Dr. Franz Segbers / Universität Marburg Armut als Menschenrechtsverletzung. Initiative gegen Armutshandel Verdi, Betriebsseelsorge, Diakonie, kda. Katholische Arbeitslosenseelsorge Nürnberg 17. Oktober 2014 Es ist mir eine große Freue und Ehre, heute am UN-Welttag zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung hier in Nürnberg zumal auf Einladung des breiten Trägerkreise von verdi über Diakonie und KDA bis zur katholischen Betriebsseelsorge und Arbeitslosenseelsorge sprechen zu können. Nürnberg ist die Stadt der Menschenrechet. In Nürnberg gibt es die wunderbare „Straße der Menschenrechte", die 1993 eingeweiht wurde. Die „Straße der Menschenrechte" ist sowohl eine Anklage gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten als auch eine zu Stein gewordene Mahnung an die Menschen, dass die Menschenrechte auch heute noch in vielen Staaten der Erde massiv verletzt werden. Ich möchte heute über die sozialen Menschenrechte sprechen, die man vergessene Menschenrechte genannt hat. 1. Schweigen über die Menschenrechte – in Deutschland Der Titel „Armut als Menschenrechtsverletzung“ mag manchen irritieren. Wenn von Menschenrechtsverletzungen die Rede ist, dann denken wir zumeist an Folter, Verschleppung und Entführung von Menschen. Die Nichtregierungsorganisation „Amnesty International“ macht seit Jahren auf solche Vorfälle aufmerksam. Weniger Aufmerksamkeit erregt Amnesty International allerdings, wenn sie auf die Verletzung von Menschenrechten oder eine mangelnde Umsetzung von Menschenrechten in Deutschland aufmerksam macht. Ich möchte im Folgenden ausführen, dass Armut in Deutschland eine Menschenrechtsverletzung darstellt. In der Definition, was Armut ist, liegt das Problem und die Lösung. Armut ist ein mehrdeutiger, missverständlicher sowie moralisch und emotional aufgeladener Begriff. Wenn man Armut mit rein statistischen Fakten erhebt, dann besteht die Lösung darin, nur ein finanzielles Problem dadurch zu bekämpfen, dass man Arbeit um jeden Preis schafft. Auch wenn Arbeit noch so schlecht bezahlt wird, besser als keine Arbeit. Erstaunt stellt man dann fest, dass arme Manschen zwischen Sozialleistungsbezug mit und ohne Arbeit wechseln. – Nur an ihrer miserablen Lage hat sich nicht verändert. Sie werden zu Fürsorgearbeitnehmer. Wer Armut nah dem Lebenslagenansatz daran festmacht, dass arme Menschen schlechtere Wohnungen 1 haben, geringere Einkommen oder schlechtere Bildungszugänge, der wird Armut durch gezielte sozialpolitische Maßnahmen bekämpfen. Dann gibt es beispielsweise ein Bildungspäckchen, um die Chancen armer Kinder zu verbessern. Ganz anders der Menschenrechtsansatz. Nach ihm sind arme Menschen zuerst und vor allem Bürger und Bürgerinnen, denen Menschenrechte vorenthalten werden. Weit davon entfernt, nur Bedürftige zu sein, die auf Versorgung und Tafeln warten, oder Eltern die dankbar sein sollen, wenn sie ein Bildungs- und Teilhabepaket für ihre Kinder bekommen, sind arme Menschen Bürgerinnen und Bürger, denen Rechte und politischer Einfluss vorenthalten werden. Der Staat steht in Pflicht eine politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung zu schaffen, welche die Menschenrechte als Rechte armer Menschen garantiert. Armut ist dann ein Indikator für die Verletzung von Menschenrechten durch den Staat. Wenn man Armut unter Menschenrechtsgesichtspunkten betrachtet, dann besteht die Lösung des Armutsproblems darin, eine menschenrechtswidrige Ordnung von Gesellschaft und Ökonomie zu beheben und soziale Rechte zu verankern. Armut und Reichtum sind nicht die beiden Enden auf einer Verteilungsskala. Armut ist vielmehr Ausdruck einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung, welche die Menschenrechte verletzt. Menschenrechte erfreuen sich großer politischer Beliebtheit in Deutschland. Hat man doch den Eindruck, dass Menschenrechte und menschenrechtliche Standards etwas sind, das außerhalb Deutschlands gilt. So konnte der Bundestag am 16. Mai 2013 weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit einem Gesetz zustimmen, das eine Übereinkunft des Internationalen Arbeitsamtes über die Rechte von Hausangestellten regelte. Es geht um die Beschäftigung besonders von Frauen aus Entwicklungsund Schwellenländern, die zunehmend in den Mittel- und Oberschichten in Europa und Nordamerika arbeiten. Diese Frauen sind bei Wohnungsreinigung, Kinderbetreuung und in der Pflege tätig. Sie werden zumeist nicht als Arbeitnehmerinnen mit eigenen Rechten wahrgenommen und deshalb auch nicht entsprechend geschützt. Dass der Bundestag die Ratifizierung durchgewunken und die Öffentlichkeit diesen Vorgang nicht beachtet hat, geht wohl darauf zurück, dass die deutsche Öffentlichkeit die Rechtlosigkeit von Hausangestellten als Problem ferner Länder wahrnimmt. Dabei wird übersehen, dass auch in Deutschland die Arbeitsbedingungen von zugewanderten Haushaltshilfen bei der Wohnungsreinigung, der Kinderbetreuung oder der Pflege schlecht sind. Und gerade hier hat sich die Bundesrepublik von der Internationalen Vorgaben verabschiedet. Dies sah vor, dass Hausangestellt das Recht auf mindestens 24 Stunden Ruhezeiten haben. Doch in der Bundesrepublik gilt jetzt eine Ausnahme bei der 24-Stunden-Pflege. Und dabei hätten Frauen, die diese Job tun, doch gerade ein Recht auf eine Ruhezeit. Dieses jüngste Beispiel zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland gut daran tut, sich nicht gegenüber den Menschenrechten und den ILO-Übereinkünften erhaben zu fühlen. Und die Diakonie ist mit ihrer Pflege auch angesprochen. In der bundesdeutschen Politik spielen die Menschenrechte kaum eine Rolle. Sie werden als Maßstab für Regierungshandeln im Kongo, in Nordkorea und gerne in Kuba in Anschlag gebracht, nicht aber auf hiesige Verhältnisse bezogen. Es gibt eine große Scheu auch in den Sozialwissenschaften, die Armut im eigenen Land menschenrechtlich zu besprechen. Aber auch in der Rechtsprechung spielen die Menschenrechte nicht die Rolle, die ihnen zukäme. In kaum einem Rechtsbereich ist die Diskrepanz zwischen rechtlichen Normen und politischer Realität so groß wie im Bereich der Menschenrechte. Dies gilt global wie auch national, obgleich die nationale 2 Dimension der menschenrechtlichen Verpflichtungen des Staates kaum thematisiert wird. Wer weiß schon, dass Artikel 23, Absatz 1 der UN-Charta der Menschenrechte, aktualisiert im UN-Sozialpakt aus dem Jahr 1966 , lautet: „Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“ Und in Absatz 3: »Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.“ Und wer weiß, dass es in Artikel 25 heißt: „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit ...“ Es gibt aber nicht nur Unkenntnis, nicht nur ein Beschweigen der Menschenrechte sondern auch einen Verstoß gegen sie. So hat in einem Rechtsgutachten der Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano gezeigt, wie die Troika aus Vertretern der EZB, des IWF und der EU-Kommission durch ihre Austeritätspolitik in Europa die verbrieften Menschenrechte beschädigt oder gar verletzt. Die Austeritäts- und Kürzungspolitik hat in den südlichen Ländern der EU zu massiven Verarmungs- und Entdemokratisierungsprozessen beigetragen. In Griechenland etwa leben inzwischen mehr als dreißig Prozent der Bevölkerung nahe oder unter der Armutsgrenze. Die von der Troika zu verantworteten Eingriffe verstoßen unter anderem gegen die Europäische Grundrechtecharta, die ILO-Normen, den UN-Sozialpakt und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Fischer-Lescano hat in einem weiteren Gutachten zur Debatte um Ausnahmen von einem Gesetzlichen Mindestlohn auf die unabdingbare Geltung der ILO-Normen hingewiesen. Nach den Bestimmungen der Internationalen Arbeitsvölkerrechts müsste der Mindestlohn bei 1.037,- Euro. Menschenrechtskonform wäre demnach ein Mindeststundenlohn von weit über 8,50 € (brutto). Es wären eine Erhöhungen des Mindestlohnes erforderlich sein, um die Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit der Europäischen Sozialcharta sicherzustellen. 2. Soziale Menschenrechte – die große soziale Erfindung nach der Weltwirtschaftskrise Wir befinden uns im sechsten Jahr einer Großen Weltwirtschaftskrise. Sie hat einige Ähnlichkeiten mit der Großen Krise Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Millionen wurden in Arbeitslosigkeit und Armut gestürzt. Die Politik hatte damals mit einer beachtenswerten Innovation reagiert. Bereits 1935 hatte der USPräsident Franklin D. Roosevelt die gesetzliche Grundlage für eine Sozialreform verabschiedet. Soziale Sicherheit wurde zu einem Programmwort. Diese Sichtweise impliziert ein neues Verständnis vom Staat: Er ist nicht mehr die Instanz, welche die bürgerlichen Freiheiten bedroht; er übernimmt Verantwortung für das soziale Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger und sichert dadurch deren bürgerliche Freiheit. 14. August 1941 trafen sich die damaligen Regierungschefs der USA, Franklin D. Roosevelt, und Großbritanniens, Winston S. Churchill, um gemeinsame Grundsätze zu formulieren. In einer „Atlantic Charta“ wurde ein ambitioniertes ökonomisches und soziales Neuordnungsprogramm für „eine bessere Zukunft für die Welt“ - so in der Präambel – formuliert. Es ist eine innovative Idee, die auf die Weltwirtschaftskrise 3 reagierte, dass hier erstmals ein Konzept einer internationalen Verantwortung für einen Wohlfahrtsstaat entwickelt wurde: Nicht mehr Wettbewerb sondern engste wirtschaftliche Zusammenarbeit aller Nationen, bessere Arbeitsbedingungen, wirtschaftlicher Ausgleich, Schutz der Arbeitenden und soziale Sicherheit. Die Aufarbeitung des dramatischen Ausmaßes der Großen Weltwirtschaftskrise führte zu einer regelrechten Umkehr der bisherigen politischen und ökonomischen Grundannahmen. Zentral für die „Atlantic Charta“ war das Versprechen von „Freiheit von Furcht und Not“. Das Versprechen von Freiheit von materieller Not und Freiheit von existentieller Furcht wurden zu einem wirkmächtigen Programmimpuls für eine internationale wohlfahrtsstaatliche Entwicklung. Das war die Geburtsstunde einer sozialstaatlichen Programmatik mit sozialen Rechten für die Sozialstaaten in der Nachkriegszeit. Auch in Deutschland gab es diesen Impuls: Die bayerische Verfassung proklamierte, dass die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dem Gemeinwohl zu dienen habe. Es wurde den Menschen versprochen, sich durch Arbeit eine auskömmliche Existenz zu schaffen zu können. Männer und Frauen erhalten für gleiche Arbeit den gleichen Lohn. Und ein Mindestlöhne, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligen kulturellen Verhältnissen entsprechende Mindestlebenshaltung für sich und seine Familie ermöglichen. Wer arbeitsunfähig ist oder dem keine Arbeit vermittelt werden kann, hat ein Recht auf Fürsorge. Das ist keine Lyrik, sondern Ausdruck einer Überzeugung, mit der man Konsequenzen aus dem Desaster der Großen Weltwirtschaftskrise. Aus Angst vor einen Rückfall in vergangene Zeiten war man nach 1945 bereit, die Freiheit der Märkte im Interesse der Allgemeinheit einzuschränken, die Macht der Konzerne und des Geldes zu beschneiden, eine soziale Demokratie mit sozialen Rechte zu schaffen und Systeme der sozialen Sicherheit für jedermann einzuführen. Das Gemeinwohl sollte über dem Interesse des Einzelnen stehen und eine gerechte Verteilung des Sozialproduktes sichergestellt werden. Kaum jemand setzte noch auf die Kraft des Marktes. Hatte man bislang dem Staat nur eine Nebenrolle zugebilligt, so wurde er jetzt zu einer Instanz zum Wohl der Menschen. Kurz gesagt: nach 1945 gab es eine stille, aber durchgreifende Revolution. Alle glaubten an einen starken, handlängsfähigen und aktiven Staat. Es war diese Grundüberzeugung, die auch in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 einging. Unter der Programmformel „Soziale Sicherheit“ (Art. 22) wird das Leitbild einer allgemeine Teilhabe gewährleistenden Gesellschaft durchbuchstabiert, in dem einzelne Rechte aufgeführt werden: ein Recht auf Arbeit (Art. 23), ein Recht auf angemessene Entlohnung und beruflichen Zusammenschluss (Art. 23), ein Recht auf Erholung (Art. 24), ein Recht auf einen angemessenen Lebensstandard in Bezug auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und das „Recht auf soziale Sicherheit“ (Art. 22) bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, ein „Recht auf Bildung“ (Art. 26) und ein „Recht auf Beteiligung am kulturellen Leben“ (Art. 27). In der Präambel wird eine Welt in „Freiheit von Furcht und Not“ versprochen. Jedem Menschen wird ein „Recht auf soziale Sicherheit“ zugesprochen. Jeder soll das Recht haben, in Würde sein Leben führen zu können. Der Artikel 28 ist ein wunderbarer Artikel, geradezu revolutionär – wenn denn die Politik sich an dieses Versprechen halten würde. Darin heißt es: „Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.“ Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit formuliert das Leitbild einer Gesellschaft, die allen ihren Mitgliedern allgemeine Teil4 habe und Teilnahme garantieren will. Der nach langwierigen Verhandlungen und gegen den Widerspruch der USA wurde 1966 der Sozialpakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in konkrete soziale Rechte wie das Recht auf Nahrung, Arbeit, Gesundheit, Wohnung, einen angemessenen Lebensstandard durchbuchstabiert. Daran, wie es um die soziale Sicherheit bestellt ist, zeigt sich, wie ob die Gesellschaft sich auf einem guten Weg entwickelt. Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird vielfach ein vergessenes Menschenrecht genannt. Dabei wäre es dringender denn je, da weltweit und auch bei uns Armut, Prekarität und soziale Unsicherheit zunehmen. Der Sozialpakt kennt ein Recht auf Nahrung, Arbeit, Gesundheit, Wohnung, einen angemessenen Lebensstandard. Zuständig für die Überwachung dieses Sozialpaktes ist der UN-Sozialausschuss. Er hat 2007 in seiner Allgemeinen Bemerkung die Normen des Rechts bekräftigt und gefordert, „unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu ergreifen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen“. Das „Recht auf einen angemessenen Lebensstandard“ (Art 11) geht über das hinaus, was in der deutschen Debatte mit einem soziokulturellen Existenzminimum angesprochen wird. Es geht also keineswegs nur um einen minimalen Schutz vor definierten Risiken. So wird das „Recht auf einen angemessenen Lebensstandard“ ist das Recht auf ein Niveau, das auf die Herstellung eines Normalfalls abzielt. Wer arbeitslos ist und über keine Einkünfte erzielt, der hat das Recht auf ein Leben in Würde mit einem angemessenen Lebensstandard. Ein „angemessener Lebensstandard“ wäre demnach ein am Normalfall orientierten Lebensstandard. Das soziokulturelle Existenzminimum muss deshalb auf einem Niveau sichergestellt werden, das dem gesellschaftlichen Reichtum und den Möglichkeiten eines hoch entwickelten Landes wie Deutschland angemessen ist. 3. Der UN - Wirtschafts- und Sozialrat Kaum von der politischen Öffentlichkeit und nicht einmal von der Fachöffentlichkeit wahrgenommen, hatte der UN- Wirtschafts- und Sozialrat im Jahr 2011 gravierende Defizite und Mängel bei den sog. wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten in Deutschland registriert. Er stellte in 26 von 39 Absätzen dezidierte Verfehlungen bei der Umsetzung der Menschenrechtskonvention in so grundlegenden Bereichen wie Bildung, Arbeit, Nahrung, Gesundheit und soziale Sicherheit fest. Dabei hatte die Bundesrepublik den 1966 verabschiedeten Sozialpakt zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten 1974 in der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und dadurch in den Rang eines formellen Bundesgesetzes gehoben. Im Bericht stellte mit Besorgnis fest, dass bestimmte Regelungen im Bereich der Arbeitslosenunterstützung und der Sozialhilfe, unter anderem die Verpflichtung bei Arbeitslosigkeit, „jede zumutbare Beschäftigung" anzunehmen und die Zuweisung von unbezahlten gemeinnützigen Arbeiten an Langzeitarbeitslose das heißt 1-Euro-Jobs zu Verstößen gegen das Recht auf faire Arbeit , gegen das Recht auf einen angemessenen Lohn und gegen das Recht auf soziale Sicherheit verstoßen. Über die 15 Euro-Jobs wird gesagt, dass das Recht jedes Einzelnen auf eine frei angenommene Beschäftigung seiner Wahl sowie das Recht auf angemessenes Entgelt berücksichtigt werden müsse. 1-Euro-Jobs, die einen Erwerbslosen zwingen, ohne angemessenes Entgelt und unter Androhung von Sanktionen arbeiten zu müssen, erfüllt juristisch den Tatbestand der Zwangsarbeit. Im Klartext: Hartz IV nötigt mit den 1-EuroJobs zur Zwangsarbeit und die kirchlichen Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie kooperieren dabei. Die Situation von Asylsuchenden, die keinen Zugang zu angemessenen Sozialleistungen haben und einen abgesenkten Sozialhilfesatz beziehen, keine uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zu medizinischer Versorgung haben, wird als Menschenrechtsverletzung nach Art. 2 kritisiert. Der UN-Sozialrat ist besorgt über beträchtliche Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Er forderte die Bundesrepublik nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass jede Arbeitslose das Recht auf eine freie Wahl der Beschäftigung sowie das Recht auf angemessenes Entgelt hat. Kritisiert wird, dass bei 2,8 Mio. Kindern, die ohne Frühstück oder essen in die Schule gehen, das Menschenrecht auf Nahrung nicht beachtet wird. Politiker verweisen gern auf die mangelnde Lebensführungskompetenz, wenn Eltern ihre Kinder hungrig in die Schulen schicken, gern organisiert man dann Tafeln als Problemlösung. Der UN-Sozialrat hat eine andere Perspektive. Es geht um das Recht der Kinder auf angemessene Ernährung. Wenn das Recht der Kinder auf Nahrung verletzt wird, ist der Staat gefordert- und keine privaten Tafelinitiativen. Der UN Sozialrat nimmt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 zum Grundrecht auf eine sozio-ökonomische Existenzminimum zur Kenntnis, ist jedoch besorgt darüber, dass dieses Verfahren den Leistungsbeziehern keine angemessenen Lebensstandard gewährleistet. Zudem ist der Ausschuss besorgt darüber, dass der Betrag der Sozialleistung für Kinder sehr niedrig ist, was zur Folge hat, dass weiterhin annähernd 2,5 Millionen Kinder in dem Vertragsstaat unterhalb der Armutsgrenze sind. Ferner ist der Ausschuss besorgt darüber, dass der steuerpflichtige Anteil der Renten im Jahr 2005 auf 80 % angehoben wurde. Im Klartext: Der UN-Sozialrat hat der Bundesregierun bescheinigt, dass In Deutschland die Menschenrechte gezielt verletzt werden, zum Beispiel durch die HartzGesetze, die rechtsstaatlich daherkommen, aber vor dem Hintergrund der geltenden Menschenrechte verrechtlichtes Unrecht sind. Und die Politik nimmt diese Kritik nicht einmal zur Kenntnis! Doch kaum hatte der UN-Wirtschafts- und Sozialrat öffentlich diese und weitere menschenrechtliche Defizite in der Sozialpolitik benannt, wies die Politik diese Kritik brüsk zurück. Dem UN-Bericht lägen keine wissenschaftlich erhärteten Kriterien als Bewertungsmaßstäbe zugrunde und er enthalte keine Datengrundlagen im Sinne von wissenschaftlichen Fakten. Bezeichnend jedoch ist der Kommentar der Bundesregierung: „Soziale Lage in Deutschland bietet ein gutes Bild. …Dennoch kann der Staat nicht alles richten. Alle Bürgerinnen und Bürger sind ebenso gefordert, selbst Verantwortung zu übernehmen: Eltern für ihre Kinder, Schülerinnen und Schüler für ihre Leistungen, Arbeitslose für ihre Bemühungen, eine Stelle zu finden, und alle, einander mit Toleranz und Respekt zu begegnen.“ Die Bundesregierung grenzt sich 6 nicht nur von der Kritik an menschenrechtlichen Defiziten ab, sie macht auch deutlich, dass die Bekämpfung von Armut vorrangig in staatlicher Verantwortung des Staates stehe, sondern letztlich in der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger - von Schülern, Eltern und Arbeitslosen. Aber nicht nur die Politik und die Medien, auch die Fachwissenschaften sind zurückhaltend, Armut und Unterversorgung in Deutschland menschenrechtlich zu besprechen. 4. Rückkehr der Unsicherheit ist politisch verursacht Der Bericht des UN Sozialrats erhebt eine Forderung, die so gar nicht in die politische Landschaft passt, nämlich das sog. Rückschrittsverbot. Kritisiert werden die sozialen Reformen, also die Agenda 2010 und Hartz-Reformen. Diese seien rückschrittlich und verringern die sozialen Rechte der einkommensschwachen Bevölkerungsschichten, der Benachteiligten und der am Rande der Gesellschaft stehenden Bevölkerungsgruppen. Der Sozialpakt verbietet es ausdrücklich einen Rückschritt, der dazu führt, dass die sozialen Rechte reduziert werden. Doch genau dies geschieht. Ein Rückschritt droht: Die Rückkehr von Armut, Ausgrenzung, prekärer Beschäftigung und Armutsrenten kehren zurück, nachdem sie im Grund bekämpft waren. Das aber ist kein Naturereignis; das alles ist ökonomisch gewollt und wurde politisch gemacht. Mit dem Versprechen, durch „Fordern“ und „Fördern“ die Beschäftigungsfähigkeit der von Arbeitslosigkeit Betroffenen und auf diesem Weg auch deren Integration sicherzustellen, haben die Hartz-Gesetze eine Pluralisierung von Erwerbsarbeit hervorgebracht und zuvor bestehende sozial abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse entrechtet oder sozial entsichert: Minijobs, Midijobs, Leiharbeit, Werkverträge, befristetete Beschäftigung, 1-Euro-Jobs, Bürgerarbeit, monetarisiertes Ehrenamt. Eine neue Figur eines Arbeitnehmers entsteht: Der Fürsorge-Arbeitnehmer, der erwerbstätig ist und doch auf Fürsorge angewiesen ist. Der Zwang, jede zumutbare Erwerbsarbeit aufzunehmen, führt zu einer „Gesellschaft der Vollerwerbstätigkeit“, in der alle irgendwie beschäftigt sind, auch zu Löhnen, von denen man nicht leben kann. Dieser Zwang wirkt sich auch auf Beschäftigte aus. Unter dem Zwang der Erwerbsarbeit um jeden Preis kommt es zu einer Abstufung: Wer keine Arbeit findet, auch nicht unter seinem bisherigen Ausbildungsniveau, der wird in unterbezahlte und prekäre Arbeit eingegliedert. Gelingt auch das nicht, so soll wenigstens ein 1-Euro-Job übernommen werden. Der Sozialstaat wurde nur noch als Last wahrgenommen, der Kosten verursacht und möglichen Gewinn mindert. Dafür wurde die soziale Rechte zurückgedrängt. Zahlreiche Rechte, wie das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Bildung oder das Recht auf Wohnen, für die der Staat die Garantie übernommen hatte, wurden systematisch ausgehöhlt. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, hatte unumwunden in einem Interview im „Wallstreet Journal“ vom 22. Februar 2012 angekündigt, dass das europäische Sozialstaatsmodell ausgedient habe und nun die Wiederherstellung des Vertrauens der Finanzmärkte das oberste Ziel sein müsse. Angesagt wird die vorrangige Absicherung der Finanzinvestitionen vor den sozialen Rechten. Wenn aber dies geschieht, dann ist der demokratische Staat nicht mehr vorrangig seinen Bürgerinnen und Bürgern und deren Wohl verpflichtet. Was Draghi angekündigt hat, ist ein Denken, das sich gerade in den Debatten zeigt, wenn die Politik stolz auf die schwarze Null im Haushalt und die Einhaltung der Schulden7 bremse verweist, während an der Infrastruktur und den Sozialleistungen, besonders den sog. freiwilligen Sozialleistungen in den Städten und Kommunen gespart wird. Es fällt auf, dass die Diskussion über die Regelsätze vorwiegend sozialpolitisch, aber kaum im Zusammenhang mit Menschenrechtsverpflichtungen geführt werden. Dabei würde ein Menschenrechtsdiskurs deutlich machen, dass Menschenrechte verletzt werden, wenn Menschen die für ein Leben in Würde erforderlichen Grundbedürfnisse verweigert werden. Die Menschenrechte buchstabieren die Menschenwürde in Rechtsansprüche durch. Ansprüche durch. Wenn der verfassungs-rechtliche Anspruch der „Würde des Menschen“ wirklich ein Maßstab wäre, dann müsste darüber geurteilt werden, ob es der Würde des Menschen in einer reichen Gesellschaft entspricht, mit einem Regelsatz von derzeit 391 Euro (Januar 2014) sein Leben führen zu müssen und es die Möglichkeit gibt diesen Regelsatz bei Sanktionen weiter abzusenken. Der Vorlagebeschluss des 6. Senats des Hessischen Landessozialgerichts für das Bundesverfassungsgericht hatte das Menschenwürdepostulat in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip gestellt und gefordert, dass die „sozialstaatlich elementare Verteilungsfrage“ gestellt werden müsse, um das Existenzminimum auch garantieren zu können. Das Menschenwürdepostulat begründe einen Leistungsanspruch auf Sicherung des Existenzminimums und das Sozialstaatsprinzip den Anschluss an einen gesellschaftlichen Mindeststandard. Doch genau dieser Argumentation hat sich das Bunddesverfassungsgericht nicht angeschlossen und sich damit auch einer materiellen Konkretisierung des Menschenwürdeartikels entzogen. Menschenrechte sind universell, gelten für alle Menschen und in gleicher Weise. Menschenrechte sind die Bedingung dafür, dass Menschen frei von Furcht und Not leben können. Jürgen Habermas hat die Menschenrechte eine „reale Utopie“ genannt. Das ist eine wunderbare Formulierung. Die Hoffnung auf mehr Humanität und Gerechtigkeit gehört nicht einer illusorischen Zukunft; sie ist bereits als das Ziel einer gerechten Gesellschaft rechtlich in den Menschenrechten verankert, das der Entwicklung der Gesellschaft eine Orientierung gibt. Die Menschenrechte leben von einer überschießenden Spannung, welche die Gesellschaft in die Richtung ihres idealen Ziels drängt. Soziale Rechte sind die Form, in der die Verhältnisse schon gedacht werden können, ehe sie verwirklicht sind. Wer deshalb eine Unterstützung bei Erwerbslosigkeit oder Armut in Anspruch nimmt, der bringt sich in keine „Schuld“, sondern nimmt sein gutes Recht wahr. Dieses Recht gilt bedingungslos. Menschenrechte sind keine Belohnung für Wohlverhalten. Doch Hartz IV hat aus dem Menschenrecht auf ein Leben in Würde und mit einem angemessenen Lebensstil ein Tauschgeschäft gemacht. Sozialleistung nur gegen eine andere Leistung: 1-Euro-Jobs oder irgendeine andere Arbeit. Genau das hatte der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch gewollt, als er in einem Interview erklärte: „Wir müssen jedem Hartz IVEmpfänger abverlangen, dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung.“ 5. Relevanz der Menschenrechtsperspektive Konservative Ethiker und Juristen verweisen gern darauf, dass die Menschenwürde und Menschenrechte zu unbestimmt und zu vage seien. Die Menschenwürde wird aber in den Menschenrechte konkret buchstabieren. Doch die kritisierte Unbestimmt8 heit ist selbst ein unbestimmtes Kriterium. Alle Rechtsnormen sind unbestimmt und es ist Aufgabe der Rechtsprechung, die Unbestimmtheit in Bestimmtheit zu überführen. Welche Kraft geht von den Menschenrechten aus und welches Veränderungspotenzial enthält dieses Instrument? 1. Armut ist nicht allein ein Mangel an Einkommen, sondern immer auch ein Mangel an Menschen- und Bürgerrechten. Dieser Mangel hat Folgen: Armut ist dann Ausdruck eines Defizits an Macht und politischer Gestaltungsmöglichkeit. Arme sind Bürger, denen es an Menschen-, Bürger-, Beteiligungs- und Freiheitsrechten fehlt. Der Menschenrechtsansatz sieht arme Menschen als Bürger und Bürgerinnen, denen Grund- und Menschenrechte vorenthalten werden. Konkret: Könnten arme Menschen mitbestimme, dann würde der Hartz-Regelsatz anders ausfallen. 2. Die zentrale menschenrechtliche Verpflichtung des Staates besteht in immer wieder kehrenden Trias, die Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen. Die Lösung des Armutsproblems unter Menschenrechtsgesichtspunkten wird in Art. 28 der Menschenrechtserklärung politisch wie ethisch wunderbar ausgeführt: „Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.“ Der Staat steht in Pflicht eine politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung zu schaffen, welche die Menschenrechte als Rechte armer Menschen garantieren. Armut ist dann ein Indikator für die Verletzung von Menschenrechten durch den Staat. Wenn man Armut unter Menschenrechtsgesichtspunkten betrachtet, dann besteht die Lösung des Armutsproblems darin, eine bestehende menschenrechtswidrige Ordnung von Gesellschaft und Ökonomie zu beheben und soziale Rechte zu verankern. 3. Um das Recht muss gekämpft werden. In kaum einem anderen Bereich ist der Widerspruch zwischen Recht und der Wirklichkeit so groß wie bei den Menschenrechten. Die Menschenrechte geben die Orientierung und ermutigen, dafür zu kämpfen, dass die Würde zu ihrem Recht kommt. Die Anwendung der Normen des Sozialpaktes wäre vor deutschen Gerichten wichtig. Die deutschen Gerichte müssen gezwungen werden, sich auf die Normen des Sozialpaktes und der ILO-Übereinkünfte zu beziehen. Dann würden daraus subjektive Rechte und gerichtlich durchsetzbarere Ansprüche von Menschenrechtsnormen. Die Konkretisierung von Rechtsnormen ist eine Angelegenheit der Rechtsprechung. 4. Schließlich sind wir alle gefordert. Die Zivilgesellschaft muss Druck auf die Politik ausüben. Gerade in Zeiten, in denen Sozialpolitik immer mehr nur als Arbeitsmarktpolitik verstanden wird, ist der Bezug auf die Menschenrechte umso dringlicher. Das DW-EKD hat sich in Bezug auf die europäische Sozialpolitik eindeutig menschenrechtsorientierte Ziel gesetzt, indem sie festhält, dass die Diakonie „besonders für den Schutz der Würde des Menschen und für die Verwirklichung aller bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte“ eintritt. (DW EKD, Das Diakonische Werk der EKD in Europa, Diakonie.-Texte 06.2010, Berlin 2010, 10). Die Diakonie betont das Menschenrecht auf Existenzsicherung und fordert ein Mindesteinkommen, das „auch Mittel für soziale Teilhabe 9 umfassen muss. Die staatliche Gewährung armutsfester Sozialleistungen für die Menschen darf nicht von deren Arbeitsfähigkeit abhängig gemacht werden.“(19) Das Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung usw. ist ein dem Menschen angeborenes Recht, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf, nicht einmal im Hinblick darauf, ob der Betreffende für die Gesellschaft von Nutzen ist. Menschen, denen also ihr Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung usw. vorenthalten wird, werden in ihrer Würde verletzt und damit um ihr unveräußerliches Recht gebracht, nicht in Armut leben zu müssen. Armut mitten in einer reichen Gesellschaft ist ein Zeichen dafür, dass die Sozialordnung, die Menschenrechte nicht beachtet oder gar verletzt. Diese Feststellung bedeutet für eine demokratische Gesellschaft zugleich, dass die Gesellschaft als Ganze verantwortlich ist, da die gesellschaftliche Ordnung durch demokratische Legitimation zustande kommt. Die demokratisch legitimierte Politik ist es nämlich, die diese ungerechte soziale Ordnung formt und aufrechterhält. Die Gesellschaft ist verpflichtet die Armut durch entsprechende Politiken zu kompensieren. Dem Sozialstaat kommt die Aufgabe zu, die materiellen Voraussetzungen der Inanspruchnahme gleicher Bürgerrechte auf Partizipation und Teilhabe in und an der demokratischen Gesellschaft sicherzustellen. Er stellt also die Voraussetzungen gleicher gesellschaftlicher Beteiligungsrechte aller sicher und bildet eine Basispolitik der Demokratie, die dafür sorgt, dass jeder Mensch Bürger sein kann. Wer arm ist, der weiß, dass seine Menschen- und Bürgerrechte nur so viel wert sind, wie er auch materielle soziale und wirtschaftliche Rechte hat. Aus dem Würdegebot und dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes folgt dabei, dass jeder in Würde leben können muss – mit und auch ohne Erwerbsarbeit. Der menschenrechtliche Ansatz versteht Armut nicht allein als einen Mangel an Einkommen, sondern immer auch und vor allem als einen Mangel an sozialer Sicherheit und politischem Einfluss. Der Rechtsanspruch auf ein Leben in „Freiheit von Not“ aus der Menschenrechtserklärung lässt sich realisieren. Es ist in unserem Land genügend an materiellem Reichtum vorhanden, alle menschenrechtliche Abwehr-, Leistungs- und Teilhaberechte zu realisieren. Die Bundesrepublik Deutschland ist reich genug zur Realisierung der Menschenrechte. Das trifft für soziale Rechte, wie die Rechte auf einen angemessenen Lebensstandard, soziale Sicherheit und gute Arbeit, genauso zu wie für die Rechte auf politische, kulturelle und soziale Teilhabe. Der Kampf um das Recht, Rechte zu haben, verbindet die Zivilgesellschaft, erwerbslose und wohnungslose Menschen, Migranten und Arbeitnehmer miteinander. Die Menschenwürdegarantie ist ein verbindlicher Maßstab für alles staatliche Handeln auf und verpflichtet den Staat, eine Sozialordnung zu gestalten, die die Menschenrechte von allen Bürgerinnen und Bürger garantiert. Dazu gehören das Recht auf eine bedarfsorientierte, armutsfeste und sanktionsfreie soziale Sicherung, Löhnen, von denen man in Würde leben kann und ein System sozialer Sicherheit, damit jeder frei von Furcht und Not leben kann. 10 Literaturhinweise: Über die sozialen Menschenrechte in Deutschland: 1. Bericht über die sozialen Menschenrechte in Deutschland: Wirtschafts- und Sozialrat, Abschließende Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Prüfung der Staatenberichte nach Artikel Genf, 2. - 20. Mai 2011, in: http://www.gms-dresden.de/UNOReport.pdf 2. Große Anfrage der Abgeordneten Diana Golze, Matthias W. Birkwald, u.a. zu: Abschließende Bemerkungen der Vereinten Nationen zum Staatenbericht an den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, in: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/089/1708966.pdf 3. Antwort der Bundesregierung: in: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/112/1711265.pdf Franz Segbers, Hartz IV und die Menschenrechte, in: Blätter für deutsche und international Politik 2 / 2009, 102-109. Franz Segbers, Menschenwürde, Menschenrechte und Armut, in: Stefan Gillich / Rolf Keicher (Hg.), Bürger oder Bettler. Soziale Rechte von Menschen in Wohnungsnot in Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung, Wiesbaden 2011, 51-69. Franz Segbers, Die Armut der Politik - Das Menschenrecht auf Nahrung – und der Irrweg der Tafelbewegung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/2013, 81-8. Franz Segbers, Soziale Sicherheit ist ein Menschenrecht, in: Blaschke, Ronald / Rätz, Werner (Hg.), Teil der Lösung. Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen, Zürich 2013, 11-24. 11