Zum Konzert des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg Richard Strauss Tod und Verklärung Samstag, 22. Juni 2013 Baden-Baden, Festspielhaus, 19 Uhr von Andreas Rückert Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung Von Andreas Rückert Richard Strauss: Tod und Verklärung – Sinfonische Dichtung op. 24 Inhalt: Vorbemerkungen Ideen für den Unterricht 1. Einstieg und erster Kontakt zum Werk 2. Leben und Werk von Richard Strauss im Kontext 3. Struktur und inhaltliche Bedeutung der sinfonischen Dichtung 4. Literaturhinweise Vorbemerkung 1: Die Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung zu Richard Strauss‘ Tondichtung „Tod und Verklärung“ wollen über den Komponisten, die Stellung des Werkes im Gesamtkontext sowie das Werk an sich informieren und bieten sowohl Material wie auch Stundenverläufe. Ich habe sie allerdings in Ergänzung zu den Konzepten für „Also sprach Zarathustra“ konzipiert, weil beide Stücke im gleichen Konzert erklingen. Vorbemerkung 2: Auch wenn der eine oder andere Noten- und Hörbeispielausschnitt mitgeliefert wird, halte ich die Anschaffung des Werkes in Noten- und Audioform für sinnvoll. Die hier verwendete Partitur ist Folgende: Edition Eulenburg Nr. 442 Vorbemerkung 3: Die Unterrichtsideen möchten vor allem versuchen, die Schüler möglichst schnell und umfassend mit dem Werk an sich bekannt zu machen. Viele interessante Fragen wie z. B.: Romantik und Todessehnsucht (von Schubert bis Mahler) Romantik und Religiosität bleiben hierbei unberücksichtigt. Dies wäre im Idealfall ein Anknüpfungspunkt für fächerübergreifenden Unterricht. Die Tonbeispiele stammen von der CD: Richard Strauss – Staatskapelle Dresden, Dirigent Hans Knappertsbusch, 1988, PILZ Media Group Ideen für den Unterricht 1. Einstieg und erster Kontakt zum Werk Die Tondichtung „Tod und Verklärung“ ist ein wunderbar plastisches, eingängiges und dabei aufwühlendes Werk, der „verklärende“ Schlussabschnitt in seiner klangsinnlichen C-DurReinheit schon fast zu schön für unsere Welt und gerade deshalb ergreifend. Grundsätzlich ist für mich die typisch Strauss’sche ungeheure rhythmisch-thematische Komplexität bei gleichzeitiger exzessiver Ausnutzung bzw. Auslotung aller orchestralen Möglichkeiten Schülern schwer zu vermitteln. Es bleibt deshalb nur die Hoffnung, die Schüler mit einigen wenigen aber wesentlichen Aspekten des Stückes vertraut zu machen und dabei zu hoffen, dass sich der Rest irgendwie beim Konzertbesuch ergibt. Meiner Ansicht nach könnte ein möglichst schülerorientierter Einstieg in die Thematik über ein Zusammentragen von Ideen zum Thema „Tod / Sterben“ in musikalischer Umsetzung erfolgen. Hier mögliche Schülerantworten: Berühmte Beispiele: „Tears in Heaven“, „Trauermarsch“ von Frederic Chopin, weniger berühmt aber vielleicht im Erfahrungsbereich der Schüler: Musikrichtungen wie „Dark Metal“, „Gothic“ Haupttonart Moll, langsames Tempo, dunkle Klangfarben Entwicklung als Steigerung (leise –laut, immer mehr Dissonanzen bis zum Augenblick des Sterbens) Im Anschluss daran sollte den Schülern der Straussbrief vorgelegt werden, der das Programm der Tondichtung erläutert (s. unter 2. Leben und Werk). Hiermit wäre es möglich, die Ideen der Schüler zu bestätigen bzw. zu verwerfen und mit den Ideen von Strauss zu ergänzen. Wichtig hierbei ist neben dem inhaltlichen Verlauf Strauss‘ Begriff vom „Ideal“, dem er das Thema der Verklärung (s. unter 3. Struktur und inhaltliche Bedeutung der sinfonischen Dichtung) zugrundelegt. Im Bezug auf den zweiten Teiltitel der Tondichtung „Verklärung“ böte sich – entweder in Referatsform oder als Lehrerinfo - ein kurzer Ausblick auf den religiösen Aspekt des Begriffs an1: „Die Verklärung (Christi)“ ist eine konkrete Bibelstelle im Matthäusevangelium im Kapitel 17 in den Versen 1-9. Sie ist Grundlage für die Evangeliumslesung zum letzten Sonntag nach Epiphanias (also dem letzten Sonntag nach dem 6. Januar, dem Dreikönigsfest). Letztendlich ist der Begriff gleichbedeutend mit einer göttlichen Versicherung, dass es eine Auferstehung und damit ein Leben nach dem Tode gibt! Hier ergibt sich ein interessanter Ausblick in romantisches (historisch gesagt: wilhelminisches) bürgerliches Denken: In der Auferstehung oder dem Leben nach dem Tod (und nur da) sieht man das verwirklicht, was man im Leben angestrebt oder zu erreichen versucht hat. Es handelt sich bei Strauss also gerade nicht um eine rein religiöse Verklärung bzw. Auferstehung, sondern um eine Art metaphysische, vom kirchlichen Erlösungsgedanken losgelöste Transzendenz. 1 s. hierzu die Literaturhinweise 2. Leben und Werk von Richard Strauss im Kontext „Tod und Verklärung“ entstand neben anderen Werken 1888 bis November 1889 und wurde am 21. Juni 1890 uraufgeführt. Die Tondichtung war lange Zeit Strauss’ beliebtestes Werk neben „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, hat aber heute deutlich an Breitenwirkung verloren – eine interessante Frage für eine Nachbesprechung mit Schülern (s. dort). Im Gegensatz zu vielen anderen sinfonischen Dichtungen stammt die gesamte programmatische Idee von Strauss selbst. Ein zur Komposition entstandenes Gedicht von Richard Strauss’ Freund Alexander Ritter erläutert zwar den Verlauf der Komposition sehr detailliert, hat allerdings in allen mir zur Verfügung stehenden Unterlagen so schlechte Kritiken erhalten, dass ich mir nicht die Mühe einer Recherche gemacht habe. Deshalb nehme ich (wie die Quellen) als programmatische Grundlage den Brief von Richard Strauss von 1894, in dem er sein tondichterisches Programm erläutert: „Es war vor 6 Jahren, als mir der Gedanke auftauchte, die Todesstunde eines Menschen, der nach den höchsten Zielen gestrebt hatte, also wohl eines Künstlers, in einer Tondichtung darzustellen. Der Kranke liegt im Schlummer schwer und unregelmäßig atmend zu Bette; freundliche Träume zaubern ein Lächeln auf das Antlitz des schwer Leidenden; der Schlaf wird leichter; er erwacht; grässliche Schmerzen beginnen ihn wieder zu foltern, das Fieber schüttelt seine Glieder; als der Anfall zu Ende geht und die Schmerzen nachlassen, gedenkt er seines vergangenen Lebens: seine Kindheit zieht an ihm vorüber, seine Jünglingszeit mit seinem Streben, seine Leidenschaften und dann, während schon wieder Schmerzen sich einstellen, erscheint ihm die Frucht seines Lebenspfades, die Idee, das Ideal, das er zu verwirklichen, künstlerisch darzustellen versucht hat, das er aber nicht vollenden konnte, weil es von einem Menschen nicht zu vollenden war. Die Todesstunde naht, die Seele verlässt den Körper, um im ewigen Weltraume das vollendet in herrlichster Gestalt zu finden, was es hienieden nicht erfüllen konnte.“2 In den Unterrichtsideen ist dieser Brief Grundlage für die Schüler, um das Programm zu verstehen. Hier die Einzelaspekte: - im Schlummer schwer und unregelmäßig atmend 1 - grässliche Schmerzen 2 - das Fieber schüttelt seine Glieder 3 - erstes Erscheinen des Verklärungstehmas 4 - seine Kindheit zieht an ihm vorüber 5 - seine Jünglingszeit mit seinem Streben, seine Leidenschaften 6 - während schon wieder Schmerzen sich einstellen 7 - die Todesstunde naht, die Seele verlässt den Körper 8 - die Idee, das Ideal, das er zu verwirklichen, künstlerisch darzustellen versucht hat 9 Im Folgenden gehe ich auf diese 8 Abschnitte näher ein. 2 Edition Eulenburg S. VII 3. Sinfonische Struktur und inhaltliche Bedeutung In der Fachliteratur wird die Tondichtung als eine angenäherte Sonatenhauptsatzform gesehen3. Das ist mit Sicherheit richtig und logisch, bringt aber für das Hörverständnis der Schüler wenig. Sinnvoller finde ich es daher – auch im Sinne der Fachliteratur4 -, die 8 oben genannten Textausschnitte verknüpft mit den Hörbeispielen durchzugehen. Die Schüler könnten dabei folgende Hörerfahrungen mit den Zitaten in Beziehung setzen: 1 : unregelmäßiger Rhythmus drückt den schweren und stockenden Atem aus 2 : synkopisch – chromatische Aufgänge in den Bassinstrumenten, Dynamik laut, ostinater Rhythmus in den hohen Bläsern sind die grässlichen Schmerzen 3 : Akzente des vollen Orchesters, unterbrechende Pausen symbolisieren das Schüttelfieber 4 : reduzierte Besetzung, hoher Satz, Flötenmelodie für die Erinnerung an die Kindheit 5 : wieder ganzes Orchester, aber luftiger Satz, Tempo weniger langsam oder flüssiger, Streicherpizzikato, als Symbol für Jugend 6 : Molleinsatz des vollen Orchesters markiert die Rückkehr der Schmerzen 7 : ff des vollen Orchesters, allmähliches Diminuendo bei gleichzeitigem Anstieg der Tonhöhe steht für die Todesstunde, der Abbruch allen Klangs (bis auf liegende Basstöne) steht für den endgültigen Tod, dazu läutet die Glocke (Tamtam). 8 : ein allmähliches Crescendo über eine immergleiche Melodie („Thema der Verklärung“) symbolisiert jene Vollendung, von der der Straussbrief spricht. Idee zur Erweiterung Um das Thema der Verklärung besser memorieren zu können, wäre es möglich, den Mitspielsatz einzuüben. Er entspricht den Takten 429-434. 4. Literaturhinweise: - Artikel in den üblichen Lexika (MGG, Riemann, Wikipedia) Strauss-Monographie: - Deppisch, Walter: Richard Strauss, Reinbeck bei Hamburg 1968 Musikalische Analyse: - Kloiber, Rudolf: Handbuch der sinfonischen Dichtung, Wiesbaden 1967 - Renner, Hans: Konzertführer, Stuttgart 1959 - Specht, Richard: Richard Strauss und sein Werk, Wien 1921, neu aufgelegt: Lightning Source UK Ltd 20. Februar 2012 Zu theologischen Aspekten der „Verklärung“: - Barth, Karl: Die kirchliche Dogmatik, - Lohmeyer, E : Das Evangelium nach Matthäus 3 4 Kloiber, Rudolf: Handbuch der sinfonischen Dichtung S. 152ff Kloiber, Rudolf: Handbuch der sinfonischen Dichtung, S. 152