Jahrbuch 2013/2014 | Ross, Jaime M.; Stew art, James B.; Hagström, Erik; Brené, Stefan; Mourier, Arnaud; Coppotelli, Giuseppe; Freyer, Christoph; Lagouge, Marie; Hoffer, Barry J.; Olson, Lars; W innen, Brit; Larsson, Nils-Göran | Die Gene einer Mutter können das Altern ihres Kindes beschleunigen Die Gene einer Mutter können das Altern ihres Kindes beschleunigen Maternal genes can contribute to the ageing of a child Ross, Jaime M.; Stew art, James B.; Hagström, Erik; Brené, Stefan; Mourier, Arnaud; Coppotelli, Giuseppe; Freyer, Christoph; Lagouge, Marie; Hoffer, Barry J.; Olson, Lars; W innen, Brit; Larsson, Nils-Göran Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns, Köln Korrespondierender Autor E-Mail: brit.w [email protected] Zusammenfassung Der Alterungsprozess w ird durch verschiedene Arten von Zellschäden bestimmt, die die Funktion von Organen beeinträchtigen. Von besonderer Bedeutung für das Altern scheint derjenige Schaden zu sein, der in den „Kraftw erken der Zelle“ auftritt – in den Mitochondrien. Mutationen in der mitochondrialen DNA führen allmählich zu einer Beeinträchtigung der zellulären Energieerzeugung. Der Alterungsprozess beruht nicht nur auf der Ansammlung mitochondrialer DNA-Schäden, die w ährend der Lebenszeit eines Menschen entstehen. Auch die von der Mutter vererbte mitochondriale DNA spielt eine w ichtige Rolle. Summary There are many causes for ageing. Different types of damage to our cells determine the ageing process and influence the functionality of our organs. Of special significance are damages to the "pow er stations" of the cells, the mitochondria. Mutations in the mitochondrial DNA (mtDNA) lead to deterioration of the cellular energy production. Now , the researchers presenting this study have show n that the ageing process is attributable not only to the accumulation of mtDNA damage during a person's lifetime, but also to their maternally inherited mtDNA. Mitochondrien: Die Kraftwerke der Zelle Das mitochondriale Netzw erk der vielen verschiedenen Zelltypen im Körper enthält Tausende Kopien mitochondrialer DNA, die eine kritische Rolle in der Regulation der mitochondrialen Funktion einnimmt. Die Hauptfunktion der Mitochondrien ist die Bereitstellung von Energie in Form vom Adenosintriphosphat (ATP) die universelle Energiequelle in allen Gew eben und Körperzellen. Um ATP zu bilden, nutzt unser Körper die in unserer Nahrung enthaltene pozentielle chemische Energie. Vor einigen Jahren w urde bekannt, dass mitochondriale Funktionsstörungen einen w esentlichen Einfluss auf den Alterungsprozess haben. Wenn Menschen altern, verändern sich die Zellen und w erden beschädigt. Dieser Prozess kann auch dazu führen, dass Mitochondrien nicht mehr richtig funktionieren. Bei der betreffenden Person kann die mitochondriale Dysfunktion zu Stoffw echselstörungen führen, und Mutationen der mtDNA können Muskelschw äche, neurodegenerative Erkrankungen, Herzprobleme und Diabetes verursachen. © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/4 Jahrbuch 2013/2014 | Ross, Jaime M.; Stew art, James B.; Hagström, Erik; Brené, Stefan; Mourier, Arnaud; Coppotelli, Giuseppe; Freyer, Christoph; Lagouge, Marie; Hoffer, Barry J.; Olson, Lars; W innen, Brit; Larsson, Nils-Göran | Die Gene einer Mutter können das Altern ihres Kindes beschleunigen Es konnte gezeigt w erden, dass bei Patienten mit mitochondrialer Dysfunktion das Maß mutierter mtDNA sehr stark zw ischen den verschiedenen Zellen desselben Gew ebes variiert. Diese mosaikartige Verteilung der mitochondrialen Funktionsstörung w urde in vielen verschiedenen Arten alternden Gew ebes gefunden, unter anderem Herz- und Muskelgew ebe, Nervenzellen und Dickdarm (Abb. 1). In der hier skizzierten Studie zeigen W issenschaftler der Abteilung Mitochondriale Biologie und des Karolinska Instituts, Stockholm, dass selbst die Gene der Mutter das Altern ihres Kindes schon beschleunigen können. Dabei besteht eine Wechselw irkung: Mit zunehmendem Alter nehmen die Schäden an den Mitochondrien zu, w as w iederum zu typischen altersbedingten Erkrankungen führen kann. A bb. 1: Mosa ik a rtige m itochondria le Funk tionsstörung in a lte rnde m Ge we be . Die Be ispie le de r be troffe ne n Ge we be um fa sse n Ge hirn, He rz, Da rm und Sk e le ttm usk e l. © Ma x -P la nck -Institut für Biologie de s Alte rns/R öhl; na ch [1] Mutationen in den Mitochondrien beschleunigen den Alterungsprozess In der Alternsforschung stehen die Mitochondrien bereits seit Längerem im Fokus der Forscher. Die Mitochondrien einer Zelle enthalten Tausende Kopien ringförmiger DNA. Darauf sind vor allem Proteine kodiert, die für die Enzyme der Atmungskette w ichtig sind. W ährend die DNA im Zellkern von beiden Eltern stammt, enthält die mitochondriale DNA ausschließlich mütterliche Gene. Die Replikation der mtDNA ist nicht an den Zellzyklus gebunden, und ein bestimmtes mtDNA-Molekül kann sich viele Male oder aber auch überhaupt nicht teilen. Die Tochterzellen erhalten daher sehr unterschiedliche Mengen mutierter mtDNA nach w iederholten Zellteilungen. Damit es überhaupt zu einer mitochondrialen Dysfunktion kommt, muss die Anzahl der mutierten mtDNA Moleküle innerhalb einer Zelle einen kritischen Schw ellenw ert überschreiten (Abb. 2). An dieser Stelle sollte erw ähnt w erden, dass die Mechanismen der Trennung der mtDNA-Mutationen nach Replikation nicht vollständig verstanden sind und w eiter untersucht w erden müssen. Weil die vielen DNA-Moleküle in den Mitochondrien einer Zelle unabhängig voneinander mutieren, gelangen sow ohl unveränderte als auch beschädigte mtDNA-Moleküle in die nächste Generation. Hinzu kommt, dass sich die mitochondriale DNA stärker verändert als die DNA im Zellkern. © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/4 Jahrbuch 2013/2014 | Ross, Jaime M.; Stew art, James B.; Hagström, Erik; Brené, Stefan; Mourier, Arnaud; Coppotelli, Giuseppe; Freyer, Christoph; Lagouge, Marie; Hoffer, Barry J.; Olson, Lars; W innen, Brit; Larsson, Nils-Göran | Die Gene einer Mutter können das Altern ihres Kindes beschleunigen A bb. 2: Klona le Ausde hnung m utie rte r m tDNA-Mole k üle . Muta tione n de r m tDNA sind hä ufig, a be r e ine e inzige m utie rte m tDNA in e ine r Ze lle ha t a ufgrund de r se hr hohe n Ge sa m ta nza hl a n m tDNA-Kopie n k e ine dire k te Auswirk ung a uf die Ze llfunk tion. Die R e plik a tion de r m tDNA k orre lie rt nicht m it de m Ze llzyk lus und e s gibt k e ine n Me cha nism us, de r siche rste llt, da ss sich a lle m tDNA-Mole k üle in e ine r Ze lle e inm a l wä hre nd de s Ze llzyk lus re plizie re n. De r P roze ss de r m tDNA-Se gre ga tion wä hre nd de r Ze llte ilung ist k a um ve rsta nde n. Es ist je doch be k a nnt, da ss som a tische Muta tione n de r m tDNA e ntwe de r ve rlore n ge he n ode r sich wä hre nd de r Ze llte ilung a uswe ite n k önne n. m tDNA Muta tione n führe n nur zu e ine r m itochondria le n Funk tionsstörung, we nn e in be stim m te r Schwe lle nwe rt übe rschritte n wird. © Ma x -P la nck -Institut für Biologie de s Alte rns/R öhl; na ch [1] Die mitochondriale DNA enthält nur 37 Gene, verglichen mit etw a 21.000 Genen der DNA des Zellkerns, jedoch sind genau diese mitochondrialen Gene entscheidend für den Stoffw echsel aller Zellen im Körper. Daher führen viele Mutationen in den Mitochondrien zu einer ernsthaften Beeinträchtigung der zellulären Energieerzeugung. Dies w iederum hat offenbar einen erheblichen Einfluss auf den Alterungsprozess und es konnte w ie bereits erw ähnt gezeigt w erden, dass dieser Prozess nicht nur auf der Ansammlung mitochondrialer DNA-Schäden an sich beruht, sondern auch die von der Mutter vererbte mitochondriale DNA dabei eine Rolle spielt. Das internationale Forscherteam um Nils-Göran Larsson hat nun in einer Studie gezeigt, dass künstlich erzeugte Mutationen in der mtDNA die Alterung bei Mäusen beschleunigen kann. Mutationen in der mtDNA können von der Mutter an ihr Kind vererbt werden In der Studie führten künstlich erzeugte Mutationen in der mtDNA dazu, dass die Nachkommen in der Tat signifikant schneller alterten als die Nachkommen von Mäusen, deren mtDNA nicht künstlich verändert w orden w ar. Die sogenannte „mtDNA Mutator-Maus“ erzeugt einen hohen Anteil an mtDNA Mutationen, die zu einer vorzeitigen Alterung führen. Die W issenschaftler haben nun gezeigt, dass diese vorzeitige Alterung auch durch die Vererbung mutierter mtDNA beeinflusst w ird. Die Nachkommen mit der vererbten mutierten mtDNA hatten eine Lebenspanne von 45 Wochen. Die Nachkommen der w eiblichen Mäuse ohne künstlich mutierte mtDNA lebten dagegen zehn Wochen länger. Die Studie zeigte zudem, dass Mutationen in der mtDNA auch entw icklungsbiologische W irkungen zeigen und zu Missbildungen des Gehirns führen können [2]. © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/4 Jahrbuch 2013/2014 | Ross, Jaime M.; Stew art, James B.; Hagström, Erik; Brené, Stefan; Mourier, Arnaud; Coppotelli, Giuseppe; Freyer, Christoph; Lagouge, Marie; Hoffer, Barry J.; Olson, Lars; W innen, Brit; Larsson, Nils-Göran | Die Gene einer Mutter können das Altern ihres Kindes beschleunigen Ausblick Diese neuen Ergebnisse bringen mehr Licht in den Alterungsprozess und zeigen, dass die Mitochondrien dabei eine zentrale Rolle spielen. Eine w esentliche Erkenntnis der Studie ist außerdem, dass der Alterungsprozess durch unterschiedliche Arten angesammelter Schäden verursacht w ird und nicht durch einen einzigen Mechanismus. Die Ergebnisse zeigen auch, dass es w ichtig ist, die Anzahl der Mutationen zu reduzieren, um den Alterungsprozess in der bestehenden und der nachfolgenden Generation zu bremsen. Ob sich die Schäden an der mtDNA etw a durch Änderungen im Lebensstil reduzieren lassen, w ollen die W issenschaftler in zukünftigen Studien an Modellorganismen w ie Mäusen und Fruchtfliegen herausfinden. Literaturhinweise [1] Larsson, N. G. Somatic mitochondrial DNA mutations in mammalian aging Annual Review of Biochemistry 79, 683-706 (2010) [2] Ross, J. M.; Stewart, J. B.; Hagström, E.; Brené, S.; Mourier, A.; Coppotelli, G.; Freyer, C.; Lagouge, M.; Hoffer, B. J.; Olson, L.; Larsson, N. G. Germline mitochondrial DNA mutations aggravate ageing and can impair brain development Nature 501, 412-415 (2013) © 2014 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/4