandeln würde, um künstlerische Aktivität zu stärken, ist leider naiv. Das Théâtre de la Ville in Paris hat eine Schauspielertruppe gegründet, mit der es sechs Produktionen im Jahr auf die Beine stellt und begründet diese französische Ausnahme mit dem Sehnen nach Kontinuität, künstlerischer Innovation und Publikumsbindung. Während in Deutschland das Modell des Staatstheaters immer wieder in Frage gestellt wird anstatt es zu stärken und zu schützen, finde ich das zum Schmunzeln.