"Setz dich doch anständig hin..." Körpersprache – (Ohn-)

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Autorin: Pink, Ruth.
Titel: 'Setz dich doch anständig hin...'. Körpersprache - (Ohn-) Macht der Worte.
Quelle: Kommunikation ist mehr als nur reden. Ein Ratgeber nicht nur für Frauen.
Stuttgart, 3. Auflage, 1997. S. 127-143, S. 161-168.
Verlag: Deutscher Sparkassen Verlag.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Ruth Pink
"Setz dich doch anständig hin..."
Körpersprache – (Ohn-) Macht ohne Worte?
Wie tief ist doch die Menschheit
gesunken!
Man hat den Körper zum
Schweigen gebracht,
nur der Mund redet noch.
Aber was kann der Mund schon
sagen?
(aus Alexis Sorbas, Roman von
Nikos Kazantzakis)
1. Nonverbale Signale erkennen und verstehen
Nehmen wir an, Sie gehen heute abend auf eine Party, und Sie sehen einen Menschen
zum ersten Male. Was geschieht, wenn Sie einem/einer Fremden begegnen? Nun, Sie
bekommen erst mal viele Informationen, und dies bereits innerhalb weniger Sekunden.
Auch wenn der/ die Unbekannte noch kein einziges Wort mit Ihnen gesprochen hat, so
registrieren Sie sehr rasch Körperhaltung, Gestik, Mimik, Kleidung und entscheiden dann,
1
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ob Ihnen dieser Mensch sympathisch ist oder nicht. Der erste Eindruck hinterläßt also
deutliche Spuren.
Körpersprache ist neben der Lautsprache eine weitere Möglichkeit, um mit anderen zu
kommunizieren. Im engeren Sinne verstehen wir unter nonverbaler Kommunikation
Ausdrucksformen wie Körperhaltung, Blick, Mimik, Gestik sowie Motorik; im erweiterten
Sinne gehören jedoch auch alle angeborenen und bedingten Reflexe sowie unsere
Kleidersprache dazu.1
Körpersprache erscheint immer noch rätselhaft und geheimnisvoll, obwohl es mittlerweile
zahlreiche Untersuchungen über dieses Phänomen gibt. Was kann uns die Wissenschaft
über die Kunst der nonverbalen Kommunikation sagen?
1.1 Körpersprache ist gewichtiger als Lautsprache
Eine häufig auftretende Schwierigkeit in Kommunikationsprozessen basiert auf der NichtÜbereinstimmung von Körper- und Lautsprache.
Beispiel
Sie treffen einen Bekannten, der auf Sie einen bekümmerten Eindruck macht. Die
Mundwinkel sind nach unten gerichtet, sein Blick ist leer. Sie fragen, was los ist. Er
antwortet, nahezu beleidigt: »Mir geht es doch ganz ausgezeichnet.«
Hier handelt es sich um einen eindeutigen Fall von Inkongruenz, d. h., körperliche
Ausdrucksweisen und Lautsprache sind widersprüchlich und nicht in Einklang
miteinander. Die Folge: Sie sind mißtrauisch und glauben Ihrem Bekannten kein Wort,
neigen also dazu, der Nonverbalität eine größere Glaubwürdigkeit zuzuschreiben als dem
gesprochenen Wort.
1 Bei Reflexen unterscheiden wir zwischen
a) angeborenen, natürlichen Reflexen unseres Körpers (z. B. den Kopf einziehen oder die Hände schützend
vors Gesicht halten, wenn Gefahr droht) und
b) bedingten Reflexen im Sinne angelernter Reaktionen (z. B. plötzliches Schweigen in einer beredsamen
Runde, wenn eine Person den Raum betritt, über die man gerade »gelästert« hat).
2
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Warum ist das so? Nun, die Anfänge der Kommunikation sind nonverbal. Ein Baby, das ja
noch nicht sprechen kann, reagiert weniger auf Worte als auf körperliche Signale von
anderen. Das nonverbale Verhalten der Eltern hat so erheblichen Einfluß auf die
Entwicklung des Kleinkindes und damit auf seine seelische und geistige Gesundheit.
Auch als Erwachsene erleben wir, wie intensiv uns das nichtsprachliche Verhalten
anderer berührt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen deutlich, daß bei
Beziehungsstörungen in einer Partnerschaft nonverbale Signale der Zustimmung stark
zurückgehen bis hin zu einer körperlichen Erstarrung eines Partners. Solche
Verhaltensmuster sind mehr als nur bloße Begleiterscheinungen eines Konflikts.2 Unsere
nonverbalen Signale greifen mit enormer Wirkung in eine Auseinandersetzung ein und
treffen den/die PartnerIn gewissermaßen direkt im Nerv, so der Berner Psychologe Dr.
Siegfried Frey.
Lange Zeit wurde angenommen, daß Gestik, Mimik und Körperhaltung die wahren
Absichten eines Menschen verraten – eine Einstellung, die sich bis heute tapfer hält. Die
Ausdruckspsychologie hat jedoch längst neuen Kenntnissen über Körpersprache Platz
gemacht.3 Dr. Frey und sein Forschungsteam wiesen u. a. nach, daß unser
Ausdrucksverhalten weniger emotional, vielmehr sozial bedingt ist. Versuchspersonen, die
stark gefühlsbetonte Filme sahen (Liebes- oder Horrorfilme), zeigten ein unterschiedliches
mimisches Ausdrucksverhalten, je nachdem, ob sie die Filme alleine (isolierte Bedingung)
oder zusammen mit anderen sahen (soziale Bedingung). Freys Fazit lautet demnach: Das
nonverbale Verhalten eines Menschen spiegelt weniger seine persönlichen Emotionen,
sondern weckt und reguliert die Emotionen seines Gegenüber.
Wer dennoch glaubt, Gespräche durch den gezielten Einsatz von Körpersprache im Sinne
eigener Interessen massiv beeinflussen zu können, muß leider enttäuscht werden. Nach
dem bisherigen Stand der Wissenschaft kommt dies einem Lotteriespiel gleich – mal kann
es funktionieren, dann wiederum nicht. Denn es gibt kein Körpersignal, das in jeder
Situation und für jeden Menschen eindeutig interpretierbar ist.
2
Frey, Siegfried, Die nonverbale Kommunikation, Stuttgart 1984 (SEL-Studie).
3
Die Ausdruckspsychologie betrachtet das sichtbare Erscheinungsbild eines Menschen (Gestik, Mimik,
Gang, Haltung) als Ausdruck seelischer Vorgänge und entwickelt daraus die Grundlagen für die
Charakterkunde. Seit den fünfziger Jahren ist dieser Zweig der Psychologie jedoch wissenschaftlich
bedeutungslos geworden.
3
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Das sollte Sie jedoch nicht abhalten, aufmerksam das eigene körpersprachliche Verhalten
sowie die nonverbalen Signale Ihrer GesprächspartnerInnen zu beobachten. Dazu ein
persönliches Beispiel – ein Bewerbungsgespräch kurz nach meinem Studium:
Beispiel
Mein Ansprechpartner bietet mir einen bequemen Ledersessel an, auf dem ich Platz
nehme. Schon bald bemerke ich, daß der Sessel seine Tücken hat. Ich sitze nahezu auf
dem Boden, und Herr XYZ thront über mir, sieht auf mich herab und mustert mich von
oben bis unten. Ich äußere Unbehagen und bitte ihn um eine neue Sitzgelegenheit. Mit
einem lapidaren Satz (»Das spielt doch hier jetzt keine Rolle«) werde ich auf dem
Ledersessel sitzengelassen. Nach einer Weile stehe ich auf und beantworte seine Fragen
im Stehen vor seinem Schreibtisch und blicke auf ihn herab.
Mir wurde damals sehr rasch klar: Den Job kriegst du nicht. Grund für dieses sichere
Gespür waren überwiegend die nonverbalen Signale meines Gesprächspartners. Ich
erdreistete mich, meine Körperhaltung zu verändern (vom Sitzen zum Stehen); er faßte
mein Reden im Stehen vor seinem Schreibtisch höchstwahrscheinlich als Affront auf –
darüber läßt sich im nachhinein nur spekulieren. Fest steht allerdings: Körpersprache sagt
mehr als tausend Worte.
1.2 Körpersprache ist kultur- und geschichtsabhängig
Hier mögen vielleicht manche LeserInnen stutzen. Gibt es denn keine universellen
körpersprachlichen Signale, die überall verstanden werden? Natürlich – lächeln, Stirn in
Falten legen, finsterer Blick oder Naserümpfen sind beispielsweise Zeichen, die weltweit
verstanden werden.
Es gibt jedoch große kulturelle Unterschiede. So weist Vera Birkenbihl darauf hin, wie
unterschiedlich sich sogar Menschen ähnlicher Denkstrukturen verhalten, z. B. Deutsche
und AmerikanerInnen.4 Eine Studie über deutsche und amerikanische Manager zeigte
4
Birkenbihl, Vera, Signale des Körpers, Landsberg a. Lech 1988.
4
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eindeutig: Schon das Öffnen der Bürotür bedeutet für eine deutsche Führungskraft das
Betreten ihrer Intimzone, was nur mit ausdrücklicher Erlaubnis geschehen darf (z. B.
indem »Herein« gesagt wird). Die Person hingegen, die einen amerikanischen Manager
sprechen möchte, stört dessen Intimzone so lange nicht, wie er/ sie am Türrahmen der
offenen Türe stehen bleibt – mit der Hand an den Türpfosten gelegt.
Ein weiteres Beispiel für kulturelle Nichtübereinstimmungen: der starre Blick. Er wird in
arabischen Ländern durchaus akzeptiert und als normal empfunden, wenn sich jemand in
sich zurückziehen möchte. EuropäerInnen äußern sich jedoch einem starr Blickenden
gegenüber eher so: » Hey, was ist denn mit dir los?« oder »Huhu, bist du noch da?«oder
» Hey, aufwachen!« Während in Deutschland und in vielen europäischen Ländern die
sprichwörtliche »Armlänge« als angenehme Distanz zwischen zwei
GesprächspartnerInnen empfunden wird, hält man sich in Rußland und in einigen
Balkanstaaten bei der Begrüßung gegenseitig die Arme fest. Symbolisch sind damit die
Hände schachmatt gesetzt, also außer Gefecht. Die freundschaftliche Absicht wird noch
durch den gegenseitigen Bruderkuß auf die Wangen bzw. auf den Mund unterstrichen.
Machen wir nochmals einen Sprung in den Orient: Sollten Sie einmal in arabischen
Ländern zu Gast sein, dann werden Sie nicht vor der Tür warten müssen, selbst wenn
bereits BesucherInnen anwesend sind. Es gilt als Unhöflichkeit, den Gast vor der Tür
warten zu lassen. Vermutlich hängt dieses Verhalten mit dem Wüstenklima zusammen:
Einen Gast läßt man halt nicht in der Sonnenglut stehen, sondern bittet ihn/sie herein.
Interessant ist auch festzustellen, wie unterschiedlich sogenannte Benimmregeln sind.
Manier- oder Benimmkurse erfreuen sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Alle
paar Jahre ändern sich die Gewohnheiten, oder es ist etwas anderes »in«. Mal dürfen die
Kartoffeln auf dem Teller mit dem Messer zerschnitten werden, dann wieder nicht. Ein
anderes Mal darf eine Banane aus der Hand gegessen werden, dann wiederum wirkt dies
zu »affenähnlich«, und es wird empfohlen, dieses Obst mit einem Messer zu zerlegen.
Gänzlich verpönt ist es, bestimmte allzumenschliche Körpersignale im Beisein anderer
anzuwenden, z. B. rülpsen oder furzen. Wie peinlich ist es doch, wenn uns das passiert –
vielleicht sogar beim Abendessen in bester Gesellschaft oder bei einem Arbeitsessen.
Dann kann ganz schnell ein weiteres Signal dazukommen: die Gesichtsröte – und schon
sind wir schachmatt.
5
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Unser Körper redet in seiner eigenen Sprache und setzt sie unabhängig von unserem
Willen ein. Der beste Beweis dafür, daß wir nicht alles regeln und erzwingen können. In
früheren Zeiten wurden übrigens Rülpsen und Furzen durchaus positiv bewertet. »Warum
rülpset und furzet Ihr nicht, hat es Euch nicht geschmecket?« fragte schon der Reformator
Martin Luther (1483-1546) nach einem guten Mahl. Wir sehen also, Körpersprache ist
nicht nur kulturabhängig, sondern auch – wie alles – dem Wandel der Geschichte
unterworfen.
1.3 Körpersprache ist individuell und situationsabhängig
Menschen haben Marotten, auch körpersprachlicher Art. Es gibt welche, die fahren sich
bei jeder Gelegenheit durch die Haare, andere reiben sich oft die Hände, kneifen ständig
die Augen zusammen oder verschränken die Arme. Wenn wir öfter mit solchen Spleens
konfrontiert werden, dann sind wir in der Lage, sie bestimmten Menschen zuzuordnen
(»Der Müller reibt sich ja ständig die Hände«) und tolerieren sie als deren Eigenart.
Schwieriger wird es, wenn wir zum erstenmal mit fremden GesprächspartnerInnen
zusammensitzen und deren Körpersignale deuten müssen. Sind es ausländische Gäste,
so ist es klug, sich vorab mit deren Kultur und Mentalität vertraut zu machen. Sind es
deutsche GesprächspartnerInnen, dann gehen wir ja von gewissen Selbstverständnissen
aus, z. B. dem Händedruck bei der Begrüßung oder dem offenen, aufmerksamen Blick.
Was passiert nun, wenn ein Herr (oder eine Dame) zu einem Vorstellungsgespräch
eingeladen wird und während des Sprechens oft die Arme verschränkt? Der
Gesprächsführer – nennen wir ihn Herr Schmitt – kann z. B. denken: »Jetzt macht er das
schon zum dritten Male. Der Typ ist sehr unsicher.« Oder er kann sich sagen: »Den friert
es wohl. Naja, ist wohl die Aufregung.« Denkbar ist natürlich auch, daß Herr Schmitt gar
nicht darüber nachdenkt, weil er das Körpersignal überhaupt nicht registriert.
Körpersprache ist ein »soziales Produkt«, wir erlernen sie von Kind auf, können sie bei
anderen Menschen erkennen und sozusagen entschlüsseln (siehe »Grundregeln der
Kommunikation« im 1. Kapitel). Unser Entschlüsselungsprozeß beruht dabei meist auf
Erfahrungswerten, indem wir nonverbalen Signalen eine bestimmte Bedeutung
beimessen.
6
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Körpersignale
mögliche Bedeutung
direkter Blickkontakt
Selbstbewußtsein, Sicherheit,
Interesse
ausweichender Blick
Abneigung, Unsicherheit
vorgebeugter Oberkörper
Interesse, Aufmerksamkeit
zurückgelehnter Oberkörper
Ablehnung, Distanzwunsch,
Selbstzufriedenheit
Arme vor der Brust
Abwarten, Distanzwunsch
offene Armbewegungen
Sicherheit, Wohlgefühl,
Selbstbewußtsein
Hände geballt
Wut, Zorn, Entschlossenheit
Hände in der Hüfte
Entrüstung, Arroganz, Selbstsicherheit
Hände fest um einen Gegenstand
Verkrampftheit, Nervosität
erhobener Zeigefinger
Drohung, Belehrung
Fingertrommeln
Nervosität, Gereiztheit
häufige Beinbewegungen
Unruhe, Nervosität, Unsicherheit
übereinandergeschlagene Beine (zum/zur
Hinwendung, Aufmerksamkeit
GesprächspartnerIn hin)
übereinandergeschlagene Beine (vom/von
Abwendung, Desinteresse
GesprächspartnerIn weg)
aufrechte (jedoch nicht steife oder starre)
Selbstbewußtsein, Sicherheit
Körperhaltung
erhobene, gerade Kopfhaltung
Selbstsicherheit, aber auch Arroganz
Die Signale, die wir aussenden (meist unbewußt), stoßen auf unterschiedliche
Interpretationen – je nach Situation. Ein Mensch, der z. B. häufig die Arme verschränkt,
kann natürlich in diesem Moment dem Gegenüber Abstand und Distanzwünsche
signalisieren, er kann auch aufgeregt sein, es kann ihn aber auch frösteln (weil es kühl im
Raum ist), oder es kann einfach eine Marotte sein, die er sich angewöhnt hat.
Gibt es trotz dieser Vielzahl von Interpretationen dennoch Möglichkeiten, durch
nonverbales Verhalten positiven Einfluß auf den/die GesprächspartnerIn und den
Gesprächsverlauf zu nehmen, z. B. bei festgefahrenen Verhandlungen?
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Der bekannte Pantomime Samy Molcho bejaht dies und rät zu bewußter Bewegung in
solchen Situationen. Bewußt aufstehen, bewußt dem Gegenüber etwas reichen (eine
Tasse Kaffee, einen Prospekt).5 Dieser Vorgang »öffnet« den/die GesprächspartnerIn, er/
sie muß die Hände öffnen. Dadurch entsteht neue Bewegung, die festgefahrenen Fronten
sind nicht mehr ganz so starr.
Wenn auch dieser Tip alleine sicherlich nicht ausreicht, um schwierige Verhandlungen
voranzutreiben, so ist doch der Hinweis hilfreich, Bewegung ins Spiel zu bringen. Das
erfordert allerdings bewußtes Wahrnehmen sowohl der eigenen Körpersprache wie auch
der der anderen. Die Mühe aber lobt, denn es hilft, mich selbst und andere besser zu
verstehen und Gesräche positiv zu beeinflussen.
1.4 Körpersprache ist rollen- und geschlechtsspezifisch
Wenn wir uns Zeitschriften oder Bücher um die Jahrhundertwende ansehen, so stellen wir
fest: Der Unternehmer damals war stattlich, rund und wohlgenährt, oft mit dicker Zigarre
im Mund. Der Unternehmer (der Manager) heute ist dynamisch, schlank und versucht,
sich das Rauchen abzugewöhnen (sofern er es sich überhaupt angewöhnt hat). Frauen
wurden früher mit Freude in ihrer »barocken Fülle« dargestellt, heute heißt das weibliche
Schönheitsideal: schlank, schlank und nochmals schlank. Andere Zeiten, andere Sitten.
Von jeher zeigte sich jedoch der unterschiedliche soziale Stand nicht nur in der Bildung,
sondern auch im Auftreten, in der Kleidung, im Habitus. Wer etwas ist, wer etwas darstellt,
sprich: wer Macht hat, hat auch Raum. Menschen, die »wer« sind, besitzen nicht nur die
schönsten Häuser, Villen, Grundstücke; sie thronen auch in den höchsten Stockwerken.6
Diese ChefInnenbüros sind groß und hell; die Sekretärin sitzt im Vorzimmer, stets bereit,
unerwünschte BesucherInnen abzuweisen.
Ranghöhere Menschen dürfen sich auch körperliche Aktivitäten erlauben, die Personen
auf niederen Hierarchieebenen kaum zugestanden werden. So kann z. B. der Chef seinen
MitarbeiterInnen auf die Schulter klopfen – nicht jedoch umgekehrt. Plastisch läßt sich das
»Oben« und »Unten« auch an Sitzordnungen festmachen. Höhergestellte Personen
5
Molcho, Samy, Körpersprache als Dialog, München 1988.
6
Siehe dazu Schwertfeger, Bärbel/Lewandowski, Norbert, Die Körpersprache der Bosse, Düsseldorf,
Wien, New York 1990.
8
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sitzen in der Regel am Kopfende. Sie haben auch oft einen besonderen
Sitzplatz/Stuhl/Sessel. Viele »hohe Tiere« wahren auf diese Weise entsprechenden
körperlichen Abstand, also eine gewisse Distanz zu ihren Untergebenen. Das kann der
imposante, breite Mahagoni-Schreibtisch mit schwerem Ledersessel oder das können
Papierberge sein, die sich vor den BesucherInnen auftürmen – eine beliebte Möglichkeit,
um sich »Leute vom Hals zu halten«.
Die meisten Menschen glauben auch, daß ihre verschiedenen Rollen, die sie im Laufe
ihres Lebens einnehmen, ein bestimmtes Verhalten – verbaler wie nonverbaler Art –
erfordern. Meist versuchen sie die Erwartungen anderer zu erfüllen – die Erwartungen, die
an sie als Ehemann oder Ehefrau, Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, Arbeiter oder
Arbeiterin, Angestellter oder Angestellte, Polizist, Nonne, Soldat, Ärztin oder Bankdirektor
gestellt werden. Am richtigen Ort zur richtigen Zeit die jeweils angemessene Rolle auch
nonverbal zu vermitteln, scheint das Bestreben vieler Menschen zu sein. Ein Soldat oder
ein Polizist möchte in der Regel auch durch seine Körpersprache Mut, Tapferkeit oder
Entschlossenheit vermitteln. Der Bankdirektor geht meist mit aufrechter Haltung und
erhobenem Kopf durch die Gänge seines Geldinstituts; ebenso verhält sich die Ärztin in
ihrer Praxis oder im Krankenhaus.
Macht und Ohnmacht, Selbstbewußtsein und Unsicherheit drücken sich also auch in der
Körpersprache aus. Sozial unterprivilegierte Menschen machen mehr und häufiger
Unterwürfigkeitsgesten und -bewegungen gegenüber Autoritäten. Derartiges Verhalten ist
erst mal geschlechtsunabhängig. Wenn wir uns allerdings verdeutlichen, daß das »starke«
Geschlecht in unserer Gesellschaft meist einen höheren sozialen Status als Frauen
innehat, und wenn sich soziale Rangunterschiede auf das nonverbale Verhalten von
Menschen auswirken, ist es dann logisch, von unterschiedlicher Nonverbalität bei Frauen
und Männern auszugehen?
Körpersprache ist gleichsam rollen- und geschlechtsspezifisch, wobei meines Erachtens
der Faktor Geschlecht die nonverbalen Ohnmachtssignale einer niederen sozialen
Stellung zusätzlich verstärkt. Beide Elemente – soziale Stellung und Geschlecht –
erfahren somit eine Verquickung in bezug auf nonverbale Kommunikation. Es gibt nie
»nur« Rollen, sondern gleichzeitig auch einen geschlechtsspezifischen Eindruck, der
9
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Einfluß nimmt auf unsere verbale und nonverbale Kommunikation. In vielen Diskussionen
und Forschungen findet allerdings dieser Aspekt leider immer noch zu wenig Beachtung.
2. Weibliche und männliche Körpersprache im Vergleich7
In Kommunikationsstudien kamen Forscher zu dem Schluß, daß Männer und Frauen eine
entspanntere Körperhaltung einnehmen, wenn ihr Gegenüber weiblich ist.8 Die Künstlerin
und Fotografin Marianne Wex hat dies in zahlreichen Dokumentationen bestätigt. Gerade
Frauen machen ihre Körperhaltung davon abhängig, ob Männer anwesend sind oder
nicht. Sind sie unter sich, machen sie einen wesentlich entspannteren Eindruck, taucht
ein Mann auf, verändern sich meist die Haltung und der Gesichtsausdruck.9
Frauen versuchen oft erst gar nicht, selbstbewußt zu wirken. Selbstbewußtsein läßt sich
bekanntlich an verschiedenen körpersprachlichen Signalen festmachen, z. B. an der
Kopfhaltung. Hier gibt es ein interessantes Phänomen, das lange Zeit die nonverbale
Forschung beschäftigt hat: der seitlich geneigte Kopf. WissenschaftlerInnen bestätigen
nicht nur, daß diese Pose bei Frauen wesentlich häufiger vorkommt als bei Männern,
sondern auch, daß eine Veränderung dieser Kopfhaltung von beiden Geschlechtern
unterschiedlich bewertet wird.
Als Untersuchungsobjekt diente u. a. ein Bild von Pablo Picasso. Das Gemälde zeigt ein
Paar, das sich verliebt ansieht. Die Kopfhaltung des Mannes ist aufrecht; das Haupt der
Frau dagegen etwas geneigt. Der seitlich geneigte Kopf fand bei männlichen und
weiblichen Beurteilern durchgängig eine positive Resonanz. Die Frau auf dem Gemälde
wirkte demütig, lieb, weich, zärtlich, freundlich u. a. m. In der anschließenden Montage
wurde die Liebende mit aufrechtem Kopf dargestellt. Das Ergebnis: Weibliche Betrachter
empfanden die Frau weiterhin als sympathisch, empfindsam und angenehm, wohingegen
die männlichen Beurteiler der Frau Arroganz, Unfreundlichkeit, Härte und Distanziertheit
bescheinigten.10 Es hat also den Anschein, daß unangemessene
7
Diese Fotos sind entnommen aus Wex, Marianne, »Weibliche« und »männliche« Körpersprache als
Folge patriarchalischer Machtverhältnisse, Hamburg 1980.
8
Mehrabian, Albert, Nonverbal Communication, Chicago 1972.
9
Wex, Marianne, a. a. O.
10 Frey, Siegfried, a. a. O.
10
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Geschlechtsdarstellungen, welche als Abweichung von der Norm empfunden werden,
entsprechend bestraft werden (dies betrifft übrigens nicht nur maskuline Frauen, sondern
auch feminine Männer).
Männer nehmen breiten Raum ein. Ihre häufigste Bein- und Fußhaltung im Sitzen sind
Stellungen mit weit gespreizten Schenkeln und nach außen gerichteten Fußspitzen. Auch ihre
Arme beanspruchen Platz: weit weg vom Körper, oft aufgestützt und die Ellbogen nach außen.
Körpersprachliche Normvorstellungen sind jedoch nichts Statisches. Körpersprache hat
sich historisch entwickelt. Im alten Griechenland und im alten Ägypten waren
beispielsweise in den Körperhaltungen von Frauen und Männern kaum Unterschiede
festzustellen.
Raumgreifend, breitschultrig und kräftig wurde auch das weibliche Geschlecht in
Skulpturen und Reliefs abgebildet. Die zunehmende Unterdrückung der Frauen in Europa,
besonders in der Zeit der Hexenverfolgungen ab Mitte des 14. Jh., führte zu einem
Umbruch in den bildlichen Charakterisierungen weiblicher Körperhaltungen. Die
Beinhaltung im Sitzen und im Stehen wird enger; Frauen werden nicht mehr als
»gestandene« Geschöpfe dargestellt, sondern in ein »Kindchenmuster« gepreßt.
Lächelnd, mit gesenktem Blick, seitlich geneigtem Kopf, lieb und nett anzusehen. So läßt
sich voll und ganz denjenigen Frauen zustimmen, die fragen: »... die heutige übliche
weibliche Körperhaltung zu erzielen – dazu hat es vieler, vieler Jahrhunderte gebraucht.
11
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Ob es auch viele Jahrhunderte brauchen wird, bis sich der körpersprachliche Ausdruck
von Machtverhältnissen wieder wandelt?«11
Egal welche Wandlungen Körpersprache noch erfahren wird, fest steht: Es gibt deutliche
Unterschiede in der nonverbalen Kommunikation der Geschlechter.12 Männer nehmen im
allgemeinen wesentlich raumgreifendere Haltungen als Frauen ein, stellen sich
breitbeiniger hin, machen ausladendere Bewegungen. Frauen hingegen stellen sich
selten breitbeinig hin (selbst wenn sie Hosen tragen) und nehmen wenig Raum für sich in
Anspruch.13
Männer stehen gern in Paradehaltung: Ihr Gewicht auf beide Beine verteilt, die Fußspitzen nach
außen und die Hacken nah beieinander – eine Grundhaltung auch bei breiter Beinstellung.
Wenn sie Standbein-/Spielbeinhaltungen einnehmen, wird das Knie des Spielbeins betont nach
außen gedrückt.
Die Beine dicht zusammen, die Schenkel zusammengepreßt oder eine StandbeinSpielbein-Haltung einnehmend – dies ist ein gängiges Bild von Frauen im Stehen. Das
11 Schlüter-Kiske, Barbara, Rhetorik für Frauen, München 1987, S. 30.
12 Etwas schwierig zu lesen, doch mit zahlreichen Beispielen untermauert Mühlen Achs, Gitta, Wie Katz
und Hund, Die Körpersprache der Geschlechter, München 1993.
13 Ich kann z. B. während eines Vortrags immer wieder beobachten, wie sich Zuhörerinnen eher in eine
Ecke stellen als in die Mitte eines Raums.
12
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Spielbein wird meist so eingeknickt, daß sich beide Knie nahezu berühren. Eine Haltung,
die eher verkleinert und die Person weniger bestimmt erscheinen läßt. Wenn Frauen –
was selten vorkommt – beide Beine gleichmäßig belasten, so stellen sie ihre Füße eng
nebeneinander; die Fußspitzen von Männern dagegen zeigen stärker nach außen. Stellen
sich Frauen hin und wieder breitbeiniger hin, richten sie reflexartig ihre Fußspitzen nach
innen, gerade so, als müßten sie ihre Haltung korrigieren, wenn diese über eine
bestimmte Breite hinausgeht.
Frauen nehmen auch im Stehen eine möglichst schmale Haltung ein: enganliegende Arme, die
Ellbogen am Körper angewinkelt, selten beide Beine gleichmäßig belastend, Füße eng
beieinander und die Fußspitzen gradeaus oder nach innen gerichtet. Sie bevorzugen eine
Standbein-/Spielbeinhaltung und halten hierbei beide Knie nah beieinander.
Beim Sitzen zeigen sich ähnliche Verhaltensmuster. Frauen halten häufig ihre
Oberschenkel und Beine fest zusammen, kreuzen die Beine seitlich parallel und
verlängern so optisch ihre Beinlänge. Auf den Betrachter wirkt dies häufig als erotisches
Signal oder zumindest als ästhetisches Bild. Die seitlich weggestreckten Beine bieten der
Körperbalance keinerlei Stütze, so daß der Oberkörper aufrecht gehalten werden muß,
was einige weibliche Attribute (z. B. den Busen) hervorhebt. Zur engen Sitzhaltung kommt
13
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häufig noch hinzu, daß Frauen ihre Handtasche an den Körper pressen oder in
Gesprächen den Stuhl nur halb einnehmen oder auf der Stuhlkante sitzen. Vor allem in
den Medien wird das » schwache« Geschlecht gerne in dieser Schrägstellung zur Schau
gestellt, suggeriert dies doch eine eindeutige Anbieterpose für den Mann.
Frauen sitzen meist aufrecht, mit eng geschlossenen Beinen und Füßen, selten mit
weitgeöffneten Knien. Auch mit schräggestellten oder übereinandergeschlagenen Beinen
versuchen Frauen so eng wie möglich zu sitzen und halten ihre Arme und Ellbogen eng am
Körper.
Daß es sich lohnt, über das Sitz- und Stehverhalten nachzudenken, wird dann deutlich,
wenn wir uns ihre Wirkung vor Augen führen. Die eher enge Körperhaltung von Frauen
löst bei dem Betrachter bestimmte Assoziationen aus wie Unterwürfigkeit oder
Hilflosigkeit. Die Frau wird so zum »kleinen Hascherl«, das wenig Selbstbewußtsein
ausstrahlt. Sicherlich, wir alle sind solche Bilder gewöhnt, und es mag auch Damen
geben, die sich in dieser hilflosen Rolle gefallen. Sicher und souverän wirkt jedoch eine
enge, sich klein machende Körperhaltung nicht.
Was können Frauen tun, um körperlich selbstsicherer zu erscheinen?
Selbstbewußte Haltung, ob im Sitzen oder Stehen, hängt u. a. auch von der
entsprechenden Kleidung ab. Durch Kleidung verkleiden oder bekleiden wir unser
Erscheinungsbild, je nachdem, welche Wirkung wir erzielen wollen. Mittlerweile gibt es
zahlreiche ExpertInnen, die entsprechende Typenberatungen vornehmen nach dem
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Motto: dezente und klassische Kleidung in Bank, Versicherung oder Verwaltung, leger und
auffallend in der Werbebranche, sportlich in der Freizeit.
Wie immer Sie sich entscheiden: Wählen Sie auf jeden Fall Kleidung, in der Sie sich
primär wohl fühlen und die der Situation angemessen ist. Das ist stets ein dickes Plus. Es
macht Ihren Kopf frei für das Gespräch mit anderen, weil Sie sich nicht permanent auf Ihr
Äußeres konzentrieren müssen. Machen Sie sich öfter bewußt, daß die Wahl Ihrer
Kleidung Einfluß nimmt auf Ihre Körperhaltung und Ihre Atmung. Sie bestimmen somit
selbst, wieviel Bewegungsfreiheit Sie sich gönnen und wie sehr Sie sich einengen lassen.
Des weiteren können Sie bewußter als bisher darauf achten, wie Sie sich hinstellen oder
hinsetzen.
Frauen haben oft ein gestörtes Verhältnis zu ihrem eigenen Körper. Viele seufzen
über ihre Pfunde und versuchen den natürlichen Alterungsprozeß durch allerlei Cremes
und Salben hinauszuzögern. Andere hungern sich fast zu Tode (nicht umsonst ist
Magersucht eine Frauenkrankheit) oder schlucken Abführ- oder Beruhigungstabletten.
Kaum eine Frau »mag« ihren Körper. Dabei sind wir unser Körper. Versuchen wir in
Harmonie mit ihm zu leben, indem wir herausfinden, was er braucht und was uns
entspannt: Spaziergänge, Sport, Gartenarbeit, Atemübungen – was auch immer.
Und denken wir daran: Wir haben nur diesen einen Körper. Gehen wir also liebevoll
mit ihm um.
Tips und Anregungen
Beim Sitzen
• Zur Beruhigung des Körpers: Vor einem wichtigen Gesprächstermin tief und ruhig
durchatmen.
• Stuhllehnen sind dazu da, um sich anzulehnen, sie geben HALT. Versuchen Sie, diesen
Halt bewußt anzunehmen.
• Nehmen Sie den Stuhl ganz ein, und sitzen Sie nicht wie zum Sprung auf der
Stuhlkante.
• Arme und Hände sind verräterisch. Legen Sie hin und wieder die Arme locker auf die
Armlehnen des Stuhls (wenn diese vorhanden sind), damit Ihre natürliche Gestik zum
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Tragen kommen kann. Achten Sie darauf, daß Sie Ihre Hände nicht schüchtern im
Schoß vergraben.
• Testen Sie immer wieder: Wie fühle ich mich wohler? Was dient eher meiner Sicherheit:
locker übereinandergeschlagene Beine oder beide Füße fest auf dem Boden?
Beim Stehen
• Entspannend, gerade bei längerem Stehen, ist die leicht gegrätschte Beinhaltung. Das
geht auch im Rock, meine Damen, keine Angst. Hin und wieder ist auch der Wechsel
von Stand- und Spielbein erlaubt. Doch nicht zu häufig, sonst wirkt es als unruhiges
Tänzeln.
• Machen Sie sich nicht ständig körperlich kleiner, als Sie sind. Achten Sie daher auf eine
gerade, aufrechte Haltung. Das muß nicht stocksteif oder starr wirken.
• Wohin mit den Händen? Vermeiden Sie, die Hände hinter Ihrem Rücken zu verstecken
oder permanent in Ihren Hosen- oder Jackentaschen zu vergraben. Das schließt nicht
aus, daß Sie hin und wieder eine Hand locker in die Hosen- oder Jackentasche stecken
können. Mit der anderen Hand unterstreichen Sie Ihre Worte durch Ihre natürliche
Gestik.
• »Kopf hoch, Brust raus«, heißt es schon im Volksmund. Stellen Sie sich vor, Sie sind
eine Königin, die mit leicht erhobenem Haupt dahinschreitet. Gerade dann, wenn Sie
sich von der Welt unverstanden fühlen und am liebsten mit einer Decke überm Kopf zu
Hause in ihrem Bett liegen möchten, gerade dann sollten Sie den Kopf etwas höher
tragen und zu sich sagen: »Ich bin doch wer.« Probieren Sie es aus. Das Geheimnis
dabei: Eine veränderte positive Körperhaltung beeinflußt positiv unser Denken und
Fühlen.
Sonstiges
• Denken Sie daran, daß es zwar notwendig ist, gepflegt und sauber bei der Arbeit
aufzutreten, daß es aber genauso wichtig ist, eine Bekleidung auszuwählen, in der Sie
sich wohl fühlen.
• Körpersprache ist so komplex, kultur- und situationsabhängig, daß allgemeingültige
Aussagen darüber schwerlich zu treffen sind. Körpersprache läßt sich jedoch ständig in
allen Bereichen des Lebens überprüfen. Wenn Sie mit anderen sprechen, können Sie
sich hin und wieder bewußt machen, wie Ihre Körperhaltung, Ihr Blick, Ihre Gestik und
Mimik in diesem Moment ist. Das schärft Ihre Wahrnehmung für Ihre eigene
Körpersprache und die der anderen. Denn wer die Körpersprache anderer besser
verstehen will, sollte sich der eigenen bewußt werden.
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Kleines Glossar gewöhnlicher und ungewöhnlicher
Kommunikationsbegriffe
Abenteuer Jedes Gespräch ist ein Abenteuer. Wenn wir aufmerksam zuhören, wenn wir
eigene Meinungen und Auffassungen einbringen, lassen wir uns meist auf etwas Neues
ein. Dazu brauchen wir einen gewissen Abenteuer- und Entdeckungsgeist. Wir erforschen
uns und andere im Gespräch und begeben uns – zumindest mit fremden
GesprächspartnerInnen – auf unbekanntes Terrain.
Angst
Jeder Mensch kennt sie in einer mehr oder weniger ausgeprägten Form.
Redeangst läßt sich nach und nach abbauen, indem wir uns Herausforderungen stellen
und sie zu bewältigen suchen (siehe »Exkurs: Umgang mit Redeangst« im 2. Kapitel).
Aufmerksamkeit
Da oft in Gesprächen die eigentliche Botschaft zwischen den Zeilen
steckt, ist Aufmerksamkeit eine Eigenschaft, deren Aneignung wichtig ist. Damit ist nicht
»auf der Lauer liegen« gemeint, um sich wie ein Raubtier auf sein Opfer zu stürzen.
Aufmerksamkeit umfaßt Wachsamkeit und aktives Zuhören – zwei wichtige Elemente in
Gesprächssituationen.
Autosuggestionen
Dies sind positive Selbstbeeinflussungen in Form von Sätzen,
die wir zu uns selbst sprechen, um uns Mut und Zuversicht zu geben (siehe dazu
»Exkurs: Umgang mit Redeangst« im 2. Kapitel).
Bemühung Kein/keine MeisterIn fällt vom Himmel, d. h., wir werden immer Fehler
machen, auch wenn wir KommunikationsexpertInnen geworden sind. Was wir jedoch trotz
aller Rückschläge tun können ist, uns immer wieder bemühen, die eigene Redekunst zu
verbessern und zu verfeinern.
Durchsetzungsvermögen
Sich durchsetzen sagt, eigene Interessen zu vertreten
und eigene Ziele zu kennen. Durchsetzungsvermögen meint nicht, sich um jeden Preis
immer und überall zu behaupten oder sich durchzukämpfen. Es bedeutet, das Vermögen
zu besitzen, dies zu tun, wenn es angebracht ist.
Ehrlichkeit Wem soll man heute noch glauben? Viele von uns mogeln sich mit Notlügen
durchs Leben. Ehrlichkeit in der Kommunikation – gibt es so was überhaupt? Werfen Sie
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einen Blick in den Spiegel, und betrachten Sie sich eingehend. Was sehen Sie? Wer sind
Sie? Üben Sie erst Aufrichtigkeit und Offenheit zu sich selbst, dann zu anderen.
Entspannen
Reden und zuhören ist anstrengend. Wir sollten daher darauf achten,
daß wir unserem Kopf und unserem Körper bewußt Pausen gönnen, um die leeren
Batterien wieder aufzutanken. Gute Entspannung kann für jeden/jede anders aussehen:
schlafen, Sport treiben, einen Roman lesen, Musik hören oder einfach nur faulenzen.
Fairneß
Schläge unterhalb der Gürtellinie sind zwar leider gang und gäbe, doch
haben sie in einer fairen Gesprächskultur keinen Platz. Behandeln Sie Ihre
GesprächspartnerInnen mit dem notwendigen Respekt, auch wenn's hin und wieder
schwerfällt.
Feedback
Die deutsche Übersetzung lautet: Rückmeldung an jemanden – in
Gesprächen ein wichtiger Teil des Kommunikationsprozesses. Feedback geben heißt,
bestimmte Regeln beachten (siehe »Feedback geben und annehmen« im 3. Kapitel).
Diejenigen, die Feedback bekommen, sollten sich den positiven Effekt von
Rückmeldungen vor Augen führen: Feedback ist Nahrung für den Erfolgsmenschen.
Flexibilität Trotz vorheriger Planung und Strategieüberlegung kann ein Gespräch
vollkommen anders ablaufen als erwartet. Seien Sie flexibel, d. h., bereiten Sie sich vor,
doch kleben Sie nicht an Ihren Vorstellungen fest. Planen und trotzdem flexibel sein, so
lautet das Geheimnis, denn in der Kommunikation gibt es keine Patentlösungen.
Frau und Mann
Ist die Geschlechterdifferenz biologisch bestimmt oder gesellschaftlich
geprägt? Die Mehrzahl wissenschaftlicher Untersuchungen weist zwar auf den
bedeutenden Einfluß von Elternhaus und Schule hin (primäre Sozialisation), doch nimmt
uns dies nicht die Verantwortung für unser Denken und Handeln als Erwachsene. Wir
können traditionelle weibliche und männliche Rollenbilder unreflektiert übernehmen oder
uns kritisch mit ihnen auseinandersetzen. Jeder und jede hat es selbst in der Hand, ob er/
sie das jeweils andere Geschlecht als gleichberechtigt akzeptiert.
Freiheit
Diese im Gespräch zu berücksichtigen, bedeutet, einen Rahmen zu
ermöglichen, in dem Menschen offen und unbehindert ihre Meinung sagen können
(Meinungsfreiheit) und gemeinsam um eine »verbindende Wahrheit« ringen.
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Freude
Mit anderen zu reden kann viel Freude und großen Spaß machen. Gott sei
Dank geht es ja nicht bei jedem Gespräch um wichtige, sachliche Entscheidungen.
Kommunikation besteht nicht nur aus ernsten Gesprächen; Kommunikation ist das
Zungenfleisch des menschlichen Zusammenlebens und auch dazu da, daß wir unsere
Lebensfreude nicht verlieren (siehe »Kommunikation ist ... Drei Geschichten zum
Nachdenken« im 1. Kapitel).
Gesprächsführung
Gesprächsführung hat zwei Intentionen: ein Gespräch
durchführen und im Gespräch führen (siehe dazu »Die Strategie der Gesprächsführung«
im 2. Kapitel). Wer ein Gespräch führt, hat immer auch Verantwortung. Natürlich sind,
strenggenommen, alle Beteiligten verantwortlich für das Gelingen des Gesprächsverlaufs,
doch der Gesprächsführung kommt dabei besondere Gewichtung zu.
Gleichberechtigung
Die formale Gleichberechtigung von Frau und Mann ist auf dem
Papier festgeschrieben, in der Praxis jedoch längst nicht Realität. Frauen verdienen heute
immer noch für die gleiche Arbeit weniger Geld, Frauen bekommen trotz gleicher
Qualifikation immer noch weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Weibliches
Durchsetzungsvermögen und »neue« Männer sind gefragt, die bereit sind, ihr
Revierverhalten zu ändern. Es gibt noch viel zu tun. Wann packen wir es endlich an?
Humor
Lachen ist die beste Art, anderen Menschen die Zähne zu zeigen. Nur wer
sich selbst nicht so tierisch ernst nimmt, kann das Leben genießen und sich amüsieren
über die eigenen Schwächen.
Intuition
Dieser Begriff wird oft mit Gefühl verwechselt, meint aber das unmittelbare
Erfassen und Erkennen komplexer, komplizierter Vorgänge ohne analytische Reflexion.
Etwas, mit dem sich Männer sichtlich schwerer tun als Frauen.
Kinesik
Es ist der wissenschaftliche Ausdruck für Körpersprache oder nonverbale
Kommunikation.
Klarheit
Dieser Begriff bedeutet, daß Sachverhalte nicht vereinfacht, nicht
simplifiziert werden. Dinge werden so angesprochen, wie sie sind, d. h. deutlich,
konsequent und ohne viele Wenn und Aber. Indem wir Dinge ansprechen und damit
aussprechen, geben wir ihnen Raum, Wertigkeit, Gewicht.
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Kommunikation
Dieser Terminus zeigt die Gesamtheit des Austauschs von
Informationen, Eindrücken und Gefühlen zwischen Lebewesen (lat. communicare =
mitteilen, sich verständigen) auf. Kommunizieren ist ein komplexer, vielschichtiger
Prozeß. Es gibt viele Formen der Kommunikation, die oft parallel ablaufen, z. B. Laut- und
Körpersprache, sowie zahlreiche Varianten, z. B. Selbstkommunikation und MetaKommunikation.
Kritik Hierunter verstehen die meisten Menschen etwas Negatives. Sie übersehen dabei,
daß die zweite Seite der Kritik – das Lob – positiv ist. Wir können lernen, unseren Ärger
und Frust so an den Mann/die Frau zu bringen, daß sie ein konstruktives Element für
andere ist (siehe »Umgang mit Lob und Kritik« im 3. Kapitel).
Macht
Männer sind mächtig, Frauen sind mächtig ohnmächtig. Wenn wir uns
umsehen, so ist dies sicherlich unsere gesellschaftliche Realität. Kommunikation ist eines
von vielen Machtmitteln. Schön wäre es, wenn Männer und Frauen lernen, Macht
verantwortungsbewußt zu teilen und nach einer gewissen Zeit ganz selbstverständlich
abzugeben. Denn Macht sollte auch Herr-Schaft bzw. Frau-Schaft auf Zeit darstellen. Wir
reichen das Zepter und die Krone weiter – an wen nur? Vielleicht zur Abwechslung an die
Kinder. Wie singt doch Herbert Grönemeyer: »Kinder an die Macht.«
Meta-Kommunikation
»Kommunikation über Kommunikation« bietet die Möglichkeit,
Inhalt und Ablauf eines Gesprächs selbst zum Gegenstand des Gesprächs zu machen
(siehe » Meta-Kommunikation und Sinnestraining« im 5. Kapitel).
Mitgefühl
Wer mit-fühlen kann, kann andere Menschen besser verstehen. Daher ist es
wichtig, das Fühlen nicht zu verlernen, gerade auch in schwierigen Gesprächssituationen
(siehe dazu »Sinnestraining« im 5. Kapitel).
Motivation » Movere« (lat.) heißt bewegen, jemanden zu etwas bewegen. Bevor dies
geschehen kann, müssen wir selbst von etwas angetan sein. Denn nur wenn wir selbst
von etwas überzeugt sind, können wir andere anregen, anstoßen, begeistern, stimulieren,
entflammen, mitreißen, aktivieren, in Schwung bringen usw.
Mut
Wer Neues ausprobiert, geht fast immer ein Risiko ein. Nur im Rückblick kann
er/sie feststellen, ob sich der Mut gelohnt hat.
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Nonverbale Kommunikation
Körpersprache ist ein wesentlicher Aspekt der
Kommunikation und oft für einen Gesprächsverlauf entscheidender als die Lautsprache
(siehe »Nonverbale Signale erkennen und verstehen« im 4. Kapitel).
Offenheit
Dies heißt nicht nur offen sein im Geiste. Offene Menschen gucken anders,
gehen anders, nehmen eine offene Körperhaltung ein – schön zu sehen, daß es immer
wieder Menschen gibt, die offen sind für andere.
Reflexion
Dieser Ausdruck umfaßt das tiefe, prüfende Nachdenken über sich selbst,
über andere, über bestimmte Situationen und Verhaltensweisen. Wer öfter sein/ ihr Tun
und seine/ihre Sprache reflektiert, wird wacher für seine/ ihre Bedürfnisse und die der
anderen.
Rhetorik
Es ist die Kunst des Redens in der Form, daß eine Person einen Monolog
vor anderen hält (Vortrag, Rede). Rhetorik wurde in der Antike bis ins Detail geschult
(siehe »Ein kurzer Streifzug durch die Geschichte der Redekunst« im 1. Kapitel). Unser
Schulsystem bringt leider selten begnadete RednerInnen hervor. Daher möchten viele
Erwachsene diese Kunstfertigkeit in Rhetorikkursen erlernen.
Selbstbild
Jeder Mensch hat von sich ein bestimmtes Bild. So wie wir uns selbst sehen,
so verhalten wir uns meist auch nach außen. Überprüfen wir öfter dieses Bild, indem wir
Feedback von anderen annehmen und somit unser Selbst- und Fremdbild vergleichen.
Selbstgespräche Innere und äußere Sprache bedingen sich wechselseitig. Beide
Kommunikationsformen sind geprägt durch unsere primäre Sozialisation (Elternhaus,
Schule) und somit Produkt unserer Erziehung. Häufige destruktive Selbstmonologe
vergiften unsere Gedanken und nehmen uns Selbstvertrauen. Daher ist es wichtig,
respekt- und liebevoll mit sich selbst reden zu lernen (siehe »Die innere Sprache« im 1.
Kapitel).
Sinnestraining
Wer besser kommunizieren will, tut gut daran, alle
Wahrnehmungskanäle zu schärfen, nicht nur die primären Kommunikationssinne wie
Mund und Ohren. Dadurch kann er/ sie in Gesprächssituationen mehr Dinge wahrnehmen
(siehe »Meta-Kommunikation und Sinnestraining« im 5. Kapitel).
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Sozialisation
Hiermit wird die Einordnung des/der einzelnen in die Gesellschaft
bzw. der Wachstums- und Entwicklungsprozeß eines Menschen in der Wechselwirkung
mit sich selbst und seinem sozialen Umfeld bezeichnet.
Spontanität
Ohne Überlegung agieren – im Augenblick, unmittelbar, aus eigenem
(plötzlichen) Antrieb. Dazu braucht es Beweglichkeit, Lebendigkeit, Flexibilität, um
Impulse von außen spontan aufnehmen zu können. Wann haben wir das letzte Mal
spontan bei FreundInnen vorbeigeschaut, sind spontan ins Kino gegangen, haben
spontan andere in den Arm genommen?
Sprache
Viele Menschen möchten besser reden lernen, ansonsten aber »so bleiben
wie sie sind«. Das ist schwierig, weil sich Sprache nur modifziert, wenn das eigene
Bewußtsein wächst und sich umformt. Wie können wir also glauben, unsere Sprache zu
variieren und revidieren, ohne unser Denken zu verändern?
Strategie
Dieses »Vorgehen nach Plan, Taktik, Kalkül, Kriegskunst« klingt sehr
kämpferisch. Gerade in wichtigen Gesprächssituationen ist es sinnvoll, strategisch, also
planvoll, vorzugehen (siehe »Die Strategie der Gesprächsführung« im 2. Kapitel).
Umgang mit sich selbst und mit anderen
Der Volksmund sagt: »Was du nicht willst,
das man dir tu, das füg' auch keinem anderen zu.« Dieser Spruch läßt sich erweitern oder
abändern in: »Was du nicht willst, was man dir tu, das füge dir auch selbst nicht zu.«
Seien Sie sich selbst ein guter Freund, eine gute Freundin, damit Sie auch anderen ein
guter Freund, eine gute Freundin sein können.
Verständigung
Sie hat immer auch mit dem Willen des/der Gesprächspartnerln zu
tun. Beide Seiten müssen wollen – nur so ist Verständigung im Gespräch möglich.
Vertrauen
Es ist ein Geschenk. Es gibt Menschen, die verschenken es nahezu blind,
einfach so. Doch das gibt es selten. Meistens haben wir es uns erarbeitet, z. B. in einer
Freundschaft, die auf Vertrauen beruht. Es ist die Basis und eine wunderschöne,
fließende Balance zwischen Geben und Nehmen.
Vorbereitung
Dies ist ein wichtiger Bestandteil der Gesprächsstrategie, vor allem
dann, wenn es um die Realisierung eigener Zielvorstellungen geht. Eine gute Planung
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verringert die Nervosität vor einem wichtigen Gespräch und macht uns selbst vorab klar,
was wir eigentlich wollen (siehe »Die Strategie der Gesprächsführung« im 2. Kapitel).
Wahrheit
Sie findet sich nur im Gespräch, im Miteinander. Picasso hat es schön
ausgedrückt: Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder zum
selben Thema malen.
Wissen
Tun wir alles dazu, mehr zu wissen, denn Wissen ist Macht. Damit ist primär
nicht unsere Schulbildung oder unser geistiges Know-how gemeint, sondern unser
Bewußtseinsgrad gegenüber uns selbst und unserem sozialen Umfeld. Wissen bedeutet
auch die Wahrnehmung, daß Geist und Körper eine Einheit bilden und daß nur der
Einklang von Körper und Geist Harmonie, Ausstrahlung und damit Erfolg schafft.
Zivilcourage
Es ist ein aus der Mode gekommener Begriff und trotzdem wichtig,
gerade in schwierigen Gesprächssituationen. Denn er bedeutet, den Mut zu haben,
(überall) unerschrocken seine eigene Meinung zu vertreten. Dies klingt sehr »männlich«.
Ich wünsche mir, daß immer mehr Frauen couragiert ihre Meinung vertreten, privat wie
beruflich.
Zuhören
Diese Fertigkeit sollten wir immer wieder üben, denn es ist mindestens so
wichtig wie reden lernen. Die Natur hat uns auch entsprechend ausgestattet, indem sie
uns zwei Ohren gab, doch nur eine Zunge.
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