„Philosophie meets Ethik-Kommission…“ Dieser Bericht aus den Schaumburger Nachrichten vom 19. April 2006 motivierte den LK Philosophie, der sich gerade mit normativer Ethik beschäftigte, Kontakt zur Ethik-Kommission aufzunehmen und ein Gesprächsangebot über medizinische Ethik und die dahinter liegenden Begründungsstrategien zu machen. Im Juni 2006 fand dann in den Räumen des Kreiskrankenhauses Stadthagen ein Gesprächsnachmittag statt. Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses hatten Impulsreferate zu den Themen „Mitleidsethik“, „Tugendethik“ und „Existentialistische Ethik“ vorbereitet und jeweils den Bogen zu Fragen ärztlicher Ethik gespannt. Aus diesen Referaten entwickelte sich im Anschluss jeweils eine ausgesprochen fruchtbare Diskussion, in der alle Beteiligten ihre Überlegungen und Argumente konstruktiv und auf gleicher Augenhöhe austauschten. Die Gespräche sollen bei Gelegenheit fortgesetzt werden. Hier einige Bilder und die Verlaufsprotokolle von den Gesprächen: Verlaufsprotokoll der Diskussion zur Mitleidsethik im Anschluss an das Referat von Elfie Müller am 16.06.2006 (14.55Uhr-15.30Uhr) Kraus: Dient das Mitleid als Motivation den Beruf der Krankenschwester oder des Arztes zu wählen und in wieweit wird es in die Arbeit mit eingebunden? Pflegedienstleiterin Frau Deppmeyer (D): Obwohl das Mitleid als erste Motivation dient, Krankenschwester zu werden, reicht diese nur für das erste halbe Jahr, denn man muss auch Verschlechterung ertragen und mitbegleiten. Chefarzt für Anästhesie Dr. Grosse (G): Man muss die Fähigkeit haben, einem Menschen zu helfen, der in Not geraten ist; mit Mitleid ist dies nicht möglich. Man muss eine höhere Ebene anstreben, die Verbesserung des Zustandes schaffen, mit Opferbereitschaft und Aufmerksamkeit. Es gibt keinen reinen Altruismus, denn die meisten wollen aus allem Gewinn ziehen. D: Altruismus entsteht aus Egoismus: Ich bin gut und erarbeite mir damit Punkte im Himmel. Krankenhausseelsorger Pastor Dahl (K): Es gibt zwei Typen im Krankenhaus, einmal den Typ des Helfers und einmal den Typ, der Stolz darauf ist, anderen zu helfen und sein Selbstwertgefühl durch diese Hilfe steigert. Kraus: Wenn man auf Mitleid verzichten würde, was wäre das dann für ein Krankenhaus? K: Patient als Nummer?! Johanna: Als Arzt verdient man Geld, die Handlung wird dadurch gekennzeichnet. D: Mitleid ist nicht gleich Qualität, denn es hilft dem Patienten nicht weiter. Betty:Mitleid ist Motivation --> ganz ohne Mitleid geht es nicht Laura: Ausgewogenes Verhältnis muss besten D: Für Mitleid muss man Betroffenheit einsetzen und zusammen mit dem fachlichen Wissen kann man einen Weg entwickeln, wie dem Patienten zu helfen ist. G: Jeder besitzt ein individuelles Mitleidspotenzial. Man darf es nicht ausradieren, aber man muss trotzdem auf einer sachlichen und vernünftigen Ebene bleiben. Linda: Man kann durch das Mitleid auch negative Handlungen vollziehen --> Sterbehilfe D: Bei Sterbehilfe hat man nicht Mitleid mit dem Patienten, sondern mit sich selbst. Man ist dem Druck nicht mehr gewachsen, ihn zu pflegen und versucht sich von dem Menschen aus egoistischem Antrieb zu befreien. Im Krankenhaus: Doch die Arbeit ist damit nicht zu Ende, weil der nächste Patient kommt. Sozialarbeiter Follmann (F): Man muss das Leid objektiv wahrnehmen, damit man erkennt, was der Patient für eine Behandlung benötigt. Johanna: Objektive Handlung, aber Mitleid ist subjektiv. F: Wahrnehmung muss objektiv sein, trotzdem bleibt man menschlich. Chefarzt für Chirurgie Prof. Dr. Hegelmaier (H): Man darf im Krankenhaus nicht zu viel mitleiden, doch ganz ohne geht es nicht. Viel wichtiger ist Empathie (Worterklärung am Ende des Protokolls), denn man muss sich einfühlen können, um Leid zu erkennen und zu vermindern. Im Gegensatz zu Mitleid, braucht Empathie keine Nähe. Empathie ist die wesentliche Grundlage. Laura: Wenn es um die Patienten geht: Ist zwischen Mitleid und Mitgefühl denn ein großer Unterschied? H: Man muss die Fähigkeit besitzen, zu realisieren, was ein anderer empfindet und dementsprechend reagieren. D: Das Empathievermögen ist erlernbar. Die Krankenschwestern sind davon noch mehr betroffen, da sie mehr Kontakt mit den Patienten und deren Gefühlen haben und Sensibilität und Bereitschaft etwas zu tun mitbringen müssen. Dann erkennen sie auch kleine Veränderungen bei Patienten, die sich nicht äußeren können. Mitleid ist hinderlich, da sie dann keine sachlichen Lösungen finden können. Studienreferendar Brämer (B): Viele Patienten fühlen sich wie Nummern und nicht wie Menschen. Was kann man für Methoden benutzen: Abfertigung? Krankenhausseelsorger? Oder gibt es andere Möglichkeiten? D: Es kommt auf die persönliche Gefühlslage des Patienten an, ob man sich als Nummer fühlt. Dieses Gefühl entsteht wahrscheinlich dadurch, dass Zeitmangel seitens des Pflegepersonals herrscht, obwohl natürlich alle bemüht sind, jedem Patienten Zeit zu widmen. Bei schwerwiegenden Eingriffen herrscht zudem ein größerer Wunsch nach mehr Gesprächen und Einführung. Der Eindruck, eine Nummer zu sein, ist dadurch berechtigt. G: Bestätigung des Gefühls der Nummer, da minderschwer Verletzte nicht den Zeitaufwand bekommen, den die Patienten sich erwünschen. B: Vielleicht findet ein Patient mit einem Armbruch dieses in dem Moment aber ganz schlimm. D: Dem Personal fehlt es aber an Zeit, deshalb muss man Prioritäten setzen und von minderschwer Verletzten Zeit abknapsen und diese dem Schwerverletzten zugestehen. Mit den leicht Verletzten kann es dann zu Spannungen kommen. Johanna: Die Patienten haben einen falschen Anspruch; sie müssen Rücksicht nehmen und akzeptieren, dass die Zeit knapp bemessen ist. Kraus: Patient weiß nicht, dass andere schlimmer betroffen sind, sieht seine Verletzung bzw. sich im Mittelpunkt. Das Personal müsste ihn über die Situation aufklären. D: In der Notfallaufnahme z.B. wird immer um Verständnis gebeten, dies tröstet den Patienten aber nicht, denn jeder sieht sich selbst als Mittelpunkt. Linda: Kommt auf die jeweiligen Menschen an und wie sie betreut werden möchten. (Bsp.: Manchen genügt ein nettes Lächeln und manche wollen noch ein 10minütiges Gespräch.) D: Für die Patienten ist das Krankenhaus sozusagen eine neue Welt, der Aufenthalt überfordert sie und ist belastet durch Angst. Zudem wird wenig gesprochen (z.B. bei Routinearbeiten) und schon kleinste negative Zeichen seitens des Personals verunsichern den Patienten. Diese versuchen Sicherheit zu geben, doch der Patient wird oft durch Unsicherheit aggressiv, durch welche sich die Schwestern angegriffen fühlen. Empathie: [griechisch„, Einfühlungsvermögen "]Neigung und Befähigung; sich in andere Menschen einzufühlen sowie die damit verbundene Fähigkeit, neue soziale Rollen zu übernehmen und fremde (Wert-) Vorstellungen in die eigenen zu integrieren. www.wissen.de Lissa Kutzinski und Mareike Rosenberg Verlaufsprotokoll der Diskussion zur existenzialistischen Ethik (Referat Johann Roth) vom 16.06.06 Nachdem Johanna ihr Referat über die existenzialistische Ethik abgehalten hat, begannen wir, die Ethikkommission und der Philosophie LK, eine Diskussion über den Nutzen einer solchen Ethik. Grosse: Jeder Patient hat ein Recht auf Leidminderung, also ist es die Pflicht des Arztes ihm zu helfen. Wenn der Patient nun schmerzlindernde Mittel fordert, muss er sie bekommen, auch wenn dieser dadurch früher stirbt, als ohne Medizin. Der „Mischbereich Sterbehilfe" löst sich also auf, weil der Patient es so gewollt hat. Johanna: Der Arzt muss sich aber vor sich selbst verantworten und nicht vor dem Gesetz! Brämer: Welche Kriterien gibt es, wenn der Patient keine Maßnahmen erwünscht? Löns: Die Entscheidung erfolgt dann spontan, jedoch nicht aus dem Bauch heraus... Schürmann: Ist die Patientenverfügung immer Pflicht? Oberarzt für Chirurgie Dr. Löns: Ja, aber sie wird von Arzt zu Arzt unterschiedlich interpretiert. (siehe: www.Patientenverfügung) Alle sind sich einig: Jeder Arzt muss situationsbedingt entscheiden. Dafür ist eine Diskussion im Team von großem Nutzen, da die Verantwortung somit aufgeteilt wird. Deppmeyer: Sartre kann einem bei Kleinigkeiten weiter helfen, jedoch ist er bei ernsten Dingen keine große Hilfe. Dafür muss ein Gruppengespräch stattfinden, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Follmann: Außerdem trägt auch der Patient selbst eine große Verantwortung dafür, was mit ihm geschieht. Grosse: Die Vorstellung von der Tragweite der Verantwortung des Arztes ist falsch, sie ist übertrieben. Der Patient muss sehr viel Eigenverantwortung tragen, was durch Aufklärung durch die Ärzte auf ihn abgewälzt wird. Hegelmaier: Also, bei mir ist dies nicht der Fall. Ich erlebe es anders. Wenn der Patient akut krank ist - wo bleibt da die Selbstbestimmung, wenn er nicht mehr dazu in der Lage ist, sich zu äußern?! Somit ist dem Arzt doch häufig ein Großteil der Verantwortung aufgelastet: Der Patient begibt sich in die Obhut des Arztes, womit er sein Leben in dessen Hand legt und wodurch der Arzt die Verantwortung aufgehalst bekommt. Nun empfinde ich keine Schuld, wenn ich eine falsche Entscheidung getroffen habe, jedoch fühle ich mich auch nicht durch eine Patientenverfügung von der Verantwortung entlastet, selbst wenn der Patient fünf Mal unterzeichnet hat. Die Situation ist so und so schwer, ich nehme tragische Fälle oft mit nach Hause und denke noch lange darüber nach. Selbst wenn in solchen Fällen alles formal richtig gelaufen ist, habe ich ein schlechtes Gewissen. Daraus folgt, dass entgegengebrachtes Vertrauen mit der Übernahme von Verantwortung einhergeht. Zum Referat: Mit der existenzialistischen Ethik kommt man nicht weit, weil man ein Problem nicht lösen kann, ohne Prinzipien zu haben. Diese zu entwickeln ist schwer, da es viele Einflüsse gibt. Darüber hinaus ist diese Ethik nicht ausreichend, weil sie den Einzelnen zum Gott macht, indem sie ihm die alleinige Entscheidungsgewalt gibt. Das wäre nicht zu tragen - es ist schlichtweg zu schwer! Grosse: Natürlich kann ein Arzt nicht jede Entscheidung allein treffen. Somit ist die Vorstellung doch falsch, dass ein Arzt allein da steht. Protokollanten: Timm Kremmin, Betty Scherkus Verfasst von: Betty Scherkus Verlaufsprotokoll der Diskussion über Antike Tugendethik (Referat Mandy Dröscher) am 16.06.06 Über die Philosophie des Glücks: An die antike Philosophie muss man sich anders annähern. Denn egal aus welchen ethischen Prinzipien man in dem Beruf des Arztes handelt, man ist dennoch jedes Mal direkt in das Geschehen eingebunden. Somit erlebt der Behandelnde die Konsequenzen seines Handelns direkt mit. Aber der Arzt selber profitiert auch davon. - Denn man kann nicht handeln ohne nicht selber Glück zu erfahren Antike Ethik ist heute ebenfalls noch aktuell Man sollte ebenfalls lernen, seine Gefühle zu kontrollieren, wenn man im medizinischen Bereich tätig sein will. Denn dann sei man erfolgreicher im Leben und im Job. Außerdem bekäme man durch die fortdauernde Behandlung der Patienten mehr Glück und Erfahrung. Warum entscheidet man sich für den Beruf Arzt? Und was erleichtert diesen Beruf? Die Anwendung der Mitleidsethik ist zunächst nicht schlecht, jedoch sollte man sie im Laufe der Zeit ablegen. Durch Diskussionen mit der Kommission, Richter und Patienten wird die Verantwortung ein wenig von den Schultern genommen, was den Ärzten hilft Wie hat sich die Ausbildung für die Ärzte im Laufe der Jahre geändert? Es gibt mehr Praxis für die Auszubildenden Es wird mehr Philosophie im Studium vermittelt Schlusswort: Man kann inneres Glück durch den Beruf die gesamte Zeit ernten, somit bleibt der Wunsch des Helfens bestehen. Johannes Opitz und Nadja Wennicke