Natur Fotos: © Alamy; (hintergrund) Getty Images Ein Kuckuckskind für den Teichrohrsänger: Das Riesenbaby passt kaum ins Nest und schreit für vier Kleiner Vogel Nimmersatt „Kuckuck, Kuckuck“, ruft es bald wieder aus dem Wald. Wie sich der gleichnamige Vogel durchs Leben trickst, gehört zu den faszinierendsten Geschichten aus dem Tierreich Text: Dorothee Fauth [[1L]] daheim [[2R]] Natur [[1L]] daheim Ratespiel: Welches ist wohl das Kuckucksei? Erkennbar ist der Cuckoo (englisch), Coucou gris (französisch) oder Kukuschka (russisch) am gestreiften Bauch Steckbrief Der Cuculus canorus ist in fast ganz Europa und Eurasien verbreitet. Er besiedelt – immer abhängig von den Wirtsvögeln – alle Lebensräume zwischen Meer und Baumgrenze außer der arktischen Tundra und sehr dichten Wäldern. In Deutschland leben zwischen 51 000 und 97 000 Paare. Der Kuckuck ist etwa 33 Zentimeter groß und mit 95 bis 140 Gramm ein Leichtgewicht. Sein Flug kann dem eines Sperbers oder Turmfalkens ähneln. Damit täuscht das Männchen die Wirtsvögel, während das Weibchen Eier in fremde Nester legt. Größer, schneller, breiter ist auch das, was aus diesem Ei schlüpft. Schon nach zwölf Tagen Brutzeit pickt sich der kleine Turbo-Kuckuck aus der Schale – in der Regel vor seinen Stiefgeschwistern. Den ersten Job, den er dann seiner Natur gemäß erledigt, ist, die anderen Eier oder bereits geschlüpfte Küken aus dem Nest zu werfen. Er schiebt und drückt so lange, bis die Nahrungskonkurrenz über den Rand purzelt. Damit ist der Familiennachwuchs (also die Arterhaltung) für die Pflegeeltern ver­loren. Aber das Kuckuckskind hat nun Platz. Platz für eine Dramaturgie, die so faszinierend wie bizarr ist: Mit weit aufgesperrtem Schnabel und orange­rotem Rachen bettelt es um Nahrung und schreit für vier. Dieser Schlüsselreiz ist so stark, dass die Gasteltern alles geben und unermüdlich Futter heranschaffen. Das Kuckuckskind sitzt wie ein Pfropfen im fremden Nest Ausgewachsene Kuckucke fressen überwiegend Schmetterlingsraupen, auch behaarte und solche, die aufgrund ihrer Warnfarben von anderen Vögeln verschmäht werden, dazu andere Insekten, Käfer, Würmer und Schnecken. Daher müssen auch ihre Wirte Insektenfresser sein – bevorzugt Teichrohrsänger, Rotkehlchen, Bachstelzen, Grasmücken, Heckenbraunellen, Rotschwänze und der winzige Zaunkönig. Sie sind viel kleiner als ihr Zögling. Bald überragt das Riesenbaby seine Stiefeltern um ein Vielfaches und Fotos: © Mauritius images; (Hintergrund) getty images Z um Kuckuck mit diesem Vogel! Schafft er es doch tatsächlich, Verwirrung in unserer Gefühlswelt zu stiften. Als Frühlingsbote beglückt er, indem das Männchen mit der melodischen Terz „Ku-ku“, seinem Revier- und Balzruf, das Ende des Winters ausruft in eben zart ergrünten Wäldern. Der Dichter Hoffmann von Fallersleben, Verfasser unserer Nationalhymne, hat dieses Glück so in Worte gefasst: „Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald: Lasset uns singen, tanzen und springen! Frühling, Frühling wird es nun bald“ – und damit eines der bekanntesten Kinderlieder geschaffen. Gleichzeitig verurteilen wir den taubengroßen, graugefiederten Vogel mit Zebramuster auf dem Bauch: als heim­ tückischen Betrüger und faulen Brut­ schmarotzer, als Zerstörer von Rotkehlchens, Teichrohrsängers oder Zaunkönigs Familienglück. Die Natur ist nicht zimperlich, wenn es um den Erhalt des ökologischen Gleichgewichts geht. Doch fast überall fingert der Mensch darin herum. Und so gesellt sich zu Glück und Abneigung auch noch Sorge. Denn der Kuckuck, der sich anscheinend um gar nichts kümmert und ein süßes Vogelleben führen kann, macht sich inzwischen so rar, dass er es in Deutschland auf die Vorwarnliste der Roten Liste geschafft hat. Der scheue Vogel (man hört ihn nur und sieht ihn eigentlich nie) ist der populärste Brutschmarotzer unserer Tierwelt. Mit Nestbau und Aufzucht von Nachwuchs hält er sich nicht auf. Das Weibchen legt seine Eier in fremde Nester. Das geht blitzschnell, etwa während das Männchen die Pflegeeltern in spe ablenkt. Ganz schön raffiniert. Dabei jubelt die Kuckucksfrau jedem Wirts­vogel nur ein Ei ins Nest, und für den Fall, dass dieser nachzählt, nimmt sie ein anderes mit und verspeist es. Aber es geht noch raffinierter. Je nachdem, auf welchen Wirt die Vögel geprägt sind, sind die Eier farblich angepasst: mal einfarbig bläulich, mal gesprenkelt oder gefleckt. Mit den Maßen nimmt Frau es allerdings nicht so genau: Die Kuckuckseier sind größer. Doch dieser Schwindel bleibt meistens unbemerkt. sitzt wie ein Sektkorken im Nest. Nach drei Wochen wird es ihm dort definitiv zu eng, dann lässt sich der Wonneproppen weitere 21 Tage außerhalb davon füttern. Mitunter beteiligen sich sogar fremde Vögel an der Speisung des kleinen Nimmersatt. Warum der Kuckuck Brutparasitismus betreibt, ist bis heute nicht hinlänglich erforscht. Es hängt wohl auch damit zusammen, dass er ein Langstreckenzieher ist. Bereits im August bricht er auf ins südliche Afrika, wo er den Winter verbringt. Wenn er ab Mitte April zurückkehrt, sind seine Reviere bereits besetzt von Vögeln, die in den wärmeren Gefilden Europas überwintert und schon mit Nestbau und Eiablage begonnen haben. Seine kurze Ver- weilzeit versüßt sich der Kuckuck mit Weib, Balz und Gesang. Klingt nach lässigem Herumtreiber auf Liebesabenteuerurlaub. Doch dass er seinen Zieheltern auf Gedeih und Verderb verbunden ist, hat auch Nachteile: Geht es den Wirten schlecht, geht es auch dem Kuckuck schlecht. Konkret: Ohne Schilf kein Teichrohrsänger und kein Kuckuck. Überall, wo reich strukturierte Landschaften verschwinden und Insektizide das Nahrungsangebot schmälern, sind seine Bestandszahlen rückläufig. In jüngster Zeit macht sich ein weiteres Problem bemerkbar, das mit dem Klimawandel zusammenhängt. Milde Winter führen dazu, dass die Kurzstreckenzieher gar nicht mehr ziehen oder noch früher zurückkehren, während der Kuckuck einem (bislang) starren Zeitplan folgt. So kommt es zu Abstimmungsschwierigkeiten. Denn ist die Brut der Wirtsvögel bereits zu weit fortgeschritten, hat der Kuckuck das Nachsehen. Der Vogel, der so engelsgleich seinen Namen ruft und so teuflisch gerissen durchs Leben flattert, hat es in einigen Redensarten bis zum Stellvertreter des Teufels gebracht. „Scher dich zum Kuckuck“ meint nichts anderes als „Geh zum Teufel“. Unerfreulich ist auch, wenn man ein Kuckucksei ins Nest gelegt, also etwas Unangenehmes untergeschoben bekommt, und der Betroffene wird sich irgendwann vermutlich fragen: Weiß der Kuckuck, wie das geschehen konnte. Sein melodisches „Ku-ku“ aber hat dem Vogel stets zu viel Sympathie verholfen und ihm eine Karriere in Kuckucksuhren und als Orakel ermöglicht: An seinen Rufen zählten die Menschen früher ab, wie viele Jahre sie noch zu leben hatten. Und nicht nur in zahlreichen Volksweisen wie „Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ oder „Der Kuckuck und der Esel“ hat er einen starken Auftritt, Komponisten setzten ihm auch in Werken der klassischen Musik ein Denkmal. Als bekanntestes Beispiel gilt Beethovens Sinfonie in F-Dur Nr. 6 (Pastorale). Kuckuck nochmal, das soll ihm erst einmal einer nachmachen! [[2R]]