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Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
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Die Wahl des Themas
Jahrestage und Jubiläen – seit einigen Jahren spielen solche Gedenkereignisse in unserer
Gegenwart wieder vermehrt eine Rolle. Sie sind Ausdruck eines Fest- und Feierrituals, in dem
sich die Gesellschaft ihres kulturellen Gedächtnisses vergewissert. Häufig werden Geburts- oder
Todestage genutzt, um an bedeutende Schriftsteller und ihre Werke zu erinnern oder ihnen
gleich ganze Jahre zu widmen (vgl. zuletzt das „Kleist-Jahr“ 2011).
In kulturkritischer Perspektive mögen Lehrkräfte und Literaturkenner viele dieser offiziellen
Gedenkrituale als Folge einer an Äußerlichkeiten orientierten „Eventkultur“ kritisieren und einen
Einbezug in den Schulalltag zunächst intuitiv ablehnen. Aussichtsreicher erscheint es jedoch,
die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit als Chance zu begreifen und didaktisch produktiv
zu nutzen: So kann der Deutschunterricht einen Beitrag zur literarischen Erinnerungsarbeit leisten, indem er aktuelle Jubiläen und Gedenktage aufgreift und Heranwachsenden einen eigenständigen, kritischen Blick auf kulturelle Traditionen ermöglicht.
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In lockerer Folge erscheinen daher in RAAbits Deutsch Oberstufe „Erinnerungsblätter“ zu aktuellen Schriftsteller-Jubiläen, die entsprechende Materialien bereitstellen. Sie sollen eine Annäherung an Persönlichkeit und Werk eines Autors ermöglichen und können flexibel im Unterricht eingesetzt werden: zur Einstimmung auf die intensivere Beschäftigung mit einem literarischen Werk
oder auch als losgelöste Einzelstunde oder Kurzreihe aus aktuellem Anlass. Im Falle Gerhart
Hauptmanns besteht auf diese Weise die Chance, einen der produktivsten und zu seiner Zeit
bekanntesten deutschen Schriftsteller wiederzuentdecken, der die deutsche Literatur (und ihre
internationale Wahrnehmung) über sechzig Jahre lang wesentlich mitgeprägt hat.
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Fachwissenschaftliche Orientierung
Der Dichter Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann (1862–1946) gehört zu den wenigen deutschen Autoren, die über sechzig
Jahre lang die deutsche Literatur wesentlich mitprägten. Nachdem er mit seinem sozialen Drama
„Vor Sonnenaufgang“ von 1889 früh bekannt geworden war, fanden seine Theaterstücke und
sein Prosawerk in den folgenden Jahrzehnten breite Resonanz – im In- und Ausland. Der Nobelpreis des Jahres 1912 zeigt den Dichter bereits als einen Repräsentanten der Weltliteratur. Hauptmanns Theaterruhm basiert zweifellos auf einer Reihe früher, dem Naturalismus zugerechneter
Werke wie dem skandalumwitterten Schauspiel „Die Weber“. Doch war Hauptmann zeitlebens
ein Einzelgänger, der sich keinen Gruppierungen eng anschloss, zumal das Etikett „Naturalismus“ nur für einige seiner Stücke und die novellistische Studie „Bahnwärter Thiel“ gilt. Hauptmanns literarische Produktivität war weit gespannt: Er schrieb Lyrik, soziale Dramen, Familienund Künstlerdramen, Tragikomödien und Komödien (darunter das Stück „Der Biberpelz“), Festspiele und sogar Stücke in stark klassizistischer Form, wie die sog. „Atriden-Tetralogie“, die er erst
1943 fertigstellte. Hauptmann trat zudem auch als Prosaist in Erscheinung, nicht nur mit kleineren
Erzählungen, sondern auch mit Romanen, Reiseschilderungen und autobiografischen Texten.
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Hauptmanns literarische Wirkung im Kanon und in der Schule reicht bis heute. Es gibt außerdem eine Vielzahl von Straßen und Schulen, die seinen Namen tragen. Während in den
1920er-Jahren Schriftsteller wie Thomas Mann, Bertolt Brecht und Hermann Hesse noch keineswegs in der Schule gelesen wurden, war Hauptmann fast der einzige unter den Gegenwartsautoren, die bereits einen festen Platz im Unterricht hatten. Zwischen 1933 und 1945 ging die
Schule auf Distanz zu Hauptmann, verbot ihn aber nicht. Von Hauptmann selbst sind keine
öffentlichen Bekenntnisse, aber auch keine distanzierenden Äußerungen zum Nationalsozialismus bekannt; der Autor bevorzugte zeitweilig historische, der aktuellen Politik ferne Themen.
Er verließ Deutschland nie, wurde durchaus noch gespielt, und sein 80. Geburtstag wurde hier
10 RAAbits Deutsch Oberstufe August 2012
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Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk
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und da in der Öffentlichkeit gewürdigt, so im November 1943 im Burgtheater durch den hohen
Nazi-Funktionär Baldur von Schirach.
Trotzdem brachte man Hauptmann nicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung. Im
Gegenteil: Seine Beerdigung 1946 auf Rügen wurde unter aktiver Beteiligung der Roten Armee
und unter Anteilnahme von Personen aus allen Besatzungszonen zu einer Demonstration des
nicht faschistischen Deutschlands. Nach 1945 war Hauptmann einer der wenigen Dichter des
20. Jahrhunderts, die in Ost wie West gelesen und auf dem Theater gespielt wurden. In einer
Anzahl europäischer Länder sind Werke wie „Die Weber“ noch heute im Schulkanon der Weltliteratur.
Didaktisch-methodische Überlegungen
Aus didaktischer Perspektive bietet die Erinnerung an Hauptmann im Literaturunterricht die
Chance, eine schillernde, zu ihrer Zeit keineswegs unumstrittene Figur der deutschen Literaturgeschichte wiederzuentdecken. Das Beispiel Hauptmann eröffnet einige spezifische Lernchancen. So bietet es die Möglichkeit, eine modellhafte Schriftstellerkarriere kennenzulernen, die mit
dem Skandal um das Erstlingsstück „Vor Sonnenaufgang“ beginnt, der Hauptmann schlagartig
bekannt macht und zu seiner dauernden Berühmtheit beiträgt. Außerdem ist die achtstündige
Reihe so angelegt, dass sie nicht nur mit der Lektüre bekannter Texte des Schulkanons wie
„Bahnwärter Thiel“ und von „Vor Sonnenaufgang“ verknüpft werden kann, sondern auch mit
Stücken wie „Die Weber“, „Die Ratten“, „Fuhrmann Henschel“, „Rose Bernd“ oder weniger
bekannten Dramen wie „Das Familienfest“, „Michael Kramer“ und „Nach Sonnenuntergang“.
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Das „Hauptmann-Jahr“ 2012 bietet neben der unterrichtlichen Retrospektive auf den Dichter
auch Anlässe, der Resonanz Hauptmanns in den Medien – Zeitungen, Fernsehen, Zeitschriften,
Internet – und selbstverständlich auch in den Spielplänen des Theaters nachzuspüren. Die Arbeit
im Unterricht kann auf diese Weise in den kulturellen Kontext des aktuellen literarischen Lebens
gestellt werden, beispielsweise dadurch, dass sie zeitnah zu Hauptmanns 150. Geburtstag
durchgeführt wird oder dass die Lerngruppe durch das Sichten und Sammeln von Materialien
(z. B. Zeitungstexten, Internet-Reaktionen, Berichten von Gedenkveranstaltungen) um den 15.
November herum aktiv an der Vorbereitung der Reihe beteiligt wird.
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Ziele der Reihe
Die Schülerinnen und Schüler …
– lernen mit Hauptmann einen der produktivsten und bekanntesten Schriftsteller des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts kennen, der – vor allem mit seinen Theaterstücken – bis heute eine nachweisbare Wirkung hat;
– rekonstruieren Stationen eines Schriftstellerlebens und erfassen vor dem Hintergrund der
Lebens- und Werkgeschichte wichtige Einschnitte in der Biografie des Autors;
– nutzen unterschiedliche Textsorten und Medienformate (literarische/nicht literarische Texte,
Autobiografisches, Datentabellen, Fotografien, Karikaturen, Materialien der Wirkungsgeschichte) als Quellen literarischer Erinnerungsarbeit;
– machen sich aus unterschiedlichen Perspektiven ihre eigene Vorstellung vom Schriftsteller
Gerhart Hauptmann.
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Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk
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Materialübersicht
Leben und Werk – wer war Gerhart Hauptmann?
M 1
(Tx)
Gerhart Hauptmann – Chronik zu Leben und Werk
M 2
(Tx)
„Von deutscher Republik“ – eine Rede zum 60. Geburtstag
Hauptmanns literarischer Beginn – das Drama „Vor Sonnenaufgang“
M 3
(Bd)
Hauptmanns Stück „Vor Sonnenaufgang“ – eine Karikatur von 1889
M 4
(Tx)
„Vor Sonnenaufgang“ – eine Besprechung der Uraufführung
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Hauptmanns Dramentechnik – ausgefeilte Bühnen- und Regieanweisungen
M 5
(Bd)
„Fuhrmann Henschel“ – eine Illustration von Ferdinand Staeger
M 6
(Tx)
Der Beginn eines Dramas – Angaben zum Bühnenbild
M 7
(Ab)
„Fuhrmann Henschel“ – Inhalt des Dramas
M 8
(Bd)
„Fuhrmann Henschel“ – ein Bühnenbildentwurf von 1956
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Vorbilder und Ideale – Hauptmanns Positionen zu Kunst und Dichtung
M 9
(Tx)
Die Aufgaben der Kunst – eine Rede Kaiser Wilhelms II.
M 10 (Tx)
„Vor Sonnenaufgang“ – ein Auszug aus dem Drama
M 11 (Tx)
„Durch!“ – ein Zusammenschluss Berliner Dichter
M 12 (Tx)
Das Weberlied – Auszug aus einem sozialen Drama
M 13 (Tx)
Der Künstler und die Dichtung – Auffassungen Gerhart Hauptmanns
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Lernerfolgskontrolle
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(Ab)
„Der Biberpelz“ – Analyse zweier Bühnenanweisungen
Abkürzungen: Ab = Arbeitsblatt; Bd = Bild/Foto; Tx = Text
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Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
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M1
Gerhart Hauptmann – Chronik zu Leben und Werk
1862 15. November: Hauptmann wird im schlesischen Obersalzbrunn geboren, besucht
die Dorfschule und ab 1874 eine Realschule in Breslau (Schlesien)
1878 Hauptmann beginnt eine Lehre als Landwirt, gibt 1879 den Berufswunsch auf
1880 Breslauer Kunst- und Gewerbeschule (Bilderhauerei-Studium); Studium weiterer
Fächer, ebenfalls ohne Abschluss
1885 Hauptmann wohnt in Erkner bei Berlin; besucht den Dichterverein „Durch!“ in Berlin
1886 Schauspielunterricht
1889 20. Oktober: Uraufführung des Schauspiels „Vor Sonnenaufgang. Soziales
Drama“. Großer Theaterskandal, der Hauptmann schlagartig bekannt macht.
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1890 Uraufführung des Familienstücks „Das Friedensfest“
1891 Uraufführung des Schauspiels „Einsame Menschen“; Beschäftigung mit dem Stoff
für „Die Weber“ (es entsteht zuerst eine Dialektfassung: „De Waber“)
1892 3. März: Verbot der „Waber“-Aufführung durch den Berliner Polizeipräsidenten;
Plan, das Stück unter hochdeutschem Titel an der Freien Bühne Berlin als ‚geschlossene Veranstaltung‘ aufzuführen; Veröffentlichung des Prosabandes „Der Apostel.
Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien“
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1893 Drei Stücke Hauptmanns werden zum ersten Mal aufgeführt: „Die Weber“, „Der
Biberpelz“ und „Hanneles Himmelfahrt“ (dafür erhält Hauptmann den ersten von
drei Grillparzer-Preisen)
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1894 Erste Reise in die USA; erste öffentliche Aufführung der „Weber“ im Deutschen Theater Berlin 1894 (Kaiser Wilhelm II. kündigt daraufhin für die Saison 1895 seine
Loge)
1896 Historisches Schauspiel „Florian Geyer“ (wenig erfolgreich)
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1898 Uraufführung des sozialen Dramas „Fuhrmann Henschel“ (zweiter Grillparzer-Preis)
1900 Wohnung im schlesischen Agnetendorf („Haus Wiesenstein“); Künstlerdrama
„Michael Kramer“
1901 Uraufführung des Schauspiels „Der rote Hahn“
1903 Uraufführung des sozialen Dramas „Rose Bernd“
1905 Ehrendoktorwürde der Universität Oxford
1906 Uraufführung von „Und Pippa tanzt. Ein Glasbläsermärchen“
1907 Griechenlandreise; Hauptmann beschäftigt sich mit griechischen Mythen
1910 Roman „Der Narr in Christo Emanuel Quint“
1911 Soziales Drama „Die Ratten. Berliner Tragikomödie“
1912 Hauptmann erhält den Nobelpreis für Literatur in Stockholm; internationale Wirkung:
Hauptmann als Autor von Weltliteratur; Roman „Atlantis“, der – vor dem Untergang
der „Titanic“ – eine Passagierschiffskatastrophe auf dem Atlantik schildert
1913 Festspiel in deutschen Reimen (Erinnerung an die Befreiungskriege gegen Napoleon 1813); Skandal wegen angeblich fehlender nationaler Thematik; im Juni Verbot des Festspiels, das in Breslau aufgeführt werden sollte
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Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
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M4
„Vor Sonnenaufgang“ – eine Besprechung der Uraufführung
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Es ist (so wenigstens stehe ich zu der Sache) nie ganz
leicht, zu kritisieren, und mitunter ist es schwer. Ein
solcher Fall war gestern gegeben. Nur wer den Mut
hat, frisch, fromm, fröhlich und frei rundweg zu verabscheuen oder rundweg in den Himmel zu heben,
dem wird auch dies G. Hauptmann’sche soziale
Drama kein großes Kopfzerbrechen machen; wer
diesen Mut aber nicht hat, vielmehr sich mit jeder
neuen Szene vor immer neue Fragen gestellt sieht, der
wird sich der Schwierigkeit der Beantwortung all dieser Fragen bewusst werden und einen schweren
Schreibetag haben.
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Theodor Fontane ist Ihnen vermutlich vor allem als Autor von Romanen und Erzählungen ein
Begriff. Er war jedoch auch ein einflussreicher Berliner Theaterkritiker. Im Folgenden lesen
Sie Auszüge aus seiner Rezension der Uraufführung des sozialen Dramas „Vor Sonnenaufgang“ von Gerhart Hauptmann am 20. Oktober 1889.
[…] Im Publikum wurden dabei, je nach der Parteistellung, mehr oder weniger heftige Beifalls- und
Missfallenszeichen laut, ein zustimmendes oder ein
Theaterzettel zur Uraufführung 1889
verhöhnendes Lachen, auch wohl eins jener kritischen Impromptus, darin die Berliner exzellieren, von einer großen Wirkung war aber
nichts wahrzunehmen, weder bei Freund noch Feind, und befrage ich mich, welchen
Eindruck ich persönlich von den Szenen empfing, auf die ich, wenn ich Sportsman wäre,
gewettet haben würde, so war es vorwiegend der der Langeweile.
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[…] Über Hauptmanns Drama wird noch viel gestritten und manche vieljährige Freundschaft ernster oder leichter gefährdet werden, aber über eines wird nicht gestritten werden
können, über den Dichter selbst und über den Eindruck, den sein Erscheinen machte. Statt
eines bärtigen, gebräunten, breitschultrigen Mannes mit Klapphut und jägerschem Klapprock erschien ein schlank aufgeschossener junger blonder Herr, von untadligstem Rockschnitt und untadeligsten Manieren, und verbeugte sich mit einer graziösen Anspruchslosigkeit, der wohl auch die meisten seiner Gegner nicht widerstanden haben. […]
Aus: Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Hg. von Walter Keitel. Aufsätze, Kritiken, Erinnerungen. Zweiter Band. Theaterkritiken. München: Carl Hanser Verlag 1969. S. 817–824.
Erläuterungen:
Impromptus (Z. 17) = hier: kritische Bemerkungen; exzellieren (Z. 17) = glänzen; Sportsman (Z. 19) = der Ausdruck ist Ende
des 19. Jahrhunderts noch ein englisches Lehnwort und wird englisch ausgesprochen
Aufgabe
Lesen Sie die drei Absätze der Besprechung und beantworten Sie dazu folgende Fragen:
a. Wieso hält Fontane ein Urteil über die Aufführung für schwierig?
b. Was schreibt er über die Reaktionen des Publikums?
c. Wie charakterisiert er den jungen Dichter Gerhart Hauptmann?
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M7
„Fuhrmann Henschel“ – Inhalt des Dramas
Henschels Frau, nach der Geburt ihrer Tochter schwer erkrankt, verlangt ihrem Mann
einen Schwur ab, dass er nach ihrem Tod nicht die Magd Hanne Schäl heiraten wird.
Monate später aber nimmt Henschel Hanne doch zur Frau, nicht zuletzt weil er
befürchtet, mit seiner kleinen Tochter allein zu bleiben, nachdem Hanne die Stelle aufgekündigt hat. Hanne gewinnt im Haushalt Henschels die Oberhand; es stellt sich heraus, dass Hanne bereits eine uneheliche Tochter hat, die Henschel in sein Haus aufnimmt, die aber von Hanne ablehnend behandelt wird. Im Ort entstehen Gerüchte
über Hannes angebliche Untreue und sogar darüber, Henschel habe mit ihrer Hilfe
seine erste Frau vergiftet. Henschel misstraut Hanne, stellt sie zur Rede, bricht zusammen und begeht Selbstmord.
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Aufgabe
Lesen Sie die Inhaltsangabe des Stückes und vergleichen Sie die Angaben mit Hauptmanns
Anweisungen zum Bühnenbild. Was verrät das Bühnenbild bereits über das Stück?
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M8
„Fuhrmann Henschel“ – ein Bühnenbildentwurf von 1956
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Die Abbildung zeigt einen Entwurf für das Bühnenbild des 1. Aktes von „Fuhrmann Henschel“ am Staatsschauspiel Dresden im Jahr 1956. Die Zeichnung stammt von Gerhard
Schade. Was fällt Ihnen auf, wenn Sie die Szenerie mit Hauptmanns Text vergleichen?
Bild: Staatsschauspiel, Dresden © Gerhard Schade Erben
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Aufgaben
1. Beschreiben Sie, wie der Zeichner Hauptmanns Anweisungen umgesetzt hat.
2. Was meinen Sie: Sollte sich eine Aufführung genau an Hauptmanns Vorgabe halten,
oder sind Abweichungen aus Ihrer Sicht erlaubt?
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Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk
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Erläuterung (M 5–M 8)
Nachdem die Schülerinnen und Schüler Hauptmanns ersten Karriereschritt (durch den
Skandal um das Drama„Vor Sonnenaufgang“) nachvollzogen haben, lernen sie die ausgefeilten Bühnen- und Regieanweisungen als ein charakteristisches Kennzeichen seiner Dramenproduktion kennen, das für die frühen ebenso wie für die späten Stücke gilt und beispielhaft zeigen soll, wie konkret der Dichter seine dramatischen Texte auf die Plastizität
einer Bühne hin konstruierte. Hauptmann überlässt nichts dem Zufall oder der freien Entscheidung eines Bühnenbildners. Stattdessen gibt er viele Einzelheiten vor; zugleich sind
die Texte für Leser seiner Stücke gedacht. Sein Ziel war es dabei, die „Stimmung“ des
Stücks den Zuschauern schon beim Anblick des Bühnenbildes zu vermitteln und den Lesern
Anweisungen zu geben, wie sie sich die Bühne vorzustellen haben (Hauptmanns Verleger
Samuel Fischer veröffentlichte regelmäßig Buchausgaben der Stücke). – Bühnen- und Regieanweisungen sind im Übrigen ein wichtiges Merkmal dramatischer Kunst überhaupt,
sodass die Lerngruppe ein Grundelement des Dramas wiederholt.
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Stundenverlauf – Hauptmanns Dramentechnik: ausgefeilte Bühnen- und
Regieanweisungen
Der Unterricht beginnt mit dem Vortrag der Hausarbeit. Die Schülerinnen und Schüler
haben am Beispiel der Illustration Ferdinand Staegers (M 5) einen Einblick in das Bühnenbild und das Bühnengeschehen erhalten. Einige Beschreibungen der Szenerie werden von
den Lernenden vorgetragen, dann erhalten sie Hauptmanns Regieanweisung (M 6).
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Durch die Hausaufgabe sind die Schülerinnen und Schüler auf die Bühnenanweisung
Hauptmanns bereits inhaltlich und formal vorbereitet, die sie in Partnerarbeit untersuchen. Dabei reproduzieren sie den Text nicht nur, sondern können ihn im Vergleich mit den
eigenen Szenenbeschreibungen auch in seiner Aufgabe als Bühneninformation beurteilen.
Im Unterrichtsgespräch werden die Ergebnisse zusammengetragen und verglichen.
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Im Plenum wird dann die Inhaltsangabe des Dramas gemeinsam gelesen (M 7) und das
Bühnenbild auf das Dramengeschehen bezogen. Die Diskussion steht dabei unter der Leitfrage: „Welche Beziehung besteht zwischen dem Drameninhalt und der Bühnenanweisung?“
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Am Beispiel einer weiteren Illustration (M 8) kann in einem Vertiefungsschritt zum
Abschluss die Frage nach der Verbindlichkeit von Regieanweisungen besprochen werden. Zur Diskussion steht damit die Frage, bis zu welchem Grade in den Aufführungen des
„Fuhrmann Henschel“ von Hauptmanns Vorgaben abgewichen werden kann. Die Schülerinnen und Schüler lernen auf diese Weise die Bühnen- und Regieanweisung in ihrem Vorschlagscharakter zu begreifen, nicht als verpflichtenden Teil des Dramas.
Als Hausaufgabe erhalten die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, einen Ausschnitt
aus einer Rede Kaiser Wilhelms II. über die Aufgabe der Kunst zu untersuchen (M 9).
Erwartungshorizont (M 5)
Es kommt bei der Bildbeschreibung vor allem auf Details an. Textbeispiel: „Das Bild zeigt
eine enge Stube; der Raum ist mit Tisch, Bett, Kinderwiege, Ofen, Lampe etc. sehr voll und
wirkt ärmlich-beengt. Die Personen scheinen einfache, schlichte Leute zu sein; die Mahlzeit
auf dem Tisch erscheint karg. Die Stimmung im Raum ist drückend; die drei um den Tisch sitzenden Personen sprechen offenbar nicht miteinander. Es handelt sich um zwei Männer
und eine Frau. Eine besondere Rolle spielt das ins Zimmer gestellte Bett mit einer offenbar
kranken, geschwächten Frau. Sie wendet ihr Gesicht dem Tisch zu; die Krippe neben ihr
lässt darauf schließen, dass sie eine Mutter ist, die gerade das Kind geboren hat. Zur ärm-
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Drama – epochenübergreifend/thematisch • Beitrag 1
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Gerhart Hauptmann – Biografie und Werk
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Die Aufgaben der Kunst – eine Rede Kaiser Wilhelms II.
Während seiner Regierungszeit äußerte sich Kaiser Wilhelm II. öfter kritisch gegenüber
der Literatur und Kunst seiner Zeit, so auch in einer Rede aus dem Jahre 1901.
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Wie ist es mit der Kunst überhaupt in der
Welt? Sie nimmt ihre Vorbilder, schöpft aus
den großen Quellen der Mutter Natur, und
diese, die Natur, […] bewegt sich doch nach
den ewigen Gesetzen, die der Schöpfer sich
selbst gesetzt hat und die nie ohne Gefahr
für die Entwicklung der Welt überschritten
oder durchbrochen werden können.
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Ebenso ist’s in der Kunst; und beim Anblick
der herrlichen Überreste aus der alten klassischen Zeit überkommt einen auch wieder
dasselbe Gefühl; hier herrscht auch ein ewiges, sich gleich bleibendes Gesetz; das
Gesetz der Schönheit und Harmonie, der
Ästhetik.
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Wilhelm II.
Die wahre Kunst (Auszug)
Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach Kaiser Wilhelm II. in Husarenuniform (1901)
geschieht, weiter nichts tut, als das Elend
noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich damit am
deutschen Volke. Die Pflege der Ideale ist zugleich die größte Kulturarbeit […]. Das
kann sie nur, wenn die Kunst die Hand dazu bietet, wenn sie erhebt, statt dass sie in den
Rinnstein niedersteigt.
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Aus: Naturalismus. Ein Abriss in Text und Darstellung. Hg. von Walter Schmähling. Stuttgart: Reclam Verlag 1977. S. 30 f.
(= Die deutsche Literatur, hg. von Otto F. Best und H.-J. Schmitt, Band 12). © Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart
Aufgaben
1. Markieren Sie Leitbegriffe, die im Text eine besondere Rolle spielen.
2. Erläutern Sie zusammenfassend, worin der Kaiser die Aufgabe der
Kunst sieht.
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10 RAAbits Deutsch Oberstufe August 2012
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