ZUSAMMENFASSUNG DER REIHE „MUT ZUR NACHHALTIGKEIT“ DES STUDIENJAHRS 2011/2012 Tanja Gottsberger Mut zur Nachhaltigkeit läuft nun schon seit drei Jahren sehr erfolgreich. Dies zeigt uns, dass Interesse in der Bevölkerung besteht, sich mit Themen zur nachhaltigen Entwicklung auseinander zu setzen. Im ersten Jahr prägten meist naturwissenschaftliche Fachvorträge die Abende. Die Themen reichten vom Biodiversitätsverlust, über die Wasserknappheit, die Überbevölkerung bis zur Weltwirtschaftskrise. Im zweiten Jahr wurden Themen gewählt, die weit über die oft stark ökologisch-ökonomisch geprägte Nachhaltigkeitsdebatte hinausschauen. Da es neben dem naturwissenschaftlichen Blickwinkel auf die Probleme unserer Zeit auch einen gesellschaftlich relevanten Zugang braucht. Es wurden daher Themen aufgegriffen, die sich mit vielfältigen Fragen des gesellschaftlichen Umgangs mit kritischen Herausforderungen beschäftigen. Es wurden Fragen zu Werten, der Risikogesellschaft und sogar zur Spiritualität aufgeworfen. Aufgrund des großen Interesses lag auch im Studienjahr 2011/2012 das Hauptaugenmerk der Veranstaltungsreihe: „Mut zur Nachhaltigkeit“ nicht auf der Darstellung der naturwissenschaftlichen Grundprobleme einer nachhaltigen Entwicklung. Das Ziel war es, den Fokus der Reihe wieder ein Stückchen weiter auf gesellschaftswissenschaftliche Fragestellungen zu richten, Vorträge und Diskussionen über Werte und ethische Fragen zur nachhaltigen Entwicklung zu zulassen und den spannenden Diskurs zwischen Geisteswissenschaftlern und Naturwissenschaftlern zu fördern. Motto des 3. Zyklus von Mut zur Nachhaltigkeit 2011/2012 war daher: Das Spannungsfeld Ethik und Nachhaltigkeit Was haben wir in diesem Jahr gelernt: Zuerst haben wir einmal gelernt, was der Unterschied zwischen Ethik und Moral ist. Laut Mag. Johannes Kaup einen unserer heurigen Vortragenden kann Ethik und Moral folgendermaßen definiert werden: Ethik ist eine Disziplin der praktischen Philosophie, die nach der Begründung moralischer Urteile fragt. Ethik begründet und diskutiert theoretisch die gesollten Wert-Normen, sowohl für das Individuum als auch für die Gemeinschaft. Die Moral hingegen beschreibt die Sitten einer Gesellschaft. Genauer geht es um die faktisch geltenden Prinzipien, Regeln und Handlungsmuster, die von einem Individuum oder einer sozialen Gemeinschaft als moralisch richtig oder moralisch falsch akzeptiert werden. Moral ist aber unabhängig davon, ob diese Vorstellungen richtigen Handelns ethisch gerechtfertigt sind oder nicht. Außerdem haben wir gelernt, dass zwischen einer wissenschaftlich philosophischen Definition von Nachhaltigkeit und einem naturwissenschaftlich pragmatischen Zugang ein großer Unterschied besteht. Für diese philosophischen/ethischen Background haben wir uns zwei namhafte Philosophen gesucht: Dr. Bachmann vom BAFU in der Schweiz im November und Prof. Kallhoff von der Uni Wien im Jänner. Sie haben unterschiedliche philosophisch/ethische Fragen zur Definition bzw. Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung aufgeworfen. Kann man z.B. an die Bedürfnisse zukünftiger Generationen denken, wenn diese noch gar nicht existieren? Wie ändert sich die Zukunft, wenn wir zukünftige Generationen heute mitdenken sollen? Werden diese Personen dann überhaupt geboren, oder andere Menschen? Sollten nicht auch andere Lebewesen oder sogar die gesamte uns umgebende Umwelt in unsere Entscheidungsfindungsprozesse miteinbezogen werden? Für Naturwissenschaftler ist es teilweise anstrengend, aber auch notwendig, sich diese Kritik am Konzept der nachhaltigen Entwicklung anzuhören, darüber nachzudenken und etwas daraus zu lernen. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist nicht in Stein gemeißelt, man kann nicht bei einer Definition von nachhaltiger Entwicklung ohne Wenn und Aber stehen bleiben. Die wichtigste Erkenntnis aus diesen Vorträgen ist wohl, dass zumindest das Wohlergehen der Enkelkindergeneration und der sonstigen belebten und unbelebten Natur, auf globaler Ebene in unsere Entscheidungen miteinbezogen werden sollte. Mag. Kaup hat dies eine Arbeits-, Wirtschafts- und Lebensweise genannt die „enkel-tauglich“ ist. Außerdem haben wir uns im heurigen Jahr mit angewandter Ethik in einzelnen Fachdisziplinen beschäftigt. Einerseits hat Mag. Schenk im Dezember über soziale NH gesprochen, andererseits Frau Prof. Stagl über die ökonomische NH, die Wachstumsproblematik und die Gemeinwohldebatte im März. Über ethische Aspekte der Grundlagenforschung hat Dr. Knoblich im Mai referiert. Mag. Schenk hat eindringlich darauf hingewiesen, dass in entwickelten Demokratien, in denen die Einkommensunterschiede nicht zu groß sind sowohl die gesundheitlichen als auch die sozialen Probleme am geringsten sind und mehr Bürger bereit sind, ihren Mitmenschen zu vertrauen. Außerdem ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass ab einem gewissen Einkommen, das persönliche Glück nicht mehr steigt. Auf diesen Aspekt hat auch Frau Prof. Stagl hingewiesen. Da aufgrund der biophysischen Grenzen des Planeten Erde ein weiteres Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern nicht mehr möglich ist! Dieses Wirtschaftswachstum brauchen wir derzeit aber wie einen Bissen Brot für die Sicherung unseres sozialen Friedens, unsere Pensionen, für die Beschäftigung und die Armutsbekämpfung. Es wäre daher mehr als dringend notwendig, intensiv über Möglichkeiten nachzudenken, wie wir unseren sozialen Frieden und unseren Wohlstand erhalten können, ohne weiteres Wirtschaftswachstum generieren zu müssen. Diese Idee halten die meisten Wirtschaftswissenschaftler aber noch für völlig unrealistisch. Hier stellt sich die Frage: Ist das ethisch vertretbar? Da während der Diskussionen der Mut zur Nachhaltigkeits-Reihe immer wieder die Frage auftaucht ist, wie Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung kommuniziert werden könnten bzw. wie uns die Medien und im Speziellen die Werbung beeinflussen, haben wir uns einen Medienexperten gesucht. Mag. Kaup von Radio Ö1. Er hat erstens dargelegt, dass für viele Menschen klassische Institutionen wie Staat, Kirche, Familie usw. an Überzeugungskraft verloren haben und dieses Vakuum unter anderem wirklich von den Medien ausgefüllt wird. Diese Verantwortung ist den Medienmachern Großteils überhaupt nicht bewusst, oder wird sogar missbraucht. Andererseits hat er folgende Frage gestellt: Was können Medien sein bzw. was sollen sie sein? Und wie können sie zur derzeit laufenden „great transition“ beitragen? Ein ethischer qualitativ hochwertiger Journalismus ist der demokratischen Öffentlichkeit verpflichtet, das heißt der Transparenz und Kontrolle. Die heutige Medienvielfalt hat seiner Meinung nach die die Gefahr der Einfalt nicht gebannt, sondern eher verbreitert. Die Informationsflut führt nicht zur Aufklärung sondern steigert die Unsicherheit in der Gesellschaft noch mehr. Und das ist gefährlich! Medien müssten ihre Aufgaben wahrnehmen und konstruktive Unruhestifter sein und zwar in Diskussionen, Dokumentationen, Leitartikeln und Kommentaren. Sie müssten die richtigen Themen unter die Leute bringen (Stichwort: Agenda-Setting). Nicht im Sinne einer elitären Bevormundung, sondern im Sinne einer befreienden Selbstermächtigung. Im Sinne dieses Agenda-Settings, sollten gute Journalisten vermehrt auf die brennende Frage eingehen: Was kommt nach dem grenzenlosen Wirtschaftswachstum? Es ist unrealistisch zu fordern, dass eine nachhaltige Entwicklung nur über die Zivilgesellschaft und jeden und jede Einzelnen funktionieren kann. Es fehlt dazu an zu Vielem: An mediale Berichterstattung: Für die Verbreitung nachhaltiger Lebensstile ist eine umfangreiche, kritische und ansprechende Informationsaufbereitung durch die Medien notwendig. Öffentlich rechtlichen Medien kommt hier eine besondere Verantwortung zu. An Vorbildern: Eine nachhaltige Entwicklung erfordert glaubhafte Vorbilder in allen Lebensbereichen, insbesondere aber in der Politik. An Bildung: An Schulen, Universitäten und andern Bildungseinrichtungen muss für globale Zusammenhänge sensibilisiert und Gestaltungskompetenz für nachhaltige Entwicklung vermittelt und gefördert werden. Es ist daher notwendig, dass auch die Institutionen, die Politik und die Interessensvertretungen endlich vermehr Schritte in die richtige Richtung wagen und sich nicht hinter den bestehenden Strukturen verschanzen. Wie man diese dazu bekommt, ist und bleibt derzeit noch eine offene Frage. Vielleicht könnte eine Wahlrechts und Demokratiereform helfen. Damit könnte der Einfluss der Wählerinnen und Wähler auf die Zusammensetzung des Parlaments gestärkt werden und die Parlamentarier müssten mehr Verantwortung übernehmen. Diese Änderungen sind aber nicht nur in Österreich sondern zumindest in der ganzen EU gefordert. Da die EU seit längerem aber mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise beschäftigt ist, um das Wachstum innerhalb der EU wieder anzukurbeln, welches laut Prof. Stagl auf Dauer gar nicht mehr möglich ist, ist derzeit in diesem Zusammenhang kein großer Innovationsschub in Sicht. So gesehen, kann also doch wieder nur jeder/jede Einzelne in seinem/ihrem ganz persönlichem Umfeld ein nachhaltiges Leben anstreben und damit zu einer faktischen Änderung unseres Lebensumfelds beitragen.