jugendservice.at Wege aus der Essstörung Zurück zum Genuss GEHT! WISSEN, WAS Wege aus der Essstörung Zurück zum Genuss Inhalt: Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Bildung und Gesellschaft, Gruppe Jugend, JugendService, Bahnhofplatz 1, 4021 Linz. Tel.: +43 732 665544; Mail: [email protected] www.jugendservice.at Redaktion: Mag.a Katharina Pascher, Mag.a Carola Taugwalder Leitung: Mag. Christian Mülleder Grafik: Fischer; Druck: BTS Druckkompetenz GmbH Auflage: Juli 2016 Seite 3 4 6 8 10 12 14 16 18 19 20 21 22 Vorwort Ein gewichtiges Problem Checkliste – Bist du gefährdet? Was zeigt die Waage? Fühl dich wohl! Was heißt hier Essstörung? Magersucht (Anorexie) Ess-Brech-Sucht (Bulimie) Ess-Attacken-Störung (Binge-Eating-Störung) So kommst du wieder raus! Therapiekosten Gesunder Lebensstil Tipps für Freunde und Freundinnen Buchtipps, Infos im Internet Für diese Broschüre wurden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des JugendService Informationen eingeholt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Qualität des Angebotes kann von uns keine Gewähr übernommen werden. Die Auflistung erfolgt ohne Wertung und Empfehlung. Alle angeführten Links wurden auf ihre Seriosität überprüft und waren zum Zeitpunkt der Erstellung der Broschüre frei von illegalen Inhalten. Liebe Jugendliche! Etwa 34.000 Oberösterreicher und Oberösterreicherinnen leiden zumindest einmal im Laufe ihres Lebens an einer Essstörung und auch Burschen sind zunehmend betroffen. Essstörungen beeinträchtigen nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Familie und Freunde. Das Land Oberösterreich will durch Aufklärung etwas gegen diese stille und im Verborgenen gehaltene Krankheit tun, damit diese erst gar nicht entsteht. Neben dieser Broschüre findet man auch unter www.jugendservice.at/essstoerung jede Menge Informationen sowie Adressen von Beratungs- und Therapieeinrichtungen. Bei der Suche nach fachlicher Unterstützung bietet das JugendService des Landes Oö. Information und Beratung an. Durch gezielte Information kann Betroffenen und deren Angehörigen rechtzeitig geholfen werden. Je früher die Krankheit erkannt und eine Therapie begonnen wird, desto größer ist die Heilungschance. Dr. Josef Pühringer Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer Landeshauptmann-Stv. Ein gewichtiges Problem Von Essstörungen sind großteils Mädchen und Frauen betroffen, aber auch Burschen und Männer erkranken daran. ➜ Wenn Wohlbefinden vom Körpergewicht abhängt … ➜ Wenn das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl fehlt … ➜ Wenn das Urteil der Außenwelt die Selbstachtung bestimmt … ➜ Wenn Liebe durch Perfektion „erkauft“ werden muss … ➜ Wenn der eigene Körper ständig abgelehnt wird … … dann kann dies zu einem gestörten Verhalten bei der Nahrungsaufnahme führen. Das Essen bzw. Nicht-Essen bestimmt zum größten Teil das Leben der Betroffenen. Unbeschwertes Genießen, gesunder Appetit und Hunger sind nicht möglich. Essen ist verbunden mit Scham- und Schuldgefühlen, der Angst zuzunehmen und dem Empfinden, zu versagen. 4 Nicht-Essen dagegen bedeutet Kontrolle und Macht und führt zu Gefühlen von Stolz und Unabhängigkeit. Die Kontrolle des Essverhaltens bestimmt das eigene Wohlbefinden. Am bekanntesten sind Magersucht und Bulimie. Sie sind in allen gesellschaftlichen Schichten anzutreffen und heute weiter verbreitet, als man vielleicht glaubt. Ursachen für Essstörungen sind vielfältig. Ein wichtiger Faktor jedoch liegt in der starken Betonung von Aussehen in unserer Gesellschaft und dem unrealistischen Schönheitsideal, das durch die Medien vermittelt wird. Plakate und Werbung werden mit Grafikprogrammen nachbearbeitet und so setzt sich ein Idealbild in den Köpfen der Menschen fest, das realistisch so gut wie nicht erreicht werden kann, ohne dem eigenen Körper und der Gesundheit massiv zu schaden. WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss Ein gewichtiges Problem Dies führt dazu, dass vor allem Jugendliche mangelndes Selbstwertgefühl einerseits durch übertriebenen Schlankheitswahn kompensieren wollen, andererseits Essanfälle zur Problemlösung und zum Ausfüllen innerer Leere dienen. Auf den eigenen Körper und seine Ernährung zu achten, ist eine gute Sache. Riskant wird es, wenn deine Gedanken nur noch um Essen und Körpergewicht kreisen, sodass dein Leben nur mehr von Essen oder Nicht-Essen bestimmt wird. Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen: Magersucht (Anorexia nervosa) Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) Es gibt aber auch noch andere Formen: Manchmal drehen sich die Gedanken vor allem um gesundes Essen und auch das kann zu Einschränkungen und Belastung führen. Oder – oft bei Burschen der Fall – man möchte besonders fit und muskulös aussehen und das kann Stress und Einschränkungen verursachen. Hier gibt es die „nicht näher bezeichnete Essstörung“ für Mischformen bzw. Essstörungen, die nicht die Kriterien für eine der anderen Kategorien erfüllen. Egal, wie die Bezeichnung sein mag – wichtig ist es, sich Unterstützung und Hilfe zu holen, wenn Essen, Aussehen, Körpergewicht und/oder Sport zur Belastung werden und man sich im eigenen Körper nicht mehr wohlfühlt. Esssucht (Binge-Eating-Disorder) JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 5 Checkliste Wenn du wissen willst, ob dein Essverhalten auffällig ist, kreuze ehrlich folgende Fragen an, die auf dich zutreffen. Ist Essen für dich gleichbedeutend mit Kalorienzählen – der Beschäftigung damit, was du dir heute noch an Essbarem „leisten“ darfst? Ist die Waage schon beinahe deine beste Freundin – die du mehrmals am Tag „besuchst“ und von deren Anzeige es ab- hängt, ob du gut oder schlecht drauf bist? Verschiebst du alle Vorhaben auf den Zeit- punkt, an dem du endlich schlank bist und mit dem Leben beginnen kannst? Weißt du nicht mehr genau, wie es sich anfühlt, wenn du hungrig bist? Dreht sich der Großteil deiner Gedanken um Aussehen, Figur und Gewicht? Verbringst du deine Freizeit gegenüber früher oft alleine und weniger mit Freunden oder Freundinnen? 6 Bin ich gefährdet? Nimmst du Appetitzügler, Abführmittel, Entwässerungspillen? Du bist gefährdet … Gehst du nach dem Essen regelmäßig auf die Toilette, um zu erbrechen? ➜ wenn dir die Fragen unangenehm sind oder dich nachdenklich stimmen. Gibt es für dich „verbotene“ und „erlaubte“ Nahrungsmittel? ➜ oder wenn du einige davon mit JA beantwortet hast. Hast du Heißhungeranfälle, bei denen du Essen wahllos und unkontrolliert in dich hineinstopfst? Bekochst du gerne Familie und Bekanntenkreis, während du gar nichts zu dir nimmst? Fühlst du dich dabei überlegen und stark? Hast du dir in letzter Zeit Süßes gegönnt – mit Genuss und ohne Gedanken an Kalorien – und dir anschließend Selbstvorwürfe gemacht? Isst du mehr, wenn du wütend, traurig oder frustriert bist? ➜ oder wenn dein BMI im Bereich starken Untergewichts oder starken Übergewichts liegt. Es kann sein, dass mit deinem Essverhalten etwas nicht stimmt oder du bereits an einer Essstörung leidest. Mögliche Wege aus der Essstörung findest du auf Seite 18. Liegt dein BMI außerhalb der Grenzen für Normalgewicht? WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 7 Was zeigt die Waage? Die Waage sollte nicht als alleiniges Mittel zur Einschätzung von gesundem bzw. ungesundem Körpergewicht herangezogen werden – es gibt noch andere Möglichkeiten. Der Body-Mass-Index (BMI) kann dir einen Hinweis geben, wie es um dein Gewicht bestellt ist. Diese Berechnung orientiert sich an deiner Körpergröße und dem derzeitigen Gewicht und gibt eine Orientierung für die Einordnung deines Gewichtes. Den BMI kannst du unter www.jugendservice.at/ernaehrung errechnen. BMI = Beispiel: Körpergewicht in kg Körpergröße x Körpergröße in m 70 kg 1,73 x 1,73 = BMI 23,4 Die Berechnung berücksichtigt aber zum Beispiel nicht, dass Muskelgewebe mehr wiegt als Fettgewebe und ist daher kein absolutes Maß zur Einordnung des Körpergewichts. Bei 8 Fühl dich wohl! Unsicherheiten wendest du dich am besten an den Arzt oder die Ärztin deines Vertrauens, der bzw. die dein Gewicht individuell für dich und deine Lebensgewohnheiten einschätzen kann. Infos zu gesunder Ernährung, zum BMI und zur WHR (Waist-Hip-Ratio) findest du unter www.gesundheit.gv.at Zudem ist es nicht nur von Essen und Sport abhängig, wie sich dein Gewicht verhält, auch die Gene und die Veranlagung spielen eine Rolle. Es gibt Menschen, die viel essen können und trotzdem eher dünn bleiben und damit auch kein Problem haben. Andere haben von Natur aus ein Gewicht, das im oberen Bereich des Normalgewichts liegt und sind fit und fühlen sich pudelwohl. Unabhängig vom Gewicht ist es wichtig, sich mit dem eigenen Körper wohl zu fühlen und dabei spielt mehr eine Rolle als eine bestimmte Zahl auf der Waage. Ein anderes Maß zur Einschätzung deines Körpergewichtes ist die Waist-to-Hip Ratio (WHR). Hier werden der Taillenumfang und der Hüftumfang zueinander ins Verhältnis gesetzt. WHR = Umfang der Taille Umfang der Hüfte Da vor allem Bauchfett nachteilig für die Gesundheit ist, sollte dieses Verhältnis bei Männern kleiner als 1,0 und bei Frauen kleiner als 0,85 sein. WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 9 Was heißt hier Essstörung? Denkst du sehr viel ans Essen? Lass es dir bloß nicht vermiesen! Gedanken ans Essen sollten nicht zum Mittelpunkt deines Lebens werden. Eine Essstörung ist am Umgang mit Essen erkennbar und mit folgenden Fragen zu überdenken: ➜ Ist Genießen möglich? ➜ Ist kontrollierter Umgang mit Essen (nicht zu viel – nicht zu wenig) selbstverständlich? ➜ Ist Essen ein Thema, das Gedanken, Gefühle und Tagesablauf beherrscht? Nicht jeder oder jede Jugendliche, der oder die Diäten ausprobiert und abgenommen hat, ist magersüchtig und nur weil jemand ab und zu einmal große Portionen ver- drückt, leidet dieser Mensch nicht an Ess- 10 Persönlichkeitsbezogene Faktoren Familienbezogene Faktoren Sozio-kulturelle Faktoren Biologische Faktoren sucht oder Bulimie. Aber für einige ist ein derartiges Verhalten der Anfang einer ernstzunehmenden Essstörung. Verhaltensweisen werden entwickelt, die sehr stark von einer durchschnittlichen Norm in suchtartiger, krankhafter Art abweichen können. Von Essstörungen betroffen sind in erster Linie Mädchen und junge Frauen zwischen 12 und 25 Jahren. Zunehmend erkranken auch Burschen und junge Männer. Jedes zweite Mädchen hat bereits mit Diäten experimentiert. Gerade dieses Experimentieren mit Hungerkuren kann dazu führen, dass ein gesundes Essverhalten verlernt wird. Hunger und Sättigung werden nicht mehr normal empfunden, es wird mehr oder weniger gegessen, als der Körper verlangt. Damit beginnt ein Teufelskreis rund um eine eigentlich schöne Sache: das Essen. WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss Fressanfall Angst/Frust/Stress wird abgebaut Hungern Essen + Erbrechen Angst vor Dicksein Verleugnen der Essprobleme gestörter Selbstwert Schuldgefühle Körperliche und seelische Veränderungen Heißhunger und Fressattacken Essensverweigerung Persönliche Krise Belastungen JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 11 Magersucht (Anorexie) „ Je mehr sie auf mich einredeten, umso entschlossener wurde ich, nichts zu essen. Ich wollte so gern mager sein. Nichts konnte mich davon abhalten. Aussage einer Betroffenen “ Magersucht (Anorexie) So kann sich die Störung zeigen Folgende körperliche und seelische Probleme können auftreten • Diäten wechseln mit Hungern • erhöhte Kälteempfindlichkeit • Verstopfung Was meistens vorhanden ist Was im Kopf abläuft • nur kleine Kalorienmengen werden zu sich genommen • Beginn in der Zeit der Pubertät • geringes Selbstwertgefühl • exzessiv Sport betreiben • nach innen gerichtete Persönlichkeit • Angst, dick zu sein oder zu werden • häufiges Wiegen • angepasstes Verhalten • verzerrte Körperwahrnehmung • sehr fürsorgliche Familie • gestörte Beziehung zum eigenen Körper (Körperschemastörung) • selbstherbeigeführter Gewichts- verlust unter BMI=17,5 in kurzer Zeit • Angst vor Gewichtszunahme • um mit Problemen fertig zu werden, wird NICHT gegessen • Ablehnung des Erwachsenwerdens und der Sexualität • gerne für andere kochen, aber selbst nicht essen • fehlende Krankheitseinsicht • Perfektionismus begleitet vom Gefühl der Wertlosigkeit • Selbstverletzungen • Ausbleiben der Menstruation • Wachsen von feiner Körperbehaarung bei Untergewicht • Kreislaufbeschwerden/Kollapsneigung • Schlafstörungen • Nervosität • Persönlichkeitsveränderung • sozialer Rückzug • Blutbildveränderung • Osteoporose • zunehmender körperlicher Verfall bis zum Tod (Sterberate zwischen 5 % und 13 %) 12 WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 13 Ess-Brechsucht (Bulimie) „ Ich bin jemand, der zuviel isst, der zuwenig isst, der sich erbricht. Haltet mir keine Vorträge. Ich bin krank. Versteckt kein Essen vor mir, es ist umsonst, denn ich finde immer wieder Wege, es zu bekommen. Aussage einer Betroffenen Was meistens vorhanden ist Was im Kopf abläuft • nach außen gerichtete Persönlichkeit • panische Angst vor Gewichtszunahme • Beginn zwischen 15 und 20 Jahren • Selbstwert wird von Figur bestimmt • sozial unauffällig • um mit Problemen fertig zu werden, wird gegessen • erlebte möglicherweise sexuelle Übergriffe • möglicherweise Verlust von naher Bezugsperson • wenig Selbstvertrauen • Äußeres wichtiger als Persönlichkeit • Ess-Brech-Kreislauf ist ein Ventil für Frustrationsgefühle, Enttäuschungen, Ärger, Wut, Einsamkeit, Langeweile “ Ess-Brechsucht (Bulimie) So kann sich die Störung zeigen Folgende körperliche und seelische Probleme können auftreten • unkontrollierte Essanfälle mindestens 2 x wöchentlich, 3 Monate lang • Verätzung im Mund und Rachenbereich durch Magensäure bei Erbrechen • Unmengen an Nahrungsmitteln werden konsumiert; in der Folge Versuch der Gewichtskontrolle durch Erbrechen, Fasten, exzessiver Sport, Missbrauch von Abführmitteln etc. • Magen-Darmprobleme • Haut, Haare, Zahnschmelz werden angegriffen • Neigung zu Osteoporose • Stimmungsschwankungen • Entgleisung des Elektrolythaushaltes durch Erbrechen (Ungleichgewicht von gewissen Mineralstoffen im Körper kann zu Herzproblemen, Organversagen, Fehlfunktionen des Nervensystems und sogar zum Tod führen) • Schuld- und Schamgefühle • Herzrhythmusstörungen • großer Leidensdruck • Ausbleiben der Menstruation • ständige Gewichtskontrolle • negatives Körperbild • ständiges Denken ans Essen • Gewicht durchaus normal • Wissen um die Krankheit • sozialer Rückzug • depressive Verstimmung • Selbstabwertung • Müdigkeit, Konzentrationsprobleme 14 WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 15 Ess-Attacken-Störung Ess-Attacken-Störung (binge eating disorder) „ Ich hatte mir immer gewünscht beliebt zu sein, gemocht zu werden. Aber ich war einsam. Ich füllte diese Leere mit Essen und Süßigkeiten aus. Aussage einer Betroffenen Die Störung lässt sich auf Grund des Erscheinungsbildes zu den seelisch begründbaren, körperlichen Erkrankungen zählen. Im Verlauf ist sie mit der Bulimie vergleichbar; das häufige Erbrechen nach dem Essanfall findet jedoch nicht statt. Als Ausgleich wird auch nicht exzessiv Sport betrieben oder gefastet. Sie ist nicht gleichzusetzen mit der „Fettsucht = Adipositas“, welche sich durch Dynamik und ursächlich genetische Faktoren unterscheidet. Von Ess-Attacken-Störung spricht man dann, wenn mindestens einmal in der Woche Essanfälle auftreten und das über 3 Monate hinweg. Was meistens vorhanden ist • Übergewicht (bereits im Kindesalter) • depressive Neigung • Störung der Körperwahrnehmung • Erfahrung mit Diäten • geringes Selbstwertgefühl • Probleme im Umgang mit Konflikten • negative Gefühle wie Ärger, Frust Essattacken treten häufig in Zeiten von seelischer und nervlicher Belastung auf. 16 “ WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss (binge eating disorder) So kann sich die Störung zeigen • Unkontrollierte Essanfälle mindestens 1x wöchentlich über einen Zeitraum von 3 Monaten. • Tritt häufig während oder nach einer Diät auf. • Kontrollverlust während des Essanfalls. Es werden große Mengen gegessen, obwohl man nicht hungrig ist. • Es wird allein gegessen aus Verlegenheit über die Menge, die man isst. Folgende körperliche und seelische Probleme können auftreten • Überbelastung des Herzens und des Kreislaufs • Überbelastung des Skeletts • Schäden an der Leber, Niere • Diabetes • Gelenksleiden • Verzweiflung • Depression • Ekelgefühle gegenüber sich selbst, Deprimiertheit oder große Schuld- gefühle nach einem Essanfall. • Keine Ersatzhandlungen wie Erbrechen, Fasten, exzessiver Sport, Abführmittel. • Ohne Hungergefühl wird sehr schnell gegessen. • Unangenehmes Völlegefühl während des Essanfalls. JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 17 So kommst du wieder raus! Die meisten betroffenen Jugendlichen sprechen ungern über ihr Essproblem und wissen zu wenig über Hilfsangebote Bescheid. Einerseits leiden sie an ihrem Zustand, andererseits sind sie unfähig, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Es gibt erfolgversprechende Behandlungsprogramme, wenn du deine Essstörung und die damit verbundenen Auslöser ernst nimmst. Bei Betroffenen, die stark untergewichtig oder stark übergewichtig sind, können medizinische Maßnahmen sinnvoll und im Extremfall lebenserhaltend sein. Ein Krankenhausaufenthalt ist nur dann notwendig, wenn die Essstörung bereits lange andauert, sodass: ➜ der Gewichtsverlust lebensbedrohlich ist ➜ die Stimmungsschwankungen entgleisen und Gedanken an Selbstmord auftreten ➜ die Folgen des häufigen Erbrechens lebens- bedrohlich sind ➜ ambulante Behandlung keinen Erfolg zeigt ➜ durch Übergewicht bereits große Stoff- wechselstörungen bestehen 18 Wir wollen dich zu einer psychologischen Betreuung motivieren, indem wir dir zu deiner Orientierung 3 Schritte aufzeigen. 1. Schritt: Ich gestehe mir ein, dass mein Essverhalten gestört ist und will eine Veränderung. 2. Schritt: Ich möchte über mein Problem reden. ➜ Mögliche Ansprechpersonen findest du in Beratungseinrichtungen, bei Essstörungshotlines, bei Ärzten oder Ärztinnen. 3. Schritt: Ich entscheide mich, eine Therapeutin oder einen Therapeuten aufzusuchen und „dran“ zu bleiben. Ich möchte einem professionellen Helfer oder einer professionellen Helferin vertrauen können, mein Essverhalten normalisieren und die Fähigkeit, Probleme zu bewältigen und Beziehungen einzugehen, verbessern. Mein Selbstwert soll gestärkt und meine Einstellung zum eigenen Körper verändert werden. WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss Therapiekosten Adressen von Therapie- und Beratungseinrichtungen erhältst du in den 14 JugendService-Regionalstellen und unter www.jugendservice.at/essstoerung Es gibt einige Stellen, die Beratung und Therapie kostenlos anbieten. Unter www.jugendservice.at/essstoerung findest du eine Auflistung aller Beratungsund Therapieeinrichungen in OÖ. Über die Clearingstelle der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse gibt es ebenfalls die Möglichkeit zu einer kostenlosen Psychotherapie. Therapeutin bzw. dem Therapeuten über die Kosten – Erstgespräche sind manchmal auch kostenlos möglich. Es ist nicht einfach, durch den Dschungel der Therapieangebote durchzublicken. Welches für dich passt, kann in einem Erstgespräch mit einer Beraterin bzw. einem Berater oder einem Therapeuten bzw. einer Therapeutin geklärt werden. Mit viel Geduld, Konsequenz und klaren Zielen kannst du den Weg aus einer Essstörung finden. Die Jugendberater und Jugendberaterinnen in den 14 JugendService-Regionalstellen (siehe letzte Seite) unterstützen dich. Bei privaten Therapeuten und Therapeutinnen erhältst du nach ärztlicher Verordnung (z.B. vom Haus-arzt) einen geringen Kostenanteil pro Therapieeinheit von der Krankenkasse retour. Am besten erkundigst du dich vorher bei der jeweiligen JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 19 Tipps für Freundinnen und Freunde Gesunder Lebensstil Eine gesunde Lebensweise beruht auf mehreren Säulen: Ernährung, Bewegung (Sport), seelischem Gleichgewicht, Verzicht auf Alkohol und Nikotin oder andere Suchtmittel. mäßig sparsam Ernährungsempfehlungen wandeln sich ständig. Als zeitgemäß und grundlegend kann die Ernährungspyramide herangezogen werden. Vereinfacht dargestellt sieht sie so aus: Zucker, Streichfett, Süßigkeiten Eier, rotes Fleisch, Wurst, Milchprodukte, Käse Pflanzliche Öle, Nüsse, Hülsenfrüchte, Fisch, Geflügel täglich Vollkornprodukte, Reis, Nudeln 20 Obst, Salate, Gemüse 1,5 bis 2 l Flüssigkeit/Suppen täglich, Bewegung, Sport, Ausdauertraining Tipps für eine gesunde Ernährung: ➜ 5x täglich Obst und Gemüse (1 Portion = eine Handvoll) ➜ mehr Vollkornbrot als Weißbrot ➜ 2-3x in der Woche Fleisch und Eier ➜ öfter Fisch als Eiweißquelle verwenden ➜ sparsam mit Fetten umgehen ➜ viel trinken (1,5 - 2l /Tag), am besten Wasser, Tee und stark verdünnte Fruchtsäfte, weniger gezuckerte Limonaden ➜ täglich Milchprodukte ➜ regelmäßig Bewegung Wenn Energiezufuhr (Kalorienzufuhr) und Energie- verbrauch (Kalorienverbrauch) ausgewogen sind, wird dein Gewicht gleich bleiben. Wer mehr isst, als er durch Arbeit und Sport abbaut, wird zwangsläufig zunehmen und übergewichtig werden. Die beste Art, Kalorien zu verbrennen und Kondition aufzubauen, sind Ausdauersportarten wie z.B. Joggen, Inline-Skating, Schilanglauf, Schwimmen, Nordic-Walking. Wo du in Oberösterreich aktiv Sport betreiben kannst, erfährst du am besten bei den beiden Landes- verbänden SPORTUNION www.sportunionooe.at (Vereinsdatenbank) und ASKÖ www.askoe-ooe.at WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss Was kannst du tun, wenn du vermutest oder weißt, dass eine Freundin/ein Freund von einer Essstörung betroffen ist? ➜ Gib ihr/ihm nicht das Gefühl, dass du sie/ihn kontrollierst, beobachtest oder bemitleidest; ➜ Sprich deine Freundin oder deinen Freund an, wie es ihr/ihm geht und was du beobachtest. Das ist wichtiger, als über Essen, Gewicht oder Figur zu reden. Führe dieses Gespräch in einer ungestörten Umgebung, zu einem Zeitpunkt, wo du selbst unbelastet und ausgeglichen bist; ➜ Schau ganz bewusst auf die Stärken, Fähigkeiten und Liebenswürdigkeiten von ihr/ihm und sprich diese auch an; ➜ Vermeide Vorwürfe, Anklagen oder herabsetzende Äußerungen – sprich aus, dass du dir Sorgen machst und biete Hilfestellung an (z.B. Literatur besorgen, zu Beratungen begleiten, zuhören); ➜ Hol dir in Beratungsstellen selbst Unter- stützung, Informationen und Literaturlisten; ➜ Die Essstörung ist nur ein Teil von der Persönlichkeit deiner Freundin/deines Freundes – es wirkt sich negativ aus, wenn du nur mehr diesen einen Teil siehst und besprichst; ➜ Nur wenn die oder der Betroffene selbst gesund werden will, ist eine Therapie sinnvoll. Viel Eigeninitiative ist notwendig, um aus einer Essstörung heraus zu kommen; ➜ Pass gut auf dich selbst auf und überprüfe, ob du dich nicht ausgenutzt oder überfordert fühlst; ➜ Überlege dir, wer sonst noch Ansprechperson für die Probleme deiner Freundin/deines Freundes sein kann (Vertrauenslehrer oder -lehrerin, Schularzt oder Schulärztin, ältere Geschwister, Eltern ...); ➜ Ziehe diese Person auch ins Vertrauen, wenn du dir große Sorgen machst und allein nicht mehr weiter weißt; JUGENDSERVICE – Wissen, was geht! 21 Buchtipps, Infos im Internet Hilfe zur Selbsthilfe: Umfassende Information und Hilfe zur Selbsthilfe bieten viele Bücher an. Unter folgenden Links findest du Bücherlisten: www.essstoerungshotline.at/literatur www.bulimie.at/buecherliste.html Bücher zur Selbsthilfe können ein erster Schritt auf dem Weg sein, die Essstörung zu bekämpfen. Du bekommst Infos und kannst über die Erfahrungen anderer lesen. Vielleicht hilft dir das auch beim Schritt in eine psychologische Beratung oder Therapie. Im Kontakt mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin ist es möglich, kontinuierlich an sich zu arbeiten und Schritte zur Veränderung zu setzen. Gute Links zu Ernährung und Gesundheit: www.forum-ernaehrung.at www.gesundheit.gv.at www.aid.de www.gesundheit.de/ernaehrung 22 nd erlaubt! Alle Fragen si rum, dass Uns geht´s da lichkeiten du deine Mög kennst! Im Internet findest du Infos zum Thema auf folgenden Seiten: Jobsuche? hilft her JobCoach Dein persönlic e nach dem dir bei der Such ildungsplatz. sb Au passenden www.jugendservice.at/essstoerung www.essstoerungen.ooe.gv.at www.ess-stoerungen.at www.netzwerk-essstoerungen.at www.karwautz.at www.bulimie.at www.essstoerungshotline.at Information, anonyme und kostenlose Hilfe und Beratung für Betroffene bieten auch Essstörungshotlines an: cht? Nachhilfe gesu rse. unserer Lernbö in an ch di Melde WORLD REGIONAL BERATUNG Tel. 0800-201120 Mo - Do 12.00 - 17.00 E-Mail: [email protected] Tel. 0512-576026 Mo - Do 13.00 - 18.00 E-Mail: [email protected] WEGE AUS DER ESSSTÖRUNG – Zurück zum Genuss GEHT! WISSEN, WAS n? Geld verdiene Ferien- und r Angebote fü dest du in Nebenjobs fin bbörse. unserer Ferialjo Probleme? onym und Wende dich an sere un an vertraulich . ng tu ra Online-Be Deine Frage bei? ist hier nicht da r de in Melde dich in le el Regionalst deiner Nähe! WISSEN, WAS GEHT! Wege aus der Essstörung Zurück zum Genuss Essstörungen JugendService 14 x in ganz OÖ Zentrum Linz 4021 Linz | Bahnhofplatz 1 0732.665544 | [email protected] Regionalstellen Braunau 07722.22233 | Eferding 07272.75823 Freistadt 07942.72572 | Gmunden 07612.64455 Grieskirchen 07248.64464 | Kirchdorf 07582.60416 Perg 07262.58186 | Ried 07752.71515 | Rohrbach 07289.22444 Schärding 07712.35707 | Steyr 07252.54040 Vöcklabruck 07672.75700 | Wels 07242.211411 jugendservice.at Diese Broschüre informiert über: BMI, Ursachen und Folgen von Essstörungen, Hilfsmöglichkeiten, und Umgang mit Betroffenen. Wenn von Essstörungen gesprochen wird, darf der Blick auf einen gesunden Lebensstil nicht fehlen. Auch dazu gibt es in dieser Broschüre Denkanstöße und Tipps.