Das Kulturjournal für Bremen und den Nordwesten

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15.05.2011 bis 15.09.2011
foyer
Das Kulturjournal
für Bremen und den Nordwesten
90
22. Musikfest Bremen mit
„Eine Zauberflöte“ von Peter Brook
inhalt
3
inhalt
Editorial
Mischkalkulationen
.................................................
Theater
Sie bekennen sich ausdrücklich zum
„Prinzip Stadttheater“, jene fünf Damen und Herren, die gegenwärtig an Stelle eines Generalintendanten das Haus am
Bremer Goetheplatz leiten. Und deshalb
setzen sie auch in der kommenden, ihrer
zweiten und letzten Spielzeit, auf die solide Synthese aus „immer wieder gern gesehen“ und „auch mal was wagen“, also
auf „Tannhäuser“, „Torquato Tasso“ und
„Tosca“, aber auch auf neun (!) Uraufführungen unter den insgesamt 30 vorgesehenen Premieren.
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Ein Konzept, das in der jetzt zu Ende gehenden Saison durchweg aufgegangen ist.
Vom quirligen „Vetter aus Dingsda“ bis
zu den kontrovers diskutierten „Nibelungen“, vom krachend komischen „Harvey“
bis zum visionären „Idomeneo“ wurde
in allen vier Sparten ehrliches, durchweg gutes Theater auf die Bühne gebracht.
Hellwach, unterhaltsam, mitunter aufrüttelnd und verstörend – es war allemal lohnend, eine Karte für das Theater Bremen
zu kaufen, das sich wieder als Ort lebendiger künstlerischer Auseinandersetzung
ins Gespräch gebracht hat.
Ob sich das erste Jahr der „Fünferbande“
auch finanziell gerechnet hat, lässt sich
zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht
sagen. Auch nicht, ob das stadttheatertypische Prinzip der „Mischkalkulation“, von
dem Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters Berlin, unlängst sprach
(„Wir brauchen Stücke, die gut laufen, um
die komplizierteren Inszenierungen stützen zu können, ohne dass wir unsere Seele verkaufen“) aufgegangen ist. Immerhin
blieben die Abozahlen trotz aller Turbulenzen im Umfeld so stabil wie es die Preise
für die Saison 2012/13 sein werden.
Dass sich nach dieser Spielzeit konzeptionell wie personell so mancherlei am
Bremer Theater ändern wird, hat der designierte Chef des Hauses bereits angekündigt – und damit die Erwartungen
schon hoch geschraubt. Es bleibt also
spannend am Goetheplatz!
Peter Schulz
Redaktionsleitung
VERtRatUtE MiSChUnG Der Spielplan in Bremen
PERPEtUUM MOBilE Uraufführung von Urs Dietrich
FaRCE UnD DRaMa Zwei Stücke zum Saisonende
RÜCKKEhR Die neue Saison am Staatstheater
„BlOCKBUStER“ Händels „Saul“ im Fliegerhorst
StillES SPiEl „Der Kirschgarten“ in Oldenburg
innOVatiV Theater Bremerhaven vor Jubiläumsjahr
FRÜhES FiaSKO Verdis „Un giorno di regno“
ODYSSEE: hEiMat Theaterfestival in Bremerhaven
KOlUMnE Da CaPO! Abgesang der Götter
OPERnPREMiEREn an nORDDEUtSChEn BÜhnEn
SChaUSPiElPREMiEREn iM nORDWEStEn
KOlUMnE naChGEDaCht Der Wald und die Zeichen
BOUlEVaRD Neues von Bremer Bühnen
MEnSChEn iM FOYER
PORtRÄt Die Regisseurin Karin Kaper
Musik
foyer
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foyer-kulturjournal.de
29 BUntE MiSChUnG Treffen „Schulen musizieren“
30 Ein GlÜCKSFall 15. Oldenburger Promenade
32 KOnZERttiPPS
34 BREMER PhilhaRMOniKER Furioses Finale
36 KUltURStaDt WilhElMShaVEn
38 MUSiKFESt BREMEn Interview mit Prof. Albert
40 MUSiKFESt BREMEn Tipps aus dem Programm
42 KUltURSOMMER Von Fockes Fest nach Lesmona
46 JaZZtiPPS
47 VERWanDtE SaitEn Duo Klavitarre
48 BUCh UnD MUSiK Franz Liszt Superstar
49 KiRChEnMUSiK 4. Bremer Orgelsommer
50 ROllEnSPiEl
50 SChaUSPiElRÄtSEl
51 OPERnRÄtSEl
Kunst
52 WiSSEnSChaFt Jade Hochschule
54 litERatUR Buchbesprechungen
56 SERiE Die neue Kunsthalle Bremen
58 SPaRKaSSE KUltUREll Ausstellung
61 REiZ DER FREihEit Neue Leitung im Haus Coburg
62 KUnStWERKE Neues aus Museen und Galerien
64 KinOtiPPS
66 KUltURKalEnDER Premierendaten
67 litERatUR Buchbesprechung
72 KUltUR FORUM kurz notiert
74 naChKlanG FOYER-aUtOREn iMPRESSUM
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theater bremen Spielplan 2011/12
Vertraute
Mischung
Bremer Theater setzt in der kommenden
Spielzeit auf Bewährtes und Provokationen
Text: Simon Neubauer
Die Räuber
D
ies also ist der letzte Spielplan-Entwurf der „Fünferbande“, der die vier
Spartenleiter und der Betriebsdirektor des Bremer Theaters angehören: Kein
Schwanengesang, auch keine Manifestation mit weit in die Zukunft weisender
künstlerischer Nachhaltigkeit. Vielmehr
vertraut man der eingefahrenen Mischung
aus Bewährtem und Provokation, aus Weltliteratur und dem Erproben neuer Spielarten, die sowohl dem Ineinandergreifen der
Sparten des Hauses als auch dem verstärkten Mitwirken von Jugendlichen galten.
gen am Vierwaldstättersee verlegt. Nun,
wir Bremer sind ja einiges gewohnt: In der
letzten „Tannhäuser“- Inszenierung hat
Tilmann Knabe eine Hure Venus offeriert,
die dem müden Tannhäuser gerade ein
paar Spiegeleier gebraten hatte und den
vorbeiziehenden Rom-Pilgern rasch einen
Quickie anbietet, während die fromme Elisabeth die Wände der „Fest“-Halle tüncht.
Benjamin Brittens Kammeroper „The Turn
of the Screw“ schildert aus der Perspektive
der Erzieherin der Waisenkinder Flora und
James eine mysteriöse, doppelbödige Geschichte. Auch Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“, ein Klassiker des 20. Jahrhunderts, greift das Problem von Prüfung und
Die Oper beginnt mit Wagners „Tannhäuser“, inszeniert von Tobias Kratzer, der
zum vorjährigen Spielzeitauftakt mit dem
in drei Zeitetappen ge- ... Mischung aus Bewährtem und Provokation, aus
gliederten,
Weltliteratur und dem Erproben neuer Spielarten
in ein Kaufhaus verlegten „Rosenkavalier“ für kontVerbot auf. In Kontrast zu diesem Einakter,
roverse Meinungen sorgte. Eben hat er in
in dem der Mann das Mysterium veranlasst,
Luzern Donizettis „Anna Bolena“ aus der
steht der „Blaubart“ von Franz Hummel, in
Renaissance-Burg in vornehme Wohnundem die Frau das Geschehen schildert. Lé-
hars „Land des Lächelns“ und Puccinis
„Tosca“ dienen der emotionalen Unterhaltung; Vera Nemirova, die vor kurzem Ruzickas „Celan“ in werkgetreuer Überhöhung
verdeutlicht hat, nimmt sich der Oper an.
Die zu Recht immer noch lebendige „Anne
Frank“ und eine „Westzeit-Story“ sind als
bewegliche Präsentationen (eventuell auch
in Schulen) geplant. Hingewiesen werden
soll nicht zuletzt auf die Uraufführung „All
diese Tage“, eine Art Revue über das heutige Leben in der Stadt, zu der Moritz Eggert
eine wahrlich zeitgenössische Musik geschrieben hat.
Mit der dreiteiligen „Orestie“ des Aischylos endet das Saisonangebot 2011/2012 im
Schauspiel Bremen. Also muss nun doch
noch ein Zukunftssignal für eine durch Opfer erzwungene Freiheit gegeben werden.
Auch Samuel Becketts „Endspiel“ stellt die
Frage, wie lebt der Mensch auf sein Ende
hin. Dazu passt Anton Tschechows „Platonow“, ein Mensch, der sich eigene Nutzlo-
theater bremen Spielplan 2011/12 5
Theater Bremen
Premieren 2011/12
Oper
Richard Wagner Tannhäuser und der
Sängerkrieg auf der Wartburg
Benjamin Britten The Turn of the Screw
Franz Lehár Das Land des Lächelns
Grigori Frid Das Tagebuch der Anne Frank
Béla Bartók Herzog Blaubarts Burg /
Franz Hummel Blaubart
Juliane Klein Westzeit-Story
Moritz Eggert All diese Tage
(Uraufführung)
Giacomo Puccini Tosca
Der Rosenkavalier, Fotos: Jörg Landsberg
sigkeit eingesteht, aus der schließlich seine Melancholie erwächst. Da sind Georg
Büchners „Leonce und Lena“ doch von anderem Naturell; sie stehen zwar auch mit
Ohnmacht dem Leben gegenüber, aber der
Autor überzieht ihr Dasein und mehr noch
ihre Umwelt mit beißendem Spott. Schillers „Kabale und Liebe“ ist, wie im Vorjahr
„Die Räuber“, dem Regisseur Volker Lösch
anvertraut, der mit jungen Leuten auf der
Bühne am Goetheplatz eine grelle Gesellschaftsanalyse entfesseln wird.
Und da ist noch ein anderer Klassiker:
Goethes „Torquato Tasso“, ein Stück, mit
dessen Inszenierung Peter Stein zu Hübners Zeit den Bremer Stil vertieft hat. Wilfried Minks hatte die gesamte Bühne mit
Rasen ausgelegt, auf dem nur vereinzelt
eine Goethebüste stand. Bruno Ganz spielte die Titelrolle und blieb unvergessen.
Hinzuweisen wäre noch auf die Uraufführungen: eine Neufassung der „Bremer
Stadtmusikanten“ von Karsten Dahlem
und Diana Insel sowie auf drei noch titellose Einakter, die von den Autoren selbst
inszeniert werden.
Die Tanzsparte plant ein Event: „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms, im
Bremer Dom interpretiert von den Bremer
Philharmonikern unter Markus Poschner
und gedeutet von den Bremer Tänzern in
der Choreographie von Urs Dietrich. Von
Dietrich steht auch ein neues Tanzstück
mit dem Titel „Herzrasen“ in der Vorschau.
Schließlich kommt Reinhild Hoffmann,
um ihre ungemein erfolgreiche „Callas“ einer fesselnden Wiederkehr zuzuführen.
Das MOKS, nach wie vor bundesweit beachtet und zu Recht gepriesen, hat vier Neuinszenierungen im Programm, darunter Wedekinds „Frühlings Erwachen“, dargeboten
unter Mitwirkung der Bremer Schauspieler
und Studierenden der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
Schauspiel
Sibylle Berg Hauptsache Arbeit!
Samuel Beckett Endspiel
Ein neues Stück (UA)
Die Bremer Stadtmusikanten
(Märchen / UA)
Georg Büchner Leonce und Lena
nach Friedrich Schiller Kabale und Liebe
Nino Haratischwili 3 Sekunden (UA)
Johann Wolfgang von Goethe
Torquato Tasso
Anton Tschechow Platonow
Pedro Calderón de la Barca Das Leben ist
Traum
Stephan Seidel Wenn du mir meine
Stimme nimmst (UA)
Aischylos Orestie
Tanztheater
Henrietta Horn Herzrasen (UA)
Johannes Brahms Ein deutsches Requiem
Reinhild Hoffmann Callas (geplant)
Tanzcompagnie Oldenburg Full Body
Moks
Theo Fransz Psssst! (UA)
nach Frank Wedekind
Frühlings Erwachen
nach Heinrich Hoffmann
Struwwelpeter (UA)
Gintersdorfer/Klaßen Ein Projekt (UA)
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Theater bremen Perpetuum Mobile
Das ewige
Faszinosum
Uraufführung am Goetheplatz: Urs Dietrich
stellt zur Wiedereröffnung der Kunsthalle
Bremen „Perpetuum Mobile“ vor
Text: Sabine Komm
Foto: Jörg Landsberg
E
ine Maschine, die ununterbrochen
„Man muss etwas bewegen, damit sich etarbeitet, ohne dass man ihr Energie was bewegt und verändert. Und man muss
zuführen muss – davon träumen
den Schlüssel finden, um neue Räume –
die Menschen schon lange. Leonardo da
Gedanken-Räume, emotionale Räume – zu
Vinci, Superhirn der Renaissance, hat ein erschließen“, sagt Urs Dietrich. Gleichzeitig
Schwerkraftrad mit quecksilbergefüllten fragt sich der 52-jährige Schweizer aber
Blechauch, wie lange der Zauber des
kam- „Man muss etwas bewegen, damit Neuen anhalten wird: „Die
mern sich etwas bewegt und verändert.“ Wiedereröffnung ist schnell
konwieder Vergangenheit. Das
struiert, das sich ständig drehen sollte.
hat mich interessiert. Dieser Übergang von
Wissenschaftler haben mit Saughebern,
Neuanfang in Routine.“
Gewichten, Kugeln, Stangen und Magneten experimentiert, immer auf der Suche Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass
Dietrich mit der Kunsthalle zusammennach einer Konstruktion, die ewig in
arbeitet. 2005, anlässlich der AusstelBewegung bleibt. Ohne Erfolg, bis heute.
Ein bisschen etwas von dieser Sehnsucht lung „Monet und Camille“, brachte er,
der früher Textildesigner war und schon
schwingt jetzt bei „Perpetuum Mobile“
damals viel mit Stoffen und Stofflichkeiten
mit, der neuen Produktion von Urs Dietzu tun hatte, „Flacon“ auf die Bühne. Eine
rich im Theater am Goetheplatz.
Inszenierung, in der ausladende Reifröcke
Auslöser für die einstündige Tanz-Urauffüh- eine Rolle spielten. In dieser von der Lichtrung ist die Wiedereröffnung der Kunsthalle malerei der Impressionisten inspirierten
Bremen. Seit 2008 geschlossen, ist das von
Tanzproduktion ging es auch darum, wie
engagierten Bürgern getragene Haus seit
Menschen in Korsett und bürgerlichen
diesem Sommer erstmals wieder zu betreKonventionen gefangen sind.
ten. Allerdings in weiten Teilen verändert,
Bei „Perpetuum Mobile“ gerät vieles in
erweitert, modernisiert. Anders als früher
Schwingung. Künstler unterschiedlicher
und trotzdem vertraut. Aufgeschlossen für
Sparten treffen aufeinander. Auch SchauEinflüsse von außen. Architektur und Präsentation ermöglichen jetzt neue Perspekti- spieler. Irene Kleinschmidt, Gabriele
Möller-Lukasz, Susanne Schrader und
ven auf die Sammlung des Museums.
Christoph Rinke zitieren Auszüge aus der
„Abendlandnovelle“, dieser filigranen Auseinandersetzung der deutschen Schriftstellerin Friederike Roth mit Liebe und
Leben: „Wie immer. / Eigentlich alles wie
immer / und dennoch / alles so anders“,
heißt es darin. Und: „Jedes Leben / so oder
so schon gelebt von Anderen / zu anderen
Zeiten / in anderen Gewändern, Kulissen
/ da oder dort / Konstellationen, Muster
/ sich wiederholend in Varianten. / Alles
schon / so oder so auch gesagt.“
Auf der Bühne spielt die Koreanerin Jinie
Ka Klavierstücke von Franz Schubert. Urs
Dietrich schätzt die stille, oft melancholische, zum Teil auch heitere, sogar belustigende Weise, mit der diese Kompositionen
Themen wie Abschied, Vergänglichkeit
und Tod spiegeln.
Und der Tanz? Passend zu den Eigenschaften
eines Perpetuum Mobile, das einmal angestoßen läuft und läuft und dann doch irgendwann stehen bleibt, sind die Bewegungen
fließend, um mittendrin kurz zu stoppen.
Die elf Tänzer der Bremer Compagnie halten
in solchen Momenten inne, gehen in die
Hocke, wirken nachdenklich, bevor es weiter
geht. „Ein Fluss entsteht, der mal schneller,
mal langsamer fließt, gestoppt wird und
wieder weiter läuft“, sagt Urs Dietrich.
Theater bremen Perpetuum Mobile 7
Manche Bewegungsmuster wie das Werfen
eines Balls tauchen in immer neuem Kontext auf und haben so Signalwirkung. „Das
Publikum soll sich diese Bewegungen – gemäß dem Eröffnungs-Motto der Kunsthalle ‚Aufgeschlossen!’ – selbst erschließen“,
sagt Dramaturgin Sonja Bachmann.
Vielleicht hat ja die Arbeitsweise von
Urs Dietrich, diesem stillen Visionär des
Tanzes, selbst etwas von einem Perpetuum
Mobile. Er ist ein Mensch in Bewegung.
Jemand, der neugierig beobachtet, um das
Gesehene und Erlebte in den Bewegungskosmos seiner Bremer Compagnie einfließen zu lassen und daran bis kurz vor der
Uraufführung zu feilen. Dass er schon lange mit dem Bremer Ensemble zusammenarbeitet, ermöglicht Kontinuität, sagt er.
Wiederholungen sind möglich. Trotzdem
sei der Tanz niemals vollkommen gleich.
Auch wenn „Perpetuum Mobile“ – wie
bei der von den Menschen erträumten
Maschine, die ewig läuft – auch an diesem
Tanzabend nur Bewegung auf Zeit ist:
Tänzer, Schauspieler, Pianistin und Urs
Dietrich setzen darauf, dass auch nach der
Aufführung etwas in Bewegung bleibt – in
den Köpfen der Betrachter.
Uraufführung am 10. Juni. Weitere Termine: 12., 14., 18., 23. und 29. Juni; 4., 11.,
17., 24. September und 15. Oktober.
Heiter bis leidenschaftlich!
Allen Zuschauern der Operette „Der Vetter aus Dingsda“ wünschen wir einen
unterhaltsamen Abend mit vielen schwungvollen Momenten.
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thEatER BREMEn Mein Kampf/Ein Volksfeind
Taboris „Mein Kampf“ und Ibsens „Volksfeind“
zum Saisonabschluss am Bremer Theater
Text: Sven Garbade
photocase
VoM VErsagEr
zuM diktator
B
einahe liebevoll könnte man es nennen, wie der Autor hier seine Figuren vorstellt: Wien im Jahr 1910. Es
herrscht Hunger. Ein tapsiger MöchtegernMaler, eifrig, aber untalentiert, strandet im
Obdachlosenheim. Völlig zerrüttet von der
Ablehnung an der Wiener Kunsthochschule sucht er Trost bei den Übrigen. Zwei liebe
Schlucker helfen ihm: Ein armer Jude und
ein merkwürdiger Koch bauen den Versager wieder auf, so gut sie eben können. Bittere Pointe: aus dem traurigen Maler wird
der großer Diktator, der am Ende am liebsten alle abschlachten möchte. Maler Adolf
kam als Versager – und er ging als Hitler.
paradoxen Grundsituation (dass ausgerechnet ein Jude den labilen Hitler zu dessen Tatendrang ermuntert) eben reichlich Komik,
Slapstick und Wortwitz.
Im Brauhauskeller unter dem Bremer
Schauspielhaus inszeniert Martin Baum die
fiese Groteske mit ergänzendem Puppenspiel sowie mit Guido Gallmann als Schlomo Herzl und Jan Michael Börner als Hitler.
Premiere am 28. Mai im Brauhauskeller.
Es überrascht nicht, dass Hendrik Ibsens
Öko-Drama „Ein Volksfeind“ mit konstanter Regelmäßigkeit auf den Spielplänen vieler Theater steht. Zuletzt in Oldenburg, nun
Diese herrliche Farce stammt aus der Fein Bremen. Obwohl das Stück bereits 1882
der von George Tabori (1914-2007), einem
geschrieben wurde, also lange vor der Zeit
der originellsten Theaterzauberer, der das
der menschlich verursachten Umweltkatadeutschsprachige Theater vor allem in den
strophen, wirkt es heute aktueller denn je:
80er- und 90er Jahren mitprägte. Seit der Ur- Ein Arzt entdeckt Gift im Kurbad – aber der
aufführung im Jahr 1987 hat diese intelliUmbau der dafür verantwortlichen Wasgente Komödie ihserleitung ist nicht zu
ren festen Platz in Maler Adolf kam als Versager – finanzieren. Also wird
den Spielplänen
der Mann von den
und er ging als Hitler.
zahlreicher Bühnen
Mächtigen des Ortes –
behauptet; der schaurig schreckliche Hunach heftigen, aber erfolglosen Bitten um
mor und die zwei prachtvollen Hauptrollen Vertuschung dieser geschäftsschädigenden
konnten den besten Darstellern eines jewei- Tatsache – kurzerhand zum „Volksfeind“
ligen Ensembles stets vorzügliches Spielma- erklärt. Wo Gift in die Natur schwappt, da
terial liefern. Denn geboten wird neben der herrschen harte Zeiten für den Aufklärer.
theater bremen Mein Kampf/Ein Volksfeind 9
Interessant ist die Frage, was Regisseur Robert Schuster am Bremer Theater aus diesem Zimmerstück machen wird. Formal
weist der Text ja einen etwas dialoglastigen
Grundcharakter auf. Schuster dagegen gilt
als origineller Erfinder von Theaterbildern
und nicht als psychologisierender Figuren-
zeichner. Zuletzt hatte er am Goetheplatz
Shakespeares „Was Ihr Wollt“ mit einem zirzensischen Übermaß an Knalleffekten angedickt.
funktionieren kann, wird die Premiere zeigen. Der Besetzungszettel deutet auf ein distanzierendes Konzept hin: „Der, der den
Stockmann spielt“, heißt es über die Hauptrolle. Und die wiederum spielt Glenn Goltz.
Ob dieses poppig-assoziative Verfahren auch Premiere am 2. Juni im
beim vergleichsweise bodenständigen Ibsen Neuen Schauspielhaus.
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THEATER oldenburg Spielplan 2011/12
Alte
Stelle,
neuer
Schwung
„D
ich, teure Halle, grüß‘ ich
wieder, froh grüß’ ich dich, geliebter Raum!“ – Wer vielleicht
darauf gewettet hat, das Oldenburger
Staatstheater werde die Rückkehr ins vertraute Umfeld des frisch sanierten Großen
Hauses nach einem Jahr „Exil“ im Fliegerhorst mit dem „Tannhäuser“ feiern, steht
auf der Verliererseite. Die Premiere im
optisch wie technisch aufgeputzten Saal
bleibt der „Zauberflöte“ vorbehalten (1.
Oktober); wer Wagners Sängerkrieg verfolgen möchte, kann nahezu zeitgleich nach
Bremen pilgern.
Nachtwache, Foto: Hans Jörg Michel
man sich gemeinsam an die Vorbereitungen gemacht, es stecke „viel Herzblut von
allen Beteiligten“ in dieser Produktion.
Natürlich kehre man der Halle 10 im Fliegerhorst nicht allein mit einem lachenden
Auge den Rücken. „Wir waren ausgesprochen gern in diesem Provisorium, das uns
großartige Spielmöglichkeiten und eine
exzellente Akustik geboten hat. Man denke
nur an Stücke wie ‚Cardillac’ oder die
‚Walküre’, die anderswo in dieser Art nicht
zu realisieren gewesen wären“, erinnert
sich Müller. Aber nun sei man auch froh
über die Rückkehr in die „alte Heimat“ , in
der sich während des vergangenen Jahres
allerhand getan hat.
Dass Mozarts ewiges Meisterwerk, die
meist gespielte Oper überhaupt, zielgenau das richtige Stück für den Neuanfang
darstellt, steht für den Generalintendanten In dieser Hinsicht wäre zunächst – da
deutlich spürbar für alle Besucher – die
Markus Müller außer Frage: „Oldenburg
hat ‚Die Zauberflöte’ weit
mehr als ein Jahrzehnt lang Mozarts ewiges Meisterwerk, die meist
nicht gesehen. Wir freuen uns gespielte Oper überhaupt, zielgenau das
darauf, dem Publikum diese
richtige Stück für den Neuanfang ...
Oper angesichts der deutlich
verbesserten Rahmenbedingungen unseres neue Bestuhlung zu nennen, die zu einer
Hauses präsentieren zu können, das dafür erheblich besseren Aufenthaltsqualität
schon räumlich geradezu prädestiniert ist.“ beitragen soll. Die moderne Obermaschinerie wird es mitsamt der aktualisierten
Technik ermöglichen, spektakulärere
Außerdem sei es gelungen, mit Klaus
Bühnenbilder zu realisieren. Der deutHelbling jenen Regisseur zu verpflichten,
der vor Ort bereits die Aufsehen erregende lich vergrößerte Orchestergraben schafft
nicht nur bessere Arbeitsbedingungen für
und jetzt wieder ins Repertoire rückende
„Nachtwache“ inszeniert hat. Müller: „Ei- die Musiker, sondern lässt künftig auch
ner der klügsten Köpfe des Gegenwartsthe- stärkere Besetzungen zu. Und dank der
erneuerten Garderoben- und Sanitärräuaters mit einem beeindruckenden Musikme kommen die Künstler endlich in den
verständnis.“ Schon vor zwei Jahren habe
Genuss zeitgenössischen Standards, der an
anderen Bühnen längst üblich ist.
Doch zurück zum Spielplan für die kommende Saison, der insgesamt 32 Premieren, darunter zehn Uraufführungen
vorsieht. Hinzu kommen die Festivals „Go
West“ und „PAZZ“. Vier Uraufführungen
stehen im Musiktheater an, davon mit
„Geisterritter“ und „Frau Meier, die Amsel“
zwei Kinderopern. Außerdem erwartet die
Besucher mit „Song of my Life“ ein Stück,
das auf den persönlichen Erinnerungen
von Oldenburgerinnen und Oldenburgern
basiert (2. Oktober) und durch „unser
ausgesprochen musikalisches Ensemble“
(Müller) entwickelt wird.
Eine Ausnahmestellung im Spielplan
nimmt zudem „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ von Ulrich Kreppein ein
(8. Mai 2012): Die Oper nach dem gleichnamigen Roman von Gustave Flaubert
wird in Zusammenarbeit mit der „Akademie Musiktheater heute“ realisiert. Eine
Produktion, der Markus Müller mit großer
Spannung entgegenblickt: „Mehrere
Teams, bestehend aus jungen, aufstrebenden Regisseuren, Bühnenbildnern oder
Dramaturgen, arbeiten daran mit, um
dieses außergewöhnliche Ereignis auf die
Bühne zu bringen.“
Das Schauspiel setzt überwiegend auf
Zeitgenössisches, etwa auf „Ketzer“ von
Richard Bean, das als eine von insgesamt
drei deutschsprachigen Erstaufführungen
THEATER oldenburg Spielplan 2011/12 11
www.oldenburg-tourist.de
Leidenschaft.
Staatstheater Oldenburg kehrt
ins sanierte Große Haus zurück
Text: Peter Schulz
© Horst-Janssen-Nachlass
Schloss // Schlossplatz 1 // Di – So 10 – 18 Uhr //
vom 5. Juni bis 4. September 2011 // Verborgene
Schätze aus vier Jahrtausenden. Die Großherzogliche Altertümersammlung
die Spielzeit im Kleinen Haus eröffnen wird (17. September). Vorgesehen sind zudem drei Uraufführungen,
darunter mit „Erst schießen, dann fragen“ eine neues Stück
des Oldenburger Hausautors Marc Becker. Auf der anderen
Seite stehen unter anderem mit Tolstois „Anna Karenina“,
Shakespeares „Hamlet“ und Schillers „Kabale und Liebe“
auch große klassische Stoffe auf dem Programm.
Das Tanztheater startet mit „Mirage“, einem Stück des
Choreographen in Residence, Guy Weizman, und seiner Partnerin Roni Haver, die damit ihre Arbeit mit der
Oldenburger Tanzcompagnie fortsetzen. Dabei handelt
es sich um eine gemeinsame Produktion mit dem Theater
im niederländischen Groningen, wobei zwei Besetzungen – jeweils gebildet aus Tänzern der beiden Häuser – die
Interpretation des Stücks übernehmen und damit auch auf
Tournee durch die Niederlande gehen werden.
Außerdem ist es gelungen, Sharon Eyal, Choreografin der
berühmten israelischen Batsheva Dance Company und
gerade bei den 10. Internationalen Tanztagen stürmisch
gefeiert – für eine Produktion am Oldenburgischen Staatstheater zu gewinnen. Eine weitere Uraufführung wird der
Schweizer Marcel Leemann beisteuern. „Diese Choreografen und ihr Interesse an Oldenburg dokumentieren die
gestiegene Bedeutung der hiesigen Tanzcompagnie“, freut
sich Markus Müller.
Lang ist zudem die Liste der Wiederaufnahmen, wobei
in der Oper neben der bereits erwähnten „Nachtwache“
der erst im Mai aufgeführte „Saul“ von Georg Friedrich
Händel besonders ins Auge springt. Hier stehen zudem mit
„Kátja Kabanová“ von Leoš Janácěk und „Fräulein Julie“ von
Antonio Bibalo zwei Frauenfiguren auf der Opernbühne,
die sich bekanntermaßen durch ihre große Leidenschaft
auszeichnen. Das engagierte Oldenburger Ensemble nicht
minder.
Horst-Janssen-Museum
Am Stadtmuseum 4 – 8 // Di – So 10 – 18 Uhr //
bis 26. Juni 2011 // Horst Janssen und die Romantiker // Mit Zeichnungen von Caspar David
Friedrich, Carl Gustav Carus u. a.
Landesmuseum Natur und Mensch // Damm
38 – 44 // Di – Fr 9 – 17 Uhr // Sa/So 10 – 18 Uhr //
ab 29. Mai 2011 // Sonderausstellung –
„O, schaurig ist´s, übers Moor zu gehn ...“
Oldenburger Kunstverein // Damm 2 a // Di – Fr
14 – 17 Uhr, Sa/So 11 – 17 Uhr vom 27. Mai bis
31. Juli 2011 // Frauke Eigen – Ode
Stadtmuseum Oldenburg // Am Stadtmuseum
4 – 8 // Di – So 10 – 18 Uhr // bis 12. Juni 2011 //
Bewegte Frauen. Fotografien von Doris
Waskönig.
Edith-Ruß-Haus für Medienkunst // Katharinenstr. 23 // Di – Fr 14 – 18 // Sa/So 11 – 18 Uhr //
vom 27. Mai bis 14. August 2011 // Wild Sky
Gruppenausstellung
Informationen und Angebote unter +49 (0) 441 361 613 66
Übermorgenstadt Oldenburg.
Gut für Entdecker.
12
thEatER OlDEnBURG Saul
Lydia Steier inszeniert Händels „Saul“ in
Halle 10 auf dem Fliegerhorst
Text: Michael Pitz-Grewenig
„BlockBustEr“ oratoriuM
l
ondon im Sommer 1738: Georg Friedrich Händel muss mangels Interesse die Opernsaison abblasen; wieder
einmal ist er wirtschaftlich gescheitert.
Teure Sänger, dazu Meeresungeheuer,
Vulkanausbrüche und Feuerwerk auf der
Bühne – all das kostet exorbitant hohe
Summen. Doch Händel sieht einen Ausweg: Die Aufführung eines Oratoriums ist
bedeutend preiswerter, da man etwa die
Bühnentechnik einsparen kann. Das ist
zwar einerseits ein Mangel, der sich aber
aus musikalischer Sicht als Chance erweist. Denn Händel muss neue musikalische Mittel entwickeln, um die fehlende
Bühnenpräsenz auszugleichen.
Und noch etwas sprach in jenen Tagen
für ein Oratorium: Die anglikanische Kirche hatte Aufführungen biblischer Stoffe
auf der Opernbühne verboten. Doch gerade diese Geschichten aus dem alten Testament erfreuten sich beim Publikum großer
Beliebtheit und versprachen hohe Einnahmen. Beinhalten sie doch alle Ingredienzien, die bis heute „Blockbuster“ haben müssen: Liebe, Eifersucht, Macht, Mord und
Totschlag, aber eben auch ein Happy End.
Was lag näher, als zu der sattsam bekannten Geschichte von David und Saul zu greifen? Händel verpasste ihr noch ein noch
glanzvolleres Ende, und fertig war der Erfolg seines Oratoriums „Saul“ bei der Uraufführung am 16. 1. 1739 im Londoner
Theatre Royal Haymarket.
Um diesen Erfolg zu verstehen, muss man
etwas weiter ausholen. England vollzog
damals den Weg zur Weltmacht. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich liberale Ideen, die ein Staatsverständnis erzeugten, das auf dem Kontinent wenn
nicht unvorstellbar, so doch sehr modern
war. Die Engländer sahen sich zudem vor
der Folie ihrer ökonomischen wie strategischen Erfolge in Analogie zum alten Testament als das „auserwählte Volk“. Händel
traf also mit seinen Werken den Nerv ihres
Selbstverständnisses.
weniger als zwölf Solisten treten auf, das
Orchester wurde verstärkt durch fremdartige Instrumente wie „Artillery kettle
drums“, das sind überdimensionierte große Kesselpauken, die extra aus dem Tower
herbeigeschafft werden mussten, sowie ein
„Carillon“, ein Glockenspiel mit Klaviatur.
Und so wurde „Saul“ nicht nur zu einem
der prächtigsten und erfolgreichsten Oratorien Händels, sondern auch eines seiner
innovativsten. Die Konzeption der Arien,
deren Vielzahl schon beweist, dass es Händel hier um Individuelles ging, auch die
Auf den ersten Blick bediente er mit baro- Anlage der Chöre, die Harmonik und die
Instrumentation sind zukunftsweisend.
ckem Pomp die Erwartungen seiner ZuEs ist unglaublich, wie viel Mozart, der die
hörer. Sie merkten aber nicht, dass Händel ihnen einen Spiegel vorhielt. Geschickt Musik Händels gut kannte, schon in diesem „Saul“ steckt. Man muss nur aufmerkverpackte er seine kritischen Sichtweisen
zu Monarchie und Glauben und formte aus sam zuhören, um Parallelen zur „Zauberflöte“ und „Don Giovanni“ zu „erhören“.
den biblischen Figuren lebensnahe Menschen. Wobei die bewegende Schilderung
des psychischen Verfalls des unberechen- Für die Regisseurin Lydia Steier, die „Saul“
baren König Saul durchaus politische Bri- in Oldenburg inszeniert, steht der Machtkampf zwischen Saul und David im Zusanz enthielt. Wankelmütige Könige waren in England bekannt. Man denke nur an sammenhang mit der Frage nach dem
Verhältnis einer Gesellschaft zu ihren
Heinrich VIII.
Herrschern. Dieser Ansatz ist so neu nicht.
Und Händel wollte es wohl auch noch ein- Aktualität bekommt ihr Inszenierungsansatz dadurch, dass der Machtwechsel zumal wissen und lieferte mit dem „Saul“
dem als Zeitenwende gedeutet wird, wie
eine seiner dramaturgisch stringentesdie betreuende Dramaturgin Kathariten und musikalischsten Kompositionen
na Ortmann mitteilt. Die sinnlich-baroab, für die ihm der Privatgelehrte Charles
Jennsens an Shakespeares Königsdramen cke mythische Welt Sauls wird verdrängt
anknüpfend ein passendes Libretto liefer- durch die vernunftgesteuerte Welt Davids.
te. Händel schöpfte aus dem Vollen. Nicht
thEatER OlDEnBURG Der Kirschgarten
13
stillEs spiEl
Anton Tschechows
„Der Kirschgarten“ im
Staatstheater Oldenburg
Text: Sven Garbade
„M
an wird sagen, ich sei oberflächlich“, fürchtete Anton
Tschechow, als er sein letztes
Stück im Jahr 1900 fertig stellte. Und in der
Tat: Der lakonische Alltagston, den er seine
Figuren anschlagen lässt, eingebunden in
Und in der Tat, die Verhältnisse von daeine beinahe stillstehende äußere Handmals haben mit den heutigen mehr gemeinsam als man denkt. Die Wohlstands- lung – all das machte aus dem „Kirschgarten“ zunächst keinen Erfolg. Große
kultur des erfolgreichen Bürgertums und
dramatische Gesten hatte sich Tschechow
des Adels brachten eine zunehmende Verkomplett versagt, und dass er das Stück
armung der „unteren Bevölkerungsschichauch noch als „Komödie“ annoncierte,
ten“ mit sich. Veränderte soziale Verhältmachte die Sache tendenziell diffus.
nisse und Produktionsbedingungen, das
Anschwellen der Städte – das sind auch
Dabei ist ja alles so fein gewoben, so herrlich
Kennzeichen des 18. Jahrhunderts. Und
vielstimmig komponiert, wie Tschechow
Diktatorenabsurdität gibt es noch immer. auch hier seine Figuren, besser: richtige
Menschen, auf die Bühne spült, so, als flösse
echtes Leben leicht plätschernd dahin. Eine
Die Halle 10 des Fliegerhorstes bietet für
Händels Tableau von Machtgier, Wahnsinn möglichst prätentionslose Darstellung war
ihm oberstes Gebot: „Man verlangt vom
und Liebe eine exzellente „Wahlheimat“.
Helden und seinem Verhalten, sie sollen
Bühnenbildnerin Katharina Schlipf entbühnenwirksam sein,“ sagte Tschechow
wirft hierfür ein quasi dialektisches Bühüber sein Theaterverständnis. „Aber im
nenbild. Die karge Industriearchitektur der Leben erschießt und erhängt man sich nicht
Halle wird erfüllt von einem prunkvollen
immerzu. Meistens isst und trinkt man,
Barocktheater, das immer mehr zerstört
man flirtet und redet dummes Zeug.“
wird, bis letztendlich nur noch die kalte,
unsinnliche Welt Davids übrig bleibt. Alles Und genau das ist auch im „Kirschgarten“
ist vergänglich (Stichwort: Vanitas), nur die zu sehen, dieser absurden Komödie über die
Basis, auf der alles stattfindet, bleibt gleich. Künste des Missverstehens. Im Herrenhaus
eines russischen Landgutes findet sich ein
typisches Tschechow-Ensemble zusammen,
Man darf sich freuen, dass das Oldenburvoller flirrender Vielstimmigkeit, durchger Staatstheater sich der gewaltigen Aufsetzt mit ein paar Unglücksmenschen: die
gabe stellt, dieses Oratorium aufzuführen. Gutsbesitzerin Ranjewskaja kehrt nach
Dirigent Andreas Spering ist ein Spezialist langem Auslandsaufenthalt zurück in ihr
für Alte Musik und dürfte auch auf der mu- Familienhaus, doch mittlerweile ist das Gut
sikalischen Seite für eine interessante Inderart hoch verschuldet, dass nun sogar der
szenierung sorgen.
Komplett-Verkauf droht. Heute würde man
von einem Immobiliencoup sprechen, in
Tschechows sanftmütiger Diktion klingt das
Premiere am 20. Mai, 19.30 Uhr. Weitere
Aufführungen am 25., 28. und 31. Mai so- dann so: „Gestern hatte ich noch ganz viel
Geld, und heute ist es wenig.“
wie am 4., 22. und 24. Juni.
So kreisen die Figuren lange Zeit umeinander, bis man der unvermeidlichen Tatsache
immer klarer ins Auge sieht: der herrliche
Kirschgarten, zentrales Gelände des Anwesens, muss weg, eine ganze Feriensiedlung für Touristen könnte dort hingesetzt
werden. Und tatsächlich: die neue Zeit
bricht still und leise an, kaum merklich.
Ein unscheinbarer Kaufmann aus dem Bekanntenkreis hat tatsächlich bereits diese
Hochstätte des abwirtschaftenden Landadels aufgekauft. Eigentlich bleibt alles
gleich, nur heißt der neue Gott nicht Adel,
sondern Geld. Doch bis es soweit ist, und
am Ende still und leise das Hacken der Äxte
zu hören ist, dreht das Figurenkarussell
noch ein paar Runden um sich selbst.
Da ist beispielsweise ein verarmter Hauslehrer, namens Trofimow, in dem Tschechow sich selbst unverkennbar zu einem
großen Stück porträtiert hat. Apropos: es ist
interessant, sich zu vergegenwärtigen, dass
Tschechow ja selbst lange Zeit als Dorfarzt
gearbeitet hat – und zwar oft unentgeltlich.
Damit er sich diese, höchst idealistische
Betätigung finanziell überhaupt leisten
konnte, war er auf Einkünfte aus einem ordentlichen Beruf angewiesen. Dieser stellte
für ihn die Schriftstellerei dar.
Diese Zeit ist längst vorbei, wie überhaupt
der Untergang einer eigentümlich tatenlosen Gesellschaft das Leitmotiv in diesem
lakonisch stillen Meisterwerk darstellt.
Was unsere heutige Gesellschaft vergleichbar macht mit jener, die Tschechow hier
beschreibt? Für das Oldenburger Staatstheater wird der leitende Haus-Regisseur
K.D. Schmidt diese Frage untersuchen, und
zwar an stilechtem Ort: im Offizierscasino
auf dem Fliegerhorst-Gelände.
Premiere am 18. Juni 2011
14
THEATER BREMERHAVEN Spielplan 2011/2012
Innovativ ins
Jubiläumsjahr
Stadttheater Bremerhaven
Spielplan 2011/2012
Stadttheater Bremerhaven greift zum 100. Bestehen aktuelle und eisige Themen auf
Text: Karin Hiller
100 Jahre – Alle Sparten
nach Henry Purcell und
William Shakespeare The Fairy Queen/
Ein Sommernachtstraum
Musiktheater
George Gershwin Crazy for you
Giuseppe Verdi La Traviata
Ralph Benatzky Im weißen Rössl
Dmitri Schostakowitsch Lady Macbeth
von Mzensk
Otto Nicolai Die lustigen Weiber von Windsor
Erich Wolfgang Korngold Violanta
Ballett
Sergei Vanaev/Adolphe Adam Giselle
Sergei Vanaev/Carl Orff Carmina Burana
Sergei Vanaev Pinocchio
Ego-Zooming II
(Junge Choreographen im TiF)
D
er Spielplan 2011/2012 des Bremerhavener Stadttheaters verspricht,
die innovative, experimentierfreudige Linie der ersten Spielzeit unter Intendant Ulrich Mokrusch fortzusetzen.
Darauf lässt schon der Start in die neue
Saison schließen, die ganz im Zeichen des
100-jährigen Bestehens des Hauses steht.
cal „Crazy for you“, Benatzkys „Im weißen
Rössl“ und „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai.
Mit „Giselle“ begann Sergei Vanaev 2004 seine choreographische Arbeit in Bremerhaven. Nun bringt er seine Erfahrungen der
letzten Jahre ein, um das Thema tänzerisch
Schauspiel/Großes Haus
neu zu bearbeiten und auch den Inhalt des
Tennessee Williams Die Katze auf dem
heißen Blechdach
Am 1. Oktober 1911 war das Stadttheater
Balletts in einen modernen Kontext zu setJohann Wolfgang von Goethe Faust
Bremerhaven mit Shakespeares „Ein Somzen. Carl Orffs stimmgewaltiges Chorwerk
Wajdi Mouawad Verbrennungen
mernachtstraum“ eröffnet worden. Zum Ju- „Carmina Burana“ wird Vaneav in ZusamAnton Tschechow Die Möwe
biläum gibt’s jetzt einen spartenübergreimenarbeit mit der Evangelischen Stadtkanfenden Theaterabend, der die damalige
torei und dem Bach-Chor Bremerhaven choSchauspiel/Kleines Haus
Eröffnungsproduktion aufgreift. „The Fairy reographisch umsetzen. Auch ein Ballett
Roland Schimmelpfennig Der goldene
Queen/Ein Sommernachtstraum“ heißt das für Kinder ist wieder dabei: „Pinocchio“, ein
Drache
Stück, das Sänger, Schauspieler, Tänzer, den Stück über Lüge, Wahrheit und eine plötzJan Neumann Fundament
Chor und das Städtische Orchester auf der
lich sehr lange Nase. Zudem können die
100 Watt und noch ein bisschen Meer
Bühne vereint. Ulrich Mokrusch will Henry Tänzer der Bremerhavener Compagnie in
(musikalische Bremerhaven-Recherche) UA
Purcells Semi-Oper und Shakespeares Ko„Ego-Zooming II“ erneut ihre choreographiJames Edward Lyons/William Ward
mödie zu einem magischen Theatererlebnis sche Phantasie spielen lassen. Weiter zu seMurta Für mich soll’s rote Rosen regnen
zwischen Traum und Realität gestalten.
hen: Vanaevs Erfolgsproduktion „Amon-Ra“.
Andere Spielorte
Eistau (nach Ilija Trojanow) UA
Die Filchner-Barriere
(Das letzte Kleinod) UA
Auf einen ähnlich furiosen Saisonbeginn
wie im Vorjahr, als Brittens „Peter Grimes“
auch jüngere Besucher anzog, hofft das Musiktheater und präsentiert gleich zwei selten
gespielte Opernwerke des 20. Jahrhunderts.
Kinder- und Jugendtheater
In seiner 1934 uraufgeführten Oper „Lady
Gertrud Pigor Herr Fuchs mag Bücher
Macbeth von Mzensk“ führt uns Dmitri
Michael Ende Momo
Schostakowitsch mit gewaltiger KlangmaleJörg Menke-Peitzmeyer Arm aber sexy
Holger Schober Feiert! Facebooked! Folgt! rei eine Frau zwischen Liebe, Verzweiflung
oder Ich möchte Teil einer Jugendbewegung und Mord vor. Ähnlich dramatisch ist das
Schicksal von „Violanta“, die in Erich Wolfsein
gang Korngolds Operneinakter den Selbstnach Jean-Paul Lilienfeldt Charra – ich
mord ihrer Schwester rächen will. Im Probin dann immer noch da
Lee Beagley, Anna Siegrot nach Hermann gramm ist zudem Verdis „La Traviata“, wo
Melville Das Meer in uns
sicher ein paar Tränen vergossen werden.
Für die Welt bist du nur irgendjemand UA Für gute Laune sorgen Gershwins Musi-
Das Schauspiel hat sich mit elf neuen Produktionen viel vorgenommen. Neben Klassikern wie Goethes „Faust“ und Tschechows
„Die Möwe“ steht Tennessee Williams’ „Die
Katze auf dem heißen Blechdach“ auf dem
Programm. Ebenfalls im Großen Haus ist
ein Stück des libanesischen Autors Wajdi
Mouawad zu sehen: In „Verbrennungen“ erfüllen zwei Kinder das Testament ihrer toten Mutter und werden mit einer tragischen
Vergangenheit konfrontiert.
Das Kleine Haus des Stadttheaters ist der
passende Ort für Stücke, die um das alltägliche Leben kreisen. „Der goldene Drache“ von Roland Schimmelpfennig – 2010
THEATER BREMERHAVEN Spielplan 2011/2012 15
www.berenberg.de
Amon-Ra
mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet – erzählt
von Menschen, die in einer globalisierten Welt ihren Platz suchen. In „Fundament“ beobachtet Jan Neumann die bürgerliche Welt einer Kleinstadt, die nach einem Sprengstoffanschlag
aus den Fugen gerät. Eine Hommage an das Leben und vor allem an die Chansons von Hildegard Knef wird mit „Für mich
soll’s rote Rosen regnen“ inszeniert. Und auch das Kleine Haus
feiert mit „100 Watt und noch ein bisschen Meer“ den Geburtstag des Stadttheaters und die Stadt Bremerhaven.
Nach der bundesweit beachteten Premiere der „Entdeckung
der Langsamkeit“ nach dem Roman von Sten Nadolny im
Deutschen Schiffahrtsmuseum greifen erneut zwei Stücke an
Spielorten außerhalb des Theaters eisige Themen auf. „Die
Filchner-Barriere“, eine Zusammenarbeit mit der Theatergruppe „Das Letzte Kleinod“, berichtet über die dramatische
Antarktisexpedition des deutschen Polarforschers Wilhelm
Filchner im Jahre 1911. „Eistau“, nach dem Roman von Ilija
Trojanow, erzählt von der Leidenschaft eines Forschers für die
Antarktis, vergängliche Gletscher und das ewige Eis.
Das Kinder- und Jugendtheater hat sich unter dem engagierten Einsatz der Dramaturgin Alexandra Luise Gesch zu einer wirklich eigenständigen Sparte entwickelt. Geplant ist, im
Bremerhavener „Pferdestall“ einen Ort für diese für die Zukunft des Theaters so wichtige Zielgruppe zu etablieren. Entsprechend umfangreich ist das Programmangebot mit Projekten, die sich mit den Problemen von Heranwachsenden
befassen und Stücken für kleinere Zuschauer, die auf intelligente Weise unterhalten.
Die Sinfoniekonzerte unter GMD Stephan Tetzlaff sichern in ihrer bewährten Zusammenstellung aus Klassik und Moderne ein
volles Haus, doch es gibt auch viel Neues zu entdecken. „The
compass“, ein Konzert der australischen Komponistin Liza Lim,
stellt mit dem Didgeridoo ein für Konzertsäle eher ungewöhnliches Instrument in den Mittelpunkt. Neu ist auch eine Reihe mit
Konzertprogrammen für Kinder und Jugendliche, in denen die
jungen Zuhörer an klassische Musik herangeführt werden.
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16
thEatER BREMERhaVEn Un giorno di regno
aMüsantEs
VErwirrspiEl
Verdis Frühwerk „Un giorno di regno“
im Großen Haus in Bremerhaven
Text: Karin Hiller
photocase
„„i
ch stand allein, mutterseelenallein. Im Verlauf von rund zwei Monaten waren drei geliebte Menschen für immer von mir gegangen. Meine
Familie gab es nicht mehr“, erinnerte sich
Giuseppe Verdi an das Jahr 1840, in dem
er schmerzliche Schicksalsschläge erleiden musste. Nachdem seine Tochter und
sein Sohn ihm in Folge schwerer Krankheiten genommen worden waren, starb
mitten während der Arbeit an seiner zweiten Oper „Un giorno di regno“ seine geliebte Frau Margherita.
Eigenständigkeit und Hinweise auf Verdis
spätere Opern.
Die Geschichte erzählt sich nicht von allein, der Regisseur muss sie schon verständlich machen. Die Lösung hat Koch„Die Oper hat eine sehr eigene moderheim gefunden, indem er das Geschehen
ne Dramaturgie“, erklärt Regisseur Philipp auf zwei Ebenen verlegt, aus zwei PerspekKochheim, der das Stück in Bremerhaven
tiven betrachtet (Musikalische Leitung:
inszeniert. „Die Personen stehen immer in
Richard Fletcher, Ausstattung: Barbara
Zweierkonstellationen in klarer Beziehung
Bloch). Die Handlung spielt in einem Thezueinander, und es ist ein Spaß zu sehen,
aterarchiv, in dem ein historisches Stück
wie sich das verändert.“ In der komödianti- ausgegraben wird, und wechselt dann in
schen Rezeptionsgeschichte sieht Kochheim die zweite Ebene, die Welt der Figuren. „Es
die Oper irgendwo „in der Mitte zwischen
ist poetisch und skurril wie im Märchen,
der Commedia dell’Arte und dem absurden wo die Marionetten, die der Spieler zur SeiTheater des Dario Fo. Es ist keine Oper, die
te gelegt hat, zum Leben erweckt werden.“
Verdi stand unter Schock, beendete aber
sich für eine Aktualisierung anbietet.“
seine erste komische Oper und erfüllte
Nicht der Wortwitz ist entscheidend, son„Un giorno di regno“ ist eine Verwechspflichtgemäß den Vertrag mit der Mailändern wie die Personen miteinander umgeder Scala. Dann der nächste Schlag: Die Ur- lungskomödie im besten Sinne. Mittelhen. Kochheim hat es sich zum Prinzip geaufführung war ein katastrophaler Misser- punkt ist der Höfling Belfiore, der im Auf- macht, vorher möglichst wenig über den
folg. Vom Publikum ausgepfiffen beschloss trag des Hofes den polnischen König für
Charakter der Figuren festzulegen, soneinen
Verdi, fortan keine
dern deren Entwicklung abhängig von den
Note mehr zu schrei- „Un giorno di regno“ ist eine Verwechs- Tag
Persönlichkeiten der Sänger zu gestalten:
verben. Erst das Libretto lungskomödie im besten Sinne.
„Die Charaktere sollen sich aus den spieletreten rischen Gelegenheiten entwickeln, aus eizu „Nabucco“ weckte
erneut seine kompositorische Energie und soll, damit dieser unbemerkt aus seinem
ner Spielfreude der Probe entstehen.“
Exil nach Polen zurückkehren kann. Dass
Leidenschaft und war ihm Basis für einen
Belfiore in seiner Funktion als König an
seiner größten musikalischen Triumphe.
Erst 50 Jahre nach „Un giorno di regno“
diesem Tag zwei Paare vermählen soll und wagte sich Giuseppe Verdi wieder an eine
Zu Unrecht ist Verdis Frühwerk „Un giorbestürzt in einer der Bräute seine Geliebte musikalische Komödie, „Falstaff“. Es sollte
no di regno“ selten auf den Opernbühnen erkennen muss, ist der Beginn eines höchst seine letzte Oper werden.
zu sehen. Es steht noch in der Tradition der amüsanten Verwirrspiels um falsche VerPremiere am 28. Mai (19.30 Uhr) im GroNummernopern, jedoch findet man bei ge- sprechungen und die wahre Liebe.
ßen Haus. Weitere Vorstellungen: 3., 9.,
nauem Hinhören bereits eine musikalische
12., 15. und 18. Juni.
thEatER BREMERhaVEn „Odyssee: Heimat“ 17
Interkulturelles Theaterfestival „Odyssee:
Heimat“ startet in Bremerhaven
Text: Karin Hiller
Z
um neu gegründeten interkulturellen
Theaterfestival „Odyssee: Heimat“ hat
das Stadttheater Bremerhaven nationale und internationale Theatergruppen
mit ihren Projekten zum Thema Migration eingeladen. Migration ist hier zu verstehen im Sinne von Wandel, Bewegung und
Veränderung, die eine ständige Neudefinition des Menschen erfordern. Die Inhalte
der Stücke kreisen um die Themen Globalisierung, Sprache als Heimat, Ortsbezogenheit, Mobilität, Rassismus.
Eine szenische Bearbeitung des Kafka-Romans „Amerika“ ist ebenso zu sehen wie
die niederländische Produktion „Unserdeutsch“, in der es um eine Gruppe von
Deutschen im Ausland geht und um die
Entwicklung ihrer Sprache in fremder Umgebung. In dem Stück „Lust auf was anders“ aus Berlin ist eine Deutsch-Türkin
auf der Suche nach ihrer Identität, ein Spiel
mit Vorurteilen und Klischees.
suchE nach
idEntität
ma Flucht zusammen mit Schülern ein
Stück über vietnamesische Boat People erarbeitet. Und es ist gelungen, eine der innovativsten Gruppen der jungen Theaterszene, „Rimini Protokoll“, mit einem Stück
für das Festival zu gewinnen.
Zum umfangreichen Programm des Festivals gehören Workshops in Schulen, ein
wissenschaftlicher Diskurs im Auswandererhaus mit Vorträgen von Künstlern und
Wissenschaftlern zum Thema Heimat, ein
Festivalzentrum als Ort des Austausches
und die Bekanntgabe des Gewinners eines
weltweit ausgeschriebenen Stückewettbewerbs zum Thema Migration des Internationalen Theaterinstituts ITI.
4. bis 12. Juni am Stadttheater Bremerhaven
„In meinem Hals steckt eine
Weltkugel“
Regisseur Erik Altorfer beschreibt den
Kern des Stücks: „Vier Personen führen
eine Debatte darüber, wie man in der westlichen Welt mit dem Wissen über die restliche Welt umgeht. Sind die Menschen empathiefähig, haben sie die Möglichkeit zu
handeln?“ – Was fange ich mit den Informationen an, die ich bekomme und wem
nützt mein Mitleid? Zu viele Informationen
führen zu Abstumpfung, lassen das Leid
der anderen austauschbar erscheinen.
Ein Thema mit konkretem Bezug zu Bremerhaven ist das Problem Auswanderung.
Wie hat sich der Umgang mit Flüchtlingsströmen im Laufe der Zeit verändert? „Satirisch überspitzt stellt sich die Frage“, so
Altorfer, „die Flüchtlinge haben früher ihr
Schicksal selbst in die Hand genommen,
warum sollen wir ihnen heute helfen?“
Die Unterhaltung zwischen den vier Personen findet in einer Bildungsschicht statt,
die auf Spendenaufrufe reagiert, um in ihTeil des Festivals ist eine Uraufführung des rer Hilflosigkeit Gutes zu tun. Das Stück
Schweizer Dramatikers und Historikers
ist laut Altorfer auch „eine Abrechnung
Ein Dokumentarstück zeichnet das dramaGerhard Meister, der in seinen Stücken po- mit Heuchelei und Ablasszahlung gegen
tische Schicksal eines Ingenieurs aus Banlitische und historische Themen durch die schlechtes Gewissen.“ Es endet in einer
gladesh auf der Flucht in sein Traumland
satirische Brille betrachtet, so auch in „In konkreten Erzählung um eine OrganspenKanada nach. Monika Gintersdorfer macht
meinem Hals steckt eine Weltkugel“. Meis- de, die deutlich macht, wie sehr unsere
in ihrer Tanzproduktion afrikanische und
ter setzt sich mit der Globalisierung ausWelt und die Dritte Welt trotz aller Gegeneuropäische Kultur in Gemeinsamkeiten
einander und mit der Überforderung des
sätze voneinander abhängig sind.
und Trennendem erlebbar. Die KünstlerPremiere am 4. Juni, 19.30 Uhr,
Menschen durch die tägliche Informatigruppe „Das Letzte Kleinod“ hat zum Theim Großen Haus.
onsflut aus den anderen Teilen der Welt.
18
KOlUMnE
Da capo!
Erinnerungen von foyer-Kritiker
Simon Neubauer
aBgEsang
dEr göttEr
E
in Zeitalter ging zu Ende. Genauer
und weniger pathetisch gesagt, ein
mit der Verabschiedung der Götter verbundener musikgeschichtlicher
Einschnitt bahnte sich an, als die sicher
mit unvergänglichen Marksteinen angereicherte Barock-Epoche von den frisch
und melodisch klingenden Einflüssen
der frühen Klassik mehr und mehr überstimmt wurde. Doch wie stets in Zeiten
des Umbruchs blühte nochmals ein kreativer Boom auf, setzte in allen Landen,
in denen Musik gespielt und gehört wurde, kompositorische Fließbänder in Bewegung.
Theater Bremen: Idomeneo; Foto: Jörg Landsberg
seinem Knabenalter kleinere Früchte des
Genres abgeworfen hatte, ehe mit dem
„Idomeneo“ das Prachtexemplar reifte.
Das Meiste aus den Werkkatalogen dieser Umbruchzeit ist längst in verstaubten
Archiven verschwunden. Selbst Mozarts
„Idomeneo“ war ad acta gelegt, musste nach langer Zeit etliche Bearbeitungen
etwa von Richard Strauss erdulden, ehe er
nun längst als ein Meisterwerk, ja als Geniestreich Mozarts auf dem Weg von der
Anpassung zur Autonomie anerkannt war.
Heute fehlt es nicht an herausragenden
„Idomeneo“-Aufführungen. In Hannover konnte man jüngst einer überaus poeMozart gehörte neben Christoph Willitischen, ganz in Weiß gebetteten Inszeniebald Gluck zu den ersten Komponisten,
rung von Philipp Himmelmann begegnen
die Reformen anstrebten und begannen,
(der Regisseur arbeitet oft auch in Bremen,
die streng geschmiedeten Korsette der
zuletzt brachOpera seria aufzute er das urbrechen. Beide ge- Heute fehlt es nicht an herausrahörten ja nicht zu genden „Idomeneo“-Aufführungen. aufgeführte
Auftragswerk
den unbedenk„Kyros“ auf die Bühne). In Erinnerung
lichen Vielschreibern wie etwa Händel,
blieb auch das bewegende Gastspiel aus
Vivaldi, Cimaroso, Pergolesi oder PaisieAix-en-Provence (Musikfest Bremen 2009).
llo, von dem sogar hundert Theatermusiken aufgelistet sind. Doch über längst
verdorrtes Gestrüpp, über die mehr oder
minder gewachsenen Bonsais erhob sich
der Mammutbaum Mozart, der schon seit
Unvergessenes Glück schenkte einst eine
Jubiläumsaufführung im Münchener Cuvilliés-Theater, wo Architektur und Mu-
sik in beglückender Harmonie zusammen
klangen. Peter Schneider, damals Chefdirigent der Bayrischen Staatsoper, leitete das
Ereignis; übrigens sang Eliane Coelho, die
von Bremen aus an berühmte Häuser gewechselt war, eine wütend erregte Elektra.
Aber nun haben wir am Goetheplatz eine
ebenfalls Staunen erregende, optisch total neuartige und musikalisch erstklassige
„Idomeneo“-Präsentation – Pflichtbesuch
für jeden Mozartfreund! Außerdem besteht
die Möglichkeit, Mozarts psychologischexpressive Tiefenansicht der frühen und
der späten Jahre zu vergleichen, da das
Stadttheater Bremerhaven eine komödiantische „Cosi fan tutte“ im Spielplan hat.
Um schließlich der Wahrheit die Ehre zu
geben: Ganz vergessen sind die Fließbandopern aus Mozarts Zeit doch nicht.
Die Bewegung hin zur „Alten Musik“ und
zu möglichst authentischen Wiedergaben führte die Spurensucher weit hinein
in die Nischen der Magazine. Und das Ergebnis der Forschenden kommt den Countertenören unserer Gegenwart wie auch
den Vokalartistinnen vom Range der Cecilia Bartoli und der Simone Kermes sehr gelegen.
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THINKING AHEAD – MOVING FORWARD
20
thEatER in nORDEn Opernpremieren
Idomeneo
Cos ì fan tutte, Fotos: Jörg Landsberg
Opernpremieren
an norddeutschen Theatern
Theater Bremen
„Idomeneo“
Stadttheater Bremerhaven
„Così fan tutte“
Kraus etwas zu laut und undifferenziert
gesungen, ist hier der joviale Firmenchef.
Zuerst noch ein wenig uninspiriert, entwickelt sich das Orchester unter Richard FletWas für eine Exposition! In wenigen StriArbeitsalltag in einer Spedition, Kisten
cher zu einer zuverlässigen instrumentachen legt Wolfgang Amadeus Mozart in
werden geschleppt, Lieferscheine unterlen Unterstützung der Sänger. Am Ende
seinem 1781 in München uraufgeführschrieben. Regisseurin Katja Wolff verlegt
viel Applaus für ein spielfreudiges und
ten „Idomeneo, Re di Kreta“ eine Welt der
Mozarts „Così fan tutte“ in eine alltägliche
stimmlich bestens aufgelegtes Ensemble.
menschlichen Emotionen bloß, die von
Umgebung. Der Chor sitzt im Publikum
Karin Hiller
vornherein eine vordergründige Haupt- und und kommentiert nebenbei durch Zurufe
Staatsaktion der in mythologischer Antike
das Geschehen auf der Bühne.
spielenden Geschichte über Besetzung und
Staatstheater Oldenburg
Unterdrückung vollkommen verläßt. Und
Als Zuschauer ist man mittendrin, sieht als „Aida“
der Generalmusikdirektor Markus Poschner
Bühnenbild ein Speditionsbüro, in dem die
realisierte die von Mozart so geliebte Musik
Protagonisten der Oper arbeiten. Das sind Eine kühl arrangierte Parabel gegen Untermit Feuer und Präzision, verwendete in den
Menschen wie wir, die uns da ein Lehrstück drückung und Krieg vor dem Hintergrund
Blechbläsern historische Instrumente und
über die Treue vorführen. Boulevardstim- von Versklavung, Hinrichtung und zererreichte so ungewöhnliche Klangfarben.
mung, die nicht immer Spaß macht. Die
störten Symbolen der Freiheit – so setzte
Flut an Gags nimmt den Sängern oft den
Nina Gühlstorff Verdis „Aida“ in der Halle
Der Regisseur Kay Kuntze interessiert sich
Raum, zu ihren Rollen zu finden. Die In10 des ehemaligen Fliegerhorstes in Szene.
nicht für die Aktualisierung der Geschichte
szenierung
hat
ihre
überzeugendsten
MoVerweise auf die Gegenwart durch Bühselbst als vielmehr für die psychische Absolutheit der Gefühle – und wird damit natür- mente, wenn Wolff ihnen die Zeit gibt, ihre ne (Marouscha Levy) und Kostüme (Marlich extrem aktuell. Es gibt kein historisches Charaktere zu entwickeln und Emotionen kus Karner) wirkten dabei allerdings trivizu zeigen. Dann können die Sänger ihr vor- al und eher als dekoratives Additiv.
Bühnenbild, sondern die auf einem verschiebbaren Quader gestaltenden Lichtpro- zügliches Potenzial unter Beweis stellen.
Auf die politischen und libidinösen Enerjektionen der Bremer Firma „UrbanScreen“.
Peter Kubik und Daniel Kim glänzen als
gien, die die Protagonisten antreiben,
Viele Tautologien, allerdings ein intereswarf diese Inszenierung kein neues Licht.
santes Experiment, das nach Wiederholung Verführer, Lilli Wünscher und Ann Julietruft. Reines Mozartglück auch bei den meis- te Schindewolf als die verführten Frauen.
Nina Gühlstorff vertraute auf das konten Sängern, am überzeugendsten bei Nadja Als Despina gibt Pinelopi Argyropoulou
ventionelle gestische Standardrepertoire
Stefanoff als Idamante.
eine sexy Frau im Minikleid, Lederjacke
der alten Tante Oper. Erst im 3. und 4. Akt
Ute Schalz-Laurenze
und Stiefeletten. Don Alfonso, von Werner kam Schwung auf, als der Fokus musika-
thEatER in nORDEn Opernpremieren
21
lisch mehr auf das Zwischenmenschliche gerichtet wurde. Aber
es drängte sich zwingend die Frage auf: Was geht uns dies alles
noch an? Postmoderne Skepsis und banale Fundstücke aus dem
Agitproptheater bringen uns die Hoffnung auf eine real befreite Gesellschaft, die Verdi wohl vorschwebte, nicht näher, sondern
verweisen in der Tat auf einen Platz ins Museum abgedroschener
inszenatorischer Sichtweisen.
„Aida“ ist stets eine Herausforderung, deren Bühnengestaltung
nur gelingen kann, wenn das Feinsinnige des Geschehens ans
Licht gebracht wird. Dies ist Roger Epple hervorragend gelungen,
der das inspiriert musizierende Oldenburgische Staatsorchester und die Chöre (Thomas Bönisch) souverän zur Höchstleistung führte. Mary Elizabeth Williams als Aida erglühte, war von
Angst, Zorn, Hass erfüllt. Andrea Baker als kongeniale Amneris
zeigte die irre Verzweiflung einer Frau, die am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt ist. Schade, dass Alexej Kosarev als Radames
gesanglich und schauspielerisch recht eindimensional agierte.
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Aida, Fotos: Andreas J. Etter
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22
thEatER in nORDEn Schauspielpremieren
Kampf des Negers und
der Hunde
Amon-Ra; Fotos: Jörg Landsberg
Schauspielpremieren
an norddeutschen Theatern
Theater Bremen
„Kampf des Negers und der
Hunde“
Das Bremer Schauspiel wird konsensfähig.
Dicht wie selten lagen die Meinungen diesmal beieinander: überwiegend positiven
Anklang fand dieser theatrale Nachtspaziergang auf den Spuren von Bernard-Marie Koltès. Völlig zu recht, wie wir finden,
denn die geheimnisvolle Atmosphäre der
Vorlage wurde hier auf so gelungene Weise
umgesetzt, dass ein starker Theaterabend
garantiert ist. Archaische Urkonflikte zwi
schen Schwarz und Weiß, zwischen Herr
und Arbeiter, zwischen Mann und Frau bilden den Rahmen dieser auch optisch spannend eingerichteten Inszenierung. Der
Abend bietet zwischen spiegelnden Pfützen
und heißen Nebelschwaden eine ganz eigene Poesie. Und er regt zum Nachdenken an.
ausgabe seines ermordeten Bruders. Wegen
Aufsässigkeit wurde dieser vom Aufseher
erschossen, nun versinkt seine Leiche in
der Latrine. Ein gesetzloser Ort ist diese rabenschwarze Industriestätte, und doch
kämpfen alle Figuren leidenschaftlich um
die Reste ihrer Kultur. Dieser unheimliche
Kampf ist bei Koltès allen gemeinsam, Afrikanern wie Europäern. Empfehlenswert!
Sven Garbade
Stadttheater Bremerhaven
„Amon-Ra“
de Deux von Echnaton und Amon-Ra. Mit
emotional berührendem Ausdruck setzen
Kevin Yee-Chan und Kai Braithwaite Vanaevs akrobatische Choreographie eindrucksvoll um. Sie lassen die Besessenheit,
aber auch die Sinnlichkeit spüren, mit der
Echnaton dem Sonnengott verfallen ist.
Der Pharao stellt Amon-Ra über alle anderen Götter; am Ende wird er für diese willkürliche Wahl bestraft und eingemauert.
Schmerzerfüllt muss Nofretete mit ansehen, wie Echnaton ihr entgleitet. Anna
Calvo Gómez zeigt in Mimik und Gestik
eine Frau zerrissen zwischen Liebe und Eifersucht. Am Ende besteigt Nofretete als
einsame Herrscherin den Thron, die Götter nehmen Amon-Ra wieder in ihre Mitte und zelebrieren sich selbst zur ekstatischen Musik von Philip Glass. Ein starkes
Schlussbild, das lange und eindringlich im
Gedächtnis bleibt.
Karin Hiller
Diesen Ballettabend sollte man einfach
auf sich wirken lassen. In einer eindrucksvollen Synthese aus Choreographie, Musik und Bühnenbild gelingt Sergei Vanaev
mit „Amon-Ra“ ein emotionales, teilweise
mystisches Tanzstück, das man auch ohne
Kenntnis der historischen Fakten um den
ägyptischen Pharao Echnaton, seine Frau
Afrika stellt in dem Stück (aus dem Jahr
Nofretete und den Gott Amon-Ra versteht.
1984) ein ähnliches Herz der Finsternis dar
Der geschickte Wechsel zwischen Barock- Staatstheater Oldenburg
wie in dem berühmten Roman von Joseph
musik, zeitgenössischer Musik und den
Conrad. Eine moralisch fragile Welt, in der
„Prinz Friedrich von Homburg“
Gesängen tibetanischer Mönche hält den
vier Menschen in einem psychologischen
Spannungsbogen und gibt den Tänzern die
Es gibt Augenblicke, da glaubt man, das
Quartett gefangen sind: ein schwarzer ArMöglichkeit, sich und ihre Stärken indiviHerz wolle zerspringen; man glaubt, etwas
beiter, zwei weiße Baustellen-Leiter sowie
duell zu präsentieren.
zu fühlen und weiß sich doch auf unsicheeine schöne Frau. Die Stimmung knistert
wie in einem US-amerikanischen Südstaa- Choreographischer und tänzerischer Hörem Grund. Kleists letztes Schauspiel, eben
ten-Drama. Ein Afrikaner fordert die Herder im Jahre 1811 geschriebene und der
hepunkt ist der vor Erotik knisternde Pas
thEatER in nORDEn Schauspielpremieren
Prinz Friedrich von Homburg; Foto: Andreas J. Etter
Prinzessin Amalie Marie Anne gewidmete „Prinz Friedrich von Homburg“ quittiert
den Bankrott einer Lebensrealität, die von
der These ausgeht, alles sei rational erfassbar. Regisseur Alexander Riemenschneider fokussiert konsequent das Personal auf
vier Schauspieler, lässt wie in einer Spektralanalyse die verschiedenen Rollen als Facetten ihres Daseins erscheinen und setzt
so exakt die oben genannten Momente.
Riemenschneider versteht, dass Kleist die
Ängste und Nöte eines Menschen innerhalb
einer restriktiven Gesellschaft verhandelt.
Deren Macht bis hin zur völligen Deformation des Menschen führt. Muss man betonen, dass dies aktueller denn je ist? Sebastian Brandes in der Rolle des Prinzen gelingt
kongenial die Umsetzung dieses Ansatzes.
23
Shakespeare’s Pleasure Island; Foto: Marianne Menke
erzierhalle? Rimma Starodubzeva ließ dem
Raum seine matriarchalische Wirkung
und formte eine Bühne, die mit minimalen Mitteln weite und zugleich ironische
Spielräume erschloss, an deren Wirkung
die klangliche Gestaltung von Tobias Vethake einen hohen Anteil hatte. Alexandre
Corazzola schuf dazu mit ihren historisierenden Kostümen einen passenden Kontrapunkt. Fazit: Spannende 80 Minuten, die
zwar wie im Flug vergingen, aber nachhaltige Denkanstöße lieferten.
Michael Pitz-Grewenig
bremer shakespeare company
„Shakespeare’s Pleasure
Island“
finden uns auf einer Insel, die alles andere als eine Insel der Glückseligen ist: Im
Vergnügungspark werden Delinquenten
per Elektroschock zum Glück gezwungen,
im Gefängnisteil Menschenversuche angestellt. Erst langsam wird deutlich, dass
wir in Prosperos Versuchslabor sind. Der
tritt lange nicht auf, die Macht scheint bei
seinem Bruder Antonio zu liegen. Beide
(der eine weiß, der andere schwarz gekleidet wie Yin und Yang) werden namentlich
nicht genannt, überhaupt werden nur genannt ein gewisser Joey als ein stotternder,
debiler Narr, Miranda als Reproduktion
der entflohenen wirklichen Miranda sowie
Caliban, der mal als hinkendes Teufelchen
erscheint, mal im Kostüm der Biene Maja.
Sie sind alle deformierte Geschöpfe aus
Prosperos Labor: Nicht „der Stoff aus
Shakespeares „Sturm“ spielt auf einer Indem die Träume sind“, sondern AlbträuEs ist das Überzeugende dieser Inszesel, und eine Insel kann Weltferne bedeume. Solche Originalzitate lässt sich Beanierung, dass sie den Blick auf das Inten. Für den Regisseur Lee Beagley und
gley nicht entgehen, wie er auch sonst
nere leitet und damit auch zeigt, wie inseine acht Schauspieler der bremer shakes- noch bei Shakespeare plündert (etwa bei
haltsleer die anderen Personen sind, ob
es nun scheinbare Freunde (Vincent Dod- peare company, verstärkt durch einen Mu- „Was ihr wollt“). Ansonsten gibt es an diesiker, ist in seiner Bearbeitung des Stoffes sem zweistündigen, mit viel zirzensischem
dema), seine Liebe (Sarah Bauerett) oder
der Kurfürst (Daniel Fries) sind. Da reichte daraus halb Gefängnis, halb Vergnügungs- Aufwand gestalteten Abend eigene Assoziationsketten zum Sturm: Wir begegnen
manchmal nur eine kleine Geste, ein Blick park geworden. „Shakespeare’s Pleasure
und schon änderte sich die Gravitation des Island“ heißt das zur Science-Fiction-Gro- sprechenden Fischen und ähnlich phanteske umgemodelte Stück, das in der wie
tastisch absonderlichen Wesen. Insgesamt
Stückes. Eine intelligente Inszenierung,
ein
Gefängnis
anmutenden
„umgekippten
scheint an diesem bunten, stellenweidie Distanz wahrt und nicht Sentiment mit
se witzigen Abend, der aber auch gewisKommode“
gespielt
wird.
Sentimentalität verwechselt.
se Längen hat, von Ferne Neil Postman mit
„Wir amüsieren uns zu Tode“ zu winken.
Wo könnte ein solches Stück besser aufge- Eine Groteske mit Musik zwischen Rock,
führt werden, als in einer ehemaligen ExBlues und alten Music-Hall-Songs. Wir be- Christian Emigholz
24
KOlUMnE
Nachgedacht:
Text: Stephan Cartier
photocase
dEr wald
hintEr dEn zEichEn
S
elten ist Philosophie so hilfreich
wie beim Wechseln der Autoreifen.
Denn entgegen landläufiger Meinung ist der größte Kraftakt beim Tausch
der Winter- und Sommerreifen nicht das
Lösen der Muttern und Aufbocken des
tonnenschweren Wagens. Nein, es ist das
Dechiffrieren der Kreidezeichen auf den
eingelagerten Gummimänteln. Was bedeutete noch einmal „V-L“, was „H-R“?
Die Auflösung „vorne links“ und „hinten rechts“ liegt zwar auf der Hand – aber
wie war das noch mal gemeint? Bedeutet
„links“ die Fahrerseite oder die des Beifahrers? Man will ja jeden Reifen an seine
alte Position bringen – gute Deutsche machen immer, was der ADAC empfiehlt.
Es kommt also darauf an, von welcher Seite man das Ganze betrachtete, als man im
Winter zuvor die Reifen abmontierte und
beschriftete. Stand man geistig vor dem
Auto oder saß man drin? Die Folgen wären diametral entgegengesetzt – links und
rechts vertauschen sich. Dass dieses Problem jedes Jahr aufs Neue auftaucht, macht
es nicht nur zu einem technischen Notfall,
sondern lässt auch Fragen an die Hirnkapazitäten des Autobesitzers aufkommen.
Und hier kommt die Philosophie ins Spiel.
Denn eben weil ihm mentale Grenzen
bei der Erinnerung gesetzt sind, hat der
Mensch die Zeichen erfunden, die den
Faktor Zeit besiegen sollen. Die Zeichen
bleiben in Büchern – wo man sie Buchstaben nennt – bestehen und lassen sich auch
noch nach Generationen entziffern. Vom
notorischen Schriftverächter Sokrates wissen wir nur so viel, weil Platon seine Dialoge aufschrieb. Wären sie allein nach dem
Stille-Post-Prinzip hinweg mündlich überliefert worden, würden sie vielleicht heute
lustiger klingen, trügen aber weniger von
ihrer ursprünglichen Weisheit in sich.
Ernst Cassirer, der Philosoph der symbolischen Formen, hat den Menschen denn
auch zum „animal symbolicum“ gekürt, das
die Welt um sich herum in Symbole übersetzt, um mit dieser Wirklichkeit besser umgehen zu können. Darin liege der kulturelle
Beitrag zum Überleben der Spezies.
Doch mit dem Verteilen von Symbolen für
die Dinge ist es nicht allein getan. Es muss
auch immer die Regel zur Entzifferung
überliefert werden. Die Verwirrung über die
Bedeutung von „HL“ oder „VR“ auf den Sommerreifen zeigt es. So kann auch als Warnung gelesen werden, was Cassirer 1944 in
seinem „Versuch über den Menschen“ eigentlich als Eloge schrieb: „Der Mensch
kann der Wirklichkeit nicht mehr unmittelbar gegenübertreten, er kann sie nicht mehr
als direktes Gegenüber betrachten. Die physische Realität scheint in dem Maß zurückzutreten, wie die Symboltätigkeit des Menschen an Raum gewinnt.“ Vor lauter Zeichen
sieht man den Wald nicht mehr.
Wie folgenreich diese Unklarheit der Symbole werden kann, hat der amerikanische
Zeichentheoretiker Thomas Sebeok gezeigt. Er dachte darüber nach, wie man über
Jahrtausende hinweg sicherstellen kann,
dass vor radioaktiven Endlagerstätten oder
Atomruinen für alle Menschen verständlich
gewarnt werden kann. Ein Problem, das sich
in Fukushima als nächstes stellen wird.
Es sei ja gut möglich, so Sebeok, dass das
Wissen um die Bedeutung der Zeichen verloren ginge, etwa durch Kriege oder andere Katastrophen. Seine Lösung für das Problem: Allein eine Kaste von Priestern oder
Weisen, die das Wissen von Generation zu
Generation weitergegeben, könne die Information sichern. Womit man wieder bei
der Stillen Post wäre.
Ob dies tatsächlich funktionieren würde,
sollte lieber nicht im Ernstfall getestet werden. Manche physische Realität strahlt denn
doch weit über die kulturelle Errungenschaft des Symbols hinaus. Ernst Cassirers
Hoffnung, dass sich in der Erfindung der
Zeichen die Zivilisationsfähigkeit des Menschen manifestiere, ließe sich eben auch andersherum lesen: Wofür der Mensch keine Zeichen finden kann, davon sollte er die
Finger lassen. Andernfalls droht der Rückfall in barbarische Zustände. Die Strahldauer von Plutonium übersteigt die mentale
Halbwertzeit der Erinnerung an Sommerreifen-Kennzeichnungen doch um einiges.
thEatER Boulevard
BoulEVard
„What a feeling“
Text: Peter Schulz
Musical auf dem Schiff
oder „Rockin All Over The World“, aber
auch Schmusesongs wie „Lady In Red“,
Während andernorts der Trash Trium„Black Velvet“ oder „In The Air Tonight“.
phe feiert und knackige Kerle in öliger
Die Premiere von „What a feeling“ wur„Chippendales“-Manier zur Freude kreide am 11. Mai gefeiert; in den kommenden
schender Damen „in den besten Jahren“
Wochen stehen zahlreiche Aufführungen
ihre durchtrainierten Bodys mitsamt ihrer „kleinen Freunde“ entblößen, geht es auf auf dem Programm des „Theaterschiffs“.
dem „Theaterschiff“ erheblich gesitteter,
keinesfalls aber weniger spaßig zu. „What a Comedy im Kuba
feeling“ lautet der Titel eines „Comedy-Mu- Nicht „Boulevard“ im Wortsinn, aber dafür
sicals“, das der Chef auf dem Schiff, Knut
beste intelligente Unterhaltung versprechen
Schakinnis, einstudiert hat.
zwei Veranstaltungen im Kulturbahnhof
Das Stück kreist um die Krise einer erfolgreichen Band namens „Love Cats“, der die
Saxophonistin und Sängerin abhanden
kommt. Auf die Schnelle wird eine neue
Frontfrau gefunden, die allerdings nicht nur
gekonnt die Lücke füllt, sondern prompt allen Bandmitgliedern den Kopf verdreht. Das
kann natürlich nicht gut gehen, sondern löst
eine Art „Sängerkrieg“ unter den verliebten
„Tomcats“ aus, die damit das Bestehen ihrer
Combo aufs Spiel setzen.
Die „musikalische Zeitreise durch die letzten sechs Jahrzehnte des vergangenen
Jahrhunderts“ ist laut Veranstalter „die bisher aufwändigste Produktion des Jahres
auf Bremens schwimmender Bühne.“ Im
großen Saal des „Theaterschiffs“ wird ein
siebenköpfiges Ensemble nicht nur spielen
und singen (musikalische Leitung: Stephan
Ohm), sondern auch live musizieren, nämlich „Ohrwürmer“ von Pop bis Rock. Dazu
gehören Klassiker wie „Jailhouse Rock“
(Kuba) in Bremen-Nord (Hermann-Fortmann-Straße 32): Kabarett-Urgestein Henning Venske und Comedy-Legende Jochen
Busse spannen am 23. Mai ihren anarchistischen Gesprächsbogen von der Demokratieverdrossenheit der alten Griechen über den
Gesellschaftsvertrag von Rousseau und die
Besteigung aller Krisengipfel bis zu den aktuellen Wahlschlachten. Dabei ist ihnen kein
Gedanke abwegig genug, um nicht dem allgemeinen Gelächter preisgegeben zu werden.
Schrill, schriller, Perlinger – in „Gönn dir
’ne Auszeit“ verspricht Sissi Perlinger am
27. Mai einen irrwitzigen Rundumschlag
gegen alle Denkgewohnheiten, die sich
nach näherer Betrachtung als kontraproduktiv erweisen. Die Dame mit den unglaublich abgefahrenen Kostümen vertieft
sich in Studien über die groovigste Verarbeitung deutscher Poesie, das Gitarrenspiel, die Kunst des Schlagwerkes und in
die Synthese aus Break-Dance und indischem Tempel-Tanz.
Beim Steinernen Kreuz 12-14
28203 Bremen
Tel. 0421/79282830
www.larsbesecke.de
25
26
menschen im foyer
Premierenfeier „Idomeneo“
im Theater am Goetheplatz
Fotos: Jörg Landsberg
Randall Bills (Tenor), Luis Olivares Sandoval (Tenor)
Patricia Andress (Sopran), Martin Wiebcke (Künstlerischer Betriebsdirektor
Theater Bremen)
Nadine Lehner (Sopran), Dr. Elvira Suleiman
Christian Schuller (Regisseur), Nadja Stefanoff (Mezzosopran)
Freo Majer (Regisseur), Reinhold Robbe (Politker), Jacqueline Davenport
(Choreographin), Vera Nemirova (Regisseurin)
menschen im foyer
27
Ulla Hamann, Katja Pietsch (Moderatorinnen buten und binnen)
Innensenator Ulrich Mäurer und Ehefrau Brigitte
Markus Poschner
(Generalmusikdirektor)
Inhaberin: Hildegard Christiansen
Fon/Fax 0421 - 25 57 35
Oberneulander Heerstraße 26 - 28
28355 Bremen
Mo. - Fr. 10.00 - 18.30 Uhr
Sa. 10.00 - 13.30 Uhr
Matina Lohmüller (Bremer Landesbank), Christina Heseler
28
PORtRÄt Karin Kaper
Filmemacherin Karin Kaper stellt ihre Dokumentation „Aber das Leben geht weiter“ vor
Text: Wilfried Hippen
schicksal
dEr VErtrEiBung
„W
as gibt es denn so Neues in
Bremen?“ fragt die Filmemacherin Karin Kaper ihre Mutter bei der Ankunft in ihrer Heimatstadt,
in der sie seit 20 Jahren nicht mehr lebt.
Diese alltägliche Willkommenszene, eine
der ersten Einstellungen ihrer Dokumentation, hat auf den ersten Blick mit dem
Rest des Films wenig zu tun. Doch bald
merkt der aufmerksame Zuschauer, dass
hier unterschwellig auf das Hauptmotiv
vorbereitet wird. Denn der Film ist voller
Wiederbegegnungen, Besuchen von Orten
der Kindheit, Erinnerungen, Begrüßungen und Abschieden.
macherin die Gespräche und Erzählungen
der Protagonistinnen initiierte.
Abgesehen von ein paar Einstellungen, in
denen Karin Kapers Vater ein paar Halbsätze sagen darf, kommen in dem Film
nur Frauen zu Wort. Die Dokumentation
hat eine durchgängig familiäre Grundstimmung, und diese wird auch dadurch
verstärkt, dass die Frauen bei der alltäglichen Arbeit in Haushalt und Garten
gezeigt werden. In verschwommenen
Bildern spielen immer wieder vier junge
Mädchen Fangen in einem sommerlichen
Garten, und zum Teil wird auch altes, auf
Super 8 gedrehtes Material von einer Reise
Karin Kapers Mutter und deren Schwester der Filmemacherin und ihrer Mutter nach
gehören zu den Vertriebenen, die Ende des Polen verwendet.
2. Weltkriegs ihre Heimat im heutigen Polen verlassen mussten. Bei einer Reise zum Den Kern des Film bilden die Erinnerungen
ehemaligen Hof der Familie, die sie geder drei Zeitzeuginnen. Wie kompliziert das
meinsam mit Mutter und Tante unternom- Thema „Flucht und Vertreibung“ auch heute
men hat, lernten
noch ist, wird
Wie kompliziert das Thema „Flucht und eindrücklich
sie Edwarda
kennen, die dort Vertreibung“ auch heute noch ist, wird durch diese
heute lebt. Der
subjektive
eindrücklich deutlich.
Film erzählt von
Sicht auf die
diesem Besuch in der ehemaligen Heimat. historischen Ereignisse deutlich. So ist es
Dabei agierte Karin Kaper selbst eher vor
die Polin Edwarda, die mit ihrer Familie
als hinter der Kamera, und so war ihr CoVertreibung in ihrer brutalsten Ausprägung
Regisseur Dirk Szuzies für die Aufnahmen erleiden musste. Von der sowjetischen
zuständig, während die eigentliche Filme- Armee wurden 1940 die Bewohner ihres
gesamten Heimatdorfes in Ostpolen zur
Zwangsarbeit nach Sibirien umgesiedelt.
Als 16jährige wurde sie in die Rote Armee
einberufen und nach dem Krieg mit dem
Hof der Deutschen entschädigt, wohin sie
dann ihre Familie aus Kirgistan nachholen
konnte.
Die Deutschen flüchten Ende des Krieges
gleich zweimal aus dem Dorf, kehrten in
den unübersichtlichen Kriegswirren jedes
Mal wieder auf ihren Hof zurück, bis sie
1946 dann endgültig aus Polen vertrieben
wurden. Die neuen polnischen Besitzer
verloren den Hof bald wieder durch die
Zwangskollektivierung, die Deutschen
siedelten sich in Syke an, wo sie als Mägde
und schlecht bezahlte Arbeitskräfte
überlebten und von den Einheimischen
ausgerechnet als „Polacken“ beschimpft
wurden. Die Lebensgeschichten dieser
beiden Familien, die sich kreuzen und
heute in gegenseitigem Verstehen münden,
machen den Wert dieses sehr persönlichen
und dadurch so wahrhaftig wirkenden
Filmes aus.
Der Film hat am 17. Mai in der Bremer
Schauburg Premiere und läuft dann regulär ab 19. Mai.
MUSiK Schulen musizieren 29
Von rock
Bis klassik
Bundesbegegnung „Schulen musizieren“
erstmals in Bremen
Text: Melanie Öhlenbach
photocase
i
n den Schulen fristet der Musikunterricht oft nur noch ein Schattendasein. Dabei gibt es mittlerweile viele
Projekte und Kooperationen, die weit
über das Erlernen von Noten und das
Spielen auf der Blockflöte hinausgehen.
Um die Vielfalt des Musizieren zu zeigen,
lädt der Verband Deutscher Schulmusiker
alle zwei Jahre Schulchöre und -orchester
zu einer bundesweiten Begegnung unter
dem Motto „Schulen musizieren“ ein. In
diesem Jahr macht das Treffen vom 26. bis
29. Mai erstmals Station in Bremen.
des Festivals in der Hansestadt. Auch drei Abschlusskonzert am Sonntag aufgeführt
Schulen aus dem diesjährigen Partnerland werden soll.
England sind eingeladen.
Damit die musikalische Bildung an den
Schulen weiter voranschreiten kann, ist
Mit 110 Konzerten an unterschiedlichen
es aber für den Vorsitzenden des LandesOrten – neben Auftritten auf dem Marktmusikrats mit dem Wochenende allein
platz, in der Glocke, in der Kirche Unser
nicht getan: „Wir fordern schon lange zwei
Lieben Frauen und im Pier 2 sind auch
Stunden durchgehenden Musikunterricht
Konzerte in Schulen, sozialen Einrichpro Woche von der ersten bis zur letzten
tungen und der JVA geplant – wollen
Klasse“, sagt Ernst Folz. Nur so sei ein
die Nachwuchsmusiker möglichst viele
kontinuierliches Arbeiten möglich, bei
Zuhörer erreichen. Darüber hinaus sind
dem sich die Schüler auch weiterentwidiverse Workshops geplant. Mit dabei sind ckeln könnten. „Musik ist für uns eines der
unter anderem der Jazz-Professor Ulrich
Kernfächer an den Schulen. Außerdem ist
„Wir wollen die öffentliche Aufmerksamkeit Beckerhoff, das Tanzwerk Bremen, das
in der Bremischen Landesverfassung das
darauf lenken, was alles im Musikunterricht Überseemuseum und Musiker der Bremer Recht auf kulturelle Bildung verankert. Es
passiert, und zum Nachahmen animieren“, Philharmoniker, die mit über 80 Jugendli- ist damit ein unabdingbares Bürgerrecht.“
chen ein Stück erarbeiten wollen, das beim www.vds-musik.de
sagt der Vorsitzende des Landesmusikrats
Bremen, Ernst Folz. Von Rock bis Rap und
Hip-Hop, von Pop über Jazz bis Klassik – an
den Schulen habe sich mittlerweile eine
bunte Musiklandschaft entwickelt, die weit
von den Klischeevorstellungen entfernt ist.
Diese zu präsentieren ist eines der Hauptziele von „Schulen musizieren“. Gleichzeitig
sollen sich die Kinder und Jugendlichen
während des Wochenendes kennenlernen
und Freundschaften schließen können.
Über 700 Nachwuchsmusiker erwartet der
Verband Deutscher Schulmusiker, der die
Begegnung in Kooperation mit dem Landesmusikrat Bremen und dem Bildungsressort veranstaltet, für die 16. Auflage
30
musik Oldenburger Promenade
Beyond Classic and Jazz
15. Oldenburger Promenade überwindet
stilistische Grenzen
Text: Bettina Beutler-Prahm
V
iel ist – auch in dieser Zeitschrift –
bereits geschrieben worden über
Elena Nogaeva und ihr herausragendes Engagement für das Musikleben in
Oldenburg und Umgebung. Und doch kann
es nicht oft genug betont werden, was für
ein Glücksfall die russische Pianistin für
ihre norddeutsche Wahlheimat ist, in der
sie gleich zwei erfolgreiche Festivals – und
einen internationalen Jugendmusikwettbewerb – begründet hat, die sich völlig ohne
öffentliche Subventionen etabliert haben.
Den Motor für ihre Arbeit sieht Nogaeva
vor allem in der „physischen und psychischen Energie“, die ihr „als Ergebnis
einer künstlerisch sehr glücklichen Zeit
im Laufe der Jahre zugewachsen ist“ und
die sie „als Geschenk und Verantwortung
zugleich“ empfindet. „Insofern sehe ich
nicht mich im Mittelpunkt der Festivals,
sondern die günstigen Umstände und die
besonderen Menschen, die sie zu dem
machen, was sie sind.“
In diesem Jahr hat die Oldenburger
Promenade, die vom 4. bis 13. Juni zum
15. Mal stattfindet, ein Programm entwickelt, dessen musikalisches Niveau erneut
stilistische Grenzen mühelos überwinden
dürfte. Als besondere Herausforderung
sieht Nogaeva die zum ersten Mal in dieser
Form veranstalteten Klavierkonzerte „The
Spirit of Pianism – Beyond Classic and
Jazz“ im Schlosssaal an. Dort wird sie
gemeinsam mit hochrangigen Kollegen
musizieren, „von ernsthaft bis hin zu kleinen Bonbons“, und die Grenzen zwischen
Klassik und Jazz in Frage stellen.
Das Eröffnungskonzert, das Elena Nogaeva
gemeinsam mit Polens Generalkonsulin in
München, Elzbieta Sobotka, moderieren
wird, ist dem 20-jährigen Bestehen des
deutsch-polnischen Freundschaftsvertrages vom 17. Juni 1991 gewidmet. Auf dem
Programm stehen neben Werken von Mieczyslaw Karlowicz und Henryk Wieniawski
Kompositionen der polnischen Avantgarde
der 1960er Jahre, darunter das sehr selten
live zu hörende Konzert für Streichorchester von Grazyna Bacewicz.
Auch die Konzerte der Preisträger des VI.
Internationalen Musikwettbewerbs für die
Jugend warten in diesem Jahr mit einem besonderen Programm auf. „Alle vier Preisträger zeichnen sich durch außergewöhnlich
hohe künstlerische Präsenz aus; die Konzerte sind daher als absolute Höhepunkte zu
bezeichnen.“ Neben einem Pianisten, einem
Cellisten und einem Saxophonisten wurde
ein junger Fagottist ausgezeichnet, dessen
Instrument laut Nogaeva derart zu seiner eigenen Stimme geworden sei, „dass er damit
regelrecht zu singen scheint.“
Wichtig sind der Intendantin auch die
Kinderkonzerte, die erstmals an zwei
Tagen stattfinden werden. „Wir haben
festgestellt, dass die Besucher der ersten
Kinderkonzerte damals die Promenadenbesucher von heute sind, im übertragenen wie im direkten Sinn. Deshalb sind
wir beflügelt, unser ganzes Herz in die
Kinderprogramme zu legen.“ Damit einher
gehe der Verzicht auf „sehr, sehr große
Namen und überhöhte Honorare“, denn:
„Inhalt unseres Festivals ist es nicht, das
Publikum mit ein oder zwei großen Namen
in die Konzerte zu locken. Was die Oldenburger Promenade auszeichnet, sind Idee,
Gesamtgestaltung und das durchgängig
hohe Niveau.“
Für das Eröffnungskonzert und einige
Promenaden kann man sich telefonisch
unter 0441-36118811 oder online unter
www.oldenburger-promenade.de noch
Restkarten sichern.
Leidenschaft beginnt
… wenn Energie auf Inspiration trifft
Wenn es zu Höchstleistungen kommt, dann hat das meist
viele Gründe. Aber die richtige Energie gehört immer mit dazu.
EWE unterstützt Kunst und Kultur in der Region.
Mit Leidenschaft und mit aller Energie.
Wir wünschen den Zuhörern und Musikern viel Spaß bei der
Oldenburger Promenade vom 4. bis 13. Juni 2011.
www.ewe.de
32
MUSiK Konzerttipps
konzErttipps
Königin trifft Spielmann
Sitzdisco spezial
Holzbläser mit Orgelsound
(UM) Es gibt die spanische Gaita, die italienische Zampogna, die Great Highland
Pipe, die Ullienpipe und noch viele andere
mehr. Hierzulande kennt man das Instrument gemeinhin als „Dudelsack“ oder
mit seinem Fachbegriff als „Sackpfeife“.
Am präsentesten erscheint uns heute das
Rohrblattinstrument mit seinem charakteristischen Bordunklang in der schottischen Musik oder auf Mittelaltermärkten.
Soziologisch gesehen gehörte das Instrument nicht gerade zur feinen Gesellschaft,
denn außer in Schottland, wo die Sackpfeife als Militärinstrument verwendet wurde,
hatten sie überwiegend Bauern, Hirten
und Spielleute im Gebrauch.
(hip) Was sie macht ist so ungewöhnlich,
dass sie selber die neuen Worte dafür
finden musste. Als „Die Popette“ bezeichnet sich keck die Sängerin, Multiinstrumentalistin und Entertainerin Susanne
Betancour und deutet damit gleich an, was
ihre Mischung aus Edelschnulze, Barjazz,
Chanson und Comedy so originell und
vergnüglich macht: ihre sympathischschlitzohrige Selbstironie. Die Klischees
der Schlager- und Popmusik werden von
ihr so absurd wie möglich gegen den Strich
gebürstet. So stellt sie in einem ihrer frühen Lacherfolge, einem Hip-Hop-Rapgesang über „die frühkindliche Ernährung“,
etwa die Frage, ob Hipp hip sei.
(bbp) Die Kombination von vier Saxophonen zählt nicht gerade zu den bekanntesten Besetzungen in der klassischen Musik.
Dass es dennoch viele Kompositionen für
diese Formation gibt, ist vor allem auf den
einmaligen Klangkörper des Raschèr Saxophone Quartet und dessen Gründer Sigurd
Raschér zurückzuführen, den 2001 verstorbenen Pionier des klassischen Saxophons.
Was den einen an den Klang einer „Orgel
in einer gotischen Kathedrale“ erinnert,
den anderen an ein „barockes Gambenensemble“, war und ist vielen Komponisten –
unter ihnen Luciano Berio, Mauricio Kagel,
Sofia Gubaidulina und Erkki-Sven Tüür
– reiche Inspirationsquelle.
Wie edel und erhaben dagegen erscheint
die Orgel, die „Königin der Instrumente“.
Da beide Instrumente aber Pfeifeninstrumente sind, überlegten Christian Lontzek
und der Organist Sebastian Schmoock, ob
diese nicht zusammenzuführen seien. Bald
darauf war ein festes musikalisches Duo
geboren und ein Projekt, das sich „Pipe
meets Organ – Königin trifft Spielmann“
nennt. In dieser ungewohnten Klangkombination beweisen die beiden Musiker, dass
Sackpfeifen nicht nur auf Mittelaltermärkten zu Hause sind und eine Orgel nicht
immer nur klassische Stücke spielen muss.
26. Juni, 20 Uhr, Kulturkirche St. Stephani, Bremen
Nicht nur ihr leichter Ruhrpott-Akzent erinnert an Helge Schneider, in dessen Band
sie in den 80er Jahren spielte. Auch Susanne Betancor dichtet auf Lacher hin und
präsentiert sich als schräge, oft absichtlich
linkische Kunstfigur, die seit anderthalb
Jahren regelmäßig zu ihrer „Sitzdisco“
einlädt. Nach Programmen mit so viel versprechenden Titeln wie „Damenbart“ oder
„08 Wurst“ präsentiert sie jetzt mit ihrer
Stammband, die aus einem Gitarristen
namens Berger und einem Schlagzeuger
namens Bauer besteht, ihr neues Repertoire „Öfter mal vom Boden essen“. Doch
keine Angst: sie will nur spielen!
29. Mai, 20.30 Uhr, Schwankhalle Bremen
Gemeinsam mit dem Kleinen Cäcilienchor
Oldenburg unter der Leitung von Thomas
Bönisch sind die Saxophonisten jetzt mit
neuen und neu instrumentierten Werken
für Saxophonquartett und gemischten
Chor – und auch jeweils „solo“ – zu hören.
Auf dem Programm stehen unter anderem
Teile aus Bachs „Kunst der Fuge“ sowie seine Trauerkantate „Actus tragicus“. Sie ist
eine der frühesten erhaltenen Kantaten, in
der Bach bereits mit Anfang 20 eine Tiefe
und Intensität erreicht, die das Werk zu
einem „Stück Weltliteratur“ machen.
18. Juni, 20 Uhr,
Kulturkirche St. Stephani Bremen
19. Juni, 18 Uhr, Lambertikirche, Oldenburg
MUSiK Konzerttipps
Mozart ohne Gesang
Kochend heißes Gebläse
(SN) Ein Event steht an: Mozarts „Zauberflöte“ ohne Streicherglanz und ohne Gesang, aber ein Spiel von höchst ungewöhnlich fesselnder Art. Die Bläsersolisten der
Deutschen Kammerphilharmonie Bremen,
auch und gerade in Opern-Adaptionen
vielfach bewährt, liefern die entsprechend
arrangierte Musik, und das japanische Shigeyama-Ensemble interpretiert die Handlung. Dieses Ensemble pflegt im Gegensatz
zum ebenfalls weltbekannten seriösen
Nô-Theater die heitere, die komödiantische
Darstellungsart.
(che) Der eigentümliche Bandname Hazmat Modine heißt soviel wie „gefährliches
Gebläse“, und das trifft exakt den Kern
dieser Band aus New York. Unermüdlicher
und mitunter heiß laufender Motor der
Band ist eine Mundharmonika, die oftmals
durch eine weitere verstärkt wird. Eine
davon bläst Wade Schuman, Gründer und
Kopf von Hazmat Modine, der aber auch
singt und Gitarre spielt. Die Mundharmonika lässt an Blues denken, und ganz
falsch ist das nicht, aber bei dem Oktett
geht der Blues diverse Ehen ein, mal mit
der Klezmermusik, mal mit der Folklore,
aber genauso gut mit musikalischen Elementen aus allen Ecken der Welt.
So wird es auch in der „Zauberflöte“
geschehen: Während der Gesang entfällt,
werden die Geschehnisse, von denen das
originale Opernlibretto berichtet, kommentiert und parodiert. Interessant ist,
dass die Japaner dem Libretto eine weitere
Rolle zugefügt haben: den geheimnisvollen, poetisch wirkenden „Geist des Klangs“.
Seit dem Debütalbum „Bahamut“, das
Hazmat Modine im Jahr 2007 veröffentlichte, hat die Band weltweit für Furore gesorgt
und ausgedehnte Tourneen unternommen.
Vier Jahre mussten die Fans auf den nächsten Streich warten. Jetzt liegt „Cicada“ vor
Das Projekt wurde mit großem Erfolg in der – wie das Debüt beim Bremer Label Jaro
Heimat der japanischen Mimen gestartet.
erschienen – und die CD ist noch besser
Anlässlich des 150. Jubiläums der Deutsch- als der Erstling: Urwüchsig wilde Attacken
Japanischen Gesellschaft ist die Veranstalwechseln sich mit beinahe verträumten
tung mit Ereignischarakter nun auch hierSongs ab. Bei ersteren hat sich die Band
zulande zu sehen. Die „Komödie der Nacht“, ab und an um die Gangbé Brass Band aus
so der Titel der Konzerte, erstrahlt im Mai
Benin verstärkt, bei einem ruhigeren Stück
in insgesamt sechs deutschen Großstädten, streicht das Kronos Quartett mit.
darunter auch zweimal in Bremen.
3. Juni, 21 Uhr, Music Hall Worpswede
24. und 25. Mai, jeweils 20 Uhr, Glocke
33
Bremer
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34
musik Bremer Philharmoniker
Das Finale wird
„phil sagend“
Die Philharmonischen Konzerte
zum Saisonende
Text: Stephan Cartier
Markus Poschner by Steffen Jänicke
L
udwig van Beethoven war eigentlich ein Rocker. Seit Chuck Berrys
„Roll over Beethoven“ ahnte man es.
Doch nun wird klar: Beethoven konnte
noch mehr, er ist auch der Vater des HipHop. Wer dies nicht glauben will, der lasse sich von den Bremer Philharmonikern
und Schülern aus Delmenhorst in einem
„phil sagenden“ Konzert eines Besseren
belehren.
Zum Ende der Saison ziehen Generalmusikdirektor Markus Poschner und die
Seinen bei drei Konzerten noch einmal
sprichwörtlich alle Register. Zwischen den
musikalischen Extremen „Repertoire“ und
„Experiment“ zeigt das Ensemble seine
Vielseitigkeit und krönt sie mit einem Finale, das es im ehrwürdigen Konzertsaal
der Bremer Glocke so noch nicht gab. Das
Jugendkonzert „phil sagend“ setzt am 27.
Juni nämlich auf ganz eigene Art fort, was
im 11. Philharmonischen Konzert einen
Monat zuvor vorbereitet wird.
Auf dessen Programmzettel stehen mit Johannes Brahms Violinkonzert und der 7.
Sinfonie Beethovens zwei Schwergewichte
der Klassik. Mit der jungen Geigerin Viviane Hagner erwartet das Publikum eine
Solistin, die dank ihrer phänomenalen
Kunst, präzise Technik und improvisativen Ausdruck miteinander in Einklang
Viviane Hagner by Marko Borggreve
zu bringen, mittlerweile zur Spitze ihrer
Zunft gehört. Zeitungen wie die „Washington Post“ oder die „Times“ überschlugen
sich in ihren Kritiken über das Ausnahmetalent.
So ist die Münchnerin sicher genau die
richtige Interpretin für Brahms Violinkonzert, das zum Solisten nicht gut ist,
da es von ihm die Einreihung in das Ganze verlangt; reines Virtuosentum wird verschmäht. Insofern ist die Wahl der 7. Sinfonie Beethovens als zweites Werk des
Abends stimmig. Wird doch auch hier das
Orchester gleichermaßen als Solist und
Ensemble in Szene gesetzt. Die musikalische Fraktur löst sich oft ganz vom traditionellen Spiel der Themen-Verarbeitung,
der Rhythmus scheint sich zu verselbstständigen und setzt den Höreindruck als
Ganzes in Bewegung. Ein Novum, nicht
nur bei der Uraufführung im Wiener Konzertsaal. Es war Grund genug für viele
Zeitgenossen und auch spätere Interpreten, am Verstand Beethovens zu zweifeln,
der damals auf dem Höhepunkt seines
Ruhmes stand.
Und hier kommt der Hip-Hop ins Spiel.
Denn nachdem Markus Poschner und die
Philharmoniker Beethovens 7. Sinfonie für
das Abonnement-Publikum ergründet haben, bleiben noch weitere Fragen an das
Werk offen, die im Jugendkonzert „phil sa-
gend“ einen Monat später beantwortet
werden. „Wir wollten nicht nur ein Konzert für Kinder und Jugendliche machen“,
sagt Poschner, „sondern auch mit ihnen“.
Und so arbeitete man ein dreiviertel Jahr
mit der 9. Klasse des Musikzweiges am
Delmenhorster Max-Planck-Gymnasium zusammen und beschäftigte sich mit
Beethovens „Apotheose des Tanzes“ unter ganz neuen Aspekten. Statt eines konventionellen Mitmachkonzertes, bei dem
die jungen Musiker neben den „alten Hasen“ auf dem Podium sitzen und sie begleiteten, werden die Schüler in Wort, Bild
und Bewegung zeigen, was ihnen der Meister Beethoven zu sagen hat.
„Uns hat interessiert, wie Beethoven in
heutiger Musiksprache klingen würde“,
so Poschner. „Und was die Schüler dabei
entdeckt haben, hat selbst uns als Profis
überrascht.“ So tauchen plötzlich Phrasierungen auf, die wie Beats klingen; ständig
wiederholte rhythmische Figuren erschienen wie Patterns aus der Hip-Hop-Musik.
Wer weiß, was aus Beethoven hätte alles
werden können, wenn es schon zu seinen
Zeiten Sampler gegeben hätte?
Diesen „Beathoven“ wollen die Schüler dem Publikum auf angemessene Weise näher bringen, nicht nur durch Worte:
Tänzer werden live auf der Bühne zeigen,
Musik Bremer Philharmoniker
Fadia el-Hage by Judith Haug
Bremer Philharmoniker
was in Beethovens Musik für junge Ohren
steckt. „Alles wird sehr experimentell“, verspricht Markus Poschner – und meint dies
nicht als Drohung.
fremden Tonfall. „Dabei zuzusehen, was
herauskommt, wenn zwei kulturelle Traditionen aufeinander treffen – das hat uns
fasziniert.“
Denn wie tief die Auseinandersetzung mit
dem Klassiker ging, dokumentiert auch ein
Film, den die Delmenhorster Schüler zum
langsamen Satz der Symphonie drehten.
„Die Bilder, die sie dazu gefunden haben,
fanden sie selber bedrohlich“, erinnert sich
Poschner.
Und die Werke, die die Probe aufs Exempel
bestanden, können sich hören lassen. Allen
ist gemeinsam, dass sie der Operntradition
entstammen, sei es nun Anton von Webers
Ouvertüre zu seiner Oper „Abu Hassan“,
der berühmte „Tanz der sieben Schleier“ aus Richard Strauss’ „Salome“ oder die
Baccanale aus „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns.
Auch das 12. und letzte Philharmonische
Konzert des Bremer Orchesters in dieser Saison zeigt, was entstehen kann,
wenn man ästhetische Grenzen überwindet. „Sagenhaft orientalisch“ ist es überschrieben. Die Beschäftigung mit Neuem,
Ungewohntem gehört ja eigentlich zur Arbeitsplatzbeschreibung jedes Künstlers.
Dennoch ist die Überschreitung nicht immer einfach; vor allem dort, wo kulturelle
Schranken den kreativen Durchgangsverkehr behindern.
Dass der Blick aber nicht nur von Westen
nach Osten ging, zeigen die beiden Solisten
des Abends, die Altistin Fadia el-Hage und
der Magier der Darbouka-Trommel, Rony
Barrak. Beide stammen aus dem Libanon,
haben in Deutschland bzw. den USA Musik
studiert und verbinden so viele Stile in ihrer Biographie. Fadia el-Hage pflegt in ihrem Repertoire sowohl mittelalterliche wie
auch moderne Musik, ist also eine Grenzgängerin durch Räume und Zeiten. Rony
Der Orient lockte westliche Komponisten
Barrak hat seine Erfahrungen mit diesen
nicht erst in der Wiener Klassik zu ÜberTransformationen in den Kompositionen
nahmen des arabischen Idioms. „Seit Jahr- „Beirut Sensations“ und „Darbouka Conhunderten gab es solche Musik, die aber
certo“ – eine Welturaufführung – eingenicht über ein lokales Kolorit hinaus gefangen. Der begnadete Percussionist zeigt,
gangen ist“, meint Markus Poschner. Für
wie Weltmusik ihre eigene Identität stiften
sein Konzert suchte er dagegen nach einem kann, ohne nationale Traditionen zu verspannungsreicheren Umgang mit dem
leugnen. Es ist sagenhaft global.
35
36
KULTURSTADT WILHELMSHAVEN Sinfoniekonzerte
Weltklasse
spielt auf
Internationale Stars prägen die nächste
Spielzeit der Sinfoniekonzerte
Text: Peter Schulz
Martin Fröst
H
amburg, Essen, Köln, Mannheim,
Wiesbaden – das Residentie Orkest
Den Haag und sein derzeitiger
Chefdirigent Neeme Järvi werden im kommenden Herbst in vielen renommierten
Konzerthäusern auftreten. Doch den
Ausgangspunkt ihrer bevorstehenden
Deutschland-Tournee bildet die – Stadthalle Wilhelmshaven! Hier wird das bedeutende Orchester aus den Niederlanden
am 1. November unter Järvis Leitung die
Brahms-Sinfonie Nr. 2 und die Sinfonie
Nr. 5 von Jean Sibelius spielen.
Martin Stadtfeld
dem Anspruch eines kulturellen Oberzentrums“, urteilt Thomas Albert, der 2009
eine vorerst auf drei Spielzeiten begrenzte
Kooperation mit Wilhelmshaven abgeschlossen hat. Man sei „ganz offenkundig
auf einem guten Weg“, zumal es gelungen
ist, die Gesamtbesucherzahl im Vergleich
zur vorherigen Spielzeit konstant zu halten
und den kontinuierlichen Besucherrückgang der Vorjahre nachhaltig zu stoppen.
Vor diesem Hintergrund blickt auch Dr.
Jens Graul, Kulturdezernent der Stadt
Wilhelmshaven, zuversichtlich auf die
kommende Spielzeit, die am 5. September
mit einem Auftritt des französischen Orchesters Le Cercle de l’Harmonie beginnt:
„Ich bin frohen Mutes, dass das attraktive
Programm der nächsten Saison die für
das kulturelle Leben der Stadt so wichtige
Konzertreihe weiter stärken wird.“
Dass Järvi seine Gastspielreise ausgerechnet am Jadebusen beginnt, freut Professor
Thomas Albert, Intendant des Musikfestes
Bremen und Programmkoordinator der
Wilhelmshavener Sinfoniekonzerte, nahezu diebisch. „Seine Söhne Kristjan und
Paavo sind in Bremen Stammgäste. Aber
dort ist Neeme noch nie aufgetreten. Wer
ihn also erleben will, muss nach Wilhelms- Denn auch jenseits der Bühne tut sich
haven kommen!“
was: Der auf den jeweiligen Konzertabend
einstimmende Vortrag wird immer stärker
Doch Järvi senior, mit über 450 vielfach
frequentiert (Albert: „Zuletzt kamen über
preisgekrönten CD-Einspielungen einer
200 Personen, der Saal war völlig überder umtriebigsten Pult-Stars der internafüllt“). Und die mittlerweile gegründete
tionalen Musikszene, ist beileibe nicht der Konzertgesellschaft hat sich vorgenomeinzige Topstar, der in der kommenden
men, die Zahl der Abonnenten so rasch wie
Saison für ein Konzert an die Nordseedeutlich zu steigern. Zudem signalisiert
küste reist. „Das Programm entspricht
die heimische Wirtschaft, die Sinfoniekon-
zerte künftig noch intensiver zu unterstützen; die Gründung eines Wirtschaftsforums zeichnet sich bereits ab.
Aktivitäten, die Thomas Albert mit sichtlichem Wohlwollen beobachtet: „Wie schon
bei den Anfängen des Bremer Musikfestes
vor über 20 Jahren zeigt sich auch in Wilhelmshaven, dass Musik im übertragenen
Sinne ‚ansteckend’ wirkt.“ Doch der Erfolg
lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Die
letzten Konzerte der Saison 2011/12 waren
nahezu ausverkauft. Und die maximal
1400 Besucher („Mehr fasst auch die Bremer ‚Glocke’ nicht, das muss man sich mal
klar machen!“) kommen zunehmend auch
aus den umliegenden Landkreisen, was die
Bedeutung der Stadt als kulturelles Aushängeschild mit Alleinstellungsmerkmal
in der Region dokumentiert.
Alberts Fazit: „Kultur führt die Menschen
zusammen, es kommt Bewegung auf,
neue Anregungen wie etwa der Auf bau
einer Kammerkonzertreihe entstehen. Vor
diesem Hintergrund ist in Wilhelmshaven
noch viel zu erwarten.“ Ein kurzfristiges
Ziel hat er sich bereits gesetzt: Deutlich
über 1000 Abonnenten in der nächsten
Spielzeit. Albert: „Wetten, dass wir das
schaffen?“
KULTURSTADT WILHELMSHAVEN Sinfoniekonzerte 37
Götz verwandelt
die Kunsthalle
Arcadi Volodos
Sol Gabetta setzt den
Schlusspunkt
Sol Gabetta
von dem jungen schwedischen AusnahmeKlarinettisten Martin Fröst begleitet.
Das Programm der Wilhelmshavener
Sinfoniekonzerte
Weiter geht’s am 19. Januar mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Mit
dem Polen Krzysztof Urbanski steht dann ein
Ein Gastspiel des Le Cercle de l’Harmonie,
derzeit für internationale Furore sorgender
das zu den führenden Originalklangorjunger Dirigent am Pult. Auf dem Programm
chestern Frankreichs gehört, bildet am 5.
stehen unter anderem Mendelssohn BartSeptember den Auftakt der Sinfoniekonholdys „Italienische“ und das berühmte Klazerte Wilhelmshaven in der Saison 2011/12.
rinettenkonzert A-Dur von Mozart in einer
Die jungen Musiker unter der Leitung von
Bearbeitung für Viola und Orchester.
Jérémie Rhorer gestalten mit Unterstützung der Solisten Alexandra Coku (Sopran) Musikalisches Spitzenniveau verspricht
und Julien Chauvin (Violine) ein reines
die Tapiola Sinfonietta aus Finnland, die
Beethoven-Programm.
am 13. Februar mit Mozarts Prager SinfoFür den 10. Oktober kündigt sich mit den
Heidelberger Sinfonikern und seinem
Chefdirigenten Thomas Fey eines der
wenigen deutschen Orchester an, dessen
Besetzung ausschließlich aus hoch motivierten freiberuflichen jungen Musikern
besteht. Solist des Abends ist der deutsche
Star-Pianist Martin Stadtfeld.
nie und der Vierten von Beethoven zu hören ist. Mit dabei: Pianist Antti Siirala. Das
Solistenkonzert am 13. März steht ganz im
Zeichen des herausragenden russischen Pianisten Arcadi Volodos – weltweit bekannt
als Poet auf dem Klavier.
Mit einem internationalen Star geht die Saison in Wilhelmshaven nach dem furiosen
Auftakt mit Neeme Järvi auch zu Ende: Die
Nach dem Auftritt des Residentie Orkest
argentinische Cellistin Sol Gabetta widmet
Den Haag mit Neeme Järvi am Pult (1.
sich am 8. Mai Schostakowitschs CelloNovember) erwartet Wilhelmshaven hoch- konzert Nr. 1. Sie wird begleitet vom BBC
karätigen Besuch aus „down under“: Am
Philharmonic Orchestra unter der Leitung
6. Dezember tritt das Australian Chamber von Juanjo Mena, das auch Gustav Mahlers
Orchestra auf. Das renommierteste Kamberühmte Sinfonie Nr. 5 spielen wird.
merorchester des fünften Kontinents wird www.sinfoniekonzerte-wilhelmshaven.de
(sk) Die Kunsthalle Wilhelmshaven holt
sich gern Künstler ins Haus, die bis dahin
bundesweit selten oder gar nicht zu sehen
waren. Diesmal geht es um eine umfangreiche Werkschau von Lothar Götz,
Jahrgang 1963. Seit vielen Jahren lebt und
arbeitet er in London. Dort ist das Engagement von Staat und Bauherren für „Kunst
am Bau“ weniger umstritten und deshalb
oft lebendiger als bei uns. Hat Götz einen
Auftrag, lässt er sich von der jeweiligen
Architektur zu Farbzeichnungen und
wandfüllender Malerei inspirieren.
Am liebsten sind diesem Grenzgänger
zwischen freier und angewandter Kunst
dabei Rohbauten, leere Räume oder architektonische Plätze, auf die er sehr intuitiv
reagiert. Raummerkmale und Konstruktionen nimmt Götz auf, um sie durch eine
intensive Farbgebung zu verstärken. So
hat er bereits in der Londoner U-Bahn, im
Flughafen Heathrow, im britischen Justizministerium, in Universitäten, Schulen,
Geschäftshäusern, Krankenhäusern
und Privathäusern abstrakte Farbräume
geschaffen.
Bis zum 21. August zeigt die Kunsthalle
Wilhelmshaven im großen Stil Bildserien,
Skizzen und Modelle unter dem Titel:
„Lothar Götz. Don’t look now 19902011.“ Zu entdecken sind nicht nur die
dynamischen Farbstreifen im Foyer des
Westminster College und die Addition geometrischer Formen in der Fundació Joan
Miró in Barcelona. Götz hat spannenderweise direkt in die Kunsthalle Wilhelmshaven eingegriffen und vor Ort eine 16
Meter lange Wandarbeit geschaffen. Die
kühle Halle im Stil der Bauhaus-Tradition
hat sich so in einen dynamischen Farbraum verwandelt.
38
musikfest bremen
Intendant Prof. Thomas Albert über das
22. Musikfest Bremen
Text: Peter Schulz
N
och größer, noch bunter, noch spannender – das 22. Musikfest Bremen
vom 27. August bis 17. September
lässt unweigerlich an das olympische Motto „citius, altius, fortius“ (schneller, höher, stärker) denken. Denn mit 40 Veranstaltungen an 29 Spielstätten (Vorjahr: 34
beziehungsweise 26) wird eine neue Rekordmarke gesetzt. Das gilt auch für die
„große Nachtmusik“ am Eröffnungsabend
mit diesmal sogar 24 Konzerten an acht
Spielstätten. Insgesamt über 1150 Künstlerinnen und Künstler realisieren ein Programm, das von Sinfonik und Oper über
sakrale Klänge bis zu Jazz und Weltmusik reicht und die im Vorjahr erfolgreich
etablierte „Surprise“-Reihe in der Bremer
Überseestadt sowie das Arp-SchnitgerFestival einschließt. foyer hat darüber mit
dem Musikfest-Intendanten Prof. Thomas
Albert gesprochen.
Fangen wir doch gleich mit dem ArpSchnitger-Festival an, dessen Premiere im vorigen Jahr von manchen argwöhnisch beobachtet worden ist. Reine
Orgelkonzerte auf dem „platten Land“ –
kann das gut gehen?
Es ist sogar mehr als gut gegangen! Die
Die groSSe
Vielfalt
Veranstaltungen wurden durch die Bank
hervorragend angenommen, das Publikum
war begeistert, der Wettbewerb exzellent
besetzt. Und die Resonanz seitens der internationalen Presse war beeindruckend.
All’ das zeigt uns: Das Werk des Orgelbauers Arp Schnitger ist ein musik- und kunsthistorischer Schatz, der im Nordwesten
viel zu lange unbeachtet geblieben ist. Deshalb stand es außer Frage, das Festival im
Rahmen unseres Musikfestes weiterzuführen, wenn auch in diesem Jahr nicht mit
Wettbewerb, sondern als reine Konzertreihe, für die wir allerdings exzellente Interpreten wie Hans Davidsson, Harald Vogel
und vor allem Masaaki Suzuki verpflichten
konnten, der in Ganderkesee mit dem Bach
Collegium Japan zu hören sein wird. Dieser
Abend wird – da übertreibe ich keineswegs
– ebenso wie die Matthäus-Passion von Su-
zuki am 29. August in Stade zu
den Höhepunkten des diesjährigen Musikfestes zählen! Eine
Premiere wird zudem ein ArpSchnitger-Ensemble aus jungen
Künstlern erleben, das für das
Festival flexibel zusammengesetzt wird.
Auch mit der neuen „Surprise“Reihe haben viele zunächst nicht viel anfangen können. Wie sieht Ihr Fazit aus?
Es ist uns gelungen, die Skeptiker davon
zu überzeugen, dass an der ungewöhnlichen Spielstätte BLG-Forum in der Überseestadt etwas Ungewöhnliches geschieht:
Hierzulande eher unbekannte Interpreten,
selten gehörte Programme, eine besondere Art der Präsentation, der Verzicht auf die
gewohnte Reihenbestuhlung – das alles ist
angekommen, und zwar erfreulicherweise
auch bei einem Publikum, das wir bislang
nicht beim Musikfest begrüßen konnten.
Das wollen wir folgerichtig weiter pflegen
und ausbauen.
Auf welche „Surprise“ können sich die Besucher freuen?
Zum Beispiel auf zwei klassisch ausgerichtete Abende mit dem sensationellen Pianis-
musikfest bremen 39
leicht letzten Regiearbeit des 86 Jahre alten cke“. Fehlt das Geld für eine szenische
Peter Brook. Er hat Mozarts „Zauberflöte“
Darstellung?
konsequent entschlackt, auf 100 Minuten
Wir haben bekanntlich eine Reduzierung
gekürzt und vom Ballast der Rezeptionsge- der Zuschüsse seitens der Hansestadt Breschichte befreit und präsentiert die Oper als men um 150.000 Euro auf nun 550.000 Euro
intimes Kammerspiel. Also keine schwelge- zu verkraften. Da bleiben Abstriche nicht
rischen Kostüme, kein szenischer Schnickaus, was nicht heißen wird, dass die künstschnack, sondern die konsequente Konlerische Qualität darunter leidet. Nehmen
zentration auf den Kern des Werkes. Dazu
wir „Giulio Cesare“: Wir erleben da eine exgehört der Verzicht auf das Orchester und
zellente Besetzung, die ihresgleichen sucht.
die Reduzierung auf den Klavierauszug so- Überhaupt darf ich sagen, dass wir vor eiwie auf sieben Sänger und zwei Schauspienem Musikfest der großen Stimmen steler. Das Ergebnis ist phantastisch, fesselnd, hen: Sonia Prina, Lucy Crowe, Anna Cateeindringlich – ein Genuss! Ein Urteil, dem
rina Antonacci – das ist schon eine Hitliste
Aufregend – das ist ein prächtiges Stichsich mittder internationalen Top-Sänwort für die angekündigte Interpretatilerweile „Wir stehen vor einem Musikfest gerinnen! Und dazu Solison von Mozarts „Zauberflöte“ durch den
auch der der großen Stimmen ...“
tinnen wie Hélène Grimaud
Regie-Altmeister Peter Brook, die exkluKünstlerund Janine Jansen, Orchessiv in Deutschland vom 28. bis 30. August verband des französischen Theaters anter wie das Royal Concertgebouw aus Amsim BLG-Forum zu erleben ist. Wie kam es geschlossen hat, der Brook für seine
terdam mit dem Dirigenten Andris Nelsons,
dazu?
„Zauberflöte“ mit dem „Molière“, dem reLe Cercle de l’Harmonie mit Jérèmie Rhorer
Wir haben ja schon in den vergangenen Jah- nommiertesten französischen Theaterpreis oder das Orchestre Les Siècles unter der Leiren in Zusammenarbeit mit Festpielen wie
ausgezeichnet hat. Ich kann allen Musiktung von François-Xavier Roth, nicht zu verSalzburg oder Aix besondere Produktiofreunden also nur raten, sich dieses Ereignis gessen die Kammerphilharmoniker und die
nen wie „Mitridate“ oder „Idomeneo“ reali- nicht entgehen zu lassen!
Philharmoniker aus Bremen – damit könsiert und damit gute Erfahrungen gemacht.
nen wir punkten. Das beweist die Qualität
An diese Tradition haben wir jetzt als eiDie „Zauberflöte“ wird im Musikfest-Pro- des Musikfestes Bremen, das zu einem unner von mehreren internationalen Partnern gramm nicht die einzige Oper bleiben. Da verzichtbaren Bestandtteil im kulturellen
des Théâtre des Bouffes du Nord in Paris an- gibt es zum Beispiel Händels „Giulio Cesa- Leben des Nordwestens zwischen Elbe, Wegeknüpft durch die Beteiligung an der viel- re“, allerdings nur konzertant in der „Glo- ser und Ems geworden ist.
ten Bertrand Chamayou, der Liszt spielen
wird, und der Rameau-Oper „Castor et Pollux“, die quasi im „Taschenformat“, also auf
das Wesentliche reduziert, zu erleben ist.
Und gleich zu Beginn wird sich Star-Geigerin Viktoria Mullova von einer ganz anderen Seite zeigen, nämlich als Interpretin
von Jazz, Folklore und Worldmusic im Zusammenspiel mit Matthew Barley und seinem Ensemble. Außerdem sind zwei Abende der New Yorker Club-Szene vorbehalten
mit einer Melange aus Klassik, Jazz und
Hip-Hop – das wird wirklich aufregend!
40
MUSiKFESt BREMEn
Text: Simon Neubauer
MusikFEst BrEMEn
Jérémie Rhorer, ©Alix Lavau
Ottavio Dantone
Anna Caterina Antonacci, Landesjugendorchester
©Serge Derossi / Naïve
Paris und die Romantiker
Macht der Verführung
Inspirierende Folklore
Jérémie Rhorer mit Liszt und
Unbekanntem
Ottavio Dantone dirigiert „Julius Cäsar“
Anna Caterina Antonacci und
die Auvergne
Festival-Intendanten brauchen einen besonderen Spürsinn für entwicklungsfähige
junge Künstler. Thomas Albert hat unbestritten ein solch ausgeprägtes Sensorium,
weshalb er immer wieder noch fast unentdeckte Talente präsentiert. So hat er bereits
2008 Jérémie Rhorer und dessen „Cercle de
l’Harmonie“ nach Bremen geholt, als Dirigent und Ensemble in Deutschland noch
völlig unbekannt waren.
Inzwischen hat sich Rhorer über Lyon und
Brüssel bis an die Covent Garden Opera
London empor dirigiert, ohne seine famose Truppe im Stich zu lassen. Wenn er nach
Bremen kommt, legt Rhorer stets Noten
für ausgefallene Programme auf. Diesmal
würdigt er Paris und die Zeit der Romantik, u. a. mit zwei Komponisten, die hierzulande kaum jemand kennt: George Onslow
und Napoléon Henri Reber. Aber auch einer der berühmtesten französischen Romantiker, Hector Berlioz, wird mit einer
frühen Romanze ins rechte Licht gerückt.
Den Kernpunkt des Programms bildet das
1. Klavierkonzert von Franz Liszt. Bertrand
Chamayou, bereits 2006 in Frankreich als
„instrumentale Entdeckung des Jahres“
ausgezeichnet, spielt den Solopart.
4. September, 20 Uhr, Glocke Bremen
Obwohl „Giulio Cesare in Egitto“ eine sehr
hohe Zahl an erstklassigen Solisten erfordert, gehört „Julius Cäsar“ (so der deutsche
Titel) zu den meist aufgeführten HändelOpern. Denn es geht ja nicht nur um die
Macht der Verführung, die Cleopatra charmant aufbietet, um den römischen Eroberer ihres Landes als Geliebten zu gewinnen,
der ihr dann auch den ägyptischen Thron
sichert, auf dem unrechtmäßig ihr Bruder
sitzt. Den anderen Handlungsstrang führen die trauernde Witwe Cornelia und der
auf Rache sinnende Sesto, Gattin und Sohn
des ermordeten Ptolomäus.
Nicht nur die Besetzung, auch die aufwendige Musik Händels erreicht durch Schönheit und Sinnlichkeit einen hohen Wirkungsgrad. Den herzustellen ist Ottavio
Dantone der richtige Dirigent. Er steht oft
am Pult der Mailänder Scala, des Madrider
Teatro Real und bei mehreren Barockfestivals. Hauptberuflich ist Dantone Direktor
des Orchesters Accademia Bizantina, mit
der er sich in vielen Städten Europas präsentiert. So auch im Teatro Comunale di
Ferrara, das diese „Cesare“-Produktion als
konzertante Aufführung in Koproduktion
mit dem Musikfest Bremen offeriert.
6. September, 19.30 Uhr, Glocke Bremen
Die Auvergne ist als eine schöne, leicht hügelige Landschaft Mittel-Frankreichs wohlbekannt. Nicht aber kennt man hierzulande den Komponisten Joseph Canteloube,
der von dort stammt. Aus Stolz auf seine
Heimat schrieb er die bezaubernde Liedersammlung „Chants d’Auvergne“, die nun
die weltweit gefeierte Sopranistin Anna Caterina Antonacci bei uns vorstellen wird.
Folklore inspirierte einst auch Antonin
Dvorák, der sich in der „Neuen Welt“ (so
der Beiname seiner 9. Sinfonie) für das berühmte Englischhorn-Solo im langsamen
Satz – so sagt man jedenfalls – von amerikanischen Indianern anregen ließ.
Schließlich erklingt Musik vorwiegend russischer Komponisten wie Tschaikowsky,
Glinka, Glasunow oder Rimski-Korsakow.
Begehrt wurde diese Musik vor allem auch
von den „Ballets russes“, Sergei Diaghilews
berühmter Kompanie, die Anfang des 20.
Jahrhunderts in Paris die Ballettwelt
revolutionierte. Ungewöhnlich wie diese
Programmfolge ist auch das Orchester Les
Siècles: Unter seinem Dirigenten FrançoisXavier Roth hat es sich mit seinen fesselnden Interpretationen innerhalb weniger
Jahre zu einem der führenden Klangkörper Frankreichs entwickelt.
17. September, 20 Uhr, Glocke Bremen
MUSiKFESt BREMEn
Masaaki Suzuki, ©Marco Borggreve
Vivica Genaux, ©Virgin Classics Christian Steiner
Philippe Jaroussky, ©Virgin Classics Simon Fowler
Bach aus Japan
Aus Vivaldis Füllhorn
Caldara lässt jubeln
Masaaki Suzuki setzt neue Maßstäbe
I Barocchisti und hochkarätige Solisten
Concerto Köln und Philippe Jaroussky
Bach aus Japan? Deutsche Barockmusik interpretiert von Menschen ganz anderen Kulturverständnisses? Können die
das überhaupt? Solche Fragen stammen
von Außenseitern oder Ignoranten. Denn
Freunde Alter Musik wissen, dass das Bach
Collegium Japan auch in unserem Land
längst den Beweis einer sehr feinsinnigen
Oratorien-Aufführung erbracht hat.
„Il Farnace“ ist eine aus Antonio Vivaldis prallem Füllhorn herausragende Oper.
Der Komponist hat sie 1726 geschrieben;
sie steht also am Beginn seines Spätwerks.
Wie auch in einer konzertanten Aufführung unschwer erlebbar wird, enthält gerade dieses Stück zahlreiche effektsichere Ereignisse, verschlungen eingewoben in einer antiken Handlung, stets angereichert
mit oft erschütternden menschlichen EmpGarant dieser erstklassigen Leistungen ist findungen vom abgrundtiefen Hass über
Masaaki Suzuki, der vor 20 Jahren das in
elegisches, der Natur nachempfundenes
Tokio und Kobe beheimatete Bach-Ensem- Gefühl bis zur todesnahen Melancholie.
ble gegründet und rasch zu internationalem Ruhm geführt hat. Von diesem hohen Und Vivaldi hat das alles in vielfältigen
Niveau zeugen zahlreiche, stets mit hoKlängen verdichtet. Der Schweizer Dirihem Respekt honorierte Gastkonzerte in
gent Diego Fasolis ist mit über 50 CDs, von
den USA und mehr noch in europäischen
denen zahlreiche renommierte Preise zuLändern. Und wer die Japaner beim Arperkannt wurden, einer der führenden SpeSchnitger-Festival im Rahmen des vorjäh- zialisten im Bereich der Barockmusik und
rigen Musikfestes Bremen erleben konnte, Mozarts. Mit seinem Stammensemble I Baals sich der ergraute Masaaki Suzuki auch rocchisti hat er für „Farnace“ renommierte
an der Orgel als viel bestaunter Meister be- Solisten wie z.B. die Mezzosopranistin Viwährt hat, wird gerne ein Wiedersehen
vica Genaux oder den Countertenor Max
einplanen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, Emanuel Cencic ausgewählt, die unter Faweil mit Johann Sebastian Bachs „Mattsolis’ umsichtiger Leitung die einzelnen
häus-Passion“ eines der bedeutendsten
Rollen in Vivaldis Meisterwerk adäquat geWerke der Musikgeschichte erklingt.
stalten können.
29. August, 20 Uhr,
10. September, 20 Uhr,
St.-Wilhadi-Kirche Stade
St.-Lamberti-Kirche Oldenburg
41
Staunen erregend: Antonio Caldara, einer
der fruchtbarsten Komponisten des italienischen Barock, war erst „maestro di cappella“ bei den Gonzagas in Mantua, dann
beim berühmten Ruspoli in Rom und rückte
schließlich zum Vizekapellmeister am kaiserlichen Hof in Wien auf. Das Unmaß an 30
Bühnenwerken und über 40 Oratorien enthält naturgemäß viele Arien, die man nicht
ewig in den Archiven schlummern lassen
sollte, zumal sie sich durch vokale Virtuosität und „sprechend“ begleitete Koloraturen
auszeichnen. Kein Wunder, dass einst selbst
die besten Kastraten danach griffen.
Nun also hat auch Philippe Jaroussky etliche wirkungsvolle Exemplare ausgewählt.
Er gilt als einer der besten Countertenöre
unserer Zeit, überaus beliebt auch deshalb, weil seine Stimme eine wunderbare
Geschmeidigkeit und eine Flexibilität aufweist, die den Empfindungen des Sängers
zu unmittelbarem Ausdruck verhilft. Jaroussky, der schon zweimal umjubelter
Gast beim Musikfest Bremen war, wird für
die ausgegrabenen Schätze Caldaras von
dem vielerorts begehrten Concerto Köln
begleitet.
15. September, 20 Uhr,
Stadttheater Bremerhaven
42
KUltURSOMMER
kultursoMMEr
Text: Christian Emigholz
Sedaa
Gartenkultur im August
Nicht ganz ohne Risiko ist es, im August
bei uns im Norden ein Musikfestival zu veranstalten, das durchgehend in Gärten und
Parks stattfindet. Denn das Wetter kann
sich im August durchaus als wendisch
erweisen. Beim Gartenkultur Musikfestival, das diesmal vom 31. Juli bis zum 28.
August stattfindet, ist es aber meistens gut
gegangen. Der Reiz an diesem Festival liegt
schon in seinem Namen, denn die Konzerte
finden zum Teil in Privatgärten und Parks
statt, die normalerweise verschlossen sind.
In diesem Jahr stehen 51 Konzerte in 28
Städten und Gemeinden rund um Bremen
und Oldenburg auf dem Programm. Oldenburg selbst ist überhaupt nicht beteiligt,
während in Bremen immerhin elf Konzerte
stattfinden. Eröffnet wird das Festival am
31. Juli (11 Uhr) in Dötlingen, genauer gesagt im Garten des Hofes Schweers in Osttrittum. Zu Gast ist ein ungewöhnliches
Quartett, nämlich drei Alphorn-Bläser und
eine Sängerin. „Alpcologne“ nennen sie
ihre Gruppe, die nicht etwa alpenländische Volksmusik spielt, sondern ungestüm
durch die Popgeschichte marschiert und
auch Bluegrass intoniert.
Wie üblich ist das Programm des Festivals
bunt gemischt: Von Klassik, Pop, Jazz,
Folklore, Blues bis Swing findet sich alles
in der musikalischen Wundertüte. Um ein
paar herauszugreifen: Am 6. August spielt
die Weltmusik-Crew von „Matelato“ auf
dem Lilienhof in Lilienthal. Am 13. August
singt die wundervolle sizilianische Sängerin Etta Scollo im Klosterbezirk in Hude,
und am gleichen Abend tritt die Gruppe
„Sedaa“ mit ihrem faszinierenden Mix aus
mongolischem Kehlgesang und arabischen
Rhythmen auf dem Kunsthof Bockhorn in
Sulingen auf. Ebenfalls am 13. August ist
im Bremer „Haus am Walde“, das sich mit
vier Konzerten ins Festival eingebracht
hat, das Klaus Möckelmann Trio mit Jazz
zu hören. Am 21. August gibt die Klassische
Philharmonie NordWest ein Konzert auf
dem Gut Varrel der Gemeinde Stuhr. Und
zum Finale am 28. August singt im Garten
des Bremer Domes der Gospelchor.
www.gartenkultur-musikfestival.de
Zum Finale eine Oper
Seit vielen Jahren veranstaltet das Focke
Museum zur Sommerzeit in seinem Garten
die kleine Konzertreihe Fockes Pavillon,
und zwar immer am Sonntagmorgen zur
Matineezeit um 11.30 Uhr. Mit Einführung des Gartenkultur Musikfestivals hat
das Museum einige seiner Konzerte auch
in diesen Rahmen eingebracht. So auch
in diesem Jahr, aber bevor es soweit ist,
finden bereits einige Konzerte in Fockes
Pavillon statt. Gleich bei der Eröffnungsveranstaltung am 22. Mai dürfte es voll
Alpcologne
auf der Bühne werden. Dort sitzt nämlich
zunächst das Cello-Ensemble „Cellowerk“,
das Stücke von Händel streicht, aber auch
Schlager für Celli arrangiert hat. Anschließend treten dann 20 bis 30 Klarinettisten
auf, die sich „Alles Klar?...inette“ nennen
und von Bach bis Beatles, von Tango bis
Klezmer alles spielen, was Spaß macht.
Auch das Blechbläserquintett der Bremer
Philharmoniker setzt am 13. Juni auf eine
Mischung von Barock bis Pop. Beim „Trio
Timeline“ geht es dann am 26. Juni um Begegnungen zwischen Jazz mit arabischen
und indischen Rhythmen. Unter dem Titel
„Amor, i’parto“ widmet sich das Vokalensemble „deCadenza“ am 3. Juli der italienischen und spanischen Vokalmusik des
16. und frühen 20. Jahrhunderts. Es wird
von der Gitarristin Julia Liebig begleitet,
die auch Solostücke beisteuert. Am 17. Juli
stellt der in Bremen lebende irische Songwriter Paul Lindsay mit seiner Band seine
Rocksongs vor.
Die letzten beiden Konzerte der diesjährigen Saison in Fockes Pavillon stellen sich
dann auch unter den Schirm des Gartenkultur Musikfestivals: Am 21. August bläst
das Bläserquintett „WeserWind“ Ouvertüren von Mozart und Rossini in Bearbeitungen, hat aber auch Originalliteratur im
Repertoire. Zum Finale am 28. August ist
dann eine richtige kleine Oper zu erleben:
Unter der Leitung von Kristina Bulling
KUltURSOMMER
Amparo Sanchez
wird Joseph Haydns zweiaktige Opernburlekse „L’infedeltà delusa“ (Untreue lohnt
sich nicht) aufgeführt.
www.focke-museum.de
Musikalische Weltreise
Wie überall in der Kulturbranche haben
Sparzwänge auch den Kultursommer Oldenburg erwischt. Statt der bisher üblichen
sieben internationalen Konzerte sind es in
diesem Jahr nur noch fünf, aber immerhin
Tumi & The Volume
43
Staff Benda Bilili
im Anschluss geht es bei „Magnum Coltrane Price“ erneut um Hip-Hop, allerdings
gekreuzt mit Funk und einer Prise Soul.
Aus dem sumpfigen Süden der USA kommt
das Roots-Rock-Trio „Swamp Cabbage“ (9.
Juli), dessen Gitarrist Walter Parks lange mit
Richie Havens gearbeitet hat. Am selben
Abend treten dann auch die Kritikerlieblinge aus Köln auf: Das Quartett „Erdmöbel“
hat so wunderschön verträumte Songs wie
Am 8. Juli werden zunächst Gäste aus Südaf- „In den Schuhen von Audrey Hepburn“
rika erwartet: „Tumi & The Volume“ sind die vorgelegt.
populärste HipHop-Crew am Kap. Direkt
mit sieben Bands. Dass die Macher der
Kulturetage ein mehr als hörenswertes Programm zustande gebracht haben, verdient
Anerkennung. Der Open-Air-Konzertreigen
auf dem Prinzenpalais-Platz beginnt am
7. Juli mit der Spanierin Amparo Sanchez,
bekannt als charismatische Sängerin ihrer
Band „Amparanoia“, aber auch als Songschreiberin.
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KUltURSOMMER
kultursoMMEr
Text: Christian Emigholz
Sjon
Das Hang pflegt das „Portico Quartet“, das
am 10. Juli zu erleben ist. Das Hang ist ein
Instrument, das wie zwei zusammengeschweißte, verbeulte Woks aussieht. Erfunden haben es aber nicht die Chinesen, es
ist vielmehr wie bei bestimmten Hustenbonbons: Die Schweizer waren’s! Auf dem
Hang kann man mit den Händen Melodien
trommeln, und so gibt es beim Londoner
Quartett bestechende Dialoge mit dem
Saxofon. Ergebnis ist eine Musik, die sanft
und beschwingt ist. Zum Finale geht es
in den Kongo. „Staff Benda Bilili“ ist eine
echte Straßenband aus Kinshasa, überdies
sind die meisten Musiker der Band an Kinderlähmung erkrankt und auf Rollstühle
angewiesen. Die Band kombiniert Rumba,
Beguine und Polka, die im Kongo schon
zur Kolonialzeit höchst populär waren, mit
R&B und Latin-Beats. Alle Konzertabende
beginnen um 20 Uhr.
www.oldenburg.de
Gereimtes und Ungereimtes
Im Juni gibt es in Bremen zum zwölften
Mal Poetry on the road an diversen Orten
der Stadt. Bei dieser Ausgabe vom 15. bis
22. Juni gibt es nur wenige Reisen in ferne
Weiten, so sehr sich diese – rein literarisch betrachtet – natürlich im Verlauf des
Mardi Gras.BB
Festivals ereignen können. Aber ganz real
kommen die meisten der 26 Autoren aus
dem In- sowie dem näheren europäischen
Ausland. Aber mit der indonesischen Lyrikerin Dorothea Rosa Herliany, die auch mit
Short Stories und journalistischer Arbeit
hervorgetreten ist, dem kanadischen Dichter Ken Babstock und der US-amerikanischen Lyrikerin Matthea Harvey sind auch
Gäste aus Übersee dabei.
Neben den traditionell rezitierenden
Lyrikern sind auch in diesem Jahr wieder
etliche Künstler mit von der Partie, die sich
zwischen Lyrik, Prosa und musikalischem
Vortrag bewegen wie der Däne Peter Wessel, der Isländer Sjon, der mit Pop-Ikone
Björk zusammengearbeitet hat, oder der
Berliner Singer/Songwriter Jan Böttcher.
Mit dem Schweizer Franz Hohler wird sogar ein Altmeister einer Sparte auftreten,
die zwischen Lyrik, Kabarett und Musik
pendelt, während mit seinem Landsmann
Eugen Gomringer ein ähnlicher Vorreiter
im Fach der Konkreten Poesie vertreten ist,
während sich die israelische Soundpoetin
und Performerin Anat Pick für Lautgedichte stark macht.
www.poetry-on-the-road.com
Joy Denalane
Musikalische Wundertüte
Wer die Breminale in diesem Jahr erleben
will, muss seinen Sommerurlaub ein wenig
nach hinten schieben, denn das Festival auf
den Weserwiesen beginnt am letzten Schultag, dem 6. Juli, und endet am 10. Juli. Wie
üblich bietet das Festival eine breite Palette
zwischen Populärem und Unbekanntem,
zwischen Rock, Pop, Blues, Jazz, ein wenig
Comedy und zirzensischen Aktionen.
Gleich am Eröffnungsabend steht die
komische „Dinglish“-Spezialistin Gayle
Tufts auf der Bühne, die vor zwei Jahren
zum Breminale-Finale Triumphe feierte.
Wer es blueslastiger mag, ist bei der furiosen deutschen New-Orleans-Brass-Band
„Mardi Gras.BB“ richtig, die ihr neues
Album „Von Humboldt Picnic“ als aufwendige 3-Stunden-Revue mit Tänzerinnen,
Dia-Show, jeder Menge Bläsersound und
ihrem fabelhaften Sänger Doc Wenz vorstellt. Arnd Zeigler hat für seine „wunderbare Welt des Pop“ Bands wie die dänischen „Broken Beats“ oder die britischen
Soul-Pop-Altmeister „Blow Monkeys“
vorgesehen. Ansonsten vertraut Bremen
Vier auf Kapellen wie „Jupiter Jones“, den
Pop-Songwriter Pohlmann oder die SoulQueen Joy Denalane, während die Kollegen von Bremen 1 eher auf einen bedäch-
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www.atlantic-hotels.de
MItten
IM HeRzen
BReMenS
tigen Songschreiber wie den TV-Plauderer
Reinhold Beckmann oder den Druck der
R&B-Bigband „65 Cadillac“ setzen.
Radio Bremens Jazz- und Popredaktion
stellt Neuentdeckungen wie „Miraculous
Mule“, die Band des britischen Sängers
Michael Sheehy, oder das Rocktrio „Swamp
Cabbage“ aus Florida vor, hat aber auch das
deutsche Jazztrio „Three Fall“ mit seinem
Red-Hot-Chili-Peppers-Programm eingeladen. Die Flut-Bühne vom Lagerhaus ist wie
üblich mit Alternativ- und IndependentBands besetzt. Nach besagtem Auftakt mit
„Mardi Gras.BB“ wird es düsterer mit den
französischen Industrial-Punks von „Punish Yourself“ und den Hamburger Punkrockern „206“. Aber hier gibt es auch Ska-Punk
von „Desorden Público“ aus Venezuela. Es
steckt also wieder allerhand in der Breminale-Wundertüte.
www.breminale.de
Lesmona gibt sich russisch
Nachdem im vorigen Jahr der „Sommer
in Lesmona“ musikalisch nach Italien
gereist war, kreist das beliebte Festival der
Deutschen Kammerphilharmonie Bremen
in Knoops Park in diesem Jahr (1. bis 3.
Juli) um eine ganz andere Region: „Weiße
Nächte“ sind die drei Tage überschrieben,
musikalisch und literarisch geht es also
nach St. Petersburg, wo es zur Mittsommernacht einfach nicht dunkel wird.
Mit der Wahl der Newa-Metropole ist auch
gleich vorgegeben, welche Komponisten auf dem Programm stehen. Denn in
St. Petersburg – oder Leningrad, wie die
Stadt zu Zeiten der UdSSR hieß – lebten
und arbeiteten die berühmtesten russischen Komponisten wie Rimski-Korsakow,
Mussorgsky, Tschaikowsky, Strawinsky bis
zu Schostakowitsch. Einige ihrer Werke
finden sich auf dem Fahrplan des diesjährigen „Sommers in Lesmona“, darunter die
berühmten „Bilder einer Ausstellung“ von
Modest Mussorgsky und zum Finale am
Sonntagnachmittag eine Inszenierung des
„Feuervogels“ von Igor Strawinsky.
Aber das Festival wäre nicht vollständig,
wenn nicht am Sonnabend zu später Stunde
auch der titelgebende Film „Sommer in
Lesmona“ gezeigt würde, und wie üblich am
Sonntag die einfallsreichsten Picknick-Dekorationen ausgezeichnet würden. Loriots
berühmter „Kosakenzipfel“ dürfte in diesem
Zusammenhang nicht chancenlos sein. Ob
Wodka thematisch unbedingt notwendig
ist, mag jeder für sich entscheiden…
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MUSiK Jazztipps
Jazztipps
Text: Christian Emigholz
Musik von einem anderen Stern
plötzlich sieht sich der Hörer mit einer Art
Klingelton-Sinfonie konfrontiert oder aber
Andromeda Mega Express Orchestra
die ganze Mannschaft rockt unerwartet los,
kommt in den Schlachthof
dass die Fetzen fliegen. Wer diese ungewöhnliche Gruppe schon einmal gehört hat,
Den Mut, solch eine Gruppe ins Leben
wird sicher verblüfft gewesen sein von dem
zu rufen, muss man erst einmal haben.
scheinbar unerschöpflichen Reservoir an
Der Berliner Saxofonist, Klarinettist und
Komponist Daniel Glatzel hatte diesen Mut. Ideen, die stellenweise im Minutentakt eine
Schon vor ein paar Jahren rief er das Andro- völlig neue Richtung einschlagen und dabei
meda Mega Express Orchestra ins Leben. So immer ein abenteuerlicher Hörspaß sind.
lang der Name, so umfangreich ist auch die
Besetzungsliste, denn zu diesem Orchester Beinahe noch überraschender als dieses
gehören sage und schreibe 20 Musikerinnen reichhaltige musikalische Temperament
und Musiker. Wollte man die gruppieren, so ist die Tatsache, dass Daniel Glatzel seine
Großformation über Jahre hinweg hat
gehören acht Holz- und Blechbläser dazu,
zusammenhalten können, sogar mit dem
sieben Streicher sowie eine fünfköpfige
Rhythmusgruppe, zu der aber ungewöhnli- Ensemble nach Fernost gereist ist. Bisher
hat Andromeda Mega Express Orchestra
cherweise auch eine Harfe zählt.
im Jahr 2009 die CD „Take Off!“ veröffentEine höchst eigenwillige Besetzung, bei der licht. Dem Vernehmen nach soll in diesem
Herbst ein neues Album aufgenommen
nicht sofort deutlich wird, wie das musiwerden. Bevor die Großband im August
kalische Resultat wohl klingen wird. Im
auf große Tournee durch Südamerika geht,
weitesten Sinn ist das, was Daniel Glatzel
macht sie am 26. Juni, 20 Uhr, im Bremer
komponiert, vielleicht dem Jazz zuzuschlaSchlachthof Station.
gen, allerdings einem absonderlichen Jazz,
der sich nicht im Mindesten um stilistische
Zuordnungen schert: „Musik von einem
anderen Stern“ hat das Andromeda Mega
Er macht alles mit dem Mund
Express Orchestra denn auch listig-lustig
Der großartige Sänger Theo Bleckmann
auf seine Plakate drucken lassen. Vom
kommt in den Sendesaal
Oldtime-Jazz-Zitat über swingende Passagen im Stile einer Bigband bis zu rebelEiner der großen Vorzüge der amerikalischen Free-Jazz-Ausbrüchen reicht die
nischen Musikszene ist, dass dort die
Palette. Aber auch bei der Minimal Music
Grenzen zwischen E- und U-Musik schon
räubert Glatzel, und mittendrin kommt uns seit langem nicht mehr unüberwindlich
das Orchester auch schon mal mit Klassiksind, eine Auffassung, die sich bei uns
Zitaten oder Filmmusik-Themen. Ebenso
allmählich erst durchsetzt. Ein solcher
Grenzgänger zwischen den Stilen ist auch
der Vokalkünstler Theo Bleckmann. Der
ist gebürtiger Dortmunder, lebt aber schon
seit zwanzig Jahren in New York, und dort
hat auch seine eigentliche Karriere als Jazzsänger und experimentierfreudiger Vokalartist, der sich auch gerne in den Bereichen
der Avantgarde tummelt, begonnen.
Bevor es soweit war und Bleckmann sich in
der New Yorker Downtown-Szene um Laurie Anderson, John Zorn, Philip Glass und
vor allen Dingen Meredith Monk bewegte,
hatte er – wie viele andere deutsche Jazztalente – im BuJazzO, dem deutschen Jugendjazzorchester, gesungen, und schon in
dieser Zeit einige Jazzpreise eingeheimst.
Seit Theo Bleckmann in New York lebt und
arbeitet, hat er auf einer kaum fassbaren
Vielzahl von CDs mitgewirkt, aber auch
eine Reihe eigener vorgelegt, auf denen er
seine immense Vielseitigkeit demonstriert.
Theo Bleckmann kann nämlich ebenso
überzeugend Chansons des Mittelalters
singen wie den Beatles-Klassiker „Norwegian Wood“ oder ein Sonett von Shakespeare mit Vokallinien ausleuchten. Bei
seinen Solokonzerten vervielfacht der Sänger seine Stimme gerne mittels Sampler,
und hat oft auch einen ganzen Haufen von
ulkigen Spielzeuginstrumenten dabei, mit
denen er sich überaus humorvoll begleitet. Vor vier Jahren hat Theo Bleckmann
bereits ein faszinierendes Solokonzert im
Sendesaal gegeben. Am 3. Juni, 20 Uhr, ist
er dort nun erneut solo zu erleben.
MUSiK Duo Klavitarre
VErwandtE saitEn
Ihre Einrichtung
ist unsere
Leidenschaft.
Duo Klavitarre organisiert
Musikpreis für Kammermusik
mit Gitarre
Text: Melanie Öhlenbach
S
ie gehört zu den bekanntesten und
beliebtesten Musikinstrumenten
der Welt und fristet dennoch in der
Kammermusik ein Nischendasein: die Gitarre. Dass es auch anders geht, beweist
das Musiker-Ehepaar Jolanta und Maciej
Ziemski alias „Duo Klavitarre“ seit Jahren. Um dem Saiteninstrument zudem ein
großes Forum zu geben, organisiert das
Musikerehepaar mit dem Gitarren-Spezialisten Andreas Lieberg und unterstützt
von Professor Bernard Hebb von der
Hochschule für Künste erneut den „Hanseatischen Musikpreis für Kammermusik
mit Gitarre“.
mit die Gitarre einen noch größeren Stellenwert in der klassischen Musikwelt bekommt, wollen sie vom 30. September bis 2.
Oktober mit Meisterklassen, Vorträgen und
einer Ausstellung wieder möglichst viele Besucher und Musiker in die Hansestadt
locken. Für das Auftaktkonzert des „Hanseatischen Musikpreises für Kammermusik
mit Gitarre“ haben sich die Spanierin Susana Prieto und der Grieche Alexis Muzurakis
alias „Duo Melis“ angekündigt.
„Unser Traum ist es, dass Bremen in der
ganzen Welt für die Liebhaber der Gitarrenkammermusik ein Begriff wird“, sagt
Maciej Ziemski. Unterstützt wird die Idee
vom Ehepaar Eva und Dr. Hans Janknecht
„Im Vergleich zu anderen Instrumenten
sowie von Agnieszka Zaganczyk-Neufeld
gibt es nur wenige Komponisten, die in der
von der Forschungsstelle Osteuropa. 6000
Kammermusik ein Stück für die Gitarre geEuro stellt zudem die Stiftung für deutschschrieben haben“, sagt Maciej Ziemski. „Sie
polnische Zusammenarbeit bereit.
ist einfach kein Orchesterinstrument.“ Der
35-Jährige weiß, wovon er spricht: Nicht
Derzeit reichen die Mittel zwar noch nicht
nur, weil er an der Hochschule für Künsaus, um am Ende den besten Gitarristente Kammermusik mit Gitarre unterrichtet.
Nachwuchs mit einem gut dotierten PreisAuch die Werke für die Konzerte mit Ehegeld zu belohnen. Doch das soll sich bald
frau Jolanta müssen von der Pianistin beändern, hoffen die Organisatoren. „Wir wolarbeitet werden. Schließlich sollen beim
len unbedingt einen Wettbewerb etablie„Duo Klavitarre“ beide Instrumente gleichren, um die Kammermusik mit Gitarre für
berechtigt und sich ergänzend statt einanJugendliche, Studenten und junge Künstder begleitend auftreten. „Es macht Spaß,
ler attraktiv zu machen und um einen Andie Stücke neu zu arrangieren“, sagt Jolanreiz für ein Studium an der Hochschule für
ta Ziemski. „Auf diese Weise kann man sie
Künste zu bieten“, sagt Maciej Ziemski. „Der
noch einmal ganz neu entdecken.“
Hanseatische Musikpreis soll nicht nur ein
Aushängeschild für Bremen, sondern ein
Mit ihrer Interpretation von Werken von
Sprungbrett für junge Gitarrenspieler und
Chopin, Piazzolla oder Moszkowski haben
Gitarrenkammermusiker werden.“
die beiden Musiker schon Konzertbesucher
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auf der ganzen Welt begeistert. Doch da-
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BUCH UND MUSIK Liszt-Biografie
Text: Simon Neubauer
Superstar
Franz Liszt
M
anche Biografien sind so ehrpusselig verfasst, so mit erklärenden
Fußnoten überschwemmt, dass
man sie nur aus Pflichtbewusstsein lesen mag. Andere hingegen reflektieren
des Lebens bunte Fülle mit solch faszinierender Mitteilungskraft, dass man das
Buch gar nicht mehr aus der Hand legen
möchte. Freilich war man in diesem Falle schon vorgestimmt: Wer Oliver Hilmes’
Lebensberichte „Witwe im Wahn“ (Alma
Mahler-Werfel) und „Herrin des Hügels“
(Cosima Wagner) oder im Vorjahr „Cosimas Kinder“ (Wagner-Dynastie) gelesen
hatte, wusste schon nach dem Vorwort,
was ihn an neueren Forschungsergebnissen, profunder Bewertung und – auch das
ist wichtig – an lebendigem, ja süffigem
Schreibstil erwartete.
macht fielen, oder eine Tasse, an der ihr Idol
genippt hatte, als Reliquie verehrten.
Schließlich wollte sie unbedingt Franz
Liszt heiraten, nicht zuletzt deshalb, um
der gesellschaftlichen Ächtung der „wilden
Ehe“ ein Ende zu setzen. Aber immerhin
animierte Carolyne ihren oft unlustigen,
zudem auch als begehrter Lehrer tätigen
Franz zum eifrigen Komponieren. Damals
entstanden dann auch als neue Musikrichtung die „Symphonischen Dichtungen“.
Der dritte Abschnitt eines höchst ungewöhnlichen Erdendaseins führte Liszt
Aber neben seiner verschwenderisch ausge- schließlich nach Rom, wo er – von viebreiteten Kunst am Flügel waren auch seine len Zeitgenossen nicht verstanden, vielJugend, sein gutes Aussehen und die Mamehr mit Ironie kommentiert – die Niedenieren eines geborenen Ungarn, der jedoch ren Weihen zum Priester empfing. Doch
kein Wort Ungarisch sprach, seiner Anzie- hatte sich die Hinwendung des nie sehr kahungskraft keineswegs hinderlich, stärktholisch lebenden Künstlers zur römischen
ten vielmehr sein Charisma, dem auch die Kirche schon mit den Kompositionen der
Gräfin Marie d’Agoult so hingebungsbereit „Graner Festmesse“ und des „Christus“erlag, dass sie – welch ein Pariser Skandal! Oratoriums angekündigt. Müde, aber auch
– mit Liszt auf und davon zog. Auf den folals Abbé immer noch eitel, vollzog er seigenden Liebes- und Künstlerpfaden durch nen Lebensabend schließlich in Bayreuth,
die Schweiz und Oberitalien gebar sie ihm dort nicht immer mit Ehren behandelt von
drei Kinder, die alle seinen Namen trugen, Freund Richard Wagner, Tochter Cosima
weil die Mutter ihre adelige Herkunft hinund den Enkelkindern.
ter wechselnden Pseudonymen verbarg.
Gleichwohl kümmerte sich der unentwegt
Oliver Hilmes nennt sein jüngstes Kind im
herumreisende Papa nur sporadisch um
Untertitel „Biographie eines Superstars“,
Blandine, Cosima und Daniel. Auch dann zualso im Grunde vergleichbar mit den hysnächst nicht, als er sich in zweiter Lebensterisch Angeetappe als Kapellmeister in
beteten unse- Wie von Dämonen besessen ... Weimar niedergelassen hatrer Tage. Ohne
te und dort auf der AltenZweifel: Liszt war ein grandioser Star, zuburg der Dominanz seiner neuen Partnerin,
nächst einmal als brillanter, ja als bester Pi- der ebenfalls verheirateten Fürstin Carolyanist seiner Zeit. Wie von Dämonen besesne Sayn-Wittgenstein, erlag. Die war zwar
sen absolvierte er auf zahlreichen Reisen
steinreich, musste jedoch ungemein schwieseine Klavierabende, gefeiert nicht nur von rige und langwierige Unternehmungen beVerehrerinnen, die mitunter gar in Ohntreiben, um eine Scheidung zu erreichen.
Hilmes, gerade mal 40 Jahre alt, schrieb
in brillanter Manier einen an Ereignissen
prall gefüllten Lebensbericht, in dem die
Kompositionen Liszts zwar erwähnt, nicht
aber beurteilt oder gar analysiert werden, was auch nicht so recht in die gewählte biografische Form gepasst hätte. Dafür
entschädigt die hier erstmals ausführlich
aufgedröselte, geradezu kriminalistische
„Akte Wittgenstein“.
Oliver Hilmes „Liszt. Biographie eines
Superstars.“ Siedler-Verlag, 432 Seiten,
24,99 Euro.
MUSiK Kirchenmusik 49
Werke von Jehan Alain im Zentrum des
4. Bremer Orgelsommers
Text: Bettina Beutler-Prahm
„E
s wird, wenn Du dies spielst, notwendig sein, den Eindruck einer
inbrünstigen Bitte zu vermitteln.
Das Gebet ist keine Klage, sondern ein unwiderstehlicher Sturm, der alles auf seinem Weg umreißt. Es ist auch eine Besessenheit.“ Diesen Anspruch erhob der
französische Komponist und Organist Jehan Alain gegenüber Interpreten der „Litanies“, seines bekanntesten Orgelwerkes.
„Wenn Du am Ende nicht erschöpft bist,
hast Du es weder verstanden noch so gespielt, wie ich es mir vorstelle.“
Musik
Für
grossE
räuME
danses“ aus den Jahren 1937/38 zu den bekanntesten und am häufigsten gespielten
Orgelwerken des 20. Jahrhunderts zählen.
bis hin zu Olivier Messiaen und Maurice
Duruflé, Alains Studienkollegen am Pariser Conservatoire, gespannt und durch Improvisationen abgerundet.
Alains musikalische Sprache ist geprägt
durch die verschiedensten Stilmerkmale
und Einflüsse. Sie reichen von der Gregorianik über den französischen Impressionismus
bis hin zum Jazz und zu außereuropäischen
Rhythmen und Tonsystemen, mit denen er
vermutlich bei der Pariser Kolonialausstellung 1931 erstmals in Berührung kam.
In jedem Konzert soll ein Werk von Jehan
Alain erklingen. Darüber hinaus versprechen
die Programme viel Abwechslung: So wird
neben „Im Zentrum Franz Liszt“ (14. 7.) oder
einer „Hommage to Handel“ (28. 7.) auch
„Heiliges und Eiliges aus Frankreich“ (11. 8.)
zu hören sein. Das Abschlusskonzert am 1.
September steht unter dem Titel „Dome: MuDer Bremer Orgelsommer, der in diesem
sik für große Räume“. Vorgesehen sind unter
Jahr zum vierten Mal stattfindet, bietet die anderem Liszts Präludium „Zum Hause des
Am 3. Februar 2011 hätte der 1940 verstorGelegenheit, weitere Werke Alains kennen- Herrn“, Viernes „Cathédrales“ – eine Hombene Alain seinen 100. Geburtstag gefeiert. Trotz seines frühen Todes hinterließ er, zulernen. Vom 7. Juli bis zum 1. Septemmage an „seine“ Kirche Notre-Dame – sowie
ber werden jeweils donnerstags um 19 Uhr Messiaens „Apparition de l’église éternelle“
für den der künstlerische Ausdruck nach
Domorganisten aus ganz Deutschland im und Léon Boellmanns „Suite gothique“.
eigenem Bekunden „die einzige Form des
Glücks“ war, ein vielfältiges Oeuvre. Mehr Bremer Dom zu hören sein. Der musikali- Gespielt wird vor allem an der großen
Sauer-Orgel, am 18. August auch an der
als die Hälfte sind Kompositionen für Orgel sche Bogen wird dabei von J. S. Bach und
und Klavier, von denen neben den „Litani- G. F. Händel über Franz Liszt sowie Max
Wegscheider- und der Bach-Orgel. Weitere
Reger, Louis Vierne und Sigrid Karg-Elert
es“ vor allem die äußerst virtuosen „Trois
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Kunsthalle zum Preis von 29 € ist ab sofort
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Edvard Munch-Ausstellung inklusive.
50
ROllEnSPiEl
Schauspielrätsel
(SN) Das Stück ist eine rigorose Anklage.
Trotzdem erreichte es in den ersten Jahren
nach dem letzten Weltkrieg eine Art Kultstatus und ging über zahlreiche deutsche
Bühnen. Denn das geschilderte Schicksal war ja niemandem fremd. Es geht, wie
vielen damals, um einen Soldaten, der aus
der Gefangenschaft heimkehrt und nun
erst recht den Boden unter den Füßen verliert. Sein Söhnchen liegt unter den Trümmern des Bombenterrors, seine Frau hat
sich einen neuen Freund ins Haus genommen, seine Eltern, denunzierende Antisemiten, haben Selbstmord begangen.
rollEnspiEl
Wegen eines Durchhaltebefehls hat der
junge Mann ein Bein verloren, doch der
Oberst, den er zur Rechenschaft ziehen
will, lacht ihn nur aus. Und ein Kabarettdirektor ist nicht bereit, die von ihm
geäußerten Bekenntnisse zum Pazifismus
dem Publikum anzubieten.
Im Selbstmordtraum klagt der aller Hoffnungen beraubte Heimkehrer Gott, diesen „ohnmächtigen alten Mann“ an, allerdings ohne Antwort. Aber es gibt dem
Klagenden überhaupt niemand Antwort.
Das zunächst als Hörspiel konzipierte
Stück kam 1947 erstmals auf die Bühne.
Einen Tag vorher war der Autor gestorben.
Wie heißt er, wie lautet der Titel des eigeneigentlich nie ganz vergessenen Stückes?
Antworten bitte bis zum 15. Juli 2011 an
foyer, Roland Verlag GmbH, Schlachte 43,
28195 Bremen. Die Teilnahme ist auch onon
line möglich:
www.rolandverlag.de (Publikationen/Foyer)
Zu gewinnen sind 5 x 2 Karten für das
Bremer Schauspiel.
Die Auflösung des Schauspielrätsels in
foyer 89 lautet: „Antigone“ von Sophokles.
Gewonnen haben:
Birger Franze, Worpswede
Stefanie Kehl, Bremen
Detlef Klanke, Bremen
Matthias Konrad, Bremen
Hubert Steffe, Bremen
(ps) Dass Theaterleute eine gewisse Af
Affinität zum Fußball besitzen, ist hierzulande seit den Zeiten von Klaus Pierwoß
und dessen offenherziger Werder-Liebe
noch in deutlicher Erinnerung. Auch Michael Börgerding, sein designierter NachNachfolger im Amt des Generalintendanten am Bremer Theater, verfügt offenbar
über mehr als nur rudimentäre Kenntnisse rund um das runde Leder. Er müsse
es so machen wie Borussia Mönchengladbach in den 70-er Jahren, als die talentierte
„Fohlen-Elf“ in der Bundesliga für Furore
sorgte, bekannte der Direktor der Theaterakademie Hamburg während des „Theatertreffens“ im Brauhauskeller. Denn angesichts der angespannten Kassenlage des
Hauses könne er keine teuren Schauspieler
und Regisseure am Markt „einkaufen“.
Ohnehin sei es sein Ziel, „mit jungen Leuten
in Bremen eine kleine Theater-Familie zu
gründen, zu der auch drei feste Regisseure
gehören“, kündigte er mit Blick auf seinen Amtsantritt zur Saison 2012/13 an. Auch
hinsichtlich der personellen Besetzung
einiger Leitungsfunktionen hat Börgerding schon sehr konkrete Vorstellungen. „Die
Tanz-Tradition mit Urs Dietrich wird beendet“, erklärte der künftige Chef des Hauses,
der gegenwärtig bereits zwei Arbeitstage pro
Woche in Sachen Bremer Theater investiert.
Die Strukturen des hiesigen Tanztheaters
seien „festgefahren“, weshalb er neue Wege
beschreiten möchte. „Und das geht nur mit
einem klaren Schnitt, der auch die Trennung von der Compagnie einschließt.“
Eine deutlich wichtigere Rolle am Goetheplatz soll künftig Rebecca Hohmann spielen. Die Leiterin des Moks-Theaters (Börgerding: „Sie macht eine klasse Arbeit!“)
wird sich demnach auch um die Sparte
„Junge Akteure“ kümmern und auch die
Theaterpädagogik leiten. Doch Börgerding stellt angesichts des immensen
Sparzwangs, der ihm zum Amtsantritt aufgebürdet wird, nicht nur die personellen Weichen: Man denke über betriebsbedingte Kündigungen ebenso nach wie über
eine Verkleinerung des Ensembles. Und
auch eine Reduzierung des RepertoireSpielplanes stellt für ihn kein Tabu dar.
Schließlich liege die strukturelle Unterversorgung des Hauses bei 2 Millionen Euro
per anno. Daraus folgt: „Das Wichtigste für
mich sind zunächst die Finanzen.“
Schon deshalb zweifelt Börgerding an der
Idee, im Nachgang zu Richard Wagners
200. Geburtstag 2013 endlich den „Ring“
des Meisters zu inszenieren. Denn das
werde „sehr, sehr teuer“. Doch die dafür
benötigten Akteure könne er – siehe oben
– „nicht am Markt einkaufen.“
ROllEnSPiEl 51
Opernrätsel
(SN) Femme fatale oder unschuldige Verführerin, Teufelsweib oder Projektion
männlicher Begierde? Bei jeder Neuinszenierung wechselt sie ihr Gesicht, gibt Rätsel
auf, die je nach der singenden Persönlichkeit anders gedeutet werden können. Den
Männern an ihrer Seite geht es schlecht.
Der Maler, dem sie Modell sitzt, erschießt
sich, als sie mit einem reichen Mediziner flirtet, aber den trifft ohnehin bald der
Schlag. Ein Journalist höheren Rangs ist ihr
hörig, aber als er eine andere standesgemäße Dame heiraten will, drückt sie ihm
eine Pistole in die Hand. Und weil er sich
nicht ins Jenseits befördert, gibt sie selbst
die tödlichen Schüsse ab.
Vorher hatte sie schon mit dem Sohn des
Zeitungsmannes angebandelt, der bleibt
ihr treu und hilft ihr aus dem Gefängnis.
Doch bis dahin ist die Oper bereits Torso geblieben; erst in unsere Zeit hat sie
ein Wiener Komponist nach vorliegenden
Skizzen vollendet. Allerdings bleibt dieser dritte Akt mit dem schmählichen Ende
der einst so betörenden Frau umstritten.
Foto: Ursula Kaufmann
Nun, das sind Hinweise genug, weshalb
Sie unschwer den Titel dieser Oper und
(ps)
Neuer
Betreiber,
vertraute
Leitung
–
ihren Verfasser benennen können.
(ps) Sein künftiger Kollege ist „augedieses Bild bietet sich künftig im Musi.
sprochen froh, dass er kommt.“ Gemeint
cal Theater Bremen. Seit dem 1. April wird
ist Michael Helmbold, der zum 1. Januar
Bitte schreiben Sie Ihre Antwort bis zum
2012 neuer kaufmännischer Geschäftsfüh- das Haus am Richtweg von der Unterneh15. Juli 2011 an foyer, Roland Verlag GmbH,
rer am Theater Bremen wird. Michael Börg- mensgruppe „Mehr! Entertainment“ betrie- Schlachte 43, 28195 Bremen. Die Teilnahme
ben, die Claus Kleyboldt als zukünftigen
erding, designierter Intendant des Hauses,
ist auch online möglich:
hatte der Berufung ausdrücklich zugestim- Direktor verpflichtet hat. Schon seit April
www.rolandverlag.de (Publikationen/Foyer)
mt: „Angesichts der finanziellen Lage ist ein steht er „Mehr! Entertainment“ als Berater
Fachmann, der sparsames Wirtschaften ge- zur Seite, am 1. Oktober wird er den ChefZu gewinnen sind 5 x 2 Karten für das
posten offiziell übernehmen.
wohnt ist, hoch willkommen.“
Theater Bremen, das Stadttheater Bremerhaven und das Oldenburgische
Kleyboldt zeichnet gegenwärtig noch als
Genau das hat Helmbold, Jahrgang 1963
Staatstheater.
Geschäftsführer
unter
anderem
für
den
Beund ausgebildeter „Banker“, schon unreich Sport & Entertainment (Bremen Areter Beweis gestellt. An der Berliner Volksna) der WFB Wirtschaftsförderung Bremen Die Auflösung des Opernrätsels in foyer
bühne war er unter anderem zehn Jah89 lautet: „Ein Maskenball“ von Giusepre als künstlerischer Betriebsdirektor tätig, GmbH verantwortlich. In diesem Zusampe Verdi.
menhang
war
er
über
mehrere
Jahre
auch
bevor er im Januar 2009 zur Ruhrtriennale
zuständig für das Musical Theater Bremen.
wechselte und zunächst ebenfalls als künZuvor war Kleyboldt unter anderem als
Gewonnen haben:
stlerischer Betriebsdirektor, dann als GeAbteilungsleiter „Veranstaltung“ der Halle
schäftsführer arbeitete. Zuvor hospitierte
JP Alt, Hamburg
Münsterland und als Geschäftsführer der
Helmbold, der Germanistik und KunstgeLine Banko, Quackenbrück
Grugahalle Essen tätig.
schichte sowie „Non-Profit Management
Gertrud Becker, Lüneburg
and Governance“ studierte, in den BereiHans-Jürgen Brockmann, Norden
Die Düsseldorfer „Mehr! Entertainment“chen Regie, Dramaturgie und Intendanz
Bärbel Dieckert, Oldenburg
Gruppe hat mit dem Bremer Musicalhaus
unter anderem am Hamburger Schauspiel,
Mario Eisbrich, Delmenhorst
das fünfte Theater in Deutschland überan der Hamburger Staatsoper und an der
Inge Ewald, Delmenhorst
nommen. Neben dem Bochumer „StarVolksbühne Berlin.
Renke Havekost, Bremerhaven
light Express-Theater“, dem Kölner „MusiDr. Arnulf Hopf, Bad Zwischenahn
cal Dome“ und dem Düsseldorfer „Capitol“
Dem Job in Bremen sieht er mit Spannung
Gertrud Kiehm-Hey, Bremerhaven
wird gemeinsam mit BB Promotion das
entgegen: „Der Neuanfang mit Michael
Monika Mehrtens, Bremen
Börgerding bietet eine wunderbare Chance „Cats“-Theaterzelt betrieben. In Bremen
Edith Reichelt, Bremerhaven
für das Bremer Theater. Diesen Neuanfang will das Unternehmen dem Publikum „ein
Barbara Sandmann, Bremerhaven
in der schwierigen ökonomischen Situation vielfältiges Programm aus Musical-HighWalter Tilch, Hage
lights, Comedy-Abenden, interessanten
des Hauses zu begleiten, ist eine HerausAusstellungen und Tanzshows bieten.“
Christiane Wysocki, Bremen
forderung.“
52
WISSENSCHAFT Jade Hochschule
Wegweisendes „Jade Modell“ reformiert das
Bachelor- und Master-Studium
Text: Peter Schulz
Zur
Nachahmung
empfohlen
E
s gab das „Honnefer Modell“ zur
Unterstützung von Studierenden
aus sozial schwachen Familien. Mit
dem „Tuttlinger Modell“ regeln schwäbische Kommunen und Unternehmen die
finanzielle Ausstattung ihrer Hochschule.
Das „Potsdamer Modell“ wiederum zielt
auf die bessere Ausbildung brandenburgischer Lehrer ab. Und nun steht das „Jade
Modell“ vor der Umsetzung, dem fachkundige Beobachter der universitären
Szene schon jetzt einen ähnlich nachhaltigen Erfolg voraussagen wie den erstgenannten Projekten.
Genau dies war an der Jade Hochschule zu
diesem Zeitpunkt schon längst geschehen.
Lange vor dem Aufwallen der hitzigen
Proteste hatten die beiden Fachbereiche
Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften
die Bachelor- und Master-Studiengänge
(Elmar Schreiber: „Studium, Praxis- und
Auslandserfahrung in möglichst nur sechs
Semestern – das war von vornherein der
Der Berliner „Tagesspiegel“ machte seinerzeit „Lernbulimie“ als neue Krankheit unter Kardinalfehler“) auf den Prüfstand gestellt
und nach Möglichkeiten der
den angehenden
Veränderung gesucht. In enger
Bachelors aus
Abstimmung mit dem niederund konstatiersächsischen Wissenschaftsmite: „Sie leiden an
nisterium wurde daraufhin ein
Prüfungsstress,
Prototyp entwickelt, der „zum
Entwickelt wurde es an der Jade Hochvollgepackten
Studienschema für das Land und
schule, deren Präsident, Dr. habil. Elmar
Stundenplänen,
darüberhinaus werden kann“ –
Schreiber, die damit verbundene ErwarAnwesenheitsdas „Jade Modell“.
tung so umreißt: „Die neue, flexiblere
listen und fehStruktur des Studiums wird dazu beitralender AnerkenUnd das funktioniert so: Der
gen, dass die Absolventen erheblich höhere nung auswärts
künftige Akademiker studiert in
Qualifikationsziele erreichen können, um erbrachter Leisden Studiengängen, die das „Jade
ihre Berufsbefähigung und damit auch die tungen.“ Rasch
Modell“ anbieten, acht Semester,
Akzeptanz ihrer Ausbildung in der Wirtkursierte in
wobei ihm ein „Mobilitätsfensschaft zu steigern.“ In diesem Sinn werde
der Öffentlichter“ die Möglichkeit eröffnet,
das Studium „deutlich attraktiver für den
keit und nicht
jeweils ein Auslands- bzw. Praxisakademischen Nachwuchs, den unsere
zuletzt auch in
semester zu integrieren. Ist das 6.
Gesellschaft so dringend benötigt.“
der Wirtschaft
Semester erreicht, steht er vor eiGenau das hatten die jungen Leute vor
der Spruch von
Augen, die im Herbst 2009 zu Tausenden
der „Überfrachtung des Studiums“, weshalb ner bedeutenden Entscheidung: Entweder
unser Student strebt als Bachelor direkt in
die Schulen und Universitäten verließen,
„Die Welt“ kommentierte: „Eine schmerzden Beruf und macht nach acht Semestern
um ihre Meinung auf die Straßen zu tragen. hafte, uneitle und vorbehaltlose ÜberprüDenn sie hatten den Kanal voll. Und zwar
fung ist geboten im Namen derer, die heute seinen Abschluss. Oder er setzt sich das
Ziel „Master“ und hängt analog der Formel
gestrichen. Auslöser ihres Unmuts: Das
– mit Recht – protestieren.“
„8 + 2“ noch zwei weitere Semester hinzeitlich stark komprimierte, verschulte
Bachelor- und Master-Studium, das – so die
unüberhörbaren Vorwürfe – bei enormer
Stofffülle und erheblicher Prüfungsdichte
wenig Freiheiten für die Entwicklung persönlicher Interessen lasse und es obendrein
erschwere, das Studium durch Nebenjobs
überhaupt finanzieren zu können.
WISSENSCHAFT Jade Hochschule
53
Fotos: Michael Stephan
tenan, für die er jedoch vorab zugelassen
werden muss.
Wer „Plan B“ wählt, wird – auch dies ein
Vorzug des „Jade Modells“ – bereits im 7.
und 8. Semester mit dem notwendigen
Rüstzeug für den qualifizierten MasterStudiengang versorgt. Der Dekan des
Fachbereichs Ingenieurwissenschaften,
Prof. Dr. Heiner Köster, verweist dabei auf
„vertiefende Lernmodule, die zielführend
auf den erfolgreichen Studienabschluss
ausgerichtet sind und dem späteren Master
Kompetenzen zur Lösung von Problemen
auf theoretischer und analytischer Grundlage vermitteln.“ Und das, so urteilt Köster
mit Blick auf die Praxis, „wissen Personalchefs ganz besonders zu schätzen.“
Auch der Fachbereich Wirtschaft setzt auf
das „Jade Modell“, wobei hier jedoch nach
dem Leitsatz „7 + 3“ vorgegangen wird.
Sprich: Sieben Semester einschließlich
Praxissemester bis zum Bachelor plus
drei weitere, um den Master zu erreichen.
Dekan Prof. Dr. Gerd Hilligweg hebt in
diesem Zusammenhang besonders hervor,
dass den Studierenden künftig mehr Zeit
eingeräumt wird, um sich im „rauhen Alltag“, also in der freien Wirtschaft, gründlich umzuschauen. „Das ,Jade Modell’
schafft außerdem die Freiräume, um sich
mal eingehend mit einem bestimmten Projekt oder Thema aus der Praxis beschäftigen zu können“, erklärt er.
Ein Wunsch, den in der Vergangenenheit
nicht allein die Studierenden lautstark
geäußert hatten. Auch die Wirtschaft hatte
den im Fachbereich Wirtschaft als unzureichend empfundenen Praxisbezug im Bachelor- und Masters-Studium heftig kritisiert.
„Mit dem Praxissemester des ,Jade Modells’
können wir diesen Malus nun nachhaltig
beseitigen“, freut sich Gerd Hilligweg,
Die Dekane haben die Hoffnung, den gegenwärtigen und künftigen neuen Studiengängen am Studienort Wilhelmshaven
der Jade Hochschule zusätzliche Attraktivität zu verleihen. Auf möglichen Zuwachs
hat sich die Jade Hochschule schon mal
eingestellt: Gerade ist es der Leitung gelungen, jeweils sechs Professoren-Stellen für
die Fachbereiche Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften neu auszuschreiben.
Willkommene Verstärkung, denn Arbeit
gibt’s ohnehin reichlich. So hat Heiner
Köster beispielsweise festgestellt, dass
viele Studienanfänger mit „eher rudimentären Kenntnissen in der Mathematik“
an die Hochschule kommen. Weil das
nicht gerade die besten Startchancen für
angehende Ingenieure sind, können die
Studierenden diesen Rückstand durch den
Besuch eigens eingerichteter Zusatzveranstaltungen zur Vermittlung von Grundkenntnissen aufholen. Köster: „Das kommt
prima an und zeigt deutliche Erfolge.“
Dass es den Studierenden nicht an Wissbegier und Lerneifer mangelt, steht für Gerd
Hilligweg ohnehin außer Frage. „Die Proteste haben ja gezeigt, dass sich die jungen
Menschen bessere Studienbedingungen
und ein anderes Lernen wünschen“, urteilt
er rückblickend. „Diesen Schwung, der
mich sehr beeindruckt hat, haben wir
mitgenommen und in die Entwicklung des
‚Jade Modells‘ gesteckt, das schon jetzt
einhellig begrüßt wird. Übrigens auch von
den Fachschaften!“
Mit dem Wintersemester 2011/12 wird im
gesamten Fachbereich Ingenieurwissenschaften und ab Winter 2012/13 auch im
Fachbereich Wirtschaft nur noch nach
dem „Jade Modell“ studiert, das – so Elmar
Schreiber – keineswegs als „der Weisheit
endgültiger Schluss“ angesehen werden
dürfe. „Gut möglich, dass daraus weitergehende Modelle entwickelt werden. Wir
sind jedenfalls gespannt, was die Praxis
bringen wird.“
Die Stimmung unter den Studierenden sei
schon überaus erwartungsvoll. „Die jungen
Leute warten geradezu darauf, dass es endlich losgeht“, hat Elmar Schreiber beobachtet. „Denn das ,Jade Modell’ ermöglicht ein
besseres Studieren. Und das heißt zugleich:
Mehr Absolventen, weniger Studienabbrecher. Das ist allemal ein lohnendes Ziel.“
54
literatur Italienisch für Liebhaber / Chronic City
literatur
Text: Inge Zenker-Baltes
Eine Amerikanerin
in Mailand
teuer geht die Heldin ein kleines bisschen
klüger hervor, gereifter und abgeklärter,
doch weiterhin voller Illusionen, SehnHilary Belle Walker erlebt Kurioses
süchte und Träume. Zum Glück, möchte man sagen, denn sonst gingen ihre so
Das muss eine Autorin erstmal schaffen:
liebenswerte Spontaneität und ihre charSo fesselnd vom Erwerb eines Fahrrades
mante Vertrauensseligkeit verloren.
namens Blau, dessen Diebstahl und seiViel erfährt man über speziell italienische
nem Wiederauftauchen zu erzählen, dass
Sonderbarkeiten, und wie Amerikaner dader Leser mit der Protagonistin leidet, hofft
mit fertigwerden – oder auch nicht. Nach
und aufatmet, als ginge es um etwas wirkden ersten Seiten schon hat man sich festlich existenziell Wichtiges. Hilary Belle
gelesen, verzeiht der Autorin kleine DurchWalker schafft noch mehr. Die Ich-Erzähhänger, wie es sie bei den meisten Epilerin ihres amüsanten Episodenromans –
sodenromanen gibt. Erheiternd süffige
wie die Autorin Amerikanerin und BuchLektüre für ein verregnetes Wochenende!
händlerin in Mailand –, fühlt sich dem
Hilary Belle Walker: Italienisch für LiebGastland und seinen Bewohnern in ambihaber. Deutsch von Sylvia Höfer. Kunstvalenter Zuneigung verbunden.
mann. 313 S.,19,90 Euro.
Was sie alles erlebt, ist so spannend wie komisch, und aus jedem ihrer kleinen Aben-
Gnadenlose Entlarvung
Brillanter Roman von Jonathan Lethem
Manche Kritiker halten „Chronic City“ für
das wichtigste Buch dieses Jahres, wenn
nicht für eines der wichtigsten zeitgenössischen Bücher überhaupt. Ja, seine Lektüre soll prägend auf viele Leser gewirkt, ihre
Sicht der Dinge verändert haben. Was ist
dran an diesem Enthusiasmus?
Jonathan Lethems Geschichte ist so hanebüchen wie faszinierend. Sein Ich-Erzähler
Chase Insteadman – der „Anstattmann“ –
lebt als ehemaliger Kinderstar von den Tantiemen seiner einst kultigen Fernsehsoap
und ist mit einer manövrierunfähig im All
schwebenden Astronautin verlobt, die ihm
von dort heiße Liebesbriefe schreibt. Chase
trifft eines Tages auf den Musikkritiker Per-
literatur Léon und Louise
kus Tooth. Der eigenartige Mann neigt zu
Absenzen und kann eines seiner Augen
nicht kontrollieren. Im Laufe der hintergründigen Geschichte wird sich herausstellen, dass Tooth nicht nur sein mäanderndes
Auge, sondern sein gesamtes Leben nicht im
Griff hat, genauso wenig wie Chase Insteadman, der dem hochintellektuellen zukünftigen Gefährten vom ersten Moment an verfallen ist und dessen Freundschaft braucht
wie die Luft zum Atmen.
wartet auf den Geistlichen. Da öffnet sich
quietschend eine Seitentür, herein schlüpft
eine zierliche alte Dame, geht zielstrebig auf
den offenen Sarg zu, küsst den Toten auf die
Stirn, legt eine alte verrostete Fahrradklingel neben ihn, mustert lächelnd seine erstarrte Familie und eilt beschwingt davon.
55
liche Kriegsgräuel, die sich gleich nebenan in den Schützengräben abspielen, drastisch zu schildern.
Bei aller Schwere des Leids, scharf beobachteter menschlicher Kläglichkeit und
kluger Behandlung der großen Themen
Liebe, Krieg und Tod sind die von Capus
Das ist der Schluss einer ganz und gar un- entworfenen Bilder von fast schwereloser
gewöhnlichen, bezaubernden und aufLeichtigkeit und einem besonderen Schimwühlenden Liebesgeschichte – zugleich
mer – wie der Pariser Himmel, der glitzert,
Auftakt des neuen Romans von Alex Capus, „als enthielte er Goldstaub“.
Unmöglich, mit wenigen Worten detaildem 1961 in der Normandie geborenen er- Alex Capus: Léon und Louise. Hanser. 315
liert auf den fantastischen, vielschichtifolgreichen Schweizer Schriftsteller. Léon S., 19,90 Euro.
gen, andeutungs- und beziehungsreichen und Louise lernen sich, beide siebzehnjähGehalt des 500 Seiten Romans einzugehen. rig, 1918 in einem kleinen Ort an der franWieder einmal hält Jonathan Lethem der
zösischen Atlantikküste kennen. Gerade
prüden amerikanischen Society den Spie- als sie zusammengefunden, sich ihre ungel vor, geißelt die brutale Welt des Geldes bändige Liebe gestanden und eine Nacht
und entlarvt den American Dream als glit- miteinander verbracht haben, geraten sie
zernde, perverse Scheinwelt.
in einen Artillerieangriff der Deutschen.
Beide werden schwer verletzt, kommen
Die Protagonisten lassen sich ziellos treiben, in unterschiedliche Hospitäler und sind
verharren in vergeblicher Suche nach sich
überzeugt vom Tod des anderen.
selbst, sind außerstande, zwischen Sein und
Schein zu unterscheiden. Alles ist möglich
Seither vergeht kein Tag, an dem Léon
und nichts ist wirklich sicher in Jonathan
nicht an Louise denkt. Zehn Jahre späLethems gigantischem, ungemein spannen- ter ist er mit der launischen, von Anfälden Meisterwerk. Völlig aussichtslos, eine
len „temporärer Unzurechnungsfähigkeit“
Antwort auf die Frage nach der Wahrheit zu befallenen Yvonne verheiratet. Eines Taerwarten, denn die gibt es nicht.
ges meint Léon, die geliebte Louise in einer
Jonathan Lethem: Chronic City. Deutsch
vorbeifahrenden Metro zu sehen. Ebenso
von J. Ch. Maass und M. Zöllner. Tropen.
verzweifelt wie vergeblich versucht er, ihr
490 S., 24,95 Euro.
zu folgen, und in seiner abgrundtiefen Ehr-
finden!
Alex Capus’ wundervolle Love-Story
lichkeit erzählt er Yvonne von dem Erlebnis. Die ermuntert ihn, nach der Jugendliebe zu suchen, weiß sie doch genau, dass sie
ihren Mann längst verloren hat.
Eine Trauerfeier in der Kathedrale von Notre Dame: Dekorativ aufgebahrt liegt der
alte Léon Le Gall im Altarraum, dort, wo
einst Napoleon sich selbst gekrönt hatte.
Ein Häuflein Hinterbliebener – Kinder, Enkel und Urenkel des Patriarchen – kauert etwas verloren in den ersten Bankreihen und
Alex Capus verwebt in die betörend erzählte Story einige Partikel aus der Biographie
seines Großvaters. Durch sogkräftige und
bilderreiche Sprache haucht er dem Geschehen mitreißende Vitalität ein, vermag
gar, neben der Romanze der in ländlicher
Idylle aufwallenden jungen Liebe schreck-
Ein Leben lang
Kunstwerkermarkt
Untere Rathaushalle
Samstag /Sonntag
28./29. Mai 2011
11-18 Uhr
www.finden-bremen.de
56
SERiE Die neue Kunsthalle Bremen
Hochbetrieb bis zur Wiedereröffnung der
Kunsthalle am 20. August
Text: Maike Rotermund
© hinrichs:grafikdesign
D
wEttlauF
Mit dEr zEit
er Countdown
läuft: Keine 100
Tage mehr, dann
öffnet die frisch renovierte und erweiterte Bremer Kunsthalle ihre seit Dezember
2008 geschlossenen
Türen wieder für die
Öffentlichkeit. foyer
hat die Bautätigkeit und die Geschehnisse
„hinter den Kulissen“ seit Januar 2010 im
Rahmen einer achtteiligen Serie begleitet,
die mit diesem Beitrag endet.
im Haus vorhandenen 170 Werke einen
neuen Bestandskatalog mit Unterstützung
der Getty Foundation in Los Angeles sowie
der Bucerius Kunststiftung erarbeitet.
Ganz besonders freut sich Wulf Herzogenrath auf den dritten Part: „Wir zeigen
alle Werke, die in den vergangenen 17 Jahren meiner Tätigkeit als Direktor ins Haus
gekommen sind, das heißt also uns geschichte aus sechs Jahrhunderten versam- schenkt oder mit senatorischen oder Stifmelt. Darunter finden sich natürlich auch tungsmitteln erworben wurden. Außerdem
zeigen wir auch die Rückkehrer, die von
die „Noblen Gäste“, die während der vergangenen zwei Jahre auf Reisen waren und ausländischen Regierungen zurückgegein 22 großen und kleineren deutschen Mu- ben wurden.“
Standort Am Wall: Von außen wirkt es, als
seen von der Qualität der Bremer SammSo werden gewichtige Arbeiten von Alseien die umfangreichen Baumaßnahlung kündeten.
brecht Dürer bis zu Caspar David Friedmen bereits abgeschlossen. Die beiden morich zu sehen sein wie auch die 101 Blätdernen neuen Flügel rahmen das historiWulf Herzogenrath freut sich über den
ter, die aus Moskau zurückgekehrt sind.
sche Gebäude der Kunsthalle harmonisch
nachhaltigen Erfolg der Aktion: „Die ‚Nobein. Doch im Inneren des Gebäudes gehen
len Gäste’ waren eine wunderbare Werbung Den Schwerpunkt in diesem Teil wird allerdings die aktuelle Kunst mit Fotografidie Arbeiten unvermindert weiter. Schließ- nicht nur für die Sammlung, sondern auch
lich kann das erste Kunstwerk erst dann ins für die Stadt Bremen und außerdem ein Ziel en, Video- und Computerarbeiten bilden.
Haus zurückkehren, wenn sich alle Klimafür viele der über 7000 Mitglieder des Kunst- Auch hierzu erscheint ein umfangreicher,
reich bebilderter Katalog.
werte, die Temperatur wie auch die Feuchvereins, die eine Reise nach Kiel, Leipzig
tigkeit in der richtigen und permanenten
oder München unternahmen, um dort die
Balance befinden. Zudem müssen auch alle Werke zu besuchen – entweder im Rahmen Diese aktuelle Akzentuierung spiegelt sich
sicherheitsrelevanten Details stimmen, so
einer organisierten Fahrt des Kunstvereins zudem im neu gestalteten Museumsbau in
drei permanenten Installationen, geschafdass eine 24-stündige Sicherheit gegeben ist. oder als individuelle Reisende.“
fen von einem internationalen Klassiker sowie zeitgenössischen Bremer Kunst„Es wird zeitlich wahnsinnig eng“, blickt
Und auch dies ist eindeutig als Erfolg zu
schaffenden: So gestaltet zum Beispiel der
Direktor Prof. Dr. Wulf Herzogenrath rewerten: Viele Mitglieder, das ergab eine
alistisch auf die verbleibenden Wochen,
Auswertung der Rückmeldungen, nutzten amerikanische Künstler James Turrell einen sich über drei Ebenen erstreckenden
die ganz im Zeichen der Neueinrichtung
die Gelegenheit, ihren Freunden und Verdes Hauses stehen: 500 Kunstwerke werwandten in den anderen Städten die Schät- Lichtraum. „Below-Between-Above“ ist
den hier nun nicht nur ihren neuen Platz
ze aus Bremen zu zeigen. Das große Inter- der Titel des Werkes, bei dem die Besucher
finden, sondern auch die richtigen Lichtesse von Köln bis Berlin lässt sich auch an selbst auf einer Zeitachse der Ewigkeit steverhältnisse müssen eingestellt sowie die
der handfesten Tatsache ablesen, dass der hen werden, erläutert Herzogenrath. Der
Blick reiche in der Installation dann von
Beschriftungen und Einführungstafeln
Sammelband mit den 230 Meisterwerken
angebracht werden.
aus Bremer Beständen fast ausverkauft ist. den Gestirnen über sich, lasse der Raum
doch den Blick in den Himmel offen, bis
Wenn dann am 20. August die Türen geöff- Doch zurück zur Eröffnungsschau, die ne- auf den Grund, wo im weißen Marmor
Lichtsterne auf blitzen werden. „Es ist ein
net werden, erwartet die Besucherinnen
ben den „Noblen Gästen“ auch Werke der
wunderbares Bild der Wahrnehmung der
und Besucher eine umfangreiche Schau
französischen Malerei der Jahre 1820 bis
Kunstwelten durch die Betrachter in den
mit drei Schwerpunkten: Zum einen sind
1920 in den Blickpunkt rückt. Schließlich
im Haus dann Höhepunkte der Kunstgehat Kustodin Dr. Dorothee Hansen für die Bildern der anderen Künstler der Samm-
serie Die neue Kunsthalle Bremen
57
Die hohe
Kunst des
Versicherns.
lung“, stellt Herzogenrath heraus. Außerdem dürfen die Besucher unter anderem gespannt sein auf ein „Museumserinnerungsobjekt“ von
Wolfgang Hainke und zwei bewegliche Betonskulpturen von Achim
Manz. Die Bremer Künstlerin Marikke Heinz-Hoek übernimmt zudem die Bespielung für die Schriftlaufbänder, die aber erst 2012 zu
sehen sein werden.
Bereits Mitte Oktober, direkt im Anschluss an die Eröffnungsschau, erwartet die Bremerinnen und Bremer – wie alle Interessierten – ein weiteres kulturelles Glanzlicht in der Kunsthalle: Dann wird nämlich die
Edward-Munch-Ausstellung eröffnet. Wir erinnern uns: Vor einigen
Jahren entdeckte eine Restauratorin hinter der Leinwand eines Werkes eine weitere: Unter dem Munch-Bild „Die tote Mutter“, das 1899 entstand, kam unerwartet das Bild eines nackten, sitzenden Mädchens
zum Vorschein, umringt von drei bedrohlichen Männerköpfen.
Seitdem befinden sich zwei Kompositionen des norwegischen Malers im Besitz der Kunsthalle, die damit die für Munchs Werk wichtigen
Themen Angst, Tod sowie das Verhältnis Mann und Frau in den beiden
Werken anschaulich versammelt. Diese Sujets bilden nun den inhaltlichen Rahmen der Schau, die ergänzt wird durch zahlreiche Leihgaben
aus internationalen Museen. Allein 14 Werke steuert das Munch Museum in Oslo bei. Hinzu kommen zahlreiche Leihgaben aus privaten
Sammlungen sowie viele Arbeiten auf Papier, die für die Bremer Ausstellung zum Teil erstmals ausgeliehen werden. Auch für diese umfangreiche Werkschau erarbeitete übrigens Dorothee Hansen das Konzept.
So war diese lange Zeit der geschlossenen Kunsthalle laut Wulf Herzogenrath nicht nur für die reisenden Meisterwerke eine aktive Zeit,
sondern gerade auch für die Mitarbeiter, die währenddessen an umfangreichen Forschungsprojekten beteiligt waren. „Weder Kunstwerke
noch Mitarbeiter haben sich ausruhen können!“ Denn neben der Vorbereitung für die angesprochenen Projekte standen vielfältige Aktivitäten auf der Agenda (wir berichteten): Tausende von Arbeiten wurden
EDV-erfasst und bearbeitet, weitere restauriert oder mit Passepartouts versehen. „Nun freuen sich alle auf den 20. August, wenn wir
wieder für die eigentliche Aufgabe da sind: das Zeigen und Vermitteln
der Kunst“, blickt Herzogenrath auf die nahende Eröffnung.
Dabei hat der Kunsthallendirektor noch einen Tipp zur Hand: Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind mehrere hundert Termine für Führungen sowohl durch die Eröffnungsschau wie auch durch
die Munch-Ausstellung angenommen worden. Es wird also eng in der
neuen Kunsthalle. Herzogenraths Rat: „Möglichst bald anmelden,
damit die Wunschtermine nicht schon ausgebucht sind!“
Zurücklehnen und entspannen: Mit
der ÖVB genießen Sie die schönen
Dinge ganz sorgenfrei. Welche Versicherung Sie auch nehmen – in Preis
und Leistung vertrauen die meisten
Menschen in Bremen und Bremerhaven
auf unser Repertoire. Und welche Rolle
dürfen wir in Ihrem Leben spielen?
58
SPARKASSE kulturell
Zu Gast in der Sparkasse Bremen:
›Spieglein, Spieglein…‹ Schönheitsideale
im Wandel der Zeit – Aufgeschlossen!
Skulpturen aus der Kunsthalle Bremen
Text: Sabine Komm
Aristide Maillol: Sitzendes Mädchen, sich das
Bein haltend, um 1900
„S
pieglein, Spieglein an der
Wand...“ – so beginnt das wohl
berühmteste Märchen aus der
Sammlung der Brüder Grimm. Die bange
Frage nach der Schönsten im ganzen Land
stellt eine von Ehrgeiz zerfressene Monarchin ihrem eigenen Spiegelbild. Jetzt bilden die ersten Wörter dieses Gesprächs
den Titel einer Skulpturen- und Videoausstellung in der Sparkasse Bremen.
Schönheitsideale
le Bremen, wie sich das Schönheitsideal im
Laufe der Zeit verändert hat.
man es damals üppiger liebte als heute
auf den Laufstegen der Modemetropolen.
Maillols Frauen haben breite Hüften,
Werke aus 100 Jahren treffen im Finanzstämmige Oberschenkel und einen gerunCentrum Am Brill aufeinander, Kleinbron- deten Bauch.
zen von Rodin bis zum Kubismus, darunter
auch Werke, die bisher selten ausgestellt
Schönheit, das zeigt die Ausstellung, konnte
waren. Dieser Dialog macht deutlich: Die
auch Verhängnis bedeuten. In Ovids Metain TV-Shows zelebrierten Top-Model-Maße morphosen ist nachzulesen, wie Aktaion
waren nicht immer das Maß der Dinge.
auf der Jagd die Göttin Diana und ihre Nymphen beim Baden überrascht, alle sind sie
„Die Präsentation, die in enger Zusammen- „Damit man sich in so viel Schönheit nicht nackt und wie erstarrt vor Schreck. Ein verarbeit mit der Kunsthalle entstanden ist, soll verläuft, ist die Themenschau in vier Etap- botener Blick mit tödlichen Folgen: Zur Stradie Verbundenheit unseres Unternehmens
pen gegliedert“, sagt Kunsthistorikerin
fe wird der Jäger in einen Hirsch verwandelt,
mit den BreRiemer. Los geht’s den die eigenen Jagdhunde zerfleischen. Die
mer Museen Werke aus 100 Jahren treffen im
bei den biblischen mildlose Göttin, die das befahl, modelliersichtbar ma- FinanzCentrum Am Brill aufeinander und mythologite Alexandre Alguiéres im Jahr 1882 in angechen“, sagt
schen Darstelspannter Aufmerksamkeit, den Kopf mit der
Tim Nesemann, Vorsitzender des Vorstanlungen. Hier erfahren die Betrachter, dass Mondsichel zur Seite gedreht. Interessant,
des der Sparkasse Bremen, die sich seit lan- die Schaumgeborene seit der Renaissance dass der Künstler die antike Figur dabei in
gem auch als Sponsor der Kunsthalle Bregern als Akt dargestellt wird – als weltliseine eigene Zeit beamt, ins mondäne Parimen engagiert. Anhand einer Auswahl von
ches Pendant zu der in der Schöpfungsge- ser Milieu kurz vor der Jahrhundertwende.
25 Kleinbronzen aus Kunsthallenbesitz
schichte beschriebenen Verführungskunst
zeigt Kuratorin Katja Riemer, derzeit wisvon Eva. Die Bronze-Figuren des FranzoIn Teil zwei der Schönheitsschau führt Katsenschaftliche Volontärin der Kunsthalsen Aristide Maillol um 1900 zeigen, dass
ja Riemer all die weiblichen Wesen vor, die
SPARKASSE kulturell
Max Klinger: Badende, die sich im Wasser
spiegelt, 1898
nicht mehr als Venus, Diana oder Eva identifizierbar sind. Befreit von mythologischem
oder biblischem Ballast geht es jetzt ums
Profane, um Frauen bei der Morgentoilette oder aber den selbstbewussten Blick
auf die eigene Schönheit. In Anspielung
auf Narziss, der sich bekanntlich in sein
Spiegelbild verliebt hat, präsentiert Max
Klinger 1898 eine „Badende, die sich im
Wasser spiegelt“. Ein Bein auf einen Baumstumpf gestützt, neigt sich die nackte Frau
vor, um sich besser sehen zu können.
Otto Gutfreund: Weiblicher Kopf, 1919
idealisierte Mann entstanden, der eine gigantische Kugel stemmt. Zudem sind hier
Degas’ „Tänzerin in Ruhestellung“ platziert und Gerhard Marcks’ „Tänzerin“ von
1947, eine Aktfigur mit gekreuzten Beinen. Mit leiser Ironie kontrastiert die Ausstellungsmacherin solche Figuren mit Waldemar Ottos „Kleinem Catcher“ von 1970:
Aggressiv und gleichzeitig beschützenswert wirkt dessen deformierter Körper.
Die dünnen Beine scheinen den mächtigen Leib kaum zu tragen. „Ich habe diesen
kleinen hässlichen Mann lieb gewonnen“,
bekennt Katja Riemer.
59
Kirsten Geisler: Dream of Beauty 3.1, 2003
Kult und computeranimierte Schönheit.
Doch was soll hier die Mondsichel in ihrem
Haar? Ein Verweis auf die römische Jagdgöttin Diana, die uns schon zu Beginn der
Ausstellung begegnet ist?
Auch das „Zauberglas“ des Deutsch-Norwegers Bjørn Melhus lässt viele Fragen offen. Wieder geht es um Narzissmus. Das
Video von 1991 zeigt den Künstler gleich
zweimal: im Fernseher als Frau verkleidet
und vor dem Fernsehapparat als Mann –
eigentlich ideale Voraussetzungen um anzubandeln. Doch scheinen beide, Mann
Auch Bernhard Hoetger führt uns in seiund Frau, so selbstverliebt, dass nur ein
nem „Darmstädter Torso (Jugend)“ Makellosigkeit vor Augen: Die Arme seines le- Im vierten und letzten Kapitel der Themen- stereotypes Frage-Antwort-Spiel möglich
bensgroßes Mädchens sind so angeordnet, schau schließlich wagt sie den Schritt in die ist. Auf penetrante Weise wiederholen sie
Zitate aus der Synchronfassung eines Wesdass sie die elegante Linie von Schulter,
Jetztzeit. Das Motto: „Futuristisch“. Hier
terns. „Ist das ein Zauberglas?“, fragt sie.
Brust und Hüfen nicht kreuzen.
trifft Otto Gutfreunds „Weiblicher Kopf“
Und er antwortet: „So oft du hinein siehst,
von 1919, ein eindrucksvolles Beispiel für
wird es dir verraten, wie schön du bist.“
Die dritte Etappe der Schönheitsschau
Kubismus, auf Videoarbeiten, wie Kirsten
dreht sich um athletische, um sportliGeislers „Dream of Beauty“. Die Künstleche Körper. Katja Riemer inszeniert hier
rin lässt eine virtuelle Frau, perfekt wie die Mit dieser Ausstellung eröffnet die
eine Bronze von Wilhelm Loth, entstanLara Croft der Computer- und Videospiele, Sparkasse die Reihe ›Aufgeschlossen‹
den 1983/88. Der durchtrainierte Körper
auf einem Catwalk stumpf auf und ab lau- der Kunsthalle Bremen.
der „Taucherin“ ist kopfüber aufgesockelt. fen. Offenbar ist diese Kunstfigur gefangen
›Spieglein, Spieglein…‹
Außen lässt die konvexe Hohlform an eiim Schönheitswahn unserer Gesellschaft.
Schönheitsideale im Wandel der Zeit –
nen muskulösen Mann denken, während
die konkave Innenseite den Blick auf einen Multimediakünstlerin Mariko Mori wiede- Aufgeschlossen!
Frauenakt preisgibt.
rum inszeniert sich 1996 als kühle Schön- Skulpturen aus der Kunsthalle Bremen
heit auf einem Flughafen. Zu meditativem Mittwoch, 08.06. bis Sonntag, 28.08.2011
Die Schönheit der Bewegung zeigt auch
Singsang absolviert sie ihre Performance. FinanzCentrum Am Brill
Franz von Stucks „Athlet“. 1892 ist dieser
Kleidung und Augen verweisen auf Manga- Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 9.00 - 18.00 Uhr
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KUnSt Städtische Galerie Delmenhorst
61
Dr. Annett Reckert übernahm die Leitung im
Haus Coburg
Text: Berit Böhme
„„h
ier bin ich Mensch, hier bin
Kunstmuseum Wolfsburg für Kommunikaich glücklich“, sagt Dr. Antion zuständig und wechselte für eine „gute
nett Reckert und meint damuseale Ausbildung“ ans Sprengelmuseum
mit die Städtische Galerie Haus Coburg
Hannover. In Göppingen lernte sie dann
in Delmenhorst, in der sie vor einem hal- als stellvertretende Leiterin der Kunsthalle
ben Jahr die Nachfolge von Bar„alles, was zur Leibara Alms angetreten hat. Ein „Kleinod mit intertung eines Hauses
„Kleinod mit internationaler
nationaler Strahlkraft“ gehört“ und nahm
Strahlkraft“ sei die alte Jugendzwischendurch
stilvilla, deren „atmosphärisch präsente
eine zweijährige Kunstvermittlungs-ProRäume“ die neue Leiterin besonders mag. fessur in Braunschweig wahr.
Sie seien „wie ein Instrument, das man
bespielen kann.“
Ausschlaggebend für den Wechsel nach
Norddeutschland seien „das von den RäuBespielen möchte sie es vorrangig mit eimen her reizvolle und international aufnem zeitgenössischen Programm. „Da
gestellte Haus“ sowie die „Programmfreiknüpfe ich an meine Vorgängerin an.“
heit“ gewesen. „Hier ist alles möglich“,
Gleichzeitig schätzt die Kunstexpertin die schwärmt Reckert. Der finanzielle Rahmen
hauseigene Sammlung, deren Schwersei hingegen angesichts der leeren Delpunkt im Oeuvre des Expressionisten
menhorster Stadtkasse eng gesteckt. „Wir
Fritz Stuckenberg und des Historienmasind am Limit.“ So müsse auch die nötilers Arthur Fitger liegt. „Die Sammlung ist ge Renovierung der Außenfassade noch ein
das Gewissen eines Hauses. Sie bringt die paar Jahre warten.
Ruhe rein, die in ein Museum gehört.“
„Ich arbeite sehr gerne mit partizipatoriNach Ansicht der 1967 geborenen Kassela- schen Ansätzen“, verrät die Museumsleinerin „ist es eine Lebensentscheidung, ob terin. Sie möchte die „Schwelle zwischen
man in ein ganz großes Haus geht. Oder
Bild und Betrachter überwinden“ und
ob man in so einem kleinen Haus arbei„den Betrachter zum Akteur machen“. Retet und Vergnügen daran hat, alles zu ma- ckert schätzt die Vielseitigkeit ihrer Arbeit
chen.“ Ihr Studium absolvierte Annett Re- in Delmenhorst. Bei der Planung und dem
ckert in Braunschweig. Später war sie am
Aufbau einer Ausstellung fühlt sie sich
ebenso wohl wie bei der Gestaltung von
Katalogen.
Annett Reckert würde gerne mehr junges
Publikum in die Städtische Galerie locken.
„Mir fehlt die Mitte der Gesellschaft. Kleine, Grundschulkinder und Senioren ins
Museum zu holen, gelingt bereits.“ Reckert
initiierte in Delmenhorst einen „Jugendklub“, der von einem bildenden Künstler
und einer Kunstpädagogin betreut wird.
Der Klub soll „Jugendliche ab 16 selbstständig an die Kunst bringen“ und „die
Neugier auf künstlerische Berufe wecken.“
Bis Mitte Juni zeigt die Galerie „Anton Stankowski. Kinderspiele“. Zu sehen sind Fotografien aus den 1930er Jahren sowie mit
geometrischen Formen longierende Collagen aus Stankowskis Kinderbuch „Gucken“.
Die Ausstellung flankiert ein „Spielraum für
Kindergarten- und Grundschulkinder“ in
der Remise. Dort experimentieren Knirpse mit Farbquadraten, probieren Spielzeug,
setzen Lettern in der Druckwerkstatt oder
erkunden den Farbkreis.
Künftig möchte die Leiterin vermehrt
„Spielarten des Humors“ aufgreifen und
einen Traum realisieren: Eine Ausstellung
nur in Ecken und Winkeln. Denn das Haus
habe viele davon und liege obendrein noch
an einer Straßenecke.
62
KUnSt Ausstellungen
Text: Sabine Komm
© Sven Ingmar Thies
kunstwErkE
Japan intim
Natur- und Atomkatastrophe haben Japan
in unseren Blick gerückt. Immer wieder die
Frage: Wie sind sie genau, diese Menschen,
die so diszipliniert mit dem Unglück umgehen? Antworten gibt die Wanderausstellung „Japanese Rooms“ im Übersee-Museum Bremen. 82 Schwarz-Weiß-Fotos, alle
vor der Katastrophe entstanden, ermöglichen einen intimen Einblick in japanisches Wohnen.
Hunde und mehr
Seit über 50 Jahren fotografiert Elliott Erwitt. Für Zeitschriften und für die Werbung. Mit leisem Witz und melancholischem Unterton. In Zusammenarbeit mit
der Agentur Magnum-Photos ist in Bremen
erstmals eine Werkschau des New Yorkers
zu sehen. Der Titel: „Von Hunden und anderen Zeitgenossen“. Das Focke-Museum Bremen zeigt 220 Fotos. Mit dabei einige seiner Hundeaufnahmen, diese skurrile
Hommage an den besten Freund des MenSven Ingmar Thies, Jahrgang 1969, hat foschen. Berühmt ist das Foto von 1974, das
tografiert, wie japanische Architekten, Stu- einen Schoßhund mit Pudelmütze neben
denten, Kaufleute, Köche und Künstler in
Dogge und den Schaftstiefeln seines FrauTokyo, Berlin, New York und Shanghai lechens verdammt klein aussehen lässt.
ben. In seinen Schwarz-Weiß-Bildern hat er „Hunde sind die freundlicheren Models“,
die Menschen durch Bewegungsunschärfen sagt Erwitt. Trotzdem hat er sie nur en pasanonymisiert. Trotzdem war es kein einfasant fotografiert.
ches Projekt. Japaner gewähren ungern Einblick in ihre Privatsphäre. Während bei uns In Bremen sind jetzt auch Fotos zu sehen,
Fenster dazu da sind, Licht hinein zu lassen, die während Erwitts weltweiten Einsätzen
sind sie bei Japanern meist zugehängt oder entstanden sind. Sie zeigen junge Männer
aus Milchglas. Schiebetüren bestehen aus
am Strand von Rio oder eine mexikanische
Reispapier. Viele Unterschiede also zu west- Straßenkapelle. Dass es sich um vintage
lichem Wohnen und Denken.
prints handelt, also Abzüge, die der Fotograf unmittelbar nach Entstehung des NeTrotzdem findet Thies die aktuelle Begativs selbst hergestellt hat, macht sie so
richterstattung irreführend: „Prinzipiell
wertvoll. Das Übersee-Museum zeigt zusind Japaner kontrollierter als wir, aber die dem einige von Erwitts Kurzfilmen, zum
Emotionen innen drin, das große Lachen
Beispiel „Beauty Knows No Pain“ (1973), –
und die Traurigkeit sind die gleichen wie
auch das Werke, die uns vor Augen führen,
bei uns.“ Jetzt sammelt der Fotograf unter wie komisch wir teilweise ticken. Übrigens:
dem Motto „Deutsche Künstler helfen JaDass der 83-jährige New Yorker auch heute
pan“ Spenden für das krisengeschüttelte
noch fotografiert, versteht sich von selbst.
Inselreich.
2. Juli bis 18. September 2011 im FockeBis 10. Juli im Übersee-Museum Bremen
Museum Bremen.
Kunst Ausstellungen 63
EINTRITT
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Leere Theater
Die Vergessene
„Für uns Theaterleute ist es ein Horrormotiv“, sagt Hans Georg Wegner, Leiter der
Opernsparte am Theater Bremen, über die
Ausstellung „Vorstellungen“. Denn die Fotos von Candida Höfer, die meisten wesentlich größer als ein Poster, bilden menschenleere Theatersäle ab. Egal, ob das
Teatro Cervantes Buenos Aires, das von
Goethe konzipierte Theater Lauchstädt
oder die Mailänder Scala – alle spiegeln
sie die Gesellschaft. Ränge und Logensysteme stehen für Hierarchie, Prunk für das
Selbstverständnis des Fürsten und Räume, in denen jeder von jedem Platz gut sehen kann, für ein neues Denken. Die in der
Theatergalerie am Bremer Goetheplatz inszenierten Großformate zwingen uns zu
einem langsamen Sehen in einer schnellen
Zeit, zum Endecken von Details.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bringt sie eigentlich alle Voraussetzungen mit für eine
große Karriere: Mathilde Vollmoeller-Purrmann (1876-1943), Tochter einer Frauenrechtlerin und eines Textilfabrikanten. Sie
ist hoch gebildet. Sie malt gut. Sie hat Erfolg
in Paris. Doch dann der Karriereknick. Seit
sie mit dem Maler Hans Purrmann drei Kinder hat, malt sie nur noch im Verborgenen.
Über sich selbst spricht die Künstlerin,
1944 geboren, Tochter des berühmten TVManns Werner Höfer, nicht gern. Früh beschließt sie, öffentliche Innenräume ohne
Menschen zu fotografieren: Konzertsäle, Hörsäle, Bibliotheken, Cafés, Sporthallen, Museen, Wartesäle, Bibliotheken, Theater – Orte der Kommunikation, bei ihr
leicht aus der Achse gerückt, dazu in einem
Licht, das diese Fotoserien malerisch wirken lässt. Keine Schnappschüsse, sondern
präzise geplante Momentaufnahmen. Dass
ihre Theaterbilder jetzt in einem Theater
zu sehen sind, passt perfekt.
Bis 3. Juli. Bremer Theatergalerie. Dienstag bis Sonntag 14 bis 17 Uhr.
Bis vor kurzem gingen die Kunsthistoriker
davon aus, dass ihr Werk damals abbricht
oder zumindest das meiste zerstört ist.
Fakt ist aber, dass ihre jüngste Tochter die
Arbeiten eisern unter Verschluss hielt. Erst
im Jahre 1999 tauchte der Nachlass wieder
auf. Jetzt sind Gemälde und Aquarelle der
Künstlerin, die im selben Jahren wie Paula
Modersohn-Becker geboren ist und ebenfalls Kontakt zu Rainer Maria Rilke hatte,
in Bremen zu entdecken.
Die Ausstellung „Mathilde VollmoellerPurrmann: Fest der Farben“ im Paula Modersohn-Becker Museum zeigt 38 Arbeiten,
einige inspiriert von Cézanne und Matisse. An diesen Stillleben überzeugt, wie mutig sie Äpfel, Blüten, Tischtuch und Hintergrund farblich modelliert. Dass sie nie
aufhörte zu malen, zeigen späte Aquarelle, die auf Reisen und nach dem Umzug der
Purrmanns nach Florenz entstanden sind.
Heute gilt Mathilde Vollmoeller-Purrmann
als Pionierin der Moderne.
Bis 3. Juli im Paula Modersohn-Becker
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64
KinO Metropolis
kinotipps
Der nie ganz gesehene
Klassiker
Die restaurierte Fassung von Fritz Langs
„Metropolis“
Erzählt wird von einer Stadt der Zukunft:
In Metropolis ist die Technik so weit entwickelt, dass die Reichen und Mächtigen ein
paradiesisches Leben führen können. Ihre
Stadt ragt weit in den Himmel hinein, zwischen den Wolkenkratzern fahren und fliegen sie mit den modernsten Vehikeln, und
sie kommunizieren mit Bildtelefonen. Doch
all das wird durch die Arbeitermassen im
Untergrund der Stadt in Gang gehalten, die
wie Sklaven in den Kellergeschossen gehalten werden und aufzubegehren drohen.
1926 drehte Fritz Lang diesen ersten monumentalen Sciencefictionfilm, und er
wurde eines der einflussreichsten Werke
der Filmgeschichte. Ridley Scotts „Blade Runner“ wäre ohne das Vorbild „Metropolis“ unmöglich gewesen, das Labor von Rotwang findet ist sich in den
„Frankenstein“-Verfilmungen wieder, Godards „Alphaville“ und Kubricks „Dr.
Strangelove“ enthalten Verweise auf diesen Stummfilm, den seit seiner Premiere
niemand so sehen konnte, wie Fritz Lang
ihn gedreht und geschnitten hat.
„Metropolis“ wurde gleich nach der Uraufführung drastisch gekürzt, ein Viertel
des Films galt als verloren, und über Jahrzehnte wurde versucht, ihn so vollständig
wie möglich zu restaurieren. Jede Dekade
hatte ihre eigene Version. Die kurioseste
war sicher jene des Filmkomponisten Giorgio Moroder, der den Film 1984 rigoros
auf 83 Minuten herunterkürzte und dazu
eine Rockdiscomusik einspielte, die heute
viel altmodischer wirkt als der Film selber.
schentiteln hingewiesen wird) zu kaschieren, verstärkt nur die Aura des Films.
Der Film läuft seit 12. Mai in der Bremer
Schauburg.
Vor einigen Jahren war dann der Fund
eines 16mm Negativs in Buenos Aires der
Durchbruch, und nun gibt es eine nahezu
vollständige Fassung von „Metropolis“, bei
der die wiederentdeckten Fragmente zwar
an ihrer Bildqualität klar erkennbar sind,
sich aber dennoch erstaunlich gut in das
restliche Material einfügen. Durch sie fließt
die Erzählung viel besser, dramaturgische
Holperigkeiten, die bisher als Schwächen
bei Drehbuch und Inszenierung angesehen
wurden, sind verschwunden.
„Das ist eine interessante Metapher!“ So
analysiert eine Figur im Film das Problem
des Helden und nimmt damit dem Kritiker
das Wort aus dem Mund – oder besser dem
Text. Tatsächlich ist der Plot dieses Films
aus der Schweiz so offensichtlich um ein
Sinnbild herum fabuliert, dass er leicht zu
offensichtlich hätte wirken können.
So ist es dank sorgfältiger Restaurierung
möglich, nun einen komplexeren und besseren Film zu sehen, der zudem sehr durch
die Originalmusik von Gottfried Huppertz
gewinnt, die 1926 bei der Uraufführung gespielt wurde und ausgehend von einem Klavierauszug und Manuskripten des Komponisten neu aufgelegt und vom RundfunkSinfonieorchester Berlin eingespielt wurde.
Die restaurierte Fassung von Fritz Langs
„Metropolis“ ist ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk, und dass zum Glück nicht
versucht wurde, die Risse (die unterschiedliche Bildqualität) und Lücken (eine immer
noch fehlende Sequenz, auf die mit Zwi-
Ein Schweizer Sandmann
„Ein Sommersandtraum“ von Peter Luisi
Doch dies hat der Regisseur Peter Luisi dadurch geschickt vermieden, dass er logisch
und bis zur letzten Konsequenz durchdacht
hat, was mit einem Mann passiert, der sich
langsam in Sand verwandelt. Dabei beginnt der Film mit einem völlig gegensätzlichen Bild, denn gleich in der ersten Einstellung bekommt sein seltsamer Protagonist Benno Kaffee ins Gesicht geschüttet.
Dies hat er aber auch verdient, denn er
ist ein extrem unangenehmer Zeitgenosse. Fabian Krüger spielt ihn so rüpelhaft,
rücksichtslos und verlogen, dass er von
der ersten Szene an eine ganz eigene Faszination ausstrahlt. Snobistisch macht er
alle Menschen in seiner Umgebung herunter. Besonders hat er es auf Sandra abgesehen, die unter seiner Wohnung ein
KinO Ein Sommersandtraum
65
Demnächst im Kino:
(hip) Einen augenscheinlichen Beleg dafür, wie die Macht einen Menschen verändern kann, liefert Pepe Danquart in seiner Dokumentation „Joschka und Herr
Fischer“ (Kinostart: 19. 5.). Ein Jahr lang
führte er intensive Interviews mit dem inzwischen 62-jährigen Unternehmensberater und montierte diese Sequenzen mit
Archivmaterial aus Fischers Zeit als Sponti und Turnschuhträger.
In „Waste Land“ (26. 5.) wird ein ungewöhnliches Projekt des brasilianischen
Künstlers Vik Muniz dokumentiert. Dieser
fotografierte Müllsammler auf der größten
Müllkippe der Welt in Rio de Janeiro. Er
machte allerdings keine voyeuristischen
Bilder von ihrem Elend, sondern zeigt sie
in kunstvollen Porträtaufnahmen nach
berühmten Vorbildern aus der Kunstgeschichte. Dies erinnert an den Film „Orfeu Negro“, in dem der griechische Mythos
von Orpheus in der Unterwelt in die Favelas von Rio verpflanzt wurde.
ren, richtigen Leben retten. Dabei sucht er
die Hilfe eines Esoterikers aus dem Fernsehen, doch der gibt als Lösung für Bennos
Problem nur die Zahl „9“ an und begründet
Bei seiner Arbeit in einem Laden für Phila- seine kryptische Antwort damit, dass er ein
telisten legt Benno am liebsten jene herein, Hellseher und kein „Hellwisser“ sei. Auf die
die geerbte Briefmarkensammlungen verrichtige Spur kommt Benno dann durch seikaufen wollen und keine Ahnung von deren ne Träume, denn diese teilt er mit der von
tatsächlichen Wert haben. Bei solch einer
ihm so gerne beschimpften Kellnerin.
besonders perfiden Aktion (er gibt an, eine
Einer der Gründe dafür, warum diese abMarke sei nur die Fälschung einer besonsurde Komödie so komisch ist, liegt daders wertvollen Fälschung) rieselt ein weran, dass Benno und Sandra einander in
nig Sand aus seinem Ärmel. Schnell fließt
der ersten Hälfte des Films so boshaft beimmer mehr von diesem materialisierten
kriegen. Statt des im Titel verballhornten
falschen Leben aus ihm heraus, und der
Stücks von William Shakespeare erinnert
Film ist dann am unterhaltsamsten, wenn
man sich eher an dessen „Viel Lärm um
er zeigt, wie Benno versucht, trotz seiner
Nichts“ mit den gewitzten Streitereinen
fantastischen Verwandlung sein alltägzwischen Beatrice und Benedick.
liches Leben zu bewältigen und diese vor
kleines Café betreibt, dort nächtens ihren
Auftritt als „Einfrauorchester“ probt und
ihn dadurch am Schlafen hindert.
den anderen Menschen zu verbergen.
Wie jeder weiß, der als Kind das Sandmännchen gesehen hat, lässt diese Art
von magischem Sand die Menschen schlafen, und Benno lernt bald, diese Vorteile
seiner Versandung zu nutzen. Aber dann
merkt er auch, dass er immer leichter
wird, und spätestens, nachdem ihm einer
seiner Arme wegrieselt, wird ihm klar, in
welcher Gefahr er sich befindet.
Peter Luisi spielt hier mit den verschiedenen romantischen und märchenhaften
Motiven vom Sandmann, aber im Grunde ist sein Antiheld eher ein moderner Pinocchio, dessen Körper jede Lüge verrät.
So kann ihn nur die Suche nach dem wah-
Peter Luisi gelingt es, eine feine Balance zwischen den mythischen und burlesken Elementen zu halten. Schön ist auch,
mit welchen simplen Tricks er die fantastische Verwandlung von Benno bewerkstelligt. Statt der allgegenwärtigen Computeranimation nutzt er einfach den Sand,
in dem langsam nicht nur Benno, sondern der ganze Film zu versinken droht.
Fabian Krüger gelingt es, den Benno als
ein Ekel zu verkörpern, das seltsamerweise nie gänzlich unsympathisch wirkt. Die
Sandra wird allerliebst von einer Sängerin
mit dem schönen Künstlernamen Frölein
Da Capo gespielt. Nur eine gute Musikerin
kann auf die Note genau so falsch singen.
(Filmstart 21. Juli)
„Unter Kontrolle“ (26. 5.) ist heute so aktuell wie es sich der Regisseur Voler Sattler kaum hat vorstellen können: Der Film
handelt von der Sicherheit der deutschen
Atomkraftwerke. Dazu zeigt er nur die
Technologie und beweist so, dass die äußerste Sachlichkeit manchmal die effektivste Polemik sein kann. Ständig lauert in
diesem Film die Katastrophe, die nur mit
dem im Film gezeigten monumentalen
Aufwand verhindert werden kann.
„I’m Still Here“ (11. 8.) ist eine der raffiniertesten Täuschungen der Unterhaltungsindustrie. Der Schauspieler Joaquin Phoenix verkündete vor einigen Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere,
sich aus dem Filmgeschäft zurückzuziehen und nur noch als Rapper aufzutreten. Er verkörperte dies konsequent und
für alle glaubwürdig, bis er und der Regisseur Casey Affleck auf dem Filmfest Venedig verkündeten, er habe nur eine Rolle gespielt.
„Midnight in Paris“ (25. 8.) ist der neuste
Film von Woody Allen, der nun die französische Hauptstadt ähnlich romantisierend feiert wie in seinen letzten Filmen
London und Barcelona. Ein kleiner Skandal, der dem Film an der Kinokasse nur
nutzen kann, bestand darin, dass die Präsidentengattin Carla Bruni in einer Nebenrolle mitspielt und der Film prompt
nach Cannes eingeladen wurde.
66
kulturkalender
KULTUR
TERMINE
FORUM
...................................................
Bremerhaven
28. 5. (M) Giuseppe Verdi: Un Giorno di Regno. Großes Haus
4. 6. (S) Gerhard Meister: In meinem Hals steckt eine
Premierendaten
Weltkugel. Kleines Haus
4. 6. (S) Odyssee: Heimat – internationales Theaterfestival. 15. Mai bis 15. September 2011
Großes Haus
................................................... ...................................................
Oldenburg
Bremen
20. 5. (M) Georg Friedrich Händel: Saul.
19. 5. (T) Renz, Kovac, Rajeh: Triple Bill (UA).
Neues Schauspielhaus
28. 5. (S) George Tabori: Mein Kampf. Brauhauskeller
2. 6. (S) Henrik Ibsen: Ein Volksfeind.
Neues Schauspielhaus
Theater am Goetheplatz
(Abkürzungen:
Bremen
Theater Bremen
Tel. 04 21 – 36 53 – 3 33
Kleines Haus
Donnerschwee. Stadtteilzentrum Donnerschwee
18. 6. (S) Anton Tschechow: Der Kirschgarten.
15. 6. (S) Theaterprojekt: Monster 2011. Moks
Abkürzungen:
P = Premiere
WA = Wiederaufnahme
z.l.M. = zum letzten Mal
w.n.a.a. = wenn nicht anders angegeben
Terminschluss: 1. Mai
27. 5. (S) Niederdeutsches Schauspiel: Die Hölle von
10. 6. (T) Urs Dietrich: Perpetuum Mobile (UA).
Halle 10, Fliegerhorst
21. 5. (S) Niederdeutsches Schauspiel: Nienich to laat.
Ort noch unbestimmt
M = Musiktheater, S = Schauspiel, T = Tanztheater)
Was ihr wollt Mai 22. (18 h)
Der Vetter aus Dingsda Mai 25., 27., 28.;
Juni 4., 13. (18 h), 16., 21., 25.
Madama Butterfly Mai 26.; Juni 19. (18 h),
28.; Juli 2.
Perpetuum Mobile Juni 10. (P), 12. (18 h),
14., 18., 23., 29.; Sept. 4. (18 h/WA), 11. (18 h)
Norma Juni 17. (WA), 22.; Juli 1., 3.
Tag der offenen Tür Aug. 27. (15 h)
Saisonpräsentation Oper Bremen. Aug.
28. (18 h)
Matinee zu Tannhäuser Sept. 4. (11.30 h/
Theatergalerie)
......................................
Theater am Goetheplatz
......................................
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)
Neues Schauspielhaus
Idomeneo Mai 15. (18 h), 18., 29. (15.30 h);
Juni 2. (18 h), 5. (15.30 h), 24., 26. (18 h)
Kryos Mai 17., 19., 21.; Juni 1., 3., 11.
Die Nibelungen Mai 20., 24.
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
Kampf des Negers und der Hunde Mai 15.
(18.30 h)
Drei alte Männer wollen nicht sterben
Mai 18. (11 h), 22. (16 h), 27. (11 h); Juni
7.+15.+17.+21.+22.+27.+28. (11 h)
Triple Bill Mai 19. (P), 28.
Glaube Liebe Hoffnung Mai 20.
Die Glasmenagerie Mai 21.
DNA Mai 23. (10.30 h)
In einem Jahr mit 13 Monden Mai 27.
Groß und klein Mai 29. (18.30 h)
Ein Volksfeind Juni 2. (P)
Hauptsache Arbeit! Sept. 10. (P)
......................................
Moks
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
Gastspiel Shakespeares Hamlet Mai
21.+28. (20+22.15 h)
Wir alle für immer zusammen Mai
24.+25.+26.+27. (10.30 h), 29. (18 h), 30.+31.
(10.30 h); Aug. 30. (WA)
Monster 2011 Juni 15. (18.30 h/P)
literatur Die große Verschwendung
67
Text: Christine Krause
Phrasendrescher
als zum Erfolg.
Das aber ist nur
die Folie für das
Psychogramm
seines Protagonisten, das SchöSein erster Erzählband mit „überwiegend
a sitzt einer des Nachts in seiner
mel genüsslich und gemein, mit eiseskühWohnung am Fenster und spielt mit neurotischen Geschichten“ erschien 2002 ler ironischer Schärfe ausbreitet. Dieser
seinem Autoschlüssel, versunken in mit dem Titel „Die Schnecke“ und zeigte
Dr. Georg Glabrecht ist ein egozentrischer
ein Zwiegespräch mit seinem neuen Wabereits vollkommen seinen charakteMachtmensch, der – und das liest sich mit
gen, der unten auf der Straße steht: Klick ristischen Erzählstil, seinen ironischhämischem Vergnügen – die nächste Wahl
auf – klick zu. Und das Autochen antwor- boshaften Blick auf das eigene Geschlecht, verliert, und den dann nur noch die Sorge
tet und blinkert zurück – zwei Einsame in an dem er nichts Gutes lässt. Das unterquält, wer ihm die Hemden bügelt und wo
stummer Konversation.
streicht nach seinem ersten Roman 2004
er seine kostbaren Rotweine lagern kann.
und einem weiteren Geschichtenband
Ein Mann, politisch gescheitert ebenso wie
Von solch eigener Art wie dieser „König
sein neues Buch. Es heißt „Die große
privat im zweiten Frühling.
der Nacht“ sind sie, die Typen des WolfVerschwendung“ und weist mit seinem
gang Schömel. Singles und auf jeden Fall
kontaktgestört, denen schon beim Anblick Titelbild – einem Foto der Hamburger Ha- Der Autor breitet seinem Lesepublikum
fencity mit der Elbphilharmonie im Zenin unnachahmlicher Weise seine Insidereiner gebückt arbeitenden Putzfrau die
trum
–
gleich
mitten
hinein
ins
politische
Kenntnisse aus, pointiert formuliert, denn
Geilheit den Verstand abschaltet. Wolfer hatte sein Berufsleben lang Gelegenheit,
gang Schömel, in Bad Kreuznach geboren, Geschäft, in dem sich der Kulturbeamte
solche Politikertypen zu beobachten, die
promoviert an der Bremer Universität, war, Schömel bestens auskennt.
nach freier Autorentätigkeit für verschieHohlheit ihrer Phrasen und die anmaßende
dene Rundfunkanstalten, von 1986 bis
In dieser, einem kleinen Kunstgriff folgend, Attitüde ihrer Macht zu erleben. Er weiß,
1988 beim Bremer Senator für Bildung,
in Bremen spielenden Geschichte heißt das wie man ihnen ihre Reden schreibt und ihre
Wissenschaft und Kunst verantwortlich
„eventkulturelle Projekt“ MO gleich Mariti- sprachlichen Eigenarten einarbeitet, damit
für zwei „Literarische Wochen“ rund um
me Oper, die einen „touristischen Leuchtauch alles ganz selbst formuliert wirkt.
die Verleihung des Bremer Literaturpreiturm“ zu nennen die Senatsmitglieder, ihre
ses. In dieser Funktion eines LiteraturreFachreferenten und Pressesprecher nicht
Der Genuss, mit dem Schömel seinen
ferenten ist er seitdem bei der Freien und
müde werden zu wiederholen. Der in diesem Romanhelden seziert, garantiert ein hohes
Hansestadt Hamburg angestellt.
beschriebenen Falle grüne WirtschaftsseLesevergnügen. Aber was wäre auch andenator ist sich des „Labervokabulars“ zwar
res zu erwarten von einem, der sich „ApoBereits mit seiner ersten Publikation hat
bewusst,
hält
es
aber
für
die
Pflichten
seines
kalyptische Reiter sind in der Luft“ als Titel
er bewiesen, dass er sich als Autor im
Jobs,
dem
„Zeitgeist“
zu
entsprechen
und
seiner Dissertation ausgedacht hat. Dem
Literaturbetrieb durchaus behaupten
mit
Perfektion
auf
der
Klaviatur
der
PhraRomanhelden Glabrecht jedenfalls sind sie
kann. Dennoch arbeitet er bis heute weiter
sendrescher
mitzuspielen.
ziemlich um den Kopf geflogen!
als Beamter in der Verwaltung ebendieser
Maschinerie, die ihm ganz offensichtlich
Solch politischer Visionswahn ist sattsam Wolfgang Schömel: Die große Verschwenliteraturverwertbares Material in Hülle
bekannt, auch, dass er eher ins Chaos führt dung. Klett-Cotta, 239 Seiten, 19,95 Euro.
und Fülle liefert.
D
68
kulturkalender
......................................
Brauhauskeller
(Beginn, w.n.a.a.: 20.30 h)
Ulrike Maria Stuart Mai 15. (19 h), 19., 28.
Sch...Liebe 3 Mai 21., 22.
Das ist! Mai 29. (19 h)
Mein Kampf Juni 5. (19 h/P), 11.
Theatertreffen Juni 24.
......................................
Glocke
Tel. 04 21 – 33 66 99
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
8. Philharmonisches Kammerkonzert Elisabeth Leonskaja, Klavier; Artemis Quartett. Mai 16. (Kleiner Saal)
Joja Wendt Mai 17.
Glocke Sonderkonzert Lorin Maazel, Dirigent; Arabella Steinbacher, Violine; Philharmonia Orchestra London. Mai 21.
Glocke Backstage Besucherführung Mai
21., Juni 17. (14 h)
Glocke Ohrwurm „con anima“ Mai 22.
(10.45 h/Kleiner Saal)
11. Philharmonisches Konzert Viviane Hagner, Violine; Bremer Philharmoniker; Peter Schneider, Dirigent. Mai 22. (11 h), 23.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Mai 24., 25.
„Schulen musizieren“ Eröffnungskonzert.
Mai 26. (18 h)
Benefizkonzert Jugendsinfonieorchester
Bremen; Sinfonietta der Musikschule Bremen; Prof. Heiner Buhlmann, Leitung. Mai 27.
Rainhard Fendrich Mai 28.
Bremer Kaffeehaus-Orchester Mai 29.
(15.30 h/Kleiner Saal)
„Schulen musizieren“ Abschlusskonzert.
Mai 29. (12 h)
12. Philharmonisches Konzert Fadia ElHage, Gesang; Bremer Philharmoniker;
Eintragungen in den
foyer-Kulturkalender nur
5 Euro pro Zeile zzgl. MWSt
Kontakt
Roland Verlag
Telefon 04 21 - 1 26 63, Fax 04 21 - 1 33 17
[email protected]
Markus Poschner, Dirigent. Juni 6., 7.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Juni 17.
Bremer Philharmoniker Präsentation der
neuen Spielzeit. Juni 18. (12 h)
Glocke Sonderkonzert „phil sagend“ Bremer Philharmoniker; Schülerinnen und
Schüler; Markus Poschner, Dirigent. Juni 27.
Jugendsinfonieorchester Bremen; Sinfonietta der Musikschule Bremen; Prof. Heiner Buhlmann, Leitung. Juni 30.
Brahms Chor; Göttinger Sinfonieorchester; Joshard Daus, Leitung. Juli 3. (18 h)
22. Musikfest Bremen Eine große Nachtmusik Aug. 27. (19.30+21+22.30 h)
22. Musikfest Bremen Royal Concertgebouw Orchestra; Andris Nelsons, Dirigent.
Aug. 31.
22. Musikfest Bremen Bremer Philharmoniker; Kristine Opolais, Sopran; Markus
Poschner, Dirigent. Sept. 1.
22. Musikfest Bremen „Paris und die Romantiker“ Bertrand Chamayou, Klavier;
Julien Chauvin, Violine;
Le Cercle
de L‘Harmonie;
Jérémie Rhorer, Dirigent.
Sept. 4.
22. Musikfest Bremen „Beethoven pur“
Viktoria Mullova, Violine;
Kristian Bezuidenhout, Hammerflügel. Sept. 5.
22. Musikfest Bremen „Giulio Cesare“ Accademia Bizantina; Solisten;
Ottavio Dantone, Dirigent. Sept. 6.
22. Musikfest Bremen Hélène Grimaud,
Klavier. Sept. 12.
Circus Schule „Jokes“ Mai 30.+31. (18 h)
Verlorene Liebesmüh Juni 3., 17.
Hamlet Juni 4.
poetry on the road Juni 18.
Gastspiel Helden im Netz Juni 20.
(10+19.30 h)
Gastspiel Spiel dein Leben Juni 27. (10 h)
......................................
Andere Spielorte
„Umgedrehte Kommode“ (Werderstraße),
Beginn: 21 h
Shakespeares Pleasure Island Mai 19., 20.,
26., 29.; Juni 1., 9., 10., 11., 12.
Landgericht/Schwurgerichtssaal,
Beginn 19.30 h
Grund der Ausweisung: Lästiger Ausländer Juni 7.
Shakespeare im Park/Melcherswiese im
Bürgerpark, Beginn 20 h
Der Sturm Juni 30. (P); Juli 1., 2., 3. (18.30
h), 7., 8., 9., 10. (18.30 h), 13., 14., 15., 16.
......................................
theaterlabor bremen
im Concordia
Tel. 0421 – 98 68 966
Hans im Glück 20XI
Mai 26., 27.; Juni 3.,
4., 9., 10., 17., 18., 23., 24., 25., 30. (jeweils
19.30 h)
......................................
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . THEATRIUM Figurentheater
Hans-Böckler-Str. 9
bremer shakespeare company (ehem. Volkshaus-Casino)
Tel. 04 21 – 50 03 33
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)
buffet & matinee „Sommerlügen und
Liebesfluchten“ Mai 15. (11 h/Falstaff)
Macbeth Mai 18.; Juni 15.
Mario und der Zauberer Mai 19., 26.; Juni
11., 25.; Juli 1.
Kabale und Liebe für zwei Mai 20.
Viel Lärm um nichts Mai 21.
Die Leiden des jungen Werther Mai 24.;
Juni 16.
Lenz Mai 25.
Timon aus Athen Mai 28.
Gastspiel Libretto Fatale Mai 29.; Juni 9.,
24., 26.; Juli 2., 3.
Tel. 04 21 – 32 68 13
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
Gastspiel Schieflage mit Claudia Spörri.
Mai 20.
Gastspiel Rampenfieber mit Claudia
Spörri. Mai 21.
Gastspiel Bittersüßes Leben – schöne
Frauen, schmutzige Lieder Chansonabend mit den Musen Tri Dusen. Mai 25.
Das Glück ist ja schließlich keine Dauerwurst… Mai 26.
Mascha Kaléko: Träume, die auf Reisen
führen Mai 27.; Sept. 2., 3.
Der Alchimist – eine orientalische Nacht
(mit Buffet) Mai 28.; Juni 3., 4., 17., 18.; Juli
kulturkalender
2.; Aug. 26., 27.; Sept. 9., 10.
Der kleine Prinz – eine poetische Sommernacht (mit Live-Musik und Buffet) Juni
10., 11., 24., 25.
Amadeus – eine kulinarische Nacht (mit
Buffet) Aug. 19., 20. (20 h)
......................................
DKV-Residenz in der Contrescarpe
Tel. 04 21 – 3 22 90
Weltklassik am Klavier
Glöckchenetüde & Carnaval Mit Gesa Lücker. Mai 29., 17 h.
Chopin pur Mit Aleksandra Mikulska.
Juni 26., 17 h
Piano Duo: Die Moldau & Märchen von
Ravel Duo Tsuyuki & Rosenboom.
Juli 31., 17 h
Fantasien Mit Gabriele Leporatti.
Aug. 28., 17 h
......................................
swb-Kundencenter
Sögestraße/Am Wall
Tel. 04 21 – 83 11 41 (LeseArt)
Tel. 04 21 – 4 49 08 (energiejazz)
Tel. 04 21 – 34 31 70 (bremer hörkino)
69
LeseArt (19 h):
Xtra Frei Festival und Forum für freie
zeitgenössische Tanzprojekte.
16. bis 19. Juni
Nähe“. Mai 19.
Kunsthistorikerin Regina Gramse: „Lyonel Shockheaded Peter Juni 22., 23., 26., 29.,
30.
Feininger“. Juni 16.
Adonai Tanzperformance von und mit
hörkino (20 h):
Augusto J. Pineda. 30. Juni bis 3. Juli
„Wachleute, Türsteher, Neonazis“ Die priAnnamateur und Außensaiter Sept. 15.
vate Sicherheitsbranche in Deutschland
Prof. Bernd Altenstein: „Distanz und
von Michael Weisfeld. Juni 1.
„Der wilde Mann“ Eine NS-Raubkunst-Geschichte von Silke Henning. Anlässlich der
......................................
Kulturkirche St. Stephani
www.kulturkirche-bremen.de
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
bremer hörkino trifft Kunst
„ARCA“ Kunstausstellung von Gunther
Gerlach. Bis 12. Juni
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Ende der Zeit – Worte, Klänge, BilSchwankhalle
der Multimediales Musikprojekt, inspiBuntentorsteinweg 112, Tel. 0421 - 700 141
riert von den Thesen Stephen Hawkings.
www.schwankhalle.de
Mai 20.
www.steptext.de
Coleoptera – Die Klimakünstler Interak(Beginn, w.n.a.a.: 20 Uhr)
tives Theater zum Thema Klimawandel.
The Factory Marilyn Monroe in Andy
Juni 15.
Warhols Traumfabrik. 18. bis 21. + 26.
Mai Poetry in der Kulturkirche Juni 22. (19 h)
Tod droht im Blumenladen! Mit Cora
Trost im Liede Deutsche und japanische
Frost. Blumenladen, Friedhof BuntenKompositionen. Aug. 12.
tor.
20. bis 22. + 26. bis 29. Mai (15 bis 20 h) Gedenkkonzert zum Antikriegstag: MarThe Tiger Lillies Mai 25., 27., 28.
tin Luther King – Stimmen der Verheißung.
OUTNOW! Internationales Festival und
Ein amerikanisches Requiem. Sept. 2.
Treffen junger Künstler. 2. bis 12.
Juni
Wiedereröffnung der Bremer Kunsthalle /
Bühne frei
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kulturkalender
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Untere Rathaushalle
Kunstschaufenster
HAVEN
Kunstwerkermarkt „finden!“ Mai 28., 29. HÖÖVT Vegesack
(11-18 h). Eintritt frei.
www.finden-bremen.de
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Overbeck-Museum
Tourist-Info: Tel. 0 47 61 – 98 71 42
Seebühne
Gala-Nacht der Stars Juli 2. (20 h)
Konzert der Tiere für Kinder Aug. 28. (14 h)
6. Bremervörder Rock the City-Contest
......................................
Kulturbüro Bremen Nord
Oldenburg
Kito
Robert Kreis Mai 28.
Deutsche Kammerphilharmonie Juni 8.
Julian Gorus Juni 10.
Filippo Gamba Juni 11.
Christoph Berner Juni 12.
Viktoria Lakissova Juni 13. (11 h)
Hotel Bossa Nova Sep. 9.
Kulturbahnhof
Etta Scollo Mai 20.
Henning Venske & Jochen Busse Mai 23.
Sissi Perlinger Mai 27.
Junges Staatstheater Schneewitte Mai
24.+25. (10.30 h)
4. Familienkonzert Mai 29. (11.15 h)
Sonderkonzert Michael Sens Mai 31.
11. Lions-Open-Air-Konzert mit „The Bea- Aus der Mitte der Gesellschaft Juni 1.
6. Kammerkonzert Juli 3. (11.15 h)
tles ’65“. Juni 15. (19 h)
Sept. 10. (14 h)
Tel. 04 21 – 66 36 65
Tägl. 11-18 h außer Mo
Bachmann-Museum
„Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege,
Dein Alles“ Hermine Overbeck-Rohte – Die „Das Leben ist so unendlich reich…“
Ernst-Barlach-Ausstellung.
Retrospektive. 29. Mai bis 25. Sept.
19. Juni bis 21. Aug.
Tel. 0421 – 65 48 48
www.kulturbuero-bremen-nord.de
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
Tartuffe Mai 15., 20., 22., 27., 29.; Juni 4.,
10., 12. (15 h); Juli 2.
Ein Volksfeind Mai 18. (z.l.M.)
Wind Wasser und Mee(h)r
Arbeiten von
Flash Mob Mai 20.+26.+31. (11.30 h)
Bärbel Kock mit regelmäßig
wechselnden
Niederdeutsches Schauspiel Nienich to
Künstlern. 9.30 – 20 h
laat Mai 21. (P), 28.; Juni 5., 11.. 17., 18., 24.,
26., 30.; Juli 1.
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Gleishalle am Güterbahnhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
(nähe Hauptbahnhof,
Bremervörde
Beim Handelsmuseum 9)
www.kunstfruehling.de
7. Bremer Kunstfrühling Künstlerplattform: T[raum]a – Die Phobie als Muse.
6. Mai bis 6. Juni (tägl. 11-20 h)
5. Kammerkonzert Mai 15. (11.15 h)
......................................
Exerzierhalle
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
Zu Zweit bin ich eine Katastrophe Mai 18.,
21., 24.
Junges Staatstheater Die kleine Zoogeschichte Mai 19. (10.30 h)
Gastspiel Darwins Erbe Mai 29. (19 h), 30.
(11 h)
2401 Objects Juni 17. (P)
......................................
......................................
Stadteilzentrum DonnerOldenburgisches
schwee
Staatstheater
(Beginn 19 h)
Tel. 04 41 – 22 25 111
Niederdeutsches Schauspiel Die Hölle von
Halle 10, Fliegerhorst
Donnerschwee Mai 28. (P), Juni 1., 3.
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)
Die Walküre Mai 15. (17 h); Juni 2. (17 h)
Die Dreigroschenoper Mai 19., 26.; Juni 21.
......................................
Oldenburger Kunstverein
Saul Mai 20. (P), 25., 28., 31.; Juni 4., 22., 24. Tel. 04 41 – 27 109
www.kunstverein-oldenburg.de
7. Sinfoniekonzert Mai 22. (11.15 h), 23.
Aida Mai 27.; Juni 3., 17.
Kinder des Olymp Juni 11., 29.
Eintragungen in den
foyer-Kulturkalender nur
5 Euro pro Zeile zzgl. MWSt
Faszination Tanz Juni 15.
Kontakt
Roland Verlag
Telefon 04 21 - 1 26 63, Fax 04 21 - 1 33 17
[email protected]
Air Ways Juni 28.
8. Sinfoniekonzert Juni 19. (11.15 h), 20.
Tosca Juni 25.
2. Familienkonzert Juni 26. (11.15 h)
Kleines Haus
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)
Frauke Eigen-Ode Fotografien. 27. Mai bis
31. Juli
......................................
Landesmuseum für Kunst
und Kulturgeschichte
Oldenburg, Schloss
Tel. 04 41 – 2 20 73 00
www.landesmuseum-oldenburg.niedersachsen.de
kulturkalender
Di-Fr 9-17 h, Do 9-20 h, Sa-So 10-17 h
Franz Radziwill Expressionismus und
Neue Sachlichkeit. Bis 22. Mai. Prinzenpalais
„Oldenburger Köpfe“ SchülerInnen auf
Spurensuche zu historischen Persönlichkeiten. Ausstellung der Museumspädagogik. Bis 26. Juni
Verborgene Schätze aus vier Jahrtausenden. Die Großherzogliche Altertümersammlung. 5. Juni bis 4. Sept.
Syke
......................................
Europagarten Syke
www.eu-kreisverband-diepholz.de
Musikalische Reise durch Europa
Zeitgenössische Flötenmusik aus Europa mit
Carin Levine, Flöten. Anschließend Rundgang durch das Gesamtkunstwerk mit den
Künstlern des Europagartens (Zum Hachepark). Mai 22. (15 h)
......................................
Hannover
Landesmuseum Natur und
Mensch
......................................
Tel. 04 41 – 92 44-300
Verschiedene Spielorte
www.naturundmensch.de
Di-Fr 10-17 h, Sa & So 10-18 h
Sonderausstellung „O, schaurig ist’s,
übers Moor zu gehen“ 220 Jahre Moorar-
www.tanztheater-international.de
TANZtheater INTERNATIONAL 2011 (26.
Festivalausgabe). 1. bis 10. Sept.
chäologie
Emden
......................................
......................................
Horst-Janssen-Museum
Kunsthalle Emden
Tel. 04 41 – 2 35 28 91
Tel. 0 49 21 – 97 50 0
www.kunsthalle-emden.de
Horst Janssen und die Romantiker Zeich- Di-Fr 10-17 h (jeder 1. Di 10-21 h). Sa, So,
Feiertage 11-17 h
nungen von Caspar David Friedrich, Carl
Franz Radziwill 111 Meisterwerke aus priGustav Carus, Johan Clausen Dahl. Bis 26. vaten Sammlungen. Bis 19. Juni Zwischen
Juni
Film und Kunst Storyboards von Hitchcock bis Spielberg. Bis 17. Juli
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Ich zog 14 Tage durch die Ateliers junger russischer Künstler“ Malerei aus der
Lambertikirche Oldenburg
„Glasnost“-Zeit aus der Kunsthalle Emden.
4SAX4VOICES Raschér Saxophone Quartet 30. Juli bis 25. Sept.
& Kleiner Cäcilienchor. Werke u.a. von Kan- Christof Mascher „Colour Island“. 30. Juli
bis 25. Sept.
cheli, Weismann und Bach. Juni 19. (18 h)
www.horst-janssen-museum.de
Di-So 10-18 h
......................................
Wilhelmshaven
Palais Rastede
Tel. 0 44 02 – 8 15 52
......................................
www.palais-rastede.de
Kunsthalle Wilhelmshaven
Mi-Fr + So 11-17 Uhr u.n.V.
Tel. 0 44 21 – 41 44 8
www.kunsthalle-wilhelmshaven.de
rei, Grafik, Plastik. 22. Mai bis 25. Juli
Di 14-22 h, Mi-So 11-17 h
Helga Neuber und Claus Wettermann Ma- Lothar Götz „Don’t look now 1990-2011“.
4. Juni bis 21. Aug.
lerei und Plastik. 31. Juli bis 25. Sept.
Het Drents Schildersgenootschap Male-
71
72
kulturkalender
.....................................
Kultur Forum
(ps) Mit einer 24-stündigen Mahnwache
auf dem Goetheplatz wurde am 12. April an
das Schicksal des inhaftierten chinesischen
Künstlers Ai Weiwei erinnert. Die Aktion
ging auf eine Initiative des Theater Bremen
zurück und wurde gemeinsam mit den bremischen Kulturschaffenden veranstaltet.
Dabei wurden Unterschriften gesammelt,
um die Forderung nach einer sofortigen
Freilassung Ai Weiweis zu unterstützen, der
2009 als Bühnenbildner am Theater Bremen
gearbeitet hatte. Eines seiner Bühnenbilder
aus dem Doppelabend „Eine florentinische
Tragödie / Der Zwerg“ – eine sechs Meter
hohe und fünf Meter breite Installation aus
Fahrrädern – war deshalb auf dem Goetheplatz aufgebaut worden.
Erleben Sie mit
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Die Bremer Philharmoniker stellen am
Sparkasse Bremen lobt den Preis seit 1966
18. Juni um 12 Uhr in der Glocke die Höhe- alle zwei Jahre für vorbildliches und innopunkte der kommenden Spielzeit vor. Der vatives Kunsthandwerk aus.
Eintritt ist frei.
Für die Bremer Landesarchäologie ist nach
Bremens Generalmusikdirektor Markus
langer Suche im früheren Postamt 5 am
Poschner hat seinen Vertrag bis zum Ende Hauptbahnhof ein neuer Standort gefunden
der Spielzeit 2014/2015 verlängert.
worden. Das Team um die Landesarchäologin Prof. Dr. Uta Halle findet auf etwa 1100
Die bremer shakespeare company ist mit Quadratmetern Fläche deutlich verbesserte
ihrem Stück „Timon aus Athen“ als VerBedingungen der Forschung und dauerhaften Magazinierung vor.
treter Deutschlands zur Kulturolympiade eingeladen worden, die vom 21. Juni bis
9. September 2012 im Rahmen der Olym.....................................
pischen Spiele in London stattfindet.
Kunsthandwerk entdecken
Bilder des Bremer Künstlers Dirk Beckedorf unter dem Titel „Die Blüte und das
Meer“ sind bis 22. Juni am Bremer Kirchweg 200 zu sehen. Die Ausstellung steht am
Beginn der Sanierungs- und Umbauarbeiten des einstigen Betriebsgebäudes der Firma Koch & Bergfeld zum Manufakturzentrum „Quartier925“ und wird von einem
kleinen Veranstaltungszyklus begleitet.
Mit knapp 9000 Besuchern wurden die Erwartungen der Veranstalter der 10. Internationalen Tanztage in Oldenburg mehr
als erfüllt. Die Vorstellungen fanden nicht
nur in den drei Spielstätten des Staatstheaters, sondern auch auf Schulhöfen, im
Klinikum, auf dem Marktplatz oder in der
OTB-Arena statt.
Die Bremer Volkshochschule bekommt
eine neue Direktorin: Dr. Sabina Schoefer
soll ihr Amt zum 1. August 2011 antreten.
(ps) Etwa 40 Kunsthandwerker aus
Deutschland und dem europäischen Ausland haben sich für den Kunstwerkermarkt
„finden!“ angekündigt, der am 28. und 29.
Mai von 11 bis 18 Uhr in der Unteren Rathaushalle in Bremen stattfindet. Sie präsentieren klassische und auch experimentelle Gebrauchskunstwerke aus Metall,
Glas, Holz, Stein und Keramik. Dazu gehört handgefertigter Schmuck ebenso wie
Hüte, Mode und Dessous, aber auch exklusive Teppiche. Der Eintritt ist frei.
Der hochkarätig besetzte Markt fand in den
vergangenen Jahren im Bremer Viertel statt.
In der Unteren Rathaushalle können nach
Aussage von Frauke Alber „noch mehr hervorragende Kolleginnen und Kollegen des
Kunstwerkermarkts einem größeren Publikum weitaus besser vorgestellt werden.“
Die Veranstalterinnen Frauke Alber, Gisela Kulling und Tanja Möwis sehen ihren
Die Bremer Museen haben eine gemeinMarkt als Forum des Kunsthandwerks in
same Website ins Internet gestellt. Unter
Bremen und vergeben daher in diesem Jahr
www.museeninbremen.de können alle ak- zum ersten Mal eine „Green Card“. Daruntuellen Informationen zu Ausstellungen,
ter ist eine gesponserte „Arbeitserlaubnis“
Öffnungszeiten und Eintrittspreisen abge- für junge Talente zu verstehen. Je ein Nachrufen werden.
wuchshandwerker erhält die freie Teilnahme an dem Markt. In diesem Jahr ist der
Die Ausstellung „peter heidhoff – das ein- Holzgestalter Hendrik Hinrichs ausgewählt,
fache leben“ ist noch bis zum 5. Juni im
der 2010 mit seinem Gesellenstück erster
Focke-Museum zu sehen. Gezeigt werBundessieger im Leistungswettbewerb des
Drechslerhandwerks wurde.
den Arbeiten des aktuellen Auguste-Papendieck-Preisträgers Peter Heidhoff. Die www.finden-bremen.de
kulturkalender
Bremerhaven
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Stadttheater Bremerhaven
Tel. 0471 – 49 00 1
Großes Haus
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)
Un giorno di regno Mai 28. (P); Jun. 3., 9.,
12., 15., 18.
Die Csárdásfürstin Mai 31.; Juni 19.
Così fan tutte Mai 22.; Juni 5.
Buddenbrooks März 26. (P), 31.; April 10.,
15., 23., 27.
Mütter Mai 20., 27., 29.; Juni 1., 6., 13., 16.
Kleines Haus
In meinem Hals steckt eine Weltkugel
Juni 4. (UA), 9.
Großes und Kleines Haus
Theaterfestival Odyssee: Heimat
4. bis 12. Juni
Eröffnung der neuen Spielzeit
Eröffnungsgala Sept. 10.
...................................... ......................................
Deutsches Auswandererhaus Kunstverein Bremerhaven
Tel. 0471 – 4 68 38
Di-Fr 11-18 h, Sa+So 11-17 h
Klasse Gabriele Rothemann „Dear Car. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . go“. 15. Mai bis 19. Juni
Underground Lange Nacht der Kultur.
Historisches Museum Bre6. Juni
merhaven
Bremerhaven sammelt JubiläumsausTel. 04 71 – 30 816-0
stellung mit Kunst aus Bremerhavener
www.historisches-museum-bremerhaven.de
Sammlungen. 3. Juli bis 21. Aug.
Di-So 10-18 h
Matthias Weischer Neue Arbeiten auf PaTanzSport! Vom Tanzkurs zur Weltmeipier. In Kooperation mit dem Museum für
bildende Künste Leipzig. 11. Sept. bis 16. Okt.
sterschaft. 25. Juni bis 23. Okt.
Amerika Mai 30.; Juni 5., 11.
...................................... ......................................
Deutsches Schiffahrtsmuseum Christuskirche Bremerhaven
Schillerstraße 1, Tel. 04 71 – 20 02 90
Vom Cembalo zum Konzertflügel mit Eva
Schad und I-Fei Chan. Mai 15. (20 h)
Sonderausstellungen:
Chormusik von Georg Friedrich Händel
Java-Erforscher Franz Wilhelm Junghuhn
Juni 4. (18 h) + Musik für drei Bassetthör(1809 - 1864)
ner (19.30 h)
Friedel Anderson, Schifffahrt – Schiffbau
Chorkonzert zum Bremerhavener KirAb 19. Juni
chentag John Rutter: Gloria; Chorwerke
Auf Sindbads Spuren Fotos von Beat Pres- von Felix Mendelssohn Bartholdy. Evanser. Ab 2. Juli
gelische Stadtkantorei Bremerhaven; Leitung: Eva Schad. Juli 2. (17 h), Freiluftbühne beim Klimahaus
Jazz für Trompete und Orgel Sept. 4. (20 h)
täglich 10 - 18 Uhr
www.dsm.museum
Gestaltung: Büro Brückner + Partner | Computergrafik: hinrichs: grafikdesign
Theaterfest Sept. 11. (14 bis 19 h)
73
Kunsthalle Bremen
Aufgeschlossen!
Der Kunstverein in Bremen eröffnet die neue Kunsthalle am
20. August 2011
Der Erweiterungsbau der
Kunsthalle Bremen wurde gefördert
durch die Familien Friedrich Lürßen
und Peter Lürßen sowie die
Karin und Uwe Hollweg-Stiftung,
die Freie Hansestadt Bremen,
vertreten durch den Senator
für Kultur, und den Beauftragten
der Bundesregierung für Kultur
und Medien (aufgrund
eines Beschlusses des Deutschen
Bundestages).
FOYER-tiPP
für Kultur-Freunde:
„Shakespeare im Park“ ist in diesem Jahr
ganz anders. Statt einer Auswahl ihrer
Stücke spielt die bremer shakespeare
company auf der Melcherswiese im Bürgerpark „Der Sturm“ in einer Inszenierung
von Lee Beagley. Vom 30. Juni bis zum 16.
Juli finden zahlreiche Aufführungen statt.
Wir wünschen gutes Wetter und vor allen
Dingen: Keinen Sturm!
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Comeback-Mixer
Wenn Sportler, Sänger und sonstige Serienhelden in die Jahre kommen, stehen
sie vor zwei Möglichkeiten: Entweder sie
machen fortan als Werbefiguren für Billig-Baumärkte oder Tütensuppen den Affen. Oder sie drängen ins Fernsehen, um
künftig als Co-Moderatoren oder Jury-Mitglieder ihr vermeintliches Fachwissen von
sich zu geben. Hauptsache, irgendwie im
Rampenlicht bleiben!
Eine Auffassung, die auch beschäftigungslose Geistliche vertreten, deren Zahl als
Folge mancherlei Skandale deutlich angestiegen ist. Man denke nur an die trinkfeste Ex-Bischöfin, die mittlerweile Bücher schreibt, Professuren annimmt, als
Bloggerin von sich reden macht und nun
auch als Talkmasterin hervorgetreten ist.
Wen würde es da noch wundern, wenn sie
obendrein den Job als Sous Chefin einer
Kochshow namens „Himmlisch schlemmen“ auf Bibel-TV übernehmen würde?
Oder auf der Freilichtbühne Kötzschenbroda als Goethes Gretchen („Nun sag: wie
hast Du’s mit der Religion?“) aufträte?
Ihr einstiger Amtsbruder von der anderen
Fraktion ist zwar noch auf der Suche nach
einer sinnvollen – sprich: medienpräsenten
– Tätigkeit. Doch mit der Ankündigung,
bald werde seine Website bischof-mixa.de
freigeschaltet und außerdem sei die „Zeit
des Schweigens“ vorbei, hat er sich schon
geschickt in Szene gesetzt. Wenn er jetzt
noch das „Böser-Onkel“-Image des Kinder prügelnden Oberhirten kultiviert und
ein bisschen mehr auf Klaus Kinski macht,
dürfte einer glänzenden TV-Karriere nichts
mehr im Wege stehen. Zumindest als Experte in Diskussionsrunden wie „Ohren
lang ziehen – aber richtig!“ oder „Gnadenlos – Wenn Ministranten beichten.“
Peter Schulz
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iMprEssuM
Herausgeberin
Marie-Clothilde Kronenberg (v.i.S.d.P.) 1
Redaktionsleitung Peter Schulz 2
Kfm. Leitung Sonja Chrobok 14
Anzeigenverkauf Martina Ch. Radeke,
Inge Sasse 25
Autoren dieser Ausgabe
Bettina Beutler-Prahm 21, Berit Böhme 22,
Dr. Stephan Cartier 16, Christian Emigholz 3,
Sven Garbade 17, Michael Pitz-Grewenig 11,
Karin Hiller 4, Wilfried Hippen 5,
Dr. Sabine Komm 6, Christine Krause 7,
Dr. Ulrich Matyl 8, Simon Neubauer 15,
Melanie Öhlenbach 19, Carsten Preisler 10,
Dr. Meike Rotermund 18, Ute Schalz-Laurenze 9,
Benno Schirrmeister 23, Peter Schulz 2,
Markus Wilks 24, Inge Zenker-Baltes 12
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Basislayout Haase & Knels, Bremen
Druck ASCO STURM DRUCK Bremen
Vertriebsstruktur Theater- und Vorverkaufsstellen Bremen, Bremerhaven und Oldenburg,
Theater, Museen, Konzerthäuser und -büros,
Ticket-Service-Center, Hotels, Abonnementvertrieb, Fach-Zeitschriftenhandel Bremen,
Bremerhaven und Oldenburg
Bezugspreis Einzelpreis 3,10 Euro
Jahresabonnement 15,00 Euro
Auflage 10.000 Exemplare
Erscheinungsweise zweimonatlich
Nächste Ausgabe 15. September 2011
Redaktionsschluss 15. August 2011
ISSN-Nr. 1618-0852
Titelmotiv Eine Zauberflöte
Foto: Pascal Victor
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