Globalisierung - Deutscher Bundesjugendring

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Inhalt
Globalisierung - internationale Gerechtigkeit
für die Jugend weltweit!?
Globalisierung: Eine Bestandsaufnahme
Der Begriff Globalisierung ist zu Beginn des dritten Jahrtausends in
aller Munde. Er beschreibt die komplexen und von unterschiedlichen
Interessen bestimmten Vorgänge weltweiter Vernetzung in den Bereichen
der Kultur und des Zusammenlebens, der Wirtschaft und der Politik. Die
Welt wächst zusammen, Beziehungen und Transaktionen verdichten sich
und Probleme verquicken sich miteinander. Der Ressourcenverbrauch
nimmt exponentiell zu. Weltweit steigt die Arbeitslosigkeit und das Bevölkerungswachstum stetig an.
Durch die zunehmenden Aktivitäten des Welthandels und die ständig
wachsende Bedeutung der Informationstechnologie wird eine gerechte
Globalisierung immer schwieriger. Zu den Gewinnern der Globalisierung
gehören weltweit die Industrienationen, die transnationalen Konzerne und
wenige Kapitaleigentümer.
4/5 der Ressourcen werden von 1/6 der Weltbevölkerung in den
Industrienationen beansprucht. Das Kapital der 15 reichsten Personen der
Welt übersteigt das gesamte Bruttoinlandsprodukt Afrikas südlich der
Sahara. 1,3 Milliarden Menschen müssen mit weniger als 1 US$ pro Tag
auskommen. Die Staatsverschuldung beträgt 250 Milliarden US$ weltweit. 840 Millionen Menschen gelten als unterernährt. Verlierer sind
damit unter anderem die Entwicklungsländer, Umwelt und Natur, die
Ureinwohner, die Arbeitnehmer und die Frauen. Obwohl Frauen weltweit
über die Hälfte aller Arbeitsstunden leisten und gerade in den Ländern des
Südens den größten Teil der Nahrungsmittel produzieren, liegt der Anteil
der Frauen an der armen Bevölkerung in der Welt bei 70 %.
Impressum
Herausgeber
Deutscher Bundesjugendring e.V.
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10178 Berlin
Telefon: 030 / 400 404 - 00
Telefax: 030 / 400 404 - 22
E-Mail: [email protected]
Internet: www.dbjr.de
Gunda Voigts (V.i.S.d.P.)
Dezember 2004
"Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts" (Willy
Brandt). Auch wenn ein friedliches Zusammenleben der Menschen nicht
in erster Linie von der weltweiten Globalisierung abhängt, so wirken
natürlich die Folgen dieser gesellschaftlichen Entwicklungen aufeinander
ein. Gerade Unrecht und Unterdrückung in Krisenregionen sind immer
wieder Nährboden für Krieg, Terrorismus und ähnliche Bedrohungen.
Spätestens seit dem 11. September 2001 und dessen Folgen wird immer
deutlicher, dass sich die Form eines geordneten, auf kollektive Willensbildung innerhalb der Staatengemeinschaft insistierenden Verfahrens
nicht durchsetzt, sondern viel zu oft situationsbedingte Entscheidungen
einzelner UN-Mitglieder zu folgenschweren Handlungen führen. Damit
einher geht viel zu oft eine sehr einseitige Berichterstattung der Medien,
die zu pauschalen Vorverurteilungen führen. Waren es im Mittelalter
noch eindeutiger die Ressourcen, um die die Menschen miteinander
kämpften, spielen jetzt Kultur, Weltanschauung oder Religion eine
zunehmend größere Rolle - zumindest in der öffentlichen Argumentation.
Position
Folgen der rasanten Entwicklungen sind weltweite
Ungerechtigkeiten, die Armut, Krieg, Terror, Gewalt
und Perspektivlosigkeit vieler Menschen zur Folge
haben. In den letzten Jahren hinzugekommen sind die
existentiellen Bedrohungen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Osteuropas durch Krankheiten und unzureichende Gesundheitssysteme, wie beispielsweise im
Falle der Pandemie HIV/AIDS.
Folgen der Globalisierung für Kinder und
Jugendliche
In einer Welt, die sich zunehmend vernetzt und zusammenwächst, sind Kinder und Jugendliche in ihrer
Entwicklung von den Auswirkungen der Globalisierung vielfach betroffen.
Dabei werden die Heranwachsenden in den armen
Ländern dieser Welt in weit größerem Maße als ihre
Altersgenossen in den Industrienationen von den negativen Folgen der Globalisierung beeinflusst. Kinderarbeit, Kinderarmut, Kinderprostitution, Kindersoldaten und Kindermigration kennzeichnen ihre Situation.
Die Hälfte der 1,2 Milliarden Menschen, die in Armut
leben, sind Kinder und Jugendliche.
Kinder und Jugendliche in Deutschland und
anderen Wohlstandsgesellschaften nutzen einerseits die
Chancen der Globalisierung. So profitieren sie vom
Zusammenwachsen der Welt etwa in den Bereichen
Kommunikation, Kultur, Tourismus, Information und
Konsum. Zugleich ist ihre Zukunft in besonderem
Maße durch die Versuche der Politik, sich vermeint-
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lichen Globalisierungszwängen anzupassen, gefährdet.
Fehlende Ausbildungs- und Arbeitsplätze und die
Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme, die
Kürzung der Ausgaben für Bildung sind Beispiele
dafür.
Junge Menschen stehen heute in der Phase des
Heranwachsens vor einer doppelten Herausforderung.
Die subjektiv zu bewältigende Aufgabe der Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsbildung geschieht im
Kontext der Gesellschaft, die angesichts der globalen
Herausforderungen von wachsender Komplexität gekennzeichnet ist. Der Verlust traditioneller Bindungen,
die Verschärfung der sozialen Gegensätze, die Überflutung mit schier unzähligen Informationen und das
rapide Tempo des sozialen Wandels markieren diese
Herausforderungen.
Von Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft
wird immer wieder der Eindruck erweckt, die fortschreitende Globalisierung folge einem Naturgesetz.
Deshalb sei man gezwungen, dem Globalisierungsdruck nachzugeben und sich auf die Dauer dessen vermeintlichen Regeln zu unterwerfen. Diese Verschleierung der Realität führt dazu, dass die eigentlichen
Akteure der Globalisierung nur schwer zu identifizieren und damit zu beeinflussen sind. Kinder und Jugendliche wollen die Welt aktiv mitgestalten und sich
mit ihrer Kreativität und Fantasie, ihren Ideen und
Vorschlägen in die Entscheidungen für das Heute und
Morgen wirkungsvoll einmischen. In den vorhandenen
Vernetzungen wird das immer schwieriger.
Globalisierung
Das Ergebnis dieser globalen Entwicklung sind
leider viel zu oft Kinder und Jugendliche, die ohne
Bildungs- und Zukunftschancen aufwachsen.
Bewertung
Es wird deutlich, dass ökonomische Interessen
zunehmend die Triebfeder der Globalisierung sind.
Internationale Finanzmärkte gewinnen in hohem Maße
an Bedeutung gegenüber dem klassischen Handel.
Hinter all diesen Bestrebungen verschwinden die
begrüßenswerten Aspekte der Globalisierung, wie eine
Globalisierung des Umweltschutzes, der praktischen
Aner-kennung und Verwirklichung der Menschenrechte oder globale Anstrengungen zur Bekämpfung
von Armut, Hunger und sozialer Ungerechtigkeit.
Die Chancen, die eine gerechte Globalisierung und
ein friedvolles Zusammenleben der Menschen gerade
für Kinder und Jugendliche weltweit bieten, werden
dann genutzt, wenn es gelingt, diesen Prozess transparent und demokratisch zu gestalten und vermehrt entlang der Kriterien der Nachhaltigkeit für Mensch und
Umwelt, denn an denen der Gewinnorientierung
auszurichten.
Wir müssen Kinder und Jugendliche befähigen, mit
diesen Herausforderungen umgehen zu können. Die
Ausarbeitung und Verbreitung eines Ansatzes von
"Globalem Lernen", welcher Subjekte dazu befähigen
kann, unpersönlichere, abstraktere Beziehungsformen
aufzubauen und dabei zugleich die eigene unverwechselbare Identität zu bewahren. Es ist notwendig, Fähigkeiten zu erwerben, die eine abstraktere Anschlussfähigkeit an viele Lebenssituationen ermöglicht. Der
Komplexitätssteigerung infolge der Globalisierung
muss mit Lernkonzepten begegnet werden, die dazu
befähigen, sachliche Widersprüche auszuhalten, mit
Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten
zu kommunizieren, den eigenen Handlungsspielraum
realistisch einzuschätzen und damit umzugehen, nur
wenige Entscheidungen wirklich selber treffen zu
können.
Gestaltung der Globalisierung:
Forderungen
1. Global Governance - Internationale
Rahmenbedingungen schaffen
Durch die Globalisierungsprozesse stehen heute fast
alle Gesellschaften, Staaten, Organisationen, Akteursgruppen und Individuen auf irgendeine Weise
miteinander in einem komplexen System wechselseitiger
Abhängigkeiten zueinander. Das wirft die Frage auf, wie
man Regeln schaffen kann für dieses komplexe System
einschließlich der dominierenden Akteure der
Weltwirtschaft. Globale Geld- und Warenströme müssen
transparent sein, damit politische Steuerung möglich ist.
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Wir fordern daher von der Bundesregierung den
Einsatz für:
„ eine internationale Handelsordnung, die den Menschen und der Umwelt dient.
„ soziale und ökologische Mindeststandards weltweit.
„ eine Stärkung und Demokratisierung internationaler Rechtssysteme und Organisationen (Internationale Gerichtshöfe, UNO). Entscheidungskriterien und -prozesse müssen transparenter werden.
Die Verbindlichkeit für deren Umsetzung in den
Nationalstaaten muss erhöht werden.
„ eine demokratische Reform der Welthandelsorganisation. Verhandlungen müssen öffentlich stattfinden und Nichtregierungsorganisationen beteiligt
werden. Allen Ländern muss eine faire Teilhabe am
Welthandel ermöglicht werden. Handelsabkommen
müssen zukünftig wirtschaftliche, soziale und
ökologische Folgen berücksichtigen.
„ eine demokratische Reform der Finanzorganisationen Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF).
2. Um die Chancen und Risiken der Globalisierung für die je eigene Entwicklung nutzen und bewältigen zu können,
müssen gerade Kinder und Jugendliche
lernen, die Welt zu verstehen und sich
in ihr zurecht zu finden.
Darum verpflichten wir uns als Jugendverbände
und fordern gleichzeitig von allen, die in dieser Gesellschaft auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene
für schulische und außerschulische Bildung von
Kindern und Jugendlichen Verantwortung tragen:
„ "Globales Lernen" ist als pädagogische Antwort
auf globale Herausforderungen in schulischen und
außerschulischen Zusammenhängen umzusetzen.
„ Das Vermitteln von Medienkompetenz und Umgang mit Informationen ist zu ermöglichen.
„ Friedenserziehung und das Vermitteln interkultureller Kompetenzen sind zu ermöglichen.
Globales Lernen hat zu berücksichtigen, dass Kinder und Jugendliche letztlich nur das lernen, was sie als
subjektiv relevant wahrnehmen und das an vorhandene
Motivations-, Interessens- und Wissensstrukturen anknüpft. Einen hohen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang die internationale Jugendarbeit mit entsprechender Bildungsarbeit und internationalen
Begegnungen. Einige Jugendverbände können auf
langjährige Partnerschaften im europäischen Kontext
und darüber hinaus zurückblicken, die auch dadurch
eine langfristige Wirkung in der Erarbeitung und Umsetzung einer gemeinsamen Idee von einer gerechten
Welt haben.
Position
In diesem Zusammenhang fordern wir von der
Bundesregierung:
„ die Förderung globalen Lernens auch in Politikfeldern auszubauen, die nicht durch den Kinder- und
Jugendplan des Bundes abgedeckt sind und insbesondere im Bereich des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) explizit Mittel für die entwicklungsbezogene Bildungsarbeit bzw. Globales Lernen im Kontext der verbandlichen Jugendarbeit zur Verfügung
zu stellen.
„ eine gezielte und verstärkte Förderung des Austauschs zwischen Jugendlichen aus Deutschland
und Entwicklungs-/Schwellenländern. Die "Jugendpolitischen Maßnahmen mit Entwicklungsländern" aus dem Kinder- und Jugendplan müssen
als wichtiges Lernfeld anerkannt und mit einer höheren staatlichen Förderung ausgestattet werden.
„ auch weiterhin die Einbeziehung, Stärkung und
Förderung der selbstorganisierten Kinder- und Jugendarbeit in internationalen, insbesondere bilateralen Zusammenhängen.
3. Kinder und Jugendliche wollen sich
aktiv in die erforderliche demokratische Gestaltung der Welt einbringen.
Wichtige Entscheidungen werden zunehmend auf internationaler Ebene geführt, die demokratische Kontrolle
dieser Prozesse durch die Gesellschaft
verringert sich.
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fairer weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen zum
Ziel haben, die eine Teilhabe an den Vorteilen der
internationalen Arbeitsteilung sichert und größere
Handlungsspielräume für eine nachhaltige Entwicklung
im eigenen Land ermöglicht.
Wir fordern daher weiterhin von der Bundesregierung und allen Verantwortlichen weltweit:
„ die Schulden der dreißig ärmsten Ländern zu erlassen,
„ das Instrument der Schuldenumwandlung weiter
auszubauen und mehr Mittel zur Verfügung zu
stellen,
„ entwicklungspolitische und ökologische Kriterien
bei der Vergabe von "Hermes"-Bürgschaften zu
Grunde zu legen,
„ den Abbau des weltweiten Rüstungsmarktes und
„ Transfer ökologisch verträglicher EnergieTechnologien.
Außerdem setzen wir uns als Jugendverbände:
„ für fairen Handeln ein und unterstützen die bestehenden Initiativen und Projekte in diesem Bereich.
„ für Mädchen- und Frauenförderung in den Entwicklungs-/Schwellenländern ein.
Wir fordern daher unter Berücksichtigung der
sonstigen Positionen des Deutschen Bundesjugendring
zu Mitwirkung mit Wirkung politische Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche bzw. für
Jugendverbände als ihre Interessenvertretung weltweit,
auch in internationalen Bezügen.
4. Eine gerechte Globalisierung muss bei
den politischen, ökonomischen und geschlechtergerechten Rahmenbedingungen ansetzen.
Solidarische Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung der Armut und Unterernährung müssen auf die Errichtung effizienter
sozialer Sicherungssysteme, auf die Zurückdrängung
von Korruption, die Herstellung von Rechtssicherheit
und Frieden, Verbesserung im Bereich von Bildung
und Ausbildung, auf Ermöglichung von Wachstum
auch in Entwicklungsökonomien sowie auf den Schutz
der natürlichen Lebensgrundlagen zielen. Armutsbekämpfung bedeutet mehr als die soziale Grundversorgung - sie muss die strukturellen Faktoren angehen.
Solange eine übermäßige Schuldenlast jede Investition
in "menschliche Ressourcen" verhindert, wird jede
Hilfe zur Selbsthilfe ins Leere laufen. Entwicklungspolitische Zusammenarbeit muss also die Herstellung
Einstimmig von der 77. Vollversammlung am
3./4. Dezember 2004 in Bremen beschlossen.
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