Pablo Heras-Casado Christian Tetzlaff | Genia Kühmeier Freitag, 21. November 2014, 10 Uhr Freitag, 21. November 2014, 20 Uhr Samstag, 22. November 2014, 19 Uhr Sonntag, 23. November 2014, 11 Uhr Wir bewegen uns IM RHYTHMUS DER ZEIT. Seit 150 Jahren 150 Jahre Juwelier Fridrich Jubiläumsedition Fridrich max bill by JUNGHANS limitiert auf je 150 Stück Automatik: € 670,– statt € 745,– Handaufzug: € 490,–statt € 545,– Von jeder verkauften Fridrich max bill Jubiläumsedition spenden wir 25,– Euro an: T R AU R I N G H AU S · SC H M U C K · J U W E L E N · U H R E N · M E I ST E RW E R KST Ä T T E N J. B. FRIDRICH GMBH & CO. KG · SENDLINGER STR ASSE 15 · 80331 MÜNCHEN TELEFON: 089 260 80 38 · WWW.FRIDRICH.DE Wo l f g a n g A m a d é M o z a r t „Pariser Symphonie“ D-Dur K V 297 (300a) 1. Allegro assai | 2. Andante | 3. Allegro Felix Mendelssohn Bartholdy Konzer t für Violine und Orchester e-Moll op. 64 1. Allegro molto appassionato | 2. Andante 3. Allegretto non troppo – Allegro molto vivace Gustav Mahler Symphonie Nr. 4 in vier Sätzen für großes Orchester und Sopransolo 1. Bedächtig. Nicht eilen | 2. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast 3. Ruhevoll. Poco adagio | 4. Sehr behaglich 3. und letzte Fassung Pablo Heras-Casado, Dirigent Christian Tetzlaff, Violine Genia Kühmeier, Sopran Freitag, 21. November 2014, 10 Uhr 2. Öf fentliche Generalprobe Freitag, 21. November 2014, 20 Uhr 1. Abonnementkonzer t k5 Samstag, 22. November 2014, 19 Uhr 2. Abonnementkonzer t g5 Sonntag, 23. November 2014, 11 Uhr 2. Abonnementkonzer t m Spielzeit 2014/2015 117. Spielzeit seit der Gründung 1893 Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016) Paul Müller, Intendant 2 Wolfgang Amadé Mozart: „Pariser Symphonie“ D-Dur „Alle Zuhörer wurden davon hingerissen“ Wolfgang Stähr Wolfgang Amadé Mozart Lebensdaten des Komponisten (1756–1791) Geboren am 27. Januar 1756 in Salzburg; gestorben am 5. Dezember 1791 in Wien. „Pariser Symphonie“ D-Dur KV 297 (300a) 1. Allegro assai 2. Andante 3. Allegro Entstehung Mozart komponierte die D-Dur-Symphonie KV 297 (300a), im Original „Sinfonia à 10 instrumenti“ betitelt, im Frühsommer 1778 in und für Paris, und zwar als Auftragswerk des „Concert spirituel“, einer der zentralen Institutionen im Musikleben der französischen Hauptstadt. Auf Drängen seines Direktors Joseph Legros schrieb Mozart für eine weitere Aufführung der dreisätzigen Symphonie ein neues „Andante“ – es sind daher zwei zweite Sätze zu KV 297 überliefert, der ursprüngliche und der nachkomponierte. Die Münchner Philharmoniker werden den früheren der beiden Sätze musizieren, also entstehungsgeschichtlich die Urfassung der „Pariser Symphonie“. Uraufführung Am Fronleichnamstag, dem 18. Juni 1778, in P­ aris in der „Salle des Cent-Suisses“ des Palais des Tuileries (Orchester des „Concert spirituel“ ­u nter Leitung von Pierre Lahoussaye, der gleichzeitig als Konzertmeister der ersten Geigen ­f ungierte). Die Zweitfassung mit dem neuen „Andante“ wurde noch im selben Sommer am 15. August erstmals gespielt. Wolfgang Amadé Mozart: „Pariser Symphonie“ D-Dur Der Traum von der Selbstständigkeit Paris sei „itzt der sicherste Orth, theils Geld zu machen, theils ohne forcht des Krieges zu l­ eben“, schrieb Leopold Mozart am 20. April 1778 an Frau und Sohn, die einen Monat zuvor in der Seine-Metropole eingetroffen waren. Am 24. März hatte Anna Maria Mozart ihrem in Salzburg ausharrenden Mann die Widrigkeiten der Fahrt geschildert: „Die 2 lesten täge aber hat uns der wind fast ersticket, und der Regen ersäuffet, das wür beyde in wagen waschnass sein worden, und schür nicht mehr schnaufen gekönt.“ Im Vollgefühl der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit, den Salzburger Pflichten und der väterlichen Autorität entronnen, hatte Wolfgang Amadé Mozart diese Reise angetreten. Die Pariser Monate aber, vom März bis zum September 1778, in denen sich alle Hoffnungen auf eine prestigeträchtige und einträgliche Stellung und auf bedeutende Kompositionsaufträge zerschlagen sollten, führten ihm deprimierend vor Augen, dass auch fern von Salzburg der Traum von der Selbstständigkeit nur eine I­ llusion war. „Bis in die Generation Mozarts hinein mußte ein Musiker, der sozial als ernstzunehmender Künstler anerkannt und zugleich in der Lage sein ­wollte, sich und seine Familie zu ernähren, eine ­Position innerhalb des Netzwerks der höfisch-aristokratischen Institutionen und ihrer Ableger finden“, betont der Soziologe Norbert Elias. „Er hatte keine andere Wahl. Wenn er die Berufung zu hervorragenden Leistungen [...] in sich fühlte, war es so gut wie selbstverständlich, daß er sein Ziel nur 3 auf dem Weg über eine feste Anstellung bei einem Hof, vorzugsweise bei einem prächtigen und reichen Hof, erreichen konnte.“ Gerade der finanzielle Druck setzte Mozart in Paris unter Erfolgszwang. In einem seiner zahllosen drängenden, fordernden, ermahnenden, beschwörenden Briefe versucht Leopold Mozart seinem Sohn den verhängnisvollen Ernst der Lage einzuschärfen: „Könntest du [...] von einem Prinzen in Paris einen monatl: Gehalt bekommen, – dann nebenbey fürs Theater, fürs ­C oncert Spirituel und fürs Concert des amateurs zu z­ eiten etwas arbeiten, – und dann einige mahl par subscription etwas gravieren lassen [...], so würden wir gewiß recht gut zu leben haben.“ Und Leopold wird, im selben Brief vom 6. April, noch sehr viel deutlicher: „Du weist, daß die Ehre mir mehr als mein leben gilt. – überlege den ganzen hergang der Sache – denke, daß ich bis itzt tiefer in schulden gerathen; da ich durch dich mich herauszureissen gedachte. – du weist ich stehe hier bey iederman in Credit –, so bald ich diesen verliere, ist auch meine Ehre hin: [...] Ich würde in solchem falle des gähen Todes hinfallen.“ Die Antwort, die er von seinem Sohn empfing, musste ihn zutiefst beunruhigen. Umgeben von „Viechern und ­Bestien“ „Es giebt ja kein ort in der welt wie Paris“, ließ Mozart seinen Vater wissen, doch ein Kompliment verbarg sich nicht hinter diesem ­S uperlativ, ganz im Gegenteil: „Wenn hier ein ort wäre, wo die leüte ohren hätten, herz zum empfinden, und nur ein wenig etwas von der Musique verstünden, und gusto hätten, so würde ich von 4 Wolfgang Amadé Mozart: „Pariser Symphonie“ D-Dur herzen zu allen diesen sachen lachen, aber so bin ich unter lauter vieher und bestien | was die Musique anbelangt | wie kann es aber anderst seyn, sie sind ja in allen ihren handlungen, lei­den­s chaften und Paßionen auch nichts a­ nders.“ Zuvor hatte er dem Vater von einem Besuch bei der Dûchesse de Chabot erzählt, die ihn z­ unächst eine halbe Stunde lang in einem eiskalten, ungeheizten Raum antichambrieren ließ, um ihn dann zwar höflich, aber auch vollkommen gleichgültig zu empfangen und ihn, während sie sich mußevoll zum Zeichnen niederließ, für eine weitere Stunde zu ignorieren. „Fenster und Thürn waren off. ich hatte nicht allein in händen, sonder[n] in ganzen leib und füsse kalt; und der kopf fieng mir auch gleich an wehe zu thun. da war also altum silentium. und ich wuste nicht was ich so lange für kälte, kopfweh, und lange­w eile anfangen sollte.“ Mozart begann schließlich mit klammen Fingern auf einem verstimmten Klavier „für die sessel, tisch und mäüern“ zu spielen. Diese demütigende Behandlung war symptomatisch für die vielen fruchtlosen Versuche, die Mozart in Paris unternahm, um sich einflussreiche Kontakte zu verschaffen und notwendige Verbindungen aufzubauen. „Sie schreiben mir daß ich braf visiten machen werde, um bekandtschaften zu machen“, antwortete Mozart seinem Vater nach Salzburg. „Daß ist aber nicht möglich. zu fuß ist es überall zu weit – oder zu k­ othicht, denn in Paris ist ein unbeschreiblicher dreck. in wagen zu fahren – hat man die Ehre gleich des tags 4 bis 5 livres zu verfahren, und umsonst. denn die leüte machen halt Complimenten [...] und hiemit addieu. [...] wer nicht hier ist, der glaubt nicht wie fatal das es ist. überhaubt hat sich Paris viell geändert.“ In dieser Äußerung schwingt ein wehmütiger Rückblick auf den Winter 1763/64 und den Sommer 1766 mit, als Mozart in Paris noch von seinem WunderkindStatus profitieren konnte. Zwölf Jahre später war die Erinnerung daran längst verblasst, das Interesse an dem Salzburger Gast denkbar gering und die Aussicht auf einen Opernauftrag angesichts des alles beherrschenden Richtungsstreits zwischen Gluckisten und Piccinisten hoffnungslos. „Hinzu kam“, erläutert Norbert Elias, „daß Mozart in seinem persönlichen Gebaren wenig von der gelassenen Eleganz, dem Esprit, der Leichtigkeit etwas plänkelnder Wortgefechte besaß, mit der man in höfischen K­ reisen sein Boot durch verborgene Klippen und ­U ntiefen auf das erwünschte Ziel zusteuerte. Es ist schwer zu entscheiden, ob er sich den höfischen Kanon des Empfindens und Verhaltens [...] nicht zu eigen machen wollte oder nicht zu eigen ­m achen konnte.“ Im Mai 1778 glaubte Mozart noch, die Stelle eines Hoforganisten in Versailles ausschlagen zu können. Ein Jahr später war er dann doch Hoforganist – aber nicht am französischen Hof, sondern in Salzburg, wo er froh sein musste, erneut in die Dienerschar des Erzbischofs Colloredo aufgenommen zu werden. Die große Paris-Reise hatte sich also zu einem Fiasko entwickelt... Spiel mit dem Publikums­ geschmack „Ich habe eine sinfonie, um das Concert s­ pirituel zu eröfnen, machen müssen. an frohnleichnams=Tag [18. Juni 1778] wurde sie mit allem aplauso auf- 5 Johann Nepomuk della Croce: Wolfgang Amadeus Mozart als Ritter vom Goldenen Sporn (1777) 6 Wolfgang Amadé Mozart: „Pariser Symphonie“ D-Dur geführt“: Mit diesen Worten konnte Mozart am 3. Juli ausnahmsweise doch einmal eine erfreuliche Nachricht nach Salzburg vermelden. Das Pariser „Concert spirituel“, 1725 gegründet und zwischen 1777 und 1790 unter der Leitung des gefeierten Gluck-Sängers Joseph Legros zu seiner Blütezeit geführt, war mit seinen öffentlich zugänglichen Konzertveranstaltungen eine wegweisende Institution des bürgerlichen Musik­ lebens. Den Erfolg, den Mozart hier errang, die euphorische Aufnahme seiner D-Dur-Symphonie KV 297 (300a) durch das Pariser Publikum, hat er mit Genugtuung, allerdings auch mit einem gewissen Überlegenheitsgefühl zur Kenntnis genommen: Denn die Hörer sprangen unweigerlich auf jene Effekte an, die Mozart im Wissen um die herrschenden Vorlieben wohlkalkuliert in das Werk eingebaut hatte: „Gleich mitten in Ersten Allegro, war eine Pasage die ich wohl wuste daß sie gefallen müste, alle zuhörer wurden davon hingerissen – und war ein grosses applaudißement – weil ich aber wuste, wie ich sie schriebe, was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie auf die lezt noch einmahl an – da giengs nun Da Capo.“ Den „premier coup d’archet“, den Forte-Einsatz des Orchestertutti, ohne den in Paris keine Symphonie beginnen durfte, hat Mozart selbst­ verständlich nicht ausgelassen. Nur im Finale erlaubte er sich ein irreführendes Spiel mit dem Auditorium: „Weil ich hörte daß hier alle lezte Allegro wie die Ersten mit allen instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so ­f ieng ichs mit die 2 violin allein piano nur 8 tact an – darauf kamm gleich ein forte – mit hin machten die zuhörer, | wie ichs erwartete | beym Piano sch – dann kamm gleich das forte – sie das forte hören, und die hände zu klatschen war eins – ich gieng also gleich für freüde nach der Sinfonie ins Palais Royale – nahm ein guts gefrornes.“ Lediglich das „Andante“ fand eine wesentlich kühlere Aufnahme, weshalb Legros, überaus hellhörig, wenn es um die Reaktionen seiner Konzertbesucher ging, dem Salzburger Gast die Komposition eines neuen Satzes nahe­ legte. Mozart ist – im Hinblick auf eine zweite Aufführung seiner Symphonie am 15. August – dieser Bitte nachgekommen, und da beide langsamen Sätze erhalten sind, verursacht jede Wieder­ gabe der „Pariser Symphonie“ die Qual der Wahl, zumal die entstehungsgeschichtliche Reihenfolge – welches „Andante“ war das ursprüngliche, welches das nachträglich komponierte ? – durchaus umstritten ist. In den Konzerten der Münchner Philharmoniker wird jener 58 Takte umfassende Satz im 3/4-Takt erklingen, der nach neueren Erkenntnissen als der ältere der beiden gelten muss. Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll 7 „Brillant willst Du’s haben ?“ Nicole Restle Felix Mendelssohn Bartholdy Lebensdaten des Komponisten (1809–1847) Geboren am 3. Februar 1809 in Hamburg; gestorben am 4. November 1847 in Leipzig. Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 1. Allegro molto appassionato 2. Andante 3. Allegretto non troppo – Allegro molto vivace Entstehung Das von Anfang an für Mendelssohns Jugendfreund Ferdinand David (1810–1873), seit 1836 Konzertmeister im Leipziger Gewandhaus-­ Orchester, bestimmte e-Moll-Violinkonzert reicht in den Skizzen bis ins Jahr 1838 zurück. Zu einer Ausarbeitung kam es jedoch erst während ­eines Sommeraufenthalts der Familie Mendelssohn im Jahr 1844 in Bad Soden im Taunus, wo das Partiturmanuskript am 16. September 1844 abgeschlossen wurde. In den folgenden Monaten erfuhr das Konzert in enger Abstimmung mit Ferdinand David noch einige Abänderungen und Korrekturen, vor allem im Bereich des Soloparts. Uraufführung Am 13. März 1845 in Leipzig im Großen Gewandhaus-Saal (Gewandhaus-Orchester Leipzig unter Leitung von Niels Wilhelm Gade; Solist: Ferdinand David). 8 Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll Mit dem Geiger Ferdinand David verband Felix Mendelssohn Bartholdy eine lebenslange, innige Freundschaft. Beide aus wohlhabenden Hamburger Familien stammend, beide hochmusikalisch, beide seit frühester Kindheit von ehrgeizigen ­Vätern gefördert, lernten sie sich 1825 in Berlin kennen. Felix war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt, Ferdinand ein Jahr jünger und machte gerade mit seiner Schwester Luise, einer hervorragenden Pianistin, seine erste Konzertreise durch Deutschland. 1826, also bereits im folgenden Jahr, ­k ehrte der junge David in die preußische Hauptstadt ­z urück, weil er eine Anstellung am Königsstädter Theater bekommen hatte. Während seiner ­B erliner Zeit, die bis 1829 dauerte, wurden er und Felix die besten Freunde. Als Mendelssohn 1835 den Posten eines Musikdirektors am Leipziger Gewand­h aus übernahm, ergab es sich, dass die Konzert­m eisterstelle des Gewandhaus-Orchesters neu zu besetzten war. Natürlich kam nach Mendelssohns Auffassung für diese Aufgabe nur einer in Frage: Ferdinand David, der seelenverwandte Freund. „Einig in der Kunst“ Die Zusammenarbeit gestaltete sich sehr glücklich. David unterstützte Mendelssohn bei dessen vielfältigen Leipziger Aktivitäten, bei der Pflege und Aufführung der Kompositionen Johann ­S ebastian Bachs, bei den so genannten „historischen“ Konzerten, in denen dem Publikum Werke alter ­M eister nahe gebracht werden sollten, und nicht zuletzt auch bei der Gründung des Leipziger Konservatoriums, an dem David die Violinausbildung übernahm. Wie sehr Mendelssohn den Geiger schätzte, belegt ein Brief vom Juni 1838: „Mündlich wird so etwas nie gesagt: dass es doch nicht viel s­ olche Musiker giebt, wie Du bist, und dass ich mir am Ende doch keinen zweiten ausdenken könnte, mit dem ich so einig wäre in der Kunst ! Ich möchte Dir wohl auch ein Violinkonzert machen für nächsten Winter; eins in e-Moll steckt mir im Kopfe, dessen Anfang mir keine Ruhe lässt.“ Langwieriger Entstehungsprozess Von der Idee bis zur Fertigstellung des Violin­ konzerts sollten allerdings sechs Jahre vergehen. In dieser Zeit tauschen sich die beiden oftmals brieflich über das Werk aus. Im Juli 1839 – der „nächste Winter“ ist längst vergangen – schreibt der Komponist: „Aber leicht ist die Aufgabe freilich nicht, brillant willst Du’s haben, und wie fängt unsereins das an ? Das ganze erste Solo soll aus dem hohen E bestehen.“ Nicht ganz fünf Jahre später erkundigt sich David scherzhaft nach dem „antediluvianischen Violinkonzert, welches m ­ eine Anwesenheit und sechs Fuder hohe E’s verlangt“. Ganz so verschwenderisch ging Mendelssohn mit dem Spitzenton des viergestrichenen E dann doch nicht um. Ein Vergleich des Skizzenmaterials zeigt, dass der Komponist im Laufe des Arbeitsprozesses innerhalb des 1. Satzes die „hohen E’s“ reduzierte, um sie dann nur an drei Stellen sehr ­e ffektvoll zu platzieren: in der Mitte der Solokadenz, als Höhepunkt einer virtuosen Violinpassage, die in der Coda auf den FortissimoEinsatz des ­O rchesters hinleitet, und als triumphalen Schlusston des Solisten. 9 Theodor Hildebrandt: Felix Mendelssohn Bartholdy (1834) 10 Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll Überraschende Eröffnung Unkonventionelle Form Während Mendelssohn sehr lange an der endgültigen Gestalt des Hauptthemas feilte, stand die Art, wie es eingeführt werden sollte, von Anfang an fest. Nicht im Stil des damals oft kopierten Beethoven-Violinkonzerts, in dem zuerst das Orchester, dann der Solist den musikalischen Hauptgedanken vorstellt, sondern auf andere, eher ungewohnte Weise: Nach nur anderthalb Takten, in denen die Begleitfiguren der S­ treicher die Grundtonart ausbreiten, bringt Mendelssohn im 1. Satz (Allegro molto appassionato) bereits den Solisten ins Spiel. Wie selbstverständlich entwickelt die Geige leichtfüßig und elegant aus den Tönen des e-MollDreiklangs das Hauptthema mit seinem emporstrebenden Gestus und verliert sich, ausgehend vom punktierten Kopfmotiv, in brillante Passagenfortschreitungen, ehe das Tutti die Hauptmelodie bestätigend aufgreift. Dafür überlässt die Solo­v ioline bei der Einführung des lyrischen Seitenthemas – auch das war damals eher unüblich – zunächst den Flöten und Klarinetten den Vortritt: Während die Geige sich nach virtuosen Läufen auf ihrem tiefsten Ton G ausruht, setzen die Holzbläser in parallelen Terzen mit der einfachen, aber sehr kantablen Melodie des z­ weiten Themas ein. Für die folgende Durchführung ist diese Weise allerdings nicht relevant; stattdessen wertet Mendelssohn dort einen Überleitungsgedanken der Exposition thematisch auf und bezieht ihn in die motivische Arbeit mit ein. Aber nicht nur hinsichtlich der Themenaufstellung, sondern auch bezüglich der formalen Gestaltung hat der Komponist für den 1. Satz seines Violinkonzerts ganz eigenständige Lösungen entwickelt. Denn Durchführung und Coda entsprechen sich musikalisch so stark, dass die ursprüngliche Dreiteiligkeit der Sonatenhauptsatzform von einer Art Zweiteiligkeit überlagert scheint, in der sich Exposition und Durchführung auf der einen sowie Reprise und Coda auf der anderen Seite als korrespondierende Teile gegenüberstehen. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, indem Mendelssohn die Solokadenz, die normalerweise ihren Platz zwischen Reprise und Coda hat, bewusst vor die Reprise setzt. Dadurch bekommt sie die Funktion einer Mittel­a chse, welche die beiden Hälften des Konzerts miteinander verzahnt. Nahtloser Übergang zum Andante Wie schon in seinen beiden Klavierkonzerten, so lässt Mendelssohn auch im Violinkonzert die einzelnen Sätze ineinander übergehen. Der Wechsel vom Allegro molto appassionato zum Andante vollzieht sich ganz unspektakulär: Es reicht dazu ein einziger Ton, der sich im Fagott aus dem verklingenden Schlussakkord des 1. Satzes löst, einen halben Ton höher klettert und auf diese Weise den Weg nach C-Dur ­e bnet, die Grundtonart des 2. Satzes. Diesen Halbtonschritt macht die Violine später zum Anfangsintervall des Hauptthemas, das sich durch eine lyrische, hin und her schwingende Melodik auszeichnet. Der träumerischen Weise steht das vom Orchester eingeführte zweite Thema 11 Programmzettel der Uraufführung im Leipziger Gewandhaus 12 Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll gegen­ü ber, das ebenfalls liedhaft an­g elegt ist, dem aber durch die permanent tremo­lierenden Begleit­f iguren der Geigen und Bratschen ein Element der Unruhe innewohnt. Die pulsierende Begleitung bleibt auch dann noch aufrecht, wenn der Solist das Hauptthema wieder aufgreift und so den formalen Bogen dieses Satzes schließt. Mit großen Sprüngen ins Finale Ein kurzes Geigensolo in e-Moll, das melodisch und harmonisch an den Eröffnungssatz erinnert, leitet in das E-Dur-Finale (Allegro molto vivace) über. Traditionsgemäß bekommt in diesem Satz der Solist nochmals Gelegenheit, sämtliche Register seines Könnens zu ziehen. Mit erwartungsvoll empor schnellenden Sechzehntel­f iguren steuert die Solovioline auf das Hauptthema zu. Es wird ähnlich wie das des 1. Satzes aus dem Dreiklang der Grundtonart abgeleitet, seine springenden Tonfortschreitungen ­v erleihen ihm jedoch einen ganz anderen Charakter: w ­ itzig, spritzig, brillant. Trotz aller Virtuosität des Solo­ instruments – der eigentliche Reiz des Finales besteht im gekonnten Zusammenwirken von Violine und Orchester. Oftmals sind es nur ­k leine, unauffällige Details, die große Wirkungen erzielen: So tritt das Kopfmotiv des Hauptthemas fast immer begleitet von Flöten und Klarinetten auf. Ihre hüpfenden Achtel verleihen ihm eine verschmitzte, „koboldhafte“ Haltung. Von besonderer Raffinesse ist das Miteinander von Solist und Orchester auch in der Durchführung. Dort präsentiert die Violine einen musikalischen Gedanken, der in den bislang flinken, sehr beweg­lichen Satz eine neue lyrische Qualität hineinbringt, während die Streicher diese Me- lodie mit Motivpartikeln des Hauptthemas kontrapunktieren. Inbegriff des romantischen Violinkonzerts Der formale und harmonische Einfallsreich­tum des Violinkonzerts zeugt einmal mehr von ­M endelssohns kompositorischer Meisterschaft. Er adelt das Stück und hebt es aus der Masse der ausschließlich auf geigerische Brillanz hinzielenden Konzerte, von denen es damals so viele gab. Dass das Werk aber zum Inbegriff des romantischen Violinkonzerts werden ­s ollte, lag an etwas anderem: an seiner sinnlichen, betörenden Melodik, die so ganz den Möglichkeiten der Violine abgelauscht zu sein scheint. Einen wesentlichen Anteil bei der Ausgestaltung des Soloparts, aber auch der Orchesterstimmen hatte Ferdinand David, der wie vorgesehen der Solist der Uraufführung am 13. März 1845 im Leipziger Gewandhaus war. Ihm gegenüber gab sich Mendelssohn gelegentlich sehr bescheiden, wenn er den Freund um seine Meinung zu einem musikalischen Problem bat. „Lacht mich nicht aus“, heißt es in einem Brief vom Dezember 1844, „ich schäme mich wirklich selbst, aber ich kann’s einmal nicht besser, ich werde einmal das Tappen nicht los.“ Gustav Mahler: 4. Symphonie 13 „Was für eine Schelmerei, verbunden mit dem tiefsten Mystizismus !“ Stephan Kohler Gustav Mahler Lebensdaten des Komponisten (1860–1911) Geboren am 7. Juli 1860 (nach unbestätigten Vermutungen schon am 1. Juli) als zweites von zwölf Kindern im Dorf Kalischt an der böhmischmährischen Grenze (heute: Kalište in Tschechien); gestorben am 18. Mai 1911 in Wien. Symphonie Nr. 4 in vier Sätzen für großes ­O rchester und Sopransolo 1. Bedächtig. Nicht eilen 2. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast 3. Ruhevoll. Poco adagio 4. Sehr behaglich 3. und letzte Fassung Textvorlage Anstelle eines normgerechten Finales fungiert das Sopransolo „Wir genießen die himmlischen Freuden“, das Mahler auf den Text eines „Bairischen Volkslieds“ aus der von Ludwig Achim von A ­ rnim (1781–1831) und Clemens Brentano (1778–1842) gesammelten Gedichtanthologie „Des Knaben Wunderhorn“ komponierte. Der Gesangstext, der bei Arnim / Brentano „Der Himmel hängt voll Geigen“, bei Mahler hingegen „Das himmlische Leben“ betitelt ist, folgt seiner Vorlage weitgehend textgetreu und ist nur geringfügig gekürzt. Entstehung Die Idee zu seiner 4. Symphonie fasste Mahler während eines Sommeraufenthalts in Aussee (Steiermark) im Jahr 1899; im Sommer 1900 wurden die Ausseer Skizzen in Maiernigg am Wörther See (Kärnten) zum Particell erweitert. Diese erste, sehr vorläufige Version beendete Mahler am 5. August 1900, um sie im darauf folgenden Winter in Wien sogleich einer Umarbeitung zu unterziehen. Während eines Genesungsurlaubs, den Mahler im Frühjahr 1901 in A ­ bbazia 14 8 Gustav Mahler: Mahler: 4. 4. Symphonie Symphonie Gustav an der dalmatinischen Küste verbrachte (heute: Opatija / Kroatien), überarbeitete er sein Werk erneut und brachte es in die Form, in der es im November 1901 uraufgeführt wurde. Fassungen Nach der Uraufführung besorgte Mahler 1902 im Musikverlag Doblinger, Wien, die erste Drucklegung der Partitur (= 1. Fassung). Eine noch vom Komponisten überwachte zweite Drucklegung erfolgte 1911 in der Wiener Univer­s al Edition (= 2. Fassung). Letzte Revisionen Mahlers wurden erst 1963 bei Drucklegung der Symphonie im Rahmen der Kritischen Mahler-Gesamtausgabe berücksichtigt (= 3. und letzte Fassung). Uraufführung Am 25. November 1901 in München im „Großen Kaim-Saal“ (Verstärktes „Kaim-Orchester“ ­u nter Leitung von Gustav Mahler; Solistin: Rita M ­ icha­lek, Sopran); aus dem nach seinem Gründer und Förderer Franz Kaim benannten Orchester gingen die Münchner Philharmoniker hervor, die mit der Uraufführung der 4. Symphonie ihre Mahler-Tradition begründeten. Vom „Himmel voll Geigen“ zum „Himmlischen Leben“ Zwischen den Entstehungszeiträumen seiner 3. und 4. Symphonie klafft eine ungewöhnliche und für Mahler eher untypische Zäsur, gemessen an der kontinuierlichen Abfolge, in der sich seine Werke ansonst überlappten oder gar überkreuzten. Und dennoch verbindet beide Symphonien die Idee Mahlers, sie mit einem bereits 1892 in Hamburg entstandenen Orchesterlied zu beschließen: „Das himmlische Leben“, auf den Text eines „Bairischen Volkslieds“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ komponiert, am 12. März 1892 während der Arbeit an der 2. Symphonie, der „Auferstehungssymphonie“, vollendet und am 27. Oktober 1893 in Hamburg uraufgeführt. Die frühe Komposition für Sopran und Orchester, deren Textvorlage ursprünglich den naiven Volksliedtitel „Der Himmel hängt voll Geigen“ trug, gehört zu einer Gruppe von „Wunderhorn“-Liedern, die Mahler mit der ambivalenten, höchst deutungsbedürftigen Gattungsbezeichnung „Humoreske“ versah. Das Verspielte der Vorlage war indessen alles andere als „humoristisch“ gemeint; erst recht nicht Mahlers kompositorisch herbeigeführter Bedeutungsschub ins Hintergründig-Philosophische, den schon die Umformulierung des Titels zu „Das himmlische Leben“ markiert. Hinter der Maske des Kindlich-Naiven, die sich Mahler in bewährter „Wunderhorn“-Manier vorhält, schwingt sein stets virulentes Assoziationsspektrum des „Jenseitigen“ mit. Das Resultat ist ein „Himmlisches Leben“ aus ironisierter, doppelbödiger Perspektive – so als sollte parallel zum theologischen Pathos der „Auferstehungssymphonie“ ein märchenhaft-idyllisches Szenarium Gustav Gustav Mahler: Mahler: 4. 4. Symphonie Symphonie entworfen werden, eine Art „Wunderhorn“Korrektur des von Mahler in seiner 2. Symphonie benutzten Textes von Friedrich Gottlieb Klopstock – aber nicht weniger gläubig oder weniger ernsthaft den „letzten Dingen“ zugewandt als dieser. Das Gedicht, das Goethe in seiner „Wunderhorn“-Rezension halb bewundernd „eine christliche Cocagne, nicht ohne Geist“ genannt hat, ein religiös überhöhtes Schlaraffenland also, muss Mahler über die Komposition als Orchesterlied hinaus so fasziniert haben, dass er es immer wieder als Baustein in eine der folgenden Symphonien zu integrieren versuchte: „Man sieht es diesem auf den ersten Blick unscheinbaren Ding gar nicht an“, so Mahler zu seiner getreuen Chronistin Natalie Bauer-Lechner, „was alles darin steckt. Und doch erkennt man den Wert eines solchen Keimes darin, ob er ein vielfältiges Leben in sich schließt wie gerade dieses ‚Himmlische Leben‘, das nach einiger Stagnation dem lang verhaltenen Schaffensquell entsprang.“ „Spielen mit Bausteinen“ Wenn auch das „Himmlische Leben“ seine letztendliche Bestimmung erst als Finalsatz der 4. Symphonie erlangte, so rang Mahler dennoch jahrelang um eine weltanschaulich motivierte und architektonisch sinnfällige Platzierung des Orchesterlieds im Rahmen seiner 3. Symphonie. Dort sollte das „Himmlische Leben“ in der Stufenleiter der möglichen Existenzformen – von der Primitivität des Elementar-Naturwüchsigen bis hinauf zum Seelenleben der erlösten, verklärten Menschheit an der Seite Gottes – entweder an vorletzter oder an letzter und damit „höchster“ Stelle stehen. Mit dem 6. Satz „Was mir die Liebe erzählt“, in der Kosmologie Mahlers identisch mit 159 „Was mir Gott erzählt“, war bereits „die Spitze und die höchste Stufe bezeichnet, von der aus die Welt gesehen werden kann. Es beginnt bei der leb losen Natur und steigert sich bis zur Liebe Gottes ! Und so bildet mein Werk eine alle Stufen der Entwicklung in schrittweiser Steigerung umfassende musikalische Dichtung !“ Wenn Mahler zeitweilig versucht war, die „Liebe Gottes“ mit einem 7. Satz „Was mir das Kind erzählt“ zu übergipfeln, dann unterstreicht dies nur den hohen Stellenwert, den in seiner Philosophie die kindliche Psyche, die reine und unverstellte Naivität kindlichen Denkens einnahm. Die Vision eines kindlich-märchenhaften „Lebens nach dem Tode“ als idyllischer Kontrapunkt zur monumentalen Weltgerichtsszenerie der 2. Symphonie schien Mahler aber dann doch zu „humoresk“ zu sein, um die an räumlicher Ausdehnung und philosophischem Anspruch alle Maße sprengende 3. Symphonie zu beschließen oder gar zu krönen. Er erkannte instinktsicher, dass das ironische Gegenkonzept zum eschatologischen Tribunal, die fast schon unerträgliche „Leichtigkeit“ überirdischen Seins, nach einem eigenen Werk verlangte, in dem sich die hier angepeilte, quasi „vogelleichte“, auf Olivier Messiaen vorausdeutende „lächelnde“ Transzendenz entfalten konnte: „Komponieren ist wie ein Spielen mit Bausteinen, wobei aus denselben Steinen immer ein neues Gebäude entsteht...!“ Das „Himmlische Leben“ wurde folglich zum Ausgangspunkt einer eigenen, neuen, der 4. Symphonie. Statt die konträren Aspekte des „Jenseitigen“ reißverschlussartig in einem Werk zu verknüpfen, sollte nun der Kindheitstraum einer „christlichen Cocagne“ ausschließlich für sich bestehen: ideologisches Ziel einer insgesamt leichtfüßigeren, aber deshalb Gustav Mahler: Mahler: 4.4. Symphonie Symphonie Gustav 16 10 noch lange nicht leichtgewichtigeren Symphonie, als deren „sich ganz verjüngende Spitze“ ihn Mahler verstanden wissen wollte. „Die Welt ohne Schwere“ Ein Vorgang von erheblicher Konsequenz für Mahlers durchsichtigstes und klanglich entschlacktestes Werk: Da das „Himmlische Leben“, obschon seit 1892 als Orchesterlied bekannt, nun als gezielt vorzubereitender Höhepunkt einer neuen Symphonie figurierte, musste in den vorgeschalteten, neu komponierten Sätzen symphonisch begründet werden, warum im letzten Satz ein „Himmel“ besungen wird, der „voll Geigen“ hängt. Eine sehr frühe, von Paul Bekker publizierte Programmskizze der „Vierten“ war – wie die kurz zuvor vollendete „Dritte“ – noch insgesamt 6-sätzig geplant: Symphonie Nr. 4 (Humoreske) Nr.1 Nr.2 Nr.3 Nr.4 Nr.5 Nr.6 Die Welt als ewige Jetztzeit, G-dur Das irdische Leben, es-moll Caritas, H-dur (Adagio) Morgenglocken, F-dur Die Welt ohne Schwere, D-dur (Scherzo) Das himmlische Leben, G-dur Das für einen Finalsatz äußerst schlichte Lied – man könnte ohne Übertreibung von einem Finale sprechen, das allen Finale-Erwartungen widerspricht – färbte aber schließlich und letztendlich auf den Gesamtcharakter der Symphonie ab, indem etwa auf der Ebene der formalen Struktur die Rückkehr zur klassischen Viersätzigkeit gesucht wurde und indem die bei Mahler fast schon erwartbaren Grenzüberschreitungen der zeit- lichen und klanglichen Expansion hier tunlichst vermieden sind: Die „Vierte“ ist die kürzeste seiner Symphonien und verzichtet zugunsten eines sehr üppig besetzten Streicherklangs auf schweres Blech und hypertrophes Schlagzeug. Die Atmosphäre des gezielten „als ob“ verlangte nach speziellen Verfahren artifizieller Stilisierung, die von den durchaus affirmativ gemeinten, unverhüllt blechgepanzerten Klangkatarakten der Symphonien 1 – 3 demonstrativ weg- und zu den luziden Klangprojektionen einer gleichsam „überhöhten“ Einfachheit in der 4. Symphonie bewusst hinführten. „Man wird komponiert“ Mahlers Idee, das „Himmlische Leben“ zum Höhepunkt einer neuen, 4-sätzigen Symphonie zu bestimmen, ließ ihn von Anfang an eine motivischthematische Vernetzungstechnik praktizieren, die die Sätze 1 – 3 als zwar eigenständige, aber den letzten Satz doch deutlich „präludierende“ Einheiten behandelte. Der Publizist Georg Göhler, der eine Einführung in die Symphonie verfasste und Mahlers Antizipationsverfahren offensichtlich nicht erkannte, musste sich vom Komponisten rügen lassen: „Eins vermisse ich: haben Sie die thematischen Zusammenhänge, die für die Idee des Werkes so überaus wichtig sind, übersehen ? Oder glaubten Sie bloß, das Publikum mit technischen Erklärungen verschonen zu sollen ? Jeder der drei Sätze hängt thematisch aufs innigste und bedeutungsvollste mit dem letzten zusammen !“ So bewusst Mahler bei der strategischen Planung seiner auf das „Himmlische Leben“ zustrebenden Symphonie auch vorging – gerade im Maiernigger Sommer 1900 passierte es ihm, dass sich Unvorhersehbares, „Merkwürdiges“ er- 1117 Gustav Mahler im Vorjahr der Entstehung seiner 4. Symphonie (1898) 18 12 Gustav Mahler: Mahler: 4. 4. Symphonie Symphonie Gustav eignete: „Durch die zwingende Logik einer Stelle, die ich umwandeln musste“, so Mahler im Gespräch mit Natalie Bauer-Lechner, „verkehrte sich mir alles Darauffolgende derart, dass ich plötzlich zu meinem Erstaunen gewahrte, ich befinde mich in einem völlig anderen Reich: wie wenn du meinst, in blumigen elysischen Gefilden zu wandeln, und siehst dich mitten in die nächtlichen Schrecken des Tartaros versetzt... Ich sehe immer mehr: man komponiert nicht, man wird komponiert !“ So war es letztlich unwesentlich, ob Mahler „Programme“ seiner Symphonien veröffentlichte, sie später wieder zurückzog und im Freundeskreis dennoch auf ihnen insistierte – aus seinen Äußerungen gegenüber Ehefrau Alma, Assistent Bruno Walter und unzähligen anderen Freunden, vor allem aber gegenüber seiner Seelenfreundin und Chronistin Natalie Bauer-Lechner, geht deutlich hervor, dass Mahler seine „Vierte“ als symphonische Meditation über das „Leben nach dem Tod“ verstand: „Es ist die Heiterkeit einer höheren, uns fremden Welt darin“ – heißt es bei Bauer-Lechner – , „die für uns etwas Schauerlich-Grauenvolles hat. Im letzten Satz (im ‚Himmlischen Leben‘) erklärt das Kind, welches im Puppenstand doch dieser höheren Welt schon angehört, wie alles gemeint sei...!“ Als Mahler im Frühjahr 1901 in Abbazia (Opatija) an der dalmatinischen Küste die Folgen eines Blutsturzes mit anschließender Operation auskurierte und dabei letzte Änderungen in der Partitur seiner „Vierten“ vornahm, wurde auch die ursprünglich „bescheiden“ vertonte Humoreske vom „Himmlischen Leben“ großzügiger und opulenter instrumentiert – „wie ein altes Bild auf Goldgrund...“ Dabei riss das „Wunderhorn“-Gedicht seinen Komponisten bei nächtlichen Strandpromenaden mit Natalie Bauer-Lechner erneut zu Tiraden der Begeisterung hin: „Was für eine Schelmerei, verbunden mit dem tiefsten Mystizismus ! Es ist alles auf den Kopf gestellt, die Kausalität hat ganz und gar keine Gültigkeit ! Es ist, wie wenn du plötzlich auf jene uns abgewandte Seite des Mondes blicktest...!“ „Kirchlich-katholische Stimmung“ Als unmittelbar vorangehendes Podest für die mystischen Schelmenweisen des Finales dienten Mahler ein 1. Satz, den er mit dem „Strahlenmeer von tausend Lichtern und Farben“ verglich, wie es die Sonne aus den Tauperlen einer Frühlingswiese zaubert; ein Scherzo, so „mystisch, verworren und unheimlich, dass euch dabei die Haare zu Berge stehen werden“; und schließlich ein Andante, „durch das eine göttlich heitere und tief traurige Melodie geht, dass ihr dabei nur lachen und weinen werdet“: In der Strategie des „gradus ad parnassum“, des sich immer höher wölbenden, immer mehr vergeistigenden Bauprinzips der 4. Symphonie, kommt in der Tat dem Andante die Funktion des symphonischen „Türöffners“ zum „Himmlischen Leben“ zu. Die heilige Ursula, von der im anschließenden „Wunderhorn“-Text des Finales die Rede ist, scheint schon hier, im 3. Satz der Symphonie, ikonenhaft portraitiert: Natalie Bauer-Lechner wusste zu berichten, dass das Andante „die Gesichtszüge der heiligen Ursula trage“. Auf ihre Frage, ob ihm die Heiligenvita Ursulas denn überhaupt geläufig sei, meinte Mahler: „Nein, sonst wäre ich gewiss nicht imstande und in der Stimmung gewesen, mir ein so bestimmtes und herrliches Bild von ihr zu machen !“ In Wahrheit aber habe er in Ursula seine über alles geliebte Mutter portraitieren wollen, die „auch unendlich 13 19 Gustav Mahler auf Bootsfahrt vor Abbazia (Opatija) an der dalmatinischen Küste (1901) 20 14 Gustav Mahler: Mahler: 4. 4. Symphonie Symphonie Gustav gelitten, aber alles immer liebend aufgelöst und vergeben habe“, und deren tief trauriges und „wie durch Tränen lachendes Antlitz“ ihm beim Komponieren vorgeschwebt sei. Den seiner jüdischen Mutter gewidmeten Ursula-Satz nannte der zum Christentum konvertierte Mahler „die größte Farbenmischung, die je da war“, und feierte sein „sphärisches Ausklingen“ als Apotheose einer „fast kirchlich-katholischen Stimmung“. Als der Musikschriftsteller Ludwig Schiedermair Mahler 1901 um Aufklärung über die Gedankenwelt der 4. Symphonie bat, beauftragte der Vielbeschäftigte seinen Assistenten, Freund und nachmaligen Exegeten Bruno Walter mit der Niederschrift einer Antwort. Unter „konjunktivischem“ Vorbehalt teilte Walter Schiedermair mit, „dass die drei ersten Sätze der IVten Symphonie ein himmlisches Leben schildern könnten: man könnte sich im ersten Satz den Menschen denken, der es kennen lernt; es waltet darin eine unerhörte Heiterkeit, eine unirdische Freude, die ebenso oft anzieht wie befremdet, ein erstaunliches Licht und eine erstaunliche Lust, der freilich auch menschliche und rührende Laute nicht fehlen. – Der zweite Satz könnte die Bezeichnung finden: ‚Freund Hein spielt zum Tanz auf‘; der Tod streicht recht absonderlich die Fiedel und geigt uns in den Himmel hinauf. – ‚Sankt Ursula selbst dazu lacht‘ könnte der dritte Satz genannt werden: die ernsteste der Heiligen lacht, so heiter ist diese Sphäre, d. h. sie lächelt nur, und zwar lächelt sie so, wie die Monumente der alten Ritter oder Prälaten, die man beim Durchschreiten alter Kirchen mit über der Brust gefalteten Händen sieht, und die das kaum bemerkbare, friedvolle Lächeln des zu ruhiger Seligkeit hinübergeschlummerten Menschen kindes haben; feierliche, selige Ruhe, ernste, milde Heiterkeit ist der Charakter dieses Satzes, dem auch tief schmerzliche Kontraste – wenn Sie so wollen, als Reminiszenzen des Erdenlebens – , sowie eine Steigerung der Heiterkeit ins Lebhafte nicht fehlen. – Wenn der Mensch nun verwundert fragt, was das alles bedeutet, so antwortet ihm ein Kind mit dem vierten, letzten Satze: Das ist das ‚Himmlische Leben‘.“ „Feierliche, selige Ruhe“ und „ernste, milde Heiterkeit“ lesen sich wie Paraphrasen von Textstellen aus Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“, wo die „Verneinung des Willens zum Leben“ als Voraussetzung für einen Gemütszustand gepriesen wird, in dem „ein unerschütterlicher Friede, eine tiefe Ruhe und innige Heiterkeit“ dominieren. Klassische Norm und neue Einfachheit Von außen betrachtet ist Mahlers „Vierte“ sicherlich seine einfachste und „zurückgenommenste“ Symphonie. Sie dauert rund 50 Minuten und ist damit, wie Mahler selbst bemerkte, kaum länger als der 1. Satz seiner 3. Symphonie. Ihre Viersätzigkeit scheint ein Tribut an die Gattungsnorm der Wiener Klassik zu sein; auch scheinen die einzelnen Satzcharaktere – vitaler Kopfsatz, Scherzo, langsamer Satz und Finale – durchaus gewollt dem „klassischen“ Muster zu entsprechen; auch Mahler fiel auf, dass insbesondere der 1. Satz „trotz seiner Freiheit mit der größten, fast schulmäßigen Gesetzmäßigkeit“ aufgebaut ist. Die vermeintliche „Simplizität“ der Symphonie war schließlich auch der Grund, warum die Münchner 21 15 Partiturseite aus dem 4. Satz: „Sankt Peter im Himmel sieht zu !“ 22 16 Gustav Mahler: Mahler: 4. 4. Symphonie Symphonie Gustav Uraufführung vom 25. November 1901 zu einem Misserfolg geriet, da von Mahler offenbar „Ausgefalleneres“ erwartet wurde. Der Komponist, der sich laut eigener Aussage die Klangtransparenz des späten Verdi („Falstaff“) zum Vorbild genommen hatte, war von der Aufnahmefähigkeit und instrumentalen Kapazität des Kaim-Orchesters, der späteren Münchner Philharmoniker, zutiefst enttäuscht: „Auf diesem toten Schuttkegel“, so klagte er verzweifelt, „muss ich eine blühende Welt erstehen lassen !“ Natalie Bauer-Lechner, die Mahler nach München begleitet hatte, vertraute ihrem Tagebuch die wenig schmeichelhaften Zeilen an: „Er war unglücklich über das Orchester dort, bei dem es, um die Symphonie aus dem Gröbsten herauszubringen, der Arbeit bedurfte, die etwa ein Bildhauer von den ersten Meißelschlägen des unbehauenen Blocks bis zur Vollendung der Statue hat. Die Unzulänglichkeit der Spieler machte sich erst recht fühlbar bei der subtilen Feinheit und Schwierigkeit dieses Werkes in allen Instrumenten. Ganz besonders schlecht war der Konzertmeister, dem es durchaus an Initiative und Impuls fehlte. Bläser und Schlagwerk und der Harfenist waren unter aller Kritik ! So musste er sein Werk mit den mäßigsten Kräften machen, worunter nicht nur der Fluss und Glanz der Technik litt, sondern vor allem auch die Klangschönheit, welche durch Mischung und Anwendung der Instrumente so zaubrisch und selbst im Vergleich mit seinen eigenen Werken so unerhört ist.“ Kein Wunder, dass nach dem Münchner Fiasko Mahler die Berliner Premiere, für die ihm Richard Strauss sein Berliner Tonkünstler-Orchester zur Verfügung gestellt hatte, als eigentliche Uraufführung der „Vierten“ pries. „Von neuem lernen für das Neue“ Nichts lag Mahler ferner, als mit seiner „Vierten“ einen Beitrag zur Mode des um 1900 grassierenden „Neoklassizismus“ zu liefern – wie es etwa Ermanno Wolf-Ferrari, Max Reger und Richard Strauss oder später Ottorino Respighi, Sergej Prokofjew und Igor Strawinsky taten. Die besondere Verfasstheit der „Vierten“, ihre singuläre Stellung im Schaffen Mahlers, resultiert ausschließlich aus dem „Sujet“ des Werks, der Imagination subtilster „jenseitiger“ Seelenzustände, nicht jedoch aus wohlfeilen zeitgenössischen Modeslogans wie „Zurück zu Mozart !“ Auch Mahler war sich der Sonderstellung seiner „Vierten“ voll bewusst. Weil er „in jedem neuen Werk neue Bahnen“ durchmessen wolle, schrieb er an Nina Spiegler, sei sie „so grundverschieden von meinen anderen Symphonien“: „Darum wird es im Anfang immer so schwer, ins Arbeiten hinein zu kommen. Alle Routine, die man sich erworben, nützt einem nichts. Man muss von neuem erst wieder lernen für das Neue. So bleibt man ewig ‚Anfänger‘...!“ 23 Emil Orlik: Gustav Mahler unterbricht völlig entgeistert eine Probe (1901) 24 Der Gesangstext „Wir genießen die himmlischen Freuden“ „Des Knaben Wunderhorn“ – Gustav Mahler 4. Satz: Sehr behaglich (Sopransolo) Wir genießen die himmlischen Freuden, Drum tun wir das Irdische meiden. Kein weltlich’ Getümmel Hört man nicht im Himmel ! Lebt Alles in sanftester Ruh’ ! Wir führen ein englisches Leben ! Sind dennoch ganz lustig daneben ! Wir tanzen und springen, Wir hüpfen und singen ! Sankt Peter im Himmel sieht zu ! Johannes das Lämmlein auslasset, Der Metzger Herodes d’rauf passet ! Wir führen ein geduldig’s, Unschuldig’s, geduldig’s, Ein liebliches Lämmlein zu Tod ! Sankt Lukas den Ochsen tät schlachten Ohn’ einig’s Bedenken und Achten, Der Wein kost’ kein Heller Im himmlischen Keller, Die Englein, die backen das Brot. Gut’ Kräuter von allerhand Arten, Die wachsen im himmlischen Garten ! Gut’ Spargel, Fisolen Und was wir nur wollen ! Ganze Schüsseln voll sind uns bereit’ ! Gut’ Äpfel, gut’ Birn’ und gut’ Trauben ! Die Gärtner, die Alles erlauben ! Willst Rehbock, willst Hasen, Auf offener Straßen Sie laufen herbei ! Sollt’ ein Fasttag etwa kommen, Alle Fische gleich mit Freuden angeschwommen ! Dort läuft schon Sankt Peter Mit Netz und mit Köder Zum himmlischen Weiher hinein. Sankt Martha die Köchin muss sein ! Kein Musik ist ja nicht auf Erden, Die uns’rer verglichen kann werden. Elftausend Jungfrauen Zu tanzen sich trauen ! Sankt Ursula selbst dazu lacht ! Cäcilia mit ihren Verwandten Sind treffliche Hofmusikanten ! Die englischen Stimmen Ermuntern die Sinnen, Dass alles für Freuden erwacht. Textvorlage: Aus der Gedichtsammlung „Des Knaben Wunderhorn“: „Der Himmel hängt voll Geigen“, Bairisches Volkslied Gustav und Mahler die Religion Gustav Mahler die und „himmlischen Freuden“ 14 25 Mit Gott gegen „thönerne Götzen“ Hans Köhler Stephan Kohler „Die Kunst zu hören“ Dass die seinerzeit wie obszöne Pamphlete gehandelten Texte Friedrich Nietzsches, der am 25. August 1900 in geistiger Umnachtung in Weimar starb, nicht nur die Theologen, Philosophen und Schriftsteller, sondern auch die Musiker des Fin-de-Siècle faszinierten, hat einen besonderen, wenn auch nicht sofort und für jedermann einsehbaren Grund. Er ist in ihrer immanenten Musikbezogenheit zu suchen, die die Musiker der vorletzten Jahrhundertwende oft unfreiwillig in ihren Bann zog, zuweilen buchstäblich hypnotisierte. Die vielgerühmte Musikalität vor allem des „Zarathustra“ hatte schon Nietzsche selbst hervorgehoben. In einem Brief an seinen komponierenden Vertrauten Peter Gast heißt es: „Unter welche Rubrik gehört eigentlich dieser ‚Zarathustra‘ ? Ich glaube beinahe, unter die Symphonien !“ In „Ecce Homo“ wiederholt Nietzsche den synästhetischen Zuordnungsversuch, indem er angesichts der Silbenkatarakte seines entfesselten Sprachflusses anheimstellt: „Man darf vielleicht den ganzen ‚Zarathustra‘ unter die Musik rechnen !“ Vorausbedingung für die richtige Lektüre seiner „Sprachsymphonien“ sei allerdings eine höchst fällige „Wiedergeburt in der Kunst zu hören...“ Latente Musik Außer Richard Strauss, der im Sommer 1896 eine Tondichtung „Also sprach Zarathustra (frei nach Friedrich Nietzsche)“ vollendete, komponierten „Zarathustra“-Texte im selben Zeitraum Oscar Fried, Frederic Delius, Siegmund von Hausegger und vor allem Gustav Mahler, der noch zehn Jahre später in einem Interview die unbewusste Duplizität seiner und Strauss’ Nietzsche-Vertonungen damit erklärte, „dass wir beide als Musiker die sozusagen latente Musik in dem gewaltigen Werke Nietzsches herausgefühlt haben“. Mahler bezieht sich hier auf seine monumentale 3. Symphonie, in deren zahlreichen, poetisch bis programmatisch angelegten Satzüberschriften sich seine jahrelange Beschäftigung mit Nietzsches Schriften spiegelt – neben „Zarathustra“ vor allem „Die fröhliche Wissenschaft“. Vor Drucklegung ließ er jedoch alles auf Nietzsche Zurückweisende tilgen, so dass heute nur noch das Altsolo „O Mensch ! Gib acht !“ Mahlers Ringen um Nietzsches Philosophie verrät. Moral oder Unmoral ? Warum musste Mahler überhaupt „ringen“ um Nietzsche, während Strauss sich den Verfasser des skandalumwitterten „Antichrist“ im Handumdrehen als bequemen „Hausphilosophen“ eroberte ? Im Februar 1893 hatte Strauss an seinen Jugendfreund Ludwig Thuille geschrieben, die Zeit der „Moralpredigten“ sei nun vorbei. Spielte er damit auf Nietzsches Selbstinterpretation in „Ecce Homo“ an, wo die Verweigerung jedwelchen Verkündens von Moral als besondere 16 26 die Religion Gustav Gustav Mahler Mahler und dieund „himmlischen Freuden“ Errungenschaft von „Also sprach Zarathustra“ gepriesen wird ? Nietzsche sagt dort über sein „Für Alle und Keinen“ geschriebenes Buch: „Hier redet kein ‚Prophet‘, keiner jener schauerlichen Zwitter von Krankheit und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt. Hier redet kein Fanatiker, hier wird nicht ‚gepredigt‘, hier wird nicht Glauben verlangt !“ Was Strauss als Freibrief für weltanschaulichen Liberalismus deutete, musste Mahlers christliches „Missionsgefühl“ (so Gattin Alma) zutiefst verstören, obwohl anfangs auch für ihn – den zum Katholizismus konvertierten Juden – Nietzsche das „Dithyrambische“ als Lebensform verkörperte, den artistisch geträumten, gedichteten Daseinsrausch, in dem man ein Fanal der Befreiung von gründerzeitlichen Zwängen erblickte. Zumal aus antiklerikal-freigeistiger Perspektive ließ sich Nietzsches sensualistischer Subjektivismus zu einer Metaphysik der Diesseitigkeit überhöhen, der im Kampf gegen das „EwigGestrige“ deutliche Überbau-Funktion zukam. Mit anderen Worten: Was für den kränklichen Philosophen mitunter kompensatorische Bedeutung gehabt haben mochte – für viele seiner Zeitgenossen war es ein willkommenes Mittel affirmativer Selbstbestätigung. Formale Bedenken Nicht so für Mahler ! Er bewunderte zwar das sprachliche Feuer von Nietzsches Prosa, die Sogwirkung seiner von größter Musikalität bestimmten Deklamationskunst, die ihn über diametrale weltanschauliche Gegensätze hinweglesen ließ. Doch wie es scheint, dürften „formale“ Bedenken gegen Nietzsches fragmentarische, sprunghafte Zitier- und Formulierungskunst am Anfang von Mahlers „Umkehr“ gestanden haben: Der Symphoniker, der mithilfe struktureller Vernetzungstechnik große tektonische Zusammenhänge stiften wollte, beanstandete an Nietzsche eine epigrammatisch-aphoristische Denkweise, die seinem Streben nach formaler Geschlossenheit widersprach: Im Gegensatz zu Nietzsche war es Mahler immer darum zu tun, „Leben“ als „gewahrte Form“ zu definieren. Wenn Nietzsche modernste, quasi „filmische“ Techniken vorwegnahm wie Montage, Überblendung oder Schnitt, lehnte Mahler eine Optik, die sich auf einzelne Bilder oder fragmentarische Einsprengsel konzentrierte, zugunsten eines Formverständnisses, das „Form“ als „Zusammenhang“ deutet, entschieden ab. Mystik contra Liberalität Mahlers Beschäftigung mit Nietzsche begann vermutlich um 1891, also im Jahr seines Abschieds von Budapest, wo er seit 1888 die Position eines Operndirektors bekleidete. Vermittelt hatte die damals nicht selbstverständliche, in konservativen Kreisen abgelehnte Lektüre Mahlers um vier Jahre älterer, aus Galizien stammender Freund und Mentor Siegfried Salomo Lipiner, der hauptberuflich Bibliothekar des Österreichischen Reichsrates war, aber in seiner freiberuflichen Tätigkeit als Übersetzer des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz und Verfasser mystisch-religiöser Dramen seine eigentliche Bestimmung erblickte. Im Gedankenaustausch und zahlreichen Gesprächen mit Mahler, den Ehefrau Alma rückblickend einen „Juden-Christen“ und zutiefst „christgläubig“ genannt hat, entwarf Lipiner eine großangelegte, als Mysterienspiel konzipierte „Christus“-Trilogie; sie ist zwar über weitschweifige Pläne nicht hinaus gediehen, dürfte aber Mahlers Religiosität nicht unwesentlich beeinflusst haben. Derselbe 27 Gustav Mahler meditiert über das Jenseits (um 1900) 28 die ReligionFreuden“ Gustav Gustav Mahler Mahler und dieund „himmlischen 17 Lipiner, der bei Mahler den Grundstein für seine anfängliche Nietzsche-Begeisterung gelegt hatte, war offensichtlich auch Wegbereiter für seine spätestens um 1900 einsetzende, radikale Abwendung vom Autor des „Antichrist“. inter pares“ eingebettet in eine von pansophischem Ganzheitsdenken geprägte Ahnung des Allzusammenhangs jeglicher Natur. „Meine fröhliche Wissenschaft“ Der Steit um die „richtige“ Bewertung Nietzsches gehörte auch zum Alltag von Mahlers Ehe mit Alma. Kaum 17 Jahre alt, berichtet sie, habe sich ihr „irrlichternder Geist“ an Nietzsche geklammert; als „wilde Nietzscheanerin“ stimmte sie ihre „Lebensmusikalität“ mit Nietzsche „auf gleichen Ton“. Sie muss entsetzt gewesen sein, als ihr Mahler in einem Brief vom Dezember 1901 „die ganz verlogene und schlimm-freche Herren‚Unmoral‘ Nietzsches“ vorhielt und seiner Braut empfahl, ihre Nietzsche-Gesamtausgabe „ins Feuer“ zu werfen. Wenn es in einem Brief Mahlers vom 1. April 1903 heißt: „Dieses dumme Volk ! Ich bin sicher, dass sie alle Nietzsche schon zum Frühstück herunterfressen...!“, scheint der vom Saulus zum Paulus Mutierte vergessen zu haben, dass Nietzsche neben Goethe und „Des Knaben Wunderhorn“ noch im Herbst 1896 in Hamburg, wo ihn Natalie Bauer-Lechner aus nächster Nähe beobachten konnte, zur bevorzugten „morgendlichen Lektüre nach dem Frühstück“ gehörte. Trotz seiner Ablehnung von Nietzsches „Fluch auf das Christenthum“: Mit dem notorischen Querdenker teilt Mahler das „Ekstatische“ als überwältigende Qualität des Schaffensdrangs. Bruno Walter schwärmte nach einem Besuch in Steinbach am Attersee von Mahlers „vormittägigen Ekstasen“, solange er um die Realisierung seines „symphonischen Weltentraumes“ rang. Seiner langjährigen Freundin Anna von Mildenburg erklärte der Komponist im gleichen Zeitraum: „Man ist sozusagen nur ein Instrument, auf dem das Universum spielt...!“ Schon rein sprachlich wirkt hier der Duktus von Nietzsches Prosa nach, die am Attersee neben Cervantes’ „Don Quijote“ zu Mahlers bevorzugter Ferienlektüre zählte. Im Sommer 1895 schließlich münden die „vormittägigen Ekstasen“ in die Textwahl „eines herrlichen Gedichts von Nietzsche“ als Grundlage für den 4. Satz der 3. Symphonie, die damals noch nach Nietzsches gleichnamigem Buch „Die fröhliche Wissenschaft“ betitelt war. An der später vorgenommenen Änderung in „Meine fröhliche Wissenschaft“ ist Mahlers Kurskorrektur und fortschreitende Distanzierung vom Autor der „Gaya scienza“ abzulesen: Der „Übermensch“ als Produkt eines elitären Sozialdarwinismus oder – noch schlimmer – „rassischer Auslese“ war dem „Juden-Christen“ Mahler begreiflicherweise nicht zugänglich. Er sah den Menschen als Produkt der „Mitte“, nicht des „Darüber“ – als „Primus Frühstück mit Nietzsche Wortgewaltige Feier des Nichts Nicht nur die 8. Symphonie mit ihrem im Dreifaltigkeitsdenken verankerten Pfingsthymnus und dem christlich verklärten Erlösungsschluss von „Faust II“ feiert metaphysische Ideale in unmittelbarer Nähe zu Glaubensinhalten des Katholizismus. Auch die „Auferstehungssymphonie“ und die Vokalteile der 3. und 4. Symphonie bewegen sich in Textauswahl und inhaltlicher Strategie die ReligionFreuden“ Gustav Gustav Mahler Mahler und dieund „himmlischen auf eine Religiosität zu, die der sogenannten „Theothanatologie“ diametral entgegengesetzt ist. Die „Gott ist tot“-Theologie beruft sich nicht umsonst auf den berüchtigten Aphorismus 125 („Der tolle Mensch“) von Nietzsches „Fröhlicher Wissenschaft“, den Mahler bei seiner mehrfachen Lektüre dieses Buches wohl kaum übersehen haben kann: „Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts ? Haucht uns nicht der leere Raum an ? Ist es nicht kälter geworden ? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht ? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden ? Hören wir noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben ? Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung ? Auch Götter verwesen ! Gott ist tot ! Gott bleibt tot !“ Mahler als Missionar Wen wundert es, dass sich der Komponist der „Auferstehungssymphonie“, in deren Schlussversen Gott als Garant und Inbegriff eines ewigen, unauslöschlichen Lebens fungiert, immer mehr von Nietzsche abgewandt hat ? „Ich bin von Gott und will wieder zu Gott“: Die schlichte, aber unerschütterliche Glaubensgewissheit, die in der „Wunderhorn“- Vertonung „Urlicht“ so berührt, könnte als spirituelles Motto über Mahlers ganzem Leben stehen. Dass es ihm nach seiner Abwendung von Nietzsche nicht um eine „poetische Disqualifizierung“ des „Zarathustra“- Autors ging, betonte er am 5. Dezember 1901 in einem Brief an seine Braut Alma. Dort erklärt er seine immer ausgeprägtere Aversion gegen den Apologeten der institutionalisierten „Freigeistigkeit“ mit seinem „Missionsgefühl“ für ein christlich definiertes Weltbild. Er bittet, 19 29 ja er wirbt geradezu – wenn auch vergebens – um Almas Verständnis für sein „so eifervolles Bestreben, meinen Gott an die Stelle der ‚thönernen Götzen‘ zu stellen...“ 30 Die Künstler Pablo Heras-Casado Dirigent Der 1977 im spanischen Granada geborene Dirigent studierte zunächst Kunstgeschichte und Schauspiel in seiner Heimatstadt, bevor er in Madrid ein Dirigierstudium aufnahm, das er durch Meisterkurse u. a. bei Christopher Hogwood ergänzte. Sein Repertoire reicht von der Alten Musik bis zur zeitgenössischen Moderne und zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Vielfalt aus. Bereits im Studium gründete Pablo Heras-Casado das Ensemble für Alte Musik „Cappella Exaudi“ sowie die experimentelle Formation „Sonóora“. Gastkonzerte führten Pablo Heras-Casado in den vergangenen Spielzeiten zu den Berliner Philharmonikern, zur Staatskapelle Berlin, zu den Rotterdamer Philharmonikern, zum Mahler Chamber Orchestra, zum Orchestre Philharmonique de Radio France, zum Boston Symphony und zum Cleveland Orchestra; außerdem gab er seine Debüts beim New Yorker Mostly Mozart Festival und bei den Salzburger Festspielen. Im Dezember 2011 begann Heras-Casados vier­ jährige Amtszeit als Erster Dirigent des Orchestra of St. Luke’s in New York, die auch regelmäßige Auftritte in der Carnegie Hall einschließt. In der Saison 2012/13 kehrte der Dirigent auf die Podien des Los Angeles Philharmonic Orchestra, des Chicago und San Francisco Symphony Orchestra, des Tonhalle-Orchesters Zürich, des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks sowie des Mariinskij-Orchesters St. Peters­­b urg zurück. Im Opernfach leitete Pablo Heras-Casado u. a. Neuinszenierungen von „Rigoletto“ an der Deutschen Oper in Berlin und von „Les Vêpres siciliennes“ an der Alten Oper in Frankfurt. Erfolgreich setzte er sich für das neue Violinkonzert von Peter Eötvös „DoReMi“ ein, das er 2013 mit Midori als Solistin beim Los Angeles Philharmonic Orchestra zur Aufführung brachte. Darüber hinaus steht Pablo Heras-Casado regelmäßig am Pult des Ensemble intercontemporain und des Klangforum Wien. 31 Die Künstler Christian Tetzlaff Genia Kühmeier Violine Sopran Der 1966 in Hamburg geborene Geiger studierte an der Lübecker Musikhochschule bei Uwe-Martin Haiberg und in Cincinnati / USA bei Walter Levin; er gehört heute zu den vielseitigsten Musikern seiner Generation. Christian Tetzlaff gastiert auf allen Konzertpodien der Welt als Solist führender Orchester wie der Berliner und Wiener Philharmoniker, des Boston Symphony und Cleveland Orchestra, der großen Londoner Orchester und des NHK Orchestra Tokyo. Er wird regelmäßig zu internationalen Festivals wie den Londoner Proms, den Salzburger Festspielen und dem Schleswig-Holstein-Musik­festival eingeladen. Neben dem klassisch-romantischen Repertoire widmet sich Christian Tetzlaff intensiv der Musik des 20. Jahrhunderts; seine Interpretationen der Violinkonzerte von Berg, Ligeti, Schönberg und Schostakowitsch setzten Maßstäbe. Tetzlaffs besondere Vorliebe gilt außerdem der Kammermusik, die ihn mit Musikern wie Christoph Eschenbach, Boris Pergamenschikow, Heinrich Schiff und Tabea Zimmermann zusammenführte; er hat sein eigenes Streichquartett und gibt Duoabende u. a. mit Leif Ove Andsnes, Matthias Kirschnereit und Lars Vogt. Christian Tetzlaff musiziert regelmäßig mit den Münchner Philharmonikern. Nach ihrem Studium am Salzburger „Mozarteum“ und an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst legte Genia Kühmeier 2002 mit dem Ersten Preis beim Salzburger Mozart-Wettbewerb den Grundstein für ihre solistische Karriere. Noch im selben Jahr feierte sie mit der Diane in Glucks „Iphigénie en Aulide“ unter Riccardo Muti ihr erfolgreiches Debüt an der Mailänder Scala. 2003 wurde die österreichische Sopranistin als Karajan-Stipendiatin Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und wenig später für ihr Debüt als Inès in Donizettis „La Favorite“ mit der Eberhard-Waechter-Medaille ausgezeichnet. Ebenfalls in Wien verkörperte Genia Kühmeier erstmals die Pamina in Mozarts „Zauberflöte“ – eine Partie, mit der sie seither bei den Salzburger Festspielen und an zahlreichen führenden Opernhäusern auftrat. Bei den Salzburger Festspielen wurde Genia Kühmeier außerdem für die Gestaltung der Euridice in Glucks „Orfeo ed Euridice“ (2010) und der Gräfin in Mozarts „Figaro“ (2011) gefeiert. Weitere wichtige Rollen ihres Repertoires sind Ilia in „Idomeneo“, Micaëla in „Carmen“, Sophie im „Rosenkavalier“ und Zdenka in „Arabella“. Im Konzertsaal arbeitet Genia Kühmeier u. a. mit Nikolaus Harnoncourt, Simon Rattle, John Eliot Gardiner, Riccardo Muti und Mariss Jansons. e ilh a Bl rm ät on te is r ch Ph 32 Auftakt Dirigenten Die Kolumne von Elke Heidenreich Meine erste Kolumne für diese Programmhefte schrieb ich vor genau zwei Jahren über den Antritt von Lorin Maazel als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, und ich hörte sein grandioses Antrittskonzert mit Mahlers Symphonie Nr. 9. Was für ein Meister stand da am Pult, und wie leuchtete das Orchester! Nun ist Lorin Maazel im Juli gestorben und hinterlässt eine Lücke, die andere Dirigenten natürlich füllen können, aber seinen ganz speziellen Stil, seine immense Erfahrung kann so schnell keiner ersetzen, denn jeder Dirigent ist einzigartig – darum haben wir ja alle unsere Vorlieben und Abneigungen bei diesem Thema. Das zeigt letztlich nur, wie lebendig die Musikszene ist, was alles möglich ist. „Um einem Missverständnis vorzubeugen: aus der Spitze des Taktstockes ist noch nie ein Ton herausgekommen.“ Mit diesem Satz leitet der Musikkritiker Wolfgang Schreiber sein Buch über Große Dirigenten ein. Wenn aber aus dem Taktstock nichts herauskommt – wie machen die das dann, fragt er. Hypnotisieren sie das Orchester? Haben sie alles im Kopf und in den Händen? Wozu das magische Stöckchen? Und was genau ist das Geheimnis eines großen Dirigenten? Dasselbe, was auch das Geheimnis aller großer Komponisten, Maler, Schriftsteller ist: die Mischung aus Talent und Kraft, Charisma, Zielstrebigkeit, Fleiß, Disziplin. Zuallererst aber: Talent. Und dann gibt es die Klangmagier, die Perfektionisten, die Genießer, es gibt die Exzentriker, die Schweigsamen, die Kommunikationsgenies, die kleinen Diktatoren. Der italienische Filmregisseur Federico Fellini, der Musik so liebte, setzte dem Maestro in seinem Film „Orchesterprobe“ von 1979 ein Denkmal und sagte augenzwinkernd: „Hochgewachsen soll er sein, der ideale Dirigent, bleich, schön, gebieterisch, geheimnisvoll, magnetisch, das Antlitz geprägt von edlem Leid.“ Ein Dirigent wie Lorin Maazel, der dirigierte, seit er 11 Jahre alt war, kannte alle Musik, und er kannte sie in allen denkbaren Variationen. Dazwischen noch den eigenen Stil, das eigene Tempo, die eigene Handschrift zu finden, ist etwas, das ich immer wieder zutiefst bewundere und auch an ihm bewundert habe. Auch Toscanini, Sanderling, Karajan standen oder saßen noch mit über 80 Jahren am Pult und leisteten Grandioses. Und man kann den Stil einzelner Dirigenten noch so sehr analysieren, ein Orchester noch so sehr unter die Lupe nehmen – letztlich ist das Zusammenwirken von Dirigent und Orchester ein Mysterium, ein Rest unbegreiflicher Rätselhaftigkeit, die das Glück der Zuhörer ausmacht. Wir werden dieses großartige Orchester in dieser Saison unter fast dreißig verschiedenen Dirigenten erleben, von denen der älteste 1935 und der jüngste 1984 geboren wurde – und wir werden hören, wie bekannte Klänge sich verändern und verwandeln. Auch Maazel hätte es so gewollt: dass wir der Musik treu bleiben und auch offen gegenüber allen möglichen Interpretationen. Ph Eine Broschüre mit den neuen Konzertprogrammen für die Spielzeit 2014/15 ist ab sofort in den Auslagen im Foyer des Gasteigs erhältlich. Allen Abonnenten wurde im Vorfeld der Saison eine Broschüre mit den Programmen nach Abo-Reihen zugeschickt. Sollten Sie kein Exemplar erhalten haben, bedienen Sie sich bitte an den Auslagen oder wenden Sie sich bitte an unser Abo-Büro. Abschied (I) Unsere Hornistin Maria Teiwes wechselt zu den Bamberger Symphonikern und tritt dort die Stelle als Solo-Hornistin an. Abschied (II) Barbara Kehrig hat die Stelle als Kontrafagottistin beim Konzerthausorchester Berlin gewonnen, die sie zum Start der Saison 2014/15 antreten wird. Herzlich willkommen (I) Wir begrüßen bei den Philharmonikern Floris Mijnders (Solo-Cello), Fora Baltacigil (Solo-Kontrabass), Teresa Zimmermann (Solo-Harfe) und Mia Aselmeyer (Horn). Sie treten zum Beginn der neuen Spielzeit ihre Stellen und das damit verbundene Probejahr an. Ein Kurzportrait finden Sie auf den folgenden Seiten. Herzlich willkommen (II) Ebenso herzlich heißen wir Sigrid Berwanger, Jiweon Moon und Laura Mead (2. Violinen), Christa Jardine und Julie Risbet (Bratschen), 33 Johannes Hofbauer (Fagott) sowie Thiemo Besch (Horn) willkommen. Sie haben einen Zeitvertrag für die Saison 2014/15 erhalten. Kampala, Uganda Zu Gast in der Kampala Music School in Uganda. Im August reisten zum ersten Mal Mitglieder des Orchesters in die ugandische Hauptstadt Kampala, um dort mit Kindern und Musikern der Musikschule in Workshops gemeinsam zu musizieren und Konzerte zu geben. Die Eindrücke in diesem tollen ostafrikanischen Land mit unglaublichen Menschen, die Shengni Guo, Traudl Reich und Maria Teiwes dort erlebten, können Sie in unserem Blog nachlesen bei facebook. com/spielfeldklassik. Fußball Eine höchst unglückliche Niederlage beim Fußballspiel gegen das Team des Bayerischen Staatsorchesters musste der FC Philharmoniker verzeichnen. Stark ersatzgeschwächt – sechs Stammkräfte mussten verletzungsbedingt kurzfristig absagen – und trotz drückender spielerischer Überlegenheit mit ansehnlichen Ballstaffetten nutzten selbst klarste Elfmeterchancen nichts: das Spiel ging mit 0:1 verloren. Wir gratulieren dem Staatsorchester und freuen uns auf das nächste Match. Wie es noch besser geht, erlebten dann beide Mannschaften beim WM-Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich – das Spiel schauten sich alle in kollegialer Eintracht beim gemeinsamen Grillen an. e Konzertübersicht 2014/15 ch is on m er ar ätt ilh Bl Philharmonische Notizen e ilh a Bl rm ät on te is r ch Ph Wir begrüßen... 34 Mia Aselmeyer Teresa Zimmermann Instrument: Horn Instrument: Harfe Mia Aselmeyer wuchs in ihrem Geburtsort Bonn auf und war Jungstudentin an der Kölner Musikhochschule bei Paul van Zelm. Während des Studiums an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg bei Ab Koster war sie Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie und Stipendiatin der Orchesterakademien des Schleswig-Holstein Musikfestivals und der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Für die vergangene Saison erhielt sie bereits einen Zeitvertrag bei den Münchner Philharmonikern, nach ihrem erfolgreichem Probespiel tritt sie nun ihr Probejahr zur festen Stelle an. „Mit der Stelle bei den Münchner Philharmonikern erfüllt sich mir ein Lebenstraum. Ich bin gespannt darauf mit dem Orchester an die unterschiedlichsten Orte zu reisen und der Welt somit die Stadt München ein Stück näher zu bringen“, bekennt Mia Aselmeyer, die in ihrer Freizeit gerne München und das Umland entdeckt und ihre Häkel- und Backtechniken verfeinert. Teresa Zimmermann erhielt ihren ersten Harfenunterricht in ihrer Heimatstadt Hannover mit sechs Jahren. 2008 schloss sie ihr Studium bei Maria Graf an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin mit Auszeichnung in der Solistenklasse ab. Sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen bei allen bedeutenden internationalen Wettbewerben für Harfe. Seit Jahren konzertiert sie als Gast bei renommierten europäischen Orchestern und war seit 2013 Solo-Harfenistin des Philharmonia Orchestra London. Solokonzerte gab sie unter anderem mit den Duisburger Philharmonikern, dem Warschauer Sinfonieorchester und dem Konzerthausorchester Berlin. 2011 wurde sie von ARTE unter der Moderation von Rolando Villàzon für die Sendung „Stars von morgen“ aufgenommen. Seit Dezember 2011 unterrichtet sie als Dozentin für Harfe eine Hauptfachklasse an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. „Ich habe noch nie in Süddeutschland gelebt und bin gespannt, was mich erwartet“, erzählt sie. „Als begeisterte Sportlerin freue ich mich sehr auf die viele Natur und die gute Luft!“ Ph ch is on m er ar ätt ilh Bl 35 Fora Baltacigil Floris Mijnders Instrument: Bass Instrument: Cello Fora Baltacigil, geboren in Istanbul, erhielt ab dem Alter von neun Jahren Bass-Unterricht von seinem Vater, dem Solo-Kontrabassisten des Istanbul State Symphony Orchestra. Später studierte er bis zum Jahr 2002 am Istanbul University Conservatory und erhielt 2006 sein künstlerisches Diplom am Curtis Institute of Music in Philadelphia, wo er Schüler Hal Robinsons und Edgar Meyers war. Fora Baltacigil war Mitglied der Berliner Philharmoniker und Solo-Bassist des Minnesota Orchestra und des New York Philharmonic Orchestras. Als Solist spielte er mit dem Minnesota Orchestra John Harbisons „Concerto for Bass Viol“ und trat zusammen mit seinem Bruder Efe, dem Solo-Cellisten des Seattle Symphony Orchestras, mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle auf (Programm: Giovanni Bottesinis „Grand Duo Concertante“). Seine Freizeit verbringt Fora Baltacigil – wenn er nicht gerade als Hobby-Koch am Herd steht und neue Rezepte ausprobiert – gerne als begeisterter Segler und Taucher in bzw. auf dem Wasser. Floris Mijnders, geboren in Den Haag, bekam als Achtjähriger den ersten Cellounterricht von seinem Vater. Ab 1984 studierte er bei Jean Decroos am Royal Conservatory Den Haag. Während seines Studiums spielte er im European Youth Orchestra und besuchte Meisterklassen bei Heinrich Schiff und Mstislav Rostropovich. Mijnders wurde 1990, kurz nach Studienende, 1. Solo-Cellist im Gelders Orkest in Arnhem. Nicht viel später wechselte er in gleicher Position zum Radio Filharmonisch Orkest. Seit 2001 war er 1. Solo-Cellist des Rotterdam Philharmonic Orchestra und wurde als Solo-Cellist von zahlreichen renommierten europäischen Orchestern eingeladen. Als Solist trat er mit vielen europäischen Orchestern auf, unter anderem mehrmals mit dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam und dem Radio Filharmonisch Orkest. Floris Mijnders ist Professor für Violoncello am Sweelinck Concervatorium Amsterdam. Neben der Musik ist Kochen Floris Mijnders Leidenschaft. Er freut sich auf die Zeit in München und darauf, die schöne Natur Bayerns genießen und im Winter Schlittschuhlaufen gehen zu können. e Wir begrüßen... e ilh a Bl rm ät on te is r ch Ph 36 Über die Schulter geschaut Im Dienste der Musik – die Notenarchivare der Münchner Philharmoniker Christian Beuke Gefragt nach einem typigerne arbeiten die beiden schen Arbeitstag, fällt ihre Archivare für den EhrenAntwort kurz, prägnant und dirigenten, Zubin Mehta. mit einem Schmunzeln aus: Denn pünktlicher als er ist „Den gibt es nicht.“ Thomas niemand. „Von ihm kommt Lang und Georg Haider ardie Quinte mindestens drei beiten seit zehn bzw. fünf Monate vor der ersten ProJahren als Notenarchivare be. Mehr als ausreichend Zeit, damit wir die fertigen bei den Münchner Philharmonikern. Vor allem sind sie Stimmen pünktlich an die dafür verantwortlich, dass Thomas Lang und Georg Haider (von links auf dem Foto) Orchestermusiker überdie Striche – die Auf- und arbeiten seit zehn bzw. fünf Jahren als Notenarchivare geben und sie die ProAbstriche der Streicher – gramme vorbereiten könkorrekt in jede Stimme und nach den Wünschen des nen. Unser Anspruch ist es, immer zwei bis drei Dirigenten eingetragen sind. „Manche Maestri Projekte voraus zu sein“, erläutert Georg Haider. schicken uns eine sogenannte „Quinte“ – die ein„Treten Programmänderungen auf, hat die Aktualigerichteten Striche von je einer 1. und 2. Geige, tät natürlich immer Vorrang.“ Bratsche, Cello und Bass“, erklärt Georg Haider. Was sich auf den ersten Blick simpel anhört, ist Durch ihre Hände wandern mitunter wahre Schätbei genauerem Hinsehen wesentlich komplexer. ze. Gustavo Dudamel war sofort Feuer und Flamme Jeder Maestro hat unterschiedliche Erwartungen: als er hörte, dass es bei den Münchner Philharmoder eine bevorzugt das Notenmaterial eines benikern noch alte Noten gebe, die von Celibidache stimmten Verlags, weil er mit diesen Noten schon eingerichtet wurden und aus denen er dirigiert hat. seit Jahren arbeitet. „Lorin Maazel hat dank seines „Er fragte, ob er nach einer Probe kurz bei uns vorfotografischen Gedächtnisses sofort erkannt, ob es bei kommen dürfe, um sich Partituren genauer an„sein“ Material war“, erinnert sich Thomas Lang. zusehen“, berichtet Thomas Lang. „Fast eine Stun„Diese Stelle war doch bisher immer oben links auf de war er da“ – eine Ausnahme, wie er gerne offen zugibt. „Mit offenem Mund hat er zugehört als dieser Seite. Es ist ein wenig ungewohnt, wenn sie auf einmal woanders auftaucht“, so der Kommentar ich ihm sagte, dass die Münchner Philharmoniker des Maestros. Andere Dirigenten sind dagegen fast alle Orchesterwerke Richard Strauss’ vom sehr an den neuesten Ausgaben interessiert, die Komponisten selbst geschenkt bekommen haben.“ erst ganz frisch herausgekommen sind. Besonders In der Tat eine absolute Besonderheit. Ph Auch ein guter Draht zu den Musikern des Orchesters ist für Thomas Lang und Georg Haider selbstverständlich. Wünsche einzelner Kollegen werden sofort erfüllt, sei es die Vergrößerung von Stimmen, das Übertragen kurzer Passagen in einen anderen Notenschlüssel oder die Bereitstellung von Stimmen auch mal früher als normalerweise üblich. Wolfgang Berg, Bratscher und Erfinder des 37 Odeonjugendorchesters, fragt regelmäßig für das Patenorchester nach einer Quinte, damit die jungen Musiker die Striche in ihr gekauftes Material übertragen können. Gleiches gilt für das Abonnentenorchester. Und unlesbare Stimmen, im letzten Falle waren das zwei Soloviolinen, die in einem Notensystem – „für das menschliche Auge kaum mehr wahrnehmbar“ – zusammengefasst waren, werden fein säuberlich getrennt neu notiert. Für das beste künstlerische Ergebnis. Georg Haider hat u.a. Komposition studiert. Bevor er bei den Münchner Philharmonikern anfing, war er als freischaffender Komponist tätig. Erst kürzlich hat er mit einem außergewöhnlichen Projekt von sich Reden gemacht: dem Klangbuch „Der Dritte Mann“, nach dem Roman von Orson Welles. Die Musik für vier Zithern, Posaune und Schlagzeug hat er ursprünglich für ein Zitherfestival komponiert. Gemeinsam mit dem Sprecher Norbert Gastell, mit verstellter Stimme als Synchronstimme von Homer Simpson bekannt, ist ein Melodram entstanden, das der Mandelbaumverlag herausgebracht hat. Deutschlandradio Kultur rezensiert: „Dieser „Dritte Mann“ ist kein Futter für das Autoradio, kein Unterhaltungskrimi, kein Auffrischen einer bereits bekannten Erzählung. Georg Haiders „Der Dritte Mann – Orson Welles’ Schatten“ ist uneasy listening, faszinierend-verstörende Hörkunst, die bewusstes Hören erfordert. Und nachdem man diesen Stoff mit anderen Ohren gehört hat, wird man vermutlich auch den Film mit anderen Augen sehen.“ Stets im Dienste der Musik eben. e In der Regel aber wird das Notenmaterial eingekauft. Bedingung für den Erwerb ist, dass die Rechte der Komponisten an den Werken freigeworden sind. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten der Fall. Richard Strauss zum Beispiel ist also noch bis zum 1.1.2020 geschützt. In Asien oder auch in Amerika gelten hingegen andere Regeln. So war in den USA bis vor kurzem jedes Werk 50 Jahre nach dem Erscheinen des jeweiligen Erstdrucks geschützt. Wann werden welche Werke frei? Welche neuen Urtexte gibt es? Fragen, die die beiden Archivare aus dem Stand beantworten können. Ein guter Draht zu den Musikverlagen ist dabei mehr als hilfreich, ja geradezu Voraussetzung. Thomas Lang hat viele Jahre in einem großen Notenverlag gearbeitet, er kennt auch die andere Seite bestens und hat schon die eine oder andere kritische Situation still und einvernehmlich gelöst. Vorher war er als Dramaturg an verschiedenen Theatern in Deutschland tätig. Kein Wunder, dass seine große Liebe der Oper gilt, genauer gesagt der unentdeckten Oper. Mehr als 600 verschiedene Opern hat er bereits gesehen, dafür reist er durch ganz Deutschland, wann immer es die Zeit zulässt. Besonders angetan ist er von den zahlreichen Raritäten, die das Stadttheater Gießen schon seit Jahren ausgräbt. ch is on m er ar ätt ilh Bl Über die Schulter geschaut e ilh a Bl rm ät on te is r ch Ph 38 Orchestergeschichte Ein außergewöhnliches Konzert mit Gustav Mahlers nachgelassenem Adagiosatz Gabriele E. Meyer Am 17. Dezember 1931 stellte der Konzertverein in Verbindung mit der 1927 von Fritz Büchtger gegründeten „Vereinigung für zeitgenössische Musik“ vier für München ganz neue und „gegensätzliche“ Werke vor. Am Pult der Münchner Philharmoniker stand Hermann Scherchen, zeit seines Lebens unbeirrbarer Förderer der neuen Musik und Freund vieler Komponisten. Mit Feuereifer erarbeiteten die Musiker Gustav Mahlers Adagio aus dessen unvollendet gebliebener zehnten Symphonie sowie Paul Hindemiths 1930 für das Bostoner Symphonieorchester komponierte „Konzertmusik für Streichorchester und Bläser“ op. 50, Arthur Honeggers Symphonie Nr. 1 (1930) und Wladimir Vogels „Zwei Orchester-Etüden“, ebenfalls aus dem Jahre 1930. Schon in der Ankündigung zu dem Konzert machten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ auf die schwierige musikgeschichtliche Stellung des damals noch kontrovers diskutierten österreichischen Komponisten aufmerksam. „Mahler ist oft als einer der Väter der sogenannten neuen Musik bezeichnet worden, wenn auch diese Beziehung sehr problematisch ist und man eher ihn als den Ausklang der Romantik bezeichnen kann.“ Das Echo auf diesen Konzertabend aber war enorm, wobei gerade Mahlers Adagiosatz den größten Eindruck hinterließ. So wurden die „innere Konzentration“ und die „ergreifende Ausdruckskraft des breit in schmerzlicher Schönheit hinströmenden Gesanges“ ebenso vermerkt wie die „Spannung weiter Intervalle“. Ein anderer Rezensent sah den Satz als „erschütternden Ausklang einer um die letzten Dinge wissenden Seele“. Interessant, notabene, ist hier auch der Hinweis auf Brucknersche Gedankengänge. Es scheint, als ob die Logik des Zerfalls, das musikalische Bild des Todes, das Mahler hier komponiert hat, geradezu hervorragend getroffen wurde. Wie nun Hermann Scherchen die Werke des ganzen Abends „musikalisch und geistig, aber auch dirigiertechnisch vermittelt hat, war“, nach übereinstimmender Meinung, „wieder im höchsten Grade bewunderungswürdig. Aber auch die Münchner Philharmoniker zeigten sich an diesem Abend auf der vollen Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. Sie spielten glänzend.“ Ein besonderes Lob erhielten die Blechbläser, die wahrlich keinen leichten Abend hatten. Der schönste Dank aber kam von Scherchen selbst. In einem offenen Brief an die Philharmoniker würdigte er deren großartigen Einsatz. „Nicht nur, daß Sie ein exzeptionell schwieriges Programm virtuos bewältigten, haben Sie auch vermocht, vier ganz gegensätzliche Stile scharf profiliert darzustellen und dies auf Grund von relativ knappster Probenarbeit. Ich habe bewundert, mit welch persönlichem Interesse Sie sich schnell zu den Ihnen ganz fremden Werken in Beziehung zu bringen vermocht haben und ich war glücklich und Ihnen restlos dankbar, daß Ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl es mir ermöglicht hat, noch am Abend unmittelbar vorm Konzert zu probieren und so in hohem Maße der Kunst dienen zu können.“ Ph ch is on m er ar ätt ilh Bl 39 Ehrenamt in Kampala Jutta Sistemich, über 10 Jahre tätig im „Spielfeld Klassik“-Team und Gründerin des Mädchenheims SUNRISE HOME OF KAMPALA in Uganda Uganda zählt zu den kinderreichsten, ärmsten Ländern Afrikas. 2 Millionen Waisen sind dort registriert, ca. die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 16 Jahre. Für viele Kinder dort bedeutet dies keine vielversprechenden Zukunftsaussichten, wenig Hoffnung auf eine gute Schulausbildung und ausreichende medizinische Versorgung. Gleich bei meinem ersten Aufenthalt in Kampala im April 2011 entstand die Idee, ein Heim für Mädchen einzurichten, die dort ein neues zu Hause bekommen und die Chance auf eine gute Ausbildung erhalten. Im September 2012 gründete ich gemeinsam mit meiner Tochter Viola und meiner Freundin Leilah Nassozi (siehe Foto), das SUNRISE HOME OF KAMPALA, das heute 20 Kinder beherbergt. Unsere Projekte sollen vielen Kindern helfen – z.B. durch unsere Tanzgruppe, in der auch viele Kinder der Nachbarschaft mittanzen und einige Schulgelder von uns erhalten. Oder die geplante Nähschule, um Bewohnern der Dorfgemeinschaft eine Ausbildungsmöglichkeit zu geben. Da auch die klassische musikalische Förderung einen Schwerpunkt bildet, lag es nahe, den Kontakt zur Kampala Music School (KMS), dem Zentrum für klassische Musik und Jazz in Uganda, zu suchen und die Idee der Kooperation anzuregen. Fred Kiggundu Musoke, Leiter der KMS, war direkt begeistert und so entwickelten wir verschiedene Szenarien, von denen wir den ersten Schritt im Juli diesen Jahres realisierten. Die Musikerinnen Traudel Reich, Maria Teiwes und Shengni Guo reisten zusammen mit Simone Siwek, der Leiterin von „Spielfeld Klassik“, nach Kampala. Workshops mit Lehrern und Schülern standen auf dem Programm, gemeinsames Musizieren und ein Konzert. Der gegenseitige Austausch stand im Vordergrund, wobei Schüler und Lehrer der Musikschule mit großer Begeisterung dabei waren. Natürlich sind die Gegebenheiten vor Ort nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Kurzfristige Änderungen von Plänen sind üblich und lange Wartezeiten keine Seltenheit. Dennoch: Dank gutem Willen, Improvisationstalent und viel Enthusiasmus aller Beteiligten wurde der erste Besuch der MPhil-Delegation ein voller Erfolg. Wenn auch Sie unsere Arbeit unterstützen möchten – Ihre Hilfe erreicht unsere Kinder direkt. Alle wichtigen Informationen erhalten Sie unter www.empologoma.org. e Das letzte Wort hat... 40 Do. 27.11.2014, 20:00 2. Abo b Fr. 28.11.2014, 20:00 2. Abo c Sa. 29.11.2014, 19:00 3. Abo d Jan Müller-Wieland „Egmonts Freiheit oder Böhmen liegt am Meer“ für Sprecher, Sopran, Chor, Orgel und großes Orchester Vorschau So. 07.12.2014, 11:00 2. KaKo Mo. 08.12.2014, 20:00 3. Abo f Mi. 10.12.2014, 20:00 3. Abo a „Wahlverwandtschaften“ Antonín Dvořák Klavierquartett Nr. 1 D-Dur op. 23 Josef Suk Klavierquartett a-Moll op. 1 Kurt Weill Symphonie Nr. 2 Johannes Brahms Klavierquartett g-Moll op. 25 (Instrumentierung: Arnold Schönberg) Uraufführung Jan Müller-Wieland, Dirigent Claudia Barainsky, Sopran Klaus Maria Brandauer, Sprecher Friedemann Winklhofer, Orgel Philharmonischer Chor München, Einstudierung: Andreas Herrmann Impressum Herausgeber Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4, 81667 München Lektorat: Stephan Kohler Corporate Design: Graphik: dm druckmedien gmbh, München Druck: Color Offset GmbH, Geretsrieder Str. 10, 81379 München Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt. Johannes Brahms Klavierquartett Nr. 2 A-Dur op. 26 Michael Sanderling, Dirigent Wolfram Lohschütz, Violine Burkhard Sigl, Viola Joachim Wohlgemuth, Violoncello Paul Rivinius, Klavier Textnachweise Wolfgang Stähr, Nicole Restle, Stephan Kohler, Elke Heidenreich, Christian Beuke, Gabriele E. Meyer und Jutta Sistemich schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Die lexikalischen Angaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken redigierte bzw. verfasste Stephan Kohler. Künstlerbiographien: Agenturtexte (Heras-Casado, Tetzlaff, Kühmeier). Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig. Bildnachweise Abbildung zu Wolfgang Amadeus Mozart: Maximilian Zenger und Otto Erich Deutsch (Hrsg.), Mozart und seine Welt in zeitgenössischen Bildern (Neue Mozart-Ausgabe, Serie X: Supplement, Werkgruppe 32), Kassel 1961. Abbildungen zu Felix Mendelssohn Bartholdy: Hans-Günter Klein (Hrsg.), Felix Mendelssohn Bartholdy – Ein Almanach, Leipzig 2008. Abbildungen zu Gustav Mahler: Gilbert Kaplan (Hrsg.), Das Mahler Album, New York / Wien 1995; Kurt Blaukopf und Zoltán Román, Mahler – Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Bildern und Texten, Wien 1976. Künstlerphotographien: Felix Broede (HerasCasado); Giorgia Bertazzi (Tetzlaff); Tina King (Kühmeier); Leonie von Kleist (Heidenreich); Privat (Aselmeyer, Zimmermann, Baltacigil, Mijnders); Simone Siwek (Sistemich). Michael Sanderling Dirigent Kurt Weill Symphonie Nr. 2 Johannes Brahms Klavierquartett g-Moll op. 25 (Instrumentierung: Arnold Schönberg) Mo. 08.12.2014, 20 Uhr Mi. 10.12.2014, 20 Uhr Philharmonie im Gasteig Karten € 61 / 51,50 / 45 / 36,90 / 31,20 / 18,10 / 12,30 Informationen und Karten über München Ticket KlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de 117. Spielzeit seit der Gründung 1893 Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016) Paul Müller, Intendant