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Titel
Allg. Krankenhaus der Stadt Wien (AKH) – Univ.-Kliniken
der Medizinischen Universität Wien (MUW)
UNIV.-KLINIK FÜR NEUROLOGIE
KLIN. ABT. F. KLINISCHE NEUROLOGIE
LEITER: O.UNIV.PROF. DR.DR.H.C. L. DEECKE
1090 WIEN, WÄHRINGER GÜRTEL 18-20
℡ +43-1-40400/3110 oder /3111 ¬ /3141
E-mail: [email protected]
Internet: http://www.meduniwien.ac.at/neurologie
0
0
d:/deecke/vorlesung ws-ank02/03.doc
Im WS 2005/06 lese ich die folgende Vorlesung:
Beginn und Vorbesprechung 04.10.05, 1215 Uhr
VORLESUNG
Prof. Deecke
Hauptvorlesung Klinische Neurologie 2 mit Fallvorstellungen!
Pflichtvorlesung Wintersemester 2005/06
Kursraum 9
jeden Dienstag 12 Uhr c.t.
jeden Mittwoch 12 Uhr c.t.
Themen für Wintersemester:
Tumoren
Schädel-Hirntrauma
Enzephalopathien
Encephalitis, Meningitis, Myelitis
Rückenmarkserkrankungen
Polyradikulitis
Periphere Nerven
Muskelerkrankungen
Hirnatrophische Prozesse
Notfall-Neurologie
Stoffwechselstörungen
Schwindel und Nystagmus
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b
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k
HirnTu
00.doc
ℋirntumoren 00
00
Tabelle 1
Wie Tumoren das Nervensystem schädigen
Art der Schädigung
Beispiele
======================================================================
Primäre ZNS-Tumoren
Gehirn, Rückenmark und Meningen
Gliome
Meningiome
Hirnnerven und periphere Nerven
Schwannome (Neurilemmome)
Neurofibrome
Andere intrakranielle Strukturen
Hypophysentumoren
Pinealistumoren
---------------------------------------------------------------------Metastatische Tumoren
Intrakranielle Strukturen (in der Regel Gehirn)
Rückenmark (in der Regel epidural)
Leptomeningen
Periphere Nerven
---------------------------------------------------------------------Nichtmetastatische
Gefäßerkrankungen
Effekte
Infektionen
Metabolische und Ernährungsstörungen
Nebenwirkungen von Therapien
Paraneoplastische Syndrome
______________________________________________________________________
L. Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
HirnTu01.doc ℋirntumoren 01
Hervorhebungen
Operation bei Gliompatienten
Wenn auch Kontroversen die Rolle der neurochirurgischen Intervention beim Gliom begleiten,
zeigt die überwiegende Evidenz an, daß Resektion des Tumors - so komplett als irgend möglich sowohl die Überlebensdauer als auch die Lebensqualität der Patienten verbessert. Wenn der
Tumor vor der Operation Kontrastmittel-Anfärbung gezeigt hat, sagt ein MRT mit Kontrastmittel
innerhalb von 3 Tagen nach der Resektion die Ausdehnung des residualen Tumors präziser voraus
als die intraoperative Abschätzung durch den Operateur.
Strahlentherapie beim Gliom
Hirn- und Rückenmarksgliome sollten mit hohen Dosen in einem auf den Tumor und seine
unmittelbare Umgebung begrenzten Feld bestrahlt werden. Bei einigen Patienten ist es von Vorteil,
die konventionelle Radiotherapie durch Brachytherapie zu verstärken (bei welcher eine Quelle
ionisierender Strahlung in den Tumor implantiert wird) oder es kann die stereotaktische
Radiochirurgie (bei welcher hohe Dosen von ionisierender Strahlung in multiplen eng-gebündelten
Strahlen stereotaktisch an genaue intrakranielle Orte plaziert wird) von Nutzen sein.
Chemotherapie bei höhergradigen Gliomen
Das Ansprechen der meisten Gliome auf Chemotherapie ist begrenzt, doch erhöht die Gabe von
Stickstoff-Harnstoff-Substanzen oder Procarbazin zusätzlich zur Strahlentherapie die
Überlebensrate einiger Patienten mit höhergradigen Gliomen. Eine Voraussage, welche Patienten
von einer Strahlenbehandlung profitieren werden, ist leider nicht möglich. Aus diesem Grunde
sollten alle Patienten mit hochgradigen Gliomen mit der Kombination von Strahlentherapie und
Stickstoff-Harnstoff-Substanzen oder einem anderen lipidlöslichen chemotherapeutischen
Medikament behandelt werden.
01
L. Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
HirnTu01.doc ℋirntumoren 01
Aktuelle Chemotherapie bei Glioblastom
Chemotherapie bei höhergradigen Gliomen
Das Ansprechen der meisten Gliome auf Chemotherapie ist begrenzt, doch erhöht die Gabe von
Stickstoff-Harnstoff-Substanzen oder Procarbazin zusätzlich zur Strahlentherapie die
Überlebensrate einiger Patienten mit höhergradigen Gliomen. Eine Voraussage, welche Patienten
von einer Strahlenbehandlung profitieren werden, ist leider nicht möglich. Aus diesem Grunde
sollten alle Patienten mit hochgradigen Gliomen mit der Kombination von Strahlentherapie und
Stickstoff-Harnstoff-Substanzen oder einem anderen lipidlöslichen chemotherapeutischen
Medikament behandelt werden.
01
Bei uns:
Früher:
Dann:
Aktuell:
Handelsname:
ACNU oder BCNU i.v.
CCNU oral
Temozolamid
Temodal
L.Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
HirnTu02.doc ℋirntumoren 02
Primäre Tumoren des Nervensystems
EPIDEMIOLOGIE
02
Tumoren können sich sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark entwickeln,
besonders in Gliazellen, den Meningen und Hirnanhangstrukturen wie der
Hypophyse und der Pinealis.
Im Jahre 1994 prognostizierte die Amerikanische Krebsgesellschaft, daß bis zum
Jahresende 17.500 neue Fälle von Gehirn- und anderen NervensystemKrebserkrankungen (9.600 bei Männern und 7.900 bei Frauen) auftreten werden.5
Diese Inzidenzrate ist mehr als doppelt so hoch wie die des Morbus Hodgkin und
mehr als halb so hoch wie die des Melanoms.
Bei Kindern sind Hirntumoren die häufigsten soliden Tumoren und rangieren nach
der Leukämie an zweiter Stelle der Krebserkrankungen im Kindesalter.
Meningiome und Hypophysenadenome sind die häufigsten Tumoren bei Frauen
und bei Amerikanern afrikanischer Abstammung.7
Im Gegensatz dazu sind Gliome die häufigsten Tumoren bei Männern und Weißen.
L. Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
HirnTu03.doc ℋirntumoren 03
EPIDEMIOLOGIE (Forts.)
Niedergradige Gliome wie Astrozytome sind häufiger bei jüngeren als bei älteren Patienten;
hochmaligne Gliome wie anaplastische Astrozytome und Glioblastoma multiforme sind bei
älteren Patienten häufiger.
Es gibt Hinweise dafür, daß die Häufigkeit der primären ZNS-Tumoren ansteigt.8,9
Dieser Anstieg ist besonders ausgeprägt angesichts der Häufigkeit des primären ZNSLymphoms (PZNSL) sowohl bei immunkompromittierten Patienten (vor allem solchen, die mit dem
humanen Immundefizienz-Virus [HIV]) als auch bei immunkompetenten Patienten.8
Früher ein seltener ZNS-Tumor, der in der Regel erst bei der Autopsie diagnostiziert wurde, stellt
das PZNSL heute eine wichtige Differentialdiagnose bei Diagnose und Therapie der
Hirntumoren dar.10
Ob die Inzidenz glialer Tumoren ebenfalls ansteigt, wird kontrovers diskutiert: Die nicht-invasiven
bildgebenden Verfahren haben die Diagnostik dieser Tumoren substantiell verbessert besonders
bei älteren Patienten, von denen man im allgemeinen meinte, sie würden lediglich an Schlaganfall
oder Demenz erkranken.11
Im Jahre 1994 gab es ca. 12.600 Todesfälle durch ZNS-Malignome.
Bei Frauen ist die Mortalität durch ZNS-Malignome ungefähr dieselbe wie durch
Ovarialkarzinome.
Zusammenfassend sind Hirntumoren die gefürchtetsten unter den Krebserkrankungen, weil sie
so schwere Ausfälle wie Lähmungen, Anfälle, Demenz und Aphasien hervorrufen.
Sie sind die führende Ursache für Krebstodesfälle bei Patienten > 35 Jahren.
03
L. DeD
L.Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
HirnTu04.doc ℋirntumoren 04a
KLASSIFIKATION
Die WHO hat ZNS- und periphere Nerventumoren nach Maßgabe ihrer vermutlichen Ursprungszellen
klassifiziert12
04a
Tabelle 2
Klassifikation von primären ZNS-Tumoren
Tumortyp
Beispiele
% primärer
Tumoren
==================================================================
Gehirn- und Rückenmarkstumoren
70
Neuroepitheliale
Tumoren
Astrozytische Tumoren
Astrozytome
Pilozytische Astrozytome*
Anaplastische Astrozytome
Oligodendrogliome
Ependymome
Pinealistumoren
Pineozytome
Pineoblastome
-
Neuronale Tumoren
Gangliogliome
Neuroblastome
-
Schlecht differenziertes Glioblastom
embryonale Tumoren
Medulloblastome*
Gliomatosis cerebri
20+
5+
-
40+
-
-----------------------------------------------------------------Primär maligne Lymphome
B-Zell-Lymphome
-----------------------------------------------------------------Tumoren des Blutes und
Hämangioblastome
der Gefäße
Kapilläre Hämangioblastome
Gefäßmißbildungen
-----------------------------------------------------------------Extramedulläre (intra30
kranielle oder intraspinale) Tumoren
Nervenscheidentumoren
Meningeale Tumoren
Germinative Zelltumoren+
Mißildungstumoren
Schwannome
(Neurilemmome)
Neurofibrome
Meningiome
10++
80++
Germinome
Kraniopharyngiome
Kolloidzysten des dritten
Ventrikels
Hypophysentumoren
Hypophysenadenome
5++
-----------------------------------------------------------------* In der Regel bei Kindern;+ %-Satz astrozytischer Tumoren in diesen
Kategorien;++ %-Satz von extramedullären Tumoren in diesen Kategorien.
04b
HirnTu05.doc ℋirntumoren 05 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
KLASSIFIKATION (Forts.)
Ca. 70 % der primären ZNS-Tumoren entstehen in Gehirn und Rückenmark.
Von diesen sind ca. 75 % neuroepithelialen Ursprungs, vor allem von Gliazellen (in der
Regel Astrozyten) ausgehend oder ihren Vorstufen.
Diese Tumoren werden gemäß histologischen Kriterien weiter unterteilt in entweder
hochmaligne oder niedermaligne Tumoren.
Nukleäre Atypien, Mitoseraten, endotheliale Proliferation und Nekrose identifizieren
hochgradige Tumoren.
Wenn 3 oder alle 4 dieser Charakteristika erfüllt sind, ist die Prognose schlecht!
Obwohl Hirn- und Rückenmarkstumoren oft als gutartig oder bösartig klassifiziert werden, ist
die Klassifzierung mit Hilfe der histologischen Graduierung vorzuziehen.
Hirn- und Rückenmarkstumoren sind selten wirklich gutartig, weil die Chirurgie selten
kurativ ist; sie sind selten wirklich bösartig, weil sie selten metastasieren.
Die Operation schlägt fehl, weil sogar histologisch benigne Tumoren in das gesunde
Gewebe infiltrieren, was wegen des Risikos der Schädigung vitaler Hirnfunktionen die
Totalresektion verhindert.13
Selbst radikale Operationen wie Hemisphärektomie können im Falle von Patienten mit
Glioblastomen Tumoren nicht vom Rezidivieren abhalten.
Zusätzlich neigen bestimmte Hirntumoren wie Medulloblastome, Ependymome,
Glioblastome und das PZNSL dazu, die Leptomeningen zu besiedeln oder sich entlang der
Neuroaxis an entfernte Orte auszubreiten.
Außerhalb des ZNS werden sie allerdings selten angetroffen.
05
HirnTu06.doc ℋirntumoren 06 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
ÄTIOLOGIE
Gibt es Umweltrisikofaktoren?
♠ Einige wenige eindeutige Zusammenhänge zwischen Umwelt und Auftreten von
Hirntumoren.14
♠ Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen ist der bestuntersuchte Risikofaktor.15
♠ Niedrigdosierte Bestrahlung der Kopfhaut, einst ein Behandlungsverfahren der Tinea capitis,
hat nachgewiesener-maßen zu einem 10-fachen Anstieg der Häufigkeit von Meningiomen
geführt — viele anaplastisch oder maligne —
♠ und einen etwa 3-fachen Anstieg in der Häufigkeit der Gliatumoren.16
♠ Hochdosierte Bestrahlung gegen intra- und extrakranielle Krebserkrankungen,
einschließlich der prophylaktischen Bestrahlung der Leukämie, erhöht die Häufigkeit von
Gliomen und Sarkomen.17
♠ Zahnärztliche Röntgenuntersuchungen stellen jedoch wahrscheinlich keinen Risikofaktor
dar.14
♠ Schädeltraumen können ein Umweltrisikofaktor für die Entstehung von glialen und anderen
Hirntumoren sein.18
♠ HIV-Infektion ist ein Risikofaktor für die Entstehung des PZNSL und möglicherweise des
Glioms.19
♠ Behauptungen, daß die Exposition gegenüber elektromagnetischer Strahlung,
Haarfärben, Pestiziden, Formaldehyd oder industriellen wie gewerblichen Noxen
Hirntumoren verursacht, wurden bisher nicht bestätigt.14
♠ Sollten diese Substanzen wirklich Risikofaktoren darstellen, wären sie nur für einen
kleinen Teil der Hirntumoren verantwortlich.
06
HirnTu07.doc ℋirntumoren 07 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Genetische Risikofaktoren Einige erbliche Krankheiten prädisponieren zur Entstehung von ZNS-Tumoren
Tabelle 3 Hereditäre Syndrome, die mit Hirntumoren verbunden sind
Hereditäres Syndrom
Art der
Tumortyp
Betroffenes
Vererbung
Chromosom
==================================================================
Li-Fraumeni Syndrom
AD
Gliom
17p (p53)
Medulloblastom
-----------------------------------------------------------------Tuberöse Sklerose
AD
Ependymom
9q32-q34
Gliom
oder 11q
Ganglioneurom
Glioblastom
-----------------------------------------------------------------Neurofibromatose Typ 1
AD
Gliom (Optikus)
17q12-q22
(von Recklinghausen'sche
Krankheit)
07
Neurofibromatose Typ 2
AD
Meningiom
22q
Schwannom (bilaterales Akustikusneurinom)
-----------------------------------------------------------------Mulitple endokrine NeoAD
Hypophyse
11q
plasie Typ I
-----------------------------------------------------------------Retinoblastom
AD
Retinoblastom
13q14
-----------------------------------------------------------------Basalzellnävussyndrom
AD
Medulloblastom
1q22, 9c31
Turcot-Syndrom
AR
Hirntumoren ver5q,17p (p53)
Gardner-Syndrom
AD
schiedener HistoloFamiliäre Polyposis
AD
gie, inkl. Glioblastom und
Medulloblastom
-----------------------------------------------------------------von Hippel-Lindau Krank- AD
Hämangioblastom
3p13-p14,
heit
3p25-2p36
HirnTu08.doc ℋirntumoren 08 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Die Neurofibromatose ist bei > 14 % der Patienten mit Neurofibromatose Typ I (NF-1, oder
von Recklinghausen-Krankheit) mit Gliomen assoziiert und
mit Schwannomen, Meningiomen und seltener auch Ependymomen bei Patienten mit
Neurofibromatose Typ II (NF-2).
Das NF-1 Tumor-Suppressor-Gen wurde geklont,21,22 und ein mögliches TumorSuppressor-Gen für NF-2 wurde mitgeteilt.23,24
Erworbene (d.h. nicht-familiäre) genetische Anomalien sind ebenfalls mit ZNS-Tumoren
assoziiert
Diese Anomalien bestehen in dem Verlust oder der Mutation eines Tumor-Suppressor-Gens,
wie z.B. P53 oder dem Retinoblastom (Rb)-Gen und der Amplifikation und Neuordnung von
Onkogenen
Viele Onkogene kodieren für Wachstumsfaktoren oder Wachstumsfaktoren-Rezeptoren, die
Tumorzellen selbststimulieren können (autokrine Stimulation) oder Zellen in der Nähe stimulieren
(parakrine Stimulation)
Es gibt eine Reihe genetischer Anomalien, die mit den häufigen primären Hirntumoren assoziiert
sind [siehe Tabelle 4]
Die 2 häufigsten Anomalien, die bei Patienten mit Gliatumoren identifiziert wurden, sind
Mutationen in p53, die in 40 % der Patienten mit Astrozytomen auftreten und mit ungefähr
gleicher Häufigkeit bei Patienten mit anaplastischen Astrozytomen oder Glioblastoma
multiforme,25-27
sowie eine Überexpression des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors entweder in
normaler oder in mutierter Form, welches bei ungefähr 40 % der Patienten mit Glioblastoma
multiforma auftritt.28-30
08
09
HirnTu10.doc ℋirntumoren 10 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Plättchenspezifischer Wachstumsfaktor31,32 und die Fibroblasten-Wachstumsfaktoren33 wurden
ebenfalls mit diesen Tumoren in Zusammenhang gebracht
Keine spezifische Sequenz einer genetischen Anomalie kann identifiziert werden, wenn ein Tumor
von einem niedriggradigen Astrozytom zu einem Glioblastoma multiforme progrediert
Aus diesem Grunde haben einige Untersucher vorgeschlagen, daß das Glioblastoma multiforme
entweder de novo entstehen kann oder gemäß Graduierung vom niedergradigen Astrozytom I bis
10
IV (entdifferenziertes Glioblastom) Siehe
„Staging“
HirnTu10a.doc ℋirntumoren 10a L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
„Staging“ = Gradierung der Dignität
10a
Grad I = benigne
Grad II = semi-benigne
Grad III = semi-maligne
Grad IV = maligne
HirnTu10b.doc ℋirntumoren 10b L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
PATHOPHYSIOLOGIE
10b
Die Pathophysiologie der ZNS-Tumoren erklärt, warum oft schon relativ kleine Geschwulste
Symptome hervorrufen, während systemische Tumoren dies häufig nicht tun.4
1. schädigen kleine, aber strategisch ‘günstig’ liegende Tumoren vitale Zentren des Gehirns und
des Rückenmarks, wobei sie schwere Dysfunktion erzeugen
ähnliche Läsionen in mehr homogenen Organen, wie z.B. der Lunge oder der Leber, müssen
ausgedehnte Bereiche dieser Organe zerstören, bevor sie Symptome machen
2., weil Gehirn und Rückenmark von unnachgiebiger Dura und Knochen eingeschlossen sind, gibt
es wenig Raum für Neoplasmen zu wachsen
3., Tumorgefäße besitzen keine normale Blut-Hirn-Schranke. neugebildete Gefäße undicht! Proteine u. a. potentiell schädigende Substanzen gelangen i. d. Tumor + i. d. umgebende gesunde
Gewebe! erzeugen Ödem + weitere Kompression gesunden Gewebes!
Die Beseitigung des Ödems erfolgt langsam, weil das Gehirn nicht über Lymphabflüsse verfügt.
ℋirntumoren 11 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Obwohl auch kleine Tumoren meistens Symptome machen, gibt es Ausnahmen:
Langsam wachsende Tumoren, insbesondere in sog. stummen Hirnarealen, können
symptomlos sein bis sie sehr groß sind
Sogar das Glioblastoma multiforme erzeugt manchmal weniger Symptome als man von der
Größe der Raumforderung und dem Grad der Verdrängung her erwarten würde, wie man sie in
den bildgebenden Verfahren sieht.
ZNS-Symptome werden durch drei Mechanismen hervorgerufen:
1. der Tumor invadiert, irritiert und verdrängt gesundes Gewebe. Dieser Mechanismus ist
besonders charakteristisch für die infiltrierend wachsenden niedergradigen Gliome, tritt aber
nur selten bei metastatischen Raumforderungen auf
2. Sowohl der Tumor als auch das Ödem drücken auf das gesunde Gewebe und seine
Blutgefäße, wodurch Ischämie erzeugt wird
3. Tumoren im dritten oder vierten Ventrikel oder in den Leptomeningen verlegen die
Liquorwege und erzeugen
Hydrozephalus
Die Effekte der Tumorinvasion, das kollaterale Ödem und der Hydrozephalus wirken
zusammen und führen zur Herniation gesunder zerebraler Strukturen unter die Falx cerebri,
durch den Tentorium-Schlitz oder durch das Foramen magnum
HirnTu11.doc
11
HirnTu12.doc ℋirntumoren 12 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SYMPTOMATIK
Patienten mit Hirntumoren können generalisierte Symptome aufweisen, die durch den diffusen
intrakraniellen Druck hervorgerufen werden,
oder fokale Symptome, die durch Ischämie oder Kompression am Ort des Hirntumors erzeugt
werden35
oder falsch lokalisierende Symptome, die durch Verdrängung cerebraler Strukturen entstehen.36
Generalisierte oder falsch lokalisierende Symptome sind besonders wahrscheinlich, wenn es sich
um langsam wachsende Tumoren in den relativ stummen Frontallappen handelt, während fokale
Symptome sogar bei kleinen Tumoren in funktionell wichtigeren Hirngebieten auftreten wie dem
motorischen Cortex, dem Hirnstamm oder dem Rückenmark.
Generalisierte Symptome
Kopfschmerz, das häufigste Symptom erhöhten intrakraniellen Druckes, ist das erste Zeichen bei
ungefähr 40 % der Patienten mit Hirntumor.37
Er ist häufiger das Erstsymptom eines Hirntumors bei denjenigen Patienten, bei denen die
Anamnese für nicht tumorbedingte Kopfschmerzen positiv ist als bei Patienten ohne solche
Anamnese
Die meisten Kopfschmerzen, die mit Hirntumor verbunden sind, sind unspezifisch.
Jedoch sollte ein Hirntumor immer dann vermutet werden, wenn der Kopfschmerz beim
Aufwachen bereits vorhanden ist und dann innerhalb einer Stunde verschwindet,
wenn der Kopfschmerz im mittleren oder höheren Lebensalter auftritt und vorher nicht bestanden
hat
oder wenn sich bei einem Patienten mit chronischem Kopfschmerz Charakter oder Schweregrad der
Kopfschmerzen plötzlich ändern
12
HirnTu12a.doc
ℋirntumoren 12a L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
12a
HirnTu12b.doc
1
2
b
ℋirntumoren 12b L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Druck-Volumen-Beziehungen im Kopf
HirnTu13.doc ℋirntumoren 13 L. Deecke Hauptvorlesung KlinischeNeurologie II (WS)
SYMPTOMATIK (Einschub falschlokalisierende Sympt.)
_________________________________________________
Falsch lokalisierende Symptome
13
Falsch lokalisierende Symptome werden durch
Verdrängung cerebraler Strukturen hervorgerufen.
Doppelbilder können durch Verdrängung oder
Kompression des Abducens an der Hirnbasis entstehen.
Hemianopsie wird durch tentorielle Herniation hervorgerufen, die die Arteria cerebri posterior komprimiert.
Einige andere Hirnnervenlähmungen durch Verdrängung
von Hirnstammstrukturen können ebenfalls auftreten.36
_______________________________________________
Kopfschmerz (Forts.)
Wenn der Kopfschmerz lokalisiert ist, ist die Ortsangabe brauchbar für die Seite des Kopfes, in der der
Tumor gelegen ist, markiert jedoch nicht die genaue Lokalisation des Tumors. Z.B. kann ein rechts frontaler
Kopfschmerz darauf hinweisen, daß der Tumor auf der rechten Seite ist, aber darf nicht als Hinweis genommen
werden, daß der Tumor frontal lokalisiert ist, er kann auch occipital oder sogar cerebellär gelegen sein
Erbrechen mit oder ohne vorhergehende Übelkeit besonders beim Aufwachen ist bei Kindern ein häufiges
Zeichen für Hirntumor, weniger bei Erwachsenen
Akuter Kopfschmerz, welcher unmittelbar von Erbrechen gefolgt wird, ist charakteristisch für einen Hirntumor
und zeigt Hirndruck an
Im Gegensatz dazu ist ein mehr prolongierter Entstehungsverlauf des Kopfschmerzes, der erst einige Stunden
später von Erbrechen gefolgt wird, charakteristisch für Migräne
HirnTu14.doc ℋirntumoren 14 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SYMPTOMATIK
(Kopfschmerz Forts. + Ende)
Stp., welche bei Kindern häufig, bei Erwachsenen weniger häufig auftritt, ist ein Zeichen für
Hirndruck.38
Stp. in der Regel asymptomatisch, kann aber vorübergehende Episoden von Erblindung
hervorrufen
__________________________________________________
Mentale Störungen:
Die mentalen Veränderungen, die mit Hirntumoren verbunden sind, beginnen mit leichter
Irritierbarkeit und schreiten bis zu völliger Apathie fort
Patienten schlafen länger, scheinen noch verhangen zu sein, wenn sie aufgewacht sind und sind
für keinerlei Beschäftigungen zu haben, auch nicht für Unterhaltungen —desinteressiert—
Wenn man sie jedoch anspricht, kommt in der Regel eine adäquate Antwort
— Konsultation eines Psychiaters wegen einer vermeintlichen Depression ist oft bereits erfolgt,
bevor der V. a. Hirntumor aufkommt.
Hirntumoren können nur mit episodischen Symptomen verbunden sein wie Kopfschmerzen,
Sehstörungen, Bewußtseinsveränderungen und manchmal vorübergehenden Lähmungen an den
Extremitäten
Symptome oft provoziert durch Aufrichten aus dem Liegen, Husten oder Niesen, und sie sind
verbunden mit
Plateau-Wellen = abrupten Erhöhungen des intrakraniellen Druckes über 5-20 min. Es handelt sich
nicht um Anfälle!
Plateau-Wellen sprechen auf des intrakraniellen Druckes an, nicht auf Antikonvulsiva
14
HirnTu15.doc ℋirntumoren 15 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SYMPTOMATIK:
Fokale Symptome
Anfälle sind die häufgsten fokalen Zeichen eines Hirntumors.
Besonders häufig bei Meningiomen, die den Cortex komprimieren oder im oder nahe dem Motorischen
Cortex oder im Temporallappen entstehen, beides typische epileptogene Gebiete.
Fokale Anfälle durch frontale oder temporale Foci rufen oft Verhaltens- oder emotionale Störungen
hervor, die oft mit Panikattacken oder psychischen Störungen verwechselt !!!
Generalisierte Anfälle können ebenfalls fokalen Ursprungs sein, indem sie von einem asymptomatischen
Krampfherd ausgehen
Abhängig von der Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors können Anfälle über Monate oder Jahre
bestehen, bevor andere Symptome hinzutreten
Adult Onset!: Jeder Patient mit fokalen oder generalisierten Anfällen, die im Erwachsenenalter
beginnen, sollten daher einer gründlichen Diagnostik auf Hirntumor unterzogen werden
Andere fokale Symptome auf Hirntumor hängen von der Lokalisation der Raumforderung ab
Fokale Symptome können dieselben sein, wie sie bei einer Infektion des ZNS, bei Schlaganfall oder
anderen strukturellen Läsionen von Gehirn oder Rückenmark angetroffen werden.
15
DIAGNOSTIK:
An ein ZNS-Neoplasma sollte stets gedacht werden, wenn im Erwachsenenalter Anfälle neu auftreten,
ferner bei allen Patienten mit Stp. sowie neu aufgetretenen fokalen motorischen oder sensorischen
Symptomen
15a Meningiome-Lok
HirnTu16.doc ℋirntumoren 16 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
DIAGNOSTIK (Forts.):
MRT! mit Gabe von Kontrastmittel (Gadolinium)
um zu untersuchen ob und wo die Blut-Hirn-Schranke gestört
Patienten mit Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen sollten mit MRT untersucht werden, wenn
— Somnolenz
— Apathie oder
— Gedächtnisstörungen die psychiatrischen Symptome begleiten
— oder wenn diese atypischen Charakter tragen
Patienten, die nur Kopfschmerzen haben, bedürfen einer MRT-Untersuchung nur dann, wenn die
Kopfschmerzen erst kürzlich aufgetreten sind, sich in ihrem Charakter geändert haben und auf
Kopfschmerztherapie nicht ansprechen
Ein negatives MRT schließt einen Tumor aus (!)
— als Ursache für die Symptome des Patienten und
— braucht nicht wiederholt zu werden
Das MRT identifiziert den Tumor, den das CT übersehen hat
Es gestattet die Unterscheidung von Tumoren und AV-Malformationen
Mit Ausnahme der Biopsie, sind weitere apparative Untersuchungen nicht nötig
MRT erlaubt sogar Rückschlüsse auf die Histologie:
— Niedergradige Astrozytome zeigen oft keine Kontrastmittel-Anfärbung
—> indem sie ihre Präsenz durch Hyperintensität in der T2gewichteten Bildgebung bezeugen
—> und sich normal oder hypointens in T1-gewichteter
Bildgebung darstellen
(T2: Spin-Spin oder transverse Relaxationszeit
T1: Spin-Gitter oder longitudinale Relaxationszeit)
16
HirnTu17.doc ℋirntumoren 17 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Diagnostik (Forts.):
MRT: Hyperintenses Areal im T2-gewichteten Bild schließt
beides ein, Tumor + Begleit-Ödem
Im Gegensatz dazu zeigen höhergradige Gliome
Kontrastmittel-Anfärbung, wobei das T1-gewichtete Bild einen
angefärbten Rand von unregelmäßiger Form und Dicke zeigt,
welcher das hypointense Zentrum umgibt
das T2-gewichtete Bild zeigt nur Hyperintensität
Obwohl die Anfärbung nicht den gesamten infiltrierenden
Randbereich demarkiert,
gestattet sie doch eine klinisch brauchbare Annäherung des
Tumorvolumens
Eine Metastase zeigt einen regulären rundlichen Randbereich
Metastasen treten häufiger als Gliome in multipler Zahl auf:
50% der Patienten mit Metastasen haben multiple Läsionen,
während nur 5% der Gliompatienten > 1 Raumforderung
40% der Patienten mit PZNSL haben multiple Tumoren,
welche periventrikulär gelegen sind, diffuses Färbeverhalten,
schlecht begrenzte Ränder im Vergleich mit Gliomen oder
Metastasen und in der Regel weniger Begleit-Ödem
Biopsie: Obwohl das MRT die histologische Diagnose bereits
nahelegen kann, ist nur die Biopsie definitiv.
Eine Ausnahme dieser Regel stellen PZNSL dar, bei welchen die Lumbalpunktion, oder wenn das Auge
involviert ist, Vitrektomie maligne Tumorzellen zum Vorschein bringen können. Bei anderen Tumoren stellt
die Lumbalpunktion ein Risiko für Einklemmung dar,42 was den fraglichen diagnostischen Vorteil
aufwiegt.
17
17a
HirnTu18.doc ℋirntumoren 18 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Therapie:
Die Behandlung von Patienten mit ZNS-Neoplasmen hängt
von Natur und Lokalisation des Neoplasmas und dem
Allgemeinbefinden des Patienten ab.
Jedoch gibt es allgemeine Richtlinien, die auf alle Fälle von
ZNS-Neoplasmen anwendbar sind.2-4
Corticosteroide
bessern die Symptome von Hirn- oder Rückenmarkstumoren
dramatisch:
— intrakraniellen Druck
— Umgebungsödem des Tumors
symptomatische Besserung kann bereits innerhalb von
Minuten beginnen, und innerhalb von 24 bis 48 Stunden
nach Steroidgabe zur Symptomfreiheit führen
Unser Verständnis der Mechanismen, wie die Steroide diesen
Effekt erzeugen, ist noch sehr dürftig, doch glauben viele
Untersucher, daß Corticosteroide den Fluß wasserlöslicher
Substanzen durch die gestörte Blut-Hirn-Schranke reduzieren.
Corticoide sind indiziert bei allen symptomatischen
Patienten mit Hirn- oder Rückenmarkstumoren mit Ausnahme
des primären ZNS-Lymphoms (PZNSL)!
Medikament: üblicherweise Dexamethason
Dosis: 16 mg/die
Wegen ihres lympholytischen Effektes können
Corticosteroide Tumornekrose erzeugen und die definitive
Diagnosestellung verhindern.
Aus diesem Grunde sollten Corticosteroidgaben bei Verdacht
auf PZNSL nicht gegeben werden, bis eine Biopsie die
Diagnose etabliert hat.
18
HirnTu19.doc
ℋirntumoren 19 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Therapie:
Corticosteroide (Forts.):
Einmal begonnen, wird die Corticoidtherapie weitergeführt bis die Symptomatik gebessert und
der Hirndruck beseitigt sind
Das Medikament wird dann ausgeschlichen bis zur minimalsten Dosis, die noch gute
neurologische Funktion gewährleistet, es kann häufig ganz abgesetzt werden.
Operation:
Obwohl die Operation bei Patienten mit Hirn- oder Rückenmarkstumoren selten kurativ ist, ist sie
die wichtigste Behandlung bei operablen Tumoren !!!außer PZNSL!!!
Die Operation
— etabliert die Diagnose,
— bessert den Hirndruck und
— bessert die neurologischen Symptome
— sowie die Anfallssymptomatik.
Zusätzlich reduzieren die Anwendung moderner operativer Techniken in der Hand eines guten
Neurochirurgen zusammen mit der Gabe von Corticosteroiden zur Prävention des postoperativen
Ödems das Risiko der Verschlechterung der neurologischen Funktion
Wenn auch Kontroversen die Rolle der neurochirurgischen Intervention beim Gliom begleiten,
zeigt die überwiegende Evidenz an, daß komplettere Tumorresektion sowohl die Überlebensdauer
als auch die Lebensqualität der Patienten verbessert.43-45
Wenn der Tumor vor der Operation Kontrastmittel-Anfärbung gezeigt hat, sagt ein MRT mit
Kontrastmittel innerhalb von 3 Tagen nach der Resektion die Ausdehnung des residualen Tumors
präzise voraus und ist eine große Hilfe bei der Erstellung der weiteren Prognose;44 während die
Abschätzung der Komplettheit der Resektion durch den Operateur inakkurat ist.
19
L. DeeckHirnTu20.doc ℋirntumoren 20 e Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Therapie:
Strahlentherapie
Postoperative Strahlentherapie
— verlängert die Überlebenszeit und
— erhöht die Lebensqualität der Patienten mit höhergradigen
Gliomen (d.h. anaplastischen Astrozytomen oder Gliomen),
jedoch ist ihre Rolle bei Patienten mit niedergradigen Gliomen
und besonders bei asymptomatischen Tumoren ungewiss.
— Nach Totalresektion eines pilozytischen Astrozytoms ist eine
Strahlentherapie nicht notwendig.
— Bei asymptomatischen Patienten mit niedergradigen
Astrozytomen oder Oligodendrogliomen kann man ohne Risiko
mit der Strahlentherapie warten bis Symptome auftreten
Dosierungen: Hirn- und Rückenmarksgliome sollten
mit hohen Dosen (5500 bis 6000 cGy 5500 bis 6000 rad )
in Fraktionen von 180 bis 200 cGy 180 bis 200 rad in einem
auf den Tumor und seine unmittelbare Umgebung begrenzten
Feld bestrahlt werden.46
Bei einigen Patienten ist es von Vorteil, die konventionelle
Radiotherapie durch Brachytherapie zu verstärken (bei
welcher ionisierende Strahlen mit bestimmter Dosis in den
Tumor implantiert werden), 46,47
oder man macht eine stereotaktische Radiotherapie
(bei welcher hohe Dosen von ionisierender Strahlung in
multiplen eng-gebündelten Strahlen stereotaktisch an
genaue intrakranielle Orte plaziert werden)46.
Die genaue Rolle, die diese Techniken in der Tumortherapie
spielen, ist jedoch noch nicht evaluiert worden.
20
HirnTu21.doc ℋirntumoren 21 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Therapie:
Chemotherapie
Das Ansprechen der meisten Gliome auf Chemotherapie ist begrenzt, doch erhöht die Gabe von
Stickstoff-Harnstoff-Substanzen oder Procarbazin zusätzlich zur Strahlentherapie die Überlebensrate
einiger Patienten mit höhergr. Gliomen.48
Eine Voraussage, welche Patienten von einer Strahlenbehandlung profitieren, ist leider nicht möglich.
Aus diesem Grunde sollten alle Patienten mit hochgradigen Gliomen mit einer Kombination aus
Strahlentherapie und Stickstoff-Harnstoff-Substanzen oder einem anderen lipidlöslichen
Chemotherapeuticum behandelt werden.
Andere therapeutische Möglichkeiten
Weder Immuntherapie noch Gentherapie sind gegenwärtig bei Hirn- oder Rückenmarkstumoren
indiziert.49
Diese Möglichkeiten werden jedoch z. Zt. intensiv beforscht und könnten vielleicht in der Zukunft von
Nutzen sein.
PROGNOSE
Verschiedene Faktoren determinieren die Prognose von Patienten mit primären Hirntumoren.50,51
Die histologische Graduierung ist ein wichtiger prognostischer Faktor,
z.B. beträgt die
mittlere Überlebensrate für Patienten mit Glioblastoma
multiforme nur wenig mehr als 1 Jahr
5-Jahres-Überlebensrate liegt < 10%.52
Patienten mit einem anaplastischen Astrozytom haben eine
mittlere Überlebensrate von 2 - 3 Jahren;
die von Astrozytompatienten beträgt 5 - 10 Jahre.
Dagegen haben Patienten mit pilozytischen Astrozytomen
häufig eine normale Lebenserwartung.
21
L. Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
HirnTu22.doc ℋirntumoren 22
PROGNOSE (Forts.):
Das Alter ist ein anderer wichtiger Determinator für die Prognose:
Jüngere Patienten haben längere Überlebensrate als ältere
auch wenn sie Tumoren ähnlicher Histologie haben.
In Fällen von Glioblastoma multiforme kann der Ursprungsort des Tumors ebenfalls prognostische
Signifikanz aufweisen:
Ein Patient mit einem Glioblastom, das aus einem niedergradigen Astrozytom hervorgegangen ist, kann
eine bessere Prognose haben als ein Patient mit einem de novo entstandenen Glioblastom.53,54
Andere prognostische Faktoren bestehen in der
Komplettheit der chirurgischen Exstirpation
(komplette Resektion verbessert die Überlebensrate),43-45
der Dosis der Bestrahlung
(höhere Dosen verbessern die Überlebensrate),46 und der
Chemotherapie (chemotherapeutische Medikamente verlängern
die Überlebensrate bei 20 bis 30% der Patienten).48
22
SPEZIFISCHE TUMOREN
Meningiome entstehen aus der Dura und den Pacchionischen Granulationen der intrakraniellen und
spinalen Räume.
Man trifft sie an der Schädelkonvexität und an der Schädelbasis, der Falx und dem Keilbeinflügel sowie
in den Seitenventrikeln und dem thorakalen Spinalkanal an.
Meningiome sind bei Frauen häufiger als bei Männern.
Sie besitzen Progesteronrezeptoren und weniger häufig Östrogenrezeptoren.55
Frauen mit Mammakarzinomen können ein erhöhtes Risiko für Meningiome aufweisen.56
L. DeeckeHirnTu23.doc ℋirntumoren 23 Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN Meningiome(Forts.):
Genetische Anomalien, die bei der Entstehung von Meningiomen eine Rolle spielen, bestehen in dem
Verlust des langen Arms von Chromosom 22 am häufigsten Verlust des kurzen Armes von Chromosom 14
sowie weniger häufig dem
Verlust des kurzen Armes von Chromosom 1
Chromosom 7 oder des
Y-Chromosoms.59-62
Meningiome können multipel auftreten
und oft nur langsam wachsen
sie verursachen neurologische Ausfälle durch Kompression, nicht Invasion
Die übliche Symptomatik von Meningiomen besteht in Anfällen
und Hirnnervenparesen
die der spinalen Mengiome in langsam, meist schmerzlos eintretender Paraparese.
Diagnostik: Meningiome können leicht durch
MRT mit Kontrastmittel diagnostiziert werden.
Sie sind isointens mit Hirngewebe auf T1-gewichteten Bildern;
sie zeigen homogene starke Kontrastmittel-Anfärbung
und sind dann leicht von Hirn- oder Rückenmarksgewebe abgrenzbar
Eine elongierte Dura-Anheftung kann manchmal identifiziert werden.
Gelegentlich imponieren Meningiome en plaque
indem sie ausgedehnte Duraverdickungen hervorrufen.
Therapie: Patienten mit Meningiomen können in der Regel durch komplette Tumor-Resektion geheilt werden,
jedoch können viele Meningiome, insbesondere die des Sinus cavernosus und der Schädelbasis, nicht
vollständig reseziert werden.
Zusätzlich rezidivieren einige wenige Mengiome, besonders die anaplastischen trotz scheinbar kompletter
Resektion.
23
L. DeeckeHirnTu24.doc ℋirntumoren 24 Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN Meningiome(Forts.):
Strahlentherapie kann ein Nachwachsen unter Kontrolle halten.
Mit der Gabe von Chemotherapeutica und Hormonen55 konnte keinerlei Gewinn erzielt werden.
Aufgrund ihrer langsamen Wachstumsrate werden kleine oder asymptomatische Meningiome bei älteren
Patienten besser nur beobachtet als operiert.
Schwannome (auch Schwannzelltumoren oder Neurilemmome genannt)
können im Schädel oder peripheren Nervensystem auftreten. Akustikusneurinome, die häufigsten
Schwannome, entstehen in der Pars vestibularis des achten Hirnnerven oder im Porus acusticus
internus, wo Schwannzellen die Oligodendroglia als Myelinproduzenten ersetzen.
Aus diesem Grunde sollten MRT-Aufnahmen des achten Hirnnerven bei jedem Patienten durchgeführt
werden, der eine unerklärliche einseitige Innenohrschwerhörigkeit oder kalorische Unerregbarkeit
entwickelt, d.h. wenn ipsilaterale Stimulation des Bogengangs durch Temperaturänderungen des
Trommelfells (kalorische Antwort) keinen Nystagmus auslöst.
Schwannome wachsen in der Regel langsam. Zu Beginn erzeugen sie asymptomatischen einseitigen
Vestibularisausfall; später tritt eine symptomatische einseitige Hörminderung ein. Unbehandelt können
die Tumoren zu beträchtlicher Größe anwachsen, indem sie dann auch den nahegelegenen Trigeminus,
Facialis und Kleinhirnstrukturen komprimieren.
Diese Tumoren sind oft mit dem Verlust des langen Armes von Chromosom 22 assoziiert.63
Bilaterale Akustikusneurinome weist auf die Neurofibromatose Typ 2 hin.
Eine unerklärliche einseitige Hörminderung, einseitiger Tinnitus oder Schwindel (mit unilateraler kalorischer
Unerregbarkeit) sollte immer einer weitergehenden Diagnostik zugeführt werden, da die Frühdiagnostik
durch Hörtests und MRT den Chirurgen in die Lage versetzt, mikrochirurgische Techniken einzusetzen,
welche den Facialis und manchmal auch die Hörfunktion erhalten.
Manche Untersucher plädieren für den Einsatz der stereotaktischen Radiochirurgie (γ-knife) bei Patienten
mit kleinen Akustikusneurinomen
24
HirnTu25.doc ℋirntumoren 25 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN Hypophysentumoren
Hypophysenadenome gehen in der Regel mit endokrinologischen Symptomen einher [s. Abschnitt 3,
Kapitel V].
Makroadenome können das Diaphragma sellae komprimieren und bitemporale oder bifrontale
Kopfschmerzen hervorrufen.
Wenn sie das Diaphragma sellae durchstoßen und auf das Chiasma opticum drücken, rufen sie eine
bitemporale Hemianopsie hervor.
Die Raumforderung kann sich nach lateral in den Sinus cavernosus ausdehnen und Doppelbilder durch
Kompression von Augenmuskelnerven erzeugen.
Sehverlust und Doppelbilder treten akut auf, wenn der Tumor blutet oder infarziert
(Hypophysenapoplexie) [s. Abschnitt 3, Kapitel V].
Patienten mit Hypophysentumoren können mit transsphenoidaler Resektion, Strahlentherapie oder
im Falle eines Prolactinoms durch Hormontherapie behandelt werden.65
Die meisten Patienten mit Tumoren, die das Chiasma opticum befallen, werden operativ behandelt.
Tumoren der Pinealisregion (Pinealome, etc.)
Pineozytome und Pineoblastome sind aggressive Tumoren, die in der Regel im Kindesalter auftreten;
sie gehen von der Epiphyse aus und metastasieren oft in die Leptomeningen.66
Häufiger gehen Tumoren der Pinealisregion von Germzell-Strukturen aus; es handelt sich um
Germinome, Dottersacktumoren und Choriokarzinome.
Tumoren der Pinealisregion komprimieren den oberen Hirnstamm und rufen eine vertikale Blickparese,
Pupillenstörungen und Hydrozephalus durch Kompression des Aquaeductus Sylvii hervor (ParinaudSyndrom). Die Beschwerden des Patienten bestehen zunächst in Kopfschmerzen, dann können sich Stp.
durch Anstieg des intrakraniellen Druckes infolge des Hydrozephalus entwickeln; Doppelbilder und Ataxie
durch Kompression des oberen Hirnstamms können hinzutreten.
25
Shiraz
IBRO
1974
Shiraz
IBRO
28
years
ago
HirnTu26.doc ℋirntumoren 26 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS) Hirntumoren
SPEZIFISCHE TUMOREN Hypophysentumoren (Forts.)
Choriokarzinome und Dottersacktumoren sind durch biochemische Marker im Liquor67
(β-Humanes Chorion-Gonadotropin bzw. α-Fetoprotein) identifizierbar. Germinome
produzieren diese Marker nicht.
Die definitive Diagnose sollte angestrebt werden, da sie bedeutende prognostische
Implikationen hat:
Patienten mit Germinomen können durch Strahlentherapie oder eine Kombination aus
Chemotherapie und Strahlentherapie geheilt werden,
während die anderen Tumoren unheilbar sind.66
Primäres Zentralnervensystem-Lymphom
Das PZNSL geht von B-Zellen aus, die das ZNS vom Blutsystem aus infiltrieren.
Das PZNSL unterscheidet sich von systemischen Lymphomen dadurch, daß das PZNSL obwohl lokalisiert nur selten geheilt werden kann.10
Darüberhinaus besiedelt das systemische Lymphom, wenn es ins ZNS metastasiert, in der
Regel die Leptomeningen, während das PZNSL üblicherweise als umschriebene
Raumforderung imponiert.
Das PZNSL kann auch im Auge beginnen, im Rückenmark oder in den Leptomeningen.
Kopfschmerz und Hydrozephalus können durch leptomengiale Tumoren entstehen.
Wenn das Auge betroffen ist, sind Sehstörungen, die an Uveitis oder Vitreitis denken lassen,
die ersten Beschwerden.
26
HirnTu27.doc ℋirntumoren 27 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS) Hirntumoren
SPEZIFISCHE TUMOREN PZNSL (Forts. + Schluß)
Da die Raumforderungen im Gehirn in der Regel in der Tiefe lokalisiert sind, bieten die Patienten
bei der Erstuntersuchung eher Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen als Anfälle.
Das PZNSL wächst schnell und infiltriert ausgedehnt in Gehirn und Rückenmark, metastasiert aber
nur selten außerhalb des ZNS. Multiple Läsionen sind häufig.
Die Diagnose des PZNSL kann durch Glaskörperpunktion (im Falle des Augenbefalls), durch
Liquoruntersuchung (im Falle der Leptomengiose) oder Nadelbiopsie des Gehirns gestellt werden
In allen Fällen wird die Diagnose durch Identifizierung maligner Lymphozyten (in der Regel BZellen) etabliert, in der Mehrzahl vom gespaltenen großzelligen oder vom immunoblastischen Typ
Unbehandelt sterben die Patienten innerhalb weniger Monate nach der Diagnosestellung
Die Therapie besteht in systemischer oder intrathekaler Chemotherapie gefolgt von
Strahlentherapie
Im Vergleich zu alleiniger Strahlentherapie verlängert die Kombinationstherapie das Intervall bis
zum Rezidiv von 12 auf 40 Monate,66 manche Patienten werden geheilt
HIV-positive Patienten mit PZNSL werden ebenfalls mit diesem Regime behandelt, jedoch können
viele dieser immunkompromit-tierten Patienten die hochdosierte Chemotherapie nicht vertragen.
Oligodendrogliome
Niedergradige und anaplastische Oligodendrogliome ähneln ihren Astrozytom-Äquivalenten (d.h.
Astrozytome und anaplastische Astrozytome) in den meisten Aspekten, außer daß sie langsamer
wachsen und empfindlicher für die Chemotherapie sind.69
27
HirnTu28.doc ℋirntumoren 28 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN Oligodendrogliome (Schluß):
Bei Patienten, die noch asymptomatisch sind, bedürfen auch große niedergradige
Oligodendrogliome nicht der Operation.
28
Asymptomatische niedergradige und anaplastische Oligodendrogliome sollten mit
Chemotherapie gefolgt von Strahlentherapie behandelt werden.70
Medulloblastome
Medulloblastome, äußerst aggressive Tumoren meist des Kindesalters, entstehen aus primitiven
neuroektodermalen Zellen im Vermis des Cerebellums.71,72
Die Frühsymptome bestehen in Rumpfataxie und Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen können Folge eines früh eintretenden Hydrozephalus
sein.
Sowohl Stp. wie Hydrozephalus sind die Hinweise. Sowohl bei Erwachsenen wie bei Kindern
siedelt sich der Tumor frühzeitig in die Leptomeningen ab.
Die Therapie besteht in der Operation gefolgt von einer Bestrahlung der gesamten Neuroaxis.
Bei Patienten mit hohem Risiko wird auch eine Chemotherapie durchgeführt.72 Eine Heilung wird
bei 50 60% der Patienten erreicht.
Rückenmarkstumoren
Rückenmarkstumoren können epidural, subdural aber extramedullär und intramedullär lokalisiert
sein.73
Die Lage kann gewöhnlich klinisch nicht bestimmt werden, wird aber leicht durch das MRT
ermöglicht in Erübrigung einer invasiven Myelographie.
HirnTu29.doc
ℋirntumoren 29 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN Rückenmarkstumoren(Forts.):
Rückenmarkstumoren sind durch Myelopathie charakterisiert, die in der Regel in bilateralen Paresen,
gesteigerten Reflexen, positivem Babinski und Sensibilitätsstörungen unterhalb der Läsion bestehen.
Lokale Schmerzen und manchmal radikuläre Schmerzen treten Wochen bis Monate vor der
Myelopathie auf.
Blasen-Mastdarm-Störungen bleiben in der Regel dem späteren Verlauf vorbehalten.
Epidurale Tumoren sind im allgemeinen Metastasen (s.u.). Subdurale Tumoren sind in der Regel
gutartige Meningiome oder Schwannome.
Gelegentlich wachsen leptomeningeale Metastasen zu einer Größe heran, daß sie eine subdurale
Raumforderung erzeugen.
Die Symptomatik subduraler Meningiome und Schwannome tritt langsam auf, und Schmerzen können
fehlen, besonders bei Patienten mit Meningiomen.
Die Therapie der Meningiome und Schwannome besteht in der
Operation.
Bei den intramedullären Tumoren handelt es sich um Ependymome, Astrozytome und Metastasen.
Patienten mit Ependymomen des Rückenmarks sind oft durch
operative Entfernung des Tumors geheilt.74
Patienten mit Ependymomen, die unterhalb des Rückenmarks in der Cauda equina entstehen, können
ebenfalls geheilt werden, wenn der Tumor total reseziert werden kann.
Astrozytome des Rückenmarks können nicht total reseziert werden. Patienten mit diesen Tumoren
werden mit Strahlentherapie behandelt.75
29
HirnTu30.doc
ℋirntumoren 30 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN
Metastasen des Zentralnervensystems
♥ Inzidenz
♥ Metastasen des ZNS sind häufiger als die Primärtumoren!
♥ Symptomatische Metastasen des Gehirns, Rückenmarks oder Peripheren Nervensystems treten in den
USA jährlich bei insgesamt 80’000 Patienten auf.3,4
♥ Darüberhinaus werden Metastasen des Nervensystems mit der Verfügbarkeit besserer systemischer
Chemoptherapeutika immer häufiger.
♥ Metastasen affizieren das Gehirn durch direkte hämatogene Aussaat und das Rückenmark durch
epidurale Kompression.
♥ Hirnnerven und Spinalnerven werden durch leptomeningiale Absiedlung oder durch direkte
Kompression seitens Knochen- oder Lymphknotenmetastasen geschädigt.
♥ Hirnmetastasen können bei mindestens 10% der Patienten mit Bronchialkarzinom schon Symptome
machen, wenn der Primärtumor noch asymptomatisch ist.
♥ Umgekehrt zeigen Routine-CT oder MRT-Aufnahmen des Gehirns bei frischdiagnostizierten
Bronchialkarzinomen bereits Metastasen in 5 -10%.76
♥ Epidurale Rückenmarkskompression ist die hinweisende Symptomatik bei 50% der Patienten in
Allgemeinen Krankenhäusern und bei ca. 8% der Patienten in Krebsspitälern.4,73
♥ Tumoren, die häufig ins Gehirn metastasieren, sind Bronchialkarzinom, Mammakarzinom und
malignes Melanom, während Uterus-, Ovarial- und Prostatakarzinom selten Hirnmetastasen machen.
♥ Epidurale Rückenmarkskompression ist eine häufige Komplikation von Prostata-, Mamma- und
Bronchialkarzinom.
♥ Leptomeningeale Metastasierung (Meningiosis carcinomatosa) ist eine bekannte Komplikation des
Mammakarzinoms, der Leukämie, des Lymphom sowie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms.
30
HirnTu31.doc
ℋirntumoren 31 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN
Hirnmetastasen
♥ Hirnmetastasen rufen dieselbe Symptomatik hervor wie primäre Hirntumoren.
♥ MRT identifiziert typischerweise 1 oder mehrere rundliche Läsionen in der weißen Substanz, welche
Kontrastmittel (KM)-Anfärbung zeigen und von einem Ödem umgeben sind
♥ Bei kleineren Läsionen kann die KM-Anfärbung homogen sein; bei größeren Läsionen umgibt ein
Randsaum mit KM-Anfärbung einen zentralen sich nicht anfärbenden Bereich.
♥ Das MRT ermöglicht keine eindeutige Abgrenzung zu Hirnabszessen oder primären Hirntumoren.
♥ Der Dura aufsitzende Metastasen machen ein ähnliches Erscheinungsbild wie Meningiome, erzeugen
aber in der Regel mehr Hirnödem.
♥ Bei bestimmten klinischen Konstellationen (z.B. wenn multiple Läsionen im Gehirn bei einem Patienten
auftreten, bei dem ein florides Krebsleiden bekannt ist) etabliert das MRT die Diagnose.
♥ Wenn das MRT-Bild atypisch ist oder wenn es sich um einen Patienten handelt, bei dem kein Karzinom
bekannt ist, mag eine Biopsie erforderlich sein.4
♥ In einer Studie über Patienten mit Verdacht auf solitäre Hirnmetastase, zeigte die Biopsie eine 10%ige Fehlerrate des MRT, mehrere Läsionen stellten sich als gutartig heraus.77
Therapie:
♥ Corticosteroide werden bei der Behandlung der Hirnmeta-stasen in ähnlicher Weise eingesetzt wie
bei primären Hirntumoren
♥ Bei einem Patienten, dessen systemische Krebserkrankung therapeutisch unter Kontrolle ist, sollte eine
solitäre operable Hirnmetastase operiert werden.77,78
31
HirnTu32.doc ℋirntumoren 32 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN
Hirnmetastasen Therapie(Forts.):
32
♥ Die meisten Ärzte plädieren für eine postoperative Bestrahlung des gesamten Gehirns, doch ist der
Effekt dieser Maßnahme noch nicht in kontrollierten Studien evaluiert worden.4 ♥ Patienten mit multiplen
oder chirurgisch unzugänglichen Metastasen werden mit Bestrahlung des ganzen Gehirns behandelt, um
sowohl den sichtbaren Tumor als auch die Mikrometastasen, irgendwo im Gehirn, zu erfassen.
♥ Wenn die stereotaktische Radiochirurgie (γ-knife) auch Metastasen, die < 3 cm im Durchmesser sind,
wirksam bekämpfen kann, ist ihre exakte Rolle noch nicht in Studien evaluiert worden.79
♥ Metastatische Hirntumoren, die im Kontrast-MRT identifiziert werden können sowie der Primärtumor
selbst irgendwo im Körper sprechen auf die Chemotherapie im selben Maße an.
♥ Der Grund für das Ansprechen der Metastasen liegt in der Störung der Blut-Hirn-Schranke, die es
gestattet, daß wasserlösliche Chemotherapeutica ins Gehirn gelangen
♥ Diese Beobachtung ist nicht unvereinbar mit der Annahme, daß das Gehirn als eine Art Zufluchtstätte
für kleine sich nicht anfärbende Metastasen fungiert:
♥ Da diese Metastasen der systemischen wasserlöslichen Chemotherapie nicht ausgesetzt sind, treten
häufig solitäre ZNS-Rezidive bei peripher kontrollierten Mammakarzinomen auf.
RÜCKENMARKSMETASTASEN:
♥ Metastasen in Wirbelkörpern erzeugen Symptome durch Rückenmarkskompression.4,73
♥ Epidurale Rückenmarkskompression durch metastasierenden Tumor ist ein neurologischer Notfall!
HirnTu33doc ℋirntumoren 33 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN
RÜCKENMARKSMETASTASEN: Therapie(Forts.):
♥ Epidurale Rückenmarkskompression durch metastasierenden Tumor ist ein neurologischer Notfall!
♥ Die Behandlung besteht in hohen Dosen von Dexamethason, 100 mg i.v. als Bolus gefolgt von 100
mg/die in Einzeldosen über 3 Tage, dann wird das Medikament rasch ausgeschlichen.4,80,81
♥ Die mehr spezifische Therapie besteht in Bestrahlung mit oder ohne chirurgische Dekompression
♥ Die operativen Verfahren bestehen in Laminektomie und Entfernung eines Wirbelkörpers. Unsere
gegenwärtigen Kenntnisse zeigen keine Überlegenheit der chirurgischen Dekompression gegenüber der
Strahlentherapie.4,82
♥ Prognose:
⎯ Patienten, die bei Behandlung gehfähig sind, bleiben dies
auch in der Regel danach
⎯ Patienten, die nicht mehr gehfähig sind, können die
Gangfunktion wiedererwerben oder nicht
⎯ Patienten, die paraplegisch sind, werden nur selten wieder gehfähig
LEPTOMENINGEALE METASTASIERUNG (Meningiosis carcinomatosa oder sarcomatosa):
♥ Wie die Inzidenz der Hirnmetastasen scheint auch die Inzidenz leptomeningealer Metastasen
anzusteigen
♥ Die Diagnose wird gestellt durch
⎯ zytologische Identifizierung maligner Zellen im Liquor,
⎯ durch Kontrastmittel-Anfärbung der Hirn- oder Rückenmarksleptomeningen im MRT oder
⎯ durch das Vorliegen exzessiver Spiegel von Tumormarkern im
Liquor im Vergleich zum Serum.4,83
33
33a
33b
HirnTu34doc ℋirntumoren 34 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
SPEZIFISCHE TUMOREN, LEPTOMENINGEALE METASTASIERUNG (Meningiosis carcinomatosa)
♥ Leptomeningiosen, die von Non-Hodgkin-Lymphomen oder Leukämien stammen, sprechen in der
Regel auf intrathekale Gaben von Medikamenten wie Methotrexat oder Cytarabin an.
♥ Strahlentherapie der befallenen Bereiche erzielt oft signifikante palliative Erfolge; auch einige solide
Tumoren sprechen an
♥ Systemische Chemotherapie kann ähnlich effektiv sein wegen der gestörten Blut-Hirn-Schranke durch
Neovaskularisierung des Tumors.83
Nicht-metastatische Komplikationen von Karzinomen
♥ Eine Krebserkrankung kann das Nervensystem schwer in Mitleidenschaft ziehen, selbst wenn sie nicht
dahin metastasiert. ♥ Bei den nicht-metastatischen Komplikationen durch Krebs handelt es sich um die
paraneoplastischen Syndrome und die Nebenwirkungen der Krebs-Therapie
PARANEOPLASTISCHE SYNDROME
L. Deecke, Univ.-Klinik für Neurologie, AKH Wien, Hauptvorlesung Neurologische Klinik II, Tumoren
Tabelle 5:
Häufige Paraneoplastische Syndrome
34
Syndrome
% paraneoplastischen Vorkommens
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Lambert-Eaton Myasthenisches Syndrom
60
Subakute Cerebelläre Degeneration
50
Subakute Sensorische Neuropathie
20
Opsoklonus/Myoklonus (bei Kindern)
50
Opsoklonus/Myoklonus (bei Erwachsenen)
20
Sensomotorische Periphere Neuropathie
10
Encephalomyelitis
10
Dermatomyositis
10
Myasthenia gravis (Thymom)
15
_______________________________________________________________
HirnTu35.doc
ℋirntumoren 35 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Paraneoplastische Syndrome (Forts.)
Paraneoplastische Syndrome (durch Fernwirkungen des Krebses) auf das Nervensystem) sind
Erkrankungen des Nervensystems, die durch Krebs hervorgerufen werden, jedoch nicht auf
metastatische Krebswirkung, Infektionen, vaskuläre, alimentäre, toxische oder metabolische Einflüsse
zurückzuführen sind
Man glaubt, daß die meisten Paraneoplastische Syndrome von einem Immunangriff gegen ein
Antigen herrühren, das sowohl vom Krebs wie vom Nervensystem exprimiert wird
Die Immunantwort hemmt oft das Wachstum des Krebses, schädigt jedoch Teile des Nervensystems,
welche dieselben oder ähnliche Antigene exprimieren
Das beste Beispiel für diesen Mechanismus liegt in Form des Lambert-Eaton Myasthenischen
Syndroms (LEMS) vor, in welchem eine humorale Immunantwort gegen Proteine der Calciumkanäle beim
kleinzelligen Bronchialkarzinom gerichtet ist
Der Antikörper bindet sich an die Calciumkanäle auf der präsynaptischen Seite der cholinergen Synapse,
indem die Calcium-Aufnahme blockiert wird, die für die Acetycholin-Ausschüttung notwendig ist Das
Ergebnis ist Muskelparese
Paraneoplastische Syndrome können grundsätzlich jede Struktur des ZNS oder Peripheren
Nervensystems affizieren und ganz ähnliche Symptome hervorrufen, wie sie durch, vermutlich autoimmune,
nicht-Karzinom-assoziierte Syndrome, verursacht werden
Die neurologischen Symptome gehen in der Regel der Aufdeckung des Krebsleidens voraus, auch kann
der Krebs noch zu klein sein um bereits erkannt zu werden
35
HirnTu36.doc
ℋirntumoren 36 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Paraneoplastische Syndrome (Forts.)
Verschiedene klinische Charakteristika legen ein paraneoplastisches Syndrom nahe:
1. Die neurologische Erkrankung nimmt meist einen raschen Verlauf, der sich über Wochen bis Monate
entwickelt und dann stabilisiert
2. Die Inzidenz bestimmter klinischer Syndrome (z.B. LEMS) ist bei Krebspatienten substanziell höher
als i. d. Allg.-Bevölkerung
3.Bei einigen Patienten mit einem vorliegenden klinischen Syndrom reagieren spezifische SerumAntikörper sowohl gegen das Nervensystem als auch gegen den Krebs. Das Vorliegen dieser
Autoantikörper identifiziert die klinische Erkrankung als paraneo-plastisch und legt den Typ der damit
verbundenen Krebserkrankung nahe
Solche Autoantikörper sind die folgenden:
Anti-Yo-Antikörper, die bei Patienten mit paraneoplastischer cerebellärer Degeneration gefunden
werden, welche mit bestimmten gynäkologischen Krebserkrankungen assoziiert ist.86
Anti-Myelin-assoziierte Glykoprotein-Antikörper, die bei Patienten mit peripherer Neuropathie gefunden
werden, die mit Lymphom und dem M. Waldenström assoziiert ist.87
Anti-Hu-Antikörper, die bei Patienten mit sensorischer Neuropathie oder Enzephalomyelitis gefunden
werden, die mit dem kleinzelligen Bronchialkarzinom assoziiert sind.88
Antikörper gegen Krebs-assoziiertes Retinopathie-Antigen.89
Tests für die meisten dieser Antikörper sind kommerziell erhältlich
Paraneoplastische Cerebelläre Degeneration
Sie ist charakterisiert durch das rasche Eintreten einer bilateralen gewöhnlich symmetrischen
cerebellären Dysfunktion einschließlich Arm- und Beinataxie und schwerer Dysarthrie. Schwindel,
Doppelbilder und Nystagmus sind häufig.86
36
HirnTu37.doc
ℋirntumoren 37 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Paraneoplastische Cerebelläre Degeneration (Forts.):
Im Liquor finden sich Pleozytose und Eiweiß- und IgG-Konz.
Diese Erkrankung, die grundsätzlich mit jedem Krebsleiden assoziiert sein kann, geht in der Regel der
Erkennung des Neoplasmas um Wochen bis 3 Jahren voraus
Sie nimmt ihren Verlauf über Wochen bis Monate und führt zu schwerer Behinderung
Selten bessert sich die Krh. mit der erfolgreichen Tumor-Therapie
Das MRT, vor allem wenn einige Monate nach Beginn der Erkrankung durchgeführt, zeigt eine
Degeneration des Kleinhirns
Anti-Purkinjezell-Antikörper werden im Serum einiger Patienten gefunden, besonders bei Patientinnen
mit Ovarialtu.
Die pathologischen Veränderungen sind oft auf den Verlust der Purkinje-Zellen im gesamten
Cerebellum beschränkt
Es finden sich Lymphozytenansammlungen um die Blutgefäße, besonders in den Kleinhirnkernen
Klinisch kann die Paraneoplastische cerebelläre Degeneration von cerebellären Metastasen durch die
Symmetrie der Symptomatik und das Fehlen von Hirndruck unterschieden werden
DD: Sie unterscheidet sich von der alkoholischen Kleinhirndegeneration dadurch daß Dysarthrie und
Ataxie der oberen Extremitäten bei der Paraneoplastischen Erkrankung dominieren, während sie bei der
alkoholischen Erkrankung in der Regel mild ausgeprägt sind oder fehlen
Sie unterscheidet sich von den Heredoataxien dadurch daß letztere kaum je einen solch raschen
Verlauf nehmen
37
HirnTu38.doc
ℋirntumoren 38 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Paraneoplastischer Opsoklonus
Es handelt sich um spontane, konjugierte, chaotische und unkontrollierbare Augenbewegungen,
die mit cerebellärer Ataxie und Myoklonus des Rumpfes und der Extremitäten vergesellschaftet sind.
Er tritt am häufigsten bei Kindern auf als Ferneffekt eines Neuroblastoms; man findet ihn aber auch
bei Erwachsenen bei verschiedene Krebserkrankungen.90
Bei Kindern sprechen die neurologischen Symptome auf Behandlung mit Corticoiden und KrebsTherapie
an.
Paraneoplastische sensorische Neuropathie
Sie ist gekennzeichnet durch ausgeprägte Sensibilitätsstörungen unter relativer Aussparung der
motorischen Funktionen.
Die Erkrankung geht in der Regel der Manifestation der Krebserkrankung voraus, in typischer Weise
handelt es sich um ein kleinzelliges Bronchialkarzinom (in welchem Falle diese Störung auch als AntiHu-Syndrom bekannt ist88).
Sie schreitet über ein paar Monate fort und läßt den Patienten mit mäßiger bis schwerer Behinderung
zurück
Eine Pleozytose des Liquors ist zu Beginn häufig, bildet sich aber in ein paar Wochen zurück
Die pathologischen Veränderungen bestehen in Degeneration der Spinalganglien und der
Hinterstränge, perivaskulären Lymphozytenansammlungen und Waller´scher Degeneration der
sensiblen Nerven
Viele Patienten haben auch entzündliche degenerative Veränderungen in Gehirn und Rückenmark.
38
HirnTu39.doc
ℋirntumoren 39 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Lambert-Eaton Myasthenisches Syndrom
Das LEMS ist durch proximale Muskelparesen mit Ptosis und Mundtrockenheit, bei Männern auch
durch Impotenz charakterisiert.91
Die körperliche Untersuchung zeigt, daß der Patient bessere Muskelkraft hat als von seinen
Beschwerden her zu vermuten wäre, und wenn er eine längerdauernde Kontraktion macht, nimmt die Kraft
über einige Sekunden sogar zu.
Die unteren Reflexe (Patellar- und Achillessehnenreflex) sind in der Regel erloschen, kehren aber
manchmal nach Übungsbehandlung zurück.
Die Diagnose wird durch elektrophysiologische Tests etabliert: Bei Patienten mit LEMS nimmt die
neuromuskuläre Übertragung bei repetitiver Reizung zu, also umgekehrt wie bei der Myasthenia gravis.91
Erfolgversprechende Therapien bestehen in Plasmapherese und Beseitigung des zugrundeliegenden
Karzinoms.
39
NEUROTOXIZITÄT DURCH CHEMOTHERAPEUTICA
Die KrebsTherapie (Chemotherapie) kann eine Reihe von neurotoxischen Nebenwirkungen zeitigen4,92
s. Tabelle 6
Von größter Bedeutung sind periphere Neuropathie und Enzephalopathie.
Immer wenn neurologische Dysfunktion bei Patienten unter Chemotherapie eintritt, auch mit
Medikamenten, die gewöhnlich als nicht neurotoxisch betrachtet werden, sollte an
medikamentenbedingte Neurotoxizität gedacht und die Standardreferenzen bezüglich Präzedenzfällen
konsultiert werden.91,94
L. Deecke Abt. Klinische Neurologie Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
40.doc
HirnTu
? irntumoren 40
Tabelle 6:
Neurotoxizität durch Chemotherapeutika
Akute Enzephalopathie (Delir)
Corticosteroide*
Methotrexat (hochdosiert i.v. od. Standard i.t.)*
Ifosfamid/Mesna*
Interferone*
Interleukin-2*
Cyclophosphamid (hochdosiert)
Cisplatin
Vincristin
Asparaginase
Procarbazin
Fluorouracil (mit oder ohne Levamisol)
Cytarabin (hochdosiert)
Nitroharnstoffe (hochdosiert oder i.a.)
Cyclosporin
Tamoxifen
Etoposid (hochdosiert)
Chronische Enzephalopathie (Demenz)
Methotrexat*
Carmustin (i.a.)*
Cytarabin
Fludarabin
Sehstörungen
Nitroharnstoffe (i.a.)*
Tamoxifen
Cisplatin
Fludarabin
Cerebelläre Dysfunktion/Ataxie
Cytarabin (hochdosiert)*
Phenytoin*
Fluorouracil*
Procarbazin
Vincristin
Cyclosporin
Aseptische Meningitis
Methotrexat (i.t.)*
Immunglobulin (i.v.)*
Metrizamid*
Trimethoprim-Sulfamethoxazol
Nicht-steroidale Antiphlogistika
Levamisol
Cytarabin (i.t.)
Carbamazepin
40
Kopfschmerzen ohne Meningitis
Retinoid-Säure*
Corticosteroide (Entzug)*
Trimethoprim-Sulfamethoxazol
Cimetidin
Tamoxifen
Anfälle
Methotrexat
Etoposid (hochdosiert)
Cisplatin
Vincristin
Asparaginase
Carmustin
Busulfan (hochdosiert)
Cyclosporin
Jodhaltige Kontrastmittel (i.v. od. i.t.)
Myelopathie(durchi.t.Medikamente)
Methotrexat
Cytarabin
Thiotepa
Periphere Neuropathie
Vinca-Alkaloide*
Cisplatin*
Paclitaxel (Taxol)*
Suramin
Procarbazin
Teniposid
Etoposid
Cytarabin (hochdosiert)
HirnTu41.doc
ℋirntumoren 41 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Periphere Neuropathie
Die Vinca-Alkaloide, besonders Vincristin, schädigen die Microtubuli und rufen so eine Sensomotorische
Periphere Neuropathie hervor.4,92
Praktisch alle Patienten, die mit Vincristin behandelt werden, klagen über Parästhesien in den
Fingerspitzen und manchmal in den Zehen. Der Achillessehnenreflex verschwindet häufig.
Gelegentlich entwickeln die Patienten eine motorische Parese, die in diffuser distaler Ausbreitung oder
in einzelnen Hirnnerven oder peripheren Nerven verteilt ist.
Eine autonome Neuropathie kann ebenfalls vorkommen. Diese Symptome sind reversibel.
Cisplatin erzeugt eine sensible Neuropathie der großen Fasern durch Schädigung der
Spinalganglien.94
Diese dosisabhängige Störung tritt bei Patienten ein, die mehr als 450 mg/m2 erhalten haben.
Symptome beginnen oft erst einige Wochen nach Beendigung der Cisplatin-Therapie und schreiten über
einige Monate fort.
Der Verlust der propriozeptiven Wahrnehmung kann schwer genug sein, um die Gangfunktion zu stören
und die Hände effizient zu gebrauchen.
Nadelstich- und Temperaturwahrnehmung sind normal, und die grobe Kraft ist erhalten. Manche
Patienten bessern sich wieder.
Dosen von Paclitacel (Taxol) von mehr als 250 mg/m2 rufen eine vorwiegend sensible Neuropathie
hervor, durch Paraesthesien in Händen und Füßen charakterisiert, die von sensorischer Ataxie begleitet
sein kann; proximale Paresen können zusätzlich hinzutreten.
Die Neuropathie kann sich zurückbilden, selbst wenn die Therapie fortgeführt wird und führt nur selten
zu Behinderungen
41
HirnTu42.doc ℋirntumoren 42 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Nw. von Medikamenten (Forts.), Corticosteroide
Selbst Standarddosen von Corticosteroiden (Prednison oder Äquivalente von 60 bis 100 mg/die) rufen
eine Myopathie hervor, die durch Paresen der Nackenmuskulatur und proximalen Extremitätenmuskeln
charakterisiert ist.4,92
Das erste Zeichen dieser Neurotoxizität zeigt sich in Schwierigkeiten beim Aufstehen aus einem tiefen
Fauteuil oder von der Toilette ohne Armhilfe, Schwierigkeiten beim Stiegensteigen kommen später hinzu.
Die Atemmuskeln können beteiligt sein! Die Myopathie bessert sich in der Regel, wenn das
Medikament abgesetzt wird.
Enzephalopathie
Viele chemotherapeutische Medikamente können Enzephalopathie hervorrufen4,92 s. Tab. 6, Folie
Hirntumoren 40
Hohe Cyclophosphamidgaben führen manchmal zu einem akuten Delir. Hohe Cytarabingaben können
ein akutes Delir oder eine akute cerebelläre Degeneration hervorrufen, beide sind in der Regel
reversibel.
Hohe intravenöse Methotrexatgaben oder Standardgaben intrathekal können eine akute reversible
Enzephalopathie erzeugen. Jedoch kann eine prolongierte MethotrexatTherapie, vor allem in Verbindung
mit Strahlentherapie zu einer chronischen Enzephalopathie führen, die durch progrediente Demenz
gekennzeichnet ist.
42
NEUROTOXIZITÄT DURCH STRAHLENTHERAPIE
Die neurotoxischen Effekte der Strahlentherapie (s.u.) können jeden Teil des ZNS oder Peripheren
Nervensystems erfassen und können akut oder mit Spätwirkung nach Wochen bis Jahren(!) nach der
Bestrahlung auftreten (s. Tabelle 7).
HirnTu42a.doc
Tabelle 7
ℋirntumoren 42a L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
Strahlenschäden des Nervensystems
Zeit nach Strahlentherapie
Betroffenes Organ
Klinische Befunde
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------42a
Primäre Schädigung
Akut (Minuten bis Stunden)
Frühe Spätschädigung (6-16 Wochen)
Späte Spätschädigung
(Monate bis Jahre)
Gehirn
Gehirn
Rückenmark
Akute Enzephalopathie
Somnolenz, fokale Ausfälle
Lhermitt’sches Zeichen
Demenz, fokale Ausfälle
Querschnittsmyelopathie
Paresen, Sensibilitätsstörungen
______________________________________________________________________________
Sekundäre Schädigung (Jahre)
Gehirn
Rückenmark
Periphere Nerven
ZNS, peripheres
Nervensystem
Arterien
(Atherosklerose)
Endokrine Organe
Gehirn, Schädel,
Periphere-Nervenscheiden-Tumoren
Zerebrale Insulte
Hypothyreoidismus,
Hypophysenunterfunktion
HirnTu43.doc
ℋirntumoren 43 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
NEUROTOXIZITÄT DURCH STRAHLENTHERAPIE (Forts.):
Der Grad der Neurotoxizität wird bestimmt von
der Totaldosis der Bestrahlung
der Größe jeder Fraktion
der Gesamtzeit der Bestrahlung
dem Volumen des Nervengewebes, das bestrahlt wird, und
der Zeit, die seit der Bestrahlung verstrichen ist.4,95
Andere Faktoren wie zugrunde liegende Erkrankung des Nervensystems (z.B. ein Hirntumor
oder Hirnödem), vorangegangene Operation, gleichzeitige Gabe von Chemotherapeutica und
die individuelle Empfindlichkeit (besonders gegenüber Methrotrexat) machen es unmöglich, die
genaue und sichere Dosis für jeden individuellen Patienten zu definieren
43
HirnTu44.doc
ℋirntumoren 44 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
NEUROTOXIZITÄT DURCH STRAHLENTHERAPIE (Forts.):
Es gibt jedoch bestimmte Richtlinien, die es dem radiologischen Onkologen gestatten, die Dosis
auszurechnen, die im allgemeinen sicher ist.
Akute Enzephalopathie
Die akute Enzephalopathie tritt bei Patienten auf, die unter Hirndruck stehen, besonders dann wenn sie
große Bestrahlungsfraktionen ohne Corticosteroidprophylaxe erhalten.
Unmittelbar nach der ersten Behandlung verspüren empfindliche Patienten Kopfschmerzen, Übelkeit
und Erbrechen, Somnolenz, Fieber und gelegentlich Verschlimmerung der neurologischen
Symptomatik; selten treten cerebrale Einklemmung und Tod ein.
Die akute Enzephalopathie, die auf Corticosteroide anspricht, wird vermutlich durch den erhöhten
intrakraniellen Druck hervorgerufen, durch Hirnödem infolge der Bestrahlungs-induzierten Störung der
Bluthirnschranke oder beidem.
Eine akute Verschlechterung der neurologischen Symptomatik nach Bestrahlung des Rückenmarks tritt
nicht ein.
Frühe Spät-Enzephalopathie oder Myelopathie
Die frühe SpätEnzephalopathie oder Myelopathie tritt 6-16 Wochen nach der Therapie ein und dauert
Tage bis Wochen. Diese frühe Spät-Bestrahlungsfolge kommt, so meint man, durch
Demyelinisierungsphänomene, die durch eine strahleninduzierte Schädigung der Oligodendroglia
entsteht.
Bei Kindern tritt die frühe Spät-Enzephalopathie, auch Post- Bestrahlungs-Somnolenz-Syndrom
genannt, in der Regel nach der prophylaktischen Bestrahlung des Gehirns gegen Leukämie auf.92,95
44
HirnTu45.doc ℋirntumoren 45 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
NEUROTOXIZITÄT DURCH STRAHLENTHERAPIE (Forts.):
Die Störung ist charakterisiert durch Somnolenz, die oft mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
verbunden ist und manchmal auch mit Fieber
Das EEG zeigt langsame Wellen, doch fehlen fokale Zeichen.
Bei Erwachsenen tritt das Syndrom in der Regel nach der kranialen Bestrahlung gegen Hirntumor auf
und ist von Lethargie und Verschlimmerung der fokalen neurologischen Symptomatik geprägt
Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern spricht die Störung in der Regel auf Corticosteroide an;
auch unbehandelt spontane Besserung
Die frühe Spätmyelopathie tritt nach Strahlentherapie des Halsmarks oder oberen Thorakalmarks auf
Sie ist charakterisiert durch ein L’hermitt’sches Zeichen, d.h. eine elektrisierende
Sensibilitätsempfindung, die in verschiedene Teile des Körpers ausstrahlt, wenn der Hals nach vorn
gebeugt wird. Die Symptome bessern sich spontan.
Späte Spät-Enzephalopathie
Die späten Spätfolgen einer Strahlenschädigung treten Monate bis Jahre nach der Strahlenbehandlung
auf und können alle Teile des Nervensystems betreffen
Im Gehirn können 2 klinische Syndrome auftreten
diffuse Schädigung oder
fokale Strahlenschädigung
Diffuse Schädigung kann durch Ganzhirn-Bestrahlung eintreten entweder bei Patienten, die keine
Hirntumoren haben (d.h. die prophylaktische Bestrahlung des Gehirns beim kleinzelligen
Lungenkarzinom erhalten) oder bei Patienten mit primären oder metastatischen Hirntumoren
Die Störung ist charakterisiert durch Demenz und das Fehlen fokaler Zeichen
Das MRT zeigt eine Hirnatrophie; die pathologische Veränderungen sind unspezifisch. Es gibt keine
Behandlung
45
HirnTu46.doc
ℋirntumoren 46 L. Deecke Hauptvorlesung Klinische Neurologie II (WS)
NEUROTOXIZITÄT DURCH STRAHLENTHERAPIE (Forts.):
Das MRT zeigt eine Hirnatrophie; die pathologischen Veränderungen sind unspezifisch. Es gibt keine
Behandlung
Fokale Strahlenschäden betreffen Patienten, die entweder fokale Hirn-Bestrahlung zur Behandlung
extrakranieller Neoplasmen erhalten oder Ganzhirn-Bestrahlung zur Behandlung intrakranieller
Neoplasmen
Die neurologische Symptomatik läßt an Hirntumor denken und besteht in Kopfschmerz, fokalen oder
generalisierten Anfällen und Hemiparese
Das MRT zeigt eine hypointense Raumforderung, die manchmal Kontrastmittelanfärbung zeigt
Die neuropathologischen Veränderungen bestehen in
koagulativen Nekrosen in der weißen Substanz,
vaskulären Veränderungen (Teleangiektasien, Fibrinoide
Nekrosen und Bildung von Thromben), sowie
glialer Proliferation mit bizzaren vielkernigen Astrozyten
Der klinische Befund und das MRT können bei Patienten mit fokalen Strahlenschäden nicht
gegenüber solchen mit Hirntumoren unterscheiden, sodaß die Diagnose nur durch Biopsie möglich ist
Corticosteroide können die Symptome bessern; wenn sie versagen, besteht die Behandlung in einer
chirurgischen Exzision der Raumforderung
Späte Spätmyelopathie oder Neuropathie
Die späte Spätmyelopathie beginnt mit einem Brown-Séquard Syndrom (Paresen und Verlust der
Propriozeptivität in den Extremi-täten einer Seite und Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung auf
der anderen) und ist anschließend charakterisiert durch progre-diente Parese, Sensibilitätsstörungen
und manchmal Schmerz
46
HirnTu47.doc
ℋirntumoren 47 – Ende - L. Deecke Hauptvorlesung Klin. Neurologie II (WS)
NEUROTOXIZITÄT DURCH STRAHLENTHERAPIE (Forts.):
Gelegentlich zeigen die Patienten ein vorübergehendes Ansprechen auf Corticosteroide, und die
Störung kann in ihrer Progredienz innehalten; im allgemeinen entwickelt sich jedoch eine Paraplegie und
Tetraplegie. Die pathologischen Veränderungen bestehen in Nekrose des Rückenmarks.
Die späte Spätneuropathie kann jeden Hirn- oder peripheren Nerven erfassen. Häufige Störungen
bestehen in Erblindung durch Opticusneuropathie und Paresen der oberen Extremiäten durch ArmplexusSchädigung nach Bronchial- oder Mammakarzinomen Die pathogenetischen Mechanismen sind
wahrscheinlich Fibrose und Ischämie des Plexus. Es gibt keine Therapie für Patienten mit diesen
Erkrankungen.
Strahlen-induzierte Tumoren
Meningeome, Sarkome, oder weniger häufig Gliome, können Jahre bis Jahrzehnte nach einer
Bestrahlung des Schädels auftreten und das sogar bei schwach dosierten Strahlentherapien
Maligne oder atypische Tumoren der Nervenscheiden können nach Bestrahlung des Brachial-, Cervikaloder Lumbalplexus auftreten
Das ZNS kann auch in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Bestrahlung extraneurale Strukturen
schädigt
Die Strahlentherapie beschleunigt das Auftreten von Arteriosklerose, und cerebrale Insulte durch
Carotisverschlüsse können nach Bestrahlungen im Halsbereich auftreten
Endokrinologische Dysfunktion (Hypophyse, Schilddrüse oder Nebenschilddrüsen-Dysfunktion) kann
ebenfalls durch Strahlentherapie auftreten und neurologische Symptome machen. Ein
Hypothyreoidismus, der von der Bestrahlung herrührt, kann ebenfalls eine Enzephalopathie
hervorrufen.95
47
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