Referat von Dr - Schweizer Fleisch

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Referat von Dr. med. Samuel Stutz anlässlich des Verbandstages des
Schweizer Fleisch-Fachverbandes vom 2. Juni 2013 in Wil SG
Die Wahrheit über Fleisch
Der Mensch ist vom Körperbau her ein Allesfresser. Der Fleischkonsum spielte bei
seiner Evolution eine entscheidende Rolle. Erst das Fleisch ermöglichte eine Vergrösserung des Gehirns. „Mit dem kleinen Darm wäre es ohne Fleisch unmöglich
gewesen, innert nützlicher Frist genügend Proteine und Fette aufzunehmen“, erklärt
Christoph Zollikofer, Professor am Anthropologischen Institut der Universität Zürich.
Bereits der affenähnliche Vormensch Australopithecus ernährte sich vor vier Millionen Jahren nicht nur von Blättern und Beeren, sondern auch von Insekten und anderen
Kleintieren, die ihm als Eiweissquelle dienten. Später nahm Aas an Bedeutung zu.
Aufschlussreich ist, dass nur gewisse Arten der Gattung Australopithecus ein grösseres
Gehirn entwickelten, nämlich nur diejenigen, die eher auf Fleisch fokussierten. Die
Vertreter der Gattung Paranthropus hingegen setzten voll auf Pflanzenkost und starben
vor rund 1,2 Million Jahren aus. Sie hatten mit ihren kleineren Gehirnen einen Nachteil. Zudem waren sie als Vegi-Vormenschen nicht flexibel genug, um sich an die verändernden Umweltbedingungen anzupassen. Die frühen Angehörigen der Gattung
Homo, Nachfahren der grazilen Australopithecinen, überlebten im Gegensatz zum auf
pflanzliche Kost spezialisierten Paranthropus, da sie ein breites Nahrungsspektrum
einschliesslich Fleisch zu nutzen wussten.
Nach dem amerikanischen Antropologie-Professor William Leonard konnte das
Gehirn mit Sicherheit nicht an Grösse zunehmen, bevor nicht eine energetisch gehaltvolle Nahrung seine Versorgung gewährleiste. Nachdem die Grössenzunahme des
Gehirns einmal eingesetzt hatte, trat ein synergistischer Effekt ein: Wachsende
Nahrungsqualität und Gehirnzunahme bedingten gegenseitig eine weitere Steigerung.
Grössere Gehirne befähigten zu komplexerem sozialen Verhalten, was wiederum die
Taktik der Nahrungsbeschaffung verbesserte.
Eine dieser verbesserten Taktiken war der Übergang vom Aasesser zum aktiven Jäger.
So konnte mit Homo erectus erstmals eine Jäger- und Sammlergesellschaft entstehen,
die das erlegte Wild und die zusammengetragene Nahrung unter den Mitgliedern der
Gemeinschaft aufteilte.
Fleisch war die wichtigste Quelle für Protein
Nach heutiger Kenntnis hat sich Homo erectus schon bald auf die Reise gemacht und
erreichte die entlegensten Winkel des eurasischen Kontinents. In nördlichen Breiten
wurde der Mensch – inzwischen zum Neandertaler gereift – hinsichtlich der Ernährung
erneut gefordert. Der Energiebedarf war in der eiszeitlichen Umwelt besonders hoch.
Nach Berechnungen mussten die Neandertaler am Tag um die 4000 Kilokalorien umsetzen.
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Fundstätten von Jagdplätzen in Frankreich, im Kaukasus und im Rheinland belegen,
dass die Neandertaler spezialisierte Jäger waren, die Bisons und Mammuts immer
wieder an denselben Stellen auflauerten und erlegten. In Salzgitter-Lebenstedt fanden
sich zusammen mit tausenden Steinwerkzeugen Knochenreste von 86 erjagten Rentieren, ein eindeutiges Zeugnis für den Fleischkonsum der Neandertaler. Isotopenmessungen von Kollagen in Neandertalerknochen deuten darauf hin, dass Fleisch die
wichtigste Quelle für Protein war.
Als der Homo sapiens vor rund 13'000 Jahren sesshaft wurde und den Getreideanbau
erlernte, begann er gleichzeitig auch Viehzucht zu betreiben. So erschloss er sich
Getreide und Milch als Eiweissquelle. Trotzdem blieb Fleisch ein wichtiger Bestandteil
der Ernährung, besonders in schlechten Zeiten, wenn die Getreidespeicher leer waren.
Damit ist klar: Fleisch ist seit Jahrtausenden unabdingbarer Teil der menschlichen Ernährung. Ohne Fleisch hätte der Mensch die Evolution nicht überlebt. Ohne Fleisch
gäbe es heute keine Vegetarier, so paradox das klingt.
Teilzeitvegetarismus liegt im Trend
Wie sieht die Situation heute aus? Lebensmittel tierischer Herkunft, speziell Fleisch,
leiden unter einem schlechten Ruf in Bezug auf ihren gesundheitlichen Wert. Fleisch
war lange ein Privileg der Reichen. Je höher das Einkommen, desto mehr konsumierten die Menschen Fleisch. Heute ist das anders. Die wohlhabenden Bevölkerungsschichten essen deutlich weniger Fleisch als Menschen mit geringem Einkommen. Bei Frauen ist dieser Trend noch stärker als bei Männern. Gar kein Fleisch
essen je nach Untersuchung zwei bis drei Prozent der Bevölkerung. Bei den Mädchen
im Alter zwischen 15 bis 18 Jahren beläuft sich der Anteil der Fleischverachter auf
rund einen Drittel. Stark im Trend sind die Teilzeitvegetarier. 40 Prozent der Befragten geben gemäss einer neuen Studie an, regelmässig bewusst kein Fleisch zu essen.
Aus gesundheitlicher Sicht ist dieser Trend problematisch. „Oft wird nicht wahrgenommen, dass Fleisch einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des Bedarfs an
wertvollen oder sogar essentiellen Nährstoffen leistet“, sagt Nadine Gerber vom Institut für Nutztierwissenschaften an der ETH Zürich. „Ausserdem werden die Beiträge
von weniger erwünschten Verbindungen wie gesättigte Fettsäuren oft überschätzt, dies
aufgrund von fehlerhaften Nährwertdaten und wegen den meist unbeachteten Kochund Abschnittverlusten während der Zubereitung.“
Fleisch liefert essentielle Mikronährstoffe
In derselben Arbeit hält Nadine Gerber fest, dass der Fettgehalt von verkaufsfertigen
Fleisch in den letzten 15 Jahren, speziell von Rind-, Schwein-, Kalb- und Lammfleisch, merklich sank, und zwar infolge von Veränderungen in der Zucht, Fütterung,
Schlachtung und Aufbereitung.
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Sehr aussagekräftig ist ihr Fazit: Fleisch und Fleischprodukte können einen wichtigen
Beitrag zur Deckung der Nährstoffaufnahme in der Ernährung leisten. Fleisch beinhaltet eine Anzahl an essentiellen Nährstoffen, einschliesslich langkettige mehrfach
ungesättigte Fettsäuren, Eisen, Zink, Selen, essentielle Aminosäuren und Vitamin B6.
Fleisch ist deshalb eine wesentliche Quelle für Mikronährstoffe, weil es entweder die
einzige Quelle ist oder eine höhere Bioverfügbarkeit für einige Nährstoffe aufweist.
Stichwort Bioverfügbarkeit: Sie gibt an, in welchem Ausmass ein Nährstoff aus einem
Lebensmittel freigesetzt und resorbiert werden kann, das heisst verfügbar ist. Und
gerade in diesem Bereich schneidet Fleisch besonders gut ab, da es praktisch keine
Absorptionshemmer enthält, dafür einige Stoffe, welche die Bioverfügbarkeit zum
Beispiel von Eisen erhöhen. Darüber hinaus werden bei Anwesenheit von Fleisch auch
andere Spurenelemente aus den übrigen Lebensmitteln in ihrer Verfügbarkeit verbessert.
Hohe Bioverfügbarkeit von Eisen
Prof. Irmgard Bitsch vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität
Giessen hat dem Thema Bioverfügbarkeit eine umfassende Arbeit gewidmet. Ich
zitiere: „Fleisch und Fleischwaren sind wichtige Nährstofflieferanten, die vor allem
reich an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen sind. Es sind jedoch nicht nur die
hohen Gehalte, welche diese Lebensmittelgruppe auszeichnen, häufig ist auch die
Bioverfügbarkeit der Nährstoffe höher als aus Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft.“
Beispiel Eisen. Eisen ist für den menschlichen Organismus ein lebensnotwendiges
Spurenelement. Niedrige Eisenspeicher mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen
findet man vor allem bei Kindern, Jugendlichen und Frauen im gebärfähigen Alter.
Bei älteren Menschen ist Eisenmangel schon fast endemisch. Das ist vor allem darauf
zurückzuführen, dass deren Kost zu wenig verfügbares Eisen enthält, um den hohen
Bedarf dieser Bevölkerungsgruppen zu decken. Eisen tierischer Herkunft kann zwei
bis drei Mal besser resorbiert werden als aus pflanzlicher Nahrung. Beim Verzehr
einer gemischten Kost werden weitere Einflussfaktoren auf die Bioverfügbarkeit wirksam. Fördernd wirken Vitamin C und sogenannte „Fleischfaktoren“. Dabei handelt es
sich um schwefelhaltige Aminosäuren oder Peptide aus dem Muskelfleisch von
Schlachttieren und Fischen. Hemmend wirken hingegen Phytate aus Getreide und
Hülsenfrüchten sowie Polyphenole aus Obst und Gemüse.
Fleisch enthält reichlich wertvolles Selen
Beispiel Selen. Das essentielle Spurenelement Selen ist als Bestandteil funktioneller
Proteine ebenfalls von grosser Bedeutung für die menschliche Gesundheit. Gut untersucht ist die selenhaltige Glutathionperoxidase, ein Enzym, das im Körper als Teil des
antioxidativen Schutzsystems fungiert und Alterungsprozesse im Herz-, Kreislauf-,
Nerven- und Immunsystem vermindert sowie vor Krebs schützen kann. Seine Wirksamkeit beruht darauf, dass es aggressive Sauerstoffverbindungen abfangen und un-
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schädlich machen kann. Lebensmittel tierischer Herkunft sind generell selenreich,
auch deshalb, weil das Futter von Nutztieren üblicherweise mit Selenverbindungen
angereichert wird. Pflanzliche Lebensmittel sind dagegen bis auf wenige Ausnahmen
wie Spargeln oder Pilze selenarm. Am selenreichsten ist Entenfleisch, gefolgt von
Lamm. Huhn. Kalb und Rind. Studien bestätigen, dass Selen aus Lebensmitteln tierischer Herkunft hervorragend verfügbar ist und solche pflanzlicher Herkunft deutlich
übertrifft.
Zink ist Cofaktor für Hunderte von Enzymen
Beispiel Zink. Das dritte wichtige Spurenelement mit guter Bioverfügbarkeit aus
Fleisch und Fleischwaren ist Zink. Seine Bedeutung im Organismus beruht darauf, dass
es Bestandteil und Cofaktor von mehr als 300 Enzymen ist. Eine Unterversorgung mit
Zink kann zu vermindertem Wachstum, beeinträchtigter Immunkompetenz und Wundheilungsstörungen führen. Zink kommt in zahlreichen Lebensmitteln pflanzlicher sowie
tierischer Herkunft vor. Aber: Für Zink gilt dasselbe wir für Eisen und Selen. Fleisch
enthält dieses Spurenelement in einer besser bioverfügbaren Form und fördert gleichzeitig die Resorption aus pflanzlichen Lebensmitteln, wenn sie zusammen mit Fleisch
gegessen werden.
Das Fazit von Prof. Irmgard Bitsch: „Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung sind
Fleisch und Fleischwaren wichtige Lieferanten der essentiellen Spurenelemente Eisen,
Zink und Selen.“
Eiweiss verbessert die physische und mentale Leistungsfähigkeit
Wenden wir uns dem Thema Protein zu. Für den Aufbau und Erhalt der Muskeln und
der Funktionstüchtigkeit der Enzyme benötigt der Mensch Protein. Fleisch ist ein sehr
guter Proteinlieferant, denn es enthält alle essentiellen Aminosäuren im richtigen Verhältnis und hat so eine hohe biologische Wertigkeit. Der Fettgehalt von Fleisch ist
niedriger als häufig angenommen. 100 Gramm Schweinefilet zum Beispiel liefern nur
zwei Gramm Fett und sind damit sogar absolut diättauglich.
„Bei bestimmten Personengruppen kann Fleisch als fester Bestandteil einer an
Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und Faserstoffen reichen Ernährung sinnvoll sein“,
sagt der bekannte Ernährungswissenschaftler PD Dr. David Fäh. „Beispielsweise für
Heranwachsende, Schwangere, Stillende, Sportler und Senioren“. Nebst drei Portionen
Milch und Milchprodukten wird pro Tag eine zusätzliche Portion eines eiweissreichen
Lebensmittels empfohlen. Gemeint sind damit Fleisch, Geflügel, Fisch, Eier oder
Tofu. Zwischen ihnen soll möglichst abgewechselt werden. Auch bei den Fleischsorten ist Abwechslung angesagt. Dr. Fäh: „Eltern, die ihr Kind fleischlos oder ganz
ohne tierische Produkte ernähren, brauchen ein sehr differenziertes Wissen, damit es
keine Mangelerscheinungen bekommt.“
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Bei Schulkindern und Jugendlichen zeigen grosse Studien, dass eine ausreichende
Versorgung mit hochwertigem tierischen Eiweiss und Eisen die physische und mentale
Leistungsfähigkeit deutlich verbessert. Ähnliche Publikationen findet man auch über
die Ernährung von Leistungs- und Hochleistungssportlern. Verzichtet jemand auf
Fleisch, wird eine wichtigste Quelle für Eisen ausgeschaltet. Viele Jugendliche und
vor allem Sportler leiden an Eisenmangel.
Eine hohe Eiweisszufuhr ist auch im Alter wichtig
Bei der älteren Bevölkerung ist Eiweissmangel einer der wichtigsten, wenn auch verkannten Gründe für die körperliche und geistige Abwärtsspirale mit allen Folgen wie
Muskelschwund, erhöhte Krankheitsanfälligkeit, fatale Stürze, Verlust der Selbständigkeit und Pflegebedürftigkeit. Besonders im Alter ist eine ausreichende Proteinversorgung essentiell für die Regeneration der Körperzellen, vor allem der Muskeln.
Dr. Fäh: „Die Eiweisszufuhr im Alter sollte im Verhältnis zum Körpergewicht gleich
hoch sein wie beim Erwachsenen zwischen 30 und 50 Jahren.“
Von einer so genannten Schonkost ist im Alter dringend abzuraten. Diese ist in den
wenigsten Fällen vollwertig. Zu empfehlen ist hingegen eine leicht Vollkost, die den
Körper mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt. Zu einer leichten Vollkost gehört
auch Fleisch, am besten in Form von zarten Stücken, die gekocht, gegrillt oder in Folie
zubereitet werden. Abgeraten wird von fettreichem, stark gewürztem, gebratenem oder
geräuchertem Fleisch.
Eine fleischlose Ernährung birgt Risiken
Ein Expertenbericht der Eidgenössischen Ernährungskommission hat die Vor- und
Nachteile einer vegetarischen Ernährung untersucht. Auf Grund vieler epidemiologischer Studien gehe hervor, dass Leute mit vegetarischer Ernährung klare gesundheitliche Vorteile haben. Sie sterben weniger häufig an Herzkreislauferkrankungen
und weisen bessere Blutfettwerte auf. Sie sterben weniger häufig an Krebs und haben
auch ein kleineres Risiko an Krebs zu erkranken. Sie haben tiefere BMI-Werte und
auch ein geringeres Risiko für Fettleibigkeit und Folgeerkrankungen. Auch ihre Blutdruckwerte sind niedriger. Als Grund wird genannt, dass ein hoher Anteil an Gemüse
und Früchten in der Nahrung wesentlich zur Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit beitrage. Unabhängig von der Ernährung spiele auch der gesunde Lebensstil der
Vegetarier eine Rolle. Sie machen mehr Sport als Fleischesser, trinken wenig bis
keinen Alkohol und rauchen nur selten. Was nun wichtiger ist, der Verzicht aufs
Fleisch oder der allgemein gesündere Lebensstil, lässt sich nur schwer eruieren.
Gemäss dem Expertenbericht besteht das Hauptrisiko darin, dass durch den Wegfall
von Fleisch und Fisch bestimmte Nährstoffe sowie Proteine nicht mehr in genügenden
Mengen aufgenommen werden. Das trifft auch auf das Vitamin B12 und das Vitamin
D zu. Weitere Nährstoffe, deren Zufuhr kritisch sein kann, sind Zink, Eisen, Selen,
Calcium und langkettige Fettsäuren.
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Bei den Ovolacto-Vegetariern seien die genannten Risken klein, sofern sie ein breites
pflanzliches Angebot bei ihrer Nahrungsauswahl berücksichtigen. Bei Veganern erhöhen
sich durch den zusätzlichen Verzicht auf alle tierischen Produkte die Risiken für eine
mangelnde Zufuhr dieser Nährstoffe. Insbesondere auf die genügende Zufuhr des
Vitamins B12 müsse geachtet werden. Auch die Veganer können sich gemäss dem
Expertenbericht einer guten Gesundheit erfreuen, sofern sie über ein grosses Ernährungswissen verfügen, um sich so zu ernähren, dass die erhöhten Risiken auch während
längeren Lebensphasen wie Wachstum, Schwangerschaft und Alter kompensiert werden.
Bei einem totalen Verzicht auf alle tierischen Produkte (veganische Ernährung) sind
die Risiken für eine mangelnde Zufuhr verschiedener Nährstoffe so gross, dass es für
einen Laien kaum möglich sei, sich auf eine Art und Weise zu ernähren, welche diese
Mängel konsequent kompensieren könnte. In verschiedenen Lebensphasen wie
Wachstumsperioden, Schwangerschaft oder auch bei Betagten können die Mangelerscheinungen kritisch werden und zu Krankheiten führen. Deshalb sei die veganische
Erährungsweise generell für breitere Bevölkerungskreise insbesondere für Kinder und
andere Risikogruppen wie Schwangere und ältere Leute nicht zu empfehlen.
Eine auf pflanzlichen Produkten basierte ausgewogene Mischkost unter Einschluss
von Eiern und Milchprodukten aber ohne Fleisch und Fisch (Ovolacto-vegetarische
Ernährung) könne hingegen als gesunde Ernährungsweise betrachtet werden. Die Erfahrungen zeigen, dass hier die notwendige Zufuhr der Nährstoffe erfüllt werden kann
und dass diese Gruppe der Vegetarier gesünder ist als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
Es ist alles eine Frage des Masses
Und jetzt kommt das Wichtigste im Bericht des Bundes: Inwiefern ein totaler Verzicht
auf Fleisch und Fisch eine absolute Voraussetzung bildet für die positiven Resultate der
vegetarischen Ernährung, könne zurzeit nicht abgeschätzt werden. Eine massvolle
Einnahme von Fleisch und insbesondere von Fisch hätte den Vorteil, dass der Grossteil
der Risiken der vegetarischen Ernährung kompensiert werden könnte.
Was für Schlussfolgerungen ziehen wir? Alles ist eine Frage des Masses. Radikale
Ernährungsweisen haben keine gesundheitlichen Vorteile, sondern nur Risiken.
Unsere Gene und unser Körperbau bleiben jene einen Allesfressers. Daran kann so
schnell niemand etwas ändern. Am gesündesten ist eine Mischkost, bestehend aus
möglichst vielen naturbelassenen Produkten. Was uns krank macht, ist ConvenienceFood, all die Softdrinks und zuckerhaltigen Getränke und Nahrungsmittel, in Kombination mit Bewegungsmangel. Erinnern wir uns, für was uns die Evolution vorgesehen
hat: als Jäger und Sammler. Beide, Jäger und Sammler, bewegen ihren Hintern, den
lieben langen Tag lang. Und was tun wir heute, wir sitzen uns zu Tode. Der neuste
Schweizerische Ernährungsbericht hält klar fest, an was wir kranken, an der Bewegungsarmut. Wir essen nicht mehr als vor 20 Jahren, aber wir bewegen uns viel
weniger. Hier müssen wir ansetzen. Sonst setzt das Fett an.
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Zu viel Kohlenhydrate sind ungesund
Namhafte Ernährungs- und Sportwissenschaftler der ETH Zürich plädieren unisono
dafür, aus der Ernährung keine Wissenschaft zu machen. Gesunder Menschenverstand
und ein funktionierendes Sättigungsgefühl seien zielführender als alle Diätleeren und
Kalorientabellen.
Um die Fettaufnahme zu reduzieren, laufen traditionelle Ernährungsempfehlungen auf
einen relativ hohen Kohlenhydratanteil von 50 bis 75 Prozent der pro Tag aufgenommen Kalorien hinaus. Das ist sehr viel, aus heutiger Sicht sogar zu viel. Es ist
falsch, ja gefährlich, fettarm zu essen und dafür – bewusst oder unbewusst – den
Kohlenhydratanteil zu erhöhen. Denn eine erhöhte Kohlendydrataufnahme kann genau
so gut zu Übergewicht führen wie ein zu hoher Fettkonsum. Und nicht nur das. Zu viel
Zucker und stärkehaltige Nahrungsmittel begünstigen Diabetes und sogar schlechte
Cholesterinwerte, hält die eidgenössische Ernährungskommission in ihren Empfehlungen fest. Auch seien Zeichen von Entzündung im Blut und ein Blutdruckanstieg
beobachtet worden. Wörtlich heisst es im Bericht: „Es gibt keine gesicherte Grundlagen
zur Empfehlung eines bestimmten Kohlenhydratanteils in der gesunden Ernährung. Ein
optimaler Anteil dürfte bei 45 bis 55 Prozent der Energie liegen.“ Das ist deutlich
weniger als die meisten von uns essen. Und was ist mit der Bevorzugung von langsamen statt schnellen Kohlenhydraten und damit dem glykämischen Index? Wiederum
die Empfehlungen der Eidgenössischen Ernährungskommission: „Eine ausgewogene
Ernährung bestehend aus täglicher Einname von Früchten, Gemüse und Vollkornprodukten zusammen mit regelmässiger Bewegung ist sicherlich der allgemeinen
Gesundheit förderlicher als Empfehlungen basierend auf spezifischen Eigenschaften
von Kohlenhydraten.“
Sehr aufschlussreich ist das Buch des ETH-Forschers Dr. Paolo Colombani mit dem
Titel «Fette Irrtümer – Ernährungsmythen entlarvt», erschienen im Orell Füssli
Verlag. Colombani, auch Dozent bei Swiss Olympic, der Schweizer Sportarztausbildung und Gutachter mehrerer internationaler Zeitschriften, räumt in seinem Werk sehr
pointiert mit weitverbreiteten Irrtümern der herrschenden Ernährungslehre auf, die uns
das Leben und den Genuss nur vermiesen und uns sicher nicht beim Abnehmen helfen,
sondern höchstens nur noch dicker machen.
Gesund ist, was direkt vom Garten und vom Bauer kommt
Für den bekannten Ernährungswissenschaftler zählen nur Fakten, die auf einwandfreien wissenschaftlichen Studien basieren. Die Hauptaussagen des Buches: Das
meiste, was Sie bisher über Ernährung gehört haben, können Sie getrost vergessen.
Mit Abstand am wichtigsten sind viel körperliche Bewegung und sorgenfreies Essen.
Das mit der Bewegung kennen wir, aber sorgenfreies Essen? Ja richtig, geniessen!
Und nicht ein verkrampftes Essen nach Nahrungsmitteldeklarationen. Die neusten
Umfragen zeigen ohnehin, dass kaum jemand die kleingedruckten Angaben liest,
geschweige denn versteht.
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«Die Beurteilung eines einzelnen Nahrungsmittels aufgrund der Art und Menge einzelner Inhaltsstoffe lässt die Wechselwirkungen mit anderen Inhaltsstoffen des
gleichen Nahrungsmittels ausser acht wie auch die Wechselwirkungen zu gleichzeitig
genossenen Nahrungsmitteln. Deshalb bringt uns diese losgelöste Betrachtung einzelner Nährstoffe nichts. Wir essen Nahrungsmittel und keine Nährstoffe», erklärt
Colombani. «Anstatt hochverarbeitete Produkte der Lebensmittelindustrie, die mehr
als fünf Inhaltsstoffe oder Namen haben, die man nicht aussprechen kann, sollten wir
wieder vermehrt Nahrungsmittel zu uns nehmen, die schon unsere Grossmütter kannten, das will heissen, alles, was direkt vom Garten oder vom Bauer kommt.»
Theoretische Diskussionen kann man getrost vergessen
Auch den Kohlenhydraten hat Colombani den Kampf angesagt. Die offizielle Empfehlung, 60 Prozent des täglichen Kalorienbedarfs, also das Doppelte der empfohlenen 30
Prozent bei den Fetten, sei mit Kohlenhydraten zu decken, bezeichnet er als grundfalsch. Das gelte auch für die Einteilung in einfache und komplexe Kohlenhydrate, die
Stärke. Zitat: «Bei den einfachen soll es eine rasche Verdauung und Energielieferung
sein, bei den komplexen hingegen eine langsame. Diese theoretische Voraussage ist
zwar ganz nett, aber dummerweise falsch. Denn die Geschwindigkeit der Verdauung
und der Umwandlung in Energie ist bereits bei einfachen Kohlenhydraten alles andere
als einheitlich. Auch die Geschwindigkeit der Verdauung ist nicht bei allen stärkehaltigen Nahrungsmitteln gleich. Sie liegt irgendwo zwischen moderat und rasch, je
nachdem, welches stärkehaltige Nahrungsmittel man gerade betrachtet. Die Einteilung
in einfache und komplexe Kohlenhydrate bringt uns also herzlich wenig. Ja, eigentlich
überhaupt nichts. Diese Geschichte können wir getrost vergessen.»
Die Empfehlung, 60 Prozent des Kalorienbedarfs durch Kohlenhydrate abzudecken,
muss begraben werden. Colombani: «Der Mensch kann mit einer Vielzahl von Ernährungsweisen, die eine grosse Spannbreite an Nährstoffen liefern, problemlos zurechtkommen, sofern er sich ausreichend bewegt. Für Menschen, die sich kaum bewegen,
sind die 60 Prozent jenseits von Gut und Böse. Damit wird ein Risiko, von diversen
Erkrankungen heimgesucht zu werden, förmlich heraufbeschworen. Wenn wir auf 40
Prozent herunterkommen, würden unser Stoffwechsel und unsere Gesundheit erheblich profitieren. Die stärkehaltigen Nahrungsmittel wie Teigwaren, Reis, Getreideriegel oder Müesli sollte man einfach als Beilagen betrachten und nicht in jede
Hauptmahlzeit einplanen. Süssgetränke wie Eistee, Cola, Fanta usw. sollte man am
besten den Rücken kehren – ein Liter davon enthält rund 30 Würfelzucker, die man
beim besten Willen nicht braucht.»
Der Irrtum mit der Fettverbrennung
Und noch etwas können Sie glatt vergessen. Was Sie bisher über die Fettverbrennung
gehört haben. Im Schnattertempo eine halbe Stunde walken, damit verbrennen sie fast
gar nichts. Ich zitiere Prof. Urs Boutellier, Sportphysiologe an der ETH und Universität Zürich: „Heute wird immer noch empfohlen, lange Distanzen in einem gemüt-
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lichen Tempo zurückzulegen und mit eher geringer Intensität zu trainieren, um möglichst viel Fett zu verbrennen. Leider lässt sich das gewünschte Resultat so kaum erreichen. Wie kommt es zu diesem weit verbreiteten Irrtum? Der relative Anteil der
Fettverbrennung ist bei tiefer körperlicher Intensität zwar viel höher, aber was zählt,
um möglichst viel Fett zu verbrennen, ist nicht der relative, sondern der absolute Anteil. Dieser ist bei hoher Trainingsintensität am höchsten. Und zwar bei einer Herzfrequenz, die ungefähr 75 Prozent des Maximums beträgt.
Wir vermuten, dass aufgrund der verhängnisvollen Verwechslung von relativer und
absoluter Fettverbrennung empfohlen wird, bei einer sehr tiefen Intensität zu trainieren, wenn man viel Fett loswerden möchte. Eine zweite mögliche Erklärung für den
falschen Ratschlag: Man glaubt, dass Untrainierte in den ersten 30 Minuten gar kein
Fett verbrennen und deshalb länger aktiv sein müssen, um überhaupt Fett abzubauen.
Untrainierte oder Übergewichtige – so die falsche Annahme - müssen also gewissermassen dank tiefer Intensität in die Lage versetzt werden, sich mehr als 30 Minuten
bewegen zu können. Fakt ist jedoch: Auch Untrainierte beziehungsweise wenig Trainierte verbrennen von den ersten Minuten an Fett, wenn sie sich körperlich betätigen.
Ein grosses Handicap haben untrainierte Menschen jedoch. Bei gleicher relativer
Leistung wie Trainierte verbrennen sie einerseits weniger Fett und andererseits sind sie
kaum in der Lage, lange im optimalen Fettverbrennungsbereich zu bleiben, weil sie zu
wenig leistungsfähig sind. Es gibt allerdings eine gute Möglichkeit, die ungünstige
Voraussetzung trotzdem optimal zu nutzen: Man trainiert nach der Intervallmethode,
das heisst relativ intensives Rennen wird durch gemütliches Gehen immer wieder
unterbrochen. Damit können auch Untrainierte wiederholt in den optimalen Fettverbrennungsbereich gelangen und wahrscheinlich erst noch die Fettverbrennung steigern, weil die Fettsäurekonzentration nach einer intensiven Leistung ansteigt. Mit anderen Worten: Während des Gehens kommen mehr Fettsäuren aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut und stehen dann anschliessend beim Rennen für die Verbrennung in
den Muskelfasern zur Verfügung. Die gute Nachricht lautet damit: Die Fettverbrennung
lässt sich trainieren! Allerdings genügt dazu entgegen allen anders lautenden Behauptungen gemütliches Gehen und (Nordic)Walken bei weitem nicht. Nur wenn der Körper
immer wieder maximal belastet und an seine Grenzen geführt wird, passt er sich an.“
Die Mär von den fünf Mahlzeiten am Tag
Noch der letzte Irrtum, mit dem wir schleunigst aufräumen müssen: Um sich gesund
zu ernähren, reichen zwei bis höchstens drei richtige Mahlzeiten am Tag. Znüni und
Zvieri braucht es nicht, auch nichts so genannt Gesundes. Ein Team um Prof. Markus
Stoffel vom Institut für Molekulare Systembiologie der ETH Zürich konnte den
Mechanismus aufzeigen, der zu Bewegungsarmut und Fettleibigkeit führt. Zentraler
Schalthebel ist ein Eiweiss mit dem Namen Foxa 2. Foxa 2 kommt unter anderem in
jener Hirnregion vor, welche die Nahrungsaufnahme reguliert. Gesteuert wird Foxa 2
durch Insulin, das beim Essen ausgeschüttet wird. Insulin hemmt Foxa 2. Bei vollem
Magen ist der Schalthebel inaktiv, bei nüchternem Magen arbeitet er. Im Gehirn sorgt
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das aktive Foxa 2 dafür, dass zwei Botenstoffe gebildet werden, die Nahrungsaufnahme und spontane Bewegungen fördern.
Für Jäger und Sammler ist dieses Verhalten sinnvoll. Sie haben Hunger und gehen auf
die Jagd. Bei fettleibigen Mäusen fanden die Wissenschaftler eine Schädigung: Foxa 2
ist permanent inaktiv, egal, ob sie nüchtern oder satt sind. Dies sei eine Erklärung dafür, dass fettleibige Menschen und Tiere sich nur wenig bewegen. Um die Wirkung
von Foxa 2 zu testen, züchteten die Forscher Mäuse, in deren Hirn das Signaleiweiss
stets aktiv ist, egal, ob sie gerade gefressen haben oder fasten. Diese Mäuse bewegten
sich fünf Mal mehr als fettleibige Tiere. Sie bauten Fett ab und Muskeln auf und
hatten bessere Blutwerte.
Auf Grund der Studie stellt Stoffel ein Dogma der Ernährungsleere in Frage. Er halte
nichts davon, zahlreiche kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt einzunehmen. Lieber
solle man wenige Male richtig essen und dazwischen auch dem Hunger Raum lassen.
Der Körper brauche Fastenperioden, um gesund zu bleiben.
Was ist die Moral der Geschichte?
Mein Gott, was soll man noch glauben? Nichts!
Und was kann man noch essen? Alles!
Und was soll man tun? Den Hintern bewegen!
So einfach ist das mit der Gesundheit.
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