Gemeinsamkeiten der Weltreligionen_10.6

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Kalender der Religionen im Bundesland Salzburg
Gemeinsamkeiten der Weltreligionen
Ein den Weltreligionen gemeinsames Ethos
Nahezu alle Religionen haben die Neigung, sich selbst absolut zu setzen und von
anderen abzugrenzen. In einer Welt, die zusammengewachsen ist (Globalisierung),
ist es wichtig, dass die Angehörigen verschiedener Religionen friedlich
miteinander leben. Dem ist förderlich, wenn erkannt wird, dass die Religionen
viele Gemeinsamkeiten haben. Zu den großen Weltreligionen zählen die
abrahamitischen (Judentum, Christentum, Islam), die asiatischen (u.a. Hinduismus,
Buddhismus), sowie solche afrikanischer Tradition. Dies erarbeitete v.a. das
„Projekt Weltethos“, für das sich der Theologe Hans Küng (München 1990)
engagiert hat.
Alle Religionen kennen die Goldene Regel: „Was Du nicht willst, was man dir tu,
das füg‘ auch keinem anderem zu“ und Weisungen in der Art der Zehn Gebote. Je
mehr es gelingt, dieses Gemeinsame ins Bewusstsein zu bringen, desto eher
verringert sich die Gefahr, dass es zu einem „Kampf der Kulturen“ kommt.
Kampf der Kulturen?
Durch den Terroranschlag vom 11.9.2001 ist vielen Zeitgenossen/-innen
schmerzhaft bewusst geworden, dass wir in unterschiedlichen Kulturen leben. Der
amerikanische Denker Samuel Huntington schien Recht zu bekommen. Er
behauptete, dass die im 21. Jh. zu erwartenden Konflikte, auch militärischer Art,
nicht aufgrund wirtschaftlicher Streitigkeiten ausbrechen werden (um Öl,
Trinkwasser), sondern aufgrund kultureller Verschiedenheiten. „Clash of Cultures“
(Kampf der Kulturen) heißt der Titel seines Buches, der zwischenzeitlich
sprichwörtlich geworden ist.
Jede Kultur wird maßgeblich von ihrer Religion geprägt. Vielfach sind die Grenzen
von Kulturkreisen auch Religionsgrenzen (auch wenn durch Mobilität z.B.
Menschen fernöstlicher Religion nun in Salzburg leben).
So unterscheidet Huntington folgende Kulturkreise:
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westlich
afrikanisch (Ahnenreligion)
sinisch (chinesisch)
hinduistisch (Religion)
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islamisch (Religion)
japanisch
lateinamerikanisch
orthodox (Religion)
Eine interkulturelle Theologie
Wenn prognostiziert wird, dass in der näheren Zukunft die Kulturen in heftige
Konflikte geraten würden, ist damit auch gesagt, dass die Religionen aufeinander
prallen. Es ist unbestreitbar, dass gegenwärtig viele militärische Konflikte
zwischen Angehörigen verschiedener Religionen ausgetragen werden. Vor allem
Religionen, die noch weniger weit entwickelt sind, ist es eigen, den
Absolutheitsanspruch zu stellen: „Wir allein haben den wahren Glauben, die
anderen sind im Irrtum und verloren“. Auch die Katholische Kirche stellte diesen
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Anspruch und verlautbarte im Jahre 1441 auf dem Konzil von Florenz, dass alle
Menschen, die nicht getauft worden seien, in die Hölle kämen.
Heutige Theologen, auch katholische, sehen das anders. Sie arbeiten weniger die
Differenzen zwischen den verschiedenen Religionen heraus, sondern vor allem die
Gemeinsamkeiten; sie betreiben eine interkulturelle Theologie. Einer dieser
Theologen ist Hans Küng. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass es keinen
Weltfrieden ohne den Frieden zwischen den Religionen gibt. Wenn wir
wahrnehmen können, wie viel wir mit Menschen aus anderen Kulturen und
Religionen gemeinsam haben, dann sinkt die Bereitschaft, diese als Fremde,
Ungläubige etc. abzulehnen, wenn nicht zu bekämpfen.
Der Hinduismus
Die ältesten Religionen sind die asiatischen, speziell der Hinduismus. Vieles mutet
uns am Hinduismus, der ein vielfältiges Gebilde ist, fremd an. Beispielsweise, dass
die Kuh als ein heilig verehrt wird. Oder dass an eine Vielzahl von Göttern
geglaubt wird, wobei Brahma (Weltschöpfer), Vishnu (Welterhalter) und Shiva
(Weltzerstörer) die bekanntesten sind. Oder dass das letzte Ziel darin besteht, nicht
wiedergeboren zu werden, sondern ins Nirwana einzugehen, um dort zu
verlöschen. Oder dass – bis ins 20. Jh. hinein – Witwen verbrannt wurden. Oder
dass Pilger sich im heiligen Fluss waschen, obschon dieser in unserer Sicht eine
„Brühe“ ist.
Dennoch hat die hinduistische Religion mit dem Christentum, speziell dem
Katholizismus, vieles gemeinsam. Beide Religionen begreifen die Welt als
geschaffen und erhalten von Gott. Zwar wird vom Hinduismus gesagt dass er eine
polytheistische Religion sei, wo den vielen Göttern überall Altäre aufgestellt
werden, wo Räucherstäbchen verbrennen etc. Andererseits werden aber gerade im
Katholizismus neben Gott auch Maria und viele Heilige verehrt. Beide Religionen
bekennen sich zur Gewaltlosigkeit, im Hinduismus speziell der so genannte
Jainismus.
Der Buddhismus
Der Buddhismus ist eine auf den ersten Blick fremde Religion, obschon er in
letzter Zeit fast zur Modereligion geworden ist. Der Buddhismus geht auf Gautama
Siddharta zurück, der als Prinz, abgeschirmt vom Leiden dieser Welt, im 5. Jh. v.
Chr. aufgewachsen sein dürfte. Er soll 40 Jahre als Buddha gewirkt haben. Etwa
400 Jahre später entstanden schriftliche Aufzeichnungen darüber („Pali-Kanon“).
Als Siddharta den Palast verließ, sah er das erste Mal einen Greis, einen Kranken
und einen Toten. Das entsetzte ihn dermaßen, dass er seine Frau verließ und die
Erlösung suchte. Nach Jahren des Suchens erlangte er, unter einem Baum in
Benares sitzend, die Erleuchtung, in der Form der vier edlen Wahrheiten. Die erste
lautet: Alles Leben ist leidvoll. Die zweite: Das Leiden stammt aus der Begierde,
dem Durst. Die dritte: Frei werden vom Leiden kann nur, wer den Leidenschaften
völlig entsagt. Und die vierte: Vernichtet wird das Leiden, wenn der achtteilige
Pfad beschritten wird.
Ist – für uns Westeuropäer/-innen – alles leidvoll? Sehen wir die Leidenschaften so
pessimistisch wie der Hinduismus? Ist es unser Ziel, die Welt zu verlassen, die
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gemäß dem Schöpfungsbericht „gut“ ist? Können wir uns Religiosität ohne ein
göttliches Wesen vorstellen? Und dennoch gibt es zwischen Buddhismus,
Christentum und den anderen Weltreligionen Gemeinsamkeiten, speziell in der
Ethik. Die Religionen raten zu mäßiger Lebensweise, zu Meditation und
Selbstbesinnung, sie wünschen die Nächstenliebe, ja sogar die Feindesliebe.
Der Islam – eine Geschwisterreligion des Christentums
Der Islam erscheint uns in vielem fremd, etwa dass Frauen ein Kopftuch tragen,
dass zu einem „Heiligen Krieg“ aufgerufen werden kann – was Christen früher
allerdings auch taten. Oder dass im Fastenmonat nur tagsüber gefastet wird. Oder
dass es Männern erlaubt war (in einigen Ländern noch immer), sich mehrere
Frauen zu nehmen. Der Islam ist zum Christentum wie zum Judentum eine
Geschwisterreligion. Er ist eine der drei abrahamitischen Religionen (Kuschel
1997), die auf den großen Abraham zurückgeht. „Abraham“ bzw. im Arabischen
„Ibrahim“ wird auch von den Muslimen hoch verehrt, weil er den einen Gott
entdeckte. Juden, Christen und Muslime glauben demnach an den gleichen Gott.
Wenn arabisch sprechende Christen/-innen „Gott“ sagen, sprechen sie „Allah“. Im
Kern der islamischen Religiosität steht die Hingabe an den einen Gott, dessen
maßgeblichster Prophet Mohammed war. Unser christliches Gottesbild verstehen
manche Muslime allerdings als Polytheismus (Vielgötterei), da wir auch an den
Sohn Gottes und den heiligen Geist als die Dreifaltigkeit (Trinität) in einer Person
glauben.
Ein den Religionen gemeinsames Ethos
Der katholische Theologe Hans Küng – für den es keinen Weltfrieden ohne den
Frieden zwischen den Religionen gibt – hat herausgearbeitet, was die Religionen
gemeinsam haben, vor allem im Bereich der Ethik. Ethik ist die Lehre vom guten
und richtigen Leben. Jede Religion hat auch eine Ethik hervorgebracht, das
Judentum etwa den Dekalog, die „Zehn Gebote“. Dabei ist Hans Küng aufgefallen,
dass die Ethiken der großen Weltreligionen einander nicht widersprechen, sondern
dass sie vielmehr zu einem Weltethos zusammengeführt werden können.
Dieses Weltethos unterscheidet vier unverrückbare Weisungen, wie sie in allen
großen Weltreligionen unterstützt werden:
• Eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor dem Leben: „Du
sollst nicht töten“ – „Hab Ehrfurcht vor dem Leben“.
• Eine Kultur der Toleranz und des Lebens in Wahrhaftigkeit: „Du sollst
nicht lügen“ – „Sprich und handle wahrhaftig“!
• Eine Kultur der Solidarität und der gerechten Wirtschaftsordnung: „Du
sollst nicht stehlen“ – „Handle ehrlich und fair“!
• Eine Kultur der Gleichheit und Partnerschaft von Mann und Frau: „Du
sollst nicht Unzucht treiben“ – „Respektiert und liebet einander“!
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Die Goldene Regel
Wie sehr das Ethos der Weltreligionen Übereinstimmungen aufweist, zeigt sich
deutlich an der so genannten „Goldenen Regel“, deren Kurzformel lautet: „Was
Du nicht willst, was man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu“. Wenn auch
unterschiedlich formuliert – diese Erkenntnis findet sich in den meisten religiösen
Traditionen:
• „Tue nicht anderen, was du nicht willst, dass sie dir tun.“ – so schrieb Rabbi
Hillel, einer der bekanntesten jüdischen Schriftgelehrten und ein Zeitgenosse
von Jesus Christus.
• „Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht,
was er sich selber wünscht.“ – so heißt es in den 40 Hadithe, den Sprüchen
Muhammads (Islam).
• „Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch
nicht für ihn sein; und ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für
mich ist, wie kann ich ihn einem andern zumuten.“ – heißt es in einer hl.
Schrift des Buddhismus.
• „Was Du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.“ –
formulierte der große chinesische Philosoph Konfuzius (vermutl. 551-479
v.Chr.). Der zentrale Wert seiner Lehren war die Ordnung, die seiner Meinung
nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar
sei. Im Mittelpunkt seines Denkens stand der „Edle“, ein moralisch
einwandfreier Mensch.
• „Gleichgültig gegenüber weltlichen Dingen sollte der Mensch wandeln und
alle Geschöpfe in der Welt behandeln, wie er selbst behandelt sein möchte.“ –
so in einer hl. Schrift des Jainismus, einer indischen Religion, in deren Kern
Gewaltlosigkeit steht.
• „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen
ebenso.“ – so predigte Jesus (Mt 7,12 und Lk 6,31).
• „Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen, die für
einen selbst unangenehm ist; das ist das Wesen der Moral.“ – ist nachzulesen
im Großen Mahabharata, einer Heiligen Schrift des Hinduismus.
Anton A. Bucher
Der Autor ist Fachbereichsleiter „Praktische Theologie“ und Universitätsprofessor für Religionspädagogik der Universität Salzburg und u.a. Vorsitzender der Internationalen Pädagogischen
Werktagung. - Der hier redaktionell gekürzte Beitrag (U. Ka.) wurde zuerst veröffentlicht in: Luidold,
Kammerhofer (Hg.): Bräuche im Salzburger Land, CD-ROM 3 (SBzVK 15) Salzburg 2005, 8 S.
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