UNIVERSITÄT BASEL Klassische Musik und ihre Nutzung in der audiovisuellen Werbekommunikation Masterarbeit Cristina Pileggi MA – Medienwissenschaft und Musikwissenschaft Referent: Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun Korreferent: Dr. Daniel Klug Abgabe: 25.02.2016 Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG ........................................................................................................................... 1 2. DAS ALLTAGSPHÄNOMEN KOMMUNIKATION ........................................................... 8 2.1 VON DER MASSENMEDIALEN KOMMUNIKATION ZUR MASSENKULTUR .......................... 10 2.2 AUDIOVISUELLE WERBEKOMMUNIKATION IM FERNSEHEN ............................................. 12 2.3 EXEMPLARISCHE ASPEKTE DER WERBEFORSCHUNG ................................................... 16 3. DIE KLANGLICHE VERMARKTUNGSÄSTHETIK ........................................................ 21 3.1 ZUR MUSIKGESTALTUNG IM MEDIALEN KLANG ............................................................... 22 3.2 ZUM AUDIOVISUELLEN BRANDING ................................................................................... 26 4. DIE NUTZUNG KLASSISCHER MUSIK IN DER AUDIOVISUELLEN WERBEKOMMUNIKATION .................................................................................................... 33 4.1 DIE TRANSKRIPTION AUDIOVISUELLER MEDIEN ............................................................. 33 4.1.1 Bildebene: Dargestelltes und Darstellendes ...................................................... 34 4.1.2 Textebene: Voices und Vocals ............................................................................. 40 4.1.3 Tonebene: Partitur und Audio ............................................................................... 42 4.2 INHALTSANALYSE AUDIOVISUELLER MEDIENPRODUKTE ................................................ 45 4.2.1 Fallanalyse des Werbespots Alfa Romeo Spider (2010) ................................. 47 4.2.2 Fallanalyse des Werbespots Lexus NX TVC (2014) ........................................ 54 4.3 INTERPRETATION ZUR NUTZUNG KLASSISCHER MUSIK IM WERBESPOT ...................... 62 4.3.1 Die doppelte Verführung: Alfa Romeo Spider (2010) ....................................... 62 4.3.2 Das musikalische Crossover: Lexus NX TVC (2014) ....................................... 69 5. SCHLUSSBETRACHTUNGEN .......................................................................................... 76 6. AUSBLICK............................................................................................................................. 82 QUELLENVERZEICHNIS ........................................................................................................ 85 A.) LITERATUR ......................................................................................................................... 85 B.) WEITERFÜHRENDE LITERATUR ......................................................................................... 89 C.) INTERNET ........................................................................................................................... 90 D.) NOTENEDITION .................................................................................................................. 91 ANHANG .................................................................................................................................... 92 I.) WERBESTATISTIK SCHWEIZ 2014 ..................................................................................... 92 II.) INHALT DER BEIGEFÜGTEN DVD: ...................................................................................... 93 1. Einleitung „Die Werbung, so stellte Bücher […] fest, begegnet uns überall dort, wo unsere Aufmerksamkeit durch ein ande1 res Interesse abgelenkt werde.“ Aufmerksamkeit, Interesse, Ablenkung – dies sind die Schlagworte, die Karl Bücher2 schon im Jahr 1917 zum Thema Werbung hervorhebt. Erstaunlich ist dabei die Aktualität seiner Aussage: Mit der technischen Weiterentwicklung der Massenmedien änderte sich die Ästhetik der Werbung vom rein visuellen Plakat zur akustischen Radiopropaganda bis zum audiovisuellen Werbespot in Fernsehen und Internet, ohne jedoch die genannten, zeitlosen Hauptmerkmale Büchers abzuwandeln. In der vorliegenden Masterarbeit soll diesen Charakteristika der Werbekommunikation – der Aufmerksamkeit, dem Interesse, der Ablenkung – nachgegangen werden, wobei der Fokus auf der Nutzung präexistierender Musik beziehungsweise klassischer Musik liegt. Klassische Musik trifft man seit der Entwicklung audiovisueller Medien nicht mehr nur im Konzertsaal, sondern eben auch als (Teil-)Produkt der medialen Botschaft an. Obwohl heutige Inhalte audiovisueller Medien zu Schnelligkeit, Visual Effects und Action tendieren,3 greifen gerade Werbeagenturen für ihre Kunden immer wieder auf die musikalische Geschichte zurück. Welchen Grund sie dabei verfolgen, wird in dieser Masterarbeit nur marginal verfolgt. Denn die Fragen, ob die Werbeproduzenten lediglich das Gefühl einer gesellschaftlich determinierten Hochkultur propagieren möchten, oder ob sie die Aufmerksamkeit ihrer Kunden durch geschickte Musikanwendung auf sich zu ziehen versuchen, sind nur durch Vermutungen zu beantworten. Vielmehr soll in der vorliegenden Arbeit nach dem Wie gefragt werden: Wie wird klassische Musik in der audiovisuellen Werbekommunikation eingesetzt? Als ganzheitliches Medienprodukt sollte davon ausgegangen werden, dass im Prozess der Audiovision ein Teil – entweder das Akustische oder das Optische – dem anderen angepasst wird. Aus diesem Grund lässt sich die Forschungsfrage einerseits 1 Vgl. Zurstiege, Guido: Werbeforschung. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2007. S. 27. Karl Bücher war womöglich der Erste, der im Jahr 1917 die volkswirtschaftliche Bedeutung der Reklame an der Leipziger Universität proklamierte. Vgl. Zurstiege (2007): S. 26f. 3 Vgl. Rota, Franco P.: Die Sinnkrise der TV-Werbung und ihre Chancen in der Informationsgesellschaft. In: Fernsehwerbung – quo vadis? Auf dem Weg in die digitale Medienwelt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004. S. 55. 2 1 darauf erweitern, in welchem Ausmass die Anpassung stattfindet: Wird das optisch Neue vom akustisch Alten getrennt oder wird eines der beiden der Zeit entsprechend angepasst? Darauf beziehend stellt sich andererseits die Frage, inwiefern die klassische Musik in der Werbekommunikation intentional verwendet wird. Will klassische Musik im Werbespot kommunizieren oder fungiert sie lediglich als Begleitobjekt der Audiovision? In diesem Zusammenhang soll auch die Korrelation von Bild, Text und Ton untersucht werden. Bisherige Forschungsstudien konzentrieren sich überwiegend auf die Rezeptionswirkung. Ziel dieser Studien ist es, Strategien zur Steuerung der Werberezeption zu finden. Bis ins 21. Jahrhundert arbeiteten Wissenschaftler wie Mike Friedrichsen et al. mit zum Teil veralteten Hierarchie- oder Stufenmodellen, bei denen die Sukzession kognitiver, affektiver und konativer Parameter eingehalten werden muss, um eine bestimmte Wirkung zu erreichen.4 In den 1980er und 1990er Jahren erkannten Forscher auch die Relevanz der Beteiligung eines Rezipienten, sodass zusätzliche Low- und High-InvolvementModelle hinzukamen.5 Um die Aufmerksamkeit und die Rezeptionsbeteiligung der Zuschauer zu steigern, rückt heute zudem der strategische Einsatz der verschiedenen Werbemittel immer mehr in den Fokus der Werbeforschung. Manfred Bruhn präsentiert beispielsweise in seiner Kommunikationspolitik6 systematische Benutzungsmethoden der strategischen Kommunikation für Unternehmen. In abstrahierter Form dienen diese Kommunikationsprozesse der positiven Beeinflussung auf den Werbeerfolg. Gerade im audiovisuellen Vermittlungsprozess versprechen sich Medienunternehmen eine verstärkte Wirksamkeit durch den Einsatz von Musik. Doch obwohl sich einige Wissenschaftler wie Siegmund Helms (1981)7 und Klaus Wüsthoff (1999)8 bereits mit dem Thema 4 Vgl. Friedrichsen, Mike / Friedrichsen, Syster: Grundlagen der TV-Werbewirkungsforschung. In: Fernsehwerbung – quo vadis? Auf dem Weg in die digitale Medienwelt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004b. S. 16f. 5 Vgl. hierzu die Studie von Richard Petty und John T. Cacioppo aus dem Jahr 1986. Petty und Cacioppo entwarfen das Elaboration Lidklihood Model (ELM), das von einer divergenten Verarbeitung des Rezipierten ausgeht, der entweder eine hohe zentrale oder eine tiefe periphere Beteiligung am Vermittlungsgeschehen erweist. Vgl. Friedrichsen et al. (2004b): S. 17. 6 Vgl. Bruhn, Manfred: Kommunikationspolitik. Systematischer Einsatz der Kommunikation für Unternehmen. München: Verlag Franz Vahlen GmbH, 2015. 7 Vgl. Helms, Siegmund: Musik in der Werbung. Materialien zur Didaktik und Methodik des Musikunterrichts. Bd. 10. Hrg. von Siegmund Helms, Georg Rebscher und Dieter Zimmerschied. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 1981. 8 Vgl. Wüsthoff, Klaus: Die Rolle der Musik in der Film-, Funk- und Fernsehwerbung. Kassel: Verlag Merseburger Berlin GmbH, 1999. 2 auseinandergesetzt haben, konstatiert Claudia Bullerjahn noch 2009 in ihrer Publikation in Die Wirksamkeit von Musik in der Fernsehwerbung9 eine bisher gering entwickelte Forschungssituation im Bereich der Werbemusik.10 Ein möglicher Grund hierfür lässt sich in der Absenz einer geeigneten Forschungsmethode finden. Denn in ihrem Ausblick stellt Bullerjahn fest, dass eine Mehrzahl der durchgeführten Studien auf quantitativen (Harmonie- und Satzlehre basierenden) oder qualitativen (kulturellen und affektiven) Ansätzen beruhen. Von zukünftigen Forschungsstudien erwartet sie deshalb die Entwicklung neuer Systeme, in denen die Werbemusik in Form einer Triangulation – qualitative und quantitative Komponente miteinbeziehend – untersucht werden kann. Dabei erwähnt sie Kineta Hungs beispielhafte Untersuchungsmethode (2000 und 2001) 11 , in der kulturelle Inhalte mit strukturellen Konventionen und gesellschaftlicher Bedeutungsbildung vereint sind. Auf diese Weise kam Hung zum Schluss, dass die Rezeption der Werbemusik und der Werbebotschaft vom kulturellen Wissen eines Einzelnen und von der Gesellschaft abhängen.12 In einer erweiterten Form dieses Ansatzes setze ich in der vorliegenden Arbeit die klassische Musik als Zeichensystem in Relation zur medialen Botschaft und erörtere somit die strukturellen und bedeutungsrelevanten Komponenten einer audiovisuellen Werbekommunikation in der Kombination von Bild, Text und Ton. Im theoretischen Teil dieser Arbeit sollen deshalb medienwissenschaftliche wie auch musikwissenschaftliche Aspekte der Werbekommunikation in die Argumentation einfliessen. Niklas Luhmann schrieb in seiner Publikation Die Realität der Massenmedien13: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“14 Dieses Zitat findet man in beinahe jeder medienwissenschaftlichen Basisliteratur. Es definiert einerseits die 9 Vgl. Bullerjahn, Claudia: Die Wirksamkeit von Musik in der Fernsehwerbung. Ein Vergleich theoretischer Annäherungen und Ergebnisse empirischer Studien. In: Musik und Ökonomie. Finanzieren und Vermarkten von und mit Hilfe von Musik – Musikästhetisches und musikpädagogisches Haushalten. Bd. 3 der Serie Musik – Kultur – Wissenschaft. Hrg. von Claudia Bullerjahn und Wolfgang Löffler. Hildesheim: Georg Olms Verlag AG, 2009. S. 255–298. 10 Vgl. ebd.: S. 267. 11 Vgl. Hung, Kineta: Narrative Music In Congruent And Incongruent TV Advertising. In: Journal Of Advertising 29. H. 1. [o.O.]: [o.V.], 2000. S. 25–34. Und vgl. Hung, Kineta: Framing Meaning Perception With Music. The Case Of Teaser Ads. In: Journal Of Advertising 30. H. 3. [o.O.]: [o.V.], 2001. S. 39–49. 12 Vgl. Bullerjahn (2009): S. 291. 13 Vgl. Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2009. 14 Ebd.: S. 9. 3 Massenmedien als Spiegel der Gesellschaft, und weist ihnen andererseits die Macht zu, das Allgemeinwissen einer Gesellschaft zu kreieren. Das sogenannte Gesellschaftswissen basiert, wie sich im zweiten Kapitel dieser Arbeit herausstellen wird, auf dem Massengeschmack und der Massenkultur. Die Entwicklung der Massenkultur entsteht nicht (nur) im Unterbewusstsein der Gesellschaft. Denn obwohl dies seltener erwähnt wird, erscheint mir der darauf folgende Satz von Luhmann in dieser Beziehung noch viel wichtiger: „Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können.“15 Während Medienforscher wie Vance Packard in den 1960er Jahren von Manipulation der Massenmedien sprachen, 16 argumentierte Luhmann 1995 17 mit der Konstruktion der illusorischen Realität. Massenmedien vertrauen darauf, dass die Rezipienten wissen, dass es sich um eine ‚mediale Wahrheit‘ handelt. Somit deklarieren die Massenmedien und besonders die Werbung ihre Absichten, doch verschleiern sie geschickt, wie sie zu ihren Medieninhalten kommen.18 Um die Produktion eines audiovisuellen Massenmedienprodukts zu erfassen, gilt es also im Speziellen, dessen Mittel und Kommunikationskanäle zu erörtern (vgl. Kapitel 2). Der theoretische Teil der vorliegenden Arbeit beinhaltet interdisziplinäre Korrelationen und greift in erster Linie auf Methoden aus den Filmwissenschaften zurück, zumal im audiovisuellen Medienprodukt Film Parallelen zum Werbespot zu finden sind. Im Film differenziert Christian Metz fünf Informationskanäle, die der Werbespot ebenfalls innehat: a.) das visuelle Bild, b.) die Schrift und Grafiken, c.) der Dialog, d.) die Musik und e.) weitere Toneffekte wie beispielsweise Geräusche. James Monaco beobachtet in dieser Gliederung mit Recht, dass die Anzahl der akustischen Informationskanäle der Mehrheit angehören. Während das Bild und die Schrift visuell wahrgenommen werden, sind Dialoge, musikalische Einsätze und Toneffekte aller Art akustisch zu rezipieren. Im filmischen Kommunikationsprozess sind ausserdem lediglich die Informationskanäle des visuellen Bildes und der Geräusche permanent präsent. Die restlichen Kanäle können in einem Film ein- und ausgeblendet werden, ohne 15 Ebd. Vgl. Packard, Vance: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewussten in jedermann. Frankfurt am Main: Ullstein Verlag, 1966. 17 Erstveröffentlichung von: Luhmann (2009). 18 Vgl. ebd.: S. 60. 16 4 einen realen Unterbruch im Kommunikationsakt zu erzeugen. Für die Rezeption bedeutet dies weiter, dass, während das visuelle Bild bewusst dechiffriert wird, die Akustik im Unterbewusstsein verweilt. Gründe dafür liegen laut Monaco in der Habituation der ubiquitären Präsenz von Klängen, weshalb die Ebene des Akustischen bei audiovisuellen Analysen auch oft unterschätzt und nicht untersucht werde:19 „Bilder können auf viele verschiedene Arten manipuliert werden, und die Manipulation ist relativ offensichtlich; beim Ton ist selbst die begrenzte Manipulation, die vorkommt, vage und wird meistens nicht erkannt.“20 Doch gerade aufgrund der Allgegenwärtigkeit des Klanges möchte ich mit der vorliegenden Analyse ihre Bedeutung in Werbespots eingehend betrachten. Die umgebende Geräuschkulisse ordnet Zeit und Raum – Eigenschaften, welche die Musik ebenfalls aufweist. Erst durch die Zugabe eines Tons wird das Bild atmosphärisch und eingängig rezipiert.21 Siegfried Kracauer konstatierte folgerichtig in der Theorie des Films22, „dass ein Licht heller zu leuchten scheint, wenn gleichzeitig ein Summen ertönt; Musik macht sich diesen Effekt zunutze, sie leuchtet die bleichen stummen Bilder auf der Leinwand an, so dass sie bei uns verweilen.“23 Umgekehrt – womit Kracauers Aussage vonseiten der praktischen Musikausübung ergänzt wird – weist Ulrich Mosch darauf hin, dass selbst beim Musizieren und bei der Musikrezeption immer visuelle Bezüge mitschwingen. Auf diese Weise kann die Musik das Dargestellte verstärken. Trotzdem hebt Mosch hervor, dass Fernsehen und im Allgemeineren alle audiovisuellen Medienprodukte keine reinen Bildmedien sind.24 Doch wie erklärt sich dieses musikalische Phänomen? Wie lässt sich Musik verstehen oder gar begründen? Wilfried Gruhn erklärt es mit dem Begriff des ‚ästhetischen Erlebens‘. Dieses entsteht durch die Distanz zum musikali- 19 Vgl. Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Hamburg: Reinbek, 2007. S. 215. 20 Ebd. 21 Vgl. ebd. 22 Vgl. Kracauer, Siegfried: Theorie des Films. Die Errettung der äusseren Wirklichkeit. Hrg. von Inka Mülder-Bach. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005. 23 Ebd.: S. 222. 24 Vgl. Mosch, Ulrich: Klangkunst im Bildmedium? Über die Schwierigkeiten der zeitgenössischen Musik im Fernsehen heute (Forum Medien I). In: Hören und Sehen – Musik audiovisuell. Wahrnehmung im Wandel. Produktion – Rezeption – Analyse – Vermittlung. Bd. 45. Hrg. vom Institut für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Mainz: Schott Musik International, 2005. S. 183. 5 schen Gegenstand und beruht somit nicht nur auf der Affektivität der Musik.25 Obwohl Werbemusik die zugeordnete Funktion hat, Emotionen zu evozieren, affektieren diese Emotionen den Rezipienten nicht vollständig: So ruft der in der Wick MediNait-Werbung 26 verwendete Trauermarsch kaum ein Gefühl tiefer Trauer hervor. Ähnlich wie bei der Realität der Massenmedien handelt es sich hierbei also um eine konstruierte Emotionsillusion. Helmut Rösing interpretiert Gruhns Theorie so, dass das Verstehen erst einsetzt, „wenn ästhetisches Erleben und Erkenntnisinteresse auf das intentionale Moment der Komposition gerichtet sind.“27 Die Analyse des intentional eingesetzten Werbemittels ist deshalb nicht alleine in seiner Wahrnehmung oder in seiner Struktur, sondern erst durch die Miteinbeziehung von soziokulturellen und musikhistorischen Komponenten allumfassend (vgl. Kapitel 3). Dass Musik „ein unerklärbares Phänomen“28 sei, ist in der vorliegenden Masterarbeit deshalb zu widerlegen. Zur Untersuchung der Forschungsfrage lege ich im vierten Kapitel zwei Produktanalysen mit dem musikzentrierten Transkriptionsprogramm für audiovisuelle Medienprodukte (kurz: trAVis)29 vor. Bei den Analysegegenständen handelt es sich zum einen um die audiovisuelle Werbung Alfa Romeo Spider30 aus dem Jahr 2010, die Ausschnitte aus Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Le nozze di Figaro – im Spezifischen die Arie Sull’aria – verwendet. Zum anderen geht es um den Werbespot This is the new Lexus NX TVC (2014)31, der mit Mozarts Andante aus dem Klavierkonzert Nr. 21 (KV 467) untermalt ist. Die Entscheidung für die Analysegegenstände beruht auf der unterschiedlichen Benutzung von Musik desselben Komponisten in der audiovisuellen Werbekommunikation. Mit der Wahl zweier Werbungen, in denen Mozarts Musik erklingt, kann man mithilfe des Vergleichs meine Fragestellung besser exemplifiziert beantworten als mit der Werbemusik verschiedener Komponisten. 25 Vgl. Rösing, Helmut: Musikrezeption versus Musikästhetik. Versuch einer Annäherung. In: Festschrift. Walter Wiora zum 90. Geburtstag. Hrg. von Christoph-Hellmut Mahling und Ruth Seiberts. Tutzing: Hans Schneider, 1997. S. 358. 26 Wick MediNait TV Spot. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=5ft7EcO-1wM [21.02.2016]. 27 Rösing (1997): S. 358. 28 Wüsthoff (1999): S. 7. 29 Vgl. Musikzentriertes Transkriptionsprogramm für audiovisuelle Medienprodukte. URL: www.travisanalysis.org [21.02.2016]. 30 Spot TV – Alfa Romeo Spider. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=lK4seFut18A [21.02.2016]. 31 This is the new Lexus NX TVC. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=hkFC05bTXso [21.02.2016]. Im weiteren Verlauf nenne ich den Werbespot verkürzt Lexus NX TVC. 6 Die Web-Applikation trAVis ermöglicht es, die Bild-, Text- und Tonebene dieser audiovisuellen Werbespots interdisziplinär zu notieren, zu observieren und schliesslich kontextuell auszudeuten.32 Die Untersuchung lässt sich deshalb in drei Schritte unterteilen: Transkription33 (vgl. Kapitel 4.1), Inhaltsanalyse (vgl. Kapitel 4.2) und Interpretation (vgl. Kapitel 4.3). Während die ersten zwei Schritte auf der objektiven Verschriftlichung und Beschreibung der Daten basieren, handelt es sich bei der Interpretation um eine intersubjektive Deutung des Beobachteten unter Einbezug von Hintergrundwissen. Ziel der Analyse ist es, die Konstruktion und die audiovisuellen Zusammenhänge der Nutzung klassischer Musik in der audiovisuellen Werbekommunikation zu eruieren. 32 Jost, Christofer / Klug, Daniel / Schmidt, Axel / Reautschnig, Armin / Neumann-Braun, Klaus: Computergestützte Analyse von audiovisuellen Medienprodukten. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2013. S. 66. 33 Der Lesefreundlichkeit wegen ist die Transkription im beigefügten Heft zu verfolgen. 7 2. Das Alltagsphänomen Kommunikation „Vor dem Hintergrund einer steigenden Wettbewerbsintensität wird es für die Unternehmen zunehmend wichtiger, über eine effektive und effiziente Kommunikationsarbeit Wettbewerbsvorteile im Markt zu realisieren und dau34 erhaft zu halten.“ Manfred Bruhn beschreibt im obenstehenden Zitat eine zentrale Entwicklung in der ökonomischen Kommunikationsstrategie, der in diesem Kapitel nachgegangen werden soll. Um die strategische Kommunikation im Marketingbereich zu verstehen, wird vorerst der allgemeine Kommunikationsbegriff im Kontext der Gesellschaft erläutert, sodass dieser später auf die audiovisuelle Werbekommunikation angewendet werden kann. Soziale Handlungen sind Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Menschen, bei denen Informationen ausgetauscht werden. Im allgemeinen Wortgebrauch bezeichnet dieses Phänomen die alltäglich verwendete Kommunikation, deren Realisierung durch den sogenannten symbolischen Interaktionismus erfolgt. Bei diesem handelt es sich laut Peter Hunziker (1988)35 um ein gemeinsames Verständnis der Kommunikationspartner mittels gemeinsamer Symbole, die dem Kommunikat eine erkenntnisreiche Bedeutung geben und durch die Fehldeutungen reduziert werden können.36 Die symbolische Sinnzuweisung beruht in der Gesellschaft auf der Erfahrung eines einzelnen Menschen, „wobei die Interpretationsmuster von Mensch zu Mensch, aber auch von Kultur zu Kultur verschieden sind.“37 Werden die Symbole vernetzt, entstehen somit Kommunikationssysteme, die kulturellen Konventionen unterliegen. Auf solchen Systemen basiert nicht nur die sogenannte Face-to-face- Kommunikation, sondern auch die massenmediale Kommunikation im Fernsehen und Radio. 38 Folglich definiert sie die Sozialbeziehung zwischen einem Kommunikator und einer Menschenmasse. Auf beiden Seiten des Kommunikationsprozesses steht ein Kollektiv, das sich zwar nicht ähnelt, doch gemeinsam erfahrene Konventionen teilt. Die Kommunikatoren (Sender) sind ein Kollektiv 34 Bruhn (2015): S. 3. Hunziker, Peter: Medien, Kommunikation und Gesellschaft. Einführung in die Soziologie der Massenkommunikation. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1988. 36 Vgl. ebd.: S. 1f. 37 Ebd.: S. 49. 38 Vgl. ebd.: S. 49f. 35 8 einer Organisation, die bestimmte Inhalte massenhaft an ein disperses Publikum aussenden. Dieses Publikum besteht aus Rezipienten (Empfängern), die alleine oder in Gruppen die gesendete Botschaft aufnehmen. Peter Hunziker verweist bezüglich der Massenkommunikation auf das soziologisch ungleiche Machtverhältnis, das allein schon durch die Organisation der Medien und die unorganisierte Rezeptionsseite bedingt ist. Dieses Machtpotential machen sich die Medien zu Nutze und generieren neue Realitätsverhältnisse, eine neue Kultur: die Massenkultur.39 Wie sich diese Konstruktion der Massenkultur im Prozess der massenmedialen Kommunikation in der Gesellschaft entfaltet, wird im nächsten Kapitel erörtert (vgl. Kapitel 2.1). Der massenmediale Medienkonsum und die daraus entstehende Realitätswelt wirken sich stark auf die Werbekommunikation aus. Als Unterkategorie der massenmedialen Kommunikation fungiert die Werbung mit ihrer Appellfunktion als für die Massenmedien ökonomisch relevantes Massenprodukt. Wahrnehmbar ist dieses Produkt in Zeitungen und Zeitschriften sowie auf Plakaten nur optisch. Im Radio und in neuen akustischen Mediensendern, wie beispielsweise Spotify, ist Werbung nur über das Gehör rezipierbar. Die Besonderheit der Werbekommunikation im Fernsehen und Film ist hingegen die Audiovision. Im Format des Werbespots berührt die audiovisuelle Werbekommunikation simultan die akustische und optische Wahrnehmung (vgl. Kapitel 2.2). Die Rezeption dieser Werbekommunikation hängt stark vom medialen Träger ab. Je nach Art der Werbekommunikation müssen neue Forschungsmethoden angewendet werden. Interessanterweise liegt der Forschungsschwerpunkt oft auf der Sprache und auf dem Bild, manchmal auch in der Kombination der beiden. Die Werbemusik wurde bisher hingegen nur wenig und meistens isoliert von den restlichen simultan angewendeten Werbemitteln erforscht.40 Die Entwicklung der bisherigen Werbeforschung und deren Aspekte sollen punktuell deshalb im Unterkapitel 2.3 eruiert werden. 39 40 Vgl. ebd.: S. 6ff. Vgl. Bullerjahn (2009): S. 267. 9 2.1 Von der massenmedialen Kommunikation zur Massenkultur In der Kommunikationswissenschaft ist die massenmediale Vermittlungsform durchwegs mit Harold Dwight Lasswells Kanal-Formel ‚Wer sagt was zu wem auf welchem Kanal mit welcher Wirkung?‘ aus dem Jahr 1948 definiert.41 Diese Formel beinhaltet alle Elemente einer Kommunikation: Mit dem ‚Wer‘ ist der Kommunikator (oder auch: Sender) gemeint, das ‚Was‘ deutet auf den Kommunikationsinhalt hin, mit dem ‚Wem‘ wird nach dem Kommunikationsempfänger gefragt, der Kanal verweist auf das für die Informationsvermittlung verwendete Medium und schliesslich wird mit der Frage nach der Wirkung der potentielle Effekt, den die Kommunikation auf den Rezipienten hat, erforscht. In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf die Produktion des Kommunikationsinhalts gelegt. Dennoch ist es wichtig, den gesamten Kommunikationsprozess zu erläutern, um später in der Analyse und Interpretation den Standpunkt des Kommunikationsinhalts innerhalb des Kommunikationsprozesses zu fixieren. In den Massenmedien richten sich die Kommunikatoren zielgerichtet an ein disperses Massen(teil-)publikum. Mit dem Terminus ‚Massenmedium‘ werden alle Vermittlungsträger von Informationen, die für ein breit gefächertes Publikum gedacht sind, determiniert. In der soeben vorgestellten Definition betont Luhmann die Absenz einer Interaktion zwischen Sender und Empfänger durch die „Zwischenschaltung von Technik“.42 Diese Maschinerie erfüllt zum einen die Sequenz von bestimmten Operationen, die den Menschen übertreffen und welche laut Luhmann leicht über die Beobachtung erster Ordnung eruiert werden können. Durch das Einschalten des Fernsehens oder des Radios lässt sich beispielsweise simpel observieren, ob beziehungsweise dass gesendet oder gefunkt wird. Zum anderen generieren Massenmedien metaphysische Illusionen. Die meist frontale Kommunikationsart eines Nachrichtenmoderators zum Beispiel gibt dem Fernsehrezipienten das illusorische Gefühl, direkt angesprochen zu werden. Ähnliche Kommunikationsgestaltungen verwenden die Werbemacher in ihrer Werbung, in welcher der Appell direkt an den potentiellen Kunden gerichtet ist. Hier wird eine Realität konstruiert, die in der Wirklichkeit nicht existiert. Die Erfassung dieses medialen Konstrukts bestimmt Luhmann als Be41 Vgl. Marsetti, Iva Vidas: Die Sprache unter der Regie des Bildes in der Automobilwerbung kroatischer Printmedien. Hamburg: Dr. Kovač, 2010. S. 21f. 42 Vgl. Luhmann (2009): S. 10. 10 obachtung zweiter Ordnung. Aus systemtheoretischer Sicht können Massenmedien deshalb einerseits selbstreferentiell, also durch ihre Präsentation, und andererseits fremdreferentiell, durch ihre Repräsentation, erforscht werden.43 Innerhalb dieser generierten Realität operieren Massenmedien nach ihren eigenen Regeln. Massenmedien kommunizieren, vermitteln, senden und fragen, ohne die Gewährung einer Antwort. Diese Beobachtung von Jean Baudrillard beruht auf seiner Definition der massenmedialen Kommunikation, die im Gegensatz zur Face-to-Face-Kommunikation formal als linearer Monolog bestimmt ist. Rückmeldungen vonseiten des Empfängers sind beim Radio und Fernsehen nicht oder nur bedingt möglich. 44 Von dieser Art Anonymität der Märkte im Prozess der massenmedialen Kommunikation lebt die Massenkultur. Medieninhalte erhalten somit durch die massenhafte Konsumierung einen „Warencharakter“.45 Stellt man diese Massenkultur der populären Volkskultur, die auf Tradition und Handwerk basiert, gegenüber, so können die für die massenmediale Kommunikation typischen Inhaltsformen ausgemacht werden. Während nämlich die Bereitschaft und das Verständnis für kulturelle Werke jeweils nur bei bestimmten Gesellschaftskreisen vorhanden sind und die Bevölkerung somit segmentiert wird, versucht die massenmediale Kommunikation eben diese Segmentierung zu überwinden. Dafür muss der Kommunikationsinhalt auf einen gemeinsamen Nenner – auf den Massengeschmack – gebracht werden, der auf die gesamte Zielgruppe46 zutrifft. Die Voraussetzung einer „inhaltlichen Verflachung und Homogenisierung“47 ist somit bei der Massenkultur gegeben. In diesem Sinne hält Hunziker die allgemeine Aussage, die „Produkte der Massenkultur seien konservativ, unkritisch, schablonenhaft und würden vor allem an Emotionen appellieren“48, für gerechtfertigt. Bei der Massenkultur handle es sich nämlich vor allem um den „Bedarf nach eindeutigen, allgemein geteilten Werten und einfachen und eingängigen Weltinterpretationen.“49 Die Massenkul43 Vgl. ebd.: S. 11ff. Es gibt Sendungen, die via Telefon dem Zuschauer die Möglichkeit geben, sich in die Kommunikation zu integrieren. Dies ist jedoch einerseits nur einzelnen Rezipienten möglich und nicht dem gesamten Massenpublikum, und andererseits gibt es in den Massenmedien Vermittlungsprozesse, bei denen keine Zuschaltung ausführbar ist, zum Beispiel in der Werbung. Vgl. hierzu Zurstiege (2007): S. 107f. 45 Vgl. Hunziker (1988): S. 9ff. 46 Die Unterteilung der Rezipienten in unterschiedliche Zielgruppen unterliegt einer anderen Form von Segementierung. Vgl. hierzu: Kapitel 2.2 und Kapitel 2.3. 47 Hunziker (1988): S. 14. 48 Ebd.: S. 14. 49 Ebd.: S. 15. 44 11 tur und ihre inhaltliche Vermittlungsform fungieren infolgedessen zur Orientierung der Massengesellschaft.50 Diese Aspekte stehen in engem Zusammenhang mit der Nutzung semantischer Methoden im System der massenmedialen Kommunikation. Eine dem Rezipienten durch bestimmte Zeichen signalisierte und ihm bekannte Realität wird im Massenmedium abgebildet. Die mediale Konstruktion dieser Realität ist dabei nicht von Relevanz. Viel wichtiger ist, dass diese Realität dem Rezipienten jene Orientierung verschafft, die er zu gebrauchen gedenkt, um sich in der realen Welt zu bewegen, denn der in der massenmedialen Kommunikation verwendete symbolische Interaktionismus erhöht die Impression und somit die Illusion von Authentizität in der medialen Botschaft.51 Dadurch appelliert die Massenkommunikation direkt an den Affekt der Rezipienten, die sich in der Folge mit dem medialen Inhalt zu identifizieren versuchen. Bedeutung und Erfahrung des Rezipienten werden aus diesem Grund latent durch die massenmediale Vermittlung bestimmt.52 Diese Macht wirkt besonders in der strategischen Vermarktung der massenmedialen Produkte (beispielsweise in der Werbung), wie im nächsten Unterkapitel gezeigt wird. 2.2 Audiovisuelle Werbekommunikation im Fernsehen Nach den Printmedien zählt das Fernsehen noch heute zum prävalenten Kommunikationsträger der Werbung. Seine Funktion wurde zunehmend kommerzialisiert, sodass er nun als „Geldmaschinerie“53 für die Unternehmen und Aktionäre dient.54 Die wirtschaftliche Relevanz der Werbung im Fernsehen lässt sich unter anderem auch an den aktuellen Zahlen der Schweizer Werbestatistik beobachten: Die Einnahmen aus der Werbung sind beim Fernsehen am zweithöchsten, dicht gefolgt vom Internet.55 50 Vgl. ebd.: S. 14f. Vgl. Moritz, Peter: Mediale Botschaften. Philosophisch-politische Reflexionen. Hannover: Philos, 2002. S. 32. 52 Vgl. Moritz (2002): S. 26. 53 Ebd.: S. 7. 54 Vgl. ebd.: S. 7. 55 Rund 21% der gesamten Medieneinnahmen im Fernsehen im Jahr 2014 stammen aus Werbeeinnahmen. Bei der Presse sind es hingegen rund 50% und beim Internet rund 18%. Vgl. Anhang i.). 51 12 Etymologisch geht das Wort ‚Werbung‘ auf das Verb ‚werben‘, beziehungsweise aus dem althochdeutschen ‚werban‘ zurück, was soviel bedeutet wie ‚sich drehen‘.56 Im übertragenen Sinne bedeutet ‚werben‘, sich um jemanden zu bemühen oder gar Einfluss auszuüben oder etwas anzupreisen. Auf die massenmediale Kommunikation bezogen bedeutet ‚werben‘ folglich, ein bestimmtes Konsumverhalten mit zielgerichteter Kommunikation steuern zu wollen.57 Damit ist auch schon die wichtigste Funktion der Werbung genannt: die Appellfunktion. Durch die Werbekommunikation wird nämlich gezielt versucht, „einen Motivations- und Entscheidungsprozess in Gang zu setzen.“58 Das Interesse des Rezipienten muss durch das strategische Manöver der Werbung geweckt werden, damit es letztlich zur Kaufhandlung kommt. Dafür muss jedoch die Werbebotschaft erst einmal so konzipiert sein, dass die Information den Rezipienten erreicht. Dieser Prozess der Werbekommunikation lässt sich unter anderem durch die sogenannte AIDA-Formel resümieren. AIDA steht dabei für Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Wunsch oder Verlangen) und Action (Handlung).59 Nicht zu unterschätzen ist bei dieser Formel die Bestimmung der Zielgruppe, zumal die Werbebotschaft von jedem Rezipienten anders vernommen wird. Um eine Mehrfachadressierung trotzdem zu ermöglichen, wird hier im Unterschied zur Segmentierung der populären Volkskultur eine andere Art von Disposition vorgenommen. Die Aufteilung der Zielgruppen basiert auf soziodemographischen und soziologischen Charakteristika, mit dem Ziel, Gemeinsamkeiten doppelt zu koppeln. Diese Gemeinsamkeiten definieren sich durch die Kommunikationsinstrumente, also „das Ergebnis einer gedanklichen Bündelung von Kommunikationsmassnahmen nach ihrer Ähnlichkeit“ 60 , wie Manfred Bruhn sie in seiner Kommunikationspolitik definiert. Die Kommunikation eines Unternehmens unterteilt er in eine Hierarchie von Kategorien, oben beginnend mit den ‚Kommunikationsmassnahmen‘ (Werbevorhaben, Ideensammlung), zu den ‚Kommunikationsinstrumenten‘ (Bündelung des Werbevorhabens durch Entscheid der Vermittlungsnutzung, beispielsweise Spot oder Plakat) und zur ‚Kommunikationsbotschaft‘ (Werbeaussage, Slogan), bis zu den 56 Vgl. Fährmann, Rosemarie: Die historische Entwicklung der Werbesprache. Angewandte Sprachwissenschaft. Bd. 20. Hrg. von Rudolf Hoberg. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2006. S. 19. 57 Vgl. Marsetti (2010): S. 17f. 58 Ebd.: S. 26. 59 Vgl. ebd.: S. 27. 60 Bruhn (2015): S. 6. 13 ‚Kommunikationsmitteln‘ (wie etwa Bild, Schrift, Geräusche, Musik) und den ‚Kommunikationsträgern‘ (Medien: Zeitung, Radio, Fernsehen et cetera).61 Bei der Konzeptionsplanung einer Werbung ist es hilfreich, diese Kategorien in dieser Reihenfolge inhaltlich zu bestimmen. Für die Analyse eines bereits existierenden Werbeprodukts ist es hingegen ratsam, den umgekehrten Weg zu gehen, um schliesslich zu eruieren, was die anfängliche Überlegung war und ob sich die Strategie im Endprodukt bewahrheitet. Die Werbekommunikation erscheint im Fernsehen in Form eines audiovisuellen Spots. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus der Welt des Theaters. Hier steht der Spot für den grell leuchtenden Punktscheinwerfer, der einen Teil des Bühnengeschehens mit Licht hervorhebt und alles andere im Hintergrund verschwinden beziehungsweise wörtlich genommen: verdunkeln lässt.62 Dieses Format bringt für die Werbung vier zentrale Vorteile mit sich. Erstens spricht es ein grosses Publikum gleichzeitig an, zumal der Träger ein Massenmedium ist. Im Fernsehen sind zweitens die Manifestationsmöglichkeiten variabel, was einen grossen Gestaltungsspielraum ermöglicht. Manfred Bruhn unterscheidet hier vier Gestaltungsarten: a.) die emotionale, b.) die informative, c.) die emotionale und informative, und d.) die aktualisierende Kommunikationsgestaltung.63 Die affektiv wirkenden Werbeauftritte im Fernsehen können ferner „zur Bildung von Images und Markenwelten sowie erlebbarer Präsentationen von Produktvorteilen, der Produktverwendung, von Verwendungsanlässen usw.“64 gestaltet werden. Doch nicht nur inhaltlich ist die Darstellung des Werbespots variabel, sondern auch die Sendefolge im Programmfluss der Fernsehkommunikation kann differenziert arrangiert werden. Zum einen gibt es die klassische Unterbrecherwerbung, bei der die laufende Sendung von einem Spot oder mehreren aneinandergereihten Werbungen unterbrochen wird. Zum anderen gibt es die sogenannte Scharnierwerbung, die zwischen aufeinanderfolgenden Sendungen läuft und somit den Übergang von der einen Sendung zur nächsten markiert. Bei beiden Varianten kann der Spot einmalig auftreten oder in derselben Werbepause wiederholt werden.65 Eine neue Form der Werbeschaltung ist die pa61 Vgl. ebd.: S. 6f. Vgl. Wüsthoff (1999): S. 17. 63 Vgl. Bruhn (2015): S. 489f. 64 Ebd.: S. 376. 65 Vgl. Zurstiege (2007): S. 128. 62 14 rallele Einblendung eines (audiovisuellen) Werbebanners in der Bauchbinde oder am Rand des Fernsehbildes während einer Sendung. In diesem Zusammenhang ist die Werbung als integraler Bestandteil des Fernsehprogramms einerseits eine Störung des Programmflusses, welche die negative Konnotation in der Rezeption erklärt, und andererseits zugleich ein Teil des Verarbeitungsprozesses der Rezeption hinsichtlich des „Spannungs- und Unterhaltungserlebens“.66 Ein weiterer Vorteil des Werbespots im Fernsehen betrifft drittens die Gestaltung im Programmfluss an sich: Die Werbung kann als klassischer Werbespot mit der Dauer einer halben bis ganzen Minute oder als Dauer- und Sonderwerbung im Fernsehen auf Sendung gehen. Viertens operiert schliesslich das Fernsehen mit drei verschiedenen Kommunikationsmitteln: dem bewegten oder ruhenden Bild, der geschriebenen oder gesprochenen Sprache und dem musikalischen oder geräuschvollen Klang.67 Die Kombination dieser Kommunikationsmittel und die simultane Stimulierung des Optischen und des Akustischen ermöglicht eine „multisensorische und damit aufmerksamsstarke“ Rezeption.68 Doch nicht jede audiovisuelle Rezeptionssituation wirkt sich gleich auf den Affekt aus. Neben den äusseren Beeinflussungen, die hier ausgeklammert werden, sind grundsätzlich drei verschiedene Formen von Audiovision zu unterscheiden, welche die Rezeption konditionieren. Durch die Hervorhebung oder das Angleichen der Kommunikationsmittel werden nämlich die Sinneseindrücke zwar simultan, aber unterschiedlich stark aktiviert. Steht beispielsweise das Akustische im Vordergrund, spricht man von Audiovision (Av). In einem musikalischen Theaterstück folgt das Bild der oft präexistierenden und deshalb dominierenden Musik. Eine andere Art von Audiovision findet man hingegen bei einem musikalisch begleiteten Stummfilm. Die extern erklingende Musik fungiert zur Unterstützung der montierten Stummfilmbilder, die letztlich die Geschichte im Film erzählen. Es handelt sich also um eine Audiovision (aV), zumal das Akustische dem Optischen untergeordnet und manchmal sogar variabel ist. Die vollkommene Verschmelzung vom Visuellen und Auditiven bezeichnet hingegen die Audiovision (AV) und ist oft bei Musikvideos vorzufinden. Hier kommen- 66 Vgl. ebd.: S. 128. Vgl. Zurstiege (2007): S. 127f. 68 Vgl. Bruhn (2015): S. 376. 67 15 tiert das Akustische das Optische, wobei zugleich das Visuelle das Auditive unterstützt. 69 Trotz dieser Klassifizierung der unterschiedlichen Audiovisionsformen werden die audiovisuellen Medienprodukte im natürlichen Wahrnehmungsprozess überwiegend ganzheitlich rezipiert, egal ob es sich um eine Oper, einen Film oder einen Werbespot handelt.70 Dieses Wirkungsphänomen, das ein audiovisuelles Medienprodukt auslöst, macht sich die Werbeindustrie zunutze. Die zuvor beschriebene Realitätskonstruktion der Massenmedien ist besonders bei der Werbekommunikation zu konstatieren. So proklamierte Luhmann an prominenter Stelle folgerichtig: „Nach der Wahrheit die Werbung.“71 Mit diesem Satz bezieht er sich einerseits auf das vorausgehende Kapitel, in dem der Wahrheitsgehalt und die mediale Realität der Nachrichtensendungen erörtert werden, verweist aber andererseits auf das Phänomen der intentionalen Illusion der Werbekommunikation. Warum und dass die Werbung illusioniert, ist bekannt. Doch wie sie illusioniert, ist durch das geschickte Einsetzen der Werbemittel verschleiert. Die Oberfläche der Werbung ist somit durch die Beobachtung erster Ordnung allen zugänglich, die Tiefe beziehungsweise was sich hinter dem Schleier der Werbegestaltung versteckt, ist hingegen für die Rezipienten nur zu spekulieren.72 In der Werbeforschung versucht man durch diesen Schleier hindurchzusehen, um immer neue Verbesserungsstrategien zu erarbeiten. Im nächsten Unterkapitel wird folglich eine kleine Übersicht über exemplarische Forschungsschwerpunkte in der Werbebranche illustriert. 2.3 Exemplarische Aspekte der Werbeforschung Werbekommunikation ist eine massenhafte Kommunikation, was bedeutet, dass die Vermittlung unilateral an eine grosse, anonyme Rezipientengruppe gesendet wird. Um diese undefinierte Publikumsgruppe einzugrenzen, werden 69 Vgl. Klug, Daniel: (Un-)Stimmigkeiten. Zur Darstellungspraxis des lip synching in der Audio-Vision des Musikclips. In: Populäre Musik, mediale Musik? Transdisziplinäre Beiträge zu den Medien der populären Musik. Hrg. von Christofer Jost, Daniel Klug, Axel Schmidt und Klaus Neumann-Braun. BadenBaden: Nomos, 2011. S. 205. 70 Vgl. Jost, Christofer / Neumann-Braun, Klaus / Klug, Daniel / Schmidt, Axel (Hrg.): Der Song im Zeichen der Audiovision. Einführung in ein disparates Forschungsfeld. In: Die Bedeutung populärer Musik in audiovisuellen Formaten. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 9f. 71 Luhmann (2009): S. 60. 72 Vgl. ebd.: S. 60f. 16 in der Sinus-Milieu-Forschung nicht nur soziodemokratische Merkmale zur Determination der Zielgruppe, sondern auch Charakteristika von Lebensstil und Wertvorstellungen herbeigezogen. 73 Die Zielgruppenbestimmung erhöht das Wirkungspotential in der Rezeption, dessen Schwerpunkt in den letzten Jahren die Entwicklung neuer Forschungsmodelle steigerte. Neuere Theorien beschäftigen sich vor allem mit der Beteiligung (Involvement) des Zuschauers, die von verschiedenen äusseren und inneren Komponenten wie beispielsweise von der Gestaltung der Werbung, von der Umgebung des Rezipienten, vom Interesse und von der Persönlichkeit des Zuschauers abhängen.74 Gerade dieser Disposition des Zuschauers obliegt die Gesamtwahrnehmung des Kanals laut Friedrichsen et al.: „Der Erfolg des Senders auf dem Werbemarkt hängt jedoch weiterhin zum grossen Teil von der Bereitschaft der Rezipienten ab, sich die Werbung anzusehen.“75 Diese Bereitschaft, sich die Werbung anzuschauen, nimmt exponentiell mit der Zunahme der alternativen Programmmöglichkeiten ab. Das Zapping76 beziehungsweise das Hin- und Herschalten zwischen den Sendern während der Werbepause dient als Beispiel einer solchen Alternative. Der Rückgang der Einschaltquoten bei Werbepausen schlägt aber nicht nur auf die finanzielle Situation eines Senders zurück, sondern auch auf jene des Werbetreibenden. Aus diesem Grund suchen Sender und Werbetreibende ständig nach neuen Mitteln, um die Aufmerksamkeit der Rezipienten einzuholen. Die praxisrelevanten Kommunikationseigenschaften sollen in der Wissenschaft eruiert und dadurch Optimierungsstrukturen erstellt werden.77 Der Forschungsfortschritt ist eng mit der Entwicklung der Werbung verbunden. Obwohl der genaue Beginn der Werbeforschung nicht datierbar ist, lässt sich im 19. Jahrhundert der Beginn einer Strukturalisierung der Werbekommunikation festlegen. Dies bestätigt einerseits die im Jahr 1869 proklamierte Gewerbefreiheit und andererseits der rechtliche Markenschutz ab 1874 in 73 Vgl. Friedrichsen et al. (2004b): S. 16. Vgl. Friedrichsen et al. (2004b): S. 17f. 75 Friedrichsen, Mike / Friedrichsen, Syster: Fernsehwerbung – Quo Vadis? Einleitende Bemerkungen zum Thema und zu diesem Band. In: Fernsehwerbung – quo vadis? Auf dem Weg in die digitale Medienwelt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004a. S. 7. 76 Der Ursprung von Zapping lässt sich im Comic Buck Rogers finden. Zur Visualisierung des Waffengeräuschs, das zur Auslöschung von Buck Rogers Feinden diente, benutzte der Autor das Wort ZAP. Daraus entstand der Terminus ‚Zapping‘, das Verwischen des Unangenehmen, das im Fernsehkonsum benutzt wird. Vgl. hierzu: Friedrichsen et al. (2004b): S. 26. 77 Vgl. Friedrichsen et al. (2004a): S. 7f. 74 17 Deutschland.78 Im selben Zeitraum sind die Ansprüche vor allem im Bereich des Designs gestiegen. Plakatwerbungen dienten sodann nicht mehr nur als visuelle Kommunikation zu ökonomischen Zwecken, sondern wandelten sich zu Kunstobjekten in Plakatausstellungen. Was früher auf der Strasse mögliche Kunden ansprechen sollte, wurde später zum musealen Artefakt für Kunstinteressierte. Statt marktorientiert ist die Plakatwerbung nun kunstorientiert.79 Parallel zu dieser ästhetischen Aufwertung der Werbung begann man mit einzelnen Untersuchungen zur Werbewirkung. Hierbei handelt es sich um die Operationalisierung emotionaler Rezeptionseigenschaften zur Kodierung bestimmter Kriterien. Diese lassen sich nach bestimmten Werbeaussageformen klassifizieren. Die Aussagenforschung beispielsweise unterscheidet nach Walter Dill Scott (1903) sechs Prinzipien, welche die Aufmerksamkeit eines Rezipienten erhöhen sollen:80 1.) Eindeutigkeit: Der Medieninhalt ist eindeutig und alleinstehend gestaltet, sodass der Rezipient seine volle Aufmerksamkeit ohne weitere Ablenkungen dem Medienangebot widmen kann. 2.) Eindringlichkeit: Die gestalterischen Mittel, wie beispielsweise die Verwendung bestimmter Bewegungen, bestimmter Farben und Symbole erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer eindringlichen Aufmerksamkeit. 3.) Ungewöhnlichkeit: Kontrastreiche Gestaltungsmittel und Verletzungen von Konventionen beispielsweise in der Typographie schaffen ein ungewöhnliches Bild, das länger im Gedächtnis der Rezipienten haften bleibt. 4.) Verständlichkeit: Das Vermittlungsdilemma zwischen dem Vertrauten (und deshalb Nachvollziehbaren) und dem Neuen (und deshalb Spannenden) muss besonders in der Werbung beachtet werden, zumal im besten Fall beide in der Kürze des Spots erscheinen sollten. Gerade bei traditionsreichen Marken gilt es, die redundante Beständigkeit und ihre zukunftsorientierte Varietät zu präsentieren. 78 Vgl. Zurstiege (2007): S. 24. Informationen zum heutigen Markenschutz in der Schweiz gibt es auf der Webseite des Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (kurz: IGE). Vgl. IGE: Marken > Schutz in der Schweiz. URL: www.ige.ch/marken/schutz-in-der-schweiz.html [21.02.2016]. 79 Vgl. Zurstiege (2007): S. 21. 80 Vgl. ebd.: S. 154. 18 5.) Frequenz: Wiederholungen erleichtern das Eintrichtern des Werbeinhalts. Dabei sind hier die Redundanz und die Varietät ebenso von grosser Relevanz wie beim Verständlichkeitsprinzip. 6.) Valenz: Um die Wertigkeit des Werbeinhalts zu steigern, gilt es, den Rezipienten emotional zu binden. Die affektive Motivik geht von der KitschSzene über die Mitfühl- oder gar Mitleidszene bis hin zum Schockszenario. Es gilt aufzufallen, anstatt nur zu gefallen. Einen richtigen Aufschwung der Werbeforschung sieht Nina Janich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. 81 Während die Werbeplakate vor und während der Kriegszeiten als (politische) Propaganda dienten und Reklame genannt wurden, wandelte sich die Werbung nach dem Krieg (erneut) zur ökonomischen Funktionsstrategie. Was wir heutzutage Werbeforschung nennen, begann in den 1950er und 1960er Jahren mit Beobachtern, die den Werbetreibenden mit Ratschlägen zur Gestaltung einer effizienten Werbebotschaft verhalfen. Noch der Plakatwerbung gewidmet, beschäftigt sich ein kleiner Forschungsteil der 1960er Jahre mit der Werbesprache. Textelemente, Slogans, Produktnamen und allgemein die linguistische Semantik standen im Fokus der Untersuchungen. In der Literatur sind vor allem Einflüsse des amerikanischen Konsumkritikers Vance Packard, der in seiner Publikation Die geheimen Verführer82 (erstmals im Jahr 1957 unter dem englischen Titel The hidden Persuaders erschienen) den Werbetreibenden massenhafte Manipulation vorwirft, zu finden. Die drohende Indoktrination funktioniere vor allem über die Sprache, wovor sich der Mensch in Acht nehmen sollte.83 Etwa zur selben Zeit zog Ernest Dichter am selben Strang, jedoch aus einer anderen Perspektive und mit einer alternativen Schlussfolgerung. Dichter befasste sich mit dem psychologischen Phänomen einer Interaktion zwischen Mensch und Ware. Die Idee einer Produktpersönlichkeit entwickelte sich zur Motivforschung. Jedes Objekt habe eine Seele. Diese Tatsache gibt der Werbung einen scheinbaren Vorwand, ihre Waren zu personifizieren und emotional zu vermitteln und zwar auf eine unterhaltsame Art 81 Vgl. Janich, Nina: Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Gunter Narr Verlag Tübingen, S. 2001. S. 13. 82 Vgl. Packard (1966). 83 Vgl. Janich (2001): S. 14. 19 und Weise, sodass die Infiltrierung des Fiktiven nicht bewusst verläuft und der Beobachter erst in einem späteren Moment von Illusion sprechen kann.84 Gerade weil schon früh die täuschende Information einer Werbung im Zentrum der Diskussion stand, lässt sich eine Fokussierung auf den Informationsgehalt in der Werbung beobachten. In den 1970er Jahren widmete sich die Werbeforschung dem zum Alltagsmedium werdenden Fernsehen und dem darin gesendeten Werbespot. Das audiovisuelle Medium bleibt auch für die nächsten zwei Jahrzehnte im Interesse der Werbeforschung, wobei sich der Fokus vorrangig auf das Bild und die Sprache legt. So wird das audiovisuelle Medium kaum als Ganzes untersucht, sondern vielmehr in seine einzelnen Elemente zerlegt und in bestimmten Schwerpunkten spezialisiert betrachtet. Während beim Bild die Semantik von Charles Sanders Peirce und Ferdinand de Saussure im Vordergrund des Forschungsinteresses liegt, sind es in der Sprache vielmehr Anglizismen, Wortspiele, Intertextualität und allgemein die Textgestaltung.85 Die musikalische Verwendung hingegen wird in bestimmte Gattungen kategorisiert: Jingles, Lieder, Sprechgesang, Melodram sowie gebundenes Melodram.86 Die kategoriale Operationalisierung der verschiedenen Bausteine einer Werbekommunikation stellt die Wiederholbarkeit der wissenschaftlichen Experimente sicher. Somit lässt sich auch die Reliabilität stabilisieren. Inwiefern die Daten standardisiert werden können und ob es ein wiederholbares Deutungsmuster qualitativer Eigenschaften gibt, ist in der Forschung noch offen gehalten. Die in der Wissenschaft erforderte Objektivität wird in diesem Rahmen intersubjektiv überprüft.87 84 Vgl. Zurstiege (2007): S. 33. Vgl. Janich (2001): S. 15f. 86 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 22ff. Und vgl. auch Kapitel 4. 87 Vgl. Friedrichsen et al. (2004a): S. 10f. 85 20 3. Die klangliche Vermarktungsästhetik „The listener should recognize what they hear, and un88 derstand the brand to which the identity refers.“ Klassische Musik wird oft und gerne in der Werbung genutzt. In diesem Zusammenhang fungiert sie nicht mehr als Kunst- oder Unterhaltungsmusik, sondern als funktionale Musik. Im Prozess der Audiovision illustriert sie die Bilder und unterstützt den Text. Sie kann Elemente hervorheben oder harmonisch begleiten. Werbemusik schafft Atmosphäre und ruft Emotionen hervor. Doch die wichtigsten Funktionen der Werbemusik sind die Lenkung der Aufmerksamkeit des Rezipienten und die Sublimierung der Gedächtnisleistung vom potentiellen Käufer. In diesem Sinne trägt die Werbemusik zur Wiedererkennung und zum positiven Effekt, wenn nicht geradezu zum Genuss der Werberezeption bei.89 Manche Kritiker wie Helms sprechen deshalb auch von Surrogat-Musik, also jener Musik, die als Mittel zum Zweck dient. Damit suggerieren Kritiker fehlende Kenntnisse über die Materie aufseiten der Werbeproduzenten und belanglose, ja fast schon unzulängliche Benutzungen klassischer Musik in der Werbung. Martin Merkel beklagte im Jahr 1975 seinen Unmut mit folgenden Worten: „Diese Form werbender Musik ist Ersatz für fehlendes Briefing oder Ersatzbefriedigung für Producer oder Werbeleiter, die ihre Lieblingsmusik von zuhause auch mal um ihr Produkt wallen lassen wollen.“90 Im Anschluss an Helms gilt die negative Haltung gegenüber der Benutzung klassischer Musik in der Werbekommunikation vor allem der unumgänglichen Verkürzung und der verarbeiteten Indoktrination derselben. Zusätzlich sei die Nutzung präexistierender Musik gelegentlich im Schatten der Persiflage dargeboten.91 Es scheint weiter, als ob diese Parodie-Ästhetik nur bestimmten Musikepochen zugeordnet würde: „Während die Werbebranche noch ein einigermaßen ungebrochenes Verhältnis zu barockem Glanz hat, werden vielfach Werke der Klassik und Romantik der Lächerlichkeit preisgegeben.“92 Die unterhaltende Umfunktionierung der klassischen und romantischen Kunstmusik ist jedoch nicht die alleinige Kritik. Im Fo88 Jackson, Daniel M. / Jankovich, Richard / Sheinkop, Eric: Hit Brands. How music builds value for the world’s smartest brands. London: Palgrave Maxmilan, 2013. S. 37. 89 Vgl. Helms (1981): S. 31ff. 90 Ebd.: S. 98. 91 Vgl. ebd.: S. 97f. 92 Ebd.: S. 115. 21 kus der Beurteilung kommt die Tatsache hinzu, dass ökonomische Ziele verfolgt werden. Dieses Argument alleine reicht jedoch laut Helms nicht aus, um die Nutzung klassischer Musik in der Werbekommunikation zu verachten. Sobald sachliche Brücken zwischen dem verwendeten Musikstück und dem Werbeinhalt geschlagen werden können, sei der Einsatz dieser bearbeiteten Musik nicht verwerflich.93 Diesen objektiven Zusammenhängen versucht man in der Forschung nachzugehen. Hierzu gehören Fragestellungen zur musikalischen Struktur der Werbemusik, zum Verhältnis zwischen der Musik und dem Produkt, zu ihrer Funktion in der Audiovision und zur Konstruktion von Bedeutung.94 Den für diese Arbeit wichtigsten Forschungsaspekten wird in den nächsten Unterkapiteln nachgegangen. Allen audiovisuellen Brandings ist eine bestimmte Musikästhetik im medialen Klang gemein. Diese können zum einen nach musikwissenschaftlichen Standpunkten kategorisiert werden, zum anderen können aus gattungstechnischer Perspektive Parallelen zur Filmmusik gezogen werden (vgl. Kapitel 3.1). Die bestimmte Musikästhetik in der Werbung schafft aber auch eine bestimmte Beziehungskonstruktion zwischen dem Verkaufsprodukt und dem Werbeklang. Im Fachjargon ist von Markenidentität, Sound Branding, Markenklang oder eben audiovisuellem Branding die Rede. Denn als funktionales Element erweitert die Musik die für das Marketing wichtige Markenidentität. Gewisse Brands arbeiten dabei mit sogenannten Jingles: kurze und einfach zu merkende Melodien, die sich schnell in die Köpfe der Kunden einbrennen.95 Andere hingegen nehmen Bezug auf vorhandene Musik oder mischen präexistierende Musik mit extra für den Spot neu komponierten Klängen. Die Konstellationen und Funktionen des audiovisuellen Brandings sollen in Kapitel 3.2 aufgezeigt werden. 3.1 Zur Musikgestaltung im medialen Klang Der vertrauteste Umgang mit der musikalischen Ästhetik ist als Erstes die Unterscheidung zwischen Dur und Moll. Das allgemeine Urteil bestimmt Dur zur 93 Vgl. ebd.: S. 102. Vgl. Graakjaer, Nicolai Jørgensgaard: Analyzing Music in Advertising. Television Commercials and Consumer Choice. New York: Routledge, 2015. S. 2. 95 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 24. 94 22 fröhlichen Tonart und Moll als das eher melancholische, traurige Tongeschlecht. Dieses Votum entkräftet Herbert Bruhn anhand bestimmter Beispiele: „Das Rondo alla turca, der ‚türkische Marsch‘ aus der Klaviersonate KV 331 von Mozart ist in Moll komponiert, aber keineswegs traurig – die langsamen tragischen Sätze in den Sonaten und Sinfonien von Beethoven sind fast alle in DurTonarten geschrieben.“96 Zudem könnten laut einer von Laura-Lee Balkwill und William Forde Thompson durchgeführten Studie bis zu 30% der Probanden den Unterschied zwischen Dur und Moll nicht erkennen. Ob ein Tongeschlecht fröhlich oder traurig wahrgenommen wird, muss also zwangsläufig von anderen musikästhetischen Parametern abhängen. Die stark kritisierte Affektenlehre aus der Barockzeit beispielsweise definiert eine Wissenschaft, die den emotionalen Ausdruck eines musikalischen Werkes hervorbringt. Obwohl diese Theorie nie bestätigt werden konnte, übernimmt Helmut Rösing einen Teil dieses Modells und verbindet den Affekt mit dem Verhalten des Menschen. Jede soziale Handlung impliziert einen Ausdruck, der sich im Klang der Musik widerspiegelt. Anders gesagt repräsentiert das Musikstück das Verhalten der Menschen.97 Dieses Wahrnehmungsphänomen erfolgt jedoch erst auf den vom Rezipienten durch musikalische Kausalitäten konstruierten Sinn. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Kopplung von bestimmten Ton- und Klangfolgen, welche der Musik auditive Ikonizität verleihen. Diese musikalische Zeichenfunktion bezeichnet man in der Musikwissenschaft auch als Klangmalerei.98 Das assoziative Hören basiert grundsätzlich auf der Kombination dreier Kategorien, welche die Werbemusik innehat: Ton, Klang und Geräusch. Jeder einzelne Ton hat einen bestimmten Klang, der selbst ein physikalisch-akustisches Schallereignis ist. Ähnlich werden Geräusche rezipiert, die als Schalltöne zwar auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen sind, jedoch keine regelmässigen Schwingungen in sich haben.99 Anhand dieser unterschiedlichen Klangereignisse un- 96 Bruhn, Herbert: Musik als Repräsentation von vorgestellten Handlungen – Ausdrucksmodelle und die Wirkung von Musik. In: Audio-Branding. Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft. Praxisforum Medienmanagement. Bd. 5. Hrg. von Kai Bronner und Rainer Hirt. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 21. 97 Vgl. Ebd.: S. 21f. 98 Vgl. Voigt, Boris: Über das Verhältnis von Musik und Klang. Eine phänomenologische Untersuchung. In: Musiktheorie. Zeitschrift für Musikwissenschaft. 26. Jahrgang. Heft 1. Hrg. von Wilhelm Seidel und Matthias Schmidt. Laaber: Laaber-Verlag, 2011. S. 75f. 99 Vgl. ebd.: S. 69f. 23 terteilt Rösing die akustische Wahrnehmung in das gewöhnliche, das sprachliche und das musikalische Hören: „Beim gewöhnlichen Hören wird auf direktem Weg über die Schallqualität der ‚tönend bewegten Formen‘ die Einordnung der in ihnen enthaltenen Umweltinformationen in den eigenen semantischen Raum vollzogen; beim sprachlichen Hören dagegen werden die Schallereignisse fast ausschließlich in ihrer syntaktischen Funktion als Zeichenträger historisch gewachsener, konventionalisierter Bedeutungen aufgefasst; musikalisches Hören schließlich stellt eine Synthese von gewöhnlichem und 100 sprachlichem Hören dar.“ Dabei ist Musik eben nicht nur auf den Klang zu reduzieren, sondern sie lässt sich zudem auf eine metaphysische Interpretationsebene übertragen.101 Optisch wie auch akustisch braucht der Mensch eine bestimmte Einschwingzeit, um sich in das Werbegeschehen einzulassen. Dies muss in der Regel aufgrund der kurzen Werbedauer in Sekunden geschehen, andernfalls geht die Aufmerksamkeit verloren. Als Hörer muss der Rezipient also die Musik innerhalb weniger Sekunden entweder erkennen oder sich in den Klang derselben einfühlen können. Bekannte sowie körperlich stimulierende Klänge verkürzen diese Einschwingzeit. Je unbekannter oder verstörender die Musik in einem Werbespot ist, desto mehr Zeit braucht der Rezipient, um zu erkennen, was ihm die Werbung genau vermitteln möchte. Damit gefährdet die Marke die Bereitschaft des Rezipienten, sich den Spot überhaupt anzuschauen und sich in die Welt der Marke einzulassen. Analog dazu ist die optische Einschwingzeit zu erklären: Um die Aufmerksamkeit eines Zuschauers zu gewinnen, muss er in Kürze den Sinnzusammenhang verstehen. Erleichtert wird dies durch bekannte oder alltägliche Bilder. Nicht selten kommen aber auch sogenannte Schockbilder102 oder sonstige ungewohnte Bilder zum Einsatz, die eine schnellere Geis- 100 Rösing (1997): S. 358. Vgl. Voigt (2011): S. 86. 102 Die von Volkswagen veröffentlichte Werbung Augen auf die Strasse benutzt ein solches Schockbild. Vgl. hierzu Volkswagen – Augen auf die Strasse (Deutsche Version). YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=3N6Nhzqz67Q [21.02.2016]. 101 24 tesgegenwart der Rezipienten erzielen. Besonders in solchen Fällen kann die hinterlegte Musik helfen, den Sinnzusammenhang schneller zu verstehen.103 Die musikalische Bedeutung ist aufgrund der metaphysischen Gestalt schwierig einzugrenzen. Musikwissenschaftler wie Nicholas Cook sprechen von einer mit Worten kaum möglichen Erfassung der musikalischen Materie. Grund dafür sei die Nicht-Existenz einer theoriebasierten Konzeption, wie Musik die Bedeutung tragen kann.104 Auf der Ebene der Analyse sei Musik strukturell zu verstehen.105 Auf der Ebene der Interpretation hingegen sei die Musik kaum zu erfassen, zumal sie gemäss Edward T. Cone „eine weite, doch nicht unbeschränkte Fülle möglichen Ausdrucks“106 erlaube. Diesbezüglich ist Musik immer nur in einem diskursiven Kontext erfahrbar, sodass ihre Bedeutung je nach Bezugsrahmen variiert.107 Die Frage ist also nicht, ob Musik Bedeutung konstruiert, sondern wie und in welchem Kontext die Bedeutung aus der Musik emergiert. Denn dasselbe Musikstück kann in zwei unterschiedlichen Situationen zwei komplett unterschiedliche Sinngehalte ausdrücken. Cook unterscheidet aus diesem Theorem die potentielle von der aktualisierten Bedeutung. Die potentielle Bedeutung sei die einflussarme Erfahrung der Musik. Sie besteht aus musikästhetischen Fakten ohne Emotionen. Die aktualisierte Bedeutung ist hingegen die interpretierte Erfahrung des musikalischen Potentials.108 Die musikwissenschaftliche Analyse bewegt sich somit auf zwei Ebenen: zum einen systematisch auf der Ebene der Klanganalyse und zum anderen historisch auf der Ebene des musikbezogenen Kontexts. Diese Bereiche der musikalischen Analyse sind „erkenntnistheoretisch komplementär“109, was bedeutet, dass sie die wissenschaftliche Überlegung ergänzend unterstützen.110 Für die Versprachlichung der systematischen Analyse bedarf es einer musikalischen Grammatik, wie zum Beispiel der Harmonie- oder Satzlehre. Diese Teildiszipli- 103 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 9f. Vgl. Cook, Nicholas: Musikalische Bedeutung und Theorie. In: Musikalischer Sinn. Beiträge zu einer Philosophie der Musik. Hrg. von Alexander Becker und Matthias Vogel. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2007. S. 82. 105 Vgl. ebd.: S. 88f. 106 Ebd.: S. 93. 107 Vgl. ebd.: S. 101. 108 Vgl. ebd.: S. 109. 109 Schwindt-Gross, Nicole: Musikwissenschaftliches Arbeiten. Hilfsmittel, Techniken, Aufgaben. Kassel: Bärenreiter, 2007. S. 13. 110 Vgl. ebd.: S. 12f. 104 25 nen der Musiktheorie dienen zur Orientierung des musikalischen Gebildes.111 Die in der Werbung genutzte Musik ist jedoch grundsätzlich eine Kurzform des klanglichen Musikstücks, wodurch ihre kontextuelle Struktur verzerrt wird. Denn die musikalische Form von Musikstücken ist einerseits gattungsspezifisch beziehungsweise gattungsbildend, andererseits trägt sie zur Sinnstiftung bei: Der Seitensatz eines Stückes steht immer in Relation zum Hauptsatz. Diese Zusammenhänge gehen im Werbespot verloren. Seine kurze Dauer zwingt den Komponisten von Werbemusik und die Werbetreibenden, eine zentrierte Konzentration auf einzelne Bausteine der Musik zu legen. So unterscheidet Wüsthoff drei verschiedene Arten von Werbemusiken: In der Werbung gibt es die überwiegend melodische, die besonders pulsierend rhythmische oder die harmonisch-klangliche Musik.112 Setzt man diese Gestaltungsweisen mit der oben erwähnten Einschwingzeit in Beziehung, ist festzuhalten, dass rhythmische Klänge sich besonders schnell in den Puls der Rezipienten übertragen lassen. Dahingegen dauern Auftakte mit melodischer oder harmonisch-klanglicher Musik zwar länger, ergreifen den Zuschauer jedoch auf der emotionalen Ebene.113 Im Klang der Medien gilt aber auch die Stille als ein besonders hervorstechendes musikalisches Element.114 Die Einbettung einer plötzlichen Stille im Werbespot schafft einerseits eine Grenze zum lauten Übrigen, und hebt andererseits die in diesem Moment der Ruhe vermittelte Botschaft hervor.115 Die Wahl der musikalischen Gestaltung in den Medien und besonders in der Werbung ist demnach für das sogenannte audiovisuelle Branding massgebend, dessen Auseinandersetzung im nächsten Kapitel folgt. 3.2 Zum audiovisuellen Branding Eine Studie von Whan Park und Mark Young aus dem Jahr 1986 belegt, dass Musik auf stark involvierte Rezipienten eher störend wirkt, da die Musik die 111 Vgl. Ruf, Wolfgang: Instrumentalmusik als Klangrede. In: Europäische Musikgeschichte. Bd. 1. Hrg. von Sabine Ehrmann-Herfort, Ludwig Finscher und Giselher Schubert. Kassel: Bärenreiter, 2002. S. 500. 112 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 8. 113 Vgl. ebd.: S. 11. 114 Im oben genannten Schockbild-Werbebeispiel erzeugen gerade der Knall und die darauf erklingende Stille die erwartungsvolle Spannung der Rezipienten. Vgl. Volkswagen – Augen auf die Strasse (Deutsche Version). YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=3N6Nhzqz67Q [21.02.2016]. 115 Vgl. Bullerjahn (2009): S. 269f. 26 Aufmerksamkeit auf sich lenkt und von der Produktvorstellung abbringt. Grund dafür ist, dass „Musik und Sprache der gleichen Sinnesmodalität angehören und Musik deshalb auch ablenkend und störend auf sprachliche Informationen einwirken kann.“116 Der Gegeneffekt tritt hingegen bei einem kognitiv kaum involvierten Zuschauer auf. In diesem Fall kann die Musik sogar zur Produktinformation hinlenken und macht den Zuschauer somit auf den Spot erst aufmerksam. 117 Aufgrund dieser und ähnlicher Studien kann nicht verallgemeinernd angenommen werden, dass Musik eine positive Wirkung auf den potentiellen Kunden ausübt und seine Gedächtnisleistung unterstützt. Dennoch ist erwiesen, dass Werbemusik beispielsweise durch die emotionale Lenkung eine erweiterte Form der Elaboration der Werbeinformation aktiviert, womit das Abrufen der Information in einem späteren Moment erleichtert wird. Ebenfalls beeinflusst alleine die Kopplung von Bild und Musik den Gesamteindruck der Werbung insofern, dass die Werbebotschaft auch unterbewusst aufgenommen wird.118 In Bezug auf die unbewusste Aufnahmefähigkeit haben David Stewart, Kenneth Farmer und Charles Stannard im Jahr 1990 die Erkennungs- und Erinnerungskraft der Werbemusik in Relation zur verbalen Botschaft bei einer einmaligen Rezeption eines Werbespots observiert. Das Ergebnis dieser Studie zeigt, dass sich nur etwa 62% der Studienteilnehmer an die sprachlich übermittelte Information erinnern konnten, wohingegen über 83% sich die Musik merken konnten. Zusätzlich konnten die Probanden das Geschehen signifikant besser anhand der musikalischen Reize anstelle der verbalen Stimuli erinnern und rekonstruieren.119 Diese Zahlen, die nach der Werberezeption entnommen wurden, stehen im Kontrast zu den im Prozess der Wahrnehmung bekannten Daten: Bei audiovisuellen Medien ist die optische Perzeption viermal aktiver als die akustische.120 Zur Wirkung präexistierender Musik in der Werbung hat Gail Tom im Jahr 1990 den Vergleich gestartet, das Erinnerungsvermögen der Probanden an die Marke mit der dazugehörenden Werbung, die entweder Neukompositio116 Ebd.: S. 274. Vgl. ebd.: S. 268. 118 Vgl. ebd.: S. 273f. 119 Vgl. ebd.: S. 275f. 120 Vgl. Rösing (2005): S. 169. 117 27 nen, Popsongs oder Parodien enthielt, zu eruieren. Die stärkste Wirkung haben gemäss dieser Studie Neukompositionen (Trefferquote von 77.6%). Etwas weniger als die Hälfte der Probanden konnte sich die Marke mit Popsongparodien merken (Trefferquote von 43.6%) und die geringste Trefferquote betraf die Werbespots mit aktuellen Popsongs (Trefferquote von 23.6%). Weitere Merkmale, welche die Rezeption und das Erinnerungsvermögen beeinflussen können, sind an die Zuschauer gebundene Charakteristika (beispielsweise das Alter) und die musikalischen Merkmale Rhythmus und Tempo.121 Um diese Einflüsse zu steuern, benutzt die Werbeindustrie ganz bestimmte Musikstile und Gattungen, welche die Urteilsbildung der Zielgruppe positiv ausfallen lässt. Je nach Zielpublikum wählen die Werbeproduzenten die Werbemusik nach dem potentiellen Allgemeingeschmack aus. So wird etwa klassische Musik Claudia Bullerjahn zufolge nur selten und wenn, dann zu bestimmten Zwecken benutzt. Die dahinter liegenden Absichten zielen meistens darauf ab, die Musik mit dem werbenden Produkt inhaltlich und mit der Identität der Zielgruppe anzugleichen,122 sodass sich im besten Fall der Rezipient selbst im Produkt und in der Musik widerspiegelt finden kann. „Allerdings darf nicht der Fehler gemacht werden,“, konstatiert Bullerjahn, „den Zuschauer als hilfloses, leicht zu beeindruckendes, emotional labiles Wesen ohne eigene feste Überzeugungen und Wünsche anzusehen, das der lenkenden Willkür von allmächtigen Werbeproduzenten ausgeliefert ist.“123 Denn damit würde man die Tatsache ausblenden, dass die kommunikativen Inhalte und die Werbemittel meist vergleichbar und somit vertraut sind.124 Wie im Kommunikationskapitel bereits erwähnt, wissen beide Parteien (Zuschauer und Medienorganisation), dass eine Realität konstruiert wird, aber auf welche Weise die Werbemittel zur Konstruktion der Realität genutzt werden, bleibt in der Rezeption erst einmal verschleiert. In der Aufschlüsselung des audiovisuellen Brandings verdeutlicht sich die Nutzung der Werbemittel. Die Musik beispielsweise strukturiert die Werbung tektonisch in Vorspann, Hauptteil (Höhepunkt) und Nachspiel, und gibt der Marke einen Gesamteindruck.125 Georg Spehr schildert die Anwendung des audio- 121 Vgl. Bullerjahn (2009): S. 278f. Vgl. ebd.: S. 280. 123 Ebd. 124 Vgl. ebd.: S. 280f. 125 Vgl. Bruhn (2009): S. 27. 122 28 visuellen Brandings als „einen Vorgang, der mithilfe von Klang eine emotionale Beziehung zwischen Sender und Empfänger aufbaut, assoziative Anker zur Wiedererkennung schafft, Botschaften kommuniziert und ein Image vermittelt und festigen kann.“126 Die enge Verbindung von Marke und Musik verleiht also der ganzheitlichen Impression einen bestimmten Wiedererkennungseffekt und dadurch eine neue Identitätsbildung des vorgestellten Produkts. Diese Konstellation erreichen die Werbetreibenden, wie im Zitat erwähnt, nur durch die Konstruktion von Emotionen. Musik in der Werbung hat also vor allem einen Grund: Die Musik soll Gefühle erwecken,127 denn ihr Klang besteht aus der Konstruktion von Emotionen. Als Werbemittel fungiert Musik hauptsächlich auf der sinnlichen Vermittlungsebene, wie Wüsthoff folgend expliziert: „Musik hat von allen Medien die vielfältigste, nachhaltigste und tiefgreifendste Gefühlswirkung. Sie wird daher von der Werbeindustrie als wichtiges emotionales Kommunikationsmittel angesehen und ganz besonders sorgfältig behandelt.“128 Ähnlich wie bei der Informationsüberflutung ist die Werbemusik jedoch als Kommunikationsmittel insofern in der heutigen Gesellschaft gefährdet, als dass Musik im Alltag omnipräsent ist. Egal ob im Einkaufszentrum, im Café oder im Kino, ob im Auto über das Radio oder auf dem Fahrrad über Kopfhörer: Die medial vermittelte Musik ist überall. Die konsekutive Habituation von musikalischem Klang koppelt sich negativ an den „Verwöhnungseffekt“129 , der eine defensive Haltung gegenüber der Musik und der Werbung im Allgemeinen hervorruft.130 Paradoxerweise ist aber genau die bekannte und somit präexistente Musik in der Werbung besonders beliebt, zumal sie eine schnellere Aufnahmefähigkeit bewirkt. Evergreens, Classics und Hits aus den Popcharts erfüllen die Wiederkennung und ermuntern zum Mitsummen oder Mitsingen.131 Ohrwürmer aus Popkultur und Werbung, die zum Nachsingen anregen, sind kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. In Berichten aus dem 16. und 17. Jahrhundert ist zu lesen, dass angestellte Frauen und Männer auf den Strassen 126 Spehr, Georg: Audio-Branding – alles neu? In: Audio-Branding. Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft. Praxisforum Medienmanagement. Bd. 5. Hrg. von Kai Bronner und Rainer Hirt. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 32. 127 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 5. 128 Ebd. 129 Ebd. 130 Vgl. ebd.: S. 5f. 131 Vgl. ebd.: S. 12. 29 kurze Melodien sangen, um die Passanten auf dem dahinter liegenden Geschäft mit den im Jingle besungenen Produkten aufmerksam zu machen.132 Einige dieser Jingles haben bis heute überlebt und existieren jetzt als Kinderlieder. Im englischen Sprachraum ist das Kinderlied Hot Cross Buns133 ziemlich populär und obwohl niemand mehr die genaue damalige Rezeptur kennt, weiss jeder, dass es „one a penny, two a penny“ gekostet hat.134 Als einen der ersten komponierten Jingles gilt Rough on Rat, der im Auftrag einer Rattengift-Firma im Jahr 1882 komponiert und als Partitur verteilt wurde, damit alle Familien bei sich zuhause dieses kurze Werbelied am Klavier im Wohnzimmer spielen und singen konnten.135 Diese Beispiele aus der Geschichte zeigen, dass der Markenklang bereits lange vor der medialen Audiovision existierte. Doch auch als das Radio und das Fernsehen in die Gesellschaft institutionalisiert wurden, war die Werbemusik ein grosses Thema: Der Chiquita Banana Song lief in den 1940er Jahren kontinuierlich im Radio und die Coca-Cola Werbung mit dem Jingle I want to buy the world a coke wurde praktisch zum Musikvideo umfunktioniert. Die Entwicklung der Werbemusik zeigt, dass die Unternehmen die Relevanz der Konstellation zwischen Musik und Marke bemerkten und infolgedessen identitätsbildende Markenklänge zu komponieren begannen.136 Die Corporate Identity repräsentiert Sam Sampson zufolge die erste Phase eines Bindungsaufbaus zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden. In ihrer Funktion stellt sie ein klares Image dar, das gezielt auf ein Produkt hinweist. 137 Konsistenz, Einzigartigkeit, Reziprozität und Kontinuität zählen nach Karsten Kilian zu den wichtigsten Merkmalen der Markenidentität:138 „Die Identität muss erstens Widersprüche bei Entscheidungen und in der Kommunikation der Marke nach innen und außen vermeiden. Sie muss stets an allen Berührungspunkten (Touchpoints) mit den Kunden auf die 132 Vgl. Jackson et al. (2013): S. 25. Vgl. Hot Cross Bun – Nursery Rhymes by LittleBabyBum. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=t7UZwBopVoE [21.02.2016]. 134 Vgl. Jackson et al. (2013): S. 25. 135 Vgl. ebd. 136 Vgl. ebd.: S. 26f. 137 Vgl. ebd.: S. 32f. 138 Vgl. Kilian, Karsten: Von der Markenidentität zum Markenklang als Markenelement. In: AudioBranding. Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft. Praxisforum Medienmanagement. Bd. 5. Hrg. von Kai Bronner und Rainer Hirt. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 55. 133 30 gleiche Art und Weise erlebbar sein. Zweitens gilt es eine Identität zu finden, die über ein hohes Maß an Individualität verfügt und sich damit klar und deutlich vom Wettbewerb abhebt und abgrenzt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine Markenidentität drittens erst durch die Interaktion mit den Nachfragern an den Touchpoints entsteht. Schließlich gilt es viertens die essenziellen Merkmale, den Kern der Markenidentität, im Zeitverlauf gegen alle Widerstände beizubehalten.“ 139 Sobald die Markenidentität definiert ist, können zielgerichtet Markenelemente angewendet werden, die eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. Kilian unterscheidet primäre Markenelemente (Markenname, Logo, Slogan, Markenklang), welche die Basis eines Brands formen, von den sekundären Markenelementen (Schlüsselbilder und Konstruktion von Erlebniswelten), die das Image des Brands bekräftigen. Da man davon ausgeht, dass 24% aller Zuschauer eine audiovisuelle Werbung (zumindest zeitweilig) ausschliesslich auditiv rezipieren, ist es für die Marke wichtig, dass zumindest die primären Markenelemente akustisch wahrnehmbar sind. Dies geschieht beispielsweise durch die simple Nennung der Marke, des Produkts und des Slogans oder durch die Audition eines charakteristischen Markenklangs.140 Weitere Geräusche unterstützen auf sekundärer Ebene die Audiovision, wobei diese im Kontext der Habituation oft nur unterbewusst wahrgenommen werden. Bei Autoherstellern beispielsweise komponieren Sound Designer originale Autogeräusche – Motorgeräusche, Geräusche zum Gangwechsel, Klänge eines fahrenden Autos auf dem Asphalt und ähnliches –, welche die Qualität des Autos nochmals betonen.141 Die Markenidentität konstruiert damit Bezugsmuster für die anvisierte Zielgruppe, wodurch auf Kundenbindung und Markenloyalität spekuliert wird.142 Innerhalb dieses Bezugssystems hat Musik einerseits eine strategische Rolle, indem sie 139 Ebd. Vgl. ebd.: 57f. 141 Vgl. ebd.: S. 66f. Weiterführend: Michael Haverkamp setzte sich intensiv mit der Geräuschgestaltung im Automobilbau auseinander und schlägt verschiedene Strategien vor, wie Geräusche und Musik an das Produkt gekoppelt werden können. Vgl. dazu: Haverkamp, Michael: Synästhetische Aspekte der Geräuschgestaltung im Automobilbau. In: Audio-Branding. Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft. Praxisforum Medienmanagement. Bd. 5. Hrg. von Kai Bronner und Rainer Hirt. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 228–244. 142 Vgl. Langeslag, Patrick / Krugmann, Dennis: Akustische Markenführung im Rahmen eines identitätsbasierten Markenmanagements. In: Audio-Branding. Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft. Praxisforum Medienmanagement. Bd. 5. Hrg. von Kai Bronner und Rainer Hirt. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 71ff. 140 31 die Markenidentität akustisch abbildet. Zum anderen verfolgt sie die operative Funktion, die Wahrnehmung dieser Markenidentität möglichst positiv durch den Affekt hindurch zu beeinflussen.143 Als Teil der Corporate Identity beruht die Werbemusik letztlich auf der gezielten Kommunikationsbotschaft der Werbetreibenden. Die intentionale Anwendung von Musik verfolgt die Absicht, dass der Rezipient die Musik erkennt und dass er dieselbe Musik mit der Marke beziehungsweise mit dem Produkt in Relation setzt.144 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann weniger von Marken- als vielmehr von Produktidentität gesprochen werden, zumal sich die folgenden Inhaltsanalysen einzig auf zwei Produkte unterschiedlicher Marken beziehen. 143 144 Vgl. ebd.: S. 75. Vgl. Jackson et al. (2013): S. 32f. 32 4. Die Nutzung klassischer Musik in der audiovisuellen Werbekommunikation „AV-Produkte sind Artefakte, in welchen Sinn nicht bloss als menschliches Handlungsresultat geronnen ist, sondern die ihrerseits Ereignisprozesse bzw. Prozesse der (handlungsförmigen) Sinnkonstitution zu zeigen vermögen, welche sich einer vollständigen Verschriftlichung 145 entziehen.“ Nach dem theoretischen Diskurs über die Kommunikation und der klanglichen Vermarktung schliesst nun die Analyse zur Eruierung der Nutzung klassischer Musik in der audiovisuellen Werbekommunikation an. Das Vorgehen der Analyse erfolgt in drei Schritten. Im ersten Schritt wird das Filmmaterial der beiden zu analysierenden Werbespots in seine einzelnen Bestandteile im eingangs bereits erwähnten Transkriptionssystem trAVis schriftlich übertragen. Was eine Übertragung genau ist und auf welchen Ebenen die systematische Veranschaulichung stattfindet, ist dem nächsten Unterkapitel zu entnehmen (vgl. Kapitel 4.1). Anhand dieser Transkription kann in einem zweiten Schritt die Inhaltsanalyse – der Kern der gesamten Analyse – durchgeführt werden. Das bedeutet, dass das rein formell Transkribierte nun auf den objektiven Inhalt dekodiert wird (vgl. Kapitel 4.2). Um die inhaltliche Dekodierung zusammenhängend zu verstehen, um ihr also eine Sinnbedeutung zu verleihen, wird die Inhaltsanalyse schliesslich in einem dritten Schritt interpretiert. In der Interpretation werden zudem die in der Transkription nicht festgehaltenen Kontexte in Relation mit der Inhaltsanalyse gesetzt (vgl. Kapitel 4.3). 4.1 Die Transkription audiovisueller Medien Eine Transkription ist die Übertragung von wahrnehmbaren Komponenten und Relationen eines audiovisuellen Medienprodukts in einem Datensystem. Sie dient der Kollektivierung und Sicherung der zu analysierenden Daten.146 Die 145 146 Jost et al. (2013): S. 57. Vgl. ebd.: S. 60. 33 Transkription zu den beiden Analysegegenständen ist aus Gründen der Lesefreundlichkeit im beigelegten Heft ausgelegt. Da in der Umkodierung der Audiovision die verschiedenen Komponenten einzeln betrachtet werden, müssen die verschiedenen Wissenschaften zunächst gesondert, dann interdisziplinär mit einbezogen werden. So entspringen die theoretischen Ansätze der Bildtranskription, die folgend dargelegt werden, vor allem der Filmwissenschaft. In diesem Unterkapitel wird die Komponente Bild in Dargestelltes und Darstellendes geteilt (vgl. Kapitel 4.1.1). Auf der zweiten Transkriptionsebene steht der gesprochene oder gesungene Text im Zentrum der Untersuchung. Obwohl in einem Werbespot die Bild- und Tonebene markanter sind, enthält die Textebene kurze und prägnante, für die zielgerichtete Kommunikation einer Werbung essentielle Botschaften, die sprachwissenschaftlich und linguistisch zu eruieren sind (vgl. Kapitel 4.1.2). Die dritte Transkriptionsebene ist im Rahmen dieser Analyse die wichtigste: die Tonebene. In Bezug auf die Musikwissenschaft ist die musikalische Transkription unterschiedlich aufzufassen, zumal die Transkription in der Musik nicht nur als Analysemittel, sondern unter anderem auch als Niederschrift einer Komposition oder als technisches Hilfsmittel für eine Aufführung fungiert (vgl. Kapitel 4.1.3). Für die Transkription der drei Ebenen bietet sich das Online-Transkriptionstool trAVis an, zumal dieses musikzentrierte Transkriptionsprogramm für audiovisuelle Medienprodukte eine übersichtliche Übertragung der drei erwähnten Ebenen ermöglicht.147 Das Ziel dieser Transkription ist „eine möglichst exakte, vollständige und lückenlose sowie objektive Wiedergabe des ursprünglichen Prozesses […].“148 4.1.1 Bildebene: Dargestelltes und Darstellendes Die Transkription auf der Bildebene definiert sich grundsätzlich auf der aus der optischen Rezeption herausgezogenen Deskription. Die optische Gestaltung eines audiovisuellen Mediums lässt sich in zwei Kategorien unterteilen: das Dargestellte und das Darstellende. Ersteres beschreibt den Bildinhalt und be147 Musikzentriertes Transkriptionsprogramm für audiovisuelle Medienprodukte: trAVis. URL: www.travis-analysis.org [21.02.2016]. 148 Jost et al. (2013): S. 64. 34 antwortet somit die Fragen: Wer wird gezeigt und was wird dargestellt? Mit dem ‚Wer‘ sind alle Charaktere und Figuren gemeint, die im Bild des Werbespots erscheinen. Hier lässt sich weiter zwischen fiktiven und realen Charakterrollen differenzieren, wie auch Jost et al. im Rahmen der Inhaltsanalyse eines Musikvideoclips bestätigen:149 „Prinzipiell muss unterschieden werden, ob es sich um eine (natürliche) Person handelt, oder im Sinne eines fiktiven Charakters um eine Figur, und ob diese einzeln oder aber als Personengruppe oder als Figurengruppe auftreten.“150 Wie auch im Musikvideoclip definiert die Zuordnung der Charakterrollen die Funktion desselben im Bildgeschehen. Von den Charakteren abgegrenzt lassen sich zusätzlich Objekte unterscheiden, die in die Unterkategorien der Dinge und Formen unterteilt werden.151 Diese Gegenstände dienen der Gestaltung des vom Werbeproduzenten erwünschten Ambientes. Soll beispielsweise ein Produkt für den alltäglichen Gebrauch in einem westlichen Wohnzimmer vermarktet werden, wird im Sinne einer realen Darstellung eine Polstergruppe ins Bild integriert. Diese Gegenstände im Bild erhalten somit eine zweite semiotische Funktion: Sie fungieren als Symbole soziokultureller Konventionen und werden im Werbespot als Mittel zum Zweck verwendet. Im direkten Zusammenhang spielt hierbei das Setting eine markante Rolle, denn es definiert die Dramaturgie des (filmischen) Handlungsraums. Im Bereich des Settings unterscheidet Jürgen Kühnel auf der narrativen Ebene den Handlungsraum, in dem die Geschichte erzählt wird, vom Stimmungsraum beziehungsweise symbolischen Raum, „bezogen auf die ‚konzeptuelle Ordnung der Geschichte‘“152 . Besonders letzterer ist für den Werbespot funktionell bedeutend: Als symbolischer Raum ist das Setting semantisch zu lesen und somit durch Kontrastierungen zu kodieren. Im Werbespot lassen sich beispielsweise oft Vorher-Nachher-Vergleiche finden, die durch Dualismen wie Bekanntes und Unbekanntes, Schmutz und Sauberkeit, Gesundheit und Krankheit, Stadt und Land et cetera markiert sind. Das Bild des Settings ist ausserdem nie ganzheit- 149 Vgl. ebd.: S. 24. Ebd. 151 Vgl. ebd. 152 Kühnel, Jürgen: Einführung in die Filmanalyse – Teil 2. Dramaturgie des Spielfilms. Reihe Medienwissenschaften, Bd. 5. Siegen: Universitätsverlag Siegen, 2004b. S. 176. 150 35 lich dargestellt. Der Raum wird durch sukzessive Einstellungen konstruiert, wodurch eine bestimmte Dynamisierung des Raums selbst entsteht.153 Innerhalb dieses Raums sind weiter die Komponenten Licht, Farbe und Bewegungen hervorzuheben.154 Gerade in einem Werbespot ist alleine schon die Unterscheidung zwischen Tag und Nacht für die Darstellungsoptionen von grosser Relevanz: Soll beispielsweise für eine Nachtcreme, ein Medikament für die Nacht oder ein spezielles Kissen geworben werden, so sieht man oft dämmerndes Mondlicht, Konturen, die von blau über grau bis hin zu schwarz reichen und eher langsame Bewegungen.155 Ein anderes Setting wird hingegen für die sommerliche Werbung für beispielsweise Grillwürstchen aufgebaut: Sonnenstrahlen, bunte Kleider (entweder passend oder komplementär zu den Tischdecken und Servietten) und während der Vater am Grill steht, bereitet die Mutter den Salat und die Kinder springen über die grüne Gartenwiese.156 Aus rein technischer Sicht beeinflusst das Zusammenspiel von Farbe und Licht die Kontrastschärfe im Bild, womit bestimmte Objekte oder Charaktere in den Vordergrund gerückt werden können.157 Mit der Konstruktion des filmischen Raums muss in einer Filmanalyse die filmische Zeit in Relation gesetzt werden. Durch die mögliche Loslösung der realen Zeit gibt es verschiedene Varianten, wie die Zeit in der Audiovision gestaltet werden kann. Grundsätzlich ist die Zeit einer Narration von der eigentlichen Dauer des audiovisuellen Medienprodukts zu distinguieren. Die Narration wird in der sogenannten erzählten (oder auch: dargestellten) Zeit wiedergegeben. Sie definiert sich dadurch, dass sie zum einen den Zeitpunkt in der Geschichte sichtbar macht (Tageszeit durch Beleuchtung, potentielle Alterssprünge durch unterschiedliche Protagonisten et cetera) und zum anderen durch den nicht zwingend bedingten chronologische Ablauf (Erzählzeit versus erzählte Zeit). Dadurch kann sich die erzählte Zeit weit über die eigentliche Dauer des 153 Vgl. ebd.: S. 176f. Vgl. Jost et al. (2013): S. 25. 155 Die neue Werbung zum Medikament Wick MediNait erfüllt genau diese Gestaltungsästhetik. Musikalisch wird das Geschehen narrativ begleitet, indem zuerst während der Krankheitsphase des Mannes passenderweise Chopins Trauermarsch (Klaviersonate op. 35, Nr. 2, 3. Satz) und nach seiner Genesung das fröhliche Rondo alla Turca (Klaviersonate Nr. 11, KV 331) von Mozart erklingt. Vgl. Wick MediNait TV Spot. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=5ft7EcO-1wM [21.02.2016]. 156 Als Beispiel soll die folgende Werbung dienen: KSP Coop Grill 2015 Garten. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=8zGFmXhnU_8 [21.02.2016]. 157 Vgl. Monaco (2007): S. 113f. 154 36 Medienprodukts ausdehnen. Im Falle der Erzählzeit hingegen handelt es sich um die Wiedergabedauer des filmischen Mediums. Durch bestimmte Darstellungsmodi wird die erzählende Zeit mit der Erzählzeit in Verbindung gesetzt: Zeitdeckende Darstellung, Zeitraffung als Zeitsprung oder Zusammenfassung der Ereignisse und die Zeitdehnung als Zeitlupe. Bei letzterer ist die Relation zwischen Zeit und Tempo wichtig: Heutzutage beträgt die standardisierte Bildfrequenz eines filmischen Medienprodukts 24 bis 30 Bilder pro Sekunde. Seit der Entwicklung des High Definition Television (HDTV) in den 1990er Jahren sind sogar noch höhere Bildfrequenzen möglich und wirken als wichtiger Bestandteil der neuzeitlichen audiovisuellen Rezeption. Wird diese Geschwindigkeitsfrequenz durch Drehen manipuliert, entstehen die oben genannten Techniken der Zeitlupe und des Zeitraffers.158 Kühnel unterscheidet hinsichtlich der filmischen Zeitordnung die Darstellung gleichzeitiger Ereignisse durch die Parallelmontage und die Aufhebung der Chronologie durch Rückblenden. Letztere Modi werden in Werbespots vermutlich aufgrund der kurzen Erzählzeit eher selten angewendet.159 Die erwähnte Parallelmontage wird in einer Filmanalyse über das Darstellende in der Bildebene untersucht. Das Darstellende umfasst die technische Bildgestaltung und beantwortet die Frage, wie etwas gezeigt wird.160 Hierzu gehören alle Kameraeinstellungen und -techniken, welche eine Kadrierung der Mise-en-scène, also eine Umwandlung eines dreidimensional komponierten Szenarios in ein zweidimensionales Bild, ermöglichen.161 Eine solche Rahmung des Dramaturgischen ergibt der Kamerablick, der oft mit dem Blick des Rezipienten gleichzustellen ist. Das Transkriptionstool trAVis bietet vier Unterkategorien zur Untersuchung dieser Kamerahandlung an:162 a.) Kameraperspektive: Je nachdem wie die Perspektive der Kamera eingestellt ist, resultiert ein anderer Kamerawinkel. Aus dem Kamerablick her158 Vgl. ebd.: S. 91. Vgl. Kühnel (2004b): S. 169f. 160 Vgl. Jost et al. (2013): S. 26f. 161 Vgl. Kühnel, Jürgen: Einführung in die Filmanalyse – Teil 1. Die Zeichen des Films. Reihe Medienwissenschaften, Bd. 4. Siegen: Universitätsverlag Siegen, 2004a. S. 87. 162 Da trAVis primär zur Analyse von Musikvideos konzipiert wurde, liegt hier der Fokus nur auf bestimmten Darstellungsmitteln. Die Kamerahandlung wird in manchen Filmanalysen jedoch detaillierter untersucht. So unterscheidet Kühnel beispielsweise sechs weitere Darstellungsmittel wie etwa den Blickwinkel, die Bildschärfe und die Beleuchtung. Vgl. dazu: Kühnel (2004a): S. 118f. 159 37 aus lässt sich somit die Einstellungsperspektive entschlüsseln: Sie zeigt, wo sich der Standort der Kamera im Verhältnis zu den Charakteren beziehungsweise Objekten im Bild befindet. Das Transkriptionstool trAVis umfasst standardmässig die Einstellungsperspektiven ‚Froschperspektive‘, ‚Untersicht‘, ‚Bauchsicht‘, ‚Normalsicht‘, ‚Obersicht‘ und ‚Vogelperspektive‘.163 b.) Einstellungsgrösse: Die Grösse beziehungsweise die Nähe des Gezeigten im Bild wird durch die Einstellungsgrösse definiert. Insgesamt lassen sich im Transkriptionstool trAVis die Einstellungsrössen ‚Panorama‘, ‚Totale‘, ‚Halbtotale‘, ‚Halbnahe‘, ‚Amerikanische‘, ‚Nahe‘, ‚Grosse‘ und ‚Detailaufnahme‘ unterscheiden. Je näher die Einstellung an dem zu zeigenden Charakter ist, desto schneller entsteht eine intime Situation, die sich beim Rezipienten emotional auswirkt.164 Umgekehrt geben grössere Einstellungsgrössen dem Rezipienten eine konkrete Orientierung im Bildverlauf, zumal die Situation innerhalb der Kadrierung ganzheitlich gezeigt wird.165 c.) Kamerabewegung: Im Gegensatz zur Bewegung im Bild, in der sich die Charaktere beziehungsweise Objekte in der Kadrierung bewegen, wird bei der Kamerabewegung die filmende Kameralinse mobilisiert. Grundsätzlich lassen sich drei Typen von Kamerabewegungen unterscheiden. Beim ersten Typ dreht sich die befestigte Kamera um ihre eigene Achse im horizontalen oder vertikalen Schwenk sowie im 360°-Rollen. Im Fall des zweiten Typs ist die gesamte Kamera auf horizontaler und vertikaler Ebene per Kamerafahrt (Fahrt auf Schienen oder Fahrt mit dem Kran) mobil. Die durch die Handkamera hervorgebrachten Kamerabewegungen gehören schliesslich zum dritten Typ. In allen drei Bewegungsarten kann das Kameraobjektiv zusätzlich ein Zoom-In oder ein Zoom-Out erzeugen. Durch diese Einstellungen lassen sich somit auch simultane Mehrfachbewegungen arrangieren. Die Kombination der Kamerabewegungen kann die Rezeptionsperspektive massiv beeinflussen, weswegen sie in der Filmanalyse und somit in der Transkription determinierend 163 Vgl. Jost et al. (2013): S. 26f. Vgl. ebd.: S. 26. 165 Vgl. Kühnel (2004a): S. 134f. 164 38 ist.166 Auch ist die Relation zwischen Kamerabewegung und den Charakteren beziehungsweise Objekten im Bild wichtig. Kühnel unterscheidet allative und ablative (annähernde vs. entfernende), superlative und delative (nach oben oder nach unten gehende), sowie illative und elative Relationen (in Räume eindringende oder herausbewegende) Bewegungsformen. Dabei wird die Kamera komitativ, das heisst, das Objekt begleitend, oder kollativ, das heisst in Beziehung zum Objekt, bewegt.167 d.) Visual Effects: Die Visual Effects sind optische Tricks im Bildgeschehen. Monaco unterscheidet drei Typen von Spezialeffekten: die Diskontinuität im Bildverlauf, die realwirkende Integrierung von Zeichnung, Malereien oder Modellen, und die Kombination von Bildern (beispielsweise als Collage). Diese Spezialeffekte lassen sich während oder auch erst nach der Bildproduktion im Bildverlauf einfügen. Via Screenshots können oberhalb der Zeitspanne die wichtigsten Bilder fixiert werden, die zur Narration beitragen. Es gibt nach Nina Janich drei wichtige Klassifizierungen der Bilder. Die Key-Visuals sind die zentralen Visualisierungen und bilden in der Werbung meistens die Produkte ab. Nebst diesen Schlüsselbildern werden sogenannte Catch-Visuals montiert, also Blickfänge, die das Produkt in eine bestimmte Umgebung und Atmosphäre einbetten. Dadurch erhalten die Bilder die Funktion, Assoziationen hervorzurufen. Detaillierte Einblicke in und um das Werbeprodukt werden schliesslich durch FocusVisuals in der nahen Einstellungsgrösse dargestellt.168 In der Post-Produktion eines filmischen Bildablaufs kommt schliesslich die Montage zum Zuge. In der Transkription werden zur Analyse der Montage die Filmschnitte markiert. Der Schnitt ist die Filmtechnik, bei der unbrauchbares Material ausgeschieden wird, um Erwünschtes zu verbinden. Die Funktion des Filmschnittes ist deshalb im Grunde genommen, zwei Einstellungen voneinander zu trennen. Mit dem Begriff ‚Einstellung‘ ist in diesem Kontext ein „einzelnes Stück Film ohne Unterbrechung der Kontinuität“169 gemeint. Die Kunst der Montage hat sich über die Jahre im Découpage classique – der standardisierten 166 Vgl. ebd.: S. 155f. Und vgl. auch Monaco (2007): S. 93. Vgl. Kühnel (2004a): S. 168f. 168 Vgl. Janich (2001): S. 62. Und vgl. auch Fährmann (2006): S. 48f. 169 Monaco (2007): S. 129. 167 39 Hollywood-Montage – in der Weise entwickelt, dass der Übergang von einer Einstellung zur anderen fliessend verläuft und dadurch meist unbewusst rezipiert wird.170 In der trAVis-Transkription werden die Filmschnitte direkt unter der Zeitspanne markiert. Diese Zusammenfügung ist dabei eine bewusste, zumal der Filmschnitt oft zeitlich abgestimmt ist und nicht willkürlich erfolgt. Die Rhythmik des Schnitts kann weiter als Ausdrucksmittel von Spannung genutzt werden. Eine Abfolge kurzer Einstellungswechsel beschleunigt visuell das Geschehen und erzeugt eine Spannung, die zum Höhepunkt führt. Im Gegensatz dazu vermitteln lange Einstellungen ohne Schnitt einen geruhsamen Moment.171 Hinsichtlich der Zeitspanne dient die Schnitttechnik nicht nur der Beschleunigung oder Verlangsamung, sondern auch der Unterbrechung des zeitlichen Kontinuums, beispielsweise bei der oben erwähnten Parallelmontage. Der Schnitt zwischen zwei Einstellungen trägt diesbezüglich dazu bei, von einem parallel laufenden Ereignis zum anderen zu wechseln.172 Der zusammengefügte Übergang von einer Einstellung zur anderen, also die Schnitttechnik, ist Teil der oben erwähnten Montage. Der technische Begriff der Montage hat aber zwei weitere Bedeutungen: Montage ist ein dialektischer Prozess, der jener Verbindung zweier Einstellungen eine dritte Bedeutung zuweist. Und schliesslich benennt Montage auch den gesamten fertigen Bildablauf. 173 Die Differenzierung der Termini ist nicht nur für die Bildanalyse signifikant, sondern bezieht sich auch auf die Text- und Musikebene, zumal sie zusammen die Gesamtmontage eines audiovisuellen Medienprodukts bilden. 4.1.2 Textebene: Voices und Vocals In der Kürze des Werbespots erscheint die Textebene zunächst irrelevant: Nur einzelne Sätze sind zu hören und beim Einsatz von Vokalmusik werden nur wenige Verse gesungen. Dennoch erhält die Textebene im Werbespot eine ausserordentliche Bedeutung, zumal sie oft die Grundbotschaft vermittelt, mit 170 Vgl. ebd.: S. 218ff. Vgl. ebd.: S. 220. 172 Vgl. ebd.: S. 221. 173 Vgl. ebd.: S. 218. 171 40 dem Ziel, die Handlungen der Rezipienten zu steuern. Für die Transkription der Textebene eines audiovisuellen Medienprodukts bedeutet dies, dass akustische Sprachelemente zu markieren sind. Hierzu gehören die On- und Off-Voice sowie die gesungenen Lyrics beziehungsweise das erklingende Libretto. Erstere werden verallgemeinernd auch Voices und letztere Vocals genannt. Im Transkriptionstool trAVis kann der gesprochene oder der gesungene Text ins Verhältnis zum Musiktempo gesetzt werden, sodass dieser als Text im Metrum transkribiert wird. Da die vorliegende Analyse die audiovisuellen Beziehungen zur Musik erforschen möchte, sind die akustisch wahrnehmbaren Textteile ausnahmslos als Text im Metrum transkribiert worden.174 Gerade weil der Werbespot in kurzer Zeit die Kernbotschaft vermitteln und potentielle Käufer vom Produkt überzeugen muss, ist das gesprochene Wort in der Kategorie der Voices ein Träger wichtiger Aussagen. Die im Werbespot verwendete Sprache folgt eigenen Regeln, die zwar nicht grammatikalisch richtig sein muss, deren Botschaft aber dennoch von der Zielgruppe verstanden werden soll. So haben die typischen Werbesprüche – die sogenannten ‚Slogans‘ – keinen grossen Informationsgehalt. Sie versprechen jedoch der Zielgruppe unersetzliche Erlebnisse durch den Konsum des vorgestellten Produkts.175 Nach Siegmund Helms haben Werbeslogans weiter die Funktion, „Waren zu Trägern von Leitbildern und Wunschvorstellungen“ zu realisieren, konsolidierend und konformistisch zu wirken, die Unsicherheiten und sexuellen Bedürfnisse der Klientel auszunutzen und das Versprechen von Jugendlichkeit, Schönheit, Fitness, Erfolg, Natürlichkeit und Freiheit zu propagieren.176 In Kombination mit Klangelementen fördert der Slogan somit die Wiedererkennung des Produkts.177 Es gibt mehrere Versuche, die Werbesprache einzuordnen. Franz Januschek bezeichnet sie beispielsweise als Scheinsprache und hebt dadurch 174 Das Transkriptionstool trAVis bietet für eine Musikvideoanalyse weitere Untersuchungsschwerpunkte im Bereich der Textebene an: Vokalphrase, materiale Auffälligkeit, Zusammenhänge, songfremde Vokalphrase, songfremde materiale Auffälligkeit. Da diese in der vorliegenden Transkription nicht genutzt werden, erfolgt diesbezüglich keine weitere Auslegung. 175 Vgl. Helms (1981): S. 16. 176 Vgl. ebd. 177 Vgl. Janich (2001): S. 48. 41 den Als-ob-Eindruck einer Werbung hervor.178 Ruth Römer hingegen klassifiziert die Werbesprache ganz allgemein im Bereich der Propagandasprache, mit der Begründung, sie werde mit einer ähnlichen Intentionalität wie politische oder religiöse Propaganda ausgeführt.179 Für Janich ist die Werbesprache als Alltagsphänomen jedoch trotzdem stilistisch mit der gängigen Sprache zu vergleichen.180 Die Deskription dieser Sprache lässt sich in diesem Kontext von der phonetischen Transkription181 unterscheiden. Im Rahmen dieser Arbeit sind nicht die phonetische Ausdrucksform oder der Melos substanziell, sondern vielmehr der inhaltliche und zeitliche Aspekt des gesprochenen oder gesungenen Textes im direkten Verhältnis zur Musik und zum Bild. Die Text-Bild- und Text-Musik-Konfigurationen sind Teil der Inhaltsanalyse, die nach der Erläuterung der Ton-Transkription folgt. 4.1.3 Tonebene: Partitur und Audio Der Begriff der Transkription hat in der Musikwissenschaft verschiedene Bedeutungen. Grundsätzlich ist die Transkription eine Subkategorie der Notation. Im westlichen Musikgebrauch bedeutet also transkribieren nichts anderes als das Abschreiben einer Partitur. Doch auch hier sind weitere Differenzen zu definieren. Aus den enzyklopädischen Musiklexika Die Musik in Geschichte und Gegenwart (kurz: MGG) und The New Grove Dictionary of Music and Musicians lassen sich insgesamt fünf Typen musikalischer Transkription unterscheiden: Typ 1: Die Übertragung einer Notationsform in eine andere. Besonders in der Editionswissenschaft werden Manuskripte in ein modernes und heutzutage oft digitales System übertragen.182 178 Vgl. Opilowski, Roman: Intertextualität in der Werbung der Printmedien. Eine Werbestrategie in linguistisch-semiotischer Forschungsperspektive. Kulturwissenschaftliche Werbeforschung. Bd. 5. Hrg. von Hartmut Schröder. Frankfurt am Main: Lang GmbH, 2006. S. 88. 179 Vgl. ebd. 180 Vgl. ebd.: S. 89. 181 Vgl. Heselwood, Barry: Phonetic transcription in theory and practice. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2013. 182 Vgl. Stockmann, Doris: Transkription. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Sachteil 9. Hrg. von Ludwig Finscher. Kassel: Bärenreiter, 1998. S. 726. Und vgl.: Oxford Music Online: Transcription (II). URL: www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music/J454700?q=transcription&search=quick&po s=1&_start=1#firsthit [06.01.2016]. 42 Typ 2: Die Bearbeitung des originalen Arrangements. Dies wird zum einen als Retusche für klangliche Änderungsmassnahmen vollzogen, zum anderen aber auch zur Reduktion der Gesamtpartitur. Um sich ein Bild vom musikalischen Geschehen zu machen, greift beispielsweise ein Musikwissenschaftler oft zu einem transkribierten Klavierauszug anstelle zur Orchesterpartitur. Die musikalische Transkription als Bearbeitung erfolgt aber auch durch die Änderung des Arrangements, beispielsweise bei der Abwandlung einer einzelnen Instrumentation.183 Typ 3: Die Reproduktion und Reparation veralteter Klangaufnahmen.184 Typ 4: Die Kodierung einer Musiknotation ins Digitale (auch Transkodierung genannt).185 Typ 5: Die Verschriftlichung oral vermittelter Musik sowie von rezipierten Klangereignissen.186 Die Transkription ist ergo aus musikwissenschaftlicher Sicht nicht per se ein Werkzeug für die Analyse, sondern als Skript primär die Grundeinheit für die musikalische Produktion.187 Im Rahmen dieser Arbeit werden der erste, zweite, vierte und fünfte Transkriptionstyp verwendet, wobei das wissenschaftliche Vorgehen vom ursprünglich musikethnologischen Prinzip der Verschriftlichung der akustischen Merkmale beginnt. Die Transkription vom Akustischen ins Visuelle erfolgt durch die auditive Rezeption und mithilfe des europäischen Notensystems.188 Diese auditive Notierung stellt einen psychophysischen Prozess dar, „in dem von der sinnlichen zur rationalen Erkenntnis übergegangen wird […].“189 Dabei besteht die Problematik, dass die Transkription immer nur ein Teil des akustisch Rezipierten abbilden kann. Stockmann begründet dies aus 183 Vgl. Schröder, Gesine: Bearbeitung. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Sachteil 1. Hrg. von Ludwig Finscher. Kassel: Bärenreiter, 1994. S. 1328f. Und vgl. auch: Oxford Music Online: Transcription (I). URL: www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music/28268?q=transcription&search=quick&pos =2&_start=1#firsthit [06.01.2016]. 184 Vgl. Stockmann (1998): S. 726. Und vgl. auch: Oxford Music Online: Transcription (II). URL: www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music/J454700?q=transcription&search=quick&po s=1&_start=1#firsthit [06.01.2016]. 185 Vgl. Stockmann (1998): S. 726. 186 Vgl. ebd. 187 Im Anschluss an Nelson Goodman erfüllt die Musiknotation den Zweck, die Werkidentität nachzuweisen. Vgl. hierzu: Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1995. S. 125ff. und 169ff. 188 Vgl. Stockmann (1998): S. 726f. 189 Ebd.: S. 728. 43 zweierlei Blickwinkeln: „Das liegt einerseits an der Begrenztheit des Schriftsystems, andererseits an der Schwierigkeit, den komplexen psychophysischen Prozess zum Notengebilde umzudenken.“190 Das Transkriptionstool trAVis bietet beispielsweise ein ausreichendes Kodierungssystem für die Notenbezeichnung, die Notendauer und die Pausen, doch die dynamischen Ausdrucksmittel können nicht übertragen werden, weil die Transkriptionszeichen dafür fehlen.191 Die Akkoladen können in diesem Transkriptionstool zudem lediglich mit dem Violin- und dem Bassschlüssel gebildet werden, weil im Zeichensystem von trAVis die Tenor- und Altschlüssel fehlen. Dieses Defizit hat womöglich mit der Tatsache zu tun, dass das Konzept des Transkriptionssystems primär für populäre Musik aufgestellt wurde und in diesem Bereich der Musik die Tenor- und Altschlüssel nicht gebraucht werden. Sehr detailliert können in diesem Transkriptionstool die Bereiche des Klangs definiert und übertragen werden. Unterschieden wird zwischen ‚Stimme‘ und ‚songfremder Stimme‘ sowie zwischen ‚Geräusch‘ und ‚songfremdem Geräusch‘. Im Bereich der Instrumentation stehen das Pattern ‚Instrument‘ als Einzelereignis oder die Gesamtbesetzung zur Wahl. Das Klangliche wird über die Segmente ‚Sound‘, ‚Rhythmus‘, ‚Harmonien‘ und ‚Melodien‘ differenziert, während satztechnische Eigenschaften durch musikalische Floskeln (Motive) und Formteile übertragen werden können. Aus musikwissenschaftlicher Perspektive bietet sich eine konzentrierte Einzeltranskription jedoch nur an, wenn der Fokus auf einzelne Musikphänomene gesetzt wird. Sobald die gesamte Musik zu analysieren ist, muss der Klang, der all diese Teilcharakteristika beinhaltet, als Gesamtpartitur vorliegen. Gerade in der Funktionalität der Werbemusik sollte die Musik nicht von vorneherein geteilt, sondern im Rahmen der filmmusikalischen Mood-Technik als Ganzes untersucht werden. 192 Von hoher Relevanz wäre deshalb die Festlegung der Dynamik in der Transkription, was mit dem genutzten Transkriptionstool leider (noch) nicht möglich ist.193 In der Transkription der 190 Ebd. Vgl. trAVis: Anleitung zur Musiknotation. URL: travis-analysis.org/travis/manual#notation [21.02.2016]. 192 Die Mood-Technik ist eine Musikalische Einsatzform, um die Expressivität der Bilder und somit die emotionale Wirkung zu stärken. Vgl. hierzu: Bodde, Gerrit: Die Musik in den Filmen von Stanley Kubrick. Osnabrück: Der Andere Verlag, 2002. S. 85f. Und vgl. auch Kloppenburg, Josef: Musik multimedial. Filmmusik, Videoclip, Fernsehen, Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert. Bd. 11. Laaber: Laaber, 2000. S. 43f. 193 Das Programm trAVis wird fortlaufend weiterentwickelt. 191 44 Tonebene können aber Geräusche, Harmonien und Partituren im System übertragen werden, sodass eine ganzheitliche audiovisuelle Inhaltsanalyse ausführbar ist. 4.2 Inhaltsanalyse audiovisueller Medienprodukte Die in der Transkription gesammelten Daten sollen nun in einem Text objektiv protokolliert werden. Das Protokoll hilft die Daten zu strukturieren und die in der Interpretation herauszuarbeitenden Sinnzusammenhänge provisorisch zu gruppieren. Im übertragenen Sinne handelt es sich hierbei um eine Deskription der Transkription. Von der Transkription ausgehend verläuft die Inhaltsanalyse einerseits horizontal auf jeder einzelnen Ebene. Hierbei soll beachtet werden, dass der Fokus der Bilddaten, um sie vergleichen zu können, auf jeweils gleiche oder ähnliche Merkmale gelegt wurde. In der darauffolgenden Textebene sind vor allem die von Metz beschriebenen Dialoge beziehungsweise die Voices und die vertonten Textteile zu entnehmen.194 Für die später folgende vertikale Inhaltsanalyse wurden die Texte ‚im Metrum‘ transkribiert, sodass die akustischen Informationskanäle zum Bild- und Tonrhythmus in Relation gesetzt werden können. Denn die Dauer und der Rhythmus bestimmen nicht nur die Verbindung zwischen dem Bild und dem Musikstück, 195 sondern auch mit dem Text. Schliesslich sind auf der Tonebene die Daten der ‚Geräusche‘, der ‚Harmonien‘ und der ‚Partitur‘ zu entnehmen. Allfällige akustische Abweichungen von der editierten Partitur sind zusätzlich als ‚Spotmusik‘ ausgelegt. Andererseits folgt auf die horizontale Inhaltsanalyse des Werbespots die vertikale Protokollierung, in der alle Ebenen simultan und chronologisch eruiert werden. Dadurch lassen sich Zusammenhänge gruppieren, die später in der Interpretation weiter gedeutet werden sollen. 196 Wie in den vorausgehenden Kapiteln beschrieben, ist bei Werbespots vor allem die Angleichung der benutzten Medienmittel markant. An dieser Stelle kann bereits antizipiert werden, dass – anders als beim Musikvideo – bei einem Werbespot die Bildproduktion nicht 194 Vgl. Einleitung. Vgl. Jost et al. (2013): S. 28. 196 Um permanente Repetitionen zu vermeiden, wird die vertikale Inhaltsanalyse exemplarisch gehalten. 195 45 unbedingt nachträglich produziert werden muss.197 Selbst bei einem präexistierenden Musikstück lassen die Werbeproduzenten das Bild dominieren und passen die musikalische Struktur dem Bildverlauf an. In diesem Sinne nimmt die Musik eine kommentierende Funktion ein. 198 Im Gegensatz zum Musikvideo handelt es sich beim Werbespot also um die Musikalisierung eines Bildverlaufs und nicht um die Visualisierung der Musik.199 So beginnt der erste Analysegegenstand, Alfa Romeo Spider200 , mit einem sich öffnenden Auge im Bild. Im Anschluss sieht man ein rotes Auto auf einem gepflasterten Boden parkiert, das sogleich durch verschiedene Landschaften fährt, bis es schliesslich vor einem Haus zum Stillstand kommt. Close-ups auf bestimmte Körperteile unterbrechen die Sicht auf die Autofahrt und zeigen symbolisch die affektierten Sinne. Dieses Werbegeschehen wird musikalisch von Mozarts Arie Sull’aria begleitet. Auch von Mozarts Klängen ist der zweite Analysegegenstand untermalt. Der Lexus NX TVC201 fährt im Tempo des 2. Satzes der Klaviersonate Nr. 21 (KV 467) durch den Wald. Die zu Beginn extradiegetisch erklingende Musik wechselt den Klang etwa in der Mitte des Werbespots, nachdem das Auto anhält und der Fahrer sich zum Rücksitz wendet, zur diegetischen Visualisierung: Hier sitzen drei musizierende Streicher auf der Rückbank des Autos. Diese werden alsbald vom Fahrer aus dem Auto gebeten. Während die Musiker ausserhalb des Autos weiter Mozart spielen, fährt der Fahrer mit einem Offbeat aus dem Wald heraus. Die eben präsentierten Kurzbeschreibungen bilden die Basis der folgenden Inhaltsanalyse, in der die Strukturierung der Bild-, Text- und Tonebene am Beispiel dieser Analysegegenstände untersucht wird. 197 Vgl. Jost et al. (2013): S. 20. Vgl. Kracauer (2005): S. 228f. 199 Vgl. Jost et al. (2013): S. 22. 200 Vgl. Spot TV – Alfa Romeo Spider. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=lK4seFut18A [21.02.2016]. 201 Vgl. This is the new Lexus NX TVC. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=hkFC05bTXso [21.02.2016]. 198 46 4.2.1 Fallanalyse des Werbespots Alfa Romeo Spider (2010) Der Analysegegenstand für die folgende Fallanalyse ist der Werbepost Alfa Romeo Spider aus dem Jahr 2010.202 Die Dauer des Spots beträgt insgesamt 44:01 Sekunden. Auf dieser Zeitspanne sind 29 Screenshots festgehalten. Von insgesamt 39 Bildverläufen, die der Werbespot beinhaltet, sind somit über die Hälfte mit Momentaufnahmen in der Transkription fixiert worden. Die Bildverläufe sind durch 37 klare Schnitte und eine Überblendung getrennt und zusammen montiert. Das Dargestellte ist in den Kodierungseinheiten ‚Zusammenhänge‘, ‚Auto‘, ‚Sinne‘, ‚Setting‘, ‚Bewegung im Bild‘ und ‚Schrift im Bild‘ zusammengefasst. Das Darstellende hingegen ist durch die drei Kameramittel ‚Kamerabewegung‘, ‚Kameraperspektive‘ und ‚Kameraeinstellung‘ kodiert. Die darstellenden Kategorien veranschaulichen wie das Dargestellte abgebildet ist, weshalb es sinnvoll ist, die Observation der Transkription mit der Kameratechnik zu beginnen. Obwohl das Bild ständig in Bewegung ist, sind nur wenige Kamerabewegungen auf der Zeitspanne des Werbespots zu lokalisieren. Insgesamt lassen sich 22 Kamerabewegungen zählen, wobei herkömmliche horizontale und vertikale Schwenks sowie Zoom-In und Zoom-Out vorherrschen. Die Kameraperspektive wurde mit zwei Ausnahmen203 durchgängig dekodiert. Von den 28 auf die Einstellungsperspektive hin transkribierten Bildern, sind acht aus der Normalsicht, fünf aus der Bauchsicht, je vier aus der Untersicht, Frosch- und Vogelperspektive und drei aus der Obersicht dargestellt. Fast parallel zur Kameraperspektive verläuft die Übertragung der Kameraeinstellung. Die Einstellungsgrössen aller Bilder konnten ausnahmslos in 36 Patterns festgehalten werden. In der Analyse dieser Muster tritt hervor, dass eine Mehrheit der Objekte im Bild durch Close-ups (nahe Einstellungen: acht Detailaufnahmen, sechs grosse, vier nahe und fünf halbnahe Einstellungen) aufgenommen und nur etwa ein Drittel durch Long-shots (totale Einstellungen: sieben Halbtotale, vier Totale und zwei Panorama) visualisiert wurden. 202 Die vorliegende Fallanalyse ist mit der Transkription des Werbespots Alfa Romeo Spider (2010) im Beiheft zu vergleichen. Diese Transkription wurde mithilfe eines Screen Recorders aufgenommen. Vgl. beigefügte DVD: Nr. 1, Screen Recording: trAVis-Transkription Projekt 472 Alfa Romeo Spider. 203 Die Bilder in den Abschnitten 07:07 bis 07:22 und 16:02 bis 17:07 konnten nicht identifiziert werden. In der Interpretation wird dennoch versucht, sie durch Vermutungen im Gesamtkonzept zu deuten. 47 Bei der Analyse des Dargestellten lassen sich die Bereiche weniger kategorial definieren. Was im Bild zu sehen ist, hängt von verschiedenen Merkmalen ab, deren Darstellungsmöglichkeit praktisch unendlich ist. Deshalb wird in der Einheit ‚Zusammenhänge‘ versucht, allgemeine Beziehungen der Objekte und Subjekte in fünf Abteilungen zu gruppieren und dadurch die Narration grob zu untergliedern. Das erste Pattern dauert etwa dreieinhalb Sekunden und ist mit „Vorhang auf!“ betitelt. Es beschreibt den Bildverlauf, in dem sich zuerst ein geschlossenes Augenlid öffnet, dann das Autodach aufgeklappt wird und zuletzt das Auto auf einer Art Podest präsentiert wird.204 Darauf folgt ein 25 Sekunden langes Pattern, das die mit allen Sinnen wahrgenommene Autofahrt kennzeichnet. Etwa bei Sekunde 33 kommt das Auto zum Stillstand und auf das nachfolgende Pattern wird der Scheinwerfer des Autos ausgeschaltet. Das letzte Bild illustriert schliesslich das Brandlogo von Alfa Romeo. Das zu bewerbende Auto ist ein rotes Cabriolet-Modell, das mal ganz, mal nur teilweise im Bild zu sehen ist. Die Darstellungsweise des Autos erscheint überwiegend in der Bilddiagonale. Zur Bewegung des Autos ist festzustellen, dass das Auto in den ersten 13 Sekunden mehrheitlich von rechts nach links im Bildrahmen fährt, dass es sich in der Dauer von 13:15 bis 15:07 Sekunden zur Kamera hin- und in der 31. Sekunde es sich von der Kamera fortbewegt und dass es im restlichen Werbespot überwiegend von links nach rechts fährt. Die jeweilige Fahrtrichtung und sonstigen Bewegungen des Autos sind in der Kodierungseinheit ‚Bewegung im Bild‘ beschrieben. Gerade an der Fahrtrichtung ist zu ermitteln, ob die montierte Narration chronologisch verläuft oder nicht. In den Sekunden 09:17 bis 12:12 beispielsweise sieht der Zuschauer das Auto um die Kurve nach rechts (im Bild von links nach rechts) einbiegen, ein harter Schnitt versetzt das Bild ins Innere des Autos, wo die Hände des Fahrers das Lenkrad nach rechts steuern, worauf man im nächsten Bild mit einem virtuellen Zoom-Out das Auto um die Kurve nach rechts fahren sieht. Die Bildfolge zeigt hier einen plausiblen Prozess der Fortbewegung mit dem Auto. Ein weiteres Beispiel, in der die Montage die Konnotation der Bildverläufe unterstützt, lässt sich in der 26. bis 29. Sekunde observieren. Der Rezipient erhält einen Blick auf eine Berglandschaft, woraufhin das Hinfahren an eine Bahn- 204 Die angedeutete Parallele zur Theaterwelt wird in der Interpretation weiter ausformuliert. 48 schranke mit der Kamera Richtung Schranke illustriert (die Kamera steht hinter dem Auto) wird und schliesslich durch einen weiteren Schnitt das wartende Auto vor der Schranke abgebildet wird (die Kamera steht vor dem Auto). Diese durch die Montage realisierten Konnotationen sind für die spätere dramaturgische Interpretation von Relevanz. Es gibt jedoch auch Montagen, bei denen die Sukzession der Bilder auf dem ersten Blick nicht assoziierbar ist. So lässt sich die Bildfolge in der 12. bis 18. Sekunde nicht auf Anhieb als eine narrativ strukturierte Sequenz erkennen. Nebst der Autofahrt sind weitere Bewegungen im Bild aus der Transkription zu entnehmen: Eine für die Dramaturgie des Werbespots wichtige Bewegung ist das Aufklappen des Autodachs in den Sekunden 04:04 bis 05:08, sowie das Ein- und Ausschalten der Autoscheinwerfer zu Beginn in der Sekunde 06:13 bis 07:07 und am Ende in der Sekunde 39:05 bis zur Sekunde 40:20. Eine weitere mechanisch erzeugte Bewegung im Bild findet man etwa in der 27. und 28. Sekunde, in denen die Bahnschranken geräuschvoll geschlossen werden. Naturgebundene Bewegungen hingegen sind in der Mitte des Spots festgehalten: In der 22. Sekunde weht der Wind durch den Löwenzahn, woraufhin der Zuschauer die Achäne davonfliegen sieht. Später, in der 26. Sekunde, zeigt das Bild im Zeitraffer die Bewegung einer Wolke am sonst strahlend blauen Himmel. Eine andere Art von Naturbewegung stellen die visuell rezipierbaren Körperregungen dar, die oft in direktem Zusammenhang mit der Kategorie der Sinne gekoppelt sind. Gleich beim ersten Bild in Sekunde 3 wird ein Augenlid geöffnet.205 In der Transkription wird von einem sehenden Auge ausgegangen, sodass es in der Kategorie der ‚Sinne‘ mit der Sinnwahrnehmung Sehen fixiert wurde. Dieses Auge erscheint später erneut in einer ähnlichen bewegten Darstellung in der 29. und 30. Sekunde. Mit dem festen Handgriff des Lenkrads kennzeichnen die Werbemacher den Sinn des Tastens. Dies ist die am meisten visualisierte Sinneswahrnehmung: Das Fühlen durch die Haut tritt später weitere drei Male in Erscheinung. Dazwischen aber, etwa in der Mitte des Werbespots, illustrieren die Bilder nahe beieinander die Sinne des Riechens durch die Darstellung der Nase (21:19–22:15 Sekunden) und des Hörens durch die Ab- 205 Dieser Werbespot hat einen zwei Sekunden langen abgedunkelten Vorspann. 49 bildung des linken Ohrs (24:09–25:00 Sekunden). Im Gesamten ist zu konstatieren, dass die fünfte Sinneswahrnehmung, das Schmecken, fehlt. Dennoch nehmen die Darstellungen der Sinne grossen Raum ein, zumal sie die Settings der Bildabfolge voneinander trennen. Fast kontinuierlich erscheint nach einem Bild, das ein Körperteil visualisiert, ein anderes Szenario. Das Setting des Werbespots beginnt und endet mit unterschiedlichen Autoparkplätzen. Das erste Setting zeigt das Auto auf einem rostroten Platz. Im Hintergrund mehren sich dunkelgraue Wolken, die auf ein Gewitter hindeuten. Der Hintergrund am Horizont ist vor allem auf der rechten Seite mystisch verschwommen, womit die Frage nach einer misslungenen Retusche aufkommt. Auf dieses Szenario folgt das Bild einer weiten Landschaft, worauf im hinteren Teil zwei Baumgruppen und eine Hügelkette zu erkennen sind. Die Strasse, auf der das Auto fährt, wirbelt Staub auf. Die Vermutung einer Sand- oder Kiesstrasse liegt nahe. Die Sonne schimmert weiss-gelb-orange am Horizont, sodass die Tageszeit auf den frühen Morgen festzulegen ist. Die nächste Landschaft zeigt eine saubere Teerstrasse, die sich durch die felsige Berglandschaft in Kurven schlängelt. Der nun wolkenlose, azurblaue Himmel und der gegen die rechte Seite abfallende Schatten demonstrieren, dass sich die Sonne auf der linken Seite ausserhalb des Bildrahmens befindet. Die Tageszeit scheint fortgeschritten. Darauf folgen zwei Settings auf Strassen, bei denen der Schatten eher auf die rechte Seite fällt und die Sonne einen warmen gelb-orangen Farbton absondert – wieder ist also Zeit vergangen, nun leuchtet die Nachmittagssonne. Bei diesen Bildern ist die Umgebung durch die nahen Einstellungsgrössen kaum erkennbar. Die einzigen sichtbaren Merkmale dieser Teerstrasse sind der gelbe Seitenstreifen und der doppelte weisse Fahrstreifenbegrenzung in der Mitte der Fahrbahn sowie einige Gräser und Gebüsche am Rande der Strasse. Die beiden Settings sind von einer Einstellung getrennt, in der man die ausgestreckte Hand des Fahrers vor dem Hintergrund einer grossen Baumkrone sieht. In der folgenden Sequenz fährt das rote Auto durch ein Getreidefeld, das aus unterschiedlichen Perspektiven (Vogelperspektive und Bauchsicht) und mit verschiedenen Einstellungsgrössen (Panorama, Detail, Totale) dargestellt wird. Auf dieses Setting folgt ein Bild, das eine untere Gesichtshälfte vor einem dunkelgrünen Hintergrund illustriert. In den nächsten Bildfolgen befindet sich das Geschehen zuerst vor und dann in einem Strassentunnel. Gerade in dieser Se50 quenz sind die erklingenden Motor- und Strassengeräusche markant hörbar. Nachdem das Auto aus dem Tunnel fährt, befindet es sich in einer sandigen Berglandschaft. Das Auto kommt in diesem Setting etwa in der 29. Sekunde vor einer Bahnschranke mit einem Stop-Zeichen, das in der Kodierungseinheit ‚Schrift im Bild‘ markiert wurde, zum Stillstand. Im nächsten Szenario befindet sich das Auto erneut auf einer geteerten Strasse mit jeweils einem gelben Streifen am Rand und weissen Markierungen in der Mitte der Fahrbahn. Schliesslich kommt das Auto vor einem Bungalow-artigen Haus an, das von einem sauberen Vorplatz mit gepflasterter Einfahrt und grüner Rasenfläche umgeben ist. Auf dieser Einfahrt kommt das Auto vollständig zum Stillstand. Im Vergleich zum ersten Bild, in dem das Fahrzeug parkiert ist (05:08–06:13 Sekunden) und es leicht in der Diagonale dem Horizont zugewandt ist, wird der Wagen am Schluss in einem ähnlichen Winkel zur Kamera hin gedreht dargestellt. Beim weggedrehten Auto am Anfang des Werbespots ist die Türe einladend offen und der Fahrersitz noch leer. Beim zur Kamera hingedrehten Auto am Ende des Werbespots befindet sich der Fahrer im Auto und bleibt mit geschlossenen Türen sitzen. Die Scheinwerferlichter werden ausgeschaltet und die weisse Schrift auf dem dunklen Hintergrundbild „until tomorrow...“206 wird eingeblendet. Eine etwa zwölf Millisekunden andauernde Überblende wechselt das Bild zum Logo von Alfa Romeo, worunter der Slogan „The new Alfa Spider“207 steht. Auffällig in diesem Bildverlauf ist die typografische Diskrepanz der eingeblendeten Schrift: Während „until tomorrow...“ kursiv am linken unteren Bildrand steht, ist das Logo zentriert im Bild und mit einer komplett anderen Typografie eingeblendet. Zum letzten Autobild sind auf der Tonebene Windgeräusche zu hören. Diese Windgeräusche werden des Öfteren wiederholt: Etwa die Hälfte der 14 transkribierten Geräusche sind dem Wind zuzuschreiben. Die Kausalität dieser Windgeräusche ist durch die Autofahrt verursacht, womit eine direkte Verbindung zum Werbeprodukt geschaffen wird. Auch die restlichen Geräusche sind mit einer Ausnahme dem Auto zuzuordnen: Zu Beginn des Werbespots erklingt durch zwei im Takt mitgehende Schläge das Einschalten der Autoscheinwerfer, daraufhin sind Autofahrgeräusche auf dem Asphalt zu hören und während das 206 207 Die Schrift bedeutet übersetzt: „Bis morgen“. Der Slogan bedeutet übersetzt: „Der neue Alfa Spider“. 51 Auto durch den Strassentunnel fährt, sind zusätzliche Motorgeräusche zu vernehmen. Die Motorgeräusche verstärken auditiv den optischen Moment des Anhaltens an der Bahnschranke sowie auf dem Parkplatz vor dem Haus. Die oben angedeutete Ausnahme bildet das Geräusch zur Schliessung der Bahnschranke von der Sekunde 26:23 bis zur Sekunde 29:06. Die Konnotation zum Wind lässt sich auch auf der Textebene wiederfinden. Hier singen die Contessa und Susanna die Arie Sull’aria ... che soave zeffiretto208 aus Wolfgang Amadeus Mozarts Opera buffa Le Nozze di Figaro, was soviel bedeutet wie: In der Luft, was für eine zarte Brise. Die Arie ist im 6/8-Takt komponiert und erfasst in der Interpretation des Werbespots ein Tempo von 62.2 BpM209. Der kurze von Susanna gesungene Vers „Sull’aria“210 eröffnet das Duett in der achten Sekunde und erstreckt sich fast über drei Sekunden im Werbespot. Nach einer kurzen Verschnaufpause folgt der Einsatz der Contessa mit „che soave zeffiretto“211, der bis über die 20. Sekunde des Spots fortwährt. Die Wiederholung des „zeffiretto“212 durch Susanna lässt fünf Sekunden auf sich warten, doch erklingt es dann über fast zwei volle Takte. Eine Achtelpause darauf vervollständigt die Contessa schliesslich den Vers mit „Questa sera spirerà“213 und beendet damit die im Bild ersichtliche Autofahrt. Eine funktionsharmonische Analyse bringt hervor, dass diese musikalischen Verse durchgängig im ständigen Wechsel von der Tonika (B-Dur) zur Dominante (F-Dur) und zurück zur Tonika (B-Dur). Die Partitur des Duetts, welche sich über 14 Takte erstreckt, wurde für die Transkription dreigeteilt. In der ‚Partitur 1‘ zeigt die Akkolade die Komposition für die Oboen und Fagotten, zumal ihre musikalischen Bewegungen im Intervall einer Oktave parallel verlaufen. Die langsame Aufwärtsbewegung, beginnend mit einer punktierten Viertelnote auf B (B,)214 und der im selben Takt folgenden punktierten Viertelnote auf c (C), erreicht mit einer kurzen Abwärtsbewegung in die grosse Terz von d (D) nach B (B,) schliesslich in der Mitte des 208 Vgl. beigefügte DVD: Nr. 2, Spotmusik Alfa Romeo Spider (2010). BpM steht für ‚Beats per minute‘ (= Schläge pro Minute). 210 Der Vers bedeutet übersetzt: „In der Luft“. 211 Der Vers bedeutet übersetzt: „Was für eine leichte Brise“. 212 Das Wort bedeutet übersetzt: „Brise“, oder wörtlich: „Zephir“. 213 Der Vers bedeutet übersetzt: „Wird er/sie heute Abend atmen“. 214 In der vorliegenden musikalischen Inhaltsanalyse werden die in der trAVis-Transkription benutzten Notenbezeichnungen für die musikalische Beschreibung angewendet. In der ersten Akkolade wird die Stimme der Oboen ohne Klammern und die tiefer liegende Stimme der Fagotte mit Klammern markiert. 209 52 zweiten Taktes ihren Höhepunkt auf f (F). Von da an fällt die Melodie in der Terzfolge e-c-A (E-C-A), steigt für einen kurzen Moment hoch nach B-d-B (B,D-B,), um schliesslich im zweiten Abschnitt des dritten Taktes auf dem tiefer gelegenen F (F,) zu landen. Nach drei Takten Pause erklingen die inversen Bewegungen c-e-c-F (C-E-C-F,) konkav und f-d-f-b (F-D-F-D)215 konvex. Während erstere die musikalische Geste der im sechsten Takt gesungenen Melodie imitiert, eröffnet zweitere den Anschluss zum nächsten gesungenen Vers. In den nächsten eineinhalb Takten ahmen die Fagotte und Oboen die Bewegung der Violen und Celli nach, bis sie für drei weitere Takte verstummen. Bevor die Tonebene mit einem Decrescendo langsam dem Ende hin abgestellt wird, beginnen die Fagotte und Oboen eine erneute Aufwärtsbewegung von G nach AB (G,-A,-B,). In der ‚Partitur 2‘ fliessen die Streicher in einer gleichmässig harmonischen Begleitbewegung, wobei die ersten und zweiten Violinen den rhythmischen Schwung in Achtelnoten bis zum Schluss bewahren und die Celli sowie die Violen jeweils den 6/8-Takt auf den ersten und den vierten Schlag hervorheben. Die darüber erklingende Melodie steht in der Transkription zuunterst in der ‚Partitur 3‘. Mit einem Auftakt beginnt die Sopranistin im Kleide der Susanna den Vers „Sull’aria“ in einer sich abwärtsbewegenden Terzfolge f-d-B zu singen. In Takt 4 führt die Altistin im Mantel der Contessa die Zeile „che soave zeffiretto“ fort und imitiert die anfängliche Melodie der Fagotte und Oboen: Beginnend mit B in der punktierten Viertelnote bis hin nach oben zum f, um schliesslich auf dem tiefen F zu landen. Lediglich die dynamische Gestik hat sich hier im Vergleich verändert. Während es sich bei den Fagotten und Oboen noch um eine ganzheitliche, durch einen langen Bindestrich verbundene Bewegung handelt, erscheint nun die Melodie im Alt durch die rhythmisch getrennte Dreierstruktur mit zwei verbundenen Achteln und einer getrennten Achtel fast als StaccatoForm. Zwei Takte später erklingt erneut die Stimme der Susanna. Sie setzt auf dem hohen e ein und endet ihre Phrase mit einem langen Legato-Bogen auf dem c. An diesem Punkt treffen sich die beiden Stimmen, denn die Contessa setzt gleich im elften Takt auf diesem c ein und singt ihre Phrase erneut in der Staccato klingenden Form. 215 An dieser Stelle geht die Stimme der Fagotte nach D anstatt nach B. 53 Die über die Partitur gelegten Geräusche sind so arrangiert, dass sie entweder am Ende einer musikalischen Phrase sowie in der Mitte oder am Ende eines Taktes erklingen, oder so, dass sie die melodische Lücke in den Pausen füllen. Im Gegensatz dazu ist die nicht mit der Tonebene beziehungsweise mit dem musikalischen Rhythmus übereinstimmende Bildmontage auffällig. Die Bildfolge entsteht unabhängig vom Taktgefühl der Musik. Deutlich zeigt dies vor allem der Anfang der Transkription: Die Bildebene beginnt auf den Schlag der dritten Sekunde des Spots, die Tonebene hingegen erst auf die Sekunde 03:20. Dieses verzerrte Abbild bleibt über den gesamten Werbespot bestehen, wobei die Bildebene für sich bleibt und die Text- und Tonebene eine Einheit bilden. Als verbindendes Glied zwischen den Fronten erweist sich die in der Kodierungseinheit ‚Bewegung im Bild‘ festgehaltenen Regungen in Relation zu den begleitenden Streicher-Floskeln in der kontinuierlichen Achtelgestik. Die sinnbehaftete Analyse dieser und weiterer Relationen und Konnotationen erfolgen im Kapitel 4.3.1 Die doppelte Verführung: Alfa Romeo Spider (2010). 4.2.2 Fallanalyse des Werbespots Lexus NX TVC (2014) Bei der zweiten Fallanalyse handelt es sich um den Analysegegenstand Lexus NX TVC,216 einem Werbespot aus dem Jahr 2014, der insgesamt 01:01:11 Minuten dauert. In dieser Zeitspanne sind 34 Screenshots festgehalten. Von den insgesamt 38217 Bildverläufen, die der Werbespot beinhaltet, konnten somit fast alle mit Momentaufnahmen in der Transkription fixiert werden. Die Bildverläufe sind durch 36 klare Schnitte und eine Überblendung getrennt und zusammen montiert. Was in den Bildverläufen dargestellt ist, zeigt sich in den Kodierungseinheiten ‚Zusammenhänge‘, ‚Auto‘, ‚Fahrer‘, ‚Musiker‘, ‚Setting‘, ‚Bewegung im Bild‘ und ‚Schrift im Bild‘. Das Darstellende hingegen ist, wie auch schon bei der ersten Fallanalyse, durch die drei Kameramittel ‚Kamerabewegung‘, ‚Kameraperspektive‘ und ‚Kameraeinstellung‘ kodiert. Ähnlich wie bei der letzten Fallanalyse wird nun auch hier mit der Deskription des Darstellenden begonnen. 216 Die vorliegende Fallanalyse ist mit der Transkription des Werbespots Lexus NX TVC (2014) im Beiheft zu vergleichen. Diese Transkription wurde mithilfe eines Screen Recorders aufgenommen. Vgl. beigefügte DVD: Nr. 4, Screen Recording: trAVis-Transkription Projekt 464 Lexus NX TVC. 217 Das erste, noch schwarze Bild im Analysegegenstand wird in den Bildverläufen und der Anzahl Montageschnitte mitgezählt. 54 Im Bereich der Kamerabewegung sind 18 Patterns zu beschreiben. Die Kamera bewegt sich hier überwiegend im horizontalen Schwenk (fünf Male) und wird oft am fahrenden Werbeobjekt fixiert oder nimmt die Bilder in einer eigenen Fahrt auf (je vier Mal). Zwei Mal sind Mehrfachbewegungen zu konstatieren, wobei es sich hier einmal um einen Schwenk nach rechts und einen Zoom-In handelt, und einmal um die simultane Bewegung einer Fahrt und einen Schwenk nach oben. Ein einzelner vertikaler Schwenk ist kurz in der 26. Sekunde zu observieren. Gegen Ende des Werbespots wird die Kamera schliesslich noch in einem Zoom-Out und einer Fahrt mit dem Kran bewegt. Die Kameraperspektive und die Kameraeinstellungen konnten durchgängig bis zum Erscheinen des Logos am Schluss mit Patterns fixiert werden. Die Objekte und Figuren stehen im Verhältnis zur Kameralupe am häufigsten in der Normalsicht (sieben an der Zahl). Diese mehrfach angewendete Kameraperspektive ist fast genauso oft durch die Bauchsicht substituiert. Zusätzlich sind die Bilder in drei Obersichten und drei Untersichten, zwei Froschperspektiven und eine Vogelperspektive dargestellt. Bei den Einstellungsgrössen fällt auf, dass die Bilder mit divergierenden Grössenverhältnissen zueinander stehen: Sieben Totale stehen acht nahen und zwei grossen Einstellungen gegenüber, und fünf halbtotale wechseln sich mit sechs halbnahen Einstellungen ab. Zum Schluss präsentieren die Werbeproduzenten das Auto in einer Panoramasicht. Die Zusammenhänge in der Narration überschreiten inhaltlich die Bildebene. Sie verbinden die musikalisch-rhythmische Geschichte mit der dargestellten Narration in der Weise, dass ein langes erstes Pattern in der Kategorie der Zusammenhänge verdeutlicht, wie die Bewegungen im Bild zusammen mit dem musikalischen Tempo verlaufen. In der 36. Sekunde ereignet sich eine für die gesamte Analyse wichtige Begebenheit: Die im Auto sitzenden Musiker werden vom Fahrer nach draussen zitiert. Das nächste Pattern, der die Narration zusammenhält, ist mit „fröhliche Weiterfahrt“ betitelt, denn lächelnd fährt der Fahrer weiter. Die Musiker rennen derweil dem Auto hinterher, was durch das nächste Pattern festgehalten wird. In der folgenden Sequenz ist das Auto in einer abfallenden freien Landschaft zu sehen, weshalb die Konnotation zum freien unabhängigen und modernen Auto naheliegt. Das letzte Pattern zeigt schliesslich das Brandlogo von Lexus. 55 Beim Werbeprodukt handelt es sich um einen weissen Lexus NX TVC, dessen Innenausstattung in dunkelroter, grauer und schwarzer Farbe gehalten ist. Das Auto ist im Werbespot praktisch omnipräsent. Lediglich in etwa sechs Sekunden (Vor- und Nachspann inklusive) beinhalten die Werbebilder andere Objekte. In der übrigen Zeit stellen die Werbetreibenden das Auto in allen möglichen Varianten dar, zeigen die Innen- und Aussenfassade von allen Seiten und Winkeln, sodass immer mindestens ein Teil des Autos irgendwo im Bild erscheint. Die Autofahrten sind in der Kodierungseinheit ‚Bewegung im Bild‘ festgehalten. Um das Auto in seiner gesamten Pracht vorzustellen, wird die Autofahrt entsprechend vielfältig dargestellt. Soll das Auto seitlich von vorne visualisiert werden, so fährt es im Bild diagonal (beispielsweise in den Sekunden 12:12 bis 14:12). Eine rein seitliche Sicht auf das Auto hingegen ergibt eine quere Fahrtbewegung durch das Bild, wie es in den Sekunden 14:13 bis 16:21 zu beobachten ist. Soll das Auto von vorne betrachtet werden, so rollt es frontal auf die Kamera zu (ersichtlich in den Sekunden 03:07 bis 05:08). Ist das Auto hingegen von hinten zu sehen, bewegt es sich längs von der Kamera weg. Wer das Auto fährt, wird erstmals nach dem ersten Drittel des Werbespots für den Zuschauer ersichtlich. Im ersten Auftritt des Fahrers ist er durch die Frontscheibe des Autos sichtbar. Die Einstellung ermöglicht lediglich das Gesicht und die Mimik zu rezipieren. Während der Fahrer in der ersten Sequenz in den Sekunden 19:06 bis 21:22 ziemlich ruhig nach vorne und in den mittleren Rückspiegel schaut, wirkt der Blick in der zweiten Sequenz eher ungeduldig. Die leicht nach links neigende Kopfbewegung unterstreicht diesen Zustand. Klar sichtbar ist der Fahrer in diesen zwei Sequenzen nicht, da die Frontscheibe die Naturumgebung wie einen Spiegel reflektiert, womit sich das Innere des Autos und die Umgebung in einer Abbildung vermischen. Erst in der nächsten Sequenz ist der Fahrer klar definierbar: Ein junger gepflegter Mann, etwa Mitte 30, blond mit blauen Augen. Farblich steht er mit seinem blauen Hemd im Kontrast zu den roten Autosesseln. Der Fahrer sitzt auf der rechten Seite des Autos, was darauf hinweist, dass es sich um eine britische Werbung handelt. In dieser Sequenz, kurz vor der 29. Sekunde, dreht sich der Fahrer, noch immer angeschnallt, zum Rücksitz nach hinten. Mit einem harten Schnitt wechselt das Bild zum Rücksitz. Hier sitzen drei bejahrte Musiker, zwei Geiger und ein Cellist, mit ihren Instrumenten in 56 Aktion. In eleganter Robe lächeln sie dem Fahrer zu und bespielen ihn mit Mozart’schen Klängen. Diese Sequenz dauert nur etwa zwei Sekunden. Mit einem weiteren harten Schnitt geht der Kamerablick zurück zum Fahrer, der mit einer bestimmten Kopfbewegung die Musiker auffordert, aus dem Wagen auszusteigen. In der nächsten Bildfolge bleiben die Musiker jedoch sitzen und spielen ihr Musikstück weiter, bis der Fahrer die rechte Rücksitztüre öffnet und sie behutsam nach aussen befördert. Versetzt hört das Trio mit dem Musizieren auf. Als die Musiker jedoch schliesslich vor dem Auto stehen, spielen sie gleich weiter. Währenddessen schliesst der Fahrer die Rücksitztüre und läuft einmal um das Auto herum zur Fahrertüre. Währenddessen verfolgen die Musiker den Fahrer mit dem Blick, bleiben jedoch an derselben Stelle stehen. Selbst als der Fahrer sich ins Auto setzt und sich anschnallt, versuchen die Musiker, den Blickkontakt zu ihm zu wahren, beugen sich gegen das Beifahrerfenster hin und spielen munter weiter. Dieses gesamte Geschehen ist ab Sekunde 34:06 bis 45:13 in sieben Sequenzen aufgeteilt. In der nächsten Sequenz sieht man den Fahrer in der Mitte des Autokorpus einen Knopf mit seinem linken Zeigefinger drücken. Das Trio spielt ausserhalb des Autos weiter, nun aber mit perplexem Gesichtsausdruck. Sobald das Auto losfährt, richten sich die Musiker auf, spielen weiter und rennen dem Auto hinterher. Nach dem nächsten Montageschnitt sieht man den Fahrer aus der seitlichen Perspektive lächelnd im Auto davonfahren. Dies ist das letzte Bild, welches der Zuschauer von ihm hat. Denn anschliessend sieht man das hinter dem Auto rennende Trio erneut; diesmal aus einer anderen Perspektive, als würde der Zuschauer nun auf dem Rücksitz sitzen und nach hinten auf die Strasse schauen. Es scheint, als ob sie weiter spielen würden. Akustisch ist es jedoch nicht mehr zu vernehmen. Das Auto fährt mit einer anderen Akustik und einem lächelnden Fahrer den Musikern davon. Bevor der Werbespot zum Logo überblendet, visualisieren die Werbetreibenden den weissen Lexus NX TVC in einer neuen Umgebung. Das Setting des Werbespots ist grob mit „im Wald“ und „ausserhalb des Waldes“ einzuteilen. Bei genauerer Beobachtung lassen sich weitere sechs Waldszenarien unterscheiden. Szenario 1 kommt lediglich am Anfang des Werbespots ab Sekunde 01:00 bis 06:13 vor. Es zeigt eine Allee in einem dunklen Wald und eine Strasse, die mit herbstlichem Laub übersät ist. Das zweite Szenario erscheint ebenfalls einmalig direkt im Anschluss im Übergang zur siebten 57 Sekunde. Aus der Froschperspektive schimmert hier die Sonne durch die Baumkronen hervor. Im Innern des Waldes angekommen, erscheint das dritte Szenario (07:11–12:12 Sekunden). Hier ist die Strasse geputzt, das Laub häuft sich am Strassenrand und auf beiden Seiten der Fahrbahn erstreckt sich ein dünner Streifen mit Rasen. Das vierte Szenario ist dem dritten sehr ähnlich, doch fehlt bei diesem jede Spur vom herbstlichen Laub. Die Strassen und die umliegenden Wiesenstücke sind sauber. Dieses vierte Szenario taucht vier Mal auf: in der 13. bis 14. Sekunde, dann 10 Sekunden später nochmals und schliesslich von der Sekunde 26:09 bis zur Sekunde 53:04. Durch seine Länge kann dieses Szenario als Hauptsetting des Werbespots bestimmt werden. Die fünfte Waldumgebung, durch die das Werbeprodukt fährt, ist dadurch charakterisiert, dass die kleine Wiese auf der einen Seite der Strasse durch einen Zaun abgetrennt wird. Auf der anderen Seite der mit Laub gefüllten Strasse befindet sich hingegen Wald (etwa in der 15. und 20. Sekunde). Das letzte Szenario im Wald bildet einen herbstlichen Wald auf beiden Fahrbahnseiten und eine mit Laubblättern befallene Strasse ab. Diese Laubblätter werden von den fahrenden Autoreifen aufgewirbelt und im Zeitraffer besonders markant inszeniert. Ausserhalb vom Wald hingegen erscheint eine hügelige Landschaft mit sauberen Strassen. In der Abbildung dieser Landschaft ist auffällig, dass kein Wald im Hintergrund ersichtlich ist, wodurch die Sukzession des Bildablaufs vor und nach der 53. Sekunde nicht auf Anhieb logisch erscheint. In der neuen Landschaft erscheint im Bild die weisse Aufschrift „The new NX“218, wobei das ‚NX‘ typographisch fett hervorgehoben ist. Diese Schrift wird von einer Reihe gleich beginnender Sätze aus der männlichen Off-Stimme begleitet. Von der 49. zur 51. Sekunde hört man diese „This is the new lexus“219 sagen. Während die Aufschrift im Bild erscheint, folgt ihr Aufruf mit „This is the new NX Crossover“220. In der Überblende zum Logo endet die Off-Voice seine Botschaft mit dem Satz „This is the pursuit of perfection“221. Auffällig ist bei diesen Werbesätzen die wiederholende Anapher: Sie beginnen drei Mal gleich mit „This is the...“ und ihre Silbenanzahl steigt pro Satz kontinuierlich. Daraufhin folgt das Logo am Ende der Werbung mit einer ähnlichen Typographie, die vorhin im Bild ange218 Die Aufschrift bedeutet übersetzt: „Das neue NX“. Der Satz bedeutet übersetzt: „Das ist der neue Lexus“. 220 Der Satz bedeutet übersetzt: „Das ist der neue NX Crossover“. 221 Der Satz bedeutet übersetzt: „Das ist das Streben nach Perfektion.“ 219 58 wendet wurde: Vor einem schwarzen Hintergrund steht das Logo und das Wort „LEXUS“ in weisser Schrift und Grossbuchstaben. Wie ein kleiner Untertitel, doch in grossen Lettern wird darunter die aufgesagte Mitteilung klein visualisiert: „THE PERSUIT OF PERFECTION“222. Im Gegensatz zur vorherigen Fallanalyse gibt es hier nur wenige und vor allem auf eine Filmsequenz konzentrierte Geräusche. Der erste musikfremde Klang gehört zum Auto, als es in der 27. Sekunde am linken Bildrand anfährt. Der Zuschauer hört, wie der Wagen an den Strassenrand, wo sich das Laub häuft, heranfährt. Visualisiert wird diese Akustik durch das Linksblinken und durch das Anhalten am linken Strassenrand. Weitere Geräusche, bei dem das Auto involviert ist, sind das Öffnen und Schliessen der Autotüren zwischen der 36. und der 44. Sekunde sowie das Anschnallen im Auto in der Sekunde 43:24 bis etwa zur 45. Sekunde. Beim Ein- und Aussteigen aus dem Wagen sind zudem Schritte zu hören, die ebenfalls durch zwei Patterns markiert wurden. Zu den Geräuschen gehören zudem die zwar zur Musik gehörigen, jedoch aufgrund der verwirrten Musiker resultierenden eher schräg klingenden Einzel- und Resttöne. Musikalisch wird der Werbespot vom Andante-Satz aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 (KV 467) begleitet.223 Das Stück steht im 4/4-Takt und läuft im Tempo 92.0 BpM ab. Aus der Transkription ist zu entnehmen, dass die verwendete Spotmusik nicht nur betreffend Tempo, sondern im Allgemeinen von der originalen Version abweicht. So werden etwa die im Original für die dynamische Spannung verwendeten Septakkorde in der Werbemusik als reine Akkorde simplifiziert. Folgerichtig tritt im 4. Takt anstelle eines Dominantseptakkords die einfache fünfte Stufe; die Takte 7 und 8 werden nicht mehr durch einen Tonikaund einem Tonikaseptakkord gesteigert, sondern die Harmonie bleibt über beide Takte auf F-Dur liegen. Diese harmonische Änderung ist vor allem auf die Weglassung der Stimmen der Bläser zurückzuführen. Doch nicht nur diese Omission, sondern auch das Fehlen mindestens zweier Streicher-Stimmen beeinflusst die Harmonik. Die Werbemusik reduziert den Orchesterklang somit auf den eines Trios: erste Violine, zweite Violine und Cello. Die Melodie in der ersten Geige entspricht mit Ausnahme weniger rhythmischer Abweichungen (bei222 223 Die Schrift bedeutet übersetzt: „Das Streben nach Perfektion.“ Vgl. beigefügte DVD: Nr. 5, Spotmusik Lexus NX TVC (2014). 59 spielsweise in Takt 12) dem Original. Die melodische und rhythmische Bewegung der Cello-Stimme ist in beiden Fassungen analog. Nur die Stimme der zweiten Geige und der Violen erscheinen im Werbespot verändert. Die Werbemelodie der zweiten Geige wechselt ihren Tonus im Raum der Violen und der zweiten Violine aus dem Original: Während sie in den ersten Takten den Basston der Viola oktaviert übernimmt, ändert sie in Takt 4 ihren Ton nach C, ihrer eigentlichen Stimme in der Originalpartitur. Die zweite Geige fungiert also als zusammenfassende Begleitstimme. Nachdem die Musik in Takt 14 pausiert, wird die Melodie wieder in Takt 16 für die Dauer zweier Takte aufgenommen. Die Ansätze der Werbemusik ähneln in diesen zwei Takten dem Original, doch sind sie hier aufgrund einer tonalen Omission in der ersten Violine in Takt 16 auch rhythmisch abgeändert. Die Auslassung betrifft aber nicht nur einen Ton, sondern das gesamte System der Violen und Celli. Nach einem Sekund-Abfall von g über f-e-d-c nach B beenden die klassischen Musiker ihren Auftritt in Takt 17. Eine Sekunde später, in der 46. Sekunde, erklingt sodann der konträre Offbeat aus dem Auto, als der Zeigefinger des Fahrers auf den Knopf im Autokorpus drückt. Dieser gleichmässig rhythmische Sound begleitet das Auto aus dem Waldsetting hinaus bis zum Ende der Werbung. Die präsentierte Tonebene ist durch sieben rote Markierungen224 in der Vertikalen unterteilt. Sie heben wichtige klangliche Momente hervor, bei denen sich der Bezug zum Bild als interessant erweist. Sie markieren erweiternd zur Transkriptionseinheit ‚Zusammenhänge‘ narrative Schnittstellen, und gliedern die Werbeerzählung in acht225 Einheiten. Der Anfang dauert etwa 18 Sekunden. In diesem Abschnitt wird das Werbeprodukt szenisch und durch einen musikalischen Triolenteppich eingeführt. Auf dieser Basis spielt die erste Violine das erste Thema an, das sich über zwei Dreitaktgruppen hinzieht. In Takt 8 und Takt 10 kennzeichnen die roten Markierungen höchst expressive Momente durch die Sequenz eines langen hohen Tons und dem direkten Übergang zur tiefen Septdezime. Beim ersten hohen C’’ in Takt 8 sieht man den Fahrer zum 224 Aufgrund der nicht funktionierenden Synchronisation der Transkriptionsebenen ist das parallele Klanggeschehen zum Bild in diesen Markierungen nicht ersichtlich. 225 Anfang (00:00–19:20 Sekunden), Mittelteil (19:20–25:01 Sekunden / 25:01–29:15 Sekunden / 29:15– 35:11 Sekunden / 35:11–38:04 Sekunden / 38:04–39:05 Sekunden / 39:05–45:22 Sekunden / 45:22–46:03 Sekunden) und Schluss (46:03–01:01:01 Minute). 60 ersten Mal im Bild erscheinen. Durch die Frontscheibe hindurch lässt sich erkennen, wie er in diesem Moment in den Rückspiegel schaut. Diese Abfolge wiederholt sich zwei Takte später: Als die Violine in Takt 10 das hohe D’’ erreicht, folgt dasselbe Bild mit dem Fahrer, diesmal aber mit einem genervten Blick und einer ungeduldigen Kopfbewegung. Daraufhin fährt der Fahrer links an den Strassenrand und blickt nach hinten zum Rücksitz. Auf den dritten Schlag des 11. Taktes folgt die nächste rote Markierung. Diese hebt einerseits die vorangehende Doppeloktave von C nach C’’, andererseits kennzeichnet sie die Bildsequenz, in der die Musiker zum ersten Mal sichtbar sind. Abrupt hören sie nach dem 13. Takt auf zu musizieren, weil der Fahrer ihnen mit einer Kopfbewegung zu verstehen gibt, dass sie aussteigen sollen. Dieses Ereignis ist mit einer weiteren roten Linie hervorgehoben. Beim Aussteigen der Musiker aus dem Auto folgen zwei nahe beieinanderliegende Markierungen. Die erste kennzeichnet den Augenblick, in dem die Geräusche – die Schritte des Cellisten – besonders hervordringen; die zweite Linie hingegen markiert jenen Moment, in dem das Trio asynchron und nicht die richtigen Töne treffend das Musizieren fortsetzt. Erst ab Takt 16 spielen die Violinen wieder synchron im richtigen Takt.226 Doch das Musizieren des Trios findet zwei Takte später nach einer abwärts verlaufenden Melodie in der ersten Violine ein Ende. Während das Trio den Fahrer mit Blicken begleitet, ihn ausserhalb des Fahrzeuges verfolgt, setzt sich der Fahrer zurück ans Steuer und lässt die klassischen Musiker hinter sich weiterspielen. Nur ein paar Millisekunden später schaltet er mit einem Knopfdruck einen Offbeat, der aus dem Innern des Autos erschallt, ein. All diese Szenen haben darstellende Komponenten gemein: Es fällt auf, dass die Normalperspektive im Bild vorherrscht, die Bilder entweder in der nahen, halbnahen oder halbtotalen Einstellungsgrössen illustriert sind und dass die Kamera entweder am fahrenden Objekt fixiert ist oder sich als Standkamera nicht bewegt. Dank der roten Markierungen fällt zudem die Angleichung der Montageund Taktleiste auf, sodass die Akustik und das Optische – trotz späterem Einsatz der Musik – zeitlich harmonieren. 226 Das Cello spielt an dieser Stelle im richtigen Rhythmus komplett falsche Töne, sodass diese aus akustischen Gründen nicht in die Transkription verschriftlicht werden konnten. 61 4.3 Interpretation zur Nutzung klassischer Musik im Werbespot Wie Jost et al. im einleitenden Zitat zum vierten Kapitel anmerken, schafft ein audiovisuelles Medienprodukt nicht einen Sinn als Endprodukt, sondern es erzeugt im Kommunikationsprozess einen Sinn, dessen Bestandteile nicht alle in einer Transkription verschriftlicht werden können.227 Im Prozess des Vermittlungsaktes werden nämlich kontextuelle Bedeutungen (nach Cook: aktualisierte Bedeutungen) hervorgebracht, die in Korrelation mit der potentiellen, übertragbaren Bedeutung gesetzt werden muss.228 Im Bereich der Musikanalyse unterscheidet Simon Obert deshalb den zugänglichen Text, also die Partitur, von dem über die Akustik vernehmbaren Kontext. Dieser Kontext ist wiederum zweigeteilt, denn zum einen hat die erklingende Musik aus historischer Sicht einen eigenen Kontext, zum anderen erfährt jeder einzelne Rezipient je nach soziodemographischer Eigenschaft eine andere kontextuelle Bedeutung.229 Um die Untersuchung der Benutzung klassischer Musik in der audiovisuellen Werbekommunikation zu komplettieren, werden in einem weiteren Schritt die quantitativen Ergebnisse mit qualitativem Wissen und interpretatorischer Bedeutung ergänzt. Da der Fokus der Interpretation auf der Musik liegt, sind zunächst vor allem die musikhistorischen Hintergründe der benutzten Musikstücke zu eruieren. Daraufhin können diese mit den in der Inhaltsanalyse ergründeten Erkenntnissen diskursiv verglichen und aufeinander bezogen werden. So folgen die Deutungen zu den Inhaltsanalysen mit den Titeln Die doppelte Verführung: Alfa Romeo Spider (2010) im Unterkapitel 4.3.1 und Das narrative Crossover: Lexus NX TVX (2014) im Unterkapitel 4.3.2. 4.3.1 Die doppelte Verführung: Alfa Romeo Spider (2010) Im Werbespot Alfa Romeo Spider aus dem Jahr 2010 erklingt, wie bereits erwähnt, Mozarts Arie Sull’Aria (III, Nr. 20, in B-Dur)230 aus der Oper Le nozze di Figaro, die nach etwa einem Jahr Realisierung am 1. Mai 1786 im Wiener Hof227 Vgl. Jost et al. (2013): S. 157. Vgl. Cook (2007): S. 109. 229 Vgl. Obert, Simon: Komplexitäten und Reduktionen. Zu einigen Prämissen der Popmusikanalyse. In: Black Box Pop. Analysen populärer Musik. Hrg. von Dietrich Helms und Thomas Phleps. Bielefeld: transcript, 2012. S. 11. 230 Vgl. beigefügte DVD: Nr. 3, Ausschnitt aus: Arie Sull’Aria. 228 62 theater mit dem Untertitel „ein italiänisches [sic!] Singspiel“231 uraufgeführt wurde. Die Bezeichnung der Oper ist jedoch variabel, denn Mozart selbst listete das Werk in seinem privaten Verzeichnis als ‚Opera buffa‘ auf, während die erste Edition des Opernlibrettos den Beinamen ‚Comedia per musica‘ trug.232 Das italienische Libretto von Lorenzo da Ponte basiert auf der zensierten Geschichte des Figaros in La Journée ou le mariage de Figaro von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais.233 Mozarts Wunsch, „eine Oper aus dem skandalumwitterten und politisch anstössigen Theaterstück zu machen,“234, kann aufgrund unterschiedlicher der Oper inhärenten Eigenschaften erahnt werden. Obwohl sich die Trilogie Beaumarchais’ textlich nicht für ein Libretto eignete, gelang es Giovanni Paisiello bereits im Jahr 1782 den Text als Oper Barbiere di Siviglia umzuschreiben.235 Die Möglichkeit einer textlichen Verarbeitung der Trilogie war somit gegeben. Seit Idomeneo (1781) überliess Mozart die Textgestaltung nicht alleine dem Librettisten, sondern komponierte seine Opern mit einer bestimmten Textvorstellung, die seiner Musik satztechnisch angepasst wurde, und nicht umgekehrt, wie es normalerweise der Fall war:236 „Deutlich bekennt Mozart also – was sich an seiner Behandlung des Textes auch nachweisen lässt –, dass die musikalische Eingebungen vielfach schon vor dem fixierten Wort dagewesen sind.“ 237 Mozarts musikalischer Ausdruck muss demnach mit Bezug auf den Kunstcharakter und auf die Realitätskonstruktion des Werkes interpretiert werden. Der Kunstcharakter spiegelt sich im musikalischen Affekt wider,238 die Realitätskonstruktion hingegen im „bürgerlichen Mentalitätsund Geschmackswandel“239 , der Mozarts Musiktheater charakterisiert.240 In Mozarts Le nozze di Figaro stehen die Figuren persistent vor Entscheidungen, die der Handlung eine spielerische Charakteristik geben: „Das 231 Krämer, Jörg: Mozarts Da Ponte-Opern. In: Mozarts Opern. Das Mozart-Handbuch. Bd. 3/1. Hrg. von Dieter Borchmeyer und Gernot Gruber. Laaber: Laaber, 2007. S. 283. 232 Vgl. ebd.: S. 282f. 233 Vgl. ebd.: S. 281. 234 Ebd. 235 Vgl. ebd. 236 Vgl. Borchmeyer, Dieter: Mozarts Oper. Theater des musikalischen Augenblicks. In: Mozarts Opern. Das Mozart-Handbuch. Bd. 3/1. Hrg. von Dieter Borchmeyer und Gernot Gruber. Laaber: Laaber, 2007. S. 7. 237 Ebd. 238 Vgl. Gruber, Gernot: Die Interpretation der Musik. Zwischen Kunstmetaphysik und Historie. In: Mozarts Opern. Das Mozart-Handbuch. Bd. 3/1. Hrg. von Dieter Borchmeyer und Gernot Gruber. Laaber: Laaber, 2007. S. 18. 239 Borchmeyer (2007): S. 4. 240 Vgl. Gruber (2007): S. 18. Und vgl. auch: Borchmeyer (2007): S. 4. 63 Spiel läuft in einer ständigen Spannung zwischen öffentlichen und geheimen Handlungsschritten ab. Verwirrspiel und Lösung des Wirrsals charakterisieren diese Oper.“241 Die Handlungsereignisse variieren deshalb zwischen Augenblicken der von Hass und Eifersucht markierten Verschwörung und Momente der von Liebe und Erotik gekennzeichneten Verzeihung.242 Da in beiden Fällen die Frau dem Mann überlegen ist, fasst es Krämer in Bezug auf diese Oper in der Weise auf, dass „Mozarts Herz […] musikalisch wie dramaturgisch eher auf Seiten der Frauen als der Männer [schlägt].“243 Die für den Werbespot verwendete Arie ist dafür ein Musterbeispiel. Das Pastorale-Duett Sull’aria...che soave zeffiretto in B-Dur, von der Gräfin Almaviva und der Kammerzofe Susanna gesungen, beschreibt ein der ‚opera buffa‘ zugehöriges Brief-Diktat. 244 Die Gräfin Almaviva möchte den Grafen im Kleide der Kammerzofe Susanna verführen. Sie hofft dadurch ihren Ehemann wiederzugewinnen, indem sie ihn täuscht. Deshalb ordnet die Gräfin Susanna an, die Einladung zum Stelldichein mit dem Grafen mit folgenden Versen zu schreiben:245 „Canzonetta sull’aria: „Canzonetta über die Luft: Che soave zeffiretto Welch lieblicher Zephir Questa sera spirerà wird heute Abend atmen Sotto i pini del boschetto.“ unter den Pinien des Haines.“246 Der Graf soll im Tannenwald verführt werden, wo er die feine Brise der Täuschung und der Liebe einatmen wird. Die Verse und die dazu komponierte Musik gehen jedoch weit über diese Intrige hinaus, wie Krämer folglich pointiert: „Auch wenn dieser Brief, ‚eine Abbreviatur erotischer Dichtung des 18. Jahrhunderts‘, eigentlich ein strategisches Täuschungsmanöver gegenüber dem Grafen ist, nimmt Mozarts Musik zugleich die echte, ernstgemeinte Sehnsucht 241 Gruber (2007): S. 23. Vgl. ebd.: S. 26. 243 Krämer (2007): S. 286. 244 Vgl. ebd.: S. 297. 245 Vgl. Allanbrook, Wye Jamison: Rhythmic Gesture in Mozart. Le nozze di Figaro & Don Giovanni. Chicago: University of Chicago Press, 1983. S. 146. 246 Die Übersetzung stammt von Elisabeth Höllerer. Vgl. hierzu: Höllerer, Elisabeth: Handlungsräume des Weiblichen. Die musikalische Gestaltung der Frauen in Mozarts Le nozze di Figaro und Don Giovanni. Europäische Hochschulschriften, Reihe 35 Musikwissenschaft. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2001. S. 99. 242 64 der Frauen auf.“247 Obwohl im ganzen Werbespot keine Frau auftaucht, ist diese Sehnsucht im Bildverlauf spürbar: Der fahrende Mann im roten Cabriolet sieht, spürt, hört und riecht die Spur der Verführung. Die imitierende Melodie der Gräfin in den Takten 4–6 erklingt wie ein Echo zur instrumentalen Melodie in Takt 1–3. Es scheint fast so, als würde sie auf die musikalische Stimme horchen, die ihr aus einer metaphysischen Ebene die richtige Melodie für das Brief-Diktat vorträgt.248 Wie ein Lockruf reizt sie damit den Fahrer dazu, dieser Spur zu folgen. Harmonisch wird dieses Echo durch die sakral angehauchte, Hoffnung hervorrufende B-Dur-Tonika249 und dem dominanten F-Dur-Akkord, der von Alfred Stenger in seiner Ästhetik der Tonarten250 als naturbehafteten fragilen Klang des Schönen bezeichnet wurde,251 unterstützt. Mit den ersten Lockklängen erwacht das Auge des Fahrers, womit seine Aufmerksamkeit zum Auto gelenkt wird. Das Autodach öffnet sich, daraufhin steht das Auto bereit vor dem Auge des Zuschauers und mit einem Zoom-In wird er in die Verführung hineinkatapultiert. Wie bei einer Theatervorführung werden die Scheinwerfer eingeschaltet und die Fahrt, die durch die Sinne geht, beginnt. Wird das Erleben der Körperlichkeit in der Oper durch den Intrigen-Brief nur illusioniert, so illustriert der Werbespot die körperliche Beschaffenheit während der Fahrt durch grosse Einstellungen auf die affektierten Körperteile der Sinne. Das Auge sieht die rote Verführung, die Hände führen das Auto durch das Tasten des Lenkrads, die Haut fühlt den Wind, die Nase riecht das Leder der Autosessel und den Geruch des neuen Autos, das Ohr hört die Motor- und Strassengeräusche. Die im Spot präsentierte Verführung divergiert also von jener der Oper, denn während das weibliche Duett von dem in die Zukunft projizierten Affekt singt, erfährt der Fahrer zugleich im Jetzt eben diese Emotionen. Die Divergenz des Erlebnisgefühls kann erweitert auf die Beziehungen der Protagonisten betrachtet werden: In der Oper diktiert die Gräfin der Kammerzofe ihren Text, woraufhin Susanna anerkennend ihre Worte wiederholt. In dieser Szene wie auch 247 Krämer (2007): S. 297. Vgl. Allanbrook (1983): S. 146. 249 Vgl. Stenger, Alfred: Ästhetik der Tonarten. Charakterisierungen musikalischer Landschaften. Wilhelmshaven: Florian Noetzel GmbH, Verlag der Heinrichshofen-Bücher, 2005. S. 147. Und vgl. auch: Schubert, Christian Friedrich Daniel: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst. Leipzig: Verlag Philipp Reclam jun., 1977. S. 284. 250 Vgl. Stenger (2005). 251 Vgl. ebd.: S. 321f. 248 65 im folgenden Täuschungsmanöver handelt es sich um einen Dialog beziehungsweise um eine zwischenmenschliche Kommunikationsbeziehung. Anders verhält es sich im Werbespot: Der gesungene Dialog ist hier vielmehr als Monolog zu interpretieren, denn die vermeintliche Kommunikationsbeziehung entsteht im Werbespot zwischen dem stummen Fahrer und der Technik, der Gesang hingegen fungiert als alleinstehender Lockruf. Hierdurch gelingt es den Werbetreibenden von Alfa Romeo Spider die Kommunikation massenmedial zu charakterisieren. Der von Baudrillard definierte lineare Monolog252 und die von Luhmann beschriebene Interaktion zwischen dem Sender und Empfänger, die durch die Zwischenschaltung von Technik erst ermöglicht wird,253 lassen sich in dieser Produktanalyse somit bestätigen. Der Werbespot vermittelt der Zielgruppe zudem eine ganz klare Botschaft: Das Auto Alfa Romeo Spider ist weder für den Familienvater, noch für die gestresste Business-Frau gedacht. Die audiovisuelle Kommunikation deutet daraufhin, dass es sich bei der Zielgruppe um jene Zuschauer handeln soll, die eine besondere Beziehung zum sportlichen Wagen aufbauen möchten und die das Auto nicht als funktionales Objekt, sondern als ein emotionales Gegenüber empfinden. Die audiovisuelle Kommunikation funktioniert hier ebenfalls durch den tektonischen Aufbau und die Ikonizität der Musik. Betrachtet man nämlich die transkribierte ‚Partitur 3‘, ist das einleitende Vorspiel vor allem durch die instrumentale Melodieeinführung und die wie ein Seufzer klingende, absteigende Tonfolge von Susanna, die sogleich den Titel der Arie nennt, gegeben. Mit dem Gesang der Gräfin geht die Dramaturgie zum Hauptteil über. Trotz einzelner melodisch-abgeschlossener Bogen wie beispielsweise beim ersten Einsatz der Gräfin, deren Melodie vom B über das hohe f zum eine Oktave tieferen F gelangt, kann im Gesamtklang – auch durch die Dreierbewegung in den Streichern – von einer stets steigenden Bewegung gesprochen werden. Diese musikalische Geste findet ihren Höhepunkt in den Fagotten auf dem hohen b. Illustriert wird diese Bewegung durch die verschiedenen Settings: Fährt das Auto im ersten Bild noch in einer ebenen Landschaft, sieht man das Auto ab dem zweiten Bild in einer kurvigen Felslandschaft fahren, wobei es ähnlich wie im Gesang ebenfalls abwärts gehende Teilstrecken gibt. So befindet sich zum Bei252 253 Vgl. Zurstiege (2007): S. 107f. Vgl. Luhmann (2009): S. 10. 66 spiel das Auto ab der 18. Sekunde in einem Weizenfeld, doch rollt es sogleich weiter durch den Tunnel hoch in die Berglandschaft, ziemlich genau im Moment des musikalischen Höhepunkts. Der in diesem Augenblick zu spürende Zephir, der von Susanna besungen wird, endet auf dem c, wobei im Bild erneut das Auge vom Beginn der Werbung erscheint, diesmal jedoch mit der Reflexion des vorbeifahrenden Zuges. Nicht nur optisch erinnert dieser Abschnitt an den Anfang, sondern auch auf musikalischer Ebene sind die beiden Momente mit dem Unterschied einer grossen Sekunde vergleichbar. In Takt 11 übernimmt die Gräfin den Ton c und kündigt mit ihrer absteigenden Melodie bis zum A – dem tiefsten gesungenen Ton der gesamten ‚Partitur 3‘ – das Ende der Autofahrt an. In der folgenden vier Achtel langen Zäsur werden die Scheinwerferlichter des Autos ausgeschaltet und in der unteren Bauchbinde erscheint die Schrift „until tomorrow...“. Die Fortsetzung der Erlebnisgeschichte eines gesamten Tages mit dem Alfa Romeo Spider folgt also gleich am fiktionalen Folgetag. Dies bestätigt auch die in den Fagotten gespielte steigende Tonfolge G-A-B, während im Bild das Logo der Marke eingeblendet wird. Die Melodie und die sich verändernde Harmonie antizipieren somit einen nächsten Anfang, das nächste Kapitel der fortlaufenden Geschichte. Die Erzählung des Werbespots ist demnach – ähnlich wie in der Oper – durch die Musik determiniert. Dies lässt sich ebenfalls durch die Verzerrung des musikalischen Tempos in Bezug auf die Bildmontage erkennen, womit die vollkommene Verschmelzung des Auditiven und Optischen einer Audiovision (AV) nicht in Kraft tritt. Da das Bild alleinstehend nichts weiter vermittelt, als dass das Auto durch sehr ähnliche Landschaften fährt, deren Abbildung von kurzen Einstellungen mit verschiedenen Körperteilen unterbrochen wird, bis das Auto zuhause wieder ankommt, kann auch nicht von einer Audiovision (aV) die Rede sein. Erst die Musik erfüllt die Hauptbotschaft des Werbespots: Das Auto verspricht ein Fahrgefühl, das über die zu spürende zarte Brise durch (fast) alle Sinne geht. Die Wind- und Motorgeräusche heben diese Botschaft weiter hervor, denn das Fahrgefühl und das Auto stehen im Mittelpunkt des Werbespots. Das Bild der Werbung nimmt dennoch eine wichtige Rolle ein, denn die von Kilian beschriebenen primären Markenelemente wie beispielsweise der Brandname erscheinen ausschliesslich im Visuellen. Die als sekundäres Markenelement definierte Erlebniswelt wird zwar von der Musik getragen, das Bild unter67 stützt jedoch das Geschehen optisch.254 Die Bildfolge des Werbespots verweist ferner auf nicht sofort evidente Symboliken: Das Lenkrad auf der rechten Seite des Autos und die Autofahrt auf der linken Spur zeigen, dass die Produktion dieser Werbung in Grossbritannien stattgefunden haben muss. Die Positionierung des Autos zu Beginn und am Schluss der Werbung sowie die Fahrt von links nach rechts könnte als der Duktus der konventionellen Leserichtung in den westlichen Ländern und deshalb als eine Metapher der westlichen Fortbewegung interpretiert werden. Diese zunächst latenten Beobachtungen gehören zum Identitätsaufbau der Marke und grenzen die Zielgruppe weiter ein. Die von Kilian definierten Eigenschaften einer Markenidentität (Konsistenz, Einzigartigkeit, Reziprozität und Kontinuität)255 lassen sich in diesem Werbespot als Teilprodukt der Marke Alfa Romeo deshalb folgendermassen interpretieren: Die enge Zielgruppenbestimmung verweist darauf, dass sich die Kunden mit der Marke identifizieren und sie das Versprochene ebenfalls erleben können. Mit der exklusiven Verführung grenzt sich die Marke ab und evoziert das Gefühl von absoluter Individualität, die in der westlichen Gesellschaft als Luxusgut verkauft wird. Dieses Luxusgut muss den Zielrezipienten so ansprechen, dass dieser sich damit identifizieren kann, muss jedoch gleichzeitig auch eine bestimmte Neugier wecken, damit eine Interaktion zwischen der Markenidentität und dem potentiellen Kunden entstehen kann. Schliesslich erweist sich die Marke Alfa Romeo insofern als konsequent, als dass im Werbespot einmal mehr das Auto in der der Markenidentität zugehörigen Farbe Rot abgebildet wird. Auf der Grundlage dieser einzelnen Produktanalyse kann nicht verallgemeinernd von einem typischen Markenklang von Alfa Romeo gesprochen werden. Als italienische Automarke identifiziert sich die Marke hier jedoch bewusst mit Mozarts ‚italiänischem Singspiel‘256 . Die dabei verwendete Partitur weicht praktisch nicht von der Originaledition257 ab, nur die Länge der Arie wurde der Dauer des Werbespots angepasst. Da sie einen besonders melodischen Charakter hat, eignet sich diese Musik nicht zur schnellen Einschwingrezeption, 254 Vgl. Kilian (2009): S. 57f. Vgl. ebd.: S. 55. 256 Vgl. Krämer (2007): S. 283. 257 Vgl. Wolfgang Amadeus Mozarts Werke, Serie XVI: Concert für das Pianoforte, No. 21. Bd. 3. Hrg. von Johannes Brahms, Franz Espagne, Otto Goldschmidt et al. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1878. 255 68 doch wirkt sie auf affektiver Ebene umso intensiver.258 Die audiovisuelle Kommunikation ist deshalb im Sinne Bruhns aufgrund des geringen Informationsgehalts emotional gestaltet, 259 denn die Musik lockt einerseits den Fahrer zur Spritztour mit dem neuen Alfa Romeo Spider, und andererseits verführt sie den Rezipienten mit dem einmaligen Gefühlserlebnis zum Kauf. 4.3.2 Das musikalische Crossover: Lexus NX TVC (2014) Der neue Lexus NX TVC aus dem Jahr 2014 ist im audiovisuellen Werbespot mit Mozarts Andante in F-Dur aus dem Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur (KV 467)260 untermalt. Das Werk wurde am 9. März 1785 vollendet und einen Tag darauf von Mozart höchstpersönlich im Burgtheater Wien uraufgeführt.261 Als musikalisches Hauptmotiv im schwedischen Film Elvira Madigan (deutscher Titel: Das Ende einer grossen Liebe) aus dem Jahr 1967, der die Geschichte der Seiltänzerin erzählt, gewann dieses Musikstück an Popularität, weshalb auch der Beiname Elvira Madigan zu diesem Satz bis heute erhalten geblieben ist.262 Ähnlich wie im Werbespot sind im Film vor allem die ersten paar Takte zu hören, die als Hauptmotivik für das junge Protagonistenpaar fungieren.263 Die Assoziation zum tiefberührenden Drama liegt nicht nur in der Konstruktion des Filmes, sondern sie findet ihren Ursprung direkt in den Noten Mozarts, wie auch Marius Flothuis in seiner Analyse bestätigt: „Der zweite Satz, Andante alla breve, gilt vielen – nicht ganz zu Unrecht – als der Inbegriff Mozartscher Kantabilität.“264 Die kontinuierliche Triolenbewegung in den tiefen Streichern und die hohe Melodie in der ersten Geige und in den Bläserstimmen vermitteln eine stetige Unendlichkeit des musikalischen Flusses. Doch die vermeintlich einfache Musikstruktur in diesem Werk täuscht. Dem 2. Satz eines Klavierkonzerts liegt normalerweise eine Da-Capo- beziehungsweise eine Reprisenform (in Bezug 258 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 8. Vgl. Bruhn (2015): S. 489f. 260 Vgl. beigefügte DVD: Nr. 6, Ausschnitt aus: Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur, KV 467, Andante von Wolfgang Amadeus Mozart. 261 Vgl. Irving, John: Mozart’s Piano Concertos. Aldershot: Ashgate, 2003. S. 225f. 262 Vgl. Grayson, David: Mozart. Piano Concertos No. 20 in D minor, K. 466, and No. 21 in C major, K 467. Cambridge: Cambridge Press, 1998. S. 1. 263 Vgl. ebd. S. 63. 264 Flothuis, Marius: Mozarts Klavierkonzerte. Ein musikalischer Werkführer. München: C.H. Beck oHG, 2008. S. 111. 259 69 auf den 1. Satz) zugrunde. Mozart hingegen komponierte dieses Andante in Form eines Sonatenhauptsatzes. Der Aufbau der ersten 23 Takte, von denen 14 Takte im Werbespot erklingen, ähneln einem Ritornell mit einer ungewohnt grossbesetzten Orchestrierung. Gemäss Graysons Sondierung hat das gesamte Ensemble des Burgtheaters, insgesamt 32 Musiker zählend, an der Uraufführung mitgespielt.265 Diese imposante Besetzung steht in engem Zusammenhang mit Mozarts Auseinandersetzung mit der orchestralen Instrumentation und der Vielgestaltigkeit des Klanges ab den frühen 1780ern. So sind seine Wiener Klavierkonzerte ab KV 450 nicht als Solokonzerte für Klavier und Orchesterbegleitung zu interpretieren, sondern vielmehr als eine dreigeteilte Instrumentation (Klavier, Bläser und Streicher) zu verstehen. Dabei nehmen die Bläser eine immanente Rolle ein und werden als „die heimlichen Solisten in den großen Mozartschen Klavierkonzerten“266 rezipiert.267 Mit einem Blick auf die Transkription fällt auf, dass das Werk dem Werbespot adaptiert wurde und dass gerade die Bläser- und Klavierstimmen in der Anpassung fehlen. Die satztechnische und harmonische Adaptation ist bei diesem Stück von den Werbetreibenden ohne Vorlage des klassischen Komponisten durchgeführt worden. Denn anders als bei diesem Werk ist bei den sogenannten a quattro-Klavierkonzerten KV 413–415 und KV 449 eine „autorisierte ad-libitum-Praxis“ 268 aus praktischen Marketinggründen vom Komponisten selbst vorgesehen. Diese Klavierkonzerte können nämlich entweder mit der vollen Orchestrierung oder mit der reduzierten Besetzung eines Streichquartetts aufgeführt werden. Im Gegensatz dazu evoziert das Weglassen der Bläserstimmen in allen anderen Klavierkonzerten, wie auch in der hier benutzten Werbemusik, eine lückenhafte Performance mit harmonischen, satztechnischen und kontrapunktischen Folgen, die sich im Mozart’schen dynamischen Klang auf rhythmischer wie auch auf harmonischer Ebene prekär bemerkbar machen.269 Der rhythmischen Anpassung liegt vor allem eine Ungenauigkeit der musikalischen Performance der ersten Geige zugrunde. Während das Cello und die zweite Geige den homogenen Triolenfluss spielen, stimmt die erste Geige 265 Vgl. Grayson (1998): S. 114. Brügge, Joachim: Einleitung In: Mozarts Orchesterwerke und Konzerte. Das Mozart-Handbuch. Bd. 1. Hrg. von Joachim Brügge und Claudia Maria Knispel. Laaber: Laaber, 2007. S. 4. 267 Vgl. ebd.: S. 3f. 268 Ebd.: S. 4. 269 Vgl. ebd. 266 70 die Melodie an. Wie bereits in der Fallanalyse erwähnt, dient der Anfang zur Introduktion des Werbeprodukts und des Musikalischen.270 Der Zuschauer befindet sich in diesem Moment in der Einschwingzeit. Diese Einführung endet in Takt 8, als die Nachlässigkeit der ersten Geige beginnt, indem sie die Pause um die Dauer einer Achtel überzieht. Die darauf folgenden Ungenauigkeiten sind durch die Omission der Bläserstimmen bedingt. Denn gerade in Takt 8 sollten die Flöten, Oboen, Fagotte und Hörner ihre klangfüllenden Akkorde anspielen. Sie treffen jedoch nicht ein und lassen die Geige alleine in der metrischen Zweierteilung gegen die Triolen spielen. Die grossen Intervallsprünge in Takt 8 und Takt 10 wirken dadurch direkt und nicht besonders melodiös.271 Noch viel markanter fällt das Fehlen der Bläserstimmen in den darauf folgenden „expressiven Sequenzbildungen“272 auf. In der Originalpartitur spielt die Geige auf dem vierten Schlag in Takt 11 das hohe c’, das zum grossen Bogen in Takt 12 führt: Mit dem drei Viertel andauernden des’ schwingt die Melodie zum g über. Dieser Bogen wird in Takt 13 eine kleine Sekunde tiefer wiederholt. Derweil spielen die Flöten- und Oboenstimmen, mit der Verschiebung einer Viertelpause, in entgegengesetzte Richtungen. Während die Flöten einen Oktavsprung von des nach des’ beziehungsweise von c nach c’ verbinden, imitieren die Oboen die Bewegung der Geige und komplettieren harmonisch den Dominantseptakkord mit der Terzschichtung über C beziehungsweise den harmoniefremden f-Moll-Akkord. Diese Analyse bringt hervor, dass hier – metaphorisch betrachtet – ein Dialog zwischen den Streichern und Bläsern stattfindet. In Takt 12 stellt die Geige die erste Frage, darauf antworten die Bläser entgegengesetzt, in Takt 13 folgt die nächste Frage mit der nächsten Antwort.273 Einmal mehr zwingt das Weglassen der Bläserstimmen die Geige dazu, ihre Melodie rhythmisch zu variieren, um die Lücke zu füllen. Anstelle eines grossen Bogens verkürzt sie ihre Phrasierung und setzt in Takt 12 an jener Stelle, an der die entgegengesetzte Erwiderung stattfinden würde, eine Achtelnote auf demselben Ton g. Baudrillards The270 Vgl. Revers, Peter: Die grossen Klavierkonzerte II: KV 466, KV 467, KV 482, KV 488, KV 491, KV 503, KV 537 und KV 595. In: Mozarts Orchesterwerke und Konzerte. Das Mozart-Handbuch. Bd. 1. Hrg. von Joachim Brügge und Claudia Maria Knispel. Laaber: Laaber, 2007. S. 294. 271 Vgl. beigefügte DVD: Nr. 7, Takt 8–11 Spotmusik Lexus NX TVC (2014) und Nr. 8, Takt 8–11 Originalmusik. Interpretation vom Berliner Philharmonie-Orchester (2012). 272 Revers (2007): S. 295. 273 Vgl. beigefügte DVD: Nr. 9., Takt 12–14 Spotmusik Lexus NX TVC (2014) und Nr. 10, Takt 12–14 Originalmusik. Interpretation vom Berliner Philharmonie-Orchester (2012). 71 se, Werbung kommuniziere ohne eine Antwort und somit ohne ein Zwiegespräch zuzulassen,274 wurde somit hier musikalisch umgesetzt. Durch die Reduzierung der instrumentalen Stimmen ändert sich die rhythmische Gestalt, wohingegen sich der Gesamtklang verringert. Auf harmonischer Ebene bedeutet dies nicht nur, dass der volle Klang nun eher karg ausfällt, sondern dass auch die für die musikalische Spannung eingesetzten Septakkorde nur noch als einfache Akkorde erklingen. In Takt 4 der Originalpartitur beispielsweise spielen die Violen den leitenden dissonanten Tritonus E,-B, der nach einer Auflösung in die Tonika nach F,-A, strebt. Diese harmonische Spannung fällt in der Werbemusik komplett weg, da zum einen die Violenstimme nicht vertreten ist und zum anderen das dissonante Intervall in der abgeänderten Form nicht übernommen wurde. Das ursprünglich funktionsharmonische motivierte Fortschreiten erhält im Werbespot somit eine eher statische Ästhetik. Obwohl zu Beginn des Werbespots der neue Lexus scheinbar im fliessenden Einklang mit der Musik fährt, wird dem Zuschauer spätestens in der Sekunde 19:20275 deutlich, dass etwas nicht stimmt. In diesem Moment erklingt nämlich im 8. Takt das hohe c’, das aus der Performance aufgrund des verstimmten Instruments hervorsticht, während der Fahrer mit angespannter Mimik den Blick geradeaus hält. Dieses Schema wiederholt sich in Takt 10, in dem das hohe d’ unschön von der ersten Geige gespielt wird und der Fahrer mit genervtem Blick in den Rückspiegel schaut, wobei durch die Frontscheibe des Autos auch seine brüske ungeduldige Kopfbewegung ersichtlich wird. Der Zuschauer betrachtet die Szene von aussen, doch das unwohle Gefühl einer ungemütlichen, nicht nahtlos gleitenden Fahrt ist sowohl durch die Akustik als auch die Optik vermittelt. Der Störgrund wird in der Bildsequenz ab der 29. Sekunde bekannt. Hier erhält der Zuschauer Einblick in das Auto, wo sich der Fahrer zum Rücksitz wendet, um das Trio mit einer Geste aus dem Auto zu bitten. Die live gespielte und wegen der reduzierten Instrumentation statisch klingende Musik bricht ab. An deren Stelle ertönen unzusammenhängende Töne und der Bewegung im Bild angehörenden Geräusche wie Schritte und das Öffnen und Schliessen der Autotüre. Die Musiker nehmen ihren Auftritt ausserhalb des Autos noch einmal in Takt 15 auf. Doch hat der Auftritt einen noch stärker verwirrenden und unsi274 275 Vgl. Zurstiege (2007): S. 107. Vgl. rote Markierung auf der Transkription Lexus NX TVC (2010). 72 cheren Charakter: Ab Takt 16 gelingt es den zwei höheren Streichern zusammenzukommen, doch das Cello verliert sich und spielt zusammenhangslose Tonfolgen, die in der Transkription deshalb entfallen. Der Klang der Musik ist zudem gedämpft und scheint, als wäre er bereits weit entfernt vom Fahrer. Indessen schaltet dieser mit einem Knopfdruck die pulsierende Offbeat-Musik im Auto ein, die zur eben gehörten klassischen, jedoch ungenau gespielten Musik im Kontrast steht. Das musikalische Crossover dient als Übergang von der melodischen zur pulsierend rhythmischen Musikgestaltung.276 Zudem ist in dieser Sequenz ein gewisses Befreiungsmoment zu rezipieren: Der Fahrer lächelt und sieht deutlich entspannter aus als vorher; das Auto fährt ausserdem nicht mehr im Zeitraffer, sondern bewegt sich in fast doppelt so schnellen Tempo aus dem Wald-Setting heraus. In diesem Augenblick der Befreiung annonciert die Stimme aus dem Off den neuen Lexus. Das Automodell, ein Crossover, präsentiert sich in der letzten Bildfolge des Werbespots ausserhalb des Waldes auf einer sauberen Strasse, wie neu geboren. Passend dazu wird die Schrift „The new NX“ eingeblendet. Daraufhin schliesst das Brandlogo mit speziellen Visual Effects auf einem schwarzen Hintergrund den Werbespot ab. Die Dramaturgie des Werbespots ist auch hier tektonisch unterteilt. Wie oben beschrieben beginnt das Vorspiel mit dem ersten Bild, in dem das Auto durch eine Allee herein in den Wald fährt. Charakteristisch zur Einleitung wird das zu präsentierende Produkt weiter bis zur Sekunde 19 aus fast allen möglichen Perspektiven dargestellt und harmonisch bleibt es auf der Grundbasis der Tonika und der Dominante, womit in der Verbindung den Werbetreibenden eine mustergültige Einführung gelang. Der Übergang zum Hauptteil der Narration gelingt durch die harmonische Modulation von der Subdominante zum harmoniefremden verminderten h-Moll zum f-Moll-Akkord sowie durch das erste Erscheinen des Fahrers im Bild. Der Höhepunkt des Werbespots wird in Takt 12 erreicht, als der Dominantseptakkord mit der Terzschichtung über C erklingt und im Bild die Musiker gestisch aus dem Auto gebeten werden. Die darauf folgende Weiterfahrt ohne Musiker kennzeichnet das Nachspiel. In jedem dieser dramaturgischen Bereiche erklingt eine andere Form von Musik: zu Beginn das Streichertrio mit der statischen Ästhetik, dann dasselbe Trio mit rhythmischer 276 Vgl. Wüsthoff (1999): S. 8. 73 und tonaler Ungenauigkeit, und schliesslich der Offbeat. In allen Bereichen ist das Bild der Musik angepasst, was beispielsweise am dargestellten Fahrtempo ersichtlich ist, und gleichzeitig die Musik dem Bild adaptiert, was beispielsweise durch die Reduktion der Orchestrierung zu sehen ist, zumal auf dem Rücksitz des Autos nur ein Trio und kein ganzes Orchester Platz findet. Die gegenseitige Unterstützung vom Visuellen und Auditiven, auch was die primäre und sekundäre Markenelemente nach der Definition Kilians anbelangt,277 kennzeichnen die vollständige Verschmelzung der Audiovision (AV). Dies lässt sich auch an bestimmten Merkmalen festhalten und in Relation mit gesellschaftlichen Konventionen setzen. Wenngleich die Musik nicht im andante-Tempo erklingt, erinnert das gemächliche Tempo und die im Zeitraffer gezeigte Autofahrt an die betagte Gesellschaft der Hochkultur. Ebenfalls mit der Hochkultur sind die roten Sessel im Auto konnotiert, die den samtigen Sesseln der grossen Opern- und Konzerthäusern ähneln, während die klassische Musik weiterhin hörbar ist. Als sich der Fahrer dem Rücksitz zuwendet, folgt ein Szenario, in das sich viele Zuschauer hineinversetzen können. Durch die geschickt applizierte Technik des ‚Shot-revers-shot‘, bei welcher der Fahrer und die Musiker abwechselnd in der Normalperspektive gezeigt werden, wird die bekannte Situation nochmals betont. Das Szenario ruft nämlich die Assoziation zu spielenden Kindern auf dem Rücksitz, die vom fahrenden Elternteil ermahnt werden, hervor. Das kindliche Spiel zeigt sich musikalisch durch die Unsicherheit der Musiker. Diese Szene ist aber nicht nur aus dem Alltag bekannt. Dass auf dem Rücksitz drei live spielende Musiker sitzen und der Fahrer sie in aller Ruhe mitten im Wald aus dem Auto bittet, ähnelt einem komischen Sketch. Wie Luca Giuliani in seiner Publikation Possenspiel mit tragischen Helden278 proklamiert, handelt es sich bei einer Komödie um ein von der Norm abweichendes Verhalten, was bedeutet, dass sie aufgrund der soziokulturell definierten Norm nur von der Zielgruppe als komisches Possenspiel verstanden werden und deshalb nur in bestimmten kulturellen Kreisen als Werbung funktionieren kann.279 In der Tat bewegt sich dieser Werbespot trotz geschickter Anwendung der Musik und der Bildsprache auf den 277 Vgl. Kilian (2009): S. 57f. Vgl. Giuliani, Luca: Possenspiel mit tragischem Helden. Mechanismen der Komik in antiken Theaterbildern. Historische Geisteswissenschaften Frankfurter Vorträge, Bd. 5. Hrg. von Bernhard Jussen und Susanne Scholz. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013. 279 Vgl. ebd.: S. 9. 278 74 ersten Blick auf dünnem Eis, zumal die Werbung die Qualität der klassischen Musik persifliert. Die Anwendung der klassischen Musik ist hier jedoch als Basis für das musikalische Crossover zu interpretieren, womit resultiert, dass die Werbetreibenden mit dem Namen des Automodells ‚Crossover‘ auf allen Ebenen der Audiovision spielen und vermitteln. Im Sinne des Slogans wechselt der Fokus von der nie perfekten, weil von Menschenhand ausgeführten LivePerformance zur Maschinen errechneten, doch von Menschenhand gesteuerten Perfektion. Somit wirbt der Spot Lexus NX TVC (2014) mit einer heutigen gesellschaftlichen Wunschvorstellung und erhofft sich damit neue Kunden zu gewinnen: nämlich mit dem Streben nach Perfektion. 75 5. Schlussbetrachtungen „Der Sturm wütet. Blitze zucken über den Himmel. Während der silbergraue Vectra spurtreu durch die Serpentinen kurvt, dröhnt mit Vollgas das Heavy Metal aus Wagners ‚Walkürenritt‘. Brünnhilde, so scheint es, fährt O280 pel.“ Wenn Brünnhilde Opel fährt, dann rollt Graf Almaviva mit dem neuen Alfa Romeo daher. So scheint es. Der sarkastische Ton des Spiegel-Journalisten281 im oberen Zitat ist nicht zu überhören. Die von einigen Theoretikern wie Martin Merkel kritisierte Willkür bei der Benutzung klassischer Musik in der Werbekommunikation und deren in die Lächerlichkeit gezogene Präsentation laut Helms lassen sich nach der vorgeführten Analyse nur teilweise und in einem bestimmten Rahmen bestätigen.282 Denn gemäss der in dieser Arbeit untersuchten Analysen ist von einer intentionalen Anwendung der klassischen Musik in der zielgerichteten audiovisuellen Werbekommunikation auszugehen. Die wichtigsten Merkmale sollen nun kurz zusammengefasst werden. Am Beispiel zweier Werbespots wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, die Konstruktion der Werbeillusion zu entschleiern. Die anfängliche These, die mediale Realität mit ökonomischem Ziel werde über die Werbemittel konstruiert, hat sich bestätigt. Beide Werbungen möchten das Produkt an den Kunden bringen, das divergierende Vorgehen basiert aber auf der unterschiedlichen und intentionalen Anwendung der massgebenden Werbemittel Bild und Musik. In beiden Fällen ist das Werbeprodukt (im Vergleich zu den restlichen illustrierten Objekten) am häufigsten im Bild dargestellt. Musikalisch werden beide Werbungen von Wolfgang Amadeus Mozarts Kompositionen untermalt. Die Klassik eignet sich aufgrund ihrer eindeutigen Struktur und der harmonisch klaren Gliederung besonders gut für eine schematische, schablonenhafte Anwendung.283 Angesichts der ihr inhärenten Ästhetik in Bezug auf die Mimesis der Natur und auf die Gestik des menschlichen Verhaltens bringt die klassische Musik somit beste Voraussetzungen mit, um sie in der audiovisuellen Medien- 280 Der Spiegel: Alles orfft. 33/1992, zin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/13689715 [21.02.2016]. 281 Name unbekannt. 282 Vgl. Helms (1981): S. 98f. und 115. 283 Vgl. Grayson (1998): S. 9. S. 163. URL: maga- 76 kombination zu verwenden. 284 Aus den Analysen und Interpretationen sind diesbezüglich die differenziert vorkommenden Audiovisionsformen hervorzuheben: Hat die Akustik im Werbespot Alfa Romeo Spider eine leitende Funktion, fusionieren das Optische und das Auditive hingegen in einer gegenseitigen kommentierenden Form im Werbespot Lexus NX TVC. Dabei spielt die Adaptationsform der Musik eine grosse Rolle. Im Alfa Romeo-Beispiel sind lediglich die unumgängliche Verkürzung der Arie und die Anpassung an die Werbedauer festzustellen. Eine weitere Anpassung war über die akustische Rezeption nicht auszumachen. Es ergibt sich eine durch die Bearbeitung etwas verzerrte Musikeingabe, die jedoch wegen ihres theatralischen Inhalts und ihrer imposanten affektiven Sinnlichkeit als Hauptkommunikationsmittel im Werbespot agiert. Dies erklärt auch, weshalb die Werbung ohne weitere soziohistorischen Kenntnisse über die sozialpolitische Schwierigkeit des Librettos und Da Pontes und Mozarts Auseinandersetzung mit dem Thema der Erotik, des Betrugs und der Versöhnung funktioniert – im Mittelpunkt steht der Affekt.285 Das Interesse des Zuschauers wird in der Einführung mit dem sich öffnenden Auge gepackt, seine Aufmerksamkeit wird auf die eigenen Sinne gerichtet, womit er vom eigentlichen Geschehen abgelenkt wird: Der Rezipient lässt sich auf emotionaler Ebene verführen, ohne es bewusst wahrzunehmen. Die affektive Kraft dieser Arie zeigt sich auch in einer kurzen Filmszene aus The Shawshank Redemption (deutscher Titel: Die Verurteilten) aus dem Jahr 1994: Der Häftling Andy Dufresne (Tim Robbins) befindet sich in dieser Szene im Büro eines Gefängnisaufsehers. In einer alten Schachtel findet er eine Schallplatte, eine Aufnahme von Le nozze di Figaro, die er sogleich abspielt. Es erklingt die Arie Sull’aria...che soave zeffiretto. Von der Musik fasziniert, schliesst Andy alle Türen ab und lässt die Musik über die Lautsprecher im gesamten Gefängnis ertönen. Die Musik bleibt nicht ohne Wirkung: Alle Insassen, alle Abläufe, ja die Zeit selbst scheint nun stehen zu bleiben. Alle sind im wahrsten Sinne des Wortes in dem sie packenden Affekt während der Rezeption des Musikstücks gefangen. Das aus dem Off erklingende Zitat von einem weiteren Häftling namens Ellis Boyd (Morgan Freeman) erklärt sein Befinden in jenem Moment folgendermassen: 284 285 Vgl. Allanbrook (1983): S. 3. Vgl. Krämer (2007): S. 287. 77 „I have no idea to this day what those two Italian ladies were singing about. Truth is I don’t want to know. Some things are best left unsaid. I like to think they were singing about something so beautiful it can’t be expressed in words – and it makes your heart ache because of it. I tell you, those voices soared higher and further than anybody in a great place dares to dream. It was like some beautiful bird flapped into our trapped little cage and made those walls dissolve away and for the briefest of moments every last man at Shawshank felt free.“286 Überwältigt vom musikalischen Affekt möchte der Häftling nicht wissen, um was es sich in der Arie handelt, sondern geniesst vielmehr die Schönheit, die sich an jedem Ort der Haftanstalt eingenistet hat und die Gefängnismauern für einen Moment verschwinden lässt. Die Gefühle der Hoffnung und der Freiheit überragen alles andere. Die Unaussprechlichkeit der Musik betrifft somit nicht nur die Analyse, sondern auch deren Rezeption. Denn ähnlich funktioniert die musikalische Funktion in der Alfa Romeo-Werbung: Der Fokus liegt auf dem ästhetischen Erleben und der sinnlichen Erfahrung, die der potentielle Käufer – bestenfalls durch den Kauf des Produkts oder zumindest durch die Erinnerungskopplung von Marke und Musik – wiederholt spüren möchte. Die Adaptation fällt bei der Lexus-Werbung durch die komplette Omission der Bläser- und Klavierstimme stärker aus als bei der Alfa Romeo-Werbung. Die Anpassung ermöglicht eine detaillierte Kombination von Visuellem und Akustischem. Die verarbeitete Audiovision und das inhaltliche Spiel mit dem Automodell-Namen ‚Crossover‘ erzeugen aus medienwissenschaftlicher Sicht eine intentionierte und zielgerichtete Werbekommunikation, zumal sie wortwörtlich wie auch bildlich vorhanden ist. Das Sketchhafte mit britischem Humor bringt einen zusätzlichen Unterhaltungseffekt mit sich, der sich positiv auf das Interesse der Zuschauer und die Ablenkung von der eigentlichen Appellfunktion der Werbung auswirkt. Aus musikwissenschaftlicher Sicht jedoch ruft die gewagte, um nicht zu sagen falsche Anpassung im Sinne der Gattung des Klavierkonzerts bei einem Kenner eher negative Emotionen hervor. Die Grenze 286 The Shawshank redemption (Canzonetta www.youtube.com/watch?v=5Hfe_1Fny-Q [21.02.2016]. sull’aria). YouTube. URL: 78 zwischen der narrativen Konnotation betreffs des ‚Crossovers‘ und der Assoziation zur ungenügenden Qualität der klassischen Musik ist sehr eng gehalten, womit die Werbetreibenden die Gefahr eingegangen sind, dass sich die Musiker unter den Rezipienten a.) die Werbung überhaupt nicht anschauen oder b.) sie das Verständnis für die hier eigentlich intendierte Werbekommunikation nicht aufbringen. Tatsächlich äusserten einige Musiker ihre Empörung über den Werbespot im Internet. Hierzu gehört beispielsweise der offene Brief des Cellisten Paul Ghica, der sich direkt an Lexus wendet und mit folgenden Worten beginnt: „Dear Lexus, For years, you’ve been reminding us that you’re not our parents’ Lexus. You’re new, cool, and hip. In fact, you can be relied upon to remind us of your non-stuffiness almost every time you release a new stuffy model.“ 287 Der Cellist interpretiert die statische Ästhetik des Werbespot-Beginns fälschlicherweise als eine negative Klassifizierung und als Persiflage der klassischen Musik seitens der Werbetreibenden und übersieht dabei den wahren Ursprung dieser Ästhetik, nämlich jenen der musikalischen Adaptation. Weiter schreibt er in diesem Brief: „You claim to passionately pursue perfection. Refinement. Class, timelessness, [sic!] etc. And now, even excitement. And you do it by deriding none other than Mozart, who wrote some of the most perfect, refined, classy, timeless, and exciting music ever written. You then replace it with a monotonous, uninspired beat that will betray its age within a few years. Your commercial is an exercise in irony that might have actually been clever, had it been intentional. Or perhaps it’s finally the ‚honest’ type of 288 commercial after which consumers have been pining.“ 287 CMuse: Lexus Ridicules Classical Music In Their New Commercial. URL: www.cmuse.org/lexusridicules-classical-music-in-their-new-commercial/ [21.02.2016]. 288 Ebd. 79 Auch hier liegt ein Missverständnis in der Rezeption vor. Der Musiker deutet das im Slogan proklamierte Streben nach Perfektion als eine Abwertung der Mozart’schen Kompositionskunst und bemerkt nicht, dass sich diese Perfektion in Wirklichkeit auf die Art der Aufführung bezieht. In der Tat könnte man kritisieren, dass die Werbetreibenden Mozarts Musik dermassen geändert haben, dass eine qualitative Abwertung und negative Konnotation entstehen kann. So hat sich ein weiterer Rezipient daran gemacht, den Werbespot zu ‚verbessern‘, indem er im zweiten Teil des Werbespots den Originalsound des Klavierkonzerts abspielen lässt, wodurch er Mozarts Musik aufwerten und die musikalische Aufführung der Streicher (auch durch den Schlusssatz „Never settle for crappy playing“ unter dem Logo) abwerten möchte.289 Nichtdestotrotz wurde hier die Werbekommunikation vom Zuschauer falsch interpretiert, zumal weder die klassische Musik noch die Unterhaltungsmusik im Fokus der Kommunikation stehen. Vielmehr handelt es sich um die Beschaffenheit der Musik: Auf der einen Seite erklingt die vom Menschen erschaffene und aufgeführte, melodisch harmonische Musik, auf der anderen Seite erschallt die pulsierend metrische, vom Menschen erschaffene und maschinell gesteuerte Musik. Dieses Beispiel zeigt die Relevanz der richtigen Konzeption der Werbemittel im Kommunikationsprozess. Wie sie eingesetzt werden, ist aus der Produktions- und aus der Rezeptionsperspektive mitzubedenken. Durch die Informationsüberflutung textlicher, bildlicher und musikalischer Art muss die Kommunikation persönlicher beziehungsweise intimer werden, um die Aufmerksamkeit der Kunden zu erlangen.290 In der audiovisuellen Kommunikation wird dies, wie sich gezeigt hat, mit der Unterstützung melodischer oder klanglichharmonischer Musik erzeugt. Der Werbeinhalt basiert dabei vielmehr auf dem ästhetischen Erleben als auf der Informationsvermittlung. Entgegen der Kritik, heutzutage kommuniziere die Werbung nicht eindeutig genug, stellt sich die Observation, dass sie zwar nicht mehr über die Produktleistung direkt orientiert, doch dass sie die Information geschickt in die metaphorische Konstruktion des Brandings einbettet: „Es geht nur noch um das Image, um die Metapher, die ein Markenprodukt besetzt; es geht um die Assoziation, die aktiviert werden kann, 289 Vgl. Lexus NX TVC Commercial, improved. YouTube. URL: www.youtube.com/watch?v=JmscldhVpw [21.02.2016]. 290 Vgl. Fährmann (2006): S. 20. 80 um die Gefühle, die hervorgerufen werden.“291 Die Assoziationen sind symbolisch und ikonisch gekoppelt,292 deren Rezeption ist somit soziokulturellen Konventionen unterlegen. Die Appellfunktion und somit das Verständnis für die Werbebotschaft tritt erst ein, wenn die zielgerichtete Werbekommunikation die kulturelle Auffassung widerspiegelt. Auch hinsichtlich der Corporate Identity entscheidet letztlich der potentielle Kunde, ob ihm die Marke gefällt, welche Bedeutung er ihr zuweist und ob er ihr treu bleibt.293 Die kognitiven Vorgänge, die beim Kaufentscheid aktiviert werden, basieren einerseits auf der Emotionswelt des Einzelnen und andererseits auf der Orientierung an der Massenkultur: „Der Markt fungiert […] im Laufe der Jahrzehnte als perfekter Spiegel von politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Veränderungen. Er richtet sich einerseits nach ihnen aus und wirkt andererseits 294 wieder auf sie zurück. Als Sprachrohr dient die Werbung.“ Als Spiegel der Gesellschaft orientiert sich der Markt an bestimmten Zielgruppen. Damit meinen die Werbetreibenden zu wissen, was der Kunde braucht. Dieser wiederum orientiert sich am Angebot der Werbung. Der eine Käufer möchte sich affektiv verführen lassen, der andere hingegen trifft seine Entscheidungen mit perfektionistischem Ansatz selbst. Was jedoch beide Käufer nicht oder nur unterbewusst rezipieren, ist die Realitätskonstruktion der Massenmedien, welche die Entscheidungen und den Geschmack seiner Kunden auf latenter Weise bestimmt: In Wahrheit dezidieren nicht die Käufer, sondern die hinter der audiovisuellen Werbekommunikation intentional eingesetzten Werbemittel, was zur Aufmerksamkeit, zum Interesse und zur Ablenkung führt. 291 Rota (2004): S. 58. Vgl. Haverkamp (2009): S. 230f. 293 Vgl. Jackson et al. (2013): S. 34. 294 Fährmann (2006): S. 27f. 292 81 6. Ausblick „The history of music and brands is best described as a palimpsest. The relationships have been written and rewritten many times but the roots are still visible and still 295 inform the present.“ Die Geschichte des audiovisuellen Brandings geht bis in das 15. Jahrhundert zurück, lange bevor die technische Entwicklung zum audiovisuellen Medium Fernsehen führte. Das Prinzip blieb jedoch gleich: Mit der intentionalen Benutzung der Musik wird zielgerichtet kommuniziert, womit sich die Werbetreibenden einen ökonomischen Erfolg erhoffen. Für die Kommunikationsforschung ergeben sich unterschiedliche Vorgehensweisen, um „den Einfluss von Musik auf Entscheidungsfindung und Verhalten“296 zu erklären. Während in der frühen Forschung der Werbemusik (1950er bis 1980er Jahre) der Fokus auf die Wirkung der Musikrezeption im audiovisuellen Kommunikationsprozess getrennt von den restlichen Werbemitteln lag, tendiert der folgende Forschungsschwerpunkt dazu, die Werbemittel kombiniert zu analysieren. Die dafür benötigte Interdisziplinarität findet ihren Kernpunkt in der Filmwissenschaft. Die Benutzung der Musik kann mit den Kompositionsformen der Filmmusik verglichen werden. Claudia Bullerjahn erwähnt in diesem Zusammenhang gar die Ähnlichkeit der Musikvideoästhetik mit der neuen Gestaltungsästhetik der Fernsehwerbespots. Immer stärker sind die visuellen mit den auditiven Mitteln im Werbespot gekoppelt, sodass die vollständige Verschmelzung der Audiovision (AV) wie beim Musikvideo gegeben ist. Dieser Trend geht zum Teil mit der Zielgruppenbestimmung und der Ausrichtung nach dem jungen Publikum einher. Das bedeutet, dass „[e]ine informative, das heißt sprachlich-argumentative Werbung […] zunehmend einer emotional gestalteten [weicht].“297 Einerseits ist damit festzustellen, dass die Musik eine immer wichtigere Rolle in der Werbekommunikation einnimmt. Bullerjahn beschreibt die Wandlung vom anfänglichen kurzen Jingle zur mittlerweile durchgängigen musikalischen Kulisse in der audiovisuellen Werbung und konstatiert:298 „Eine vierminütige Werbepause kann nahezu komplett mit Musikklängen ausgefüllt sein, und es gibt Synergien zwischen Fern295 Jackson et al. (2013): S. 23. Bullerjahn (2009): S. 283. 297 Ebd.: S. 257. 298 Vgl. ebd.: S. 289. 296 82 sehwerbung und Musikvideo.“299 Dies bedeutet aber für die audiovisuelle Werbeforschung andererseits, dass sich zu den semantischen und deshalb oft quantitativ untersuchbaren Merkmalen auch qualitative Charakteristika gesellen. Bisher ist es der Forschung jedoch nicht gelungen, eine geeignete Methode zu finden, um die quantitativen und qualitativen Eigenschaften einer audiovisuellen Werbekommunikation zu untersuchen. Die in der vorliegenden Arbeit verwendete Forschungsmethode mit dem Transkriptionstool trAVis bildet eine gute Basis für eine quantitative wie auch qualitative Untersuchung des audiovisuellen Forschungsgegenstands. Aufgrund des sich noch im Entwicklungsprozess befindenden computergestützten Werkzeugs war das System leider mit der musikalischen Notation schnell überfordert. Dadurch konnte die parallele und chronologisch aufgesetzte Transkription der Bild-, Text- und Tonebene nicht komplett synchronisiert werden. Eine mögliche Begründung für die technische Schwierigkeit der Synchronisation liegt darin, dass die Befehlssprache im System nicht auf allen Ebenen gleich ist. Die Bildebene wird nämlich zum einen über Screenshots (quantitativ) und zum anderen über die ausgeschriebene Deskription (qualitativ) festgehalten. Die Transkription der Textebene erfolgt durch die schriftliche Übertragung der akustisch vernehmbaren Sprache (qualitativ). Und schliesslich kann die Tonebene einerseits durch Sprache deskribiert (qualitativ) und andererseits durch ein komplexes musikalisches Notationssystem, das aus Buchstaben und Satzzeichen besteht, transkribiert werden (quantitativ). Doch gerade in diesem Notationssystem fehlt beispielsweise die Eingabemöglichkeit der qualitativen musikalischen Dynamik, die für die Interpretation eines Musikstücks eine grosse Rolle spielt. Es muss deshalb ein System gefunden werden, in dem alle Aspekte, quantitative wie auch qualitative, in derselben Programmiersprache übertragen werden können. Somit könnte man die Fallanalysen auch besser miteinander vergleichen. Ein Vergleich der beiden vorgeführten Analysen ist zwar dennoch möglich, doch ist eine verallgemeinernde Gesetzmässigkeit anhand der beiden nicht fixierbar. Dafür müssen weitere Analysen getätigt werden, wie zum Beispiel die Untersuchung einer bestimmten Anzahl Werbespots derselben Marke. Hiermit 299 Ebd. 83 könnte eruiert werden, inwiefern sich die Marke über die Werbemusik definieren will beziehungsweise inwiefern sie sich damit identifiziert. Ein weiterer die Werbemusik direkt betreffender Forschungsaspekt ist, die Darstellungsvielfalt eines Musikstücks zu untersuchen. Bei welchen Marken wird dasselbe Musikstück eingesetzt und wo liegt der Unterschied in der audiovisuellen Werbekommunikation? Die vorgeführten Fallanalysen haben gezeigt, dass die Fernsehwerbungen mit differenten Formen der Audiovision arbeiten. Auf dieser Grundlage wäre es weiter lohnenswert zu analysieren, ob einerseits die geringe Anpassung der präexistierenden Musik im Werbespot immer eine Audiovision (Av) ist, oder ob andererseits eine grössere Adaptation der Musik stets zur gleichberechtigten Rezeption des Visuellen und des Akustischen (AV) dient. Im Anschluss an die erfolgte Analyse ist jedoch vor allem auf die eingangs genannten Eigenschaften der Werbung – Aufmerksamkeit, Interesse, Ablenkung – einzugehen. Die gewonnenen Einsichten liessen sich durch weitere Untersuchungen in Bezug auf die Rezeption ergänzen. Denn die ausgelegten Produktanalysen beziehen sich in erster Linie auf die Intention der Werbeproduzenten. Wie die Werbetreibenden den potentiellen Kunden auf das Produkt aufmerksam machen wollen, wie sie sein Interesse erwecken und wie sie von der umgebenden Informationsüberflutung ablenken, ist – wie sich gezeigt hat – erst durch eine vertiefte und detaillierte Untersuchung zu eruieren. Ob der Appell funktioniert und ob die Anwendung der Werbemittel – insbesondere der klassischen Musik – dieser intentionalen Vermarktung entsprechend wirkt, wären durch eine eingehende Rezeptionsanalyse zu überprüfen. 84 Quellenverzeichnis a.) Literatur ALLANBROOK, Wye Jamison: Rhythmic Gesture in Mozart. Le nozze di Figaro & Don Giovanni. Chicago: University of Chicago Press, 1983. BORCHMEYER, Dieter: Mozarts Oper. Theater des musikalischen Augenblicks. In: Mozarts Opern. Das Mozart-Handbuch. Bd. 3/1. Hrg. von Dieter Borchmeyer und Gernot Gruber. Laaber: Laaber, 2007. S. 3–12. BRÜGGE, Joachim: Einleitung In: Mozarts Orchesterwerke und Konzerte. Das MozartHandbuch. Bd. 1. 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