militärischen Geschehen nur mit dem Kreuzer »Askold« in wenig bedeutender Position beteiligt war. Schon bevor der Schiffsreisende von der Ägäis kommend in die Dardanellen einläuft, sieht er bereits von weitem linker Hand an der Süd-Ost-Spitze der Halbinsel Gallipoli das Kap Helles. Dort erhebt sich das am 15. März 1958 fertiggestellte Canakkales Martyr’s Memorial, das an die 315.500 türkischen Soldaten erinnert, die an der Schlacht teilgenommen haben. Knapp zehn Seemeilen die Dardanellen aufwärts liegt am Ostufer die gut 100.000 Einwohner zählende Bezirkshauptstadt Canakkale, wo die Kreuzfahrtschiffe festmachen, um die 30 Kilometer südlich liegende archäologische Ausgrabungsstätte von Troja bei Kumkale besuchen zu können. Erinnerung an die wichtige Schlacht für die Türkei Aus türkischer Sicht ist die Schlacht um Gallipoli, um die gut achtzig Kilometer lange Halbinsel, welche die Dardanellen im Westen begrenzt, die blutigste ihrer Geschichte (Kemal Atatürk „Die Geburt einer Nation“, Istanbul 1998 S.14).Tatsächlich fand hier in den elf Monaten vom Februar 1915 bis zum Januar 1916 das bis dato größte amphibische Landungsunternehmen der Geschichte statt, das für die Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert und damit auf die ganze Welt ausstrahlend eine entscheidende politische Konstellation bewirkte, obwohl Russland selbst am Wer Troja bereits kennt, sollte sich ein wenig in Canakale umsehen. Die Stadt verfügt über eine lange Uferpromenade, weist eine Gedenkstätte für den bedeutenden türkischen Kartografen Piri Reis (1470 - 1554) auf und lockt mit einer noch militärisch besetzten alten Festung und einem Museum. An vielen Stellen der Stadt wird der Besucher mit Geschützen, Torpedos, Minen und anderweitigem Gerät aus dem 1. Weltkrieg konfrontiert, das als Denkmal dient. Canakkale liegt an der engsten und damit strategisch wichtigsten Stelle der Dardanellen, die hier nur eine Breite von etwa 1.200 Metern aufweist. Wenn genügend Zeit bleibt, lohnt es sich, mit der Fähre die Wasserstraße zu überqueren, um zur gegenüber liegenden Festung Kilid Bahr zu gelangen, über der in einer Felswand ein gigantisches Relief mit einem türkischen Soldaten den Blick auf sich lenkt. In den ehemaligen Kampfzonen auf und um Gallipoli befindet sich über ein halbes Hundert von alliierten und türkischen Friedhöfen, Monumenten und Gedenkstätten. Die Festung Kilid Bahr war das erklärte Eroberungsziel von Engländern, Franzosen, Indern, Australiern und Neuseeländern. Glaubten sie doch, mit der Beherrschung dieser engsten Stelle den strategischen Angelpunkt in die Hände zu bekommen, der ein leichtes Vordringen nach Istanbul ermöglichen würde, um die Türkei in die Knie zwingen zu können. Doch das vom britischen Marineminister Winston Churchill geplante und betriebene Unternehmen endete nach elf Monaten blutiger und verlustreicher Kämpfe in einem Desaster für die Alliierten. Die Vorgeschichte zur Invasion der Dardanellen Russische Truppen waren bereits am ersten Tage des Ersten Weltkriegs über die ostpreußische Grenze ins unvorbereitete Deutsche Reich eingedrungen. In der Schlacht von Tannenberg (26. 30. August 1914), der Masurenschlacht (6. - 14. September 1914) und der Winterschlacht an den Masurischen Seen (7. - 22. Februar 1915) waren die russischen Armeen geschlagen worden und fluteten zurück. Relief im Berg Gedenkstätte für Piri Reis an der Uferpromenade von Canakale Die Küste von Gallipoli Im Westen waren nach anfänglichen Siegen die deutschen Truppen in der Marne-Schlacht gestoppt worden und die Front im Stellungskrieg erstarrt. Das wenig industrialisierte und rückständige Russland litt unter enormen Nachschub-Schwierigkeiten und einem eklatanten Munitionsmangel. Um in Frankreich vom deutschen Druck entlastet zu werden, erwogen die Alliierten, das Zarenreich mit kriegswichtigem Material zu versorgen. Doch dafür fehlten, anders als im Zweiten Weltkrieg, die notwendigen Voraussetzungen. Der Weg über die Ostsee war durch die deutsche Hochseeflotte der Kaiserlichen Marine versperrt. Der Zustand der russischen Eisenbahn schloss die Eismeer-Archangelsk-Route aus. Auch im russisch-japanischen Krieg von 1904/05 hatte sich die Transsibirische Eisenbahn für den militärischen Transport als untauglich erwiesen. Über den Persischen Golf blockierten die Türkei und Persien den Zugang nach Russland, wo Wilhelm Wassmuss als eine Art deutscher Lawrence mit persischen Stammeskriegern gegen die ins neutrale Persien einmarschierten britischen Besatzungstruppen einen Guerilla-Krieg führte. Als fünfter Weg bot sich der Seeweg über die Dardanellen, den Bosporus und das Schwarze Meer nach Süd-Russland an. Doch die Türkei beherrschte die Meerengen. Laut internationaler Verträge war die Durchfahrt für Krieg führende Nationen verboten. England Gallipoli aus der Vogelperspektive hatte es versäumt, die Türkei rechtzeitig als Verbündeten zu gewinnen. Als nach erheblichen Spannungen die Türkei im Oktober 1914 als Bundesgenosse des Deutschen Reichs in den Krieg trat, wurden die internationalen Verträge für die Meerengen hinfällig. Kontroversen in der britischen Kriegsleitung Marineminister Churchill glaubte, anstelle eines Durchbruchs in der Ostsee eine kostengünstigere Invasion der Marinestreitkräfte bei den Meerengen durchführen zu können, zumal dafür kaum Truppen aus Frankreich hätten abgezogen werden müssen. Dadurch würde eine alliierte Schwächung im Westen vermieden. Kriegsminister Herbert Kitchener wurde für den Plan gewonnen, weil die Türkei eine Offensive im Kaukasus begonnen hatte und das bedrängte Russland um einen englischen Entlastungsangriff von der Ägäis aus bat. Kitchener stimmte dem Ersuchen zu, und Admiral John Fisher – der Erste See-Lord – der starke Bedenken ins Feld führte, wurde im Kriegsrat überstimmt. Seine Studie, die einen kombinierten Einsatz von Marine-Einheiten und stärkeren Infanterie-Kräften vorsah, wurde von Churchill mit dem Argument vom Tisch gewischt, Fishers Erkenntnisse seien veraltet, denn die hochkalibrigen Waffen moderner Schiffe rechtfertigten einen Alleingang. Zustimmung erzielte Churchill bei Vize-Admiral Carden, dem Befehlshaber der britischen Marine in der Ägäis, der versicherte, mit ausreichender Munition könne er den Kampf um die Meerengen Dardanellen und entschied das Scheitern der ganzen britischen Invasion auf Gallipoli. Churchills Festhalten an der schweren Schiffs-Artillerie erwies sich als der gravierende Fehler. Dennoch vermochte der Marineminister den Premier Asquith zu überzeugen, der am 28. Januar sein Placet gab, Admiral Cardens Plan umzusetzen. Fisher trat am 15. Mai 1915 aus Protest zurück, als sich schon frühzeitig das Debakel abzuzeichnen begann. Churchill vertraute auf die Informationen des britischen Geheimdienstes, die aber schlecht und unvollkommen waren. Vor allem aber waren die Anwesenheit und der Einfluss deutscher Fachkräfte völlig unterschätzt worden. Deutschland und die Türkei Kaiser Wilhelm II. am 15. Februar 1915 beginnen und spätestens nach vier Wochen Istanbul erreichen. Dass für eine Besetzung Istanbuls auch größere Kontingente von Infanterie notwendig werden würden, verschwieg das oberflächliche Gutachten Cardens. Ebenso verdrängte Churchill den Einwand Fishers, dass eine bewegliche türkische Feld-Artillerie, die nur schwer auszuschalten sei, eine Räumung der Gewässer durch eine eigene Minensuch-Flottille unmöglich machen könne. Im Nachhinein erwiesen sich Fishers Befürchtungen als berechtigt. Die schwer greifbare Feld-Artillerie verhinderte schließlich mit ihrem Schutz der Minenfelder ein Vordringen der alliierten Flotte in die Durch die zahlreichen Kriege mit Russland geschwächt, verlor der überdehnte Vielvölkerstaat Osmanisches Reich im 19. Jahrhundert immer mehr an Einfluss und wurde zum Spielball fremder Mächte. Notwendige Reformen wurden von einer korrupten Oberschicht verhindert. Man sprach vom ohnmächtigen „kranken Mann am Bosporus“ und lauerte, sich sein Erbe aufteilen zu können. Der Berliner Kongress, von Bismarck als „ehrlichem Makler“ einberufen, verhinderte im Krisenjahr 1878 einen größeren Krieg, eröffnete aber gleichzeitig für das Deutsche Reich in der Türkei die Verwirklichung von industriellen Großprojekten wie dem Bau der Bagdad-Bahn oder der Galata-Brücke über das Goldene Horn. Während sich Bismarck wegen seiner ausgleichenden Bündnis-Politik, um keine der europäischen Großmächte zu verärgern, zurückgehalten hatte, schloss Wilhelm II. 1890 einen sechsjährigen Freundschafts-, Handelsund Schifffahrts-Vertrag und dokumentierte öffentlich mit drei Reisen nach Istanbul seine Sympathien für die Türkei, obwohl er nach brutalen Ausschreitungen gegen die Armenier 1896 den Sultan scharf kritisierte und ihn einen elenden Schurken nannte. In einem Brief an seine Großmutter Queen Victoria wurde er noch deutlicher: „Möge ihn Allah bald dahin holen, wo es sehr heiß ist...“ Doch wirtschaftliche Interessen erlangten wieder den Vorrang vor Menschenrechten. Bei seinem zweiten Besuch 1898 begleiteten den Kaiser führende Wirtschaftskapitäne wie G. von Siemens, der Generaldirektor der Deutschen Bank, K. Zander, Generaldirektor der Anatolischen Eisenbahn und sein Stellvertreter E. Huguenin, sowie Chefingenieur Hagenbeck. Eine lange militärische Zusammenarbeit Schon zuvor war von 1835 - 1839 der spätere preußische Generalfeldmarschall und Stabschef Helmuth von Moltke noch im Range eines Hauptmannes als Militärberater zur Reform des Heeres in die Türkei entsandt worden. Im Jahre 1878 folgte für die Modernisierung der türkischen Streitkräfte General Kähler (1843 - 1916) mit einem Stab von Offizieren. Von 1883 -1895 lehrte der Oberstleutnant Colmar von der Goltz an der türkischen Offiziersschule, Admiral Carden reorganisierte das Heer und schuf die Grundlagen für die moderne Türkei. Er trat zum Islam über und stieg als Goltz-Pascha bis zum türkischen Feldmarschall auf. Im Weltkrieg führte er die 6. osmanische Armee als Oberbefehlshaber zum Sieg über die Briten in Persien, wo er 1916 an Typhus verstarb. Wir nähern uns dem Weltkrieg. Im Jahre 1913 war nach den Balkankriegen zur Stabilisierung der Türkei die Einrichtung einer Militärmission unter General Otto Liman von Sanders erfolgt. Schon 1912 hatte die Kaiserliche Marine zur Wahrung deutscher Interessen den Schlachtkreuzer »Goeben« und den Kleinen Kreuzer »Breslau« unter dem Befehl von Admiral Wilhelm Souchon ins Mittelmeer beordert. Bei Ausbruch des Weltkrieges und der englischen Kriegserklärung gegen Deutschland am 3. August war es Souchon sofort klar, dass nun eine gnadenlose Jagd der übermächtigen alliierten Flotten auf die beiden deutschen Schiffe einsetzen würde. Um der Vernichtung zu entkommen, nahm Souchon Kurs auf die Türkei. Nachdem am 4. August seine beiden Schiffe die algerischen Häfen Bòne und Philippeville beschossen und die Einschiffung eines französischen Armeekorps verhindert hatten, erschien er am 10. August vor den Dardanellen. Am 12. August wurden beide Schiffe unter den Namen »Sultan Yavuz Selim« und »Midilli« in die türkische Marine überführt, da ja laut internationalem Vertrag in der noch neutralen Türkei keine fremden Kriegsschiffe die Dardanellen passieren durften. Beide Schiffe spielten bei der Schlacht um Gallipoli keine direkte Rolle, da sie im Schwarzen Meer gegen die russische Flotte eingesetzt wurden, die Russen damit noch mehr von den Weltmeeren isolierten und den Bosporus vor Angriffen aus dem Norden sicherten. Souchon wurde zum Oberbefehlshaber der türkischen Flotte ernannt. 2. August ein Bündnisvertrag zwischen Deutschland und der Türkei, doch verharrte letztere bis zum 31. Oktober 1914 in Neutralität, als England zusammen mit Frankreich und Russland ihr den Krieg erklärten. Zuvor hatte am 15. August die Türkei die britische Militärmission in Istanbul geschlossen und alle englischen Offiziere aufgefordert, binnen eines Monats das Land zu verlassen. Die »Goeben« ist gefechtsklar Die beiden Schiffe waren willkommen geheißen, hatte es doch unter dem Volk große Empörung hervorgerufen, dass England am 1. August zwei von der Türkei auf britischen Werften bestellte und bereits bezahlte Schlachtschiffe konfisziert hatte. Zwar bestand seit dem Die türkische Regierung war sich aus langjähriger diplomatischer Erfahrung der Gefahr einer Invasion aus der Ägäis heraus bewusst. Auf Anraten Souchons erbat sie sich aus Berlin Hilfe bei der Abwehr eines Angriffs auf die Dardanellen. Am 19. August 1914 sagte das Reichs-Marine-Amt (RMA) in Berlin die Unterstützung zu und gründete das „Sonderkommando Kaiserliche Marine Türkei“. Am 27. August trafen die Admirale Guido von Usedom und Johannes Merten mit einer 300 Mann starken Truppe von Fachleuten in Istanbul ein. Admiral von Usedom war als Kapitän zur See bekannt geworden, als er während des chinesischen Boxeraufstandes von 1900 das deutsche Landungs-Korps kommandierte und auf dem bekannten Gemälde Carl Röchlings „The Germans to the Front“ verewigt wurde. Am 1. September 1914 legte v. Usedom mit Kriegsminister Enver Pascha die Aufgaben des Sonderkommandos fest. Enver Pascha ernannte den deutschen Admiral zum Oberbefehlshaber der Meerengen. Trotz unzureichender Mittel Der Kleine Kreuzer »Breslau« bekommt neue Geschütze Enver Pascha gelang Usedom der Ausbau von Befestigungen, Artillerie-Stellungen, Erdwällen, Schützengräben und Bunkern. Er veranlasste das Anlegen von See-Minenfeldern und zu ihrem Schutz gegen Minenräumschiffe das Aufstellen von Flanken-Batterien der Feld-Artillerie. Dazu hatte die Ausbildung von Artilleristen zu erfolgen. Admiral Usedom stand in enger Zusammenarbeit mit General Otto Liman von Sanders, der ab März 1915 den Oberbefehl über die Verteidigung übernahm. Sanders bewegte sich zu Fuß und zu Pferd über die unwegsame Halbinsel Gallipoli und spähte alle Möglichkeiten für eine wirksame Verteidigung aus. Er ließ Wege, Straßen und Brücken für den Nachschub Die Dardanellen am 19. März 1915 anlegen, verband die Verteidigungs-Systeme und häufte alle Munitionsvorräte, deren er habhaft werden konnte, an. Während in London und Istanbul debattiert wurde, gelang es Sanders, in aller Heimlichkeit und unbemerkt von Öffentlichkeit auf schwierigsten Wegen mit Wasserbüffeln, Eseln, Kamelen und Menschenkraft, Feld-Artillerie in das bedrohte Gebiet zu schleusen. Wegen fehlender und noch zu errichtender Brücken und Wege schien die rechtzeitige Bereitstellung nicht vor dem 1. März 1915 erreichbar. Der Angriff beginnt Von all dem wusste der britische Geheimdienst und damit auch die englische Führung nichts. Sie gedachte immer noch, die Verteidiger der Dardanellen in einem überraschenden Handstreich zu überrumpeln. Dafür zog sie im Februar 1915 vor dem britischen Flotten-Stützpunkt Malta eine gewaltige Flotte von 18 Linienschiffen und Schlachtkreuzern, zu denen zahlreiche kleinere Schiffe stießen, zusammen. Da Churchill Cardens Fähigkeiten wenig traute, hatte er ihm Konter-Admiral John de Robeck als Stellvertreter zugeordnet. Cardens Flotte langte am 18. Februar am vorgesehenen Ankerplatz bei der Insel Tenedos unweit von Troja an. Am nächsten Tag beschossen die Alliierten die äußersten Forts von Sed ul Bahr an der Südspitze von Gallipoli und Admiral von Usedom Kum Kale auf dem asiatischen Festland. Dann zogen sie sich für fünf Tage auf besseres Wetter wartend nach Tenedos zurück. Am 25. Februar erfolgte die zweite Beschießung ebenso erfolglos. Als nach einer weiteren Wartezeit auf günstigeres Wetter ein nächster Versuch unternommen wurde, war bis zum 4. März Sanders eingetroffene Feld-Artillerie in ihre Stellungen eingerückt und machte die Landung eines Marine-Infanterie-Bataillons zunichte. Das Blatt hatte sich zugunsten der türkischen Verteidigung gewendet. Churchills Plan eines schnellen Handstreichs war hinfällig geworden. Carden trat nervlich zerrüttet am 16. März sein Kommando an den zum Vize-Admiral beförderten de Robeck ab. Bombardement der Flotte vor Gallipoli Der Generalangriff auf die Flotte Für den 18. März setzte der neue Befehlshaber den General-Angriff mit 18 Großkampfschiffen und 30 kleineren Einheiten an und ließ etwa 12.000 Meter südlich von Canakkale seine schweren Einheiten aufstellen. Außerhalb der Reichweite der Festungs-Artillerie von Kilid Bahr und Canakkale belegte die großkalibrige Schiffs-Artillerie der Alliierten mit ihren Granaten die beiden Orte. Dann rückten vier französische Linienschiffe auf 8.200 Meter an die Enge zwischen Kilid Bahr und Canakkale heran, erhielten schwere türkische Treffer auch unter der Wasserlinie und drehten nach Steuerbord ab, wo sie in einen Minengürtel gerieten. Das Schlachtschiff »Bouvet« sank sofort. Es explodierte und riss über 600 Seeleute mit sich in die Tiefe. Die britischen Minensuchboote, welche die Sperre räumen sollten, gerieten in das Feuer der am Ufer verborgenen Feld-Artillerie und wurden arg zusammengeschossen. Beim allgemeinen Rückzug liefen die Schlachtschiffe HMS »Irresistible« und HMS »Ocean« auf Minen und sanken, während HMS »Inflexible« schwer beschädigt entkam und nach Malta zurückdampfen musste. Zwei weitere Linienschiffe waren nicht mehr einsatzfähig. Ein Umbau der vorhandenen Zerstörer zu Minensuchern konnte jedoch nur auf Malta vorgenommen werden. Für mindestens einen Monat war die Flotte für einen neuen Angriff nicht mehr einsatzfähig. Auch die zweite Offensive war damit gescheitert. Es sollte noch schlimmer kommen. Die Taktik wird geändert Am gleichen Tag der Niederlage war General Sir Jan Hamilton – ein Veteran aus dem Burenkrieg – mit den ersten Einheiten eines Expeditionskorps in Mudros auf der Insel Limnos eingetroffen. Kitchener und Churchill bestanden darauf, das gescheiterte Unternehmen nun mit allen verfügbaren Kräften fortzusetzen. Dazu mussten die 80 Kilometer lange Halbinsel Gallipoli und das gegenüberliegende asiatische Festland genommen werden, weil dessen Ufer den gesamten Dardanellen-Bereich mit Artillerie bestreichen konnten. Da von der Front in Frankreich keine Truppen abgezogen werden konnten, verlegte sich die britische Kriegsführung auf den Einsatz von Truppen aus den Kolonien bzw. Dominions, d.h. aus Französisch-West-Afrika, aus Indien sowie Australien und Neuseeland. Letztere haben sich unter der Bezeichnung ANZAC einen Namen erworben. Diese Abkürzung bedeutet: Australian New-Zeeland Army Corps. Diese Soldaten waren zwar undiszipliniert, aber als Kriegsfreiwillige äußerst kampflustig. Sie wurden Anfang 1915 im Raum Kairo gesammelt und auf ihre Aufgabe gedrillt. Diese Invasionsarmee war 77.000 Mann stark. Ihnen standen 60.000 Türken gegenüber. Dieses Verhältnis ist insofern Liman von Sanders Admiral de Robeck irreführend, weil die sechs türkischen Divisionen über ein großes Gebiet verteilt werden mussten: auf Kum Kale zwei Divisionen, Bulair 50 Kilometer nördlich davon zwei Divisionen, Kilid Bahr eine Reserve-Division und eine Division um Krithia auf Gallipoli. Abgesehen von ihren Scheinangriffen bei Bulair und Kum Kale konnten die Alliierten massiv mit 47.000 Mann gegen 15.000 Türken auf Gallipoli antreten. Das schwierige Terrain bot den Verteidigern große Vorteile, bewies aber gleichzeitig gefährliche Nachteile bei der zeitlichen Heranführung von Reserven in eben diesem unwegsamen Gelände. Kemal Atatürk und der ANZAC-Brückenkopf bei Gaba Tepe Der alliierte Großangriff begann am 25. April 1915. Dieser Tag wird auch heute noch als ANZAC-Day in Australien, Neuseeland und auf Tonga als National- Mustafa Kemal Atatürk Feiertag begangen. Zusammen mit den Scheinangriffen setzten die Alliierten an insgesamt acht Punkten ihre Truppen gleichzeitig an Land. Die 30.000 Mann der ANZAC-Truppen sollten den schmalen Strandstreifen bei Gaba Tepe besetzen, wussten aber wegen der Geheimniskrämerei des Oberbefehlshabers Jan Hamilton nicht, dass ihr Angriffsziel Kilid Bahr sei, das in Luftlinie nur gut sechs Kilometer östlich von ihnen lag. Das zerklüftete Gelände bot keine Gelegenheit, die gelandeten Bataillone aufzustellen. Von überall her schlug ihnen heftiges Feuer entgegen. Trotzdem gelang es einigen Kompanien, den Gipfel eines Bergs zu erreichen, der sich nach Kilid Bahr hinzog. Hier war die einzige Chance, erfolgreich an die Dardanellen vorzustoßen und einen Keil zwischen den Gegner zu treiben. Der Offizier Mustapha Kemal – später genannt Kemal Atatürk – befehligte als Oberstleutnant die Reserve-Division Sanders bei Kilid Bahr. Als er den Hilferuf des überrannten Postens bei Gaba Tepe vernahm, stürmte er sofort mit einem Regiment, das er gerade inspizierte, dorthin und befahl, ohne eine Erlaubnis von Sanders einzuholen, der 19. türkischen Division, ihm zu folgen. Die Entscheidung war richtig. Es gelang Kemal Atatürk, die ANZAC-Truppen zu stoppen. Am 27. April versuchte er, das ANZAC ganz zu vertreiben. Er scheiterte jedoch bei hohen Verlusten im Feuer der britischen Schiffs-Artillerie. Am 28. April stabilisierte sich die Front wieder. Unterschiedliche Ergebnisse an den anderen Landungsabschnitten Die zum Scheinangriff bei Kum Kale gelandeten 16.000 Mann überwiegend französischer Kolonialtruppen erwartete eine böse Überraschung. Sie gerieten in Zeitgenössische Karte des Kampfgebietes einen Zangengriff der vom deutschen Oberst Nicolai geführten 3. türkischen Division. Im Straßenkampf und im Feuer der eigenen Schiffsgeschütze erlitten sie eine empfindliche Niederlage. Nach drei Tagen verließen die geschlagenen Franzosen das Feld, wo vor drei Jahrtausenden Trojaner und Griechen gekämpft hatten. Der zweite Scheinangriff bei Bulair blieb ohne nennenswerte Folgen. Andere Landungsabschnitte an der Südspitze Gallipolis erhielten eine besondere Tragik. Die ohne Artillerie-Beobachter feuernden Schiffe erzielten keine wirkungsvollen Treffer bei den türkischen MG-Nestern und Stacheldraht-Verhauen am Strand, der von den befestigten Hügeln wie von einem Amphi-Theater umschlossen war. Nachdem sich die Feuerwalze landeinwärts verschob, konnten die Türken aus den Bunkern kommend erneut ihre Stellungen besetzen. Als die Deutsche und Türken Geschütze schwiegen und tausend Infanteristen gefolgt von weiteren 2.000 Soldaten auf dem Transporter »River Clyde« an Land ruderten, wurden sie ungeschützt von den Türkischen MGs niedergemäht. Etwa 70% der Infanteristen verloren dabei im Feuerhagel ihr Leben. An anderen Landungsstellen konnten sich die Alliierten mit geringeren Verlusten festkrallen. Jedoch verhinderte das unwegsame, steile Terrain eine Ausweitung der Brückenköpfe, die teilweise kaum mehr als hundert Meter Tiefe erreichten. Allgemeine Erschöpfung hatte sich über die Invasoren ausgebreitet. Ein Stabsoffizier entdeckte auf einer Landkarte eine 18 Kilometer lange Schlucht und schlug vor, die ausgeruhten 10.000 Mann britischer Marine-Infanterie, die noch untätig bei ihrem Scheinangriff auf Bulair ausharrten, abzuziehen und in Marsch auf Kilid Bahr zu setzen. Aber Hamilton wollte nach seinen horrenden Verlusten kein weiteres Risiko eingehen. Obwohl sich die ANZAC-Truppen bei Gaba Tepe eingegraben hatten und die Spitze der Halbinsel Gallipoli in alliierter Hand blieb, musste auch dieser Versuch, nach Istanbul vorzustoßen, als Fehlschlag verbucht werden. Churchills Rücktritt Die ANZAC-Streitkräfte lagen unter dauerndem Störfeuer. In den folgenden Wochen und Monaten folgten zahlreiche beiderseitige Angriffe und Gegenstöße, verbunden mit hohen Verlusten. Am 19. Mai begannen 40.000 Türken einen Großangriff auf die verbliebenen 10.000 Mann Australier und Neuseeländer von Gaba Tepe, um sie ins Meer zu werfen. Ihre Attacke scheiterte unter erheblichen Verlusten. Der Krieg biss sich in blutigen Graben- und Stellungskämpfen fest, wobei jeweils nur wenige Meter Land gewonnen wurden oder verloren gingen. Es gab drei sogenannte Schlachten um das Dorf Krithia mit Verlusten zwischen 25 und 30% der Kämpfer ohne jeden entscheidenden Erfolg. Am 12. Mai unternahm das auf der Schichau-Werft in Danzig gebaute Torpedo-Boot »Muavenet« unter Kapitänleutnant Rudolph Firle aus den Dardanellen auslaufend einen Nachtangriff und versenkte mit einem Torpedo das Linienschiff HMS »Goliath«. Wenig später erreichte Kapitänleutnant Otto Hersing in vierwöchiger Fahrt von Wilhelmshaven kommend als Kommandant von U-21 sozusagen mit dem letzten Tropfen Treibstoff die Dardanellen. Am 25. Mai versenkte er mit Torpedo-Treffer vor Ari Burnu im ANZAC-Bereich das Linienschiff HMS »Triumph« und am 27. Mai die HMS »Majestic«. Damit hatten die Alliierten innerhalb von gut zwei Monaten die Hälfte ihrer Schlachschiffe durch Totalverlust eingebüßt. Das zwang die Briten zum Abzug ihrer restlichen schweren Einheiten und verschaffte den Türken Erleichterung vor dem Beschuss mit schwerer Artillerie. Die erneuten Schiffsverluste riefen eine Welle der Empörung in England hervor. Da Churchill die Verantwortung für das Scheitern der Dardanellen-Offensive trug, trat er bereits am 18. Mai 1915 von seinem Amt als Marineminister zurück und meldete sich kurzzeitig als Frontoffizier nach Flandern. Gallipoli um 1915: Man trifft sich am Brunnen Hamilton und Gourand Beteiligung französischer Artillerie Die todgeweihte »Triumph« wird evakuiert Abklingen der Kämpfe Die Großkampfschiffe waren in sichere Entfernung abgezogen. Dennoch blieb die Marine der Alliierten aktiv. Sie brachte den Nachschub in die künstlichen Häfen, die bei Kap Helles entstanden waren. Dardanellen und Bosporus verfügen über eine Oberwasser-Strömung von vier bis fünf Knoten Fließgeschwindigkeit, die von dem starken Zufluss der Donau und der russischen Ströme ins Schwarze Meer herrührt. Dazu gibt es eine etwas schwächere Unterwasser-Strömung, die schwereres, stärker salzhaltiges Wasser den umgekehrten Weg nehmen lässt. Kleinere U-Boote der Alliierten drangen mit der Unterwasserströmung durch die Dardanellen ins nördlich anschließende Marmara-Meer und störten während sieben Monaten die türkische Schifffahrt mit dem Nachschub für Gallipoli, beschossen Eisenbahnzüge und versenkten zwei Frachter in Istanbul. Ab dem 6. August begann Hamilton mit seinen Truppen eine neue Offensive. Er verfügte nun über 120.000 Mann. Er ließ zwei Divisionen nördlich von Gaba Tepe in der Suvla-Bucht anlanden. Nunmehr standen seinen 20.000 Mann nur 1.500 türkische Verteidiger unter dem bayerischen Major Wilhelm Willmer gegenüber. Der Schlag, der zusammen mit einem Ausbruch der ANZAC-Truppen auf Kilid Bahr durchgeführt werden sollte, brach sich an den zerklüfteten Felsen und an den von Kemal Atatürk herangeführten Reserven in ihren besseren Verteidigungsstellungen. Der letzte Ver- Die letzten Minuten der »Triumph« nach Torpedotreffer von U21 such, den Erfolg zu erzwingen, endete am 21. August mit der Niederlage der Briten am Scimitar-Hügel. Die Schlacht um Gallipoli war nicht mehr zu gewinnen. Hamilton wurde im Oktober 1915 abgelöst. Lord Kitchener besuchte am 15. November Gallipoli. Er überzeugte sich bei der Inspektion der Front, dass hier nutzlos Truppen verheizt worden waren und beschloss die Evakuierung der britischen Armee. Ab 18. Dezember erfolgte die disziplinierte Einschiffung, die zunächst von den Türken wegen des schlechten Wetters als Abzug nicht erkannt wurde. Doch dann griffen sie den Feind mit enormer Heftigkeit an, der Massen von Ausrüstungsmaterial zurück lassen musste. Am 9. Januar 1916 verließen die letzten alliierten Soldaten Gallipoli. Die Folgen der Niederlage bei Gallipoli Als sich die Niederlage der Briten nach der August-Offensive deutlich abzeichnete, trat Bulgarien am 14. Oktober 1915 an der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein. Obwohl England freundlich gesonnen, vermied Griechenland nun, ein Bündnis mit den Briten einzugehen. Es bestand auch eine gewisse Verärgerung der Griechen, weil die Briten unter Bruch der Neutralität die griechische Insel Limnos besetzt hatten, um sie als Ausgangsbasis für das Gallipoli-Unternehmen zu nutzen. Rumänien und damit der übrige Balkan geriet unter den Einfluss der Mittelmächte. Am 26. April musste sich eine britische Armee den verstärkten türkischen Einheiten im Raum Bagdad bei Kut-el-Amara ergeben. Das deutsche Marine-U-Boot S.M. »U21« läuft nach erfolgreicher Versenkung der »Triumph« unter Kptlt. Otto Hersing in Konstantinopel ein Die gravierendsten Folgen ergaben sich für Russland. Es blieb weiter von den Hilfeleistungen seiner westlichen Bündnispartner isoliert. Hatte schon die Niederlage im Russisch-Japanischen Krieg für revolutionäre Unruhen im Zarenreich gesorgt, so nahm auch im Verlauf des Weltkrieges die Unzufriedenheit im Volk zu. Ein Sieg der Alliierten bei Gallipoli und damit die seit Iwan III. (1440 - 1505) Jahrhunderte lang gehegte Hoffnung, Istanbul zu besetzen und die 1453 von den Osmanen eroberte Stadt für das Christentum zurück zu gewinnen, hätte mit Sicherheit die bolschewistische Oktoberrevolution von 1917 verhindert, das Zarentum gesichert und der Weltgeschichte eine ganz andere Richtung gegeben. Die türkischen Verteidiger setzten 315.500 Soldaten gegen ihre Gegner ein. Darunter sollen sich nach David Hoggan („Meine Anmerkungen zu Deutschland“, Tübingen 1990, S. 209) etwa 500 Deutsche in führenden Positionen befunden haben, von denen 10% fielen. Die Verluste der Türken summierten sich auf 57.263 Tote und 156.619 Verwundete. Nicht erst nach hundert Jahren muss man sich angesichts des Opfers, des Tötens, des Blutes und Schweißes, des Verstümmelns, des Leidens und der Schmerzen, des Hungers und des Entbehrens fragen: Wofür? Oder: Für wen? Gleichzeitig lässt sich feststellen: Die Menschheit hat sich nicht geändert. Und klüger geworden ist sie auch nicht. Die Verluste In die Schlacht von Gallipoli schickte das britische Weltreich inklusive seiner Kolonialund ANZAC-Einheiten 469.000 Soldaten. Die Franzosen stellten samt Kolonialtruppen und Fremdenlegionären 79.000 Mann ins Feld. Es befanden sich jedoch nie mehr als maximal 128.000 Mann alliierter Truppen zum selben Zeitpunkt auf der Halbinsel Gallipoli. Von den Alliierten fielen 44.072, und 97.037 wurden verwundet. Minentreffer in der Bordwand der »Goeben« „Schicksale deutscher Schiffe“ berichtet