V12 Neue Richtlinie für den Augenschutz beim Einsatz von

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DGZfP-Berichtsband 86-CD
Vortrag 12
Thermografie-Kolloquium 2003
Neue Richtlinie für den Augenschutz beim Einsatz von IR-Strahlern in der
Impulsthermographie
Jürgen Nolting und Günter Dittmar (Fachhochschule Aalen)
1. Einleitung
In der Impulsthermographie kommen energiereiche IR-Strahler zum Einsatz, um das
Untersuchungsobjekt lokal aufzuheizen, damit anschließend die thermische Dissipation
erfasst werden kann. Diese Strahler erzeugen hohe Bestrahlungsstärken und weisen eine hohe
Strahldichte auf. Aus der Sicht des Augenschutzes kann ein direkter Blick in den Strahler aus
einer Entfernung im Meterbereich durchaus gefährlich sein, da sowohl die Hornhaut und
Linse des Auges thermisch geschädigt als auch die Netzhaut lokal thermisch überlastet
werden kann.
Derzeit ist keine anzuwendende Norm bekannt, die explizit vorgibt, wie Scheinwerfer und
andere
Quellen
inkohärenter
optischer
Strahlung
ausgelegt
sein
müssen,
um
Augenschädigungen zu vermeiden. Es existieren aber sehr wohl umfangreiche medizinische
Erfahrungen
über
Schädigungen
und
Schädigungsmechanismen
des
Auges
durch
Laserstrahlung. Diese sind eingeflossen in nationale und internationale Normen für die
Sicherheit von Lasern, wie z.B. DIN EN 60825-1 und ANSI Z136.1. Die internationalen
Normungsgremien
sind
aber
offensichtlich
übereinstimmend
der
Ansicht,
dass
Lasersicherheitsnormen das Gefährdungspotential durch inkohärente optische Strahlung
(insbesondere bei ausgedehnten Strahlerflächen) nur unzureichend und häufig zu konservativ
bewerten [1]. Hier besteht offensichtlich Normungsbedarf. Dies haben auch die
Berufsgenossenschaften der Bundesrepublik Deutschland erkannt. Unter Mitarbeit der
Autoren wird die Unfallverhütungsvorschrift BGV B9 „Künstliche Optische Strahlung“ [2]
erarbeitet, die als Entwurf mit dem Stand Juni 2003 vorliegt.
2. Schädigende Wirkungen optischer Strahlung auf das Auge
Das Wirkungsspektrum optischer Strahlung am Auge ist stark wellenlängenabhängig. Eine
erste grobe Einteilung ergibt sich durch die spektral unterschiedlichen Absorptionsgrade der
einzelnen Teile des Auges. So kann aus Abbildung 1 entnommen werden, dass eine direkte
Schädigung der Netzhaut im gesamten Bereich des sichtbaren Lichts (0.4 - 0.78 µm) und im
nahen Infrarot bis zu einer Wellenlänge von 1.4 µm möglich ist. Die Einwirkung von
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Strahlung im UV-Bereich ist hier nicht dargestellt, da sie für die vorzustellenden
Anwendungsbeispiele nicht relevant ist.
Im IR-B-Bereich, der bei einer Wellenlänge von 1.4 µm beginnt, gelangt die Strahlung nicht
mehr bis zur Netzhaut. Hier werden eher die vorderen Augenteile geschädigt. Allerdings ist
hier mit deutlich höheren Schädigungsschwellen zu rechnen, da die fokussierende Wirkung
der Augenlinse bei diesen Wellenlängen nicht mehr gegeben ist, so dass eine Bündelung der
Strahlung im Auge nicht mehr erfolgen kann. Gerade durch langanhaltende Einwirkung von
IR-B kann z.B. die Augenlinse selbst geschädigt werden, wie das gehäufte Auftreten von
Linsentrübungen bei Arbeitern der Hüttenindustrie belegt.
Abb. 1: Einwirkung optischer Strahlung auf das menschliche Auge
Die Wirkungsmechanismen im Sichtbaren und nahen Infrarot sind die thermische
Netzhautgefährdung, die thermische Netzhautgefährdung bei schwachem visuellen Reiz und
die photochemische Netzhautgefährdung durch blaues Licht. Als schwacher visueller Reiz gilt
dabei
eine
Leuchtdichte
der
Quelle
von
unter
10
cd/m².
Im
Gegensatz
zur
Lasersicherheitsnorm DIN EN 60825-1 (2001) werden im aktuellen Normentwurf BGV B9
die verschiedenen Schädigungsmechanismen durch optische Strahlung realistischer behandelt.
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Die beiden erstgenannten Wirkungsmechanismen werden in der Bewertung mit der sog.
thermischen Gefährdungsfunktion R(λ) gewichtet erfasst. Die Netzhautgefährdung durch
blaues Licht wird durch die Blaulichtgefährdungsfunktion B(λ) beschrieben. Beide
Funktionen sind in der BGV B9 tabellarisch wiedergegeben. Die Abbildung 2 zeigt den
spektralen Verlauf von R(λ) und B(λ) [3].
Abb. 2: Spektraler Verlauf der Gefährdungsfunktionen R(λ) und B(λ)
Daneben ist noch ein vierter Wert zu beachten, die Gefährdung durch Infrarotstrahlung. Dies
ist ein ungewichteter Wert der Gesamtbestrahlungsstärke von 780 nm bis 3000 nm. Die
restriktivste der für die jeweilige Wellenlänge zutreffenden Bewertungen bestimmt die
Gefährdung durch eine Strahlungsquelle. Dies bedeutet, dass bei der Beurteilung eines
Strahlers insgesamt vier Funktionen ausgewertet werden müssen, für die gleiche Wellenlänge
allerdings meist nur zwei Funktionen.
3. Unfallverhütungsvorschrift BGV B9 „Künstliche Optische Strahlung“ (Entwurf)
Der Normentwurf BGV B9 sieht vor, dass für Gefährdung durch Infrarotstrahlung die
Bestrahlungsstärke bewertet werden muss:
3000 nm
EIR =
∫E
λ
(λ )dλ
mit:
λ: Wellenlänge
780 nm
EIR: gesamte Bestrahlungsstärke von 780 bis 3000 nm
Eλ(λ): spektrale Bestrahlungsstärke
Für die Bewertung der thermischen Netzhautgefährdung geht die mit R(λ) gewichtete
Strahldichte der Quelle in die Bewertung ein:
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1400 nm
LR =
∫ L (λ ) R(λ )dλ
λ
mit
LR: gesamte mit R(λ) gewichtete Strahldichte
380 nm
Lλ(λ): ungewichtete spektrale Strahldichte
Bei
der
Bewertung
der
photochemischen
Netzhautgefährdung
wird
je
nach
Winkelausdehnung der Quelle entweder die mit B(λ) gewichtete Strahldichte (für Quellen mit
Winkelgrößen α über 11 mrad) oder die mit B(λ) gewichtete Bestrahlungsstärke (für Quellen
mit Winkelgrößen unter 11 mrad) bewertet:
600 nm
Für α ≥ 11 mrad: LB =
∫L
λ
(λ ) B (λ ) dλ
380 nm
600 nm
Für α < 11 mrad: E B =
∫L
λ
(λ ) B (λ ) dλ
380 nm
mit
LB: gesamte mit B(λ) gewichtete Strahldichte
EB: gesamte mit B(λ) gewichtete Bestrahlungsstärke
Gegenüber
den
Lasernormen
ergibt
sich
insgesamt
eine
wesentlich
komplexere
Problemstellung bei der Bewertung einer inkohärenten Quelle bezüglich Augengefährdung,
da sowohl Bestrahlungsstärken als auch Strahldichten immer gleichzeitig bewertet werden
müssen und in vielen Fällen zusätzlich die Schadfunktionen R(λ) und B(λ) mit berücksichtigt
werden müssen. Dies kann auch die messtechnische Überprüfung einer Quelle deutlich
verkomplizieren.
Die BGV B9 definiert zusätzlich eine maximale Bestrahlung durch Infrarotstrahlung:
3000 nm
H IR =
∫H
λ
(λ )dλ
mit:
HIR: gesamte Bestrahlung von 780 bis 3000 nm
780 nm
Hλ(λ): spektrale Bestrahlung
Diese Größe wird zur Bewertung der Exposition während eines 8-stündigen Arbeitstages
herangezogen, um ein Maß für die Gefahr einer strahlungsinduzierten Linsentrübung zu
erhalten.
Für die einzelnen Bewertungsgrößen gibt die BGV B9 in tabellarischer Form Grenzwerte an.
Diese sind abhängig von der Expositionsdauer und sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Hierbei wurden die für den UV-Bereich gültigen Regelungen der BGV B9 nicht mit
berücksichtigt.
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Tabelle 1: Expositionsgrenzwerte für das Auge nach dem Normentwurf BGV B9 (nur
sichtbarer und infraroter Spektralbereich)
Erläuterung: in sek., Cα in rad, — *) ist nicht erforderlich
Größen und
Wichtungsfunktionen
Einwirkungsdauer t in s
< 1,8 ⋅ 10-5
1400 nm
LR =
∫ Lλ (λ ) ⋅ R (λ ) ⋅ d λ
380 nm
41,2
Cα ⋅ t
0,9
W
m ² ⋅ sr
1,8 ⋅ 10 -5
10
1 000
10 000
bis
10
bis
1 000
bis
10 000
bis
30 000
5 ⋅ 10 4
Cα ⋅ t 0,25
W
m ² ⋅ sr
2,8 ⋅ 10 4
W
m ² ⋅ sr
Cα
Für α ≥ 0,011 rad:
1 ⋅ 10 6
W
m ² ⋅ sr
t
600 nm
LB =
∫
Lλ ( λ ) ⋅ B ( λ ) ⋅ d λ
380 nm
100
W
m ² ⋅ sr
Für α < 0,011 rad:
100
t
600 nm
EB =
∫ E ë ( ë ) ⋅ B ( ë) ⋅ d ë
W
m2
0,01
W
m²
380 nm
3000 nm
EIR =
∫ E (λ ) ⋅ d λ
λ
780 nm
18 000 ⋅ t −0,75
W
m²
— *)
— *)
3000 nm
HIR =
∫ H (λ) ⋅ dλ
λ
3 ⋅ 10 6
780 nm
J
m2
Für die Bewertung der thermischen Netzhautgefährdung ist in die Beziehungen zur
Berechnung des Grenzwertes der Strahldichte LR(GW) ein Korrekturterm Cα eingefügt, der den
Grenzwert abhängig von der Winkelgröße α der Quelle verändert, da die Bestrahlungsstärke
auf der Netzhaut von der Winkelgröße der Quelle abhängt. Der kleinste bei der Berechnung
anwendbare Winkel ist der minimale Grenzwinkel αmin. Sein Wert beträgt 1.5 mrad. Der
größte wird als Grenzwinkel αmax bezeichnet. Sein Wert beträgt 100 mrad = 0.1 rad. Die
Abhängigkeit des Expositionsgrenzwertes von der Winkelausdehnung der Quelle wird durch
den Korrekturfaktor Cα beschrieben, der wie folgt bestimmt wird:
Cα = αmin
Cα = α
Cα = αmax
für α ≤ αmin
für αmin < α ≤ αmax
für α > αmax
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Die Winkelausdehnung von rechteckigen Quellen ist durch den arithmetischen Mittelwert der
größten und der kleinsten Winkelausdehnung bestimmt. Winkelausdehnungen über 100 mrad
und unter 1.5 mrad werden vor der Mittelung auf 100 mrad bzw. 1.5 mrad begrenzt.
4. Zwei Fallbeispiele
Die Anwendbarkeit der neuen Unfallverhütungsvorschrift konnte von den Autoren in
zahlreichen Fällen bei der Bewertung von Autoscheinwerfern demonstriert werden [4]. Auch
für die in der Impulsthermographie eingesetzten Strahlungsquellen ermöglicht sie eine
sicherheitstechnische Bewertung. Im Folgenden wird dieses anhand von zwei Fallbeispielen
vorgestellt.
Beispiel 1: Halogenscheinwerfer der 3kW-Klasse
Bewertet wird ein hypothetischer Halogenscheinwerfer, der durch folgende Parameter
charakterisiert werden kann:
Elektrische Eingangsleistung:
Optischer Wirkungsgrad:
Glühfadentemperatur:
Spektrum:
Austrittsöffnung:
Divergenz:
Strahldichteverteilung:
Bestrahlungsstärkeverteilung:
3 kW
30 %
3150 K
Planck-Kurve
kreisförmig, Durchmesser 200 mm
± 10° x ± 10°
homogen, keine hot spots
gegenüber einer homogenen Verteilung im Zentrum um
den Faktor 6 erhöht
Gegen die Blendwirkung wird in diesem Scheinwerfer ein Langpassfilter eingesetzt, das
Strahlung unterhalb einer Wellenlänge von 800 nm blockt.
Beispiel 2: Quarzrohrstrahler der 10kW-Klasse
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Für beide Quellen kann bei der Bewertung nach BGV B9 festgestellt werden, dass der
Grenzwert
für
die
ungewichtete
Bestrahlungsstärke
EIR(GW)
den
einzuhaltenden
Sicherheitsabstand limitiert. Somit ist in erster Linie von einer Gefährdung für die vorderen
Augenpartien Hornhaut und Linse, nicht aber von einer Gefährdung der Netzhaut auszugehen.
Abbildung 3 zeigt die einzuhaltenden Sicherheitsabstände für den Halogenscheinwerfer
(Beispiel 1) und den Quarzrohrstrahler (Beispiel 2) in Abhängigkeit von der Expositionszeit
im Bereich von 0.25 s bis 1000 s.
Abb. 3: Berechnete Sicherheitsabstände nach BGV B9 für die beiden Beispielstrahler im
Expositionszeitbereich von 0.25 s bis 1000 s
Trotz ihrer unterschiedlichen Spektren und Strahlungsleistungen verhalten sich die
Sicherheitsabstände beider Strahler im Langzeitbereich über 10 s sehr ähnlich. Im Bereich
kurzer Expositionszeiten unter 1 s ist der Quarzrohrstrahler ungünstiger, es sind hier höhere
Sicherheitsabstände erforderlich als für den Halogenstrahler. Auffällig ist, dass schon für in
der Praxis durchaus auftretende Expositionszeiten im Bereich um 10 s für beide Strahler ein
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Sicherheitsabstand im Bereich von 3 m erforderlich wird. Auch bei einer kurzen
Expositionszeit von nur 1 s darf ein Sicherheitsabstand von etwa 1 m nicht unterschritten
werden.
Diese Resultate lassen erkennen, dass beim Einsatz von vergleichbaren Strahlungsquellen für
die Impulsthermographie mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden sollte. Schon ein kurzer
unbedachter Blick in den Strahler aus einer Entfernung im Meterbereich kann die zulässigen
Grenzwerte für die Strahlungsbelastung der vorderen Augenpartien überschreiten. Der
Lidschlussreflex hilft hier nicht, da der visuell wahrnehmbare Anteil der Strahlung nicht
ausreicht, um diesen Schutzmechanismus mit Sicherheit ansprechen zu lassen.
5. Literatur
[1] ICNIRP: „Guidelines on Limits of Exposure to Broad-Band Incoherent Optical Radiation
(0.38 to 3 µm)
Health Physics, Vol. 73, No. 3, pp 539 - 554 (1997)
[2] HVBG: Unfallverhütungsvorschrift „Künstliche Optische Strahlung“ BGV B9 und BGRegel zur Unfallverhütungsvorschrift BGR B 9, Entwurf mit dem Stand 3.6.2003
[3] E.W. Sutter: „Grenzwerte für inkohärente optische Strahlung - Aktivitäten bei
IEC/TC76/WG 9“
in: N. Krause, C. Wernli: „Nichtionisierende Strahlung - Fortbildungsveranstaltung des
Arbeitskreises Nichtionisierende Strahlung des Fachverbandes für Strahlenschutz, Luzern,
15. September 1997“, Dok. FS-97-85-AKNIR
[4] J. Nolting, G. Dittmar: „Augenschutz bei IR-Scheinwerfern“
14 Studien im Auftrag der Automobil- und Scheinwerferindustrie (2001 - 2003)
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