Druck - Schiffsreisen Magazin

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militärischen Geschehen nur mit dem
Kreuzer »Askold« in wenig bedeutender
Position beteiligt war.
Schon bevor der Schiffsreisende von der
Ägäis kommend in die Dardanellen
einläuft, sieht er bereits von weitem
linker Hand an der Süd-Ost-Spitze der
Halbinsel Gallipoli das Kap Helles. Dort
erhebt sich das am 15. März 1958
fertiggestellte Canakkales Martyr’s
Memorial, das an die 315.500 türkischen
Soldaten erinnert, die an der Schlacht
teilgenommen haben. Knapp zehn
Seemeilen die Dardanellen aufwärts liegt
am Ostufer die gut 100.000 Einwohner
zählende Bezirkshauptstadt Canakkale,
wo die Kreuzfahrtschiffe festmachen,
um die 30 Kilometer südlich liegende
archäologische Ausgrabungsstätte von
Troja bei Kumkale besuchen zu können.
Erinnerung an die wichtige Schlacht für die
Türkei
Aus türkischer Sicht ist die Schlacht um
Gallipoli, um die gut achtzig Kilometer
lange Halbinsel, welche die Dardanellen
im Westen begrenzt, die blutigste ihrer
Geschichte (Kemal Atatürk „Die Geburt
einer
Nation“,
Istanbul
1998
S.14).Tatsächlich fand hier in den elf
Monaten vom Februar 1915 bis zum
Januar 1916 das bis dato größte
amphibische Landungsunternehmen der
Geschichte statt, das für die Geschichte
Russlands im 20. Jahrhundert und damit
auf die ganze Welt ausstrahlend eine
entscheidende politische Konstellation
bewirkte, obwohl Russland selbst am
Wer Troja bereits kennt, sollte sich ein
wenig in Canakale umsehen. Die Stadt
verfügt über eine lange Uferpromenade,
weist eine Gedenkstätte für den
bedeutenden türkischen Kartografen Piri
Reis (1470 - 1554) auf und lockt mit
einer noch militärisch besetzten alten
Festung und einem Museum. An vielen
Stellen der Stadt wird der Besucher mit
Geschützen, Torpedos, Minen und
anderweitigem Gerät aus dem 1.
Weltkrieg konfrontiert, das als Denkmal
dient.
Canakkale liegt an der engsten und damit
strategisch wichtigsten Stelle der
Dardanellen, die hier nur eine Breite von
etwa 1.200 Metern aufweist. Wenn
genügend Zeit bleibt, lohnt es sich, mit
der Fähre die Wasserstraße zu
überqueren, um zur gegenüber liegenden
Festung Kilid Bahr zu gelangen, über der
in einer Felswand ein gigantisches Relief
mit einem türkischen Soldaten den Blick
auf sich lenkt. In den ehemaligen
Kampfzonen auf und um Gallipoli
befindet sich über ein halbes Hundert
von alliierten und türkischen Friedhöfen,
Monumenten und Gedenkstätten.
Die Festung Kilid Bahr war das erklärte
Eroberungsziel
von
Engländern,
Franzosen, Indern, Australiern und
Neuseeländern. Glaubten sie doch, mit
der Beherrschung dieser engsten Stelle
den strategischen Angelpunkt in die
Hände zu bekommen, der ein leichtes
Vordringen nach Istanbul ermöglichen
würde, um die Türkei in die Knie
zwingen zu können. Doch das vom
britischen
Marineminister
Winston
Churchill geplante und betriebene
Unternehmen endete nach elf Monaten
blutiger und verlustreicher Kämpfe in
einem Desaster für die Alliierten.
Die Vorgeschichte zur Invasion der
Dardanellen
Russische Truppen waren bereits am
ersten Tage des Ersten Weltkriegs über
die
ostpreußische
Grenze
ins
unvorbereitete
Deutsche
Reich
eingedrungen. In der Schlacht von
Tannenberg (26. 30. August 1914), der
Masurenschlacht (6. - 14. September
1914) und der Winterschlacht an den
Masurischen Seen (7. - 22. Februar
1915) waren die russischen Armeen
geschlagen worden und fluteten zurück.
Relief im Berg
Gedenkstätte für Piri Reis an der
Uferpromenade von Canakale
Die Küste von Gallipoli
Im Westen waren nach anfänglichen
Siegen die deutschen Truppen in der
Marne-Schlacht gestoppt worden und die
Front im Stellungskrieg erstarrt. Das
wenig industrialisierte und rückständige
Russland
litt
unter
enormen
Nachschub-Schwierigkeiten und einem
eklatanten Munitionsmangel. Um in
Frankreich vom deutschen Druck
entlastet zu werden, erwogen die
Alliierten,
das
Zarenreich
mit
kriegswichtigem Material zu versorgen.
Doch dafür fehlten, anders als im
Zweiten Weltkrieg, die notwendigen
Voraussetzungen.
Der Weg über die Ostsee war durch die
deutsche Hochseeflotte der Kaiserlichen
Marine versperrt. Der Zustand der
russischen Eisenbahn schloss die
Eismeer-Archangelsk-Route aus. Auch
im russisch-japanischen Krieg von
1904/05 hatte sich die Transsibirische
Eisenbahn
für
den
militärischen
Transport als untauglich erwiesen. Über
den Persischen Golf blockierten die
Türkei und Persien den Zugang nach
Russland, wo Wilhelm Wassmuss als
eine Art deutscher Lawrence mit
persischen Stammeskriegern gegen die
ins neutrale Persien einmarschierten
britischen Besatzungstruppen einen
Guerilla-Krieg führte.
Als fünfter Weg bot sich der Seeweg
über die Dardanellen, den Bosporus und
das Schwarze Meer nach Süd-Russland
an. Doch die Türkei beherrschte die
Meerengen.
Laut
internationaler
Verträge war die Durchfahrt für Krieg
führende Nationen verboten. England
Gallipoli aus der Vogelperspektive
hatte es versäumt, die Türkei rechtzeitig
als Verbündeten zu gewinnen. Als nach
erheblichen Spannungen die Türkei im
Oktober 1914 als Bundesgenosse des
Deutschen Reichs in den Krieg trat,
wurden die internationalen Verträge für
die Meerengen hinfällig.
Kontroversen in der britischen
Kriegsleitung
Marineminister
Churchill
glaubte,
anstelle eines Durchbruchs in der Ostsee
eine kostengünstigere Invasion der
Marinestreitkräfte bei den Meerengen
durchführen zu können, zumal dafür
kaum Truppen aus Frankreich hätten
abgezogen werden müssen. Dadurch
würde eine alliierte Schwächung im
Westen
vermieden.
Kriegsminister
Herbert Kitchener wurde für den Plan
gewonnen, weil die Türkei eine
Offensive im Kaukasus begonnen hatte
und das bedrängte Russland um einen
englischen Entlastungsangriff von der
Ägäis aus bat. Kitchener stimmte dem
Ersuchen zu, und Admiral John Fisher –
der Erste See-Lord – der starke
Bedenken ins Feld führte, wurde im
Kriegsrat überstimmt. Seine Studie, die
einen
kombinierten
Einsatz
von
Marine-Einheiten
und
stärkeren
Infanterie-Kräften vorsah, wurde von
Churchill mit dem Argument vom Tisch
gewischt, Fishers Erkenntnisse seien
veraltet, denn die hochkalibrigen Waffen
moderner Schiffe rechtfertigten einen
Alleingang.
Zustimmung
erzielte
Churchill bei Vize-Admiral Carden, dem
Befehlshaber der britischen Marine in
der Ägäis, der versicherte, mit
ausreichender Munition könne er den
Kampf um die Meerengen
Dardanellen und entschied das Scheitern
der ganzen britischen Invasion auf
Gallipoli. Churchills Festhalten an der
schweren Schiffs-Artillerie erwies sich
als der gravierende Fehler. Dennoch
vermochte der Marineminister den
Premier Asquith zu überzeugen, der am
28. Januar sein Placet gab, Admiral
Cardens Plan umzusetzen. Fisher trat am
15. Mai 1915 aus Protest zurück, als sich
schon
frühzeitig
das
Debakel
abzuzeichnen
begann.
Churchill
vertraute auf die Informationen des
britischen Geheimdienstes, die aber
schlecht und unvollkommen waren. Vor
allem aber waren die Anwesenheit und
der Einfluss deutscher Fachkräfte völlig
unterschätzt worden.
Deutschland und die Türkei
Kaiser Wilhelm II.
am 15. Februar 1915 beginnen und
spätestens nach vier Wochen Istanbul
erreichen. Dass für eine Besetzung
Istanbuls auch größere Kontingente von
Infanterie notwendig werden würden,
verschwieg das oberflächliche Gutachten
Cardens. Ebenso verdrängte Churchill
den Einwand Fishers, dass eine
bewegliche türkische Feld-Artillerie, die
nur schwer auszuschalten sei, eine
Räumung der Gewässer durch eine
eigene Minensuch-Flottille unmöglich
machen könne. Im Nachhinein erwiesen
sich Fishers Befürchtungen
als
berechtigt. Die schwer greifbare
Feld-Artillerie verhinderte schließlich
mit ihrem Schutz der Minenfelder ein
Vordringen der alliierten Flotte in die
Durch die zahlreichen Kriege mit
Russland geschwächt, verlor der
überdehnte Vielvölkerstaat Osmanisches
Reich im 19. Jahrhundert immer mehr an
Einfluss und wurde zum Spielball
fremder Mächte. Notwendige Reformen
wurden von einer korrupten Oberschicht
verhindert.
Man
sprach
vom
ohnmächtigen „kranken Mann am
Bosporus“ und lauerte, sich sein Erbe
aufteilen zu können. Der Berliner
Kongress, von Bismarck als „ehrlichem
Makler“ einberufen, verhinderte im
Krisenjahr 1878 einen größeren Krieg,
eröffnete aber gleichzeitig für das
Deutsche Reich in der Türkei die
Verwirklichung
von
industriellen
Großprojekten wie dem Bau der
Bagdad-Bahn oder der Galata-Brücke
über das Goldene Horn. Während sich
Bismarck wegen seiner ausgleichenden
Bündnis-Politik,
um
keine
der
europäischen
Großmächte
zu
verärgern,
zurückgehalten hatte, schloss Wilhelm
II.
1890
einen
sechsjährigen
Freundschafts-,
Handelsund
Schifffahrts-Vertrag und dokumentierte
öffentlich mit drei Reisen nach Istanbul
seine Sympathien für die Türkei, obwohl
er nach brutalen Ausschreitungen gegen
die Armenier 1896 den Sultan scharf
kritisierte und ihn einen elenden
Schurken nannte. In einem Brief an seine
Großmutter Queen Victoria wurde er
noch deutlicher: „Möge ihn Allah bald
dahin holen, wo es sehr heiß ist...“
Doch
wirtschaftliche
Interessen
erlangten wieder den Vorrang vor
Menschenrechten. Bei seinem zweiten
Besuch 1898 begleiteten den Kaiser
führende Wirtschaftskapitäne wie G. von
Siemens, der Generaldirektor der
Deutschen
Bank,
K.
Zander,
Generaldirektor
der
Anatolischen
Eisenbahn und sein Stellvertreter E.
Huguenin,
sowie
Chefingenieur
Hagenbeck.
Eine lange militärische
Zusammenarbeit
Schon zuvor war von 1835 - 1839 der
spätere preußische Generalfeldmarschall
und Stabschef Helmuth von Moltke noch
im Range eines Hauptmannes als
Militärberater zur Reform des Heeres in
die Türkei entsandt worden. Im Jahre
1878 folgte für die Modernisierung der
türkischen Streitkräfte General Kähler
(1843 - 1916) mit einem Stab von
Offizieren. Von 1883 -1895 lehrte der
Oberstleutnant Colmar von der Goltz an
der türkischen Offiziersschule,
Admiral Carden
reorganisierte das Heer und schuf die
Grundlagen für die moderne Türkei. Er
trat zum Islam über und stieg als
Goltz-Pascha bis zum türkischen
Feldmarschall auf. Im Weltkrieg führte
er die 6. osmanische Armee als
Oberbefehlshaber zum Sieg über die
Briten in Persien, wo er 1916 an Typhus
verstarb.
Wir nähern uns dem Weltkrieg. Im Jahre
1913 war nach den Balkankriegen zur
Stabilisierung der Türkei die Einrichtung
einer Militärmission unter General Otto
Liman von Sanders erfolgt. Schon 1912
hatte die Kaiserliche Marine zur
Wahrung deutscher Interessen den
Schlachtkreuzer »Goeben« und den
Kleinen Kreuzer »Breslau« unter dem
Befehl von Admiral Wilhelm Souchon
ins Mittelmeer beordert. Bei Ausbruch
des Weltkrieges und der englischen
Kriegserklärung gegen Deutschland am
3. August war es Souchon sofort klar,
dass nun eine gnadenlose Jagd der
übermächtigen alliierten Flotten auf die
beiden deutschen Schiffe einsetzen
würde. Um der Vernichtung zu
entkommen, nahm Souchon Kurs auf die
Türkei. Nachdem am 4. August seine
beiden Schiffe die algerischen Häfen
Bòne und Philippeville beschossen und
die Einschiffung eines französischen
Armeekorps verhindert hatten, erschien
er am 10. August vor den Dardanellen.
Am 12. August wurden beide Schiffe
unter den Namen »Sultan Yavuz Selim«
und »Midilli« in die türkische Marine
überführt, da ja laut internationalem
Vertrag in der noch neutralen Türkei
keine fremden Kriegsschiffe die
Dardanellen passieren durften. Beide
Schiffe spielten bei der Schlacht um
Gallipoli keine direkte Rolle, da sie im
Schwarzen Meer gegen die russische
Flotte eingesetzt wurden, die Russen
damit noch mehr von den Weltmeeren
isolierten und den Bosporus vor
Angriffen aus dem Norden sicherten.
Souchon wurde zum Oberbefehlshaber
der türkischen Flotte ernannt.
2. August ein Bündnisvertrag zwischen
Deutschland und der Türkei, doch
verharrte letztere bis zum 31. Oktober
1914 in Neutralität, als England
zusammen mit Frankreich und Russland
ihr den Krieg erklärten. Zuvor hatte am
15. August die Türkei die britische
Militärmission in Istanbul geschlossen
und
alle
englischen
Offiziere
aufgefordert, binnen eines Monats das
Land zu verlassen.
Die »Goeben« ist gefechtsklar
Die beiden Schiffe waren willkommen
geheißen, hatte es doch unter dem Volk
große Empörung hervorgerufen, dass
England am 1. August zwei von der
Türkei auf britischen Werften bestellte
und bereits bezahlte Schlachtschiffe
konfisziert hatte. Zwar bestand seit dem
Die türkische Regierung war sich aus
langjähriger diplomatischer Erfahrung
der Gefahr einer Invasion aus der Ägäis
heraus bewusst. Auf Anraten Souchons
erbat sie sich aus Berlin Hilfe bei der
Abwehr eines Angriffs auf die
Dardanellen. Am 19. August 1914 sagte
das Reichs-Marine-Amt (RMA) in
Berlin die Unterstützung zu und
gründete
das
„Sonderkommando
Kaiserliche Marine Türkei“. Am 27.
August trafen die Admirale Guido von
Usedom und Johannes Merten mit einer
300 Mann starken Truppe von
Fachleuten in Istanbul ein. Admiral von
Usedom war als Kapitän zur See bekannt
geworden, als er während des
chinesischen Boxeraufstandes von 1900
das
deutsche
Landungs-Korps
kommandierte und auf dem bekannten
Gemälde Carl Röchlings „The Germans
to the Front“ verewigt wurde.
Am 1. September 1914 legte v. Usedom
mit Kriegsminister Enver Pascha die
Aufgaben des Sonderkommandos fest.
Enver Pascha ernannte den deutschen
Admiral zum Oberbefehlshaber der
Meerengen. Trotz unzureichender Mittel
Der Kleine Kreuzer »Breslau« bekommt neue Geschütze
Enver Pascha
gelang Usedom der Ausbau von
Befestigungen,
Artillerie-Stellungen,
Erdwällen,
Schützengräben
und
Bunkern. Er veranlasste das Anlegen von
See-Minenfeldern und zu ihrem Schutz
gegen Minenräumschiffe das Aufstellen
von
Flanken-Batterien
der
Feld-Artillerie.
Dazu
hatte
die
Ausbildung von Artilleristen zu erfolgen.
Admiral
Usedom stand in enger
Zusammenarbeit mit General Otto
Liman von Sanders, der ab März 1915
den Oberbefehl über die Verteidigung
übernahm. Sanders bewegte sich zu Fuß
und zu Pferd über die unwegsame
Halbinsel Gallipoli und spähte alle
Möglichkeiten für eine wirksame
Verteidigung aus. Er ließ Wege, Straßen
und Brücken für den Nachschub
Die Dardanellen am 19. März 1915
anlegen,
verband
die
Verteidigungs-Systeme und häufte alle
Munitionsvorräte, deren er habhaft
werden konnte, an. Während in London
und Istanbul debattiert wurde, gelang es
Sanders, in aller Heimlichkeit und
unbemerkt von Öffentlichkeit auf
schwierigsten Wegen mit Wasserbüffeln,
Eseln, Kamelen und Menschenkraft,
Feld-Artillerie in das bedrohte Gebiet zu
schleusen. Wegen fehlender und noch zu
errichtender Brücken und Wege schien
die rechtzeitige Bereitstellung nicht vor
dem 1. März 1915 erreichbar.
Der Angriff beginnt
Von all dem wusste der britische
Geheimdienst und damit auch die
englische Führung nichts. Sie gedachte
immer noch, die Verteidiger der
Dardanellen in einem überraschenden
Handstreich zu überrumpeln. Dafür zog
sie im Februar 1915 vor dem britischen
Flotten-Stützpunkt Malta eine gewaltige
Flotte von 18 Linienschiffen und
Schlachtkreuzern, zu denen zahlreiche
kleinere Schiffe stießen, zusammen. Da
Churchill Cardens Fähigkeiten wenig
traute, hatte er ihm Konter-Admiral John
de Robeck als Stellvertreter zugeordnet.
Cardens Flotte langte am 18. Februar am
vorgesehenen Ankerplatz bei der Insel
Tenedos unweit von Troja an.
Am nächsten Tag beschossen die
Alliierten die äußersten Forts von Sed ul
Bahr an der Südspitze von Gallipoli und
Admiral von Usedom
Kum Kale auf dem asiatischen Festland.
Dann zogen sie sich für fünf Tage auf
besseres Wetter wartend nach Tenedos
zurück. Am 25. Februar erfolgte die
zweite Beschießung ebenso erfolglos.
Als nach einer weiteren Wartezeit auf
günstigeres Wetter ein nächster Versuch
unternommen wurde, war bis zum 4.
März
Sanders
eingetroffene
Feld-Artillerie in ihre Stellungen
eingerückt und machte die Landung
eines
Marine-Infanterie-Bataillons
zunichte. Das Blatt hatte sich zugunsten
der türkischen Verteidigung gewendet.
Churchills
Plan
eines
schnellen
Handstreichs war hinfällig geworden.
Carden trat nervlich zerrüttet am 16.
März sein Kommando an den zum
Vize-Admiral beförderten de Robeck ab.
Bombardement der Flotte vor Gallipoli
Der Generalangriff auf die Flotte
Für den 18. März setzte der neue
Befehlshaber den General-Angriff mit 18
Großkampfschiffen und 30 kleineren
Einheiten an und ließ etwa 12.000 Meter
südlich von Canakkale seine schweren
Einheiten aufstellen. Außerhalb der
Reichweite der Festungs-Artillerie von
Kilid Bahr und Canakkale belegte die
großkalibrige
Schiffs-Artillerie
der
Alliierten mit ihren Granaten die beiden
Orte. Dann rückten vier französische
Linienschiffe auf 8.200 Meter an die
Enge zwischen Kilid Bahr und
Canakkale heran, erhielten schwere
türkische Treffer auch unter der
Wasserlinie und drehten nach Steuerbord
ab, wo sie in einen Minengürtel gerieten.
Das Schlachtschiff »Bouvet« sank
sofort. Es explodierte und riss über 600
Seeleute mit sich in die Tiefe. Die
britischen Minensuchboote, welche die
Sperre räumen sollten, gerieten in das
Feuer der am Ufer verborgenen
Feld-Artillerie
und
wurden
arg
zusammengeschossen. Beim
allgemeinen
Rückzug
liefen
die
Schlachtschiffe HMS »Irresistible« und
HMS »Ocean« auf Minen und sanken,
während HMS »Inflexible« schwer
beschädigt entkam und nach Malta
zurückdampfen musste. Zwei weitere
Linienschiffe
waren
nicht
mehr
einsatzfähig.
Ein
Umbau
der
vorhandenen Zerstörer zu Minensuchern
konnte
jedoch
nur
auf
Malta
vorgenommen werden. Für mindestens
einen Monat war die Flotte für einen
neuen Angriff nicht mehr einsatzfähig.
Auch die zweite Offensive war damit
gescheitert. Es sollte noch schlimmer
kommen.
Die Taktik wird geändert
Am gleichen Tag der Niederlage war
General Sir Jan Hamilton – ein Veteran
aus dem Burenkrieg – mit den ersten
Einheiten eines Expeditionskorps in
Mudros auf der Insel Limnos
eingetroffen. Kitchener und Churchill
bestanden darauf, das gescheiterte
Unternehmen nun mit allen verfügbaren
Kräften fortzusetzen. Dazu mussten die
80 Kilometer lange Halbinsel Gallipoli
und das gegenüberliegende asiatische
Festland genommen werden, weil dessen
Ufer den gesamten Dardanellen-Bereich
mit Artillerie bestreichen konnten. Da
von der Front in Frankreich keine
Truppen abgezogen werden konnten,
verlegte sich die britische Kriegsführung
auf den Einsatz von Truppen aus den
Kolonien bzw. Dominions, d.h. aus
Französisch-West-Afrika, aus Indien
sowie Australien und Neuseeland.
Letztere haben sich unter der
Bezeichnung ANZAC einen Namen
erworben. Diese Abkürzung bedeutet:
Australian New-Zeeland Army Corps.
Diese
Soldaten
waren
zwar
undiszipliniert, aber als Kriegsfreiwillige
äußerst kampflustig. Sie wurden Anfang
1915 im Raum Kairo gesammelt und auf
ihre
Aufgabe
gedrillt.
Diese
Invasionsarmee war 77.000 Mann stark.
Ihnen standen 60.000 Türken gegenüber.
Dieses Verhältnis ist insofern
Liman von Sanders
Admiral de Robeck
irreführend, weil die sechs türkischen
Divisionen über ein großes Gebiet
verteilt werden mussten: auf Kum Kale
zwei Divisionen, Bulair 50 Kilometer
nördlich davon zwei Divisionen, Kilid
Bahr eine Reserve-Division und eine
Division um Krithia auf Gallipoli.
Abgesehen von ihren Scheinangriffen
bei Bulair und Kum Kale konnten die
Alliierten massiv mit 47.000 Mann
gegen 15.000 Türken auf Gallipoli
antreten. Das schwierige Terrain bot den
Verteidigern große Vorteile, bewies aber
gleichzeitig gefährliche Nachteile bei der
zeitlichen Heranführung von Reserven in
eben diesem unwegsamen Gelände.
Kemal Atatürk und der
ANZAC-Brückenkopf bei Gaba Tepe
Der alliierte Großangriff begann am 25.
April 1915. Dieser Tag wird auch heute
noch als ANZAC-Day in Australien,
Neuseeland und auf Tonga als National-
Mustafa Kemal Atatürk
Feiertag begangen. Zusammen mit den
Scheinangriffen setzten die Alliierten an
insgesamt acht Punkten ihre Truppen
gleichzeitig an Land. Die 30.000 Mann
der ANZAC-Truppen sollten den
schmalen Strandstreifen bei Gaba Tepe
besetzen, wussten aber wegen der
Geheimniskrämerei
des
Oberbefehlshabers Jan Hamilton nicht,
dass ihr Angriffsziel Kilid Bahr sei, das
in Luftlinie nur gut sechs Kilometer
östlich von ihnen lag. Das zerklüftete
Gelände bot keine Gelegenheit, die
gelandeten Bataillone aufzustellen. Von
überall her schlug ihnen heftiges Feuer
entgegen. Trotzdem gelang es einigen
Kompanien, den Gipfel eines Bergs zu
erreichen, der sich nach Kilid Bahr
hinzog. Hier war die einzige Chance,
erfolgreich
an
die
Dardanellen
vorzustoßen und einen Keil zwischen
den Gegner zu treiben. Der Offizier
Mustapha Kemal – später genannt
Kemal Atatürk – befehligte als
Oberstleutnant die Reserve-Division
Sanders bei Kilid Bahr. Als er den
Hilferuf des überrannten Postens bei
Gaba Tepe vernahm, stürmte er sofort
mit einem Regiment, das er gerade
inspizierte, dorthin und befahl, ohne eine
Erlaubnis von Sanders einzuholen, der
19. türkischen Division, ihm zu folgen.
Die Entscheidung war richtig. Es gelang
Kemal Atatürk, die ANZAC-Truppen zu
stoppen. Am 27. April versuchte er, das
ANZAC ganz zu vertreiben. Er
scheiterte jedoch bei hohen Verlusten im
Feuer der britischen Schiffs-Artillerie.
Am 28. April stabilisierte sich die Front
wieder.
Unterschiedliche Ergebnisse an den
anderen Landungsabschnitten
Die zum Scheinangriff bei Kum Kale
gelandeten 16.000 Mann überwiegend
französischer Kolonialtruppen erwartete
eine böse Überraschung. Sie gerieten in
Zeitgenössische Karte des Kampfgebietes
einen Zangengriff der vom deutschen
Oberst Nicolai geführten 3. türkischen
Division. Im Straßenkampf und im Feuer
der eigenen Schiffsgeschütze erlitten sie
eine empfindliche Niederlage. Nach drei
Tagen verließen die geschlagenen
Franzosen das Feld, wo vor drei
Jahrtausenden Trojaner und Griechen
gekämpft
hatten.
Der
zweite
Scheinangriff bei Bulair blieb ohne
nennenswerte
Folgen.
Andere
Landungsabschnitte an der Südspitze
Gallipolis erhielten eine besondere
Tragik. Die ohne Artillerie-Beobachter
feuernden Schiffe erzielten keine
wirkungsvollen
Treffer
bei
den
türkischen
MG-Nestern
und
Stacheldraht-Verhauen am Strand, der
von den befestigten Hügeln wie von
einem Amphi-Theater umschlossen war.
Nachdem
sich
die
Feuerwalze
landeinwärts verschob, konnten die
Türken aus den Bunkern kommend
erneut ihre Stellungen besetzen. Als die
Deutsche und Türken
Geschütze schwiegen und tausend
Infanteristen gefolgt von weiteren 2.000
Soldaten auf dem Transporter »River
Clyde« an Land ruderten, wurden sie
ungeschützt von den Türkischen MGs
niedergemäht.
Etwa
70%
der
Infanteristen
verloren
dabei
im
Feuerhagel ihr Leben. An anderen
Landungsstellen konnten sich die
Alliierten mit geringeren Verlusten
festkrallen. Jedoch verhinderte das
unwegsame,
steile
Terrain
eine
Ausweitung der Brückenköpfe, die
teilweise kaum mehr als hundert Meter
Tiefe
erreichten.
Allgemeine
Erschöpfung hatte sich über die
Invasoren ausgebreitet. Ein Stabsoffizier
entdeckte auf einer Landkarte eine 18
Kilometer lange Schlucht und schlug
vor, die ausgeruhten 10.000 Mann
britischer Marine-Infanterie, die noch
untätig bei ihrem Scheinangriff auf
Bulair ausharrten, abzuziehen und in
Marsch auf Kilid Bahr zu setzen. Aber
Hamilton wollte nach seinen horrenden
Verlusten kein weiteres Risiko eingehen.
Obwohl sich die ANZAC-Truppen bei
Gaba Tepe eingegraben hatten und die
Spitze der Halbinsel Gallipoli in
alliierter Hand blieb, musste auch dieser
Versuch, nach Istanbul vorzustoßen, als
Fehlschlag verbucht werden.
Churchills Rücktritt
Die ANZAC-Streitkräfte lagen unter
dauerndem Störfeuer. In den folgenden
Wochen und Monaten folgten zahlreiche
beiderseitige Angriffe und Gegenstöße,
verbunden mit hohen Verlusten. Am 19.
Mai begannen 40.000 Türken einen
Großangriff auf die verbliebenen 10.000
Mann Australier und Neuseeländer von
Gaba Tepe, um sie ins Meer zu werfen.
Ihre Attacke scheiterte unter erheblichen
Verlusten. Der Krieg biss sich in
blutigen Graben- und Stellungskämpfen
fest, wobei jeweils nur wenige Meter
Land gewonnen wurden oder verloren
gingen. Es gab drei sogenannte
Schlachten um das Dorf Krithia mit
Verlusten zwischen 25 und 30% der
Kämpfer ohne jeden entscheidenden
Erfolg. Am 12. Mai unternahm das auf
der Schichau-Werft in Danzig gebaute
Torpedo-Boot
»Muavenet«
unter
Kapitänleutnant Rudolph Firle aus den
Dardanellen
auslaufend
einen
Nachtangriff und versenkte mit einem
Torpedo
das
Linienschiff
HMS
»Goliath«. Wenig später erreichte
Kapitänleutnant Otto Hersing in
vierwöchiger Fahrt von Wilhelmshaven
kommend als Kommandant von U-21
sozusagen mit dem letzten Tropfen
Treibstoff die Dardanellen. Am 25. Mai
versenkte er mit Torpedo-Treffer vor Ari
Burnu
im
ANZAC-Bereich
das
Linienschiff HMS »Triumph« und am
27. Mai die HMS »Majestic«. Damit
hatten die Alliierten innerhalb von gut
zwei Monaten die Hälfte ihrer
Schlachschiffe
durch
Totalverlust
eingebüßt. Das zwang die Briten zum
Abzug ihrer restlichen schweren
Einheiten und verschaffte den Türken
Erleichterung vor dem Beschuss mit
schwerer Artillerie. Die erneuten
Schiffsverluste riefen eine Welle der
Empörung in England hervor. Da
Churchill die Verantwortung für das
Scheitern der Dardanellen-Offensive
trug, trat er bereits am 18. Mai 1915 von
seinem Amt als Marineminister zurück
und meldete sich kurzzeitig als
Frontoffizier nach Flandern.
Gallipoli um 1915: Man trifft sich am Brunnen
Hamilton und Gourand
Beteiligung französischer Artillerie
Die todgeweihte »Triumph« wird evakuiert
Abklingen der Kämpfe
Die Großkampfschiffe waren in sichere
Entfernung abgezogen. Dennoch blieb
die Marine der Alliierten aktiv. Sie
brachte den Nachschub in die
künstlichen Häfen, die bei Kap Helles
entstanden waren. Dardanellen und
Bosporus
verfügen
über
eine
Oberwasser-Strömung von vier bis fünf
Knoten Fließgeschwindigkeit, die von
dem starken Zufluss der Donau und der
russischen Ströme ins Schwarze Meer
herrührt. Dazu gibt es eine etwas
schwächere Unterwasser-Strömung, die
schwereres, stärker salzhaltiges Wasser
den umgekehrten Weg nehmen lässt.
Kleinere U-Boote der Alliierten drangen
mit der Unterwasserströmung durch die
Dardanellen ins nördlich anschließende
Marmara-Meer und störten während
sieben Monaten die türkische
Schifffahrt mit dem Nachschub für
Gallipoli, beschossen Eisenbahnzüge
und versenkten zwei Frachter in Istanbul.
Ab dem 6. August begann Hamilton mit
seinen Truppen eine neue Offensive. Er
verfügte nun über 120.000 Mann. Er ließ
zwei Divisionen nördlich von Gaba Tepe
in der Suvla-Bucht anlanden. Nunmehr
standen seinen 20.000 Mann nur 1.500
türkische
Verteidiger
unter
dem
bayerischen Major Wilhelm Willmer
gegenüber. Der Schlag, der zusammen
mit
einem
Ausbruch
der
ANZAC-Truppen auf Kilid Bahr
durchgeführt werden sollte, brach sich an
den zerklüfteten Felsen und an den von
Kemal Atatürk herangeführten Reserven
in
ihren
besseren
Verteidigungsstellungen. Der letzte Ver-
Die letzten Minuten der »Triumph« nach Torpedotreffer von U21
such, den Erfolg zu erzwingen, endete
am 21. August mit der Niederlage der
Briten am Scimitar-Hügel. Die Schlacht
um Gallipoli war nicht mehr zu
gewinnen.
Hamilton wurde im Oktober 1915
abgelöst. Lord Kitchener besuchte am
15. November Gallipoli. Er überzeugte
sich bei der Inspektion der Front, dass
hier nutzlos Truppen verheizt worden
waren und beschloss die Evakuierung
der britischen Armee.
Ab 18. Dezember erfolgte die
disziplinierte Einschiffung, die zunächst
von den Türken wegen des schlechten
Wetters als Abzug nicht erkannt wurde.
Doch dann griffen sie den Feind mit
enormer Heftigkeit an, der Massen von
Ausrüstungsmaterial
zurück
lassen
musste. Am 9. Januar 1916 verließen die
letzten alliierten Soldaten Gallipoli.
Die Folgen der Niederlage bei
Gallipoli
Als sich die Niederlage der Briten nach
der
August-Offensive
deutlich
abzeichnete, trat Bulgarien am 14.
Oktober 1915 an der Seite der
Mittelmächte in den Krieg ein. Obwohl
England freundlich gesonnen, vermied
Griechenland nun, ein Bündnis mit den
Briten einzugehen. Es bestand auch eine
gewisse Verärgerung der Griechen, weil
die Briten unter Bruch der Neutralität die
griechische Insel Limnos besetzt hatten,
um sie als Ausgangsbasis für das
Gallipoli-Unternehmen zu nutzen.
Rumänien und damit der übrige Balkan
geriet
unter
den
Einfluss
der
Mittelmächte. Am 26. April musste sich
eine britische Armee den verstärkten
türkischen Einheiten im Raum Bagdad
bei Kut-el-Amara ergeben.
Das deutsche Marine-U-Boot S.M. »U21« läuft nach erfolgreicher Versenkung der »Triumph«
unter Kptlt. Otto Hersing in Konstantinopel ein
Die gravierendsten Folgen ergaben sich
für Russland. Es blieb weiter von den
Hilfeleistungen
seiner
westlichen
Bündnispartner isoliert. Hatte schon die
Niederlage im Russisch-Japanischen
Krieg für revolutionäre Unruhen im
Zarenreich gesorgt, so nahm auch im
Verlauf
des
Weltkrieges
die
Unzufriedenheit im Volk zu. Ein Sieg
der Alliierten bei Gallipoli und damit die
seit Iwan III. (1440 - 1505) Jahrhunderte
lang gehegte Hoffnung, Istanbul zu
besetzen und die 1453 von den Osmanen
eroberte Stadt für das Christentum
zurück zu gewinnen, hätte mit Sicherheit
die bolschewistische Oktoberrevolution
von 1917 verhindert, das Zarentum
gesichert und der Weltgeschichte eine
ganz andere Richtung gegeben.
Die türkischen Verteidiger setzten
315.500 Soldaten gegen ihre Gegner ein.
Darunter sollen sich nach David Hoggan
(„Meine Anmerkungen zu Deutschland“,
Tübingen 1990, S. 209) etwa 500
Deutsche in führenden Positionen
befunden haben, von denen 10% fielen.
Die Verluste der Türken summierten
sich auf 57.263 Tote und 156.619
Verwundete.
Nicht erst nach hundert Jahren muss man
sich angesichts des Opfers, des Tötens,
des Blutes und Schweißes, des
Verstümmelns, des Leidens und der
Schmerzen, des Hungers und des
Entbehrens fragen: Wofür? Oder: Für
wen? Gleichzeitig lässt sich feststellen:
Die Menschheit hat sich nicht geändert.
Und klüger geworden ist sie auch nicht.
Die Verluste
In die Schlacht von Gallipoli schickte
das britische Weltreich inklusive seiner
Kolonialund
ANZAC-Einheiten
469.000 Soldaten. Die Franzosen stellten
samt
Kolonialtruppen
und
Fremdenlegionären 79.000 Mann ins
Feld. Es befanden sich jedoch nie mehr
als maximal 128.000 Mann alliierter
Truppen zum selben Zeitpunkt auf der
Halbinsel Gallipoli. Von den Alliierten
fielen 44.072, und 97.037 wurden
verwundet.
Minentreffer in der Bordwand der »Goeben«
„Schicksale deutscher Schiffe“ berichtet
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