M E D I Z I N KURZBERICHT Übertragungswege und klinische Bedeutung des Hepatitis-G-Virus Rainer Laufs1 · Heinz-Hubert Feucht1 · Susanne Polywka1 · Bernhard Zöllner1 · Matthias Schröter1 Bärbel Knödler2 · Peter Kühnl2 · Gerd Oehler3 · Hartmut Nolte4 · Jörg Bärsch5 V on den akuten Virushepatitiden sind 48 Prozent durch das Hepatitis-A-Virus (HAV), 34 Prozent durch das HepatitisB-Virus (HBV) und 15 Prozent durch das Hepatitis-C-Virus (HCV) bedingt (2). Bei drei Prozent der akuten Virushepatitiden sind die Erreger bisher nicht bekannt. Mit Hilfe neuer molekularbiologischer Methoden hat die Suche nach diesen Erregern zur Entdeckung einer neuen Gruppe von Viren geführt, zu der das Hepatitis-G- Virus (HGV) sowie das GB-Virus Typ C (GBV-C) gehören (12, 14). Diese Viren stehen im Verdacht, bei Menschen eine akute, eine chronische oder sogar eine fulminante Hepatitis hervorzurufen. Das HGV und das GBV-C zeigen eine Übereinstimmung der Aminosäuresequenz von über 95 Prozent. Wahrscheinlich handelt es sich um verschiedene Isolate der gleichen Virusspezies (11, 13). Der Aufbau des HGV-Genoms ähnelt dem des HCV. Das HGV-Genom kodiert für zwei Strukturproteine und für mehrere andere Proteine. Hohe Prävalenz von HGV Da die Nukleotidsequenz des HGV bekannt ist, kann das Virus mit der Polymerasekettenreaktion (PCR) im Blut nachgewiesen werden. Wir haben gesunde Blutspender, Patienten mit Verdacht auf NonA-E-Hepatitis sowie Patienten mit Risikoanamnese mittels PCR auf die Anwesenheit des HGV im Blut untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß 1,9 Prozent der Bevölkerung HGV-Träger sind. Das HGV ist damit weiter verbreitet als das HCV mit 0,08 Prozent bis 0,4 Prozent (1, 10). Fünf (1,9 Prozent) von 257 Blutspendern aus Hamburg waren in der HGV-PCR positiv (Grafik 1), alle Virusträger hatten normale Leberwerte (GPT < 30 U/l) und waren klinisch gesund (7). Bei 154 Personen mit Verdacht auf Hepatitis (GPT > 45 U/l), aber ohne eine Infektion mit den bekannten Hepatitisviren A bis E und ohne bekanntes Risikoverhalten konnten wir eine HGV-Virämie in drei (1,9 Prozent) Fällen nachweisen (Grafik 1). Bei keiner dieser drei Personen fanden wir einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der HGVVirämie und der Transaminasenerhöhung. Obwohl das Vorhandensein einer HGV-Virämie mit dem Auftreten einer fulminanten Hepatitis in Zusammenhang gebracht wurde (9, 15), konnten wir dies bei 109 lebertransplantierten Patienten nicht bestätigen. 17 von diesen wurden aufgrund einer fulminanten Hepatitis transplantiert (5, 9). Keiner dieser 17 Patienten zeigte vor der Lebertransplantation eine HGV-Virämie. Nach der Lebertransplantation hatten sieben (41,2 Prozent) der 17 Patienten eine HGV-Virämie, weil das HGV mit Blut und Blutprodukten (Mittel1 Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. Rainer Laufs), Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg 2 Chirurgische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med. Peter Kühnl), Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg 3 Reha-Klinik Föhrenkamp (Direktor: Prof. Dr. med. Gerd Oehler), Mölln 4 Medizinische Abteilung (Direktor: Priv.Doz. Dr. med. Hartmut Nolte), Kreiskrankenhaus Pinneberg, Pinneberg 5 Krankenhaus Salzhausen (Direktor: Dr. med. Michel Kurth), Salzhausen wert 99 Einheiten) während der Transplantation übertragen worden war. Seroepidemiologische Untersuchungen Um seroepidemiologische Untersuchungen mit dem neuen Virus vornehmen zu können, haben wir rekombinante virusspezifische Antigene in Escherichia coli gentechnologisch hergestellt. In unserem rekombinanten Immunoblotassay verwenden wir HGV-Proteine von den beiden Hüllproteinen E1 und E2 sowie von den Nichtstrukturproteinen NS3 und NS4 zum Antikörpernachweis. Die Ergebnisse der serologischen HGV-Diagnostik zeigen, daß 15,9 Prozent der Blutspender (41/257) und 15,6 Prozent der Patienten mit einer Non-A-E-Hepatitis (24/154) Antikörper gegen das HGV aufweisen (Grafik 1). Es besteht kein signifikanter Unterschied zu der HGV-Infektionsrate in der Gruppe der Personen ohne Risikoanamnese: Blutspender und Personen mit Non-A-E-Hepatitis zeigen den gleichen Durchseuchungsgrad. Dies bedeutet, daß kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Bestehen einer HGV-Infektion und den laborchemischen Parametern einer akuten oder chronischen Hepatitis nachweisbar ist. Weiterhin wurden Personen mit Risikofaktoren für eine parenterale Virusübertragung untersucht. Dazu gehören Hämophilie, intravenöse Drogenabhängigkeit, multiple Bluttransfusionen oder Hämodialyse sowie Infektionen mit dem HCV oder dem HIV. Bei diesem Patientenkollektiv waren sowohl die Nachweisrate der HGV-Virämie (6,8 Prozent bis 35,2 Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 31–32, 4. August 1997 (37) A-2069 M E D I Z I N KURZBERICHT Prozent) als auch der HGV-Antikörper (25,4 Prozent bis 52,9 Prozent) erhöht (Grafik 1). Diese Befunde zeigen, daß das HGV ähnlich wie das HCV und das HIV durch Blut und Blutprodukte übertragen werden kann. Neben dem parenteralen Übertragungsweg gibt es auch die vertikale HGV-Übertragung von der Mutter auf das Kind. Drei von neun (33 Prozent) der HGV-PCR-positiven Mütter hatten ihr Kind perinatal infiziert. Obwohl zwei der Mütter gleichzeitig mit dem HIV1 und die dritte mit dem HCV infiziert waren, wurde nur das HGV übertragen. Das HGV blieb im Blut der Kinder über die Beobachtungszeit von einem Jahr mittels PCR nachweisbar, Zeichen einer Lebererkrankung entwickelten sich aber nicht (4). Bei 235 Personen, die entweder eine HGV-Virämie oder HGV-Antikörper aufwiesen, waren nur zehn (4,3 Prozent) gleichzeitig virämisch und Antikörper-positiv. Die HGVVirämie kann mehrere Monate bis Jahre (fünf Monate bis neun Jahre) andauern, ohne daß Antikörper gegen das HGV auftreten. Wenn es zur Serokonversion kommt, ist das Virus innerhalb von zwei Monaten nicht mehr im Blut nachweisbar (Grafik 2). Das Auftreten von Antikörpern gegen das HGV scheint zur Viruselimi- nation zu führen (9). In dieser Hinsicht unterscheidet sich das HGV vom HCV. Die Untersuchung auf HGV-Antikörper bei 425 gesunden Personen ohne Risikoanamnese und ohne klinische oder laborchemische Zeichen einer Hepatitis ergab, daß die HäuGrafik 1 % ohne Risikoanamnese 60 mit Risikoanamnese HGV-PCR + HGV-SR + 50 40 30 20 10 0 Non-A-E Hämoph. (n = 257) (n = 154) BD (n = 17) IVDA + + + + + – – – – – HIV Hämodia. (n = 59) 10 20 Monate Schematischer Ablauf einer HGV-Infektion. Nach einer individuell unterschiedlich langen Viruspersistenz, die über einen Zeitraum von fünf Monaten bis mehreren Jahre andauern kann, kommt es zur Bildung von Antikörpern gegen das HGV. Nach Auftreten der Immunantwort ist das HGV innerhalb von sechs bis acht Wochen nicht mehr im Blut nachweisbar. A-2070 (38) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 31–32, 4. August 1997 mendem Lebensalter steigt die Prävalenz einer HGV-Infektion auf 20 Prozent bis 26 Prozent an. Dieses Seroprävalenzprofil ähnelt dem des Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV2), einem sexuell übertragbaren Virus (3). Wir vermuten deshalb, daß auch das HGV durch Sexualkontakt übertragen wird. Resümee Antikörper 1 Transf. (n = 57) (n = 55) Vergleich der HGV-Virämie (bestimmt durch die PCR) und der HGV-Seroreaktivität (HGV-SR, bestimmt durch einen rekombinanten Immunoblot-Assay) bei 709 Personen ohne und mit Risikoanamnese. Die Abkürzungen, soweit nicht im Textteil erklärt, stehen für: BD: gesunde Blutspender; Non-A-E: Patienten mit einer Non-A-E-Hepatitis (GPT > 45 U/L); Transf.: Personen, die mehrmals Bluttransfusionen erhalten haben. Verlauf einer HGV-Infektion PCR: HCV (n = 59) (n = 51) Grafik 2 HGV-SR figkeit des Antikörpernachweises mit dem Lebensalter korreliert. Während nur 5,6 Prozent der zwei bis 14 Jahre alten Kinder (5 von 89) Antikörper gegen das HGV aufwiesen, fanden sich bei den 15 bis 29 Jahre alten Erwachsenen in 16,7 Prozent (16 von 96) HGV-Antikörper. Mit zuneh- Bei etwa zwei Prozent der Bevölkerung kann das HGV im Blut nachgewiesen werden. Etwa 20 bis 26 Prozent der Erwachsenen haben Antikörper gegen das HGV als Zeichen einer abgelaufenen Infektion. Das HGV ist mit dem HCV verwandt und wird ähnlich wie dieses durch Blut und Blutprodukte sowie vertikal von der Mutter auf das Kind übertragen. Darüber hinaus existieren noch ande- M E D I Z I N KURZBERICHT re, nicht parenterale Infektionswege, wobei der Übertragung durch Sexualverkehr eine besondere Bedeutung zukommt. Nach der Infektion kommt es zu einer mehrere Monate bis Jahre anhaltenden Persistenz der HGV-Virämie, die mittels PCR nachweisbar ist. Wenn es zur Antikörperbildung gegen das HGV kommt, ist das Virus innerhalb von zwei Monaten nicht mehr im Blut nachweisbar. Die klinische Bedeutung der HGV- Infektion ist noch unbekannt und weitere, auch langfristige Verlaufskontrollen sind erforderlich. Wir haben bisher nicht beobachtet, daß das HGV zu einer akuten, einer chronischen oder fulminanten Hepatitis führt. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1997; 94: A-2069–2071 [Heft 31-32] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Rainer Laufs Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie Universitäts-Krankenhaus Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg Risikofaktoren zur Entstehung der diabetischen Nephropathie Die diabetische Nephropathie mit Proteinurie stellt eine Komplikation des Diabetes mellitus dar. Eine dänische Arbeitsgruppe ging in einer prospektiven Studie der Fragestellung nach, ob bei Patienten mit nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus mutmaßliche Risikofaktoren für die Entstehung einer beginnenden oder klinisch manifesten Nephropathie nachzuweisen sind. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 191 Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes im Jahr 1987 in die Studie aufgenommen. Diese Patienten waren zum Zeitpunkt ihrer stationären Behandlung an nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus erkrankt und jünger als 66 Jahre. Sie wiesen eine normale Albuminurie (< 30 mg/24 Stunden) auf. Innerhalb der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 5,8 Jahren wurden 15 Patienten aus der Studie ausgeschlossen. Während in diesem Zeitraum 36 der verbleibenden 176 Studienpatienten eine persistierende Mikroalbuminurie (30 bis 299 mg/24 Stunden) entwickelten, wurde eine persistierende Makroalbuminurie (> 299 mg/24 Stunden) nur bei fünf Patienten beobachtet. Aufgrund der statistischen Auswertung der erhobenen Daten konnten Risikofaktoren für die Entstehung einer beginnenden oder klinisch manifesten Nephropathie aufgedeckt werden. Als möglicherweise therapeutisch beeinflußbare Risikofaktoren ermittelten die Autoren ein angehobenes Basisniveau der Albuminurie, die schlechte Glukosestoffwechselführung mit erhöhtem HbA1c-Anteil und die Hypercholesterinämie. Zusätzlich zu den bereits genannten Gründen besteht bei älteren Männern mit diabetischer Retionpathie ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Nach Ansicht der Autoren können andere Faktoren und Erkrankungen wie beispielsweise die Krankheitsdauer, Übergewicht, Hypertonie, Serum-Kreatininkonzentration, koronare Herzerkrankung und Rauchen eher nicht als Risikofaktoren für die Entstehung der diabetischen Nephropathie gelten. mll Gall AM et al.: Risk factors for development of incipient and overt diabetic nephropathy in patients with non-insulin dependent diabetes mellitus: prospective, observational study. Br Med J 1997; 314: 783–788. Dr. A. M. Gall, Steno Diabetes Center, 2820 Gentofte, Dänemark. Trans-Fettsäuren erhöhen Risiken für koronare Herzerkrankungen Eine populäre Hypothese geht davon aus, daß eine Diät mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren das Risiko für koronare Herzerkrankungen (KHK) verringert, während gesättigte Fettsäuren und Cholesterin einen gegenteiligen Effekt haben. Diese Annahme wurde in einer epidemiologischen Studie an 21 930 finnischen Männern im Alter zwischen 50 und 69 Jahren untersucht, die alle rauchten und bei denen keine kardiovaskuläre Erkrankung zum Zeitpunkt des Studienbeginns diagnostiziert wurden. Die Studienteilnehmer wurden 6,1 Jahre lang beobachtet (Ursprünglich wurde an diesem Kollektiv untersucht, ob Alpha-Toco- pherol und Beta-Caroten eine krebsverhindernde Wirkung bei Rauchern haben). Ein signifikant erhöhtes relatives Risiko von 1,39 für eine koronare Herzerkrankung wurde für die Gruppe der Personen gefunden, die im Tagesdurchschnitt 6,2 g TransFettsäuren zu sich nahmen. Ferner hatten die Männer ein relatives Risiko von 1,30 für eine KHK die täglich 0,8 g der in Fisch vorkommenden Omega-3-Fettsäuren konsumierten. Die angenommenen protektiven Effekte von mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie der Omega-3-Fettsäuren konnten nicht bestätigt werden. Bei der Inter- pretation der Ergebnisse sollte man beachten, daß es sich bei dem Studienkollektiv um Raucher einer bestimmten Altersklasse handelte. Außerdem sollte man die spezifischen finnischen Essensgewohnheiten berücksichtigen wie beispielsweise eine allgemein geringe Zufuhr an Trans-Fettsäuren mit der Nahrung. me Pietinen P, Ascheirio A, Korhonen P, Hartman AM, Willett WC, Albanes D, Virtamo J: Intake of fatty acids and risk of coronary heart disease in a cohort of finish men. Am J Epidemiol 1997; 145: 876-887. Dr. Pirjo Pietienen, Department of Nutrition, National Public Health Institute, Mannerheimintie 166, 00300 Helsinki, Finnland. Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 31–32, 4. August 1997 (39) A-2071