Myxolipom der Wange - Ruhr

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Zahnmedizin
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Myxolipom der Wange
Seltene Weichgewebstumoren
der Gesichtsregion
Fotos: Kunkel
Felix Koch, Martin Kunkel
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen den differentialdiagnostischen
Blick unserer Leser schulen.
Abbildung 1: Sonographische Darstellung der Raumforderung in der linken Wange. Insbesondere der zentrale Anteil des Tumors weist in etwa
die gleiche Dichte aus, wie das umgebende Fettgewebe.
Bei einem 64-jährigen Patienten fiel in einer
Routinekontrolle des Zahnarztes eine
schmerzlose Raumforderung der linken
Wange auf. Beschwerden waren bislang
nicht aufgetreten. Eine Beziehung zu Speicheldrüsenfunktion oder ein Zusammenhang zur Dentition war nicht erkennbar.
Auf Befragung gab der Patient an, den Befund erstmals vor acht Monaten wahrgenommen zu haben, in den letzten Wochen
habe er allerdings eine Größenzunahme
bemerkt. Eine Behandlung war bislang
nicht erfolgt. Palpatorisch handelte es sich
um einen weichen, gegenüber der Haut
und dem Masseter gut verschieblichen,
nicht druckdolenten Tumor in einer Ausdehnung von rund 3x2x2 Zentimetern
(cm). Der Befund war unmittelbar vor dem
Vorderrand des M. masseter tastbar.
Bei der sonographischen Untersuchung
(Abb. 1) zeigte sich im Weichgewebe der
zm 96, Nr. 9, 1. 5. 2006, (1142)
Abbildung 2: Die CT-Bildgebung zeigt eine hantelförmige
Raumforderung mit einer zentralen sehr hypodensen Struktur.
Wange eine zur Umgebung abgrenzbare
etwa 3 cm im Durchmesser betragende
Raumforderung mit zentral recht dichter
Binnenstruktur. In der computertomographischen Untersuchung wurde der noduläre aber biphasische Charakter der Läsion
mit einer rundlichen, zentralen, hypodensen Zone, umgeben von einer dichteren
Gewebeschicht, deutlich. Gegenüber dem
umgebenden Wangenfett war der Befund
randscharf abgegrenzt (Abb. 2).
Die Exzision des Tumors erfolgte in Intubationsnarkose über einen Operationszugang
in der Nasolabialfalte. Die etwa 2x3x2,5 cm
durchmessende Läsion ließ sich auf einer
kapselartigen Begrenzung in toto umfahren
(Abb. 3) und war lediglich caudal fibrös adhärent. Im Anschnitt des Tumors wird der
bereits im Computertomogramm (CT) erkennbare, biphasische Aufbau mit einem
zentralen Fettanteil und einer umgebenden
myxoiden Struktur makroskopisch erkennbar.
In der histopathologischen Untersuchung
ergab sich ein zellarmer Tumor mit einem
recht gut abgegrenzten myxoiden und einem überwiegend lipomatösen Anteil mit
spärlicher Vaskularisation (Abb. 5). Zellatypien waren nicht nachweisbar. Der Tumor
wurde daher abschließend als Myxolipom
klassifiziert.
Diskussion
Myxolipome und Angiomyxolipome sind
seltene Lipomvarianten. Sie bestehen sowohl aus myxoidem als auch differenziertem lipoiden Gewebe und beinhalten in
beiden Komponenten auch vaskuläre Strukturen. Die Beschreibung als eigenständige
Entität liegt erst wenige Jahre zurück. [Mai
et al., 1996]. Bis heute ist insgesamt auch
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Abbildung 4: Resektat des Myxolipoms im Anschnitt: Es zeigt sich der
biphasische Aufbau mit einem peripheren myxoiden und einem zentralen lipoiden Anteil. Dies entspricht der Schichtung, die im CT erkennbar
wurde.
Abbildung 3: OP-Situs: der Tumor ist auf der
Kapsel umfahren und kann in toto aus dem
Umgebungsgewebe gelöst werden.
nur selten über diese Entität berichtet worden [Zamecnik, 1999; Tardio und MartinFragueiro, 2004]. Elektonenmikroskopische
Untersuchungen identifizierten Spindelzellen mit Fettvakuolen als so genannte Präadipocyten in der Übergangszone von lipoidem zu myxoidem Gewebe, ähnlich dem
Befund eines Spindelzelllipoms. Cytogenetische Untersuchungen zeigten chromosomale Translokationen t(7;13)(p15;q13)
und t(8;12)(q12;p13) wie sie auch bei Lipomen vorkommen [Sciot et al., 2001]. Die
bisher beschriebenen Fälle betrafen sämtlich Männer zwischen 40 und 65 Jahren. Klinisch ist das Myxolipom subcutan verschieblich, palpatorisch gut abgrenzbar
und nicht druckdolent. Die Größen der beschriebenen Befunde variieren von zwei bis
sechs Zentimetern im Durchmesser. Myxolipome weisen generell ein langsames
Wachstum mit einem Proliferationsindex
von nur etwa drei Prozent auf.
Neben der sonographischen Diagnostik
kann eine CT-Untersuchung die Dichtunterschiede der lipomatösen und myxoiden
Anteile des Tumors gut auflösen. Dieser biphasische Aufbau unterscheidet sich von
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zm 96, Nr. 9, 1. 5. 2006, (1144)
Abbildung 5: Histologischer Aspekt
des Tumors. Der Ausschnitt aus
der Übergangszone von myxoidem zu lipoidem Anteil zeigt die
histomorphologischen Charakteristika des biphasischen Aufbaus.
Insgesamt weist der Tumor eine
sehr geringe Zelldichte auf. Im
myxoiden Anteil sind die Zellen
in eine dichte Matrix eingebettet.
Der lipomatöse Anteil zeigt das
großvakuoläre Bild von Fettgewebe mit vereinzelten myxoiden
Inseln. (Färbung: Alzian, Originalvergrößerung 200x)
den sehr viel häufigeren Lipomen des Gesichtsbereiches. Die endgültige Abgrenzung von anderen Lipomvarianten (Angiolipom, Myofibrolipom) aber auch von einem
Liposarkom erfordert eine histologische Untersuchung. Im Gegensatz zum infiltrierenden Lipom und zum intramuskulären Lipom [Kindblom et al., 1974] neigt das
Myxolipom nach schonender Exzision nicht
Fazit für die Praxis
■ Weichgewebsvermehrungen der Wange erfordern grundsätzlich eine bildgebende Diagnostik und histologische Untersuchung.
■ Neben den typischen und häufigen
klassischen Lipomen finden sich zahlreiche seltene Varianten lipomatös differenzierter Tumoren, darunter auch solche
mit myxoiden Anteilen.
■ Die Therapie benigner Weichgewebstumoren besteht in der Regel aus einer
schonenden Enukleation.
zu Rezidiven, so dass eine Resektion mit Sicherheitsabstand im allgemeinen nicht notwendig ist.
Für die zahnärztliche Praxis soll dieser Befund auf die zahlreichen Varianten von
Weichgewebstumoren in der unmittelbaren Umgebung der perioralen Region hinweisen und den Stellenwert der Palpation
bei der initialen Untersuchung des Patienten betonen.
Dr. Felix Koch
Priv.-Doz. Dr. Dr. Martin Kunkel
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
[email protected]
Das histologische Präparat wurde freundlicherweise von Prof. Biesterfeld, Institut
für Pathologie der Johannes GutenbergUniversität (Direktor: Prof. Dr. Kirkpatrick)
zur Verfügung gestellt.
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