Das Thema als zentrales Leitungsinstrument der TZI

Werbung
Das Thema
als zentrales Leitungsinstrument der TZI-Methodik,
dargestellt am Beispiel der Erarbeitung eines Komponistenporträts
im Musikunterricht einer 5. Grundschulklasse
von
Christiane Wanjura-Hübner
Freiherr-vom-Stein-Straße 37
13467 Berlin
Tel.: 030 404 86 45
E-mail: [email protected]
Inhalt
Einleitung
Theoretische Anhaltspunkte
Vorüberlegungen zu meinem Auftrag, meiner Zielgruppe und unseren Rahmenbedingungen
Was könnte und was soll bearbeitet werden?
Das Thema formulieren
Durchführung und Ergebnisse
Reflexion
Literatur
Anhang
Seite
1
1
1
3
4
4
7
8
9
1
Einleitung
Meine Überlegungen, die Themenzentrierte Interaktion im allgemein bildenden Musikunterricht zu erproben,
basieren auf den Erfahrungen mit sehr heterogen zusammengesetzten Lerngruppen an einer musikbetonten
Grundschule im Wedding und meinen nach 27 Berufsjahren noch immer ungebrochenen Bestrebungen, den
Bedürfnissen der Kinder aus diesem sozial schwachen Einzugsgebiet gerecht werden zu wollen. Die Heterogenität bezieht sich sowohl auf den Leistungsstand innerhalb einer Klasse (von Sonderschülern* über ADS-Kinder
bis zu fast Hochbegabten) als auch auf den hohen Ausländeranteil der Schule (85 %, überwiegend türkischer
Herkunft, z. Zt. 24 verschiedene Nationalitäten). Dreiviertel der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit an
meiner Schule wird im Schnitt zum Vermitteln von Lehrstoff genutzt, das Erziehen erfordert das andere Viertel;
oft werden ganze Stunden zu Mediationszeiten, wovon auch der Fachunterricht nicht ausgenommen ist. Selbst in
positiv geführten Klassen gibt es ein hohes Aggressionspotenzial, das nicht allein auf die institutionellen Bedingungen dieser sog. Brennpunktschule, an der ich seit Beginn meiner Ausbildung tätig bin, zurückzuführen ist.
Die vorliegende Zertifikationsarbeit befasst sich schwerpunktmäßig mit der Themenformulierung als dem zentralen Leitungselement der TZI-Methodik, um seine Wirkung in dem oben umrissenen Umfeld zu erproben.
Planung, Durchführung und Reflexion der Unterrichtssequenz stelle ich unter die Leitfrage: Wie reagieren meine
kulturell, sozial und kognitiv unterschiedlich geprägten Schüler auf TZI-gemäße Themenformulierungen zu einem musikhistorischen Lernangebot, das ihre emotional-fantasievollen Sichtweisen einbezieht.
Theoretische Anhaltspunkte
Definition: Mit »Thema« wird in der TZI ein Teilaspekt eines Gesamtanliegens bezeichnet, um den sich eine
Gruppe zentriert. In der Folge werden die individuellen und gemeinsamen Anliegen unter diesem Fokus geklärt,
abgegrenzt, koordiniert und bearbeitet, indem Erfahrungen, Vorwissen, Informationen, Gefühle und eigene Ideen
zusammengeführt werden. Die inhaltliche Arbeit erhält ihren Fluss und ihre Energie somit aus einer Kette von
Themen, deren richtige Formulierung das Ideenpotenzial der Gruppe erschließt und gestaltende Beziehung zu
den Gruppenmitgliedern aufnimmt. Das TZI-Thema als Methodeninstrument ist folglich ein versprachlichter und
reflektierter Gegenstand.
Das TZI-Dreieck: Die in Ich-, Wir- und Sachthemen unterschiedenen Formulierungen mit Bezug auf das TZIDreieck berücksichtigen gleichzeitig die Rahmenbedingungen, den so genannten Globe. Dazu gehören neben
dem inhaltlichen Material (Bild, Referat, Film, Text, Plakat, Fallbeispiel usw.) das Vorwissen der Lerngruppe
und die speziellen Fähigkeiten Einzelner sowie Zeit, Raum und die Einpassung in den Bezugsrahmen (Institution, Vorgaben, Außengeschehen usw.).
Formulierungsregeln: Das Thema als Verbindung zwischen Anliegen und Ziel soll die Lernenden öffnen und zur
Arbeit anregen. Um es zielgruppen- und prozessorientiert anbieten zu können, sollten neben dem Bedenken der
Vester‘schen Regeln aus der Lernbiologie (z. B. Kennen der Lernziele, Anknüpfen an Bekanntes, Nutzung verschiedener Lernkanäle, Wecken von Neugierde, positive Hormonlage, mittlerer Erreichbarkeitsgrad, Skelett vor
Detail, Vermeidung von Inteferenzen, Verknüpfung mit der Realität, Assoziationen usw.) folgende wesentliche
Kriterien Berücksichtigung finden: das TZI-Thema weist auf Offenheit für unterschiedliche Zugänge, Öffnung
und Abgrenzung, Handlungsorientierung, leichte Verständlichkeit, offene Fragen, Wertungsneutralität sowie
Resultatsvarianten und ist positiv formuliert.
Strukturplanung: Da ein Thema in unterschiedlicher Struktur bearbeitet sehr verschiedene Wirkungen zeitigt, ist
die Planung beispielsweise der geeigneten Sozialform aufs engste mit der Themenformulierung verbunden. Die
Struktur auf der Grundlage didaktisch-methodischer Überlegungen soll der inhaltlichen Weiterentwicklung
dienlich sein und darf folglich nicht dem Zufall bzw. spontaner Entscheidungen der Gruppe überlassen werden.
Hinführung zum Thema: Auch der Einstieg gehört lt. Langmaack noch zum Feld der Themenplanung. Neben der
Bekanntgabe der Zielvorstellung soll die Einführung in das Thema verdeutlichen, wie es zur Auswahl gekommen ist, wie die Lernstrukturen sein werden und welche Erfahrungen in welchem Zeitraum gemacht werden
können. Wie im Thema selbst soll zudem das Inhaltliche mit der Gefühls- und Erfahrungsebene verbunden und
zur aktiven Auseinandersetzung ermutigt werden. Die Zentrierung auf das Thema kann während des Einstiegs
durch Brainstorming, Text oder Dialog, Bild oder Aufzählung von Themenpunkten gefördert werden.
Vorüberlegungen zu meinem Auftrag, meiner Zielgruppe und unseren Rahmenbedingungen
Rahmenthema: In der geplanten Unterrichtseinheit möchte ich ein Komponistenporträt von Wolfgang Amadeus
Mozart erarbeiten. Dazu gibt es keine vorgegebenen Inhalte, allerdings bieten die gängigen Schulmusikbücher
für die Klassenstufen 5 und 6 zahlreiche Anregungen unterschiedlicher Auswahl, Qualität und Intensität zu diesem Lernfeld an.
2
Auftraggeber und Auftrag: Laut Präambel des Grundschulrahmenplans Musik der Berliner Senatsverwaltung für
Bildung, Jugend und Sport (gültig seit Schuljahr 1993/94) soll der Schüler befähigt werden,
•
•
•
•
seine musikalisch-akustische Umwelt selbständig, sachverständig und phantasievoll zu bewältigen (dazu vertiefen die
Schüler während der geplanten Unterrichtseinheit bekannte Arbeitsweisen oder lernen neue kennen)
gegenüber jeder Art von Musik sich offen, vorurteilsfrei und aufnahmebereit zu verhalten (durch die Freude am gemeinsamen Kennenlernen eines Komponisten und seiner Musik aus der Klassik wird auch für künftige Auseinandersetzungen mit Musikstilen, die nicht dem Alltag meiner Schüler entstammen, der Boden bereitet)
Erlebnis- und Genussfähigkeit zu steigern, Freude an Musik und mit Musik zu empfinden und schöpferische Kräfte zu
entwickeln (auf Grund möglichst häufiger Koppelung von Information, Handlung und Musik werden positive Zugänge
sowohl zum historischen als auch zum akustischen Sachinhalt geschaffen)
Musik mit Verständnis zu begegnen, Strukturen und Wirkungszusammenhänge zu erkennen und angemessen beschreiben
zu können (dies wird durch die Schwerpunktsetzung »Porträt« lediglich angebahnt).
Allgemein werden die Lernebenen im Rahmenplan spezifiziert in
a) akustisch-sensorische und kognitive Richtziele, wie z. b. die Entwicklung, Ausbildung und Verfeinerung
•
der Kenntnis von Grundtatsachen der musikalischen Gestaltlehre und von Grundbegriffen der musikalischen Fachsprache (durch den gewählten Inhalt wird dies eher fachsprachlich als musikspezifisch angestrebt)
•
des Unterscheidungsvermögens und der Kenntnis verschiedener Arten und Stile von Musik (durch intensivere Auseinandersetzung mit einem Musikstil – nämlich dem klassischen am Beispiel Mozarts – werden die Schüler befähigt andere
von diesem abzugrenzen)
•
des Beurteilungsvermögens und der Kenntnis von Funktion und Wirkung von Musik (das Funktionale in Mozarts Musik
ist eng mit seiner Begabung, der Zeit und seinem Lebensstil verbunden und hat entsprechende exemplarische Bedeutung)
b) affektive Richtziele, wie z. B. die Weckung und Förderung von Toleranz, Offenheit, Neugier und Interesse gegenüber
Musik (= mein Hauptziel bei dem geplanten Inhaltsangebot)
c) psychomotorische Richtziele, wie z. B. die Vermittlung und Übung von Fertigkeiten bei der Bedienung und dem Einsatz
von technischen Mittlern (stets ein »Nebenprodukt«, wenn sich verschiedene Gruppen innerhalb einer Klasse mit Hörbeispielen beschäftigen).
Die weitere Differenzierung der Richt- in Lernziele für die einzelnen Klassenstufen erbringen für den in den
Mittelpunkt gerückten Themenbereich keine zusätzlichen Erkenntnisse, da die jeweils angegebenen Lerninhalte
lediglich empfehlenden Charakter haben.
Zielgruppe: Geplant wird die Unterrichtseinheit für den Musikunterricht in meiner fünften Klasse. Ich unterrichte diese Lerngruppe mit größeren Unterbrechungen seit ihrem Schuleintritt und habe zu dem Schülerstamm
ein stabil gutes Verhältnis, das zu einigen später hinzugekommenen Schülern wechselt. Da die Fluktuation an
unserer Schule auf Grund gestiegener Mieten im Umfeld, der wechselnden Bewohner zweier Obdachlosenasyle
und eines Asylantenheims im Einzugsgebiet sowie der schulpolitischen Veränderungen hin zu Ganztagsbetrieben, Schnellläuferklassen und Profilbildung immens ist, haben inklusive Wiederholer im Laufe der Zeit auch in
dieser Gruppe mehr als 60% der Schüler einen Klassen- oder Schulwechsel hinter sich. Von einer gewachsenen
Gemeinschaft kann daher nicht die Rede sein. Zudem gibt es ein auffälliges Leistungsgefälle, jedoch verstärken
die leistungsstarken Schüler die Lernleistungen und -bereitschaft aller.
Zurzeit weisen mehrere Kinder in der Klasse ein problematisches Sozialverhalten auf, das sich in gestörter
Kommunikation, Konflikten, Gewaltandrohung und Prügeleien mit Mitschülern, aber auch in Auseinandersetzungen mit Lehrerinnen und Lehrern zeigt. Diese nicht nur klassenspezifischen Spannungen beeinflussen den
Unterrichtsverlauf zum Teil erheblich. Da die Schüler sich zu Beginn der Pubertät in einen unzufriedenen Zustand über ihr eigenes Ausdrucksvermögen und hierzu fehlende Hilfestellung durch die Institution Schule befinden, ist es erforderlich ihnen konkrete Hilfen unter Berücksichtigung ihrer Altersstruktur zu geben, um ihre Motivation für den Unterricht und seine Inhalte über die Grundschulzeit hinaus zu erhalten.
Die Lerngruppe ist gewohnt in meinem Musikunterricht überwiegend musizierpraktisch zu arbeiten, die Auseinandersetzung mit theoretischen Inhalten gehört nicht zu ihrer favorisierten Lernform. Die Hälfte der Klasse hatte
oder hat instrumentalen Gruppenunterricht, ein Drittel nimmt regelmäßig an Musik-AGs teil, der Stellenwert des
Faches Musik ist aus Sicht der Schüler im mittleren Feld anzusiedeln. Unterschiedliche Sozial- und Arbeitsformen wie Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit, Diskussion, selbst strukturierte und verantwortete Freiarbeit, Rollenspiel, Pantomime, Bildbetrachtung sowie verschiedene Formen der Texterarbeitung sind den Schülern je nach
Klassenzugehörigkeitsdauer mehr oder weniger vertraut. In letzten Halbjahr wurde im Deutschunterricht von der
Klassenlehrerin ein Bewusstsein für sinngebende Zeichensetzung, doppeldeutige Sätze und die verschiedenen
Ebenen einer Aussage (in Anlehnung an das »Vier-Ohren-Modell« von F. Schulz von Thun) geschaffen.
Zeitlicher Rahmen: Die dargestellte Unterrichtseinheit liegt inhaltlich zwischen einem instrumentenkundlichen
Schwerpunkt (Die Familie der Streichinstrumente), in der u. a. ein Streichquartett von Mozart gehört worden ist,
und einer nachfolgenden Tanzsequenz (Squaredance durch die Jahrhunderte), zu der neben Pop und Folk auch
ein klassisches Musikbeispiel herangezogen werden wird. Sie soll sechs Schulstunden à 45 Minuten (= drei Wochen) umfassen, wovon die letzten drei für ein »Lernen an Stationen« reserviert sind.
3
Ort: Aus vier Gründen führe ich den Unterricht nicht im Fach-, sondern im Klassenraum der Lerngruppe durch:
1. alltägliche Umgebung und Sitzordnung für unsichere Schüler, 2. leichtere Aufsicht bei Gruppenarbeit (drei
durch Glastüren abgetrennte Flure als Ausweichräume), 3. großer Medienpool (z. B. für Rollenspiele) im Klassenschrank, 4. mögliche Anwesenheit der gehbehinderten Klassenlehrerin (für die Präsentation der Ergebnisse).
Was könnte und was soll bearbeitet werden?
Mein eigener Zugang zur Thematik: Wolfgang Amadeus Mozart ist einer meiner Lieblingskomponisten aus der
Klassik. Dies hat Vor- und Nachteile für die Bearbeitung seines Lebensbildes im Unterricht: einerseits kann ich
mit meiner Freude an dieser Musik und der Dankbarkeit gegenüber diesem Komponisten viel von mir zeigen
und Begeisterung für die Thematik authentisch an die Schüler weitergeben, andererseits fürchte ich meine Enttäuschung und Betroffenheit, wenn die Schüler gerade diesen Komponisten und seine Musik, die mich seit meiner eigenen Kindheit begleiten, ablehnen. Die sachlichen Eckpfeiler des Rahmenthemas sind
•
•
•
Mozarts erstes Lebensjahrzehnt, in dem sich seine hohe Begabung zeigte
seine allgemeinen Lebensumstände, die geprägt waren von Lust, Erfolg und Entbehrung
sein umfassendes kompositorisches Schaffen vom einfachen Nonsens-Lied bis zur komplexen Oper.
Mögliche Inhalte und Lernziele: Die das Rahmenthema füllenden inhaltlichen Bausteine setzen sich zusammen
aus
der Herkunftsfamilie Mozart, dem Geburtsort und -datum Wolfgangs, seinen musikalischen Fähigkeiten als Kind und seiner
Kindheit allgemein, dem erzieherischen und musikalischen Anliegen von Vater Mozart, den gemeinsamen Reisen zu Kaisern
und Fürsten, dem Leben mit Freunden und Gegenspielern (Rivalitäten), Mozarts positiven Eigenschaften und Defiziten, der
eigenen Familie Mozarts, den beruflichen Erfolgen und Misserfolgen, seinen Lebenskrisen, seinem Kompositionsstil, seinem
Opern- und sinfonischen Schaffen, Todesjahr und -umstände, der klassischen Musikepoche und den von ihr hervorgebrachten
Komponisten.
Aus den o. g. Bausteinen ergeben sich eine Vielzahl möglicher Ziele, die ich überwiegend auf der kognitiven
(wissen, erkennen, benennen, schreiben, aufzählen, berichten, ordnen) und affektiven (spüren, sehen, hören,
einfühlen, genießen, darstellen, improvisieren, interpretieren) Ebene ansiedeln möchte.
Was muss bearbeitet werden auf Grund des Lehrplans? Da ich mit der Themenwahl bei meinen Schülern in
erster Linie Toleranz, Offenheit, Neugier und Interesse gegenüber Musik wecken und fördern möchte, obliegt
mir die Entscheidung der inhaltlichen Auswahl. Zum Verfolgen dieser Hauptintention halte ich es für ausreichend, den Schwerpunkt auf die Jugendjahre Mozarts zu legen. Weitergehende Informationen orientieren sich an
der Entwicklung der Schülerinteressen.
Aus meiner Sicht sind auf Grund der o. g. Fokussierung folgende Inhalte denkbar:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Erste musikalische Kindheitserlebnisse Mozarts
Liebevoller Wettstreit und geschwisterliche Rivalität zwischen Nannerl, der älteren Schwester, und Wolferl
Erste Kompositionen wie Lieder (z. B. Bona nox) und Menuette (komponiert mit fünf Jahren); 1. Sinfonie (komponiert mit neun Jahren);
Der Vater als strenger Lehrer
Die »Wunderkind-Problematik« und Mozarts Charaktereigenschaften
Reisebedingte und wahrscheinlich traumatische Trennungen von der Mutter; Briefkontakte zur Mutter
Anstrengung bis Überforderung (und lebenslange Krankheiten) durch lange Übezeiten, aufwändige und witterungsbeeinflusste Reisen mit der Pferdekutsche sowie das verlangte höfische Verhalten an den Zielorten
Pianistische, organistische und violinistische Fertigkeiten
Besondere musikalische Fähigkeiten (z. B. Blindspiel, Improvisation, Ideenreichtum, musikalisches Gedächtnis,
gefühlvoller Ausdruck, Blattspiel, Transponieren, Gespür für den »Geschmack der Zeit«)
Begegnungen und Kompositionseinflüsse
Möglicher Zugang der Lerngruppe zur Thematik: Im Zusammenhang mit eigenen kompositorischen Aufgabenstellungen haben sich die Schüler der 5a ansatzweise mit dem Berufsbild »Komponist« beschäftigt. Die in der 3.
Klasse mit Freude musizierten Spiel-mit-Sätze zur »Kleinen Nachtmusik« von Wolfgang Amadeus Mozart und
zur »Kindersinfonie« von Vater Leopold Mozart wird einem Teil der Gruppe noch präsent sein und die Vermutung liegt nahe, dass viele Schüler mit dem Namen Mozart etwas verbinden. Zudem erregt alles, womit sich die
zum Teil bereits pubertierenden Kinder identifizieren können, ihre Aufmerksamkeit. Sie finden es spannend, von
den Lebensweisen anderer Kinder und Heranwachsender sowie deren familiären Verhältnissen zu erfahren.
Trotz sehr unterschiedlicher kultureller Sozialisation stehen die Pop-Idole im Vordergrund des musikalischen
Interesses meiner 10- bis 13-jährigen Schüler. In dieser Verbindung ist von einigen auch der Wunsch geäußert
worden, doch mal etwas von berühmten Musikern zu erfahren, was die Klasse zustimmend aufgenommen hat.
Berühmt zu sein ist ein Traum vieler und fördert den Fernsehkonsum bzgl. Sendereihen wie »Big Brother«,
»Deutschland sucht den Superstar« u. Ä., was bei der sachlichen Beschäftigung der Lerngruppe mit dem »Wunderkind« Mozart und ungewohnter klassischer Musik wiederum unterstützend wirken kann.
4
Aus der Sicht der Lernenden könnten daher folgende Fragestellungen zum Themenkreis interessant sein:
•
•
•
•
•
•
•
•
Wie hat Wolfgang Amadeus Mozart als Kind gelebt?
Wie war sein Verhältnis zu seinen Eltern und / oder Geschwistern?
Welche Nationalität, welche Religion hatte er?
Welche Spiele hat er geliebt, womit hat er seine Freizeit verbracht?
Welche Instrumente konnte er spielen und wie hat er sie erlernt?
Wie war er in der Schule?
Was hat er angezogen?
Was musste er tun, um berühmt zu werden und wo ist er überall herumgekommen?
Was kann und will ich selbst bearbeiten? Da die Informationsfülle zu Mozarts Leben beträchtlich ist, gilt es
Wesentliches für meine Schüler herauszufiltern. Dazu werde ich u. a. exemplarische Informationen auf einem
Arbeitsblatt zusammenfassen und interessante Fragen nebst ihren Antworten auf Karten vorbereiten, die zusätzlich zu einigen Nachschlagewerken, Texten und audiovisuellen Mittlern als Wissensquelle dienlich sind.
Das Thema formulieren
Eingrenzung: Aus Zeitgründen ist es nicht leistbar, ein umfassendes und tiefgehendes Porträt des Komponisten
Wolfgang Amadeus Mozart zu erarbeiten. Das Anliegen: Momentaufnahmen aus seiner Kindheit als Versatzstücke, die einen Einblick in das Leben eines sog. Wunderkindes vor 250 Jahren geben, um Verschiedenheit und
Parallelitäten zur heutigen Kindheit aufzudecken, sollen in den Schülern ein Verständnis für das Ausnahmetalent, die Einmaligkeit und gleichzeitige Normalität des jungen Mozart anbahnen und mit einigen seiner Werke in
Verbindung bringen. Letztere sollen nicht zu analytischen Verfahren im Umgang mit Kompositionstechniken
herangezogen werden, sondern lediglich Zugänge und Offenheit für den klassischen Stil schaffen.
Der Arbeitstitel: Da es zunächst nur eine Annäherung an das komplexe Phänomen Mozart geben kann, geht es
um die Präzisierung hinsichtlich eines Lebensausschnitts. Dies soll wegen der Altersähnlichkeit mit der Zielgruppe die Kindheit sein. Um auch hier einen Schwerpunkt deutlich zu machen, lautet der Arbeitstitel
Wir nähern uns dem Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart – Was macht das Wunderkind Wolferl aus?
Die weiteren Überlegungen dazu enden in einer Reihung aufeinander aufbauender Themen, die gleichzeitig
Stundenschwerpunkte darstellen.
Der thematische Verlauf der Unterrichtseinheit:
1) Wir stellen uns Wolfgang (Wolferl) Amadeus Mozart vor...
a) Mozart? Den Namen hab’ ich doch schon irgendwo mal gehört! – Wir sammeln, was wir wissen.
b) Wolferl, komm, wir erzählen dir was von uns. Stell uns Fragen!
2) Wie wird man ein »Wunderkind«? – Wir informieren uns und suchen gemeinsam Antworten auf unsere Fragen.
3) Wir spüren einer Alltagssituation von Wolferl nach und gestalten sie als Rollenspiel oder Pantomime.
4) Ich begleite Wolfgang A. ein Stück auf seinem weiteren Lebensweg und gestalte dabei ein eigenes Mozartheft.
Strukturen: Für die Bearbeitung der Themen plane ich neben der Einzelarbeit und dem Plenum, das aus zeitökonomischen Gründen nicht im TZI-üblichen Kreis durchgeführt werden kann, die themengleiche Arbeit in Sympathiegruppen und arbeitsteilige Gruppenarbeit nach Themeninteresse. Eine Präsentation ist zum 1. und 3. Thema in Form von Plakaten bzw. einer Darbietung geplant, ansonsten gibt es verschiedene schriftliche Ergebnisse.
Durchführung und Ergebnisse
Die Unterrichtseinheit »Wir nähern uns dem Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart – Was macht das Wunderkind Wolferl aus?« wurde vor den Osterferien 2004 in der oben beschriebenen 5. Klasse, die mit zwei strafversetzten Schülern und einem Neuzugang in größerer Umbruchunruhe war, durchgeführt. Zudem erwies sich
Ausgangssituation (5. Stunde nach einer großen Pause mit Prügeleien) als ungünstig: drei Schüler fehlten wegen
ihres Frühstücksdienstes, vier wegen Krankheit (da waren es noch 18), die Aufgaben der vorangegangenen Geschichtsstunde waren nicht beendet und sollten von sieben Schüler noch von der Tafel abgeschrieben werden.
Mein Vorgehen in der ersten Stunde:
(10‘) Ich bringe die an ihren Gruppentischen sitzenden Schüler zur Ruhe und mache nach dem Glätten der ärgsten emotionalen Wogen deutlich, dass ich die augenblicklichen Probleme verstanden habe und mich ihnen bei
Bedarf zum Ende der Stunde und der darauf folgenden Pause weiter widmen würde. Da ab der heutigen Musikstunde das gewünschte Thema, einen berühmten Musiker kennen zu lernen, bearbeitet werden soll, bitte ich
auch um Beendigung der Abschreibarbeiten. Die meisten Schüler nicken zustimmend. Ich erläutere kurz, dass
wir etwas über einen meiner Lieblingskomponisten und einen weltbekannten Musikstar, dessen Kindheitserlebnisse Ähnlichkeiten mit dem eben erlebten Streit (Rivalität) zu tun haben, erfahren werden – was nun auch die
bis dahin weniger konzentrierten Schüler aufmerksam werden lässt.
5
(5‘) Unter Murren von zwei noch immer Schreibenden klappe ich die Tafel auf und hefte ein Mozart-Porträt an.
Gelächter folgt und dann Bemerkungen wie Wie sieht der denn aus? / Na, aus der Pop-Szene ist der aber nicht. /
Guck mal, dem seine Nase! / Ich glaub, das ist ein Klassiker. / Nein, eher Mozart oder so... Während bei den
ersten Äußerungen auch einige unflätige dabei sind, stimmen sich die Schüler ernsthafter auf das Thema ein, als
ich eine CD mit der »Kleinen Nachtmusik« anspiele. Die Erinnerung an den erfolgreich musizierten Spiel-mitSatz tut sein Übriges und es erfolgt die Bestätigung seitens der Kinder Ja, das ist Mozart. Ich hefte die Lebensdaten (1756-1791) an die Tafel, lasse sie kurz wirken (einige rechnen das Lebensalter aus) und bitte die Schüler
dann sich so zu setzen, dass trotz der im Raum verteilten Tischgruppen eine kreisförmige Sitzordnung entsteht.
(5‘) Während des Umräumens schreibe ich das 1. Thema unter das Bild (Wir stellen uns Wolfgang (Wolferl)
Amadeus Mozart vor.) und warte ab. Die Klasse wird nach spontaner Belustigung über den für Berliner schwer
auszusprechenden »Wolferl« ruhig, denkt nach. Die ersten beiden Aussagen beziehen sich auf vages Vorwissen
musikalisch Interessierter. Dann kommt ein Schüler auf die Idee, dass man sich ja in seiner Fantasie vorstellen
könnte, wie und was Mozart wohl war, es müsste ja gar nicht stimmen; daraufhin der nächste: »Man könnte aus
dem Satz auch lesen, dass wir uns ihm vorstellen sollen.« Beide Möglichkeiten werden kurz diskutiert und ein
Schüler vermutet, dass Wolferl der »Kindername« von Mozart gewesen sein könnte. Ich bestätige diese österreichische Koseform und übersetze Amadeus mit »von Gott geliebt«, was einiges Erstaunen hervorruft.
(20‘) An der Tafel erscheint nun auch die Fortsetzung des Themas (a] Mozart? Den Namen hab’ ich doch schon
irgendwo mal gehört! Wir sammeln, was wir wissen. b] Wolferl, komm, wir erzählen dir was von uns! Was wisst
du wissen?) und im Nu bilden sich Interessengruppen, die gleich anfangen möchten ihre Ideen vorzutragen.
Nach Klärung der Aufgabenstellung für die im Deutschen unsicheren bitte ich alle Schüler sich in Dreier- und
Vierergruppen zusammenzusetzen und ihre Versionen zunächst zu besprechen. Nach zehn Minuten werden die
sehr angeregten Unterhaltungen von mir unterbrochen und jede der fünf Gruppen erhält ein DinA2-Blatt mit der
Bitte aufzuschreiben, a) in welchem Zusammenhang sie den Namen Mozart gehört haben und b) was Wolferl sie
fragen könnte.
(5‘) Nach getaner Arbeit heften die einzelnen Gruppen ihre Plakate an die Tafel, lesen sie vor, geben klärende
Auskünfte bei Nachfragen und überlegen gemeinsam, ob inhaltlich alles richtig ist bzw. wie sie es überprüfen
könnten.
Ergebnisse zu a): Schule / Mozartkugeln / Fernsehen (André Rieu) / Radio (Klassik-Radio) / Programmzeitschrift / CD / mein
Vater hört manchmal seine Musik / meine Mutter hat ein paar CDs von ihm / es gab mal einen Film über ihn / er war ein
Komponist / er hat vor langer Zeit gelebt und ist nicht sehr alt geworden / er hat viel Musik geschrieben und war sehr berühmt / früher war er ein Wunderkind / er hat Klavier gespielt / er ist viel gereist / er hatte eine Perücke auf und auch sonst
komische Klamotten / er war Österreicher / seine Eltern waren fromm.
Ergebnisse zu b): Wie alt bist du? Spielst du Klavier oder ein anderes Instrument? Kannst du komponieren? Welche Musik
hörst du gerne? Bist du berühmt? Sind deine Eltern reich? Wie bist du in der Schule? Was spielst du in der Freizeit? Was ist
ein Computerspiel? Was ist Fernsehen? Was ist eine CD? Was ist ein Telefon? Was ist ein Auto? Was ist ein Flugzeug? Wo
lebst du? Hast du Geschwister? Was trägst du für Klamotten? Kennst du Kaiser und Könige? Bist du schon mal mit einer
Postkutsche verreist?
(Die orthographische Mängel auf den Plakaten habe ich hier nicht mit übernommen.)
Kurz vor dem Klingeln verleihe ich meiner Freude und Zufriedenheit über die von den Kindern erarbeiteten
Ergebnisse Ausdruck. Sie strahlen. Über die Probleme aus der vorangegangenen Pause möchte keines mehr
reden, aber sie möchten wissen, was es denn für Ähnlichkeiten zwischen Mozart und ihrem Streit gibt. Ich verweise auf die nächsten Stunden und erfülle ihnen stattdessen den während der Gruppenarbeit geäußerten
Wunsch, die CD nochmals aufzulegen.
Die zweite Stunde und die folgende widmen sich dem »Wunderkind« Mozart:
(10‘) Ich knüpfe an die interessanten Ergebnisse der vorangegangenen Stunde an und bestätige das gute Vorwissen der Klasse über Wolfgang Amadeus Mozart. Ich nenne das Thema für die heutige Stunde (Wie wird man ein
»Wunderkind«? – Wir informieren uns und suchen gemeinsam Antworten auf unsere Fragen.) und beobachte
Verwunderung und das sofort entstehende lebhafte Gespräch – natürlich auch über entsprechende Fernsehsendungen. Verschiedene Vermutungen werden von Lisa, die in der ersten Stunde das Stichwort »Wunderkind«
eingebracht hat, durch eine mitgebrachte CD mit dem berühmten Gemälde Wolferls (mit Vater Leopold und
Schwester Nannerl) auf mögliche unangenehme Seiten einer solchen Kindheit gelenkt (artig sein, üben, blöde
Klamotten tragen...).
(10‘) Zu Beginn der Erarbeitungsphase erhalten die Schüler einen Arbeitsbogen (s. Anhang) mit einer Abbildung
des oben erwähnten Gemäldes, einem kurzen Bericht aus einer Pariser Zeitung von 1763, einer Beschreibung
von Wolferls musikalischen Fähigkeiten, einer Begründung für seine Reisen sowie einen drei Jahre umfassenden
Reisekalender (1763-66); dazu den Auftrag »Seht euch das Blatt an und lest den Text leise durch. Wenn ihr
wollt, macht euch Notizen oder streicht an, was euch interessant erscheint, wozu ihr eine Frage habt, was ihr
vielleicht nicht gut oder sogar doof findet. Anschließend bildet ihr Dreiergruppen und versucht euch eure Fragen gegenseitig zu beantworten.« Während dieser Phase lasse ich den 2. Satz aus Mozarts vierter Sinfonie als
Hintergrundmusik laufen.
6
(15‘) Nach der Einzelarbeit bilden die Schüler recht diszipliniert ihre Dreiergruppen und tauschen sich sofort
aus. Ich lege jeder Gruppe schriftliche Arbeitsaufträge auf ihren Tisch: 1. Unterhaltet euch über das, was euch
von den schriftlichen Informationen wichtig ist. 2. Formuliert gemeinsam eine oder mehrere Fragen, die ihr in
eurer Gruppe nicht klären könnt (Schreibvorlagen liegen auf dem Lehrertisch). 3. Auf dem Mitteltisch liegen
Blätter mit Fragen und deren Antworten auf der Rückseite. Dort könnt ihr nachsehen, ob eure Fragen schon mal
gestellt und beantwortet worden sind. 4. Zum Schluss der Stunde trägt jede Gruppe ihre Fragen vor. Das kann
erzählend, lesend oder darstellend geschehen. Die Selbstkontrolle der Fragestellungen geht sehr geordnet vonstatten, da die Gruppen zeitlich gestaffelt fertig werden. Dabei registriere ich, das fast alle Schüler neugierig sind
und sich zu den Fragen auf dem Mitteltisch auch die Antworten durchlesen.
(10‘) Zum Abschluss der Stunde formulieren vier Dreiergruppen ihre übrig gebliebenen Fragen frei, die anderen
drei lesen sie vor. Vier dieser Fragen werden sofort beantwortet, weil sie von anderen Mitschülern herausgefunden worden sind, sechs bleiben unbeantwortet:
1. Warum wurde Mozart nur 35 Jahre alt? 2. Wieso dachte niemand daran nach Salzburg zu fahren, um Mozarts WunderKlavierspiel zu hören? 3. Warum haben sie so komische Frisuren und Kleidung auf dem Bild? 4. Lebten Wolfgangs Eltern
zusammen? 5. Haben sich Wolferl und Nannerl gut verstanden? 6. Ist Wolfgang gerne herumgereist und fand er es toll berühmt zu sein?
(Die grammatikalischen Unzulänglichkeiten in den Schreibvorlagen habe ich hier geglättet.)
In der dritten Stunde sollen einige der offenen Fragen auf der Erfahrungs-, Fantasie- und emotionalen Ebene
bearbeitet werden:
(10‘) Ich nenne das Stundenthema (Wir spüren einer Alltagssituation von Wolferl nach und gestalten sie als
Rollenspiel oder Pantomime.) und sehe begeisterte Schüler vor mir. Nachdem sich die Aufregung wieder gelegt
hat, lese ich die sechs ungeklärten Fragen aus der vorangegangenen Stunde nochmals vor und weise jeder einen
Platz im Klassenraum zu (vier Ecken und zwei Tischgruppen in der Mitte). CDs bzw. Kassetten mit ausgewählten Hörbeispielen (HB) und Plakate im DinA3-Format helfen den Schwerpunkt der Fragen zu erfassen (1. Mozarts Geburts- und Todesdatum, 2. Europaskizze mit den bereisten Ländern und Salzburg als Ausgangspunkt, 3.
Vergrößerung des Familiengemäldes, 4. Mann und Frau mit Fragezeichen dazwischen, 5. Junge und Mädchen
mit Fragezeichen dazwischen, 6. Silhouette von Salzburg mit Pferdekutsche und Menschen in damaliger Mode
gekleidet). Die Aufteilung in die gewünschten Dreier- bis Fünfergruppen geht problemlos vonstatten, ebenso dir
Zuordnung zu dem jeweils favorisierten Thema. Für die 1. Frage finden sich keine Interessenten. Während eine
Dreier- und eine Vierergruppe im Klassenraum verbleiben, verteilen sich die größeren auf die drei Flure.
(15‘) Während der Gruppenarbeit kommen verschiedene Schüler zu mir, um nach Requisiten zu fragen, ansonsten arbeiten alle zielgerichtet und relativ ruhig, hören sich ihr Musikbeispiel an und planen dessen Einsatz während der Präsentation. Die Rollen innerhalb der Gruppe sind sehr schnell verteilt, nicht alle wollen ins Rampenlicht. So gibt es neben den Darstellern Regisseure, Kostümierer, Souffleure, Tonmeister und Bühnenarbeiter.
(15‘) Nach anfänglichem Durcheinander (und Aufregung durch die Anwesenheit der Klassenlehrerin) sind alle
Gruppen bereit ihr Ergebnis vorzuspielen:
1. Frage: Ist nicht ausgewählt worden.
2. Frage: Eine erboste Kaiserin Maria Theresia hält es für unter ihrer Würde von ihrem Schloss nach Salzburg zu reisen, um
sich das Wunderkind anzuhören; die Untertanen müssen gefälligst zu ihr kommen (HB: Menuett).
3. Frage: Neckerei unter Kindern über Frisur und Kleidung. Wolfgang erklärt nachvollziehbar die Vorteile seiner Perücke
und die Notwendigkeit der Kleiderordnung bei Hofe. Szenenwechsel: Ein Moderator einer Modenschau erklärt, was 1763
gerade »in« ist (HB: Bona nox).
4. Frage: Unterhaltung zwischen Mutter und Vater Mozart: es ist billiger und sinnvoller, wenn er mit den Kindern alleine
reist und sie sich um die in Salzburg eingehenden Konzertanfragen und die Wohnung kümmert (HB: 1. Sinfonie).
5. Frage (Pantomime mit Ausnahme der »Beschwerde«): Nannerl rangelt mit Wolferl, wer an dem einen vorhandenen Klavier üben darf. Vater schlichtet zugunsten des Jungen, worauf sich Nannerl beschwert, dass sie es genauso gut könne und ihr
kleinerer Bruder immer vorgezogen werde (HB: Ah, vous dirai-je, maman). (An dieser Stelle gibt es den Zwischenruf »Ach,
das meinten Sie also neulich bei unserem Streit!«)
6. Frage: W. A. Mozart mit Vater und Schwester in einer Kutsche. Es ist heiß, den Kindern ist langweilig. Vater und Sohn
haben einen Disput über die Reisetätigkeit: Wolfgang möchte lieber in Salzburg bei der Mutter bleiben, Freizeit haben, nicht
in der stickigen oder lausigkalten Kutsche verbringen und krank werden – wie beim letzten Mal. Vater Leopold ist sehr verunsichert (dieser Streit war nicht geprobt und wurde von zwei im Deutschen noch recht ungeübten ausländischen Schülern
ausgetragen) und versucht stotternd seinem Sohn klarzumachen, dass er doch nur berühmt wird, wenn man seine Musik in
Europa kennt. Und Fernsehen oder Radio gibt’s doch noch nicht. Außerdem bräuchte die Familie das Geld, das mit den
Konzerten verdient wird. Bei der Ankunft der Kutsche empfängt ein Reporter die Familie und stellt Fragen zu ihrer Herkunft,
dem Reisezweck und zu ihren Gefühlen (HB: Alla turca).
(5‘) Die zuvor gegebenen Beobachtungskriterien – a) Ist der Inhalt verständlich? b) Ist die Darstellung überzeugend? c) Könnte es tatsächlich so gewesen sein? d) Kann aus der Szene die Antwort auf die ausgewählte Frage
gegeben werden? – werden in der abschließenden Auswertung sachgerecht und konstruktiv angewandt.
Nach dem Pausenklingeln bleiben fast alle Kinder sitzen und haben unzählige Fragen. Vor allem die türkischen
sind fasziniert, dass Mozart einen »Türkischen Marsch« geschrieben hat, und wollen u. a. auch wissen, ob er
Moslem war und das Zuckerfest gefeiert hat.
7
Die drei folgenden Musikstunden werden bestimmt von den erwachten Interessen der Schüler:
Nach einer TZI-gemäßen Themeneinführung (Ich begleite Wolfgang Amadeus ein Stück auf seinem weiteren
Lebensweg und gestalte dabei ein eigenes Mozartheft.) wechsle ich zur Unterrichtsform »Stationenlernen« und
stelle Bilder, Texte, Nachschlagewerke, einen Film, Musikbeispiele, ein Hörspiel und einfache Noten zum Musizieren für zur Verfügung, die sowohl das bereits Erarbeitete vertiefen (oder in einigen Punkten näher an die
geschichtlichen Tatsachen rücken) als auch Antworten auf die neuen Fragen beinhalten, und lasse zeitlich und
inhaltlich frei und selbstverantwortet arbeiten. Aus den Arbeitsbögen, zusätzlichen Bildern und eigenen Zeichnungen erstellt sich jeder Schüler ein individuelles »Nachschlagewerk« über Mozart für seinem Musikordner.
Reflexion
Um meine Leitfrage, Wie reagieren meine kulturell, sozial und kognitiv unterschiedlich geprägten Schüler auf
TZI-gemäße Themenformulierungen zu einem musikhistorischen Lernangebot, das ihre emotional-fantasievollen
Sichtweisen einbezieht, beantworten zu können, ziehe ich sowohl die Stundenbeobachtungen und meine daraus
resultierenden Gefühle als auch das Feedback der Schüler am Ende der Unterrichtseinheit heran.
Überraschend für die Lerngruppe ist sicherlich die Offenheit der Themenstellung und der Ergebnisse gewesen.
Obwohl der erste Einstieg eher etwas zögerlich verlief, was zum einen an der Themenstellung gelegen haben
mag (s.u.), zum anderen an der Unsicherheit gegenüber der neuen Lernform, kamen die Schüler weitaus schneller in ihren Lernprozess, als ich es bei anderen Verfahren von ihnen kenne. Die Bearbeitung der ersten beiden
Unterthemen war dann von großem Sachinteresse begleitet: es wurde gut überlegt, was auf das Plakat A geschrieben werden sollte, was nicht und wie. Die B-Gruppen waren eifrig dabei abzuwägen, was »früher« möglich war, was es bereits gab, was Mozart gewusst haben kann – die dabei entstandene Identifikation mit Wolferl
war zum Teil rührend kindlich. Ihre Plakate gaben somit weniger von dem Lernprozess wieder als die der AGruppen, in denen das Zusammentragen dokumentiert wurde. Erfreut hat mich, dass sich schließlich alle Schüler
auf das Thema haben einlassen können und keine Ablehnung der Person oder Musik Mozarts spürbar war.
Lebhaftes Interesse fand dann die Wunderkind-Problematik. Auch hier konnte ich wieder den Blicken und Fragen entnehmen: Dürfen wir wirklich alles sagen? Es kostete mich in diesem Teil der Stunde Energie die Balance
zu finden zwischen der notwendigen Bestätigung, dass wirklich alle Meinungen und Gefühle erlaubt sind auszusprechen, und meinem »pädagogischen Helfersyndrom«. Ansonsten hätte ich – unter Vernachlässigung meiner
Aufsichtspflicht – den Raum verlassen können ohne Befürchtung, dass die Schüler während meiner Abwesenheit
»nichts lernen«. Das war eine befreiende Erkenntnis und wohltuende Bestätigung für die intensive Vorbereitung.
Der Höhepunkt für die Schüler und mich war dann wohl der Augenblick, als durch die Rollenspiele ein erstaunliches Einfühlungsvermögen in die Probleme des Wunderkindes und seiner Familie sichtbar wurde. Der Weg
dorthin war gekennzeichnet von hohem Interesse und Wissensdurst, Humor, ernsthafter Auseinandersetzung,
Empathie und lustvollem Spiel. Sowohl die Akteure als auch die Zuschauer (inkl. Klassenlehrerin und mir) waren den Tränen nahe, als ein sehr authentisch als Wolferl agierender türkischer Junge seine eigene Lebenssituation spiegelte und während des Streites mit dem (von der Situation etwas überfahrenen) Vater Leopold herauskam, wie sehr ihn doch die Trennung von seiner (in der Türkei lebenden) Mutter schmerzte. An dieser Stelle
wurde mir wieder sehr bewusst, wie einschränkend der schulische 45-Minuten-Takt ist und wie sehr unsere Kinder Arbeitsformen wie die TZI für ihre seelische, psychische und emotionale Entwicklung brauchen.
Inwieweit das letzte TZI-Thema ausschlaggebend für den Lernerfolg meiner Schüler gewesen ist, kann ich nicht
beurteilen, da das Stationenlernen an sich ja auch Arbeitsmaterialien und Formen vorgibt, innerhalb derer sich
die Interessen der Schüler frei entwickeln können. Beobachtbar war auf jeden Fall die gute Resonanz auf das
Thema, die wieder in den bereits bekannten Arbeitseifer mündete. Entsprechend gute und liebevoll gestaltete
schriftliche Ergebnisse in Form von persönlichen Mozartheften belohnten die intensive Arbeit auf beiden Seiten.
In einem die Unterrichtseinheit abschließenden Feedback, bei dem auch die Klassenlehrerin anwesend war,
äußerten sich die Schüler mit großem Selbstvertrauen über ihren Lernerfolg. Waren sie anfangs eher unsicher
ihre Sichtweisen einzubringen, stellten sie im Laufe der Einheit mit einigem Stolz fest, dass sie ja eine Menge
wussten und beitragen konnten. Selbst die leistungsschwächeren Kinder erlebten ein anderes Angenommensein
und konnten sich besser einbringen, weil auch ihre Fantasie gefragt war. Einige äußerten, dass sie diesmal mit
Mitschülern gut zusammenarbeiten konnten, die sie sich nicht freiwillig in die Gruppe gewählt hätten. Zudem
wurde gewachsenes Verständnis für die Probleme Einzelner geäußert – und zu meiner Freude »natürlich« großer
Spaß beim Kennenlernen eines Komponisten und seiner Musik!
Wenn ich bei der ersten Themenstellung auch davon ausgegangen war, dass die Schüler schnell auf seine Zweideutigkeit kommen würden und sie durch die Struktur und Präsentationsvorgabe an relativ bekannte Arbeitsformen anknüpfen könnten, so würde ich doch in einem Wiederholungsfalle gerade für die Erstbegegnung anders
entscheiden und klarer formulieren. Ein Einstieg mit dem 1a-Thema hätte wahrscheinlich genügend in Bewegung gesetzt, um daran anknüpfend den Perspektivenwechsel vornehmen und aus Sicht Mozarts Fragen an uns
stellen zu lassen.
8
Ansonsten kann ich (in Anlehnung an Jens G. Röhlings Arbeitspapier »Zur Formulierung von Themen in der
TZI« bzw. Ruth C. Cohns und Paul Matzdorfs Aufsatz »Das Konzept der TZI«) zurückblickend über die Art der
Themenstellung feststellen, dass sie
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
leicht verständlich, kurz, klar, prägnant und tragend für die Arbeit waren (1a, 1b, 2, 3, 4)
nicht abgedroschen, aber auf die Wissensanforderungen meiner Schüler abgestimmt waren (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
sachliche und persönliche Bezüge zusammenbrachten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
Verstand und Gefühl ansprachen (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
Gruppenbildung und das gemeinsame Arbeiten unterstützten (1a, 1b, 2, 3)
an Bekanntes anknüpften ohne zu beeinflussen (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
nicht zu eng und nicht zu weit waren (1a, 1b, 2, 3, 4)
kein Ergebnis vorwegnahmen (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
positiv und aktivierend formuliert waren (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
eine Balance zwischen Provokation und Ermutigung aufwiesen (1, 1a, 1b)
auch gefühlsmäßigen Aufforderungscharakter hatten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
neue Horizonte und Lösungswege begünstigten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
niemanden ausschlossen oder verletzten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
nicht zur Abwehr führten (1a, 1b, 2, 3, 4)
keine unerwünschte Eigendynamik entwickelnden Bilder beinhalteten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
keine für die Schüler abstrakten Begriffe enthielten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
die verbale Ausdrucksfähigkeit meiner Schüler (im Allgemeinen) beachteten (1, 1a, 1b, 2, 3, 4)
die Möglichkeit nonverbaler Themendarstellungen einbezogen (3, 4).
Sowohl der Verlauf der Einheit als auch das Feedback haben mir gezeigt, dass bei entsprechend vorbereiteter
und formulierter Themenstellung (fast) alles von alleine läuft. Allerdings muss ich dazu dankbar anmerken, dass
ich als Fachlehrerin auf Grund der soliden Klassenführung durch meine Kollegin in dieser Lerngruppe ein
leichtes Spiel habe, weil den Schülern viele selbstständige Arbeitsweisen bereits vertraut sind. Die kulturellen
Unterschiede innerhalb der Lerngruppe haben sich – wenn überhaupt – nur positiv bemerkbar gemacht (z. B.
indem die Trennung von der Heimat zur Identifikation mit Mozart eine Rolle spielte). Auch hinsichtlich des
andersartigen Musikgeschmacks der Schüler wurden durch die Vorgehensweisen keine Hürden, sondern eher
neue Interessen aufgebaut, was meinem affektiven Richtziel (vgl. S. 2) entspricht. Im sozialen Feld hat sich
einiges getan, indem die Schüler mehr Verständnis füreinander entwickeln konnten. Dazu hat einerseits das
Kennenlernen auf den verschiedenen Ebenen (Wissen, Können, Fähigkeiten, Fertigkeiten) beigetragen, andererseits das offene Themenangebot, das auch die Fantasie- und Gefühlsebene berücksichtigt. Dass uneingeschränkt
alle Schüler im Laufe der Unterrichtseinheit einen Lernzuwachs verzeichnen konnten, ist dem Umstand zu verdanken, dass offensichtlich jeder auf seinem Niveau angesprochen war und sich in seiner Ganzheitlichkeit einbringen konnte – und das bei einem allgemein als »trocken« eingestuften musikhistorischen Thema, das ohne
TZI sicher nur mit größeren Widerständen auf beiden Seiten und ohne innere Resonanz bearbeitet worden wäre.
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich auf die weibliche Form verzichtet. Gemeint sind stets auch Schülerinnen.
Literatur
Cohn, Ruth C. / Terfurth, Christina (Hrsg.) (1993): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Stuttgart: Klett-Cotta.
Cohn, Ruth C. / Matzdorf, Paul: Das Konzept der TZI – Das TZI-Thema, in: Löhmer, Cornelia / Standhart, Rüdiger (Hrsg.)
(1995): TZI. Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn. Stuttart: Klett-Cotta.
Kroeger, Matthias (1996): Zum Thema »Thema«. Unveröffentlichtes Manuskript – vgl. Kroeger, Matthias: Anthropologische
Grundannahmen der TZI, in: Löhmer, Cornelia / Standhart, Rüdiger (Hrsg.) (1995): TZI. Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn. Stuttart: Klett-Cotta.
Langmaack, Barbara / Braune-Krickau, Michael (2000): Wie die Gruppe laufen lernt, 7. Auflage. Weinheim: Beltz-PVU.
Pütz, Werner / Schmitt, Rainer (Hrsg.) (1996): Hauptsache Musik 5/6 (Schulbuch), Stuttgart: Ernst Klett Schulbuchverlag.
Röhling, Jens G.: Zur Formulierung von Themen in der TZI (Arbeitspapier).
Schneider, Mina: Kursvorbereitung und Kursplanung für Kurse mit Lehrstoff und Sachinhalten (Arbeitspapier).
Schneider, Mina: TZI-Themen formulieren (Arbeitspapier).
Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport (1993/94): Vorläufiger Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in
der Berliner Schule, Grundschule, Fach Musik.
Das musikalische Wunderkind
Leopold Mozart
Wolfgang, Nannerl
Eine Pariser Zeitung 1763:
»Ein Salzburger Kapellmeister namens Mozart ist soeben hier angekommen mit seinen zwei Kindern
von der hübschesten Erscheinung der Welt. Seine Tochter, elf Jahre alt, spielt in der glänzendsten
Weise Klavier ... Ihr Bruder, der nächsten Februar sieben Jahre alt wird, ist eine so außerordentliche Erscheinung, dass man das, was man mit eigenen Augen sieht und mit eigenen Ohren hört,
kaum glauben kann.«
Aus dem Reisekalender:
Wolfgang konnte zum Beispiel:
mit verbundenen Augen spielen,
mit einem Tuch über den Händen spielen,
sich eine Melodie nach einmaligem Hören merken,
eine Begleitung zu dieser Melodie erfinden,
Stücke vom Blatt spielen,
Stücke sofort in anderen Tonarten spielen.
Niemand dachte damals daran nach Salzburg zu fahren, um
einen berühmten Musiker zu hören. Da musste der Vater
Leopold Mozart mit seinen begabten Kindern durch Europa
reisen, um die Kinder an den Fürstenhöfen vorzustellen, und
wohl auch, um dadurch Geld zu verdienen.
Man hat ausgerechnet, dass Mozart etwa ein Drittel seines
kurzen Lebens unterwegs war. Er wurde 35 Jahre alt.
1763
Salzburg, München, Augsburg,
Schwetzingen, Heidelberg,
Mainz, Frankfurt/Main, Koblenz,
Köln, Aachen, Brüssel, Paris
1764
London
1765
Den Haag
1766
Arnsterdam, Utrecht, Mechelen,
Paris, Dijon, Lyon, Genf,
Lausanne, Bern, Zürich, Donaueschingen, Ulm, München,
Herunterladen