5 Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom A. Böhle Einleitung Das Harnblasenkarzinom ist der fünfthäufigste maligne Tumor beim Mann und der siebthäufigste der Frau. Die Inzidenz beträgt ca. 17–19 pro 100.000 Einwohner und ist mit ca. 2–3% aller malignen Tumorerkrankungen der häufigste Tumor der ableitenden Harnwege (Zingg 1982). Das Blasenkarzinom ist insgesamt für etwa 3,5% aller Krebstodesfälle verantwortlich. Als Todesursache beim Mann stehen sie an 6. Stelle, bei der Frau an 8. Stelle aller Todesfälle. In der Urologie ist es nach dem Prostatakarzinom der zweithäufigst anzutreffende Tumor (Hölzel u. Altwein 1992). Die Mehrzahl der Patienten, ca. 70–80%, hat bei Diagnosestellung oberflächliche Tumoren der Stadien pTa, pT1 und CIS. In Abhängigkeit vom Tumorstadium und Differenzierungsgrad rezidivieren jedoch ca. 70% nach ausschließlicher transurethraler Resektion und bis zu 25% der Patienten erleiden einen Progress im Sinne eines höheren Tumorstadiums bzw. schlechteren Differenzierungsgrads im Rezidiv (Lutzeyer et al. 1982). Die korrigierte Fünfjahresüberlebensrate für Patienten mit pTa-Tumoren beträgt 95%, für das Tumorstadium pT1G1/2 81% und für das Tumorstadium pT1G3–4 64% (Rübben et al. 1990). Tritt ein Rezidiv auf, verschlechtert sich die Prognose bei pTa-Tumoren auf 77,7%, bei pT1G1/2-Tumoren auf 78,6% und bei pT1G3/4-Tumoren auf 38,7%. Darüber hinaus sind der Differenzierungsgrad und die Multifoka- lität des Primärtumors von prognostischer Bedeutung: Während hochdifferenzierte Tumoren nur in 0–6% eine Invasion der Lamina propria und damit eine Progression aufwiesen, zeigten 22–52% der mittelgradig differenzierten Tumoren und 5–82% der niedrig differenzierten Tumoren im Verlauf nach transurethraler Resektion ein invasives Wachstum. Primär multifokale Tumore, mehr als zwei Tumore bei Erstdiagnose, ein begleitendes Carcinoma in situ und eine Tumorgröße von >5 cm beeinflussen die Prognose ebenfalls im Sinne einer Verschlechterung (Cutler et al. 1982). Weitere wichtige Prognoseparameter für das oberflächliche Urothelkarzinom, unabhängig von Tumorstadium und Differenzierungsgrad, wurden von Kurth und Mitarbeitern der EORTC ermittelt. Neben dem Behandlungsjahr und der Erfahrung des behandelnden Arztes wurde insbesondere der Status des Patienten nach 3 Monaten, unabhängig von einer adjuvanten Behandlung, als prognostisch ungünstig herausgestellt (Kurth et al. 1995). Aus den genannten Daten zur Rezidiv- und Progressionswahrscheinlichkeit oberflächlicher Tumore ergibt sich die Notwendigkeit einer adjuvanten Therapie. Lediglich primäre monofokale Tumore im Stadium pTa G1 bedürfen aufgrund der niedrigen Rezidivund Progressionswahrscheinlichkeit keiner adjuvanten Therapie; bei allen anderen oberflächlichen Tumoren wird eine intravesikale Rezidivprophylaxe empfohlen (Böhle et al. 2000). In Deutschland kommen die intravesikale Zytostatika- sowie die intrave- 68 Kapitel 5 · Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom sikale BCG-Instillation zur Rezidivprophylaxe zum Einsatz. Nachfolgend soll der wissenschaftliche Hintergrund der BCG-Therapie, die praktische Durchführung der Behandlung, die Nebenwirkungen der Therapie sowie der Stellenwert der Behandlung im Vergleich zu anderen Therapieverfahren dargestellt werden. Historische Entwicklung der intravesikalen BCG-Therapie 5 Nachdem die sog. Blasenpapillomatose noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts als eine Infektionskrankheit betrachtet wurde und mittels Desinfektion der Blase behandelt wurde (Kirwin 1943), dauerte es bis zur Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis eine klinisch relevanten Immuntherapie für das Blasenkarzinom eingesetzt wurde. Angeregt durch das als »Coley’s Toxin« bekannt gewordene Bakterienextrakt des amerikanischen Chirurgen W.B. Coley, der die Heilung eines rezidivierenden Lymphosarkoms nach Erysipelinfektion bereits Ende des 19. Jahrhunderts beobachtete und danach in die adjuvante Karzinomtherapie eingeführt hat (Coley-Nauts et al. 1953), wurden weitere mikrobielle Substanzen untersucht, die zur Rückbildung von malignen Tumoren führten. Basierend auf der Beobachtung, dass eine chemisch bzw. radiogen induzierte Lymophopenie als prognostisch ungünstiges Zeichen bei Blasenkarzinompatienten zu werten war (Bubenik et al. 1970) und dass ein Zusammenhang zwischen der Progression von Blasentumoren und Immunsuppression bestand, entwickelte sich die Überlegung, dass die Stimulation des Immunsystems, also eine Immuntherapie, auch eine mögliche Form der Therapie beim Harnblasenkarzinom darstellen könnte. Neben dem »Coley’s Toxin«, dem Rabies-Virus und dem Corynebacterium parvum wurde besonders das Bacillus Calmette-Guérin (BCG) erfolgreich in der Therapie von malignen Melanomen bei intraläsionaler Injektion sowie bei systemischer Immunisierung bei Leukämien eingesetzt. 1935 beschrieb Holmgren erstmals die antineoplastische Wirkung von BCG. Die stark immunogene Wirkung mykobakterieller Präparationen wurde von Freund erforscht und angewendet (Freund 1956). 1966 zeigten Coe und Feldman, dass die Harnblase genau wie die Haut in der Lage ist, eine Immunantwort vom verzögerten Typ (»delayed-type hypersensitivity«, DTH) auf einen antigenen Reiz auszulösen. 1976 berichteten Morales et al. erstmals über die erfolg- reiche topische Anwendung von BCG beim Harnblasenkarzinom durch Instillation von viaben BCG. Alle Untersuchungen zum Wirkmechanismus ergaben bisher, dass eine Reihe immunologischer Phänomene involviert ist. Die komplexe Immunantwort mit Beteiligung humoraler und zellulärer Immunmechanismen auf die BCG-induzierte Infektion persistiert langfristig in der Harnblasenwand (Böhle et al. 1992). Neben einer charakteristischen Zytokinsekretion in den Urin, die signifikant unterschiedlich zu einer unspezifischen Zystitis ist, kommt es zur Ausbildung eines so genannten BCG-induzierten Granuloms in der BCG behandelten Harnblasenwand (Böhle et al. 1990a,b). In-vitro-Untersuchungen zum Wirkmechanismus konnten zytotoxische Effektorzellen die sog. BCG-aktivierten Killerzellen (BAK-Zellen) in Analogie zu den Lymphokin-aktivierten Killerzellen (LAK-Zellen) charakterisieren, die in der Lage sind, in vitro Blasentumorzellen abzutöten. Die Induktion von BAK-Zellen durch Stimulation von mononukleären Zellen mit BCG ist offensichtlich sehr komplex und unterscheidet sich deutlich von der durch IL-2 induzierten LAK-Zellen (Böhle et al. 1993). Nach neusten Kenntnissen handelt es sich bei dieser Effektorzelle um eine stimulierte natürliche Killer-(NK-)Zelle. Verabreichung von BCG Die intravesikale Instillation von BCG bei Patienten mit Harnblasenkarzinom wurde erstmalig von Morales, Eidinger und Bruce 1976 publiziert. In einer offenen Studie mit 9 Patienten wurde BCG einmal wöchentlich 6 Wochen lang verabreicht. Das Therapieschema wurde gewählt, weil zum damaligen Zeitpunkt BCG in 6 Ampullen pro Packung verschickt wurde. Die wiederholte Instillation in wöchentlichen Abständen hat sich jedoch als so effektiv herausgestellt, dass eine Verbesserung dieses sog. »Induktionszyklus« nur schwer in umfangreichen klinischen Studien zu beweisen wäre. Die initial durchgeführte simultane intrakutane Applikation (Skarifikation) zeigte keine Verbesserung des Therapieerfolges verglichen mit der intravesikalen Instillation alleine, sodass heute keine Notwendigkeit zu ihrer Durchführung mehr besteht (Lamm et al. 1990). Eine Intrakutantestung vor BCG-Therapie mittels eines Multistempeltests ist zwar prinzipiell sinnvoll, um die Immunkompetenz des Patienten zu dokumentieren. Im klinischen Alltag ist es jedoch in 69 Nebenwirkungen der Regel vollständig ausreichend, wenn der behandelnde Arzt durch eine sorgfältige Anamnese eine relevante zelluläre Immunschwäche ausschließt. Hierzu zählen Fragen nach einer medikamentösen Immunsuppression nach, angeborenen Immunmangelsyndromen, Leukämien, einer HIV-Positivität oder nach einer aktiven Tuberkulose. Ebenfalls sollten transplantierte Patienten kein BCG erhalten. BCG sollte zudem nicht in der Schwangerschaft und Stillphase zum Einsatz kommen (Böhle u. Jocham 1998). Induktionszyklus Nach vollständiger transurethraler Elektroresektion des Blasentumors wird 7–21 Tage bei weitestgehender Granulation der Resektionswunde der Behandlungszyklus mit BCG begonnen. Er erstreckt sich über einen Zeitraum von 6 Wochen mit je einer Instillation pro Woche. Dabei wird dem Patienten über einen Einmalkatheter eine Suspension von 1–5u108 viablen Keimen gelöst in 50 ml NaCl in die Blase appliziert, in der sie über zwei Stunden verbleiben sollte. Zu beachten ist dabei, dass eine ausreichende, aber nicht zu große Menge sterilen Gleitmittels verwendet wird, um die atraumatische Katheterisierung zu ermöglichen, nicht jedoch durch die antibakteriellen Komponenten des Gleitmittels die Viabilität von BCG zu gefährden (Böhle et al. 1996). In jüngster Zeit wird die Anwendung von sog. »Low-dose-Protokollen« mit der Applikation z. B. einer halbierten Dosis geprüft, wobei in ersten Studien vergleichbare Resultate erzielt werden konnten (Pagano et al. 1991). Im Vergleich zur Literatur zeigte sich eine Verringerung der irritativen Blasenbeschwerden und des Fiebers. Die routinemäßige Übernahme derartiger Protokolle, insbesondere bei Hochrisikopatienten, kann vor dem Hintergrund einer möglicherweise zu geringen Effektivität von BCG zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden (Morales et al. 1992). Vor dem theoretischen Hintergrund der wiederholten Stimulation (Boosterung) des Immunsystems zur Verbesserung der Immuntherapie wurden Auffrischungsinstillationen durchgeführt. Das optimale Schema einer wiederholten Instillation was lange unklar. In kleinen Studien konnte zunächst ein verbesserter Effekt der Erhaltungstherapie gezeigt werde, allerdings wurde dieser mit einer Verstärkung der Nebenwirkungen erkauft (Lamm 1985). Die wichtigste prospektiv randomisierte Studie zu dieser Thematik wurde von der Southwest Onco- 5 logy Study Group (SWOG) durchgeführt. 660 Patienten mit schnell rezidivierenden Tumoren (Ta, T1, Tis) erhielten einen 6-wöchigen Standardinduktionszyklus BCG. Die Patienten wurden anschließend in einen Nachbeobachtungs- und einen Erhaltungstherapiearm randomisiert, in dem 3 BCG-Instillationen in wöchentlichen Abständen jeweils zum Zeitpunkt 3 und 6 Monate und anschließend halbjährlich bis zu 3 Jahren gegeben wurden. Es zeigte sich, dass sowohl das rezidivfreie als auch das progressionsfreie Überleben bei Patienten mit Erhaltungstherapie signifikant verlängert war. Ein Problem stellt jedoch die mit der Erhaltungstherapie verbundene erhöhte Nebenwirkungsrate und die verlängerte Dauer der BCG-induzierten Zystitis dar, die nur 16% der Patienten im Erhaltungstherapiearm die kompletten 8 geplanten Erhaltungskurse vollenden ließ (Lamm et al. 2000). Trotzdem sind die Vorteile der Erhaltungstherapie so eindeutig, dass sie heute zumindest bei Patienten mit erhöhtem Rezidivrisiko, die nach einem BCG-Induktionszyklus rezidivfrei sind, die Methode der Wahl darstellt. Eine Übersicht über die vergleichenden randomisierten Studien von BCG mit intravesikaler Chemotherapie zeigt ⊡ Tabelle 5.1. Gegenüber Doxorubicin, Epirubicin und Thiotepa konnten alle Studien einen statistisch signifikanten Vorteil für BCG belegen. Studien zum Vergleich von BCG mit Mitomycin C erbrachten hingegen unterschiedliche Ergebnisse: Sechs Studien verglichen BCG mit Mitomycin C. Diejenigen, die als optimale Therapie im BCG-Arm eine langfristige Erhaltungstherapie durchführten, zeigten einen statistisch signifikanten Vorteil für BCG (⊡ Tabelle 5.2; Böhle et al. 2003). Nebenwirkungen Etwa 60–80% der BCG-behandelten Patienten erleiden Nebenwirkungen. Hauptsymptom ist eine Zystitis, die als eine normale Reaktion auf die intravesikale Therapie angesehen werden kann und deren Fehlen in Einzelfällen sogar auf ein Ausbleiben der immunologischen Reaktion und fehlende Wirksamkeit schließen lassen. Ein weiteres häufiges Symptom ist ein etwa 3–4 h nach Instillation auftretender geringgradiger Temperaturanstieg, der innerhalb von 24–48 h spontan rückläufig und nicht behandlungswürdig ist. Die Hospitalisation aufgrund von Nebenwirkungen ist selten und trat nur bei 2% der BCG-behandelten Patienten in einer Zusammenfassung der Nebenwirkungen einer internatio- 70 Kapitel 5 · Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom ⊡ Tabelle 5.1. BCG vs. Chemotherapeutika – vergleichende randomisierte Studien 5 Autor Therapie Patienten [n] CR [%] Signifikanz Mori et al. 1986 (SWOG) BCG ADM 88 83 81 46 p <0,001 Martinez-Pineiro et al. 1990 BCG ADM Thiotepa 67 53 56 87 57 64 p <0,002 p <0,003 Rintala et al. 1989 (FinnbladderI) BCG MMC 40 36 97 91 p<0,001 von der Meijden et al. 1990 BCG-RIVM MMC 170 167 67 71 n.s. Lamm et al. 1991 SWOG (pTa, pT1) (CIS) BCG ADM BCG ADM 63 68 64 67 37 17 45 18 Lamm 1992 (SWOG) BCG MMC 190 187 81 67 p=0,005 Melekos 1993 BCG EPI Kontr. 62 67 32 68 60 41 p<0,05 (BCG/Kontr.) n.s. (EPI/Kontr.) Vegt 1995 BCG Tice BCG RIVM MMC 140 149 148 36 54 57 p=0,01 (MMC/Tice) p=0,01 (RIVM /Tice) n.s. (MMC/Rivm) Lundholm 1996 BCG MMC 125 125 49 34 p <0,03 Melekos 1996 BCG Epi 46 48 65 54 n.s Krege 1996 BCG MMC Kontr. 102 113 122 53 58 40 n.s. (MMC/BCG) p <0,05 (MMC/TUR) p <0,05 (BCG/TUR) p=0,015 p<0,001 ADM Adriamycin, MMC Mitomycin nalen multizentrischen Serie von 2602 Patienten auf (Lamm et al. 1989; s. ⊡ Tabelle 5.2). Obwohl über 95% der Patienten die Therapie ohne schwere Nebenwirkungen tolerieren, müssen sie auf das Auftreten von lokalen Beschwerden hingewiesen und vor Instillationsbeginn ausführlich darüber aufgeklärt werden, dass diese als ein Bestandteil des Wirkmechanismus zu verstehen sind. Lokale Beschwerden können gut durch nichtstero- idale Antiphlogistika oder Acetylsalicylsäure (ASS) beherrscht werden, ohne die Wirkung von BCG zu beeinflussen. Eine regelmäßige Antibiotikapropylaxe sollte wegen einer möglichen Interferenz mit der Viabilität von BCG nicht durchgeführt werden. Bei nachgewiesenem Harnwegsinfekt sollten aus diesem Grund möglichst keine Gyrasehemmer verabreicht werden, es sei denn, die inhibitorische Wirkung auch auf BCG ist erwünscht (Durek et al. 1999). 71 Zukunftsaussichten 5 ⊡ Tabelle 5.2. Optimale Behandlung mittels Erhaltungstherapie in vergleichenden Studie BCG vs. Mitomycin C (MMC) Studie Therapie Erhaltungstherapie Dauer Zeit bis Rezidiv im Vergleich zu MMC unterschiedlich? Debruyne 1992 BCG (RIMV) MMC (30 mg) nein ja – mo./6 Mo. nein – Vegt 1995 BCG (Tice) BCG (RIVM) MMC (20 mg) nein nein ja – – mo./6 Mo. – nein – Krege 1996 BCG MMC (20 mg) Kontrolle nein (zu kurz) ja – (mo./4 Mo.) 2-wö./1 J. 4-wö./2 J. nein – – Rintala 1989 BCG (75 mg) MMC (20–40 mg) ja ja mo./2 J. mo./2 J. p <0,01 – Lamm 1995 BCG (Tice) MMC (20 mg) ja ja mo./1 J. mo./1 J. p < 0,017 Lundholm 1996 BCG MMC (40 mg) ja ja mo./1 J. 3-mo./2 J. p < 0,03 Schwere systemische Nebenwirkungen mit persistierendem Fieber und generalisierten Erscheinungen (Arthritis, Hautausschlag) bis zur Sepsis sind selten (Sepsis in 0,4%), die jedoch einer raschen und adäquaten Therapie bedürfen. Standardtherapie ist die tuberkulostatische Tripeltherapie mit Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol (Lamm et al. 1991). Die zusätzliche Gabe von Kortikosteroiden muss zur Beherrschung der hyperergen Komponente bei generalisierter BCG-Infektion (BCG-itis) empfohlen werden (DeHaven et al. 1992). Stellenwert der BCG-Therapie Welche Rolle spielt BCG in der Behandlung des oberflächlichen Harnblasenkarzinoms? In den Leitlinien der DGU wird eine intravesikale Rezidivprophylaxe bei Patienten mit niedrigem Progressionsrisiko entweder mit einer Chemotherapie oder der Immuntherapie mit BCG als gleichwertig empfohlen. Patienten mit hohem Progressionsrisiko (G3-Tumoren, Rezidivtumore) sollen mit intravesikalen BCG mittels eines Induktionszyklus und einer Erhaltungstherapie behandelt werden. Patienten mit pT1G3-Tumoren sollten nach vollständiger TUR einer BCG-Therapie zugeführt werden und im Falle eines Rezidivs innerhalb von 3–6 Mo- naten eine radikale Zystektomie erhalten. Patienten mit einem Carcinoma in situ sollten obligat primär eine medikamentöse Therapie mit BCG erhalten, bei Therapieversagen ist auch hier die radikale Zystektomie indiziert (Böhle et al. 2000). Zukunftsaussichten Die Einführung von BCG stellt eine wesentliche Bereicherung der Therapieoptionen beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom dar. Aufgabe in der Zukunft wird sein, die Nebenwirkungen dieser Therapie zu vermindern und damit auch die Akzeptanz zu erhöhen. Dies kann auf klinischer Studienebene möglicherweise durch kontrollierten Einsatz von »Low-dose-Anwendungen« und/oder in Kombination mit Chemotherapeutika oder anderen Immunmodulatoren (Interferon-alpha) erfolgen. Darüber hinaus kann die Effektivität der Therapie mit entsprechender Reduktion von Nebenwirkungen auch durch die gezielte Modulation von BCG selbst (gentechnisch verändertes rekombinantes BCG) auf der Grundlage der Umsetzung von Forschungsergebnissen zum Wirkmechanismus erreicht werden. Erst die gemeinsame Anstrengung von Grundlagenwissenschaftlern und klinisch tätigen Urologen wird hier einen weiteren Fortschritt ermöglichen. 72 Kapitel 5 · Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom Literatur 5 Böhle A, Jocham D (1998) Die intravesikale Immuntherapie mit Bacillus Calmette-Guérin. Fakten, Vergleiche, Ergebnisse. Gustav Fischer, Stuttgart Jena Lübeck Ulm Böhle A, Gerdes J, Ulmer AJ et al. (1990a): Effects of local bacillus Calmette-Guérin therapy in patients with bladder carcinoma on immunocompetent cells of the bladder wall. J Urol 144: 53 Böhle A, Nowc C, Ulmer AJ et al. (1990) Elevations of cytokines interleukin-1, interleukin-2, and tumor necrosis factor in the urine of patients after intravesical Bacillus CalmetteGuérin immunotherapy. J Urol 144: 59 Böhle A, Busemann E, Gerdes J et al. (1992) Long-term immunobiological effects of intravesical bacillus Calmette-Guérin against bladder carcinoma recurrences. 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