Deregulierte Strommärkte: Betriebsunterbrechungsversicherung in

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IMIA WGP56 (08)
Deregulierte Strommärkte: Betriebsunterbrechungsversicherung in
der Technischen Versicherung
Exponierung im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb
von Kraftwerken
IMIA Konferenz, Auchterarder, Schottland, 2008
Verfasst durch:
Nigel Chapman, Clyde &Co (Chairman)
Oliver Stein, Gen Re
Ugo Pino, Engineering Insurance Consultant
Milan Dinets, Ingosstrakh
Jean Scheidecker, AXA Enterprises
Munenori Takemura, Tokyo Marine & Nichido Fire
Aus dem Englischen übersetzt:
Gunthard Niederbäumer, Basler Versicherungen
Zusammenfassung
Kraftwerke haben ein hohes Schadenpotential in Bezug auf Betriebsunterbruchschäden.
Diese können oft deutlich reduziert werden, indem Einsparungen aufgerechnet werden.
Komplexe Handelsabkommen für Strom können zu Anomalien führen. Darum ist es wichtig
die Funktion des versicherten Stromhandels zu verstehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
3 1.1 Strom als Handelsgut
3 1.2 Deregulierte Märkte
3 2. Einzelne Märkte
5 2.1 Grossbritannien
5 2.2 Europäische Union
7 2.3 Russland
9 2.4 Japan
12 2.5 USA
12 2.6 Risiken – Kalifornien 2000
16 3. Grundlagen der Betriebsunterbrechungs-Versicherung
18 3.1 Bruttogewinn
18 3.2 Wichtige Einsparungen
19 3.3 Mehrkosten
19 4. Stromproduktion heute
20 4.1 Einführung
20 4.2 Kohle
21 4.3 Gas
22 4.4 Kernkraft
24 4.5 Wasserkraft
25 4.6 Windkraft
26 5. Schadenaufwand
27 5.1 Schlüsselfaktoren zur Schadenbemessung
27 5.2 Einfluss der Vertragsbedingungen
28 5.3 Selbstbehalt
29 5.4 Vertragsbesonderheiten
30 5.5 Emissionshandel mit CO2
31 5.6 Lieferfrist für Ersatzteile
32 6. Fallstudie
32 7. Danksagungen
36 -2-
1.
Einleitung
1.1
Strom als Handelsgut
Strom kann wie jedes andere Produkt als Handelsgut betrachtet werden. Er wird
produziert und über den Grosshandel an Wiederverkäufern verteilt. Diese wiederum
schliessen Verträge mit dem Endkonsumenten ab und liefern die benötigte Menge an
Strom. Der Strom kann zur sofortigen Verwendung gekauft oder als Termingeschäft
an der Börse gehandelt werden.
Was den Strom von andern Handelsgütern unterscheidet, ist die Tatsache, dass die
Produktion und der Verbrauch gleichzeitig erfolgen. Es ist zwar möglich
Produktionskapazitäten in Reserve zu haben, so dass plötzliche Bedarfsspitzen
abgedeckt werden können. Strom kann jedoch nicht gespeichert werden, abgesehen
von geringen Kapazitäten in Batterien. Der Verbrauch, resp. die Nachfrage diktiert
die Produktion zu jedem Zeitpunkt. Dies führt zu komplexen Betrachtungen beim
Kauf und Verkauf von Strom. Diese Betrachtungen haben bei einem versicherten
Schadenereignis wiederum einen direkten Einfluss auf die Schadenhöhe im Fall
eines Betriebsunterbruchs.
1.2
Deregulierte Märkte
Der
Begriff
"Deregulierung"
ist
eigentlich
nicht
die
richtige
Bezeichnung.
"Liberalisierung" wäre der präzisere Begriff, da in den meisten Strommärkten – wie
später dargestellt wird – komplizierte Regeln den "freien" Handel von Strom
regulieren.
In den letzten zehn Jahren wurde der nationale Handel mit Strom in den meisten
Ländern liberalisiert. Vor 1990 produzierten die meistens staatlichen Kraftwerke für
den lokalen Markt und waren durch ein Monopol geschützt. Die Produktion,
Übertragung und Verteilung waren oft in der Hand der gleichen Gesellschaft.
Seit den neunziger Jahren erfolgt eine schrittweise Privatisierung. Dabei erfolgt eine
Aufteilung der drei Bereiche, was zu einer Erhöhung des Wettbewerbs führte und
den Eintritt von unabhängigen Stromproduzenten ermöglichte.
-3-
Verschiedene Faktoren begünstigten diesen Prozess:
•
der technische Fortschritt bei den Gasturbinen, verbunden mit der
gestiegenen Erdgasförderung weltweit, führt zu einer höheren Flexibilität und
Effizienz bei der Stromproduktion;
•
der gestiegene Bedarf an umweltfreundlicher Stromerzeugung und der damit
verbunden Investitionen sowie die Modernisierung alter Kraftwerke;
•
die schnelle Entwicklung der IT erlauben eine bessere Überwachung und
Verrechnung
der
immer
komplizierteren
Stromtransporte.
Gleichzeitig
ermöglichen Fortschritte in der Übertragungstechnik die Bildung von
grösseren nationalen und internationalen Übertragungsnetzen;
•
der in der Vergangenheit stark gestiegene Bedarf nach Strom in den
Industriestaaten und teilweise auch in den sich schnell entwickelnden BRIC
Staaten.
Die Abbildung 1 zeigt den Stand der Marktliberalisierung, welche 1990 in
Grossbritannien startete. Norwegen war 1991 das erste Land, welches eine
vollständige Liberalisierung des Strommarkts einführte.
Abb. 1: Stand der Marktliberalisierung
-4-
2.
Einzelne Märkte
2.1
Grossbritannien
Grossbritannien war ein Pionier in der Liberalisierung des Strommarkts und damit
weltweit ein Vorbild für die Deregulierung vieler anderer Märkte.
Im Jahr 1990 wurde je ein separates Abkommen für England und Wales, sowie für
Schottland getroffen und damit ein gemeinsames Übertragungsnetz für ganz
Grossbritannien geschaffen. Diese Abkommen wurden 2005 durch ein neues
Abkommen, dem British Electricity Trading & Transmission Arrangement (BETTA),
ersetzt. Damit wurde ein einheitlicher Markt für den Stromhandel geschaffen, welcher
durch den Netzbetreiber "National Grid" überwacht wird.
BETTA ermöglichte den direkten Handel zwischen den Stromproduzenten und den
Stromverbrauchern. Im Normalfall erfolgt dies mit einer Strombezugsvereinbarung.
Mit dieser Vereinbarung verpflichtet sich der Stromproduzent dem Netzbetreiber zum
vereinbarten Zeitpunkt die vereinbarte Menge zu einem vorher festgelegten Preis zu
liefern. Die Vertragsparteien haben die totale Freiheit bezüglich der Form des
Vertrags und des Preises. Der Preis muss nicht bekannt gegeben werden. Im
Allgemeinen werden mit diesen Vereinbarungen langfristige Abkommen getroffen. Es
können jedoch auch noch bis eine Stunde vor Bezug Vereinbarungen getroffen
werden, dann ist Handelsschluss.
Ein typischer Kaufvertrag beinhaltet oft Zahlungen dafür, dass eine Produktionskapazität zur Verfügung gestellt wird, und nicht für die effektiv produzierte und
bezogene Menge Strom. Das heißt, der Käufer entschädigt den Verkäufer dafür,
dass er eine bestimmte Produktionskapazität bereithält, welche er dem Käufer zur
Verfügung stellt. Der Preis für die Kapazität beinhalten Servicegebühren,
Eigenkapitalrendite (ROE), Kosten für das Fremdkapital, Abschreibungen, Kosten für
den Betrieb und Unterhalt, Steuern und Währungsdifferenzen. Der Preis ist abhängig
von der Auslastung der Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt, und er kann sich
verringern,
wenn
die
Anlagen
nicht
voll
ausgelastet
sind.
Die
letzten
Preisanpassungen, welche die aktuelle Marktsituation mit berücksichtigen, werden
nach einer vorher festgelegten Formel berechnet. Käufer, welche sich so eine
gewisse Produktionskapazität gesichert haben, können Überschüsse, welche sie
nicht brauchen, an einer der zahlreichen Strombörsen verkaufen. Dies sind
Handelsplätze, an denen Strom gekauft und verkauft wird.
-5-
Der Handel an diesen Strombörsen erfolgt über die gleiche Zeitspanne wie der
bilaterale Handel, konzentriert sich jedoch tendenziell auf die letzten 24 Stunden. Der
Handel kann direkt zwischen Erzeuger und Verbraucher statt finden, oft erfolgen er
jedoch über Zwischenhändler. Die gehandelte Einheit ist im Normalfall die
Stromkapazität für eine halbe Stunde. Der Handel erfolgt über Computer und
umfasst standardisierte Stromeinheiten, z. B. die Lieferung von einer bestimmten
Menge Megawattstunden über eine festgelegte Zeitspanne zu einem bestimmten
Zeitpunkt. Ca. 7% der produzierten Strommenge wird über die Strombörse
gehandelt. Diese Art von Handel ermöglicht es, den Produzenten und Abnehmern
ihre Bezüge kurz vor dem Bezug dem effektiv erwarteten Verbrauch anzupassen.
Die Teilnahme an der Strombörse ist freiwillig.
Typisch für den Strommarkt ist, dass die produzierte und verbrauchte Strommenge
nicht genau der vorher gehandelten Menge entspricht. Die dabei entstehende
Abweichung wird über einen separaten Handel, Ausgleichmechanismus genannt,
gehandelt, welcher während der letzten Stunde vor der Generierung des Stroms
offen ist. Der Zweck ist es, den Verbrauch und die Produktion fortlaufend
abzugleichen. Etwa 3% der Strommenge wird auf dieser Basis gehandelt. Der
Ausgleichmechanismus wird durch das National Grid, dem Netzbetreiber betrieben.
Er tritt als Vertragspartner gegenüber aller am Handel teilnehmenden Akteuren auf.
Die Teilnahme an diesem Ausgleichsmechanismus ist freiwillig. Er umfasst die
Unterbreitung von Angeboten (durch Anbieten einer erhöhten Produktion durch die
Kraftwerke oder eines reduzierten Verbrauchs der Abnehmer) und/oder Anfragen
(durch Anbieten einer reduzierten Produktion oder gesteigerten Verbrauchs). Um
einen Ausgleich zu schaffen zwischen der Produktion und dem Verbrauch, ersteht
der
Netzbetreiber
Übertragungssystem,
Angebote
um
so
und
das
Anfragen
und
Übertragungsnetz
behebt
in
Engpässe
einem
im
konstanten
Gleichgewicht zu halten. Zusätzlich bietet er ergänzende Dienstleistungen an.
Bis zu diesem Zeitpunkt bezieht sich der gesamte Handel auf einen Zeitpunkt in der
Zukunft. Die Vergütung der effektiv gelieferten, resp. bezogenen Strommenge ist
durch den Balancing and Settlement Code geregelt, welcher durch ELEXON einer
Non-profit-Organisation verwaltet wird. Diese legt die Verpflichtungen für die
Produzenten, Lieferanten und weiteren Akteure fest, so dass ein Abgleich zwischen
der tatsächlich gelieferten Menge und der vertraglich versprochenen Menge erfolgen
kann. Da die Stromzähler in den Gebäuden nur unregelmässig abgelesen werden,
erfolgt die definitive Abrechnung erst 14 Monate nach der Lieferung. In der
-6-
Zwischenzeit findet ein Ausgleichprozess statt, welcher mit jedem Durchgang
genauer wird, da mehr und mehr Verbrauchsdaten vorliegen.
Abb. 2: Schematische Darstellung der oben beschriebenen BETTA Marktstruktur
Zurzeit kann Grossbritannien den eigenen Strombedarf abdecken. Trotzdem nimmt
es am Handel mit dem restlichen Europa teil. Die Integration der nationalen
Strommärkte ist eines der Hauptziele der Energiepolitik innerhalb der EU.
Der Strom von und nach Frankreich wird heute durch eine Hochspannungsleitung
durch den Ärmelkanal ausgetauscht. Der Strom fliesst je nach aktuellem Strompreis
in die eine oder andere Richtung. Wenn der Strompreis in Frankreich tiefer ist, wird
von dort importiert und bei höheren Preisen exportiert. Ähnliche Verbindungen
bestehen zwischen Schottland und Nordirland und zwischen Nordirland und Irland.
Eine Unterwasserverbindung zwischen Wales und Irland wird zurzeit erstellt. Weitere
Verbindungen zwischen Grossbritannien und Norwegen sowie Grossbritannien und
Holland sind geplant.
2.2
Europäische Union
Das erklärte Ziel der Europäischen Union ist die Schaffung eines einheitlichen
Strommarkts für die gesamte EU. Zurzeit bestehen parallel verschiedene
Marktsysteme,
die
Übertragungsnetz
bestehen
behoben
bleiben,
sind.
Die
bis
die
vorhandenen
gesamteuropäische
Engpässe
im
Deregulierung
ist
eingeleitet, es ist jedoch noch ein weiter Weg bis zur vollständigen Umsetzung. Die
-7-
meisten westeuropäischen Länder haben ihr eigenes Marktmodel, welches jedoch
dem britischen Model gleicht.
Frankreich, Belgien und Holland haben je einen eigenen Strommarkt, Belpex, APX
und Powernext, und je eine eigene Übermittlungsgesellschaft, vergleichbar mit
derjenigen in Grossbritannien. Belpex führte im November 2006 den Day-AheadMarkt (Teilmarkt des Spotmarktes, an dem Waren bis einen Tag vor Lieferung
gehandelt werden) in Zusammenarbeit mit Holland und Frankreich ein. In diesem
3-Länder-Markt werden die drei Ländermärkte über die Übertragungsleitung
zwischen Frankreich/Belgien und Belgien/Holland verbunden und die gewünschten
Kapazitäten ausgetauscht. Dieser Austausch bedingte jedoch keine Anpassung der
Regeln in den lokalen Märkten. Diese Märkte bleiben rechtlich unabhängig. Es gibt
keine gemeinsame Bestell-, Verrechnungs- oder Ausgleichsstelle.
Regierungen, Gesetzgeber, Netzbetreiber, Stromhändler und Marktteilnehmer aus
dem zentralen Westeuropa unterzeichneten am 6. Juni 2007 ein Absichtserklärung,
mit dem Ziel die einzelnen Märkte bis im Januar 2009 zu verknüpfen. Der
Handelszeitraum soll nicht nur in den jeweiligen Ländern harmonisiert werden,
sondern auch, soweit möglich, über die Grenzen hinweg. Zwischen Holland und
Deutschland besteht eine Verbindung, und eine weitere Verbindung ist geplant
zwischen Deutschland und Dänemark. Der Plan sieht eine Ausdehnung des
bestehenden Dreiländer-Markts zwischen Frankreich, Belgien und Holland auf einen
Mehrländer-Markt mit dem Einbezug von Dänemark und Deutschland vor.
Ursprünglich war die Umsetzung für 2007 geplant, was jedoch nicht erreicht wurde.
Im östlichen Zentraleuropa arbeiten zurzeit Deutschland, Polen, die Slowakei und
Tschechien in einer gemeinsam koordinierten Stromauktion zusammen, mit der
Hoffnung, bis 2008 den Stromhandel besser zu verknüpfen. Eine kurze
Beschreibung, wie eine solche Auktion funktioniert, findet sich in Kapitel 2.5 USA
weiter unten im Dokument. Weitere Details finden sich in Englisch in den EC
Discussion Note "Characteristics of Congestion Management Methods",
http://www.efet.org/Download.asp?File=252.
Im südöstlichen Europa muss zuerst die Voraussetzung für eine ausreichende
Übertragungskapazität geschaffen werden, welche eine auf Ausgleich basierende
Auktion erlaubt. Der Zeitpunkt der Einführung wurde noch nicht festgelegt, aber
Systembetreiber machen zurzeit Testläufe, um das geplante Vorgehen zu
überprüfen. Das Ergebnis dieser Testläufe wird veröffentlicht, und es ist beabsichtigt
künftig auch Nutzer des Netzes an diesen Testläufen zu beteiligen.
-8-
Die Erstellung von Rahmenbedingungen für eine europaweite Verknüpfung der
Märkte wird zurzeit überprüft. Das Konzept sieht eine zentrale Auktionsstelle vor, die
in allen teilnehmenden Strommärkten mitbietet und die Verantwortung für die
Verwaltung des grenzüberschreitenden Stromhandels übernimmt. Dieses Projekt ist
noch in der Konzeptionsphase. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind mehr
Übertragungsleitungen zwischen den einzelnen Ländern zu erstellen, um die
bestehenden Kapazitätsengpässe zu beheben.
2.3
Russland
In den vergangenen Jahren war die Stromindustrie in Russland von radikalen
Veränderungen betroffen durch Wechsel in der Gesetzgebung, Bildung eines
Strommarkts und dem Auftauchen von neuen Stromproduzenten. Um Investitionen
attraktiver zu machen und um die Konsumenten nachhaltig und zuverlässig mit
Strom zu versorgen, organisierte sich der Markt neu, auch dank gestiegener Effizienz
bei der Produktion. Es ist vorgesehen bis 2011 einen freien Markt zu etablieren, der
ähnlich aufgebaut ist, wie der britische oder europäische Markt.
Der Grosshandelsmarkt für Strom war üblicherweise über sogenannte Regelverträge
reguliert, die zwischen dem Produzenten und Verkäufer abgeschlossen wurden. Der
Preis wurde durch den Federal Tariff Service (TAF) und die Dauer der Verträge
durch das Ministerium für Industrie und Energie festgelegt. Im Rahmen der
Liberalisierung wird erwartet, dass langfristige bilaterale Beziehungen zwischen
Marktteilnehmern eine bessere Vorhersage der Preise ermöglichen wird. Dies ist
eine Voraussetzung um künftige Investitionen zu fördern. Die Vertragspartner bei
den Regelverträgen sind die Stromhändler und die Käufer. Sie werden vom
Administrator of Trading System (ATS) bestimmt. Die Käufer haben die Möglichkeit
den im regulierten Vertrag vereinbarten Bezug um maximal 15% zu reduzieren.
Im Jahr 2006 wurde noch der gesamte produzierte und konsumierte Strom über
diese geregelten Verträge gehandelt. Seit 2007 nimmt der Anteil des im regulierten
Markt gehandelten Stroms kontinuierlich ab, bis voraussichtlich ab dem 1. Januar
2011 der gesamte Handel über den freien Markt erfolgen wird.
-9-
Abb. 3: Entwicklung des russischen Strommarkts während der Übergangsperiode
Strom ausserhalb der geregelten Strommenge wird zu nichtregulierten Preisen
gehandelt. Das neue Marktmodel sieht zwei Arten von freiem Stromhandel vor – freie
bilaterale Verträge und einen Handel auf dem Day-Ahead-Markt. Im freien Markt
können die Marktteilnehmer ihre Vertragspartner, den Preis und die Liefermengen
wählen. Der Day-Ahead-Markt basiert auf den besten Angebote welche die Käufer
und Verkäufer einen Tag vor dem Bezug des Stroms abgeben. Die Auswahl der
besten Angebote erfolgt durch die ATS. Entspricht die eingekauft oder verkaufte
Menge nicht der effektiv benötigten Strommenge müssen die Marktteilnehme die
Differenz über den Intraday-Markt beschaffen.
Um die Gefahr einer Preismanipulationen zu reduzieren erarbeitete die Federal
Antimonopoly Service of Russia ein Verfahren um wettbewerbswidriges Verhalten zu
erkennen (z.B. überhöhte Preise oder Marktversagen – siehe Kalifornien 2000 weiter
unten).
Der neugeschaffene Grosshandel wird auch den Handel von Produktionskapazitäten
umfassen.
Dies
wird
eine
zuverlässige
und
nachhaltige
Stromversorgung
gewährleisten. Vor der Einführung der neuen Regeln für den Grosshandel erzielten
die Produzenten nur für 85% ihrer vorhandenen Produktionskapazität Einnahmen.
Der Verbraucher bezahlte jedoch die ungenutzte Kapazität über den Pauschaltarif
-10-
seiner
Stromrechnung.
Heute
erfolgt
eine
separate
Abrechnung
für
den
konsumierten Strom und die zur Verfügung gestellte Kapazität. Wenn die
Stromproduzenten ihre Produktionskapazität verkaufen, sind sie verpflichtet ihre
Kraftwerke immer betriebsbereit zu halten, um jederzeit den Strom produzieren zu
können.
Mit
anderen
Worten
bedeuten
diese
Verpflichtungen,
dass
der
Kraftwerksbetreiber seine Anlagen gemäss dem Zeitplan des Systembetreibers
betreibt. Die Bezahlung hängt von der Einhaltung der Auflagen des Systembetreibers
ab. Dies wird dazu führen, dass die Produzenten vermehrt auf Vorgaben des
Systembetreibers achten werden. Diese Marktmechanismen sollen zu einer höheren
Zuverlässigkeit der Stromversorgung, auch bei steigender Nachfrage, führen.
Um die Investitionen zu fördern, wird die Produktion aus Anlagen, die nicht bereits in
der Planung 2007 der Federal Tariff Service vorgesehen sind, ohne Preisvorgaben
über den Grosshandel gehandelt. Diese Produktionsanlagen werden nicht über die
regulierten Verträge abgedeckt. Das gleiche gilt für neue Abnehmer, die nach 2007
in den Markt eintreten.
Künftig wird die Liberalisierung des Stromgrosshandels zur Entstehung von
Nebenmärkten führen, die das Energiesystem stützen werden. Dies werden Märkte
für Dienstleistungen, Übertragungsrechte und Stromderivate sein.
Abb. 4: Die wesentlichen Formen des Grosshandels wie er für 2011 vorgesehen ist
© 2005 RAO "UES of Russia"
-11-
2.4
Japan
Die Deregulierung des japanischen Strommarkts erfolgte in drei Phasen, wobei der
Prozess noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Im
Jahr
1995
wurde
der
Grosshandel
liberalisiert,
indem
neben
den
Stromproduzenten weiteren Marktteilnehmern ermöglicht wurde, Strom an die
Energieversorgungsbetriebe zu verkaufen. Gleichzeitig wurde der Markt für den
Stromhandel geöffnet, indem Stromproduzenten erlaubt wurde, über ihre eigenen
Übertragungsnetze Strom direkt an die Endverbraucher (Private und Firmen) zu
verkaufen. Die Preise blieben reguliert.
Ein weiterer Liberalisierungsschritt im Stromhandel erfolgte 1999. Kunden, die direkt
mit Hochspannung versorgt wurden, durften direkt bei einem beliebigen Produzenten
den Strom einkaufen. Für den Transport wurden die Übertragungsnetze der
Energieversorger geöffnet, so dass die Produzenten gegen eine Gebühr den Strom
dem Endverbraucher liefern können. Die Preisregulierung wurde weiter liberalisiert
und Restriktionen, die den Energiedienstleister eine Ausdehnung ihrer Tätigkeit
untersagten, wurden abgeschafft.
Einschränkungen im Zugang zu den Stromnetzen wurde überprüft, und der
Stromhandel 2003 weiter liberalisiert. Aufgrund dieser Veränderungen werden heute
40% des in Japan erzeugten Stroms im freien Markt gehandelt, und es wurden
Anreize geschaffen, um Investitionen in die Stromproduktion zu fördern.
2.5
USA
Die Deregulierung des amerikanischen Markts erfolgte Staat für Staat und begann in
den frühen 90'er-Jahren. Ende des vergangen Jahres war der Strommarkt in 17
Staaten und in Washington DC dereguliert. Die verbleibenden Staaten sind weiterhin
reguliert, mit staatlich vorgeschriebenen Preisen und ohne Konkurrenz.
In den USA gab es nie Staatsbetriebe. Die regional verankerten Energieversorger
besaßen
ein
reguliertes
und
vertikal
verknüpftes
Monopol.
Ein
einzelner
Energieversorger kontrollierte die Produktion, Übertragung und Verteilung in seiner
Region. Jeder Stromproduzent unterhielt genügend Produktionskapazität, um die
Bedürfnisse seiner Kunden zu befriedigen. Die Stromübertragung über weite
Distanzen diente ausschliesslich für den Notfall. Es bestanden nur wenige
Verbindungen zwischen den verschiedenen Übertragungsnetzen. Die Preise waren
staatlich geregelt.
-12-
Der Kongress verabschiedete 1992 ein Energiegesetz, das die Voraussetzungen
schaffte für die Restrukturierung der Stromwirtschaft. Das Gesetz sieht eine Öffnung
des Strommarkts für Unternehmen vor, die keinen Strom produzieren. Um den
Wettbewerb im Stromgrosshandel zu fördern, gab die staatliche Energiebehörde
(FERC) 1996 die Verordnung 888 heraus. Diese verpflichtete die Energieversorger
zur Öffnung ihrer Übertragungsnetze für Stromproduzentern, so dass diese ihren
Strom über fremde Übertragungsnetze zu den Kunden liefern können. Diese
Regelung sieht zudem eine Auftrennung der Produktion, Übertragung und Verteilung
vor. Die beiden letzten Bereiche verbleiben in der Verantwortung der lokalen
Energieversorger und sind weiterhin reguliert. Die Preise im Grosshandel werden
nicht mehr festgelegt. Die unabhängigen Produzenten können, in Konkurrenz mit den
bisherigen Energieversorgern, den Strom direkt an die Verbraucher oder an die
Energieversorger verkaufen.
Die Vereinbarungen im liberalisierten Markt unterscheiden sich in den verschiedenen
Staaten, wobei in den meisten Staaten ein unabhängiger Systembetreiber (ISO) den
Handel im Auftrag des Staats, einer Region oder eines regionalen Netzbetreibers
(RTO) beaufsichtigt.
Es gibt im Wesentlichen drei verschiedene Auktionen: den Day-Ahead-Markt, den
Intra-Day-Markt und den Regelenergiemarkt. Am Day-Ahead-Markt werden einen
Tag im Voraus Verträge für die Lieferung einer Stunde Strom (Stundenverträge)
abgeschlossen. Der Intra-Day-Markt erlaubt es dem ISO/RTO entsprechend dem
tatsächlichen
Bedarf
noch
geringe
Anpassungen
vorzunehmen,
und
der
Regelenergiemarkt erlaubte es kurz vor Bezug Differenzen zwischen Nachfrage und
Angebot auszugleichen.
-13-
Abb. 5: Vereinfachte Darstellung des Day-Ahead-Markts
Das Beispiel in Abb. 5 zeigt eine vereinfachte Darstellung der Funktionsweise des
Day-Ahead-Markts mit sechs Stromproduzenten als Teilnehmer. Die ISO erhält
Angebote von jedem der sechs Produzenten die zwischen 0 Cents/kWh für
5'000 MW und 3 Cents für 4'000 MW liegen. Insgesamt werden 21.5 Gigawatt (GW)
angeboten, die Nachfrage beträgt jedoch nur 12.5 GW (1 GW = 1'000 MW). Der
Bedarf von 12.5 MW kann mit dem Angebot von nur vier Produzenten abgedeckt
werden, die übrigen Angebote werden nicht benötigt. Der höchste Preis (market
clearing price MCP) innerhalb der für die Deckung der Nachfrage benötigten Menge
liegt bei 2 Cents/kWh. Alle Anbieter, deren Angebot erfolgreich war, erhalten nun den
MCP, unabhängig vom ursprünglich angebotenen Preis. Somit erzielen diejenigen
mit einem Angebot unter dem MCP einen höheren Preis als sie ursprünglich verlangt
haben, sogar derjenige der kostenlos geliefert hätte.
Wie später noch im Detail erläutert wird, sind thermische Kraftwerke so ausgelegt,
dass sie kontinuierlich Strom produzieren. Auch Laufwasserkraftwerke sind nur
schwer anzuhalten. Aus diesem Grund sind Betreiber solcher Anlagen oft bereit in
Zeiten sehr geringer Nachfrage, zum Beispiel mitten in der Nacht, ihren Strom
kostenlos abzugeben, da es teurer ist ein solches Kraftwerk anzuhalten, als es für
eine Stunde kostenlos weiter zu betreiben. Steigt der Strombedarf am Morgen wieder
-14-
an, bräuchte zudem die Wiederinbetriebnahme zu viel Zeit, so dass der Strom für
diese Periode mit höheren Strompreisen nicht zur Verfügung stehen würde.
Die Verordnung 888 der FERC war ein wichtiger Schritt für den regionalen
Grosshandel mit Strom. Die Tarife und die Handelsbedingungen waren jedoch noch
lange nicht vollkommen. Die FERC ist zurzeit daran, Verbesserungen vorzuschlagen
und die Verordnung zu überarbeiten. Trotzdem brachte die neue Verordnung einen
besseren Netzzugang für viele Stromanbieter und Stromkonsumenten. Seit dem
Erlass der Verordnung haben sich sechs unabhängige Systembetreiber (ISO)
gebildet: (1) Neuengland, (2) New York, (3) PJM Interconnection (deckt das Gebiet
der Mid-Atlantic Staaten und einen Teil des mittleren Westens ab), (4) mittlerer
Westen, (5) Kalifornien und (6) der Süd-West Strom Pool (SPP) der Teile von Texas,
Louisiana, Arkansas, Missouri, Kansas und Oklahoma umfasst. Die Verordnung Nr.
2000, die im Jahr 1999 von der FERC erlassen wurde, verlangt von allen
Systembetreibern, welche ein Übertragungsnetz betreiben, die Teilnahme an einer
überstaatlichen regionalen Netzbetreiberorganisation (RTO). Trotz dieser beiden
Verordnungen nehme viele öffentlichen Stromversorger weder an ISO noch an RTO
teil. Somit bleibt die Liberalisierung des amerikanischen Strommarkts lückenhaft.
Die ISO/RTO besitzt keine eigenen Übertragungsnetze. Diese bleiben im Besitz der
bestehenden Gesellschaften. Der Zweck der ISO ist es, zu gewährleisten, dass alle
Marktteilnehmer ungehinderten Zugang zu den Übertragungsnetzen haben, um so
den Wettbewerb zu fördern. Sobald die Akutionen abgeschlossen sind, können die
Verlierer der Auktion ihren Strom an anderen Auktionen anbieten. Sobald der
Zeitpunkt der Stromlieferung kommt, versendet die ISO die Aufträge zu Händen der
Stromproduzenten mit Angaben, wann die Lieferung beginnet, wann sie zu Ende ist
und wie viel erzeugt werden muss.
Um Überlastungen im Übertragungsnetz zu beschränken verlangen die meisten
ISO/RTO neben der Übertragungsgebühr zusätzlich noch eine Überlastungsgebühr.
Diese Gebühr ist gekoppelt an den Preis im Spotmarkt welcher wiederum abhängig
ist von der Nachfrage auf dem Markt, insbesondere für sehr kurzfristig zusätzlich
benötigte Strommengen, welche zu einer Überlast führen können. Dieses System mit
den zusätzlichen Gebühren wird "Locational Marginal Pricing" (LMP) genannt. Die
Grundidee dieses Systems ist es, für die Stromerzeuger einen Anreiz zu schaffen,
neue Übertragungskapazitäten zu erstellen und so ihre Ausgaben zu senken.
-15-
2.6
Risiken – Kalifornien 2000
Um die Risiken des Stromhandels und die Komplexität der liberalisierten Marktmechanismen besser zu verstehen, ist es interessant die Erfahrungen in Kalifornien
aus dem Jahr 2000 etwas genauer zu betrachten. Dies obwohl sie nicht direkt im
Zusammenhang mit den Überlegungen bezüglich dem Betriebsunterbruch stehen.
Kalifornien war der erste US-Bundesstaat, der den Grosshandel für Energie
liberalisierte. Als einen Teil des Liberalisierungsprozesses mussten im März 1998 die
Energieversorger ihre Kraftwerke abgeben, um so den Wettbewerb zu fördern. Die
Energieversorger waren weiterhin für die Übertragung und für den Verkauf des
Stroms verantwortlich, dies in Konkurrenz mit unabhängigen Marktteilnehmern.
Insgesamt wurde 40% der Produktionskapazität an unabhängige Stromproduzenten
verkauft. Die Energieversorger waren verpflichtet ihren Strombedarf auf dem neu
geschaffenen Spotmarkt, the California Power Exchange, zu beziehen. Es war ihnen
nicht erlaubt, langfristige Verträge abzuschliessen, die ihnen ermöglicht hätte, sich
gegenüber kurzfristigen Preisschwankungen im Markt, z.B. durch Lieferengpässe
oder Bedarfsspitzen, abzusichern.
Im Jahr 2000 waren die Grosshandelspreise dereguliert, die Preise für den
Verbraucher waren jedoch weiterhin reguliert und unveränderlich, in der Annahme,
dass sie in jedem Fall höher bleiben als die Grosshandelspreise.
Mit der Zeit wurden die kalifornischen Netzbetreiber abhängig von Stromimporten
aus Wasserkraftwerken in den nordwestlichen Bundesstaaten Oregon und
Washington. Im Sommer 2000 führte eine anhaltende Trockenheit in diesen Staaten
zu einer Verknappung des Stromangebots, welches für Kalifornien zur Verfügung
gestellt werden konnte. Es war jedoch zu jedem Zeitpunkt in der Krise genügend
Produktionskapazität vorhanden, um den Bedarf zu decken. Die Reserven waren
jedoch so niedrg, dass die unabhängigen Stromproduzenten den Staat erpressen
konnten, indem sie Kraftwerke für Wartungsarbeiten aus dem Verkehr zogen, um so
Angebot und Nachfrage zu beeinflussen. Diese kritischen Abschaltungen erfolgten
einzig aus dem Grund, die kalifornischen Netzbetreiber dazu zu zwingen, im IntraDay-Markt den Strom zu stark überhöhten Preisen bei privaten Stromproduzenten zu
beziehen.
Hinzu kam eine ungenügende Netzinfrastruktur in Kalifornien. Die wichtigste
Übertragungsleitung (Linie 15), die eine Stromübertragung zwischen dem Norden
und Süden von Kalifornien erlaubte, wurde seit Jahren vernachlässigt. Dadurch
wurde sie zu einem Engpass für die Stromübertragung zwischen Nord und Süd und
-16-
verringerte die Möglichkeiten der ISO bei einer Verknappung in einer Gegend
genügend Strom aus einer anderen Gegend zu beziehen.
Diverse unabhängige Stromproduzenten und Stromhändler, insbesondere Enron,
manipulierten den Markt, um anomale Versorgungssituationen zu schaffen, wodurch
der Eindruck einer Stromknappheit entstand. Dadurch wurden die Preise während
den Verbrauchsspitzen in die Höhe getrieben. Die neue Marktregelung erlaubte es
den Energieversorgern für den Strom aus anderen Staaten höhere Preise zu
verlangen. Oft wurde jedoch durch ein Verfahren, das bekannt wurde unter dem
Begriff "Megawatt waschen", Strom aus Kalifornien als ausserstaatlicher Strom
getarnt.
Kurzfristig
waren
solche
Manipulationen
finanziell
tödlich,
da
die
Grosshandelspreise über den Verkaufspreis stiegen.
Das Resultat war ein Chaos mit zeitweiligen Blackouts, wovon Verbraucher in ganz
Kalifornien betroffen waren. Dies führte im Januar 2001 dazu, dass der Gouverneur
von Kalifornien den Notstand ausruf. Ein Energieversorger, Pacific Gas and
Electricity, ging in Konkurs und einem weiteren, Southern California Edison, musste
mit öffentlichen Geldern geholfen werden. Da die kalifornischen Energieversorger
faktisch bankrott waren und nicht mehr in der Lage waren, Strom einzukaufen,
musste die Regierung im Markt Strom zu überhöhten Preisen beschaffen.
In den darauf folgenden Untersuchungen machte der Vorsitzende der Kalifornischen
Energiebehörde gegenüber dem Untersuchungsausschuss im Mai 2002 folgende
Aussage:
"Es gibt eine wichtige Lektion, die wir aus dieser Erfahrung gelernt haben: Strom
ist grundlegend anders als alle anderen Handelswaren. Er kann nicht
gespeichert werden, man sieht ihn nicht und wir können nicht auf ihn verzichten.
Dies schafft in einem deregulierten Markt unzählige Gelegenheiten, sich einen
Vorteil zu verschaffen. Es handelt sich um ein öffentliches Gut, welches vor
privatem Missbrauch geschützt werden muss. Wenn Murphys Gesetz für den
Strommarkt geschrieben worden wäre, dann würde das Gesetz lauten, 'jedes
System das missbraucht werden kann, wird missbraucht und zwar zum
dümmsten Zeitpunkt', und der Strommarkt kann von Natur aus missbraucht
werden. Nie wieder dürfen wir privaten Interessen erlauben, eine künstliche oder
auch reale Stromknappheit zu verursachen….Enron steht da für Geheimhaltung
und fehlende Verantwortung."
Aus diesem Grund muss, wie in der Einleitung bereits erwähnt, die Liberalisierung
und Deregulierung des Strommarkts mit umfassenden Regelungen für den
-17-
Stromhandel begleitet werden; dies um den Missbrauch des Systems, wie ihn Enron
in Kalifornien betrieben hat, zu vermeiden.
3.
Grundlagen der Betriebsunterbrechungs-Versicherung
3.1
Bruttogewinn
Ein erzwungener Produktionsstopp durch ein versichertes Schadenereignis kann
gravierende finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Darum lohnt sich eine gute
Versicherung gegen ausbleibende Einnahmen.
In Europa wird normalerweise beim Betriebsunterbruch der Bruttogewinn versichert
der wie folgt definiert ist:
"Umsatz (Bruttoumsatz) minus variable Kosten (z.B. Rohmaterial oder
Brennstoffe)"
In den USA wird häufig eine ältere Definition verwendet, die den Versicherten
entschädigt für:
"Reinertrag plus die üblichen fixen Kosten"
Der Reinertrag entspricht dem Nettogewinn, d.h. dem Umsatz minus fixe und
variable Kosten. Obwohl die amerikanische Form die normalen Betriebskosten
dazurechnet, führen beide Methoden praktisch zum gleichen Resultat.
Der Bruttogewinn ist im Allgemeinen definiert als "der Betrag, um den sich der
Umsatz während der Ausfallszeit verringert, gegenüber dem üblicherweise erzielten
Umsatz".
Der üblich erzielte Umsatz (Standard-Umsatz) wird festgelegt auf Grund des
Ergebnisses der letzten zwölf Monate vor dem Schadenereignis. Oft enthalten
Versicherungspolicen jedoch folgende besondere Bedingung:
"Zur Bestimmung des Bruttogewinns ist die Geschäftsentwicklung vor und nach
dem Schadenereignis zu berücksichtigen. Der Bruttogewinn hat so nah wie
möglich an das Ergebnis heranzukommen, das ohne Schadenereignis während
des entsprechenden Zeitraums nach dem Schadenereignis erreicht worden
wäre."
Diese Formulierung ist etwas ungenau und kann in der Praxis zu Diskussionen über
die künftige Marktentwicklung führen und damit über den erzielten Gewinn, der
erzielt worden wäre, wenn der gedeckte Schaden nicht eingetreten wäre. Der
Grundsatz dieser Klausel ist klar; es soll dem Versicherten kein Ertrag dadurch
-18-
entgehen, dass der Schaden eingetreten ist. In einem komplexen Markt, wie dem
Strommarkt, kann die Umsetzung jedoch recht schwierig sein.
3.2
Wichtige Einsparungen
Der Bruttogewinn setzt sich aus dem Nettoertrag und den fixen Kosten zusammen,
d.h. denjenigen Kosten die anfallen, unabhängig davon, ob Strom produziert wird
oder nicht. Variable Kosten werden nicht in die Berechnung mit einbezogen, da sie
nur entstehen, wenn Strom produziert wird, und während eines Betriebsunterbruchs
eingespart werden können.
Unter Umständen kann während eines Unterbruchs auch ein Teil der fixen Kosten
eingespart werden (siehe Beispiel in Kapitel 5). Diese Einsparungen müssen bei der
Bestimmung der Schadenhöhe mit berücksichtig werden, ansonsten profitiert der
Versicherer von einem Schadenereignis.
Abb. 6: Eingesparte Kosten
3.3
Mehrkosten
Policen für den Betriebsunterbruch decken neben dem Bruttogewinn auch
Aufwendungen, welche zur Reduktion des Schadens während der Haftungsdauer
getroffen werden. Diese Kosten entsprechen nicht den Schadenminderungskosten,
da sie den Verlust während der Haftzeit reduzieren müssen, um entschädigt zu
werden.
-19-
Eine solche Bedingung wird üblicherweise wie folgt formuliert:
"Die zusätzlichen Kosten, die notwendig und sinnvoll sind und aus dem
alleinigen Bestreben entstehen, einen Umsatzrückgang zu vermeiden oder zu
vermindern, der ohne solche zusätzliche Kosten als Folge des Schadens
während der Haftzeit eingetreten wäre, die jedoch nicht die Summe übersteigen
dürfen, die sich aus der Multiplikation der Bruttogewinnrate mit dem Betrag des
durch den Aufwand der zusätzlichen Kosten vermiedenen Umsatzrückgangs
ergibt."
4.
Stromproduktion heute
4.1
Einführung
Das Grundprinzip der Stromerzeugung ist immer das selbe. Vereinfacht gesagt,
braucht es eine Energiequelle, um eine Kupferschlaufe in einem Magnetfeld zu
bewegen und dadurch Strom zu produzieren.
Die Energiequelle kann unterschiedlich sein, aber im Allgemeinen gibt es zwei
Kategorien: Wärme und Bewegung.
Wärme wird verwendet um Dampf zu erzeugen, welcher mit Druck durch
Turbinenschaufeln geleitet wird, um den Generator anzutreiben. Die Wärme kann
entweder durch Verbrennen von Kohle, Erdöl oder Gas oder durch eine nukleare
Reaktion erzeugt werden.
Bewegung kann erbracht werden durch Wind oder Wasser. Wasserkraft wird erzeugt
mit Hilfe von Dämmen, entweder um ein Reservoir zu bilden oder um Wasser eines
Flusses oder Meereswasser bei Gezeiten zurückzuhalten. In beiden Fällen bewegt
das aufgestaute Wasser eine Turbine, welche den Generator antreibt.
Es gibt eine besondere Form der Wasserkraft das sogenannte Pumpspeicherwerk.
Dieses kann überschüssige Stromproduktion dazu verwenden, Produktionskapazität
zu speichern, die später wieder in Strom gewandelt werden kann. Bei geringem
Strombedarf wird überschüssiger Strom von Wärmekraftwerken dazu verwendet,
Wasser in einen höher gelegenen Speicher zu pumpen. Während Phasen grossen
Strombedarfs, kann dieses gespeicherte Wasser dazu verwendet werden,
zusätzlichen Strom zu erzeugen, um so den Spitzenbedarf abzudecken. Dies ist
nicht nur eine geeignete Form, um Produktionsreserven für den Spitzenbedarf zu
schaffen, sonder ist auch wirtschaftlich interessant, dadurch dass im Intra-Day-Markt
dieser Strom zu hohen Preisen verkauft werden kann.
-20-
Abb. 7: Der Anteil der einzelnen Energiequellen für Grossbritannien und weltweit.
Electricity Production by Input / Fuel
6%
Nuclear
Renewables
9%
25%
experience
Gas
23%
3%
32%
26%
Coal
39%
35%
Oil
3%
World
08/08/2008
UK
Maston Driscoll & Damico,
London
51
Energiequellen werden unterteilt in "erneuerbare" und "nicht erneuerbare" Quellen.
Erneuerbare Energien sind Windkraft, Sonnenenergie, Gezeitenkraft und Wasserkraft. Diese Quellen werden bei der Stromproduktion nicht verbraucht und können
wieder verwendet werden. Weitere Beispiele für erneuerbare Energien sind
Biomasse, Abfallholz, Deponiegas und Gas durch Vergären von Klärschlamm. Alle
dieser Quellen ermöglichen eine effiziente Verwertung von Bioabfällen. Sie werden
jedoch nicht sofort erneuert, wie die Wind- oder Gezeitenenergie, sondern mit einer
gewissen Verzögerung.
4.2
Kohle
Kohle ist weltweit die grösste Energiequelle für die Produktion von Strom.
Kohlekraftwerke zu erstellen, ist sehr teuer. Stehen sie jedoch einmal, sind die
Kosten für den Betrieb der Anlagen relativ gering. Sie sind in der Regel relativ
zuverlässig und haben eine lange Lebensdauer. Dies ist der Grund, warum heute
immer noch so viele Anlagen in Betrieb sind.
-21-
Abb. 8: Die schematische Darstellung eines typischen Kohlekraftwerks
Coal-Fired Plant
08/08/2008
Maston Driscoll & Damico,
London
38
Kohlekraftwerke erzeugen grosse Mengen an CO2. Bemühungen, den CO2-Ausstoß
zu verringern, können künftig zu deutlich höheren Betriebskosten führen.
Eine in Betrieb laufende Anlage, braucht längere Zeit, um in den Stillstand herunter
zu fahren. Daher kann die Produktion kurzfristig dem Bedarf nur wenig flexibel
angepasst werden.
Im Normalfall produziert es eine konstante Menge an Strom und wird aus diesem
Grund zur Produktion der sogenannten "Grundlast" verwendet, d.h. Betreiber von
Kohlekraftwerken können davon ausgehen, dass sie ihren Strom fortlaufend
absetzten können.
4.3
Gas
Die Stromproduktion mit Gasturbinen-Kraftwerken gehört zu der am schnellsten
wachsenden Produktionstechnologie. Die meisten neuen Kraftwerke werden mit Gas
betrieben.
Sie haben niedrigere Erstellungskosten als Kohlekraftwerke, sind jedoch im Unterhalt
teurer. Bezüglich der Schadstoff-Emissionen sind sie besser als die Kohlekraftwerke.
Die Anlieferung des Brennstoffs über Pipelines ist einfacher. Dadurch, dass die
-22-
Produktion schnell und preiswert angepasst werden kann, bieten sie eine grössere
Flexibilität bezüglich der Produktionsmenge.
Abb. 9: Funktionsschema eines Gas-Dampf-Kombikraftwerks
Combined Cycle Gas Turbine Generator
07/08/2008
Maston Driscoll & Damico,
London
Ein Kombikraftwerk ist in der Lage, gleichzeitig zwei Generatoren mit einer
Energiequelle zu betreiben.
Auf der linken Seite des Schemas ist der offene Kreislauf. Die Antriebskraft der
Gasturbine wird durch die Verdichtung der einströmenden Luft und das aus den
Brennern ausströmende heiße Gas erzeugt. Diese Kombination des Antriebs ist sehr
effizient.
Dieser Kreislauf wird kombiniert mit einem zweiten Kreislauf, in welchem das heiße
Gas weiter genutzt wird, um Dampf zu erzeugen. Dieser treibt dann eine
konventionelle Dampfturbine an, welche einen weiteren Generator antreibt. Dies
geschieht ohne zusätzlich Energie zuzuführen.
Der Kombi-Kreislauf,
im Schema, kann relativ schnell ein- bzw. abgeschaltet
werden. Dies ermöglicht es dem Kraftwerksbetreiber schnell und einfach auf
Nachfragespitzen zu reagieren. Der offene Kreislauf benötigt mehr Zeit zum
Hochfahren und bis er volle Leistung produziert. Oft wird dieser Kreislauf mit
konstanter Leistung betrieben und steuert so einen Beitrag zur Grundlast bei.
-23-
40
Dies Art der Stromproduktion hat in der heutigen Marktsituation viele Vorteile:
genügend Erdgasvorkommen, effiziente und saubere Produktion und besonders
wichtig, eine hohe Flexibilität bei der Produktionsmenge. Dies ermöglicht es dem
Betreiber bei hohem Strombedarf gezielt die Produktionsmenge zu steigern und so
von den höheren Strompreisen zu profitieren. Der dadurch erzielte zusätzliche Ertrag
deckt die höheren Unterhaltskosten bei weitem.
Beim Ausfall eines solchen Kraftwerks müssen bei der Entschädigung die komplexen
Handelsverträge mit berücksichtigt werden (siehe Fallstudie im Kapitel 6) und die
Marktentwicklung und Handelsstrategie des Kraftwerks muss verstanden werden.
Den Einkommensverlusten durch den Ausfall der Stromproduktion können
Einsparungen bei den Unterhaltskosten entgegengestellt werden. Zudem kann das
nicht verbrauchte Erdgas verkauft werden und so können schadenmindernde
Einkünfte erzielt werden. Es wird zudem empfohlen, die laufende Verfügbarkeit der
Anlage zu dokumentieren, da die Produktion bei diesen Anlagen sehr schwankt und
der Betrieb weniger zuverlässig ist, als bei Kohle- oder Nuklearkraftwerken.
4.4
Kernkraft
Abb. 10: Die Anordnung eines typischen Kernkraftwerks.
Typical Nuclear Power Station
08/08/2008
Maston Driscoll & Damico,
London
-24-
44
Kernkraftwerke haben sehr hohe Erstellungs- und auch Abbruchkosten. Dazwischen
können sie jedoch sehr effizient und ertragreich und zuverlässig betrieben werden, mit
relativ geringen konstanten Betriebskosten und hohem Wirkungsgrad. Das Herauf- und
Herunterfahren ist eine aufwändige Prozedur. Aus diesem Grund werden diese
Kraftwerke praktisch ausschliesslich zur Produktion der Grundlast genutzt.
4.5
Wasserkraft
Auch bei diesen Kraftwerken sind hohe Anfangsinvestitionen notwendig, aber sind sie
einmal erstellt, produzieren sie günstig und zuverlässig Strom.
Die billigste Art die Wasserkraft zu nutzen, ist der Bau von Laufwasserkraftwerken, da
der Damm in der Regel nicht sehr gross sein muss. Häufig wird diese Form der
Wasserkraft genutzt, um kleine Ortschaften oder abgelegene Fabriken mit Strom zu
versorgen. Eine verwandte Form der Stromproduktion ist das Gezeitenkraftwerk.
Speicherkraftwerke sind kostspieliger zu erstellen, da die Staumauer grösser und
teurer ist als beim Laufwasserkraftwerk. Auf Grund der hohen Investitionen und dem
konstanten Zufluss des Wassers in den Speicher, das im Fall, in dem es nicht
verwendet wird, nutzlos überlaufen würde, werden diese Kraftwerke konstant
betrieben, zumindest solange Wasser in den Speicher fliesst.
Dank der Fähigkeit kontinuierlich Strom zu günstigen Preisen zu produzieren, wird die
Wasserkraft oft für die Erzeugung der Grundlast eingesetzt. Nimmt während
Trockenperioden (z.B. Kalifornien 2000) die erzeugbare Menge signifikant ab, führt
dies zu einem Marktvorteil für die Betreiber von modernen Gaskraftwerken, deren
Produktionsreserven in Zeiten der Knappheit zur Verfügung stehen.
Abb. 11: Aufbau eines typischen Wasserkraftwerks
Typical Hydro Station
08/08/2008
Maston Driscoll & Damico,
London
-25-
42
Wie bereits erwähnt, ist das Pumpspeicherkraftwerk eine besondere Form des
Wasserkraftwerks. Verglichen mit den anderen Wasserkraftwerken ist dies eine teure
Stromproduktion, da für das Hinaufpumpen des Wassers in den Speicher zuerst
einmal Strom benötigt wird. Trotzdem sind diese Kraftwerke sehr hilfreich, um das
Netz zu stabilisieren, da sie bei Spitzenbedarf sehr kurzfristig Strom erzeugen
können. Aus diesem Grund können sie sehr ertragreichen Strom erzeugen, jedoch
nicht über eine längere Periode. Der Gesamtertrag ist auch hier abhängig von
Angebot und Nachfrage.
4.6
Windkraft
Die Installationskosten sind abhängig vom Standort der Anlage. Zunehmend werden
sie Offshore erstellt, was einerseits die Erstellungskosten erhöht, andererseits den
Bau von grösseren Anlagen erlaubt.
Obwohl sie nur einen geringen Anteil der globalen Stromproduktion ausmachen,
tragen sie eher zur Erzeugung der Grundlast bei, als zur Abdeckung des Spitzenbedarfs.
Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens ist dies eine umweltfreundliche Art der
Stromproduktion. Viele Länder suchen daher die Windenergie möglichst intensiv zu
nutzen, um die Kriterien des Kyotoprotokolls zu erreichen. Zweitens werden einige
Teile der Windturbinen in angehaltenem Zustand sehr belastet. Aus diesem Grund
versuchen Betreiber dies zu vermeiden.
Die Unterhaltskosten sind relativ hoch und die Zuverlässigkeit der Anlagen ist unterschiedlich. Das Problem im Unterhalt ist, dass an Stelle einer grossen Anlage viele
kleine Anlagen den Strom erzeugen. Dies bietet viel mehr Möglichkeiten für
Schäden an den Anlageteilen.
Im Zusammenhang mit einem Betriebsunterbruch ist nicht zu erwarten, dass
Schadenforderungen für den vollständigen Stillstand einer ganzen Windfarm gestellt
werden. Eher werden dafür viele Fälle mit dem Ausfall von ein bis zwei Turbinen
eintreten. Ein wohlüberlegtes Festlegen des Selbstbehalts ist hier von grosser
Bedeutung.
-26-
5.
Schadenaufwand
5.1
Schlüsselfaktoren zur Schadenbemessung
Je nach Kraftwerkstyp, in dem sich der versicherte Schaden ereignet, sind
unterschiedliche Betrachtungen bezüglich der Bemessung des Schadens zu
anzustellen. Im Folgenden werden einige dieser Überlegungen beschrieben.
• Handel während der letzten 12 Monate:
Verschiedene
Betrachtungen
kommen
in
Frage,
abhängig
von
der
Geschäftsphilosophie des Produzenten. Kraftwerke mit einer hohen und stabilen
Produktion
(z.B.
Kohle-
oder
Kernkraftwerk)
schliessen
wahrscheinlich
Abnahmeverträge für Strom im Voraus ab. In diesem Fall ist es relativ einfach
auf Grund des Vertrages den Verlust von Einnahmen zu bestimmen. Schwieriger
sind Kraftwerke, die für saisonale oder tägliche Verbrauchsspitzen produzieren.
Der Strommarkt ist sehr unbeständig. Es ist schwierig die Nachfrage längere Zeit
im Voraus vorherzusagen. Dies aufgrund der Mechanismen des Markts während
der letzten Stunde vor der Produktion bis zum Zeitpunkt der Produktion. Das
Marktgeschehen der letzen 12 Monate muss nicht repräsentativ sein für die
Handelsperiode während der Schadendauer. Hinzu kommt, dass kleinere
Stromproduzenten (meistens Gas-Dampf-Kombikraftwerke) ihr bestelltes Gas
weiter verkauft haben und je nach Marktsituation gar keinen Strom produziert
hätten. Bei geringer Nachfrage ist es für diese oft besser ihre vertraglichen
Verpflichtungen zur Stromproduktion an einen anderen Produzenten weiter zu
verkaufen und so Betriebskosten zu senken, indem er während der Zeit des
niedrigen Bedarfs die Anlage gar nicht betreibt. Dies ermöglicht es ihnen auch,
sobald die Nachfrage nach Strom steigt, die Produktion wieder anzufahren und
die Kapazität im kurzfristigen Markt zu verkaufen.
• Markttrends:
Versucht
man
die
vergangenen
12
Monate
auf
die
Zeitspanne
des
Betriebsunterbruchs zu übertragen, kann dies zu einer sehr komplizierten und
aufwändigen Aufgabe werden. Der Ertrag muss unter Berücksichtigung der
Markttrends so bestimmt werden, als ob das Schadenereignis sich nicht ereignet
hätte. Dazu müssen Marktentwicklungen korrekt bestimmt werden. Nur so kann
die Klausel richtig angewendet werden. Oft sind der Versicherer und die
Schadengutachter dem Versicherten ausgeliefert, der ausgeklügelte Modelle
-27-
verwendet, um seine Marktchance zu beurteilen. Es kann sehr schwierig sein,
seine Angaben zu überprüfen.
• Einsparungen:
Während der Zeit, in der die Anlage nicht produzieren kann, können Kosten für
den Unterhalt gespart werden und reguläre Wartungsmassnahmen vorgezogen
werden, um so einen künftigen geplanten Stillstand für Wartungsarbeiten
einzusparen. Solche Überlegungen müssen mit berücksichtig werden. Dass
während des Stillstands kein Brennstoff bezogen wird, kann je nach Sachlage zu
weiteren Einsparungen führen. Gas wird jedoch häufig zu „take or pay“
Bedingungen fix gekauft und muss auch im Fall, wo es nicht bezogen wird,
bezahlt werden. Falls das Gas jedoch weiter verkauft werden kann, führt dies zu
Einsparungen.
• Wertsteigerung:
Nach einer Reparatur kann unter Umständen das Kraftwerk einen höheren
Wirkungsgrad aufweisen als vor dem Schadenereignis. Der dadurch generierte
höhere Ertrag kann, je nach Ausformulierung der Vertragsbedingungen, bei der
Schadenbemessung mit berücksichtig werden. Dies muss in Zusammenarbeit
mit der Buchprüfung identifiziert und bewertet werden.
5.2
Einfluss der Vertragsbedingungen
Die Deckung des Betriebsunterbruchs wird stark durch die Vertragsbedingungen
bestimmt. Es ist nicht ungewöhnlich, die Vertragsbedingungen der zu versichernden
Betriebsart anzupassen. Werden diese sorgfältig formuliert, kann dies zum Vorteil
aller beteiligten Vertragspartner sein. Ist dies nicht der Fall, birgt dies Gefahren für
alle Beteiligten Es ist nicht immer möglich die Marktbedingungen vorher zusagen.
Falls der Schaden während einer Periode mit grossen Marktschwankungen erfolgt,
kann eine allgemein gehaltene Formulierung einfacher anzuwenden sein, als eine
stark angepasste Bedingung, die nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt.
Um ein Beispiel zu geben: Die Arbeitsgruppe hat Kenntnis von einem
Betriebsunterbruchschaden im Zusammenhang mit dem Bau eines Gas-DampfKombikraftwerks in den USA. Der Abschnitt 2 in den Vertragsbedingungen der
Bauversicherung bot Deckung gegen:
-28-
"… Folgeschäden, Ertragsausfall, fixe Kosten („standing charges“), zusätzliche
Betriebskosten, Vertragsstrafen (“liquidated damages“), Konventionalstrafe und
dergleichen, hervorgerufen durch eine unter Abschnitt 1 versicherte Gefahr…."
Der Begriff „standing charges" bezog sich auf die besondere Weise, auf die dieses
Kraftwerk seinen Ertrag erzielen wollte. Im Vertrag waren spezielle Bestimmungen
formuliert, die festlegten, wie diese Kosten im Sinne der Versicherungspolice zu
bestimmen wären. Die Bedingungen im Versicherungsvertrag konzentrierten sich
jedoch fast nur auf diese „standing charges“ und sagten nichts zu den andern
gedeckten Elementen, wie Ertragssausfall und Zusatzkosten. Dadurch wurde die
Schadenregulierung schwierig und umstritten.
Eine weitere Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, dass ein vorbestimmter fixer
Tagessatz für die Entschädigung festgelegt wird. Eine solche Abmachung
vereinfacht
die
Schadenregulierung
beträchtlich
und
ist
vor
allem
in
Wirtschaftsbranchen anzuwenden, wo der Markt stabil und relativ gut vorherzusagen
ist. In stark schwankenden Märkten, wie dem Strommarkt, ist dieses Vorgehen
weniger geeignet. Ein fixer Tagessatz macht es dem Versicherer unmöglich, allfällige
Einsparungen mit zu berücksichtigen. Bei einem nur teilweisen Betriebsunterbruch,
bei dem das Kraftwerk weiterhin eine reduzierte Menge Strom produzieren kann,
müsste man trotzdem durch das ganze Schadenermittlungsverfahren gehen, um den
Standard-Umsatz zu bestimmen und den anteiligen Ausfall vom festgelegten
Tagessatz zu ermitteln. Der einzige weitere Vorteil einer Tagesentschädigung
besteht darin, dass so die maximale Höhe eines möglichen Schadens bestimmt
festgelegt ist. Dies kann aber einfacher durch eine gewöhnliche Limitierung der
Entschädigung erreicht werden.
5.3
Selbstbehalt
Der Selbstbehalt kann festgelegt werden als
•
Betrag
•
Karenzfrist von ein paar Tagen oder
•
Der Ertrag einer bestimmten Anzahl von Tagen, der von der Schadensumme
abgezogen wird, festgelegt aufgrund des mittleren Tagesumsatz oder des
Ertragsausfall während der gesamten Stillstandperiode.
Im Normalfall ist der Ertragsausfall am Anfang einer Unterbruchperiode am grössten
und reduziert sich langsam indem die Produktion langsam wieder aufgenommen
-29-
wird, bis schlussendlich die volle Produktionsleistung wieder erreicht wird. In diesem
Fall würde eine einfach Wartefrist am Anfang der Ausfallperiode zu einer deutlich
geringeren Schadenzahlungen führen, als der Abzug eines über den gesamten
Zeitraum gemittelten Ertragsausfalls. Ist der Zeitraum bis zur Rückkehr zur vollen
Produktion sehr lang, kann der mittlere Ertragsausfall sehr gering sein. In diesem Fall
führen die beiden Modelle zu sehr grossen Unterschieden bezüglich der
Entschädigung, und dies kann bei grossen Schadenereignissen eine Differenz von
mehreren 10 Millionen US$ ausmachen.
Ein weiterer Fall, der zu Problemen führen kann tritt ein, wenn provisorische
Reparaturen vorgenommen werden, um bis zum Eintreffen der Ersatzteile die
Produktion zumindest teilweise aufrecht zu erhalten, während dann bei der
endgültigen Reparatur der Betrieb für einige Wochen komplett stillgelegt werden
muss. Dies kann zu Diskussionen führen, wie der Selbstbehalt in diesem Fall
abgezogen wird. Soll eine einfache Wartefrist abgezogen werden, die sich auf die
ersten Tage mit reduzierter Leistung bezieht, so muss der Ertragsausfall während
des kompletten Stillstands voll vergütet werden. Oder soll ein mittlerer Ertragsausfall
über die gesamte Periode abgezogen werden. Zuerst ist die Selbstbehaltsklausel im
Vertrag zu prüfen, aber oft geht daraus nicht hervor, wie in einem solchen Fall zu
handeln ist.
5.4
Vertragsbesonderheiten
Wie bereits beschrieben, wird das Kraftwerk für eine festgelegte Leistungskapazität,
die dem Käufer zur Verfügung gestellt wird, gemäß den Bedingungen des
vereinbarten Stromliefer-Abkommens entschädigt. Wenn der Käufer den Strom dann
wirklich braucht, können noch kleine Anpassungen im Preis vorgenommen werden.
Aber grundsätzlich ist der Preise im Abkommen festgelegt und muss bezahlt werden,
unabhängig davon, ob der Strom bezogen wird oder nicht. Dies entspricht quasi
einem „take or pay“ Vertrag.
Steht die garantierte Produktionskapazität wegen eines Schadenfalls ganz oder
teilweise nicht zur Verfügung, kann der Käufer aus dem Vertrag aussteigen und den
Strom bei einem anderen Produzenten beziehen. Je nach Marktsituation kann es für
einen Stromproduzenten finanziell attraktiv sein, einen Schadenfall zu nutzen, um
aus einem ungünstigen Vertrag auszusteigen.
In einem solchen Fall würde der Versicherte ohne Zweifel behaupten, dass der
gesamte Verlust auf Grund des versicherten Ereignisses entstanden ist, was nicht
-30-
unbedingt der Fall sein muss. Der Versicherte ist verpflichtet, den Schaden zu
mindern, indem er die verbleibende Produktionskapazität auf dem Markt verkauft. Im
vorhin dargestellten Beispiel wird angenommen, dass die Preise massiv gesunken
sind. Je nach dem, wie der Ertragsausfall gemäß dem Versicherungsvertrag
berechet werden soll, kann der Versicherer behaupten, dass der Ertrag, der auf
Grund des Stromlieferabkommens hätte erzeugt werden können, ein Zufallsgewinn
darstellt und der effektive Verlust mit Hilfe der realen Marktpreise festgelegt werden
muss. Eine solche Argumentation durchzusetzen kann jedoch schwierig sein.
Auf der Kostenseite muss berücksichtig werden, dass Kraftwerke oft ihren
Brennstoffbezug ebenfalls zu „take or pay“ Bedingungen zu einem vertraglich
festlegen Preis unabhängig von der tatsächlichen Abnahme beziehen. Gelingt es
nicht, diesen Brennstoff weiter zu verkaufen, können die Kosten für den eingesparten
Brennstoff bei der Schadenfestlegung nicht abgezogen werden.
5.5
Emissionshandel mit CO2
Ziel des CO2-Emissionshandels ist es, einen Anreiz für eine Reduktion des CO2Ausstosses zu schaffen, auch bei Kraftwerken. Regierungen, die einen solchen
Emissionshandel betreiben (z.B. Emissionshandelssystem der EU), vergeben
Emissionsrechte an die Kraftwerke. Jedes Emissionsrecht berechtigt den Bezüger
zum Ausstoss einer bestimmten Menge an CO2, meist eine Tonne.
Wird weniger CO2 emittiert als Emissionsrechte bezogen wurden, können die nicht
benötigten Rechte an andere Marktteilnehmer, die mehr emittieren, weiter verkauft
werden. Die erste europäische Ausgabe von Emissionsrechten hatte kaum eine
Wirkung, da verglichen mit dem effektiven CO2-Ausstoss zu viele Emissionsrechte
vergeben wurden. Das Bezugsschema wurde 2007 angepasst und die Zuweisungen
wurden reduziert.
Bei einem Betriebsunterbruch in einem Kraftwerk müssen die Emissionsrechte des
Versicherten mit berücksichtigt werden.
•
Emittiert das Kraftwerk mehr CO2 als es Emissionsrechte bezogen hat, führt der
Unterbruch zu Kosteneinsparungen, da weniger zusätzlichen Emissionsrechte
gekauft werden müssen.
•
War jedoch die emittierte Menge an CO2 bereits tiefer als die bezogene Menge,
ermöglicht ihn der Ausfall der Produktion zum Verkauf von noch mehr
Emissionsrechten. Auch wenn der Versicherer den Versicherten nicht dazu
zwingen kann, die nicht genutzten Emissionsrechte zu verkaufen (diese können
-31-
auf das neue Jahr übertragen werden) ist es doch übliche diesen Ertrag in der
Schadenberechnung als schadenmindernd zu betrachten.
•
Zwischen diesen beiden Extremszenarien gibt es noch ein mittleres Szenario. In
gewissen Fällen kann ein Kraftwerk auch bei einem Schaden eine reduzierte
Menge an Strom produzieren. Die Effizienz kann in diesem Fall jedoch
abnehmen, und die ausgestossene Menge an CO2 pro erzeugte Energiemenge
ist grösser als bei vollem Betrieb. In diesem Fall kann der Versicherte anführen,
dass er im Verhältnis mehr Emissionsrechte benötige, und eine Entschädigung
für die erhöheren Produktionskosten beanspruchen.
5.6
Lieferfrist für Ersatzteile
Die aktuelle Marktsituation führt teilweise zu langen Lieferfristen für Ersatzteile. Der
weltweite Ausbau der Stromproduktionskapazitäten und die Tatsache, dass
Kupferwindungen in allen Generatoren und Transformatoren vorkommen, führen zu
einem enormen Bedarf an Kupfer. Diese langen Lieferfristen verursachen längere
Unterbrechungen, und dies kann bei der Schadenregulierung im liberalisierten Markt
zu Komplikationen führen, wie oben bereits erwähnt.
6.
Fallstudie
Das Beispiel basiert auf einem aktuellen Betriebsunterbrechungs-Schadenfall, der
sich im Frühling 2006 in Grossbritannien ereignet hat. Folgendes geschah:
1.
Der Schaden betraf ein kleines bis mittelgrosse Gas-Dampf-Kombikraftwerk,
welches direkt mit Gas von der Nordsee versorgt wird. Zum Zeitpunkt des
Schadeneintritts war es kurz vor der Fertigstellung.
2.
Während
der
Inbetriebnahme
zerbarsten
Kondensatorenleitungen
und
Salzwasser drang ein. Die Reparatur umfasste das Neuverlegen der Leitungen
in den Kondensatoren und die chemische Reinigung der Anlage. Es entstand
eine Verzögerung von vier Monaten.
3.
Das vorgesehene Datum für die Inbetriebnahme, den Start des Stromhandels
und die Dauer des Betriebsunterbruchs waren unbestritten. Es war eine 15tägige Karenzfrist vereinbart worden. Die Reparaturkosten betrugen ca. £1.5
Mio., und für den Betriebsunterbruch wurden Forderungen von etwa £10 Mio.
gestellt.
4.
Die betroffene Anlage war ein Spekulationsobjekt, mit dem Ziel vom neu
deregulierten Strommarkt in Grossbritannien zu profitieren. Die Anlage war ohne
-32-
Fremdkapital erstellt worden, und vollständig im Besitz einer grossen Öl- und
Gasgesellschaft mit gewichtigen Interessen in der Nordsee.
5.
Wie das Wort "Handel" andeutet, wurde das Kraftwerk erstellt um am Handel im
Strommarkt teilzunehmen. Um ihr Marktverhalten zu optimieren, haben die
Betreiber ein ausgeklügeltes Model entwickelt, welches vorsah, die Produktion
jeweils anzuhalten, wenn die Stromproduktion nicht genügend rentabel ist.
6.
Lange bevor die Anlage fertig war, wurde die erwartete Produktion am Spotmarkt
verkauft. Um diesen Handel vorzunehmen, wurde Salomon Bros. beigezogen.
Diese Art von Handel entspricht eher einem Finanzgeschäft als einem
traditionellen Kraftwerksgeschäft. Dass der Strom zum rechten Zeitpunkt
tatsächlich
geliefert
werden
könnte,
war
die
Voraussetzung
für
die
Gewinnerzielung bei diesem Termingeschäft.
7.
Die Produktionskapazität wurde in Halbstundenkontrakten bis zu sechs Monate
im Voraus verkauft. Umso näher der Zeitpunkt rückte an dem der Strom geliefert
werden sollte, nahm die "Körnung" zu. Diesen Ausdruck verwenden die Händler
und meinen damit, je näher der Handelsschluss kommt, umso genauer ist die
Vorstellung, welcher Preis erzielt werden kann. Die Verpflichtung, den zu
produzierenden Strom tatsächlich bereitzustellen, bleibt nur bestehen, wenn die
Händler zum Zeitpunkt des Handelsschlusses die vertraglichen Verpflichtungen
noch aufrecht erhalten. Das heißt, der Händler kann noch kurz vor
Handelsschluss prüfen, ob es besser ist, den Strom bei einem anderen
Kraftwerk zu tieferen Preisen zu beschaffen. Bietet jedoch die Handelsspanne
nicht genügend Gewinn, würde das Kraftwerk seine Liefer-Verpflichtungen
erfüllen, ohne dass dabei ein Verlust entsteht. Wie bereits erklärt, kann bei der
tatsächlichen Stromerzeugung zum Zeitpunkt hoher Preise eine Preisanpassung
die zu zusätzlichen Einnahmen führen. Dieses Handelsmodell versprach also
hohe Erträge, da bei gegebener Fähigkeit Strom bei Bedarf tatsächlich liefern zu
können, sicherte die Einnahmen auch dann, wenn der zuvor ausgehandelte
Terminvertrag nicht zum Zuge kam, denn. wird Angebot vom Händler nicht
wahrgenommen, ist das Kraftwerk frei, den Strom auf dem Markt zu guten
Preisen zu verkaufen, falls noch zusätzliche Kapazität verlangt wird.
8.
Zum Zeitpunkt des Schadens war für die Dauer des Betriebsunterbruchs bereits
die gesamte Produktion verkauft. Die wenigsten dieser verkauften Lieferungen
waren zum fälligen Zeitpunkt noch ungekündigt, so dass die Verpflichtung zur
-33-
9.
Das Schadenereignis nötigte die Händler zur Kündigung der Verträge,
unabhängig von den Preisentwicklungen auf dem Markt. Zudem wurde ihre
Verhandlungsposition angesichts des Kraftwerksausfalls deutlich geschwächt.
Es waren diese Handelsverluste, welche zu den Schadenforderungen führten
und weniger der effektive Ausfall der Einnahmen aus der Produktion.
10. Der daraus entstandene Schaden war schwierig zu regulieren. Es stellte sich die
Frage, was die Erträge ohne das Schadenereignis gewesen wären? Es war ein
äusserst schwieriges Unterfangen den Handel mit Halbstundenkontrakten
nachzuvollziehen, um eine Vergleichsbasis für das was, wirklich war, und dem,
was ohne Schaden gewesen wäre, herzustellen. Es waren wegen der starken
Schwankungen im europäischen und britischen Markt keine eindeutigen
Markttrends zu erkennen.
11. Bei der Schadenregulierung mussten weitere Überlegungen mit berücksichtigt
werden:
•
Der Betriebsunterbruch ereignete sich in der Zeit zwischen Frühling und
Sommer, einer Periode mit generell tiefen Strompreisen und nur einzelnen
Bedarfsspitzen mit höheren Preisen. Während der Dauer des Stillstands gab
es eine etwas längere Periode höheren Strombedarfs. Es herrschte an
einigen Wochen in Europa ungewöhnlich heißes Wetter. In dieser Zeit war
der Strombedarf wegen der laufenden Klimaanlagen deutlich höher als üblich.
•
Die Gaspreise waren in dieser Zeit relativ hoch, wie auch der Preis für die
Stundenkontrakte für Strom. Der Versicherte war somit in der Lage, das nicht
verwendete Gas zu einem guten Preis zu verkaufen und so seinen Verlust zu
schmälern.
•
Bei der Abschätzung des erwarteten Absatzes an Strom, muss die
geografische
Lage
des
Kraftwerks
mit
berücksichtigt
werden.
In
Grossbritannien ist der Bedarf an Strom im Süden höher, hingegen überwiegt
die Stromerzeugung im Norden. Die vom Schaden betroffene Anlage war an
einer guten Lage um sowohl vom hohen Bedarf im Süden zu profitieren, als
auch um Strom nach Europa zu liefern. Um die Marktsituation zu beurteilen
muss somit eine grosse Region berücksichtigt werden.
-34-
•
Einsparungen bei den Emissionsrechten mussten bei der Schadenbeurteilung
mit berücksichtig werden.
•
Es gab Unklarheiten bezüglich der Verfügbarkeit der Anlage. Das
Handelsmodel ging von einer Zeit-Verfügbarkeit von 87.5% aus. Da der
Ausfall vor dem Testbetrieb eingetreten ist, fehlten jegliche Erfahrungswerte.
Experten erwarteten eher eine Verfügbarkeit von 60%.
•
Es wurden auch Überlegungen angestellt, ob die Handelsverluste geringer
waren als die Vertragsstrafen, die zu zahlen gewesen wären, wenn der
Betreiber nur seinen Lieferverpflichtungen nicht nachgekommen wäre. Es
konnte jedenfalls gezeigt werden, dass die Strafen höher gewesen wären, so
dass die Kündigung die Terminverträge auch unter Berücksichtigung der
Handelsverluste die Wirkung einer Schadensminderung hatte.
12. Schlussendlich konnte ausgehend von einem potentiell viel größeren Schaden,
dank sehr professionellen Verhandelns, sowohl hinsichtlich der Terminverträge
für zukünftige Stromproduktion als auch des Gaslieferung, eine deutliche
Schadenminderung erzielt werden.
13. Nichtsdestotrotz
war
es
ein
sehr
aufwändiges
und
kompliziertes
Schadenregulierungsverfahren, das auch ganz anders hätte enden können,
wäre es nicht möglich gewesen, auch das ausgeklügelte Handelsmodell von
Salomon Bros. zu benutzen. Es war für den Versicherer wegern der Komplexität
schwierig, die Aussagen der Händler zu beurteilen oder ihnen zu widersprechen.
Schlussendlich wurde der Fall am Verhandlungstisch gelöst. Insgesamt lagen
die Kosten der Bearbeitung und Regelung dieses Schadenfalls für die
Versicherer vielleicht beim Doppelten dessen, was sie bei einem ähnlicher
Schadenfall in einem konventionellen Kraftwerkunternehmen gewesen wären.
-35-
7.
Danksagungen
Die Arbeitsgruppe bedankt sich für die Unterstützung bei der Erarbeitung dieses
Beitrags bei folgenden Personen:
•
Hugh Sparks of the Loss Adjusters, Integra Technical Services Limited,
Wakefield House, 41 Trinity Square, London, EC3N 4DJ, der seine Erfahrung in
der Schadenbearbeitung beisteuerte.
•
Lee Swain of the Forensic Accountants Matson Driscoll & Damico, 9-13
Fenchurch Buildings, London EC3M 5HR, der aus Sicht des Finanzfachmanns
Details der Schadenregulierung und einen Teil der Abbildungen beisteuerte.
•
Nick Coffey of the Claims Consultants Indecs, 52-54 Gracechurch Street, London
EC3V 0EH, der Details zur Fallstudie beitrug.
-36-
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