Gesamtschuldnerausgleich in Kartellschadenersatzverfahren aus

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Gesamtschuldnerausgleich in Kartellschadenersatzverfahren aus ökonomischer Sicht
Vortrag auf der Münchner Regionalveranstaltung der
Studienvereinigung Kartellrecht
Niels Frank
München, 20. März 2014
2
Worum geht es?

Richtlinienentwurf der EU-Kommission

Relative Verursachungsbeiträge
 Qualitative Verursachungsbeiträge – Rolle im Kartell
 Quantitative Verursachungsbeiträge – Marktcharakteristika

Ausblick
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Gesamtschuldnerausgleich nach dem Richtlinienvorschlag
der Kommission (2013/0185 COD)
Grundsatz der „relativen Verantwortung“ jedes Kartellmitglieds
Jeder Rechtsverletzer
trägt seinen Anteil
Ausgleichsanspruch
zwischen
Kartellmitgliedern
Kriterien:
Umsatz, Marktanteil,
Rolle im Kartell
Wie kann man relative Verantwortung bestimmen?
Sind die genannten Kriterien ökonomisch geeignet?
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Grundidee der relativen Verursachungsbeiträge
Kartellmitglied 1
Gesamtkartelleffekt
Auflösung in
relative
Verursachungsbeiträge
Kartellmitglied 2
Kartellmitglied 3
Grundprinzip:
Kartellschaden ohne den jeweiligen Tatbeitrag der einzelnen Kartellmitglieder.
„Wegdenken“ des Verstoßes einzelner.
Analogie zur Kartellschadenbestimmung: „Wegdenken“ des Verstoßes aller
Kartellteilnehmer
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Verursachungsbeiträge – eine gedankliche Zerlegung
?
6
5
4
3
2
1
0
perfektes Kartell
tatsächliches
Kartell
Schadensbeitrag
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Effizienz von Kartellen

In der Theorie: Perfektes Kartell-> Maximierung des gemeinsamen Gewinns

Praktisches Problem ungleicher Kartellteilnehmer:
 Bei asymmetrischen Kartellteilnehmer profitieren nicht alle gleich
 u.U. sind daher Kompensationsmechanismen notwendig für Kartellstabilität
 Beispiele aus dem Zementkartell: Querlieferungen von Mengen, „Money-Karussell“

Praktisches Problem Abweichungsanreize:
 Abstimmung persönlich oder telefonisch?
 Gab es glaubwürdige Bestrafungsstrategien? Wurden diese auch angewandt?

Höhe eines etwaigen Kartelleffekts hängt also von „Investitionen“ der
Kartellmitglieder in die Stabilität und Funktionsfähigkeit ab.

Beispiel aus der Experimentalökonomie…
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Beispiel aus der Experimentalökonomie

Beispiel: Kartellgründung und Stabilität:
 Je stärker 4 Gruppenmitglieder „kooperieren“, desto größer ist der Gesamtgewinn.
 Jeder Spieler hat jedoch einen individuellen Abweichungsanreiz.

Drei Varianten
 Wettbewerb: 10 Wiederholungen des einfachen Spiels
 Abstimmung per Chatfunktion:
Vor jeder Entscheidung dürfen die Gruppenmitglieder „chatten“.
 Chat + Bestrafungsoptionen:
Nach jeder Entscheidung werden Einzelbeiträge sichtbar und Spieler können
„bestraft“ werden.

Das perfekte Kartell wurde einen Preisaufschlag von 20 realisieren.

Im perfekten Wettbewerb würde ein Aufschlag von 0 realisiert werden.
0 Wiederholungen des Spiels in festen Gruppen
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Ergebnisse: Kollusionsaufschläge pro Spielrunde
Geldeinheit
Ergebnisse des L&A Wettbewerbstag 2013
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
1
2
3
Basisspiel
4
5
mit Chat
6
7
8
9
mit Chat und Bestrafung
Base
Der Kollusionsaufschlag sinkt (fast) gegen 0.
Chat
Chat hat zu Beginn einen Effekt, der jedoch nicht stabil ist.
Punish
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Startniveau wie in Chat, aber Kooperation nun stabil.
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Qualitative Tatbeiträge wichtig für die Höhe des Kartelleffekts

Höhe von Kartelleffekten hängen von Organisationsgrad ab

Wenn bestimmte Kartellteilnehmer besonders durch eigene Tatbeiträge
hervorstachen, bestimmen sie die Größe des Kartelleffekts im besonderen Maße
mit.

Ökonomisch denkbarer Anknüpfungspunkt für Gesamtschuldnerausgleich kann
daher die Übernahme von Kartellfunktionen sein:
 Führung eines „Kartellsekretariats“
 Ausführung von Bestrafungsaktionen
 Aufkauf von Wettbewerbskapazitäten
 Etc.

Aber Vorsicht:
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Quantitative Verursachungsbeiträge
6
5
4
3
2
1
0
?
Beitrag D
Beitrag C
Beitrag B
Beitrag A
Kartellaufschlag
Wettbewerbspreis
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Bedeutung der Substituierbarkeit und Reaktionsverbundenheit

Homogene Produkte
 Perfekte Substitierbarkeit -> keine individuellen Preissetzungsspielräume
 Jedenfalls: es gibt nur einen Marktpreis, d.h. alle Firmen verkaufen zum selben
Preis
 Es gibt nur einen Kartelleffekt
 Sofern keine Kapazitätsrestriktionen und Preiswettbewerb: Preis=Grenzkosten
 Kartellteilnehmer alle in gleichem Maße verantwortlich

Differenzierte Produkte
 Produkte sind nicht 1:1 substituierbar -> individuelle Preissetzungsspielräume
 Anbieter können zu unterschiedlichen Preisen verkaufen
 Es gibt anbieterspezifische Kartelleffekte
 Kartellteilnehmer nicht in gleichem Maße verantwortlich
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Differenzierte Produkte – 2 Beispiele
Illustration der Effekte mittels eines fiktiven Oligopolmodells:
4 Firmen: A, B, C, D – differenzierte Produkte – hypothetischer Bertrand-Preiswettbewerb
– symmetrische Marktanteile
1. Alle Firmen gleich nahe Wettbewerber
2. C und D besonders nahe Wettbewerber
15
15
10
5
0
10
5
Firma Firma Firma Firma
A
B
C
D
0
Firma Firma Firma Firma
A
B
C
D
Differenzierte Produktmärkte:
1. Firmenspezifische Preise -> firmenspezifische Kartellaufschläge
2. Bei symmetrischen Wettbewerbern (alle gleich nah) -> gleich hohe Aufschläge
(hier 12%)
3. Dagegen: besonders nahe Wettbewerber -> besonders hohe Aufschläge (hier 37%)
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Gleich nahe Wettbewerber – Beispiel eines 4er Kartells
Betrachtung von Firma A (wg. Symmetrie gleiche Ergebnisse für B, C, D)
14%
12%
Beitrag D (=4%)
10%
Beitrag C (=4%)
8%
6%
Beitrag B (=4%)
4%
Beitrag A (=11,99%)
2%
0%
Kartell ohne A ohne B ohne C ohne D
von
A,B,C,D
Kartellaufschlag A
(=12%)
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C und D nächste Wettbewerber – Beispiel eines 4er Kartells
Betrachtung von Firma D (C ist nächster Wettbewerber von D, A und B sind entferntere W.)
40%
35%
Beitrag D (=36%)
30%
Beitrag C (=32%)
25%
20%
Beitrag B (=4%)
15%
Beitrag A (=4%)
10%
5%
0%
Kartell ohne A ohne B ohne C ohne D
von
A,B,C,D
Kartellaufschlag D
(=37%)
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Verursachungsbeiträge
1. Fall: symmetrische
Wettbewerber (12%)
2. Fall: C u. D nächste
Wettbewerber (37%)
Tatbeitrag A: 4%
Gesamtkartelleffekt
<
Tatbeitrag A: 11,99%
Tatbeitrag B: 4%
Tatbeitrag C: 32%
Tatbeitrag B: 4%
Tatbeitrag C: 4%
Tatbeitrag D: 36%
Tatbeitrag D: 4%
Problem:
Summe der relativen Verursachungsbeiträge ist in der Regel größer als Kartelleffekt.
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Gewichtung der Gesamtschuldnerschaft:
Marktanteile schlechtes Verteilungsmaß b. differenzierten Produkten
1. Fall: 12% Aufschlag bei Preis v. A
2. Fall: 37% Aufschlag bei Preis v. D
Tatbeitrag A: 5%
A: 50%
dagegen
Marktanteile…
A: 25%
Tatbeitrag B: 5%
B: 25%
Tatbeitrag C: 41%
B: 16,67%
C: 25%
C: 16,67%
Tatbeitrag D: 47%
D: 16,67%
D: 25%
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Ausblick

Rolle im Kartell kann ein wichtiger Faktor sein

Marktanteile können allenfalls zufällig geeignete Umverteilungskriterien sein
 Homogene Produktmärkte -> tendenziell pro Kopf
 Ausschreibungsmärkte -> tendenziell pro Kopf

Marktanteile und pro Kopf-Verteilung ungeeignet im Falle von differenzierten
Produkten
 Hauptverantwortung eher bei jeweiliger Firma
 Verursachungsbeiträge bei nächsten Wettbewerbern höher als bei entfernteren
Wettbewerbern

Im Prinzip sind individuelle Verursachungsbeiträge ökonomisch analysierbar.
Offen ist, wie mit dieser Möglichkeit umgegangen werden sollte.
 Erhöhte Verfahrenskosten, Gutachterstreit um Verursachungsbeiträge.

Künftige interdisziplinäre Forschung?
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Niels Frank
Principal, Lademann & Associates
Visiting lecturer, University of Bayreuth
[email protected]
+49-40-645577-27
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