8. Jan. 1918 - Wilsons ,,14 Punkte"

Werbung
8. Jan. 1918 - Wilsons ,,14 Punkte"
Vorgeschichte
Präsident Wilson hatte am 21. Dez. 1910 eine Note an alle kriegführenden
Machte gerichtet, in der er vorschlug, die Kriegsziele zu nennen. ,,Vielleicht sind
die Friedensbedingungen der kriegführenden Parteien gar nicht so unvereinbar,
so daß ein Meinungsaustausch den Weg zu einer Konferenz ebnen könnte und
man in nächster Zukunft schon auf eine Verständigung der Völker hoffen dürfte.'
Die Mittelmächte antworteten am 26.Dezember zustimmend mit dem Vorschlag
der Einberufung einer Friedenskonferenz. Die Alliierten erwiderten 10. Jan. 1917
ebenfalls zustimmend, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt würden. Die
Aufzählung dieser Forderungen gab erstmals Auskunft über die alliierten
Kriegsziele. Die deutsche Regierung war trotz der Bemühungen Wilsons nicht zu
bewegen, ihre Friedensbedingungen vor einer Friedenskonferenz zu nennen.
Wilson blieb weiter bestrebt Friedensverhandlungen zu vermitteln und verkündete
am 22.Jan.1917 in einer Botschaft an den Senat seine Ansichten über das
Aussehen eines gerechten Friedens. Es müsse ein Friede der Gleichberechtigung
sein, ein "Friede ohne Sieg". Die künftige Gestaltung der Beziehungen der
Mächte untereinander geschehe am besten in Form eines Bundes der Völker.
,,Die Menschheit sehnt sich nicht nach dem sogenannten Gleichgewicht der
Mächte, sondern nach der Freiheit des Lebens". In Deutschland hatten aber
inzwischen Oberste Heeresleitung und Admiralstab den Glauben an eine
Friedensvermittlung durch Wilson verloren. Auf ihr Drängen hin beschloß man im
Hauptquartier zu Pleß am 8.Jan.1917 gegen das Votum Bethmann Hollwegs den
uneingeschränkten U-Bootkrieg, mit dessen Hilfe man eine siegreiche
Entscheidung des Krieges zu erzwingen hoffte. Daraufhin sah sich Wilson
gezwungen, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen und am 6.April den
Krieg an Deutschland zu erklären. Doch blieb der Präsident auch im Kriege
bemüht, ein Friedensprogramm nach seinen Grundsätzen zu entwerfen. Zu
seinem Schrecken bemerkte er durch die von der bolschewistischen Regierung
veröffentlichten früheren Geheimverträge, wie sehr die Ziele seiner Verbündeten
von seinen eigenen abwichen. Vergeblich bemühte er sich im Dez.1917, die
Alliierten zu einer gemeinsamen Kriegszielerklärung zu bewegen. Darum
beschloß er, selbst eine ,,große, grundlegende Botschaft" an die Welt zu
verfassen zur Proklamierung seiner Grundsätze und Vorstellungen über eine
gerechte Friedensordnung. Er hatte ein Peace Inquiry Bureau eingerichtet, in dem
Material über die Behandlung der Friedensprobleme gesammelt wurde. Am
23.Dez.1917 übersandten die 12 Mitarbeiter des Bureaus Wilson ein
ausführliches Gutachten über ,,Kriegsziele und Firedensmöglichkeiten ". Auf der
Grundlage dieses Gutachtens arbeitete der Präsident zusammen mit seinem
politischen Vertrauten Colonel House die 14 Punkte aus, die er am 8.Jan.1918 im
Kongreß verlas.
Inhalt:
,,Das Programm des Weltfriedens" lautet:
1. Öffentliche Friedensverträge. Die Diplomatie soll stets frei sein und sich vor
aller Öffentlichkeit abspielen.
2. Absolute Freiheit der Schiffahrt der See außerhalb der territorialen Gewässer
sowohl im Kriege als auch im Frieden.
3. Aufhebung sämtlicher wirtschaftlicher Schranken, Festsetzung gleichmäßiger
Handelsbedingungen zwischen den Nationen.
4. Angemessene Garantien, daß die nationalen Rüstungen auf den niedrigsten
Grad herabgesetzt werden.
5. Unparteiische Ordnung aller kolonialen Ansprüche.
6. Räumung des gesamten russischen Gebietes und Erledigung aller Rußland
berührenden Fragen, um die beste und freieste Zusammenarbeit der übrigen
Nationen der Welt zu sichern zur Erlangung einer ungehemmten und
ungeschmälerten Möglichkeit zur unabhängigen Bestimmung ihrer eigenen
polit. Entwicklung und nationalen Politik.
7. Wiederherstellung der ungeschmälerten Souveränität Belgiens.
8. Befreiung des franz. Gebietes, Wiederherstellung der verwüsteten Teile.
,,Ebenso müßte das Frankreich durch Preußen 1871 in Sachen ElsaßLothringen angetane Unrecht, das den Weltfrieden nahezu fünfzig Jahre
bedroht hat, berichtigt werden, um dem Frieden im Interesse aller wieder
Sicherheit zu verleihen."
9. Berichtigung der Grenzen Italiens entspr. den Nationalitätenlinien.
10. Den Völkern Österreich - Ungarns die freieste Möglichkeit autonomer
Entwicklung zu gewähren.
11. Räumung Rumäniens, Serbiens, Montenegros. Wiederherstellung ehemals
besetzter Gebiete. Freier und gesicherter Zugang für Serbien zum Meer.
Ordnung der Verhältnisse auf dem Balkan.
12. Dem türkischen Teil des Ottomanischen Reiches soll eine gesicherte
Souveränität gewährleistet werden, den anderen Nationalitäten soll eine
absolute und ungestörte Möglichkeit ihrer autonomen Entwicklung verbürgt und
die Dardanellen sollen dauernd als freier Durchgang für die Schiffe und den
Handel aller Nationen unter internationalen Garantien geöffnet werden.
13. Errichtung eines unabhängigen polnischen Staates mit freiem Zugang zum
Meer; die politische und ökonomische Unabhängigkeit des polnischen Staates
sowie dessen territoriale Integrität sollen durch internationalen Vertrag
garantiert werden.
14. Installierung eines Völkerbundes zum Zweck der Gewährung gegenseitiger
Garantien für politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität in gleicher
Weise für große und kleine Staaten.
28. Juni 1918 - Friedensvertrag von Versailles
Vorgeschichte
Die am 18.Jan.1919 offiziell eröffnete Konferenz der 27 alliierten und assoziierten
Mächte zur Festlegung der Friedensbedingungen litt von vornherein unter der
Fülle der Probleme und den Meinungsverschiedenheiten der Staatsmänner.
Präsident Wilson wollte einen Friedensvertrag im Geiste seiner 14 Punkte, die er
als Programm einer neuen Weltordnung betrachtete, und gleichzeitig als deren
sichtbaren Ausdruck die Gründung des Völkerbundes durchsetzen.
Demgegenüber waren die Vertreter der übrigen Mächte in erster Linie vom
Gedanken an die persönlichen Interessen ihrer Länder bestimmt.
Englands Premierminister Lloyd George und die Ministerpräsidenten der
britischen Dominions waren vor allem an der Annexion deutscher Kolonien und
Ausschaltung der deutschen Handelskonkurenz interessiert. Wo ihre Interessen
nicht unmittelbar berührt waren, wie bei Fragen der territorialen Grenzziehung auf
dem europäischen Festland, traten sie für eine großzügige Regelung ein.
Gerade in dieser Hinsicht waren aber die französischen Vertreter zu keinen
Konzessionen bereit. Ihr Bestreben war, Deutschland möglichst zu schwächen,
um Frankreich für die Zukunft Sicherheit vor dem, schon durch seine Volkszahl
und sein Industriepotential, bedrohlichen Nachbarn zu verschaffen.
Ministerpräsident Clemenceau vertrat diese Wünsche mit Geschick und
Hartnäckigkeit auf der Konferenz.
Die Vertreter der übrigen Staaten, vor allem Italiens Ministerpräsident Orlando,
wollten durch den Friedensvertrag die Versprechungen eingelöst sehen, die ihnen
die Entente vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, in geheimen
Abkommen für den Fall des Sieges gemacht hatte.
Diese Vereinbarungen, die Wilson zum größten Teil erst später bekannt
geworden waren, widersprachen oft dem von ihm proklamierten
Selbstbestimmungsrecht der Völker. Es gab darum vom ersten Moment an auf
der Friedenskonferenz heftige Auseinandersetzungen. Der Arbeitsleistung nach
betrachtet, war die Konferenz die größte aller bisherigen internationalen
Zusammenkünfte. 10000 Delegierte und Mitarbeiter kamen zusammen. Sie
bildeten 58 Kommissionen, die insgesamt 1646 Sitzungen abhielten. Die oberste
Entscheidung ging nach etlichen Kontroversen schließlich in die Hände eines
Obersten Rates über, der aus Wilson, Lloyd George, Clemenceau und Orlando
bestand. Die übrigen Nationen erhielten Gelegenheit, ihre Meinung beim
Obersten Rat (,,großen Vier') vorzubringen, wenn ein sie betreffendes Problem an
der Reihe war.
Nach erbitterten Streitigkeit setzte Wilson schließlich die Zustimmung der übrigen
Mächte zur Gründung des Völkerbundes durch. In einer Vollversammlung der
Konferenz,am 14 Februar, verlas er die Völkerbundakte, die die Gründung einer
Liga der Nationen verkündete. In der folgenden Zeit gelang es ihm aber nicht, den
übrigen Mächten einen Frieden im Geiste der 14 Punkte aufzuzwingen. Da in den
Vereinigten Staaten selbst eine isolationistische Stimmung herrschte, von der er
sich bei einem kurzen Besuch im Februar/März überzeugen mußte, faßte er
schließlich, erschöpft und krank, am 7.April den Entschluß, die Konferenz
abzubrechen und nach Hause zu reisen. Da man allseitig vor einem wirklichen
Abbruch der Konferenz zurückschreckte, kam eine konzessionsbereitere
Stimmung auf. Besonders Wilsons politischer Vertrauter, Colonel House,
betätigte sich mit Geschick als Vermittler. So entstand ein Friedensvertrag, der
gegen über den machtpolitischen Forderungen einiger Mächte, vor allem
Frankreichs, Milderungen brachte, aber doch weit von der Gerechtigkeit des
Selbstbestimmungsrechtes der Völker entfernt blieb. Wilson hoffte für die Zukunft,
der Völkerbund werde die Härten des Friedens mildern.
Die deutsche Regierung wurde am 18. April eingeladen, eine Delegation zur
Friedenskonferenz zu entsenden, nachdem man sich über die Deutschland
vorzulegenden Bedingungen geeinigt hatte. Unter Führung des
Reichsaußenministers, Graf Brockdorff-Rantzau, kam die deutsche Delegation
am 29. April nach Versailles. Brockdorff-Rantzau war entschlossen, nur einen
wirklich auf den 14 Punkten beruhenden Friedensvertrag anzunehmen. Als im
Mai in einer Vollvorsammlung der Friedenskonferenz die Bedingungen übergeben
wurden, verlieh er seiner Absicht in einer langen Rede Ausdruck.
Den ihn unerfüllbar dünkenden Friedensvertragsentwurf versuchte er durch
Verhandlungen zu mildern. Am 29. Mai überreichte er die deutschen
Gegenvorschläge. Die am 16. Juni überreichte Antwort der Alliierten (Mantelnote
und Ultimatum: ,,Das Ultimatum der Entente") sah nur geringe Konzessionen vor,
die vor allem dem Einfluß Lloyd Georges zu danken waren. Brockdorff-Rantzau
kehrte mit dieser Antwort nach Deutschland zurück. Da sich die Mehrheit des
Kabinetts nicht seiner Meinung anschloß, den Vertrag abzulehnen, reichte er am
20. Juli seine Demission ein.
Die Regierung Scheidemann trat zurück und wurde durch ein Kabinett Bauer
ersetzt. Der am Rhein mit den alliierten Armeen stehende Marschall Foch erhielt
von den alliierten Regierungen am 20. Juni den Befehl, am Abend des 23. mit
dem Vormarsch zu beginnen, wenn bis dahin die Annahme des
Friedensvertrages durch Deutschland nicht erfolgt sei. Die Nationalversammlung
stimmte mit 237 gegen 138 Stimmen der Regierungserklärnng zu: man wolle
unterzeichnen, wenn die Artikel über die Kriegsschuld und die Kriegsverbrecher
aus dem Vertrag fortfielen. Es gab einiges Hin und Her, weil verschiedene
rechtsradikale Kreise beabsichtigten, sich der Annahme des Friedens gewaltsam
zu widersetzen und zwar durch eine Diktatur unter Noske, der dieses Ansinnen
jedoch entrüstet ablehnte. Schließlich erklärten die Führer der in der
Nationalversammlung vertretenen Parteien, durch die Abstimmung über die
Regierungserklärung sei die Regierung ermächtigt, den Vertrag zu unterzeichnen
ohne den Vorbehalt in den Ehrenpunkten. Am 28 Juni wurde der Vertrag im
Schlosse zu Vcrsailles von Reichsaußenminister Hermann Müller und
Reichsverkehrsminister Bell, als den Delegierten Deutschlands, zusammen mit
den alliierten Vertretern unterzeichnet.
Partner und Unterzeichner
Abgeschlossen im Spiegelsaal zu Versailles zwischen den alliierten und
assoziierten Mächten (=27 Staaten) und dem Deutschen Reich.
Es unterzeichneten: für die USA: Woodrow Wilson,
für Großbritannien: D. Lloyd George, für Frankreich: Q. Clemenceau, für Italien:
Sidney Sonnino, für Deutschland: Herm. Müller, Dr. Bell
Zweck, Ziel, Absicht
Das Friedensinstrument regelt innerdeutsche, europäische und internationale
Probleme und setzt dem Kriegszustand ein Ende.
Inhalt (15 Teile mit 440 Artikeln)
Teil I, Art. 1-26: Völkerbundssatzung: Mitglieder sind die allierten und
assoziierten Staaten und die Neutralen, soweit sie ihren Beitritt erklären. Andere
Staaten können aufgenommen werden, wenn ihr Antrag auf Zulassung von zwei
Dritteln der Bundesversammlung genehmigt wird. Bundessitz ist Genf.
Teil II, Art. 27-30 setzen die neuen Grenzen des Deutschen Reiches fest.
Teil III, Art. 31-117 behandeln die politischen Bestimmungen über Europa:
Landabtretungen: Elsaß-.Lothringen an Frankreich. Moresnet und EupenMalmedy -letztere nach einer sog. Volksbefragung - an Belgien. Luxemburg
scheidet aus dem deutschen Zollverein aus, die Neutralisierung wird aufgehoben,
das Reich verzichtet auf die Geltendmachung aller Bestimmungen, wie sie sich
aus den verschiedenen Verträgen ergaben. Teile von Ostpreußen (Kreise Memel,
Heydekrug, Teile der Kreise Tilsit und Ragnit) kommen als ,,Memelland" bis auf
weiteres unter die Obhut der Alliierten, fast ganz Westpeußen und Teile von
Pommern an Polen; Trennung Ostpreußens vom Reich durch diesen ,,Korridor".
Danzig (,,Freie Stadt Danzig") an denVölkerbund, die Provinz Posen und
Oberschlesien an Polen (für letzteres später Volksabstimmung zugelassen, 1921
März 20: 60% der Stimmen, 55% der Gemeinden stimmen für Deutschland;
dennoch wird Oberschlesien 1921 Okt. 20 durch Beschluß des Obersten Rates
der Alliierten geteilt. Damit fallen allein 91 % des Gesamtvorrates der im
oberschles. Steinkohlenbecken anstehenden Kohlenmengen an Polen).
Hultschiner Ländchen - und auch noch die Hälfte des Kreises Leobschütz, falls
,,infolge der Grenzfestsetzung zwischen Deutschland und Polen der betreffende
Teil jenes Kreises von Deutschland abgesondert bliebe" -an die
Tschechoslowakei. Sämtliche Kolonien an den Völkerbund. Volksabstimmungen
sollen entscheiden über den Verbleib des Saargebiets (Abimmung nach 15
Jabren, solange Verwaltung des Völkerbundes, Abtretung aller Kohlengruben des
Saargebiets und der Westpfalz an Frankreich, die Deutschland bei einer ihm
günstigen Volksabstimmung zurückkaufen muß) (Saarabstimmung: 1935 Jan. 13,
90,5 % für Deutschland); Nordschleswigs -(Abstimmung: 1920 Febr. 10 Nordzone
74,2% für Dänemark, 24,9 % für Detschland; Südzone 1920 März 14 für
Deutschland 80 %' für Dänmark 20 %) von Teilen Ost- und Westpreußens
(Abstimmung: 1920 Juli 11 Westpreußen für Deutschland 92,8%, für Polen 7,2%;
Ostpreußen: für Deutschland 97,5%, für Polen 2,5%) und (nach späterem
Zugeständnis) Oberschlesiens.
Somit verlor Deutschland:
73485 qkm Land mit 7325000 Einwohnern.
1914
1921
Der Umfang des Reiches betrug:
540787 qkm
467302 qkm
Bevölkerungsziffer des Reiches:
67892000 Einw. 59360000 Einw.
Deutschland verlor von seiner jährlichen Förderung:
75 % Zinkerz, 74,8 % Eisenerz, 28,3 % Steinkohle, 7,7 % Bleierz,
4% Kali; von seiner jährlichen Ernte: 19,7 % Kartoffeln, 18,2%
Roggen, 17,2 % Gerste, 12,6 % Weizen, 9,6 % Hafer.
Gebietsbesetzungen: Besetzung des Saargebiets und linken Rheinufer mit den
Brückenköpfen Köln, Koblenz, Mainz auf vorläufig 15 Jahre. Räumung des
Saargebiets hängt von dem Ausfall der nach 15 Jahren (1935 Jan. 13)
stattfindenden Abstimmung ab, die des Rheingebietes ist in bestimmten Etappen
(5, 10, 15 Jahre) vorgesehen und kann vorzeitig erfolgen, falls Deutschland seine
Vertrauenswürdigkeit beweist (1930 Juni 30 letzte Etappe geräumt). Die
Besatzungskosten trägt das Deutsche Reich (sie betrugen allein in der Zeit v.
11.Nov.1918 bis 30. April 1921: USA 278007610 Dollar; Frankreich 2304850470
Franken; England 52881298 Pfund Sterling; Belgien 378731390 belg. Franken;
Italien 15207717 franz. Franken. Diese Summen waren vom Reich in Goldmark
zu zahlen: 3640 Millionen Goldmark!).
Verbot des Anschlusses von Deutsch-Österreich an Deutschland.
Entmilitarisierte Zone: Deutschland darf auf dem linken Rheinufer und in einer
50 km breiten neutralen Zone auf dem rechten Rheinufer keine Befestigungen
und keine militärischen Streitkräfte unterhalten.
Teil V, Art. 160-213: Bestimmungen über das Landheer: Beschränkung auf
100000 Mann ab 31. März 1920 (,,das Heer isl nur für die Erhaltung der Ordnung
innerhalb des deutschen Gebietes und zur Grenzpolizei bestimmt"). Abschaffung
der allgemeinen Wehrpflicht, 12jähr. Dienstzeit der Unteroffiziere und
Mannschaften, 25jähr. der Offiziere, Auflösung des Generalstabes, der
Kriegsakademie, der Militärschulen usw. Unterrichtsanstalten, Universitäten,
Kriegervereine, Schützengilden; Sportvereine usw. dürfen sich nicht mit
militärischen Dingen befassen. Verbot der Verwendung von schwerer Artillerie,
Flugzeugen, Luftschiffen, Kampfwagen, Panzerzügen. Anfertigung von Waffen,
Munition und Kriegsgerät nur unter Aufsicht der Entente. Auslieferung des
deutschen Kriegsmaterials, Verbot aller Vorkehrungen zur Mobilmachung oder
zur Vorbereitung einer Mobilmachung.
Die Marine: Beschränkung auf 6 Linienschiffe, 6 Kleine Kreuzer, 12 Zerstörer, 12
Torpedoboote. Auslieferung aller anderen Schiffe. Keine U-Boote. Neubauten der
Deutschland verbleibenden Schiffe nur bis zur Höchstgrenze von 10000 t für
Linienschiffe und 6000 t für Kleine Kreuzer. Ersatzbauten erst nach 20jähr. bzw.
l5jähr. Lebensdauer zulässig. Personal: 1500 Offiziere, 15000 Mannschaften.
Küstenbefestigungen nur in beschränktem Umfange. Kiel wird offener Hafen.
Öffnung des Nord-Ostsee-Kanals für die Kriegs- und Handelsschiffe aller
Nationen. Zerstörung der Befestigungen und Häfen von Helgoland.
Die Luftstreitkräfte: Keine Luft- noch See-Luftstreitkräfte, vorhandenes Material ist
auszuliefern.
Interalliierte Überwachungsausschüsse: Für die Durchführung der
Bestimmungen über Abrüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die Kosten
der Überwachung trägt das deutsche Reich (sie beliefen sich Anfang 1920 auf
jährl. 500 Millionen Mark) (1927 Jan. 31 verließ die Interalliierte Militär-KontrollKommission [IMKK] das Reich).
Teil VI, Art. 21-226: Kriegsgefangene und Grabstätten. Die deutschen
Kriegsgefangenen werden nach Inkrafttreten des Vertrages freigelassen. Solche,
die Strafen verbüßen, bleiben in Haft.
Teil VII, Art. 227-230: Strafbestimmungen: öffentliche Anklage Kaiser Wilhelms
II. ,,wegen schwerster Verletzung des internationalen Sittengesetzes und der
Heiligkeit der Verträge". Auslieferungsersuchen an die Niederlande. Bildung eines
Gerichtshofes. Die deutsche Regierung hat auszuliefern alle jene Personen, ,,die
angeklagt sind, eine Handlung gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges
begangen zu haben".
Teil VIII, Art. 231-247: Wiedergutmachungen:
Art. 281 (Kriegsschuldartikel): ,,Die alliierten und assoziierten Regierungen
erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten
als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten
und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges,
der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen
wurde, erlitten haben."
Wiedergutmachung: Ersatz aller Schäden, die der Zivilbevölkerung der
Ententemächte durch den deutschen Angriff zugefügt worden sind. Erstattung der
Pensionen und Vergütungen für die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen der
Gefallenen usw. Erstattung aller Summen nebst 5 % Zinsen, die Belgien während
des Krieges geliehen hat (5 Milliarden Franken).
Festsetzung aller Schäden durch einen Wiedergutmachungsausschuß bis zum 1.
Mai 1921; Tilgung innerhalb 30 Jahren, sofortige Anzahlung von 20 Milliarden
Goldmark, später noch 80 Milliarden. Sitz des Ausschusses ist Paris, er besteht
aus 5 Mitgliedern (je einem Vertreter Frankreichs, Englands, Italiens, der USA
und einem, den abwechselnd Japan, Belgien oder Serbien stellen). Seine
Aufgabe ist die Festsetzung der gesamten Schadenrechnung Deutschlands sowie
die Regelung des Schuldzahlungsverfahrens wozu er mit ausgedehnten
Vollmachten ausgestattet ist: Recht zur Forderung von Steuererhöhungen, der
Erschließung neuer Einnahmequellen sowie von Abstrichen in dem Haushalt des
Reiches und der Einzelstaaten usw.
Auslieferung der Handelsflotte.
(Auslieferung der deutschen Kabel.)
Kohlelieferungen: an Frankreich, Belgien, Italien und Luxemburg auf 10 Jahre
jährlich ungefähr 40 Mill. Tonnen.
Lieferungen von Farbstoffen, Maschinen, Fabrikeinrichtungen, Werkzeugen,
Materialien für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete; ferner an Frankreich
und Belgien: 140000 Mlilchkühe, 4000 Stiere, 40000 Färsen, 700 Zuchthngste,
40000 Stuten und Stutenfüllen, 1200 Schafböcke, 30000 Schafe, 10000 Ziegen,
15000 Mutterschweine.
Konfiskation des deutschen Eigentums, auch des privaten, sowie der deutschen
Rechte im Ausland (Art. 297).
Meistbegünstigungsrecht für alle alliiertenStaaten ohne Gegenseitigkeit.
Beschränkung der deutschen Eisenbahnhoheit bez. der Gütertarife (Art. 321325).
Internationalisierung der deutschen Ströme (Art. 327-303): Elbe, Oder,
Memel, Donau, Rhein und Mosel werdem dem Einfluß der Ententeregierungen
unterworfen.
Auslieferung der 1870-71 erbeuteten franz. Fahnen. Ersatz für die verbrannten
Handschriften und Bücher der Löwener Universität. Auslieferung von 16
altniederländischen Gemälden aus den Museen in Berlin und München (darunter
das FIügelgemälde des Genfer Altars), des Original-Korans des Kalifen Osman
sowie des Schädels des Sultans Makaua, der 1897 im Kampfe gegen die
Deutschen in Deutsch-Ostafrika sein Ende gefunden hatte.
Sprache, Ratifikation
Der Vertrag ist in einem Exemplar in engl. und franz. Sprache abgefaßt worden.
Am 10.Jan. 1920 wurde in Paris zwischen Deutschland und den Alliierten das
Friedensratifikationsprotokoll unterzeichnet, damit trat der Friede in Kraft.
China hat nicht unterzeichnet, sondern den Kriegszustand durch ein Dekret am
15.Sept. 1919 beendet und 20. mai 1921 einen Sonderfrieden geschlossen (Mac
Murray: Bd. II, S. 1381; Ort des Abschlusses Peking, v. Boreh - W. W. Yen, in
deutscher, chinesischer und französischer Sprache)
Die USA schlossen am 25.Aug. 1921 auf Grund der Knox-Porter-Resolution von
Juli mit Deutschland zu Berlin einen Friedensvertrag (Malloy: vol. III, 5. 2596ff.).
Ecuador unterzeichnete den Vertrag, ratifizierte ihn aber nicht. Die Beziehungen
mit Deutschland wurden aufgenommen durch Protokolle im Mai 1921 und 1922 ,
und durch Notenwechsel, in dem der deutsch-ecuadorianische
Freundschaftsvertrag von 1887 als weiterhin geltend betrachtet wurde.
König Hussein von Hedschas verweigerte die Ratifizierung, da Großbritannien
und Frankreich das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 nicht aufgeben wollten.
Costa Rica konnte wegen innerer Unruhen nicht unterzeichnen.
10. Sept. 1919 - Friedensvertrag von St. Germain en Laye
4. Juni 1920 - Friedensvertrag von Trianon
Vorgeschichte:
Die AufIösung der Donaumonarchie in ihre nationalen Bestandteile durch das
Ende des 1. Weltkrieges bildete eines der schwierigsten Probleme bei der
Neuordnung Europas. Am 21. Okt 1918 hatten die Reichtagsabgeordneten der
deutschen Landesteile Österreich-Ungarns eine vorläufige Nationalversammlung
für Deutsch-Österreich gebildet, die am 30. Okt. einstimmig beschloß, die
deutsche Reichsregierung um die Wahrnehmung der deutsch-österreichischen
Interessen zu bitten. Am 9. Nov. richtete der deutsch-österreichische Staatsrat an
die Reichsregierung die Bitte, die Teilnahme Deutsch-Österreichs am Neubau
des Reiches doch baldigst zu ermöglichen. Der Landesausschuß für DeutschBöhmen schloß sich diesem Ersuchen an. Die vorläufige Nationalversammlung
Deutsch-Österreichs beschloß am 12. Nov.:
,,Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik." Bei den
Alliierten war man aber nicht gewillt, dem Deutschen Reich eine solche
Gebietserweiterung zu gestatten. Vor allem die französische Regierung sprach
sich energisch in diesem Sinne aus. Während die Tschechoslowakei zu den
Siegermächten gerechnet wurde, betrachtete man Österreich als Nachfolgestaat
der Donaumonarchie, der darum als Besiegter behandelt werden müsse. Auch
Ungarn wurde so angesehen und fand die gleiche Behandlung.
Partner und Unterzeichner
Abgeschlossen im Schloß St. Germain zwischen der Repubik Österreich (Dr.
Renner) und den Alliierten (Clemenceau, Balfour, Polk, Tittoni, Chinda); im Palais
“Grand Trianon" in Versailes zwischlen Ungarn (Dr. Aug. Benard, a. o. Gesandter
Alf. V. Drasche-Lazar) und den Alliierten.
Zweck, Ziel, Absicht
Herbeiführung des Friedenszustandes zwischen den Alliierten und den nach
Auflösung der Donaumonarchie neu gebildeten Staaten Österreich und Ungarn.
Inhalt (14 Teile mit 381 Artikeln, Zusammenfassung der Hauptbedingungen)
Teil III, Art. 36-61: Politische Bestimmungen: Die 1918 herbeigeführte Trennung
Ungarns von Österreich wird aufrechterhalten.
Böhmen, Mähren, Österr. Schlesien (ohne Teschen) und der nördl. Teil von
Ungarn mit Preßburg, Schemnitz, Kremnitz, Kaschau und Munkacs bis zum
Quellgebiet der Theiß (d.h. 17 Komitate von Nordungarn = 6200 qkm) werden zu
einer neuen Republik, der Tschechoslowakei (CSR), vereinigt.
Südtirol bis zum Brenner mit Bozen und Meran (fast 1/4 Mill. Deutsche neben
47000 Italienern) fällt an Italien, das außerdem noch durch das Küstenland mit
Triest, Istrien, Teilen von Kärnten und Krain, Dalmatien und die dalmatinischen
Inseln vergrößert wird (nicht jedoch durch Fiume). Südsteiermark (mit Marburg,
Pettau und Cilli, Teile von Kärnten), dazu Krain, Kroatien, Slawonien, Bosnien mit
der Herzegowina und den ungar. Komitaten Bacs.Bodrog und Torontal mit MariaTheresiopel und Zenta (die Grenze verläuft südl. von Fünfkirchen und Szegedin
und westl. von Arad und Großuwardein) werden mit dem Königreich Jugoslawien
vereinigt. Auch Fiume soll den JugosIawen zufallen (wird aber später zum
Freistaat erhoben und schließIich 1924 Italien einverleibt).
Siebenbürgen samt der Bukowina und dem Banat (mit Temesvar) nebst Arad wird
zu Rumänien geschlagen, das von Rußland auch noch Bessarabien und von
Bulgarien Silistra erhält. Außerdem wird die neue rumän. Grenze auf Kosten
Ungarns über Siebenbürgen hinaus auf 230 km Länge etwa 60 km nach Westen
vorgeschoben, so daß z.B. noch Großwardein von Ungarn abgetrennt wird und
dieser Staat, der an Rumänien ein Gebiet von ungefähr 100000 qkm abtritt, nach
Verlust von gegen 60000 qkm an Jugoslawien von 325000 qkm mit 22 Mill.
Einwohnern auf 93000 qkm mit 8 Mill.
Einwohnern beschränkt wird.
Galizien wird mit Polen vereinigt.
Deutsch-Österreich (Ober- und Nieder-Österreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg,
Kärnten, Steiermark und das Burgenland außer Ödenburg) soll nach dem Muster
der Schweiz einen Bundesstaat bilden, dem jedoch der Anschluß an das
Deutsche Reich untersagt ist (Art. 188). Auch Österreich und Ungarn unterliegen
Rüstungsbeschränkungen. Die Artikel in den Verträgen von St. Germain und
Trianon über Völkerbund, Vertretung der österr. und ungar. Interessen im
Ausland, Wiedergutmachung, Kriegsverbrecher, Abrüstung, Luftschiffahrt, Häfen,
Wasserstraßen usw. entsprechen dem Vertrag von Versailles.
Ratifikation:
Die Republik Österreich übergab am 5. Nov. 1919 die Ratifikationsurkunde und
am 16. Juli trat der Friede in Kraft; Ungarn übergab sie im Juli 1921. [Die USA
ratifizierten nicht den Vertrag von St. Germain, die USA und Polen nicht den von
Trianon.]
Sprache
Deutsch, französisch, englisch, italienisch.
1919 Nov. 27 - Friedensvertrag von Neuilly - sur - Seine
Vorgeschichte
Bulgarien hatte 30. Sept. 1918 Waffenstillstand schließen und alle ehemals
serbischen und griechischen Gebiete räumen müssen. Zar Ferdinand I. hatte im
Okt. zugunsten des Kronprinzen Boris abgedankt. Im übrigen blieb das Land von
den inneren Umwälzungen verschont, die die anderen Mittelmächte heimsuchten.
Bei dem Friedensvertrag ofenbarten sich zwar die Zwistigkeiten der
Balkanstaaten vor dem 1. Weltkrieg, aber im Vergleich zu seinen ehemaligen
Verbündeten kam Bulgarien glimpflich davon.
Partner und Unterzeichner
Bulgarien (MinPräs. Stambulijski, Kriegsmin. Danew, Skazow, Sarasow) und die
Alliierten.
Zweck, Ziel, Absicht
Beendigung des Kriegszustandes.
Inhalt
1. Friedensvertrag (13 Teile mit 295 Artikeln);
2. Vertrag über die Durchführung;
3. Vertrag, der den Rumänen und den Serben einen Zeitraum von 8 Tagen zur
Unterzeichnung des Friedensvertrages gewährt.
Der Friedensvertrag ist nach demselben Plan wie der mit Österreich angelegt. Die
Bestimmungen über den Völkerbund, die Sanktionen, die Luftschiffahrt und die
Arbeit sind dieselben.
Teil II u. III, Art. 27-48: Grenzen und politische Bestimmungen:
Im Westen bleibt die Grenze gegen Südslawien im allgemeinen die alte; nur
einige kleinere Grenzbezirke und der Strumitzabogen fallen an Südslawien,
ebenso Nordmazedonien mit Uesküb, Prilep, Monastir uind Doiran.
GriechenIand erhält Südmazedonien mit Florina, Edessa, Seres, Drama und
Kawalla.
Der bisher zu Bulgarien gehörende Teil von SW- Thrazien mit Xanthi, Gümieljina
und Dedeagatsch bleibt den Alliierten vorbehalten, deren Verfügungen
anzuerkennen Bulgarien sich verpflichtet.
Erstere verbürgen sich dafür, daß Bulgarien ein Handelsweg nach der Ägäis
sichergestellt wird.
Die Südgrenze Bulgariens wird auf die Rhodopelinie festgesetzt. Im übrigen bleibt
die Grenze in Thrazien unverändert.
Gegen Rumänien wird die Grenze von 1. Aug. 1914 (bis zur Linie CobadinaTuzla) wiederhergestellt, Silistra verbleibt Rumänien.
Bulgarien bezahlt bis 1958, 2 1/4 Milliarden Franken als Kriegsentschädigung.
Es liefert an Serbien 5 Jahre lang 50000 t Kohlen. Das bulgarische Heer darf
höchstens 20000 Mann stark sein.
Ratifikation
Rumänien hat nicht unterzeichnet, sondern ist 1919 Dez. 09 durch eine Erklärung
beigetreten. Nicht ratifiziert haben: China, Cuba, Polen, USA.
Sprache
Französisch, englisch, italienisch.
1920 Aug. 10 - Friedensvertrag von Sèvres
Vorgeschichte
Nach dem Abschluß des Waffenstillstandes von Mudros,am 3o. Okt. 1918,
besetzten die Alliierten zunächst Stambul und die Meerengen. Der endgültigen
Friedensregelung standen die Orientinteressen, vor allem Englands, Frankreichs
und Italiens, und die territorialen Interessen der Balkanstaaten entgegen. Auf
Kosten der Türkei kam schließlich eine Übereinkunft zustande, die im Vertrag von
Sèvres ihren schriftlichen Niederschlag fand. Die ohnmächtige Regierung Sultan
Mohammeds VI. unterzeichnete am 10. Aug. 1920 den Vertrag. Dagegen wandte
sich die nationale Erhebung Mustafa Kemals, der in Auflehnung gegen die
Regierung des Sultans im April 1920 eine Nationalversammlung nach Angora
(Ankara) berufen hatte.
Partner und Unterzeichner
Die Türkei und die Alliierten. Jugoslawien und Hedschas verweigern die
Unterschrift; erstere, weil es die Bestimmungen über die Verteilung der türkischen
Schulden nicht anerkennen will; letzteres wegen der Ausweisung des Emirs
Faisal.
Zweck, Ziel, Absicht
Beendigung des Kriegszustandes. Durch den Friedensvertrag sollte die Türkei,
die vor dem Verlust von Tripolis an Italien (ohne Ägypten) nahezu 3 Mill. Qkm mit
25 Mill. Einwohnern umfaßt hatte, auf 300000 qkm mit etwa 5 Mill. Einwohner
beschränkt werden. Der Vertrag kam ohne direkte Beteiligung der USA zustande;
sie hatten nur die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, aber keine
Kriegserklärung ausgesprochen. Ein Notenwechsel 1927 regelte die
Beziehungen.
Inhalt (13 Teile mit 433 Artikeln; Zusammenfassung)
1. Die britische Regierung und ihre Verbündeten besetzen Konstantinopel und die
Meerengen. Ein internationaler Rat übernimmt die Kontrolle und Verwaltung.
2. Die Kapitulationen werden zur Rechtssicherheit für die Ausländer in der Türkei
wiederhergestellt.
3. Die Türkei kommt unter milit. Kontrolle und Finanzaufsicht, gibt die Wehrpflicht
auf und darf 50000 Mann Truppen halten, aber keine Kriegs- und Luftschiffe. Sie
unterstellt Häfen, Flußschiffahrt und Eisenbahnen einer internat. Kontrolle und die
nationalen und religiösen Minderheiten dem Schutz des Völkerbundes. Außerdem
leistet die Türkei Wiedergutmachung und liefert das Staatseigentum ihrer
Verbündeten aus.
4. Die Türkei unterstellt die Dardanellen der Kontrolle der Meerengenkommission.
5. Die Türkei wird aufgeteilt, sie tritt ab:
an Griechenland: Thrazien mit Gallipoli bis zur Tschataldschalinie, alle Ägäischen
Inseln außer Rhodos (für Italien bestimmt) und Smyrna;
an Frankreich: Syrien und Cilicien (Wilajet, Adana);
au England: Mesopotamien (Irak) und Palästina, dazu die Schutzherrschaft über
Arabien (Königreich Hedschas);
an Italien: als Interessengebiet die Küste von Adramyti bis Adalia (Rhodos
gegenüber).
6. Türkisch-Armenien wird ein selbständiger Staat; Kurdistan erhält Autonomie.
Die Türkei wird also auf Konstantinopel mit dem Gebiet bis zur Tschataldschalinie
und auf Kleinasien beschränkt. Cypern, Ägypten und Tripolitanien bleiben unter
englischer bzw. italienischer Herrschaft.
Ratifikation
Dieser Friedensschluß wird von der Regierung in Stambul am 10. Aug.
unterzeichnet. Die Nationalversammlung in Angora (Ankara) verlangt
Thrazien und Smyrna zurück und lehnt die militärische und finanzielle
Kontrolle ab.
Sprache
Französisch.
Weitere Entwicklung
Am 20. Okt. 1921 schließen Frankreich (Franklin-Bouillon) und die Türkei (Jussuf
Kemal) zu Ankara ein Abkommen, das keiner Ratifizierung bedarf. Ein
gIeichzeitiger Notenwechsel betr. die Wiederherstellung freundschaftlicher
Beziehungen, Beseitigung des Kriegszustandes, Pachtgebiete in Alexandrette u.
a. m. für die Türkei. Die Grenzziehung wird gegenüber dem Vertrag von Sevres
wesentlich verbessert. 1921 folgt scharfer Protest Großbritanniens wegen
Verletzung des Vertrags vom Sept. 1914 (Londoner Tripleentente). -Als Folge
der sehr schweren griechischen Niederlage bei Sakkaria (13. Sept. 1921)
verzichtet Frankreich endgültig auf das Tripartite-Abkommen vom 24. April 1920.
Herunterladen