moderne einführung in die thermodynamik

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Univ.-Prof. Dr. Josef Tomiska
MODERNE EINFÜHRUNG
IN DIE
THERMODYNAMIK
(Für LA-Kandidaten)
UNIIVERSITÄT WIEN, WIEN 2010.
UNIV.-PROF. DR. JOSEF TOMISKA
_____________________________________________________________________
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gemäß Urheberrecht eine Vergütung an den Eigner zu zahlen, deren Höhe mit ihm
zu vereinbaren ist.
Zsuzsanna und Heide-Thérèse,
den beiden Damen meines Herzens,
in Liebe und Freude.
Inhalt
1.
1.1
1.2
1.3
Wärme
Wärme und Wärmeempfindung
Historische Wärme-Reminiszenzen
Der Brennstoff der Sonne
1
1
3
5
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
Unsere Beobachtungs- und Beschreibungstechniken
Phänomene, Objekte, Prozesse
Thermodynamik, kinetische Gastheorie und Statistische Physik
Moderne Wissenschaft
Variablen, Funktionen und Potentialfunktionen
„Strom“ (Transportleistung)
Bilanzen
8
8
9
12
14
17
18
3.
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
Energie
Arbeit, Kraft und Energie
Die Entdeckung der Energie
Heutige Energie-Definitionen
Eigenschaften der Energie
Energietransporte
Gibbs’sche Gleichung des Energieaustausches
20
20
22
24
26
28
30
4.
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
Systeme und Prozesse
Physikalische Systeme
Wechselwirkung
Zustand
Prozess
Energiewandler, Wirkungsgrad und Heizwert
34
34
36
37
38
39
5.
5.1
5.2
5.3
5.4
Temperatur (Wärmezustand)
Temperaturmaße
Empirische, absolute und dynamische Temperatur
Messmethoden
Geschwindigkeitsabhängigkeit der Temperatur (Für Interessierte)
41
41
42
43
44
6.
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
Energie und Entropie
Entropie
Die Erzeugung von Entropie
Innere Energie U
Die Rolle von Hauptsätzen in der Naturwissenschaft
Moderne Form der Wärmehauptsätze
Ältere Formulierungen der Wärmehauptsätze
48
48
51
52
56
57
59
7.
7.1
7.2
7.3
7.4
Materiezustände
Aggregatzustände der Körper
Phasen
Änderungen der Aggregatzustände
Wärmeausdehnung
60
60
62
62
63
8.
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
8.6
8.7
Gleichgewichte, Energiefunktionen
Synonyme Energiebezeichnungen
Gleichgewichte
Übergang zwischen den einzelnen Energiefunktionen
Molare Wärmekapazität
Temperaturabhängigkeit thermodynamischer Funktionen
Die molaren Mischungsfunktionen
Experimentelle Bestimmungsmethoden
für die molaren Zusatzfunktionen
65
65
66
69
71
72
72
9.
9.1
9.2
Chemische Reaktionen
Reaktions- und Bildungsenergie
Beispiele
79
79
82
10.
10.1
10.2
10.3
10.4
10.5
Gase
Gase und Dämpfe
Das ideale Gas
Die realen Gase
Transporterscheinungen bei Gasen
Carnot’scher Kreisprozeß
84
84
85
87
90
90
11
11.1
11.2
11.3
Energienutzung
Von uns benutzbare Energieformen
Großtechnische Kraftwerke (Für Interessierte)
Energiespeicherung
94
94
95
98
Literatur
76
99
1.
Die „Wärme“
1.1
„Wärme“ und Wärmeempfindung
„Wärme“ ist ein physiologisches Gefühl, das nicht nur wir Menschen empfinden, sondern vermutlich sehr viele biologischen Lebewesen, denn das rechte Maß an
Wärme ist entscheidend für unser Überleben. Nur lebende Körper weisen ein „Wärmegefühl“ auf, das durch ganz bestimmte, physikalische Abläufe in den Organismen
verursacht wird. Das Wärmegefühl ist daher ein physiologisches Messinstrument, genauso wie Hunger und Durst: Sie alle warnen ihre Organismen vor Unregelmäßigkeiten in der Versorgungslogistik: Hunger indiziert Verknappung des unmittelbar verwertbaren Energievorrates, Durst meldet Nachfüllbedarf an Flüssigkeit, und das „Wärmegefühl“ warnt vor gefährlichen Tendenzen in den Veränderungen unseres inneren
„Wärmezustandes“. Das Wärmegefühl ist also ein individuelles Maß des „Wärmezustandes“ von Objekten. Objektiviert wurde es durch die Einführung von „Temperaturskalen“. Die „Temperatur“ ist also das Maß für den „Wärmezustand“ von Objekten.
Der Begriff „Wärme“ wurde allerdings im Laufe unserer Kulturgeschichte auf
vielfältige Weise ausgeweitet. Insbesondere wurde das Wort „Wärme“ bald auch als
Bezeichnung der Verursacher aller Geschehnisse in der Natur verwendet, bei deren
Wirken wir eine Veränderung unseres Wärmegefühls empfinden. Heute wissen wir,
dass unser Wärmegefühl immer dann verändert wird, wenn eine ganz spezielle Form
von Energieübertragung stattfindet - und zwar jene, welche die ungeordnete, regellose
Bewegung der Atome und Moleküle verstärkt oder abschwächt. Diese spezielle
Transportform der Energie (auch: „Energieform“) nennen wir daher „Wärmeenergie“
oder „thermische“ Energie.
Auf Lateinisch heißt „Wärme“ „calor“ und auf Griechisch „thérme“. Diese drei
Begriffe sprechen daher identisch dasselbe an. Wir machen in unserem Sprachgebrauch einzig und alleine nur deshalb Unterschiede, weil wir es so gewohnt sind. Aus
reiner Tradition verwirren wir uns also, indem wir die Identität von „Kalor“, „Thermo“
und „Wärme“ nicht herausstreichen. Damit sind aber auch „kalorisch“ und „thermisch“
nur Fremdwörter zu dem etwas unüblichen deutschen Wort „wärmisch“.
Viele andere Einteilungen und Bezeichnungen, die heute noch in unseren Naturwissenschaften - insbesondere in der Thermodynamik - gebräuchlich sind, erweisen
sich bei näherer Überlegung ebenfalls als überholt, und zuweilen sogar irreführend, da
sie uns den Blick verstellen auf die Wirkungsweisen und Zusammenhänge, wie sie von
1
der modernen Wissenschaft gesehen werden. Dennoch behalten die allermeisten Forscher und Lehrer solche Begriffsbildungen bei - aus vielerlei Gründen, die wir aber hier
nicht einmal im Ansatz diskutieren wollen, da wir uns hier mit physikalischen Fragen
beschäftigen wollen.
Das Festhalten an überholter Systematik und Terminologie ist wesentlich verantwortlich dafür, dass die Wärmephänomene unserer Welt so schwierig zu verstehen
sind und dementsprechend oft auf unverschuldete Ablehnung treffen. Es finden sich in
der Literatur allerdings einzelne Autoren, welche sich der didaktischen Aufgabe unterzogen haben, diese Traditionsphalanx zu durchbrechen, eine Begriffsbereinigung
durchzuführen und eine deutlich verständlichere Einführung in die Welt der Thermodynamik zu suchen. Ich schließe mich ihnen aufgrund meiner Liebe zur Natur aus voller
Überzeugung an.
Wir wissen heute, dass jede einem Körper zugeführte „Wärmeenergie“ zu einer
Erhöhung der Beweglichkeit seiner Moleküle führt, dass dadurch die Bewegungsenergie der Körpermoleküle erhöht wird. Abkühlung ist der Umkehrvorgang, die Bewegungsenergie der Körpermoleküle wird verringert. Die Bewegungsenergie (auch: kinetische Energie) der Moleküle ist aber nicht die Erklärung für die „Wärmeenergie“, ansonsten wären diese beiden Energieformen ja identisch und wir könnten bei unseren
Autos davon sprechen, dass bei einer abrupten Abbremsung „Wärmeenergie“ vernichtet wird. Das genaue Gegenteil ist der Fall: die Bewegungsenergie des Autos wird in
die Energieform „Wärmeenergie“ transformiert. Thermische Energiezufuhr erhöht nur
die Eigenbeweglichkeit der Moleküle des Zielobjektes indem sie dort eben in Bewegungsenergie der Moleküle umgewandelt wird!
Der Wärmezustand (die Temperatur) der Objekte ist immer streng zu unterscheiden von der Wärmeenergie (früher: Wärmeinhalt), die wie alle anderen Energieformen auch dem Energieerhaltungssatz unterliegt. Eine Änderung der Temperatur
(des Wärmezustandes) ist nicht identisch mit der Zu- oder Abfuhr von Wärmeenergie.
„Wärme“ oder „Wärmemenge“ sind völlig korrekte Begriffe zur Charakterisierung von
Veränderungen in der Natur, nicht jedoch für statische Beschreibungen. Ein Körper
wird erhitzt, wenn ihm Wärmeenergie zugeführt wird. Dadurch wird selbstverständlich
die (Gesamt-)Energie und die Temperatur des Körpers erhöht, aber nicht seine „Wärmemenge“! Körper verfügen über Impuls, Volumen, ... sowie auch Energie, aber nicht
über „Wärme“. Sie befinden sich zwar immer in „Wärmezuständen“, sie weisen also
„Temperaturen“ auf, haben aber keine „Wärme“, sondern verfügen über „Energie“.
2
Wir sollten daher unsere Sprachgewohnheiten modifizieren und statt von
„Wärme“ besser ausschließlich von „Wärmeenergie“ oder „thermischer“ Energie sprechen. Und stets dabei vor Augen haben, dass Wärmeenergie weder identisch ist mit
der kinetischen Energie von Teilchen, noch einen separierten Anteil der Energie darstellt. „Wärmenergie“ ist eine Energieform, die ausschließlich nur bei Energieaustäuschen auftritt, ebenso wie die „kinetische“ Energie, die „elektrische“ Energie und all die
anderen Energieformen auch, wie wir später noch genauer sehen werden.
1.2
Historische Wärme-Reminiszenzen
Nicht nur im submikroskopisch Kleinen besteht eine enge Verbindung zwischen
Bewegungsabläufen und Wärmephänomenen, sondern auch in unserer Alltagswelt:
Erhitztes Wasser beginnt nicht nur zu dampfen, sondern auch zu brodeln. Heiße Luft
über den Straßen und Dächern zeigt oft Schlieren, ... Griechische und römische Gelehrte kannten diese Fakten ebenfalls und so darf es uns nicht verwundern, dass sie
von einer Identität zwischen Wärme und Bewegung überzeugt gewesen waren. Der
englische Philosoph, Politiker und Naturforscher Francis Bacon (1561-1626), der die
rational geplante Empirie in unsere Wissenschaft einführte, erklärte, dass es auch eine
Umformbarkeit zwischen Wärme und Bewegung gibt, was immer er darunter verstanden haben mochte.
Das Phänomen „Wärme“ war in vielen Kulturen auch geistig, philosophisch
spannend: (i) Vielfach wurde der Gegensatz von „Warm und Kalt“ als der entscheidende Motor für das Werden und Vergehen in dieser Welt angesehen. (ii) In der Elementenlehre des Aristoteles sind „warm“ und „kalt“ zwei der vier Grundqualitäten (die
beiden anderen sind „trocken“ und „feucht“). Dieses Begriffssystem bildete die Grundlage der mittelalterlichen Chemie.
Das „Phlogiston“ (phlogistos (gr.): verbrannt) war die erste wissenschaftliche
Idee, um alle jene Naturvorgänge einheitlich zu deuten, die wir heute als Oxidationserscheinungen (also: Verbrennung, Rosten) bezeichnen (1667 von Becher erfunden, ab
1697 von Stahl ausgebaut). Der Besitz von Phlogiston sollte den Körpern die Brennbarkeit ermöglichen. Das Verbrennen bedeutete nach dieser Ansicht, dass das körpereigene Phlogiston entwich. Während fast des gesamten 18. Jh. war diese Theorie
allgemein anerkannt und Fundament der Erklärungen.
3
Erst gegen Wende zum 19. Jh. mehrten sich die Widersprüchlichkeiten: Gewichtsvermehrung bei Verbrennung von Metallen, die Unmöglichkeit, das Phlogiston
zu isolieren, oder abzuwägen, seine negative Schwere! Nach der Entdeckung des
Sauerstoffes (1775) setzte allmähliches Umdenken ein, Lavoisier entwickelte die bis
heute voll anerkannte Oxidationstheorie.
Andere hatten die Idee des „Caloricums“, welches auch bei bloßer Erwärmung
– und nicht nur bei Verbrennung – als eine Art Wärmestoff, von einem System in ein
anderes überzugehen hatte. 1798 zeigte Graf B. (Thomson) Rumford, dass sich durch
Reibung beliebig viel Wärme erzeugen lässt. Seine Erkenntnis daraus war, dass
Wärme daher auf gar keinen Fall durch einen Wärmestoff („caloricum“) hervorgerufen
werden könne. Auch die 1799 von Davy durchgeführten Versuche, in denen er Eisstückchen durch Reibung im Vakuum zum Schmelzen brachte, sprachen gegen die
Wärmestofftheorie.
Die aus heutiger Sicht falsche Annahme eines Wärmestoffes, brachte es im 18.
Jh. dennoch zu brauchbaren, mit verschiedenen experimentellen Ergebnissen scheinbar in Einklang stehenden Resultaten, so etwa bei der Erklärung der Wärmeleitung
durch Fourier und bei kalorimetrischen Vorgängen. Um etwa 1850 wurde die Wärme
von Joule als äquivalent zur – damals noch rein mechanisch gedachten – Energie erkannt.
Mechanisches Wärmeäquivalent: Der Umrechnungsfaktor j zwischen der in
Kalorien angegebenen Wärmemenge Q und der mechanischen Arbeit A = j Q.
Elektrisches Wärmeäquivalent: Das Verhältnis zwischen einer in elektrischen
Einheiten und einer gleich großen in Wärmeeinheiten ausgedrückten Energie.
Durch die Einführung des SI-Systems sind die Wärmeäquivalente selbst als
Umrechnungsfaktor völlig gegenstandslos geworden.
Bemerkung: Niemand käme aber auf die Idee, den Umrechnungsfaktor zwischen
Seemeile und Kilometer etwa als „Nautisch-Metrisches Längenäquivalent“ zu bezeichnen. Es ist daher sinnvoll, von den Begriffen der „Wärmeäquivalente“ wegzukommen und die Wärme als Austauschform der Energie („Energieform“) endlich
vollinhaltlich zu akzeptieren.
4
1.3
Der Brennstoff der Sonne
Jedem war stets klar, dass die Sonne uns Licht und Wärme spendete, denn an
trüben Tagen und während der Nacht ist es deutlich finsterer und kälter. Nur über die
Menge an Hitze und Leuchtkraft, die wir hier auf unserer Erde konsumieren, waren offensichtlich kaum Überlegungen angestellt worden und es herrschten -retrospektiv betrachtet - unglaublich naive Ansichten. Es wäre aber auch schwierig gewesen, auch
nur halbwegs real abzuschätzen, welche Anforderungen unsere Sonne zu erfüllen hat,
bevor wir Energiebilanzen zu erstellen in der Lage waren. Anaxagoras (500-428 v.
Chr.), ein Freund des Perikles, hat die Sonne wenigstens als einen glühenden Stein
gesehen, der vielleicht größer sein konnte als der gesamte Peloponnes. Vor ihm meinten sie, Helios führe mit seinem Sonnenwagen, ... .
Die Sonne strahlt auf jeden Quadratmeter unserer Erdoberfläche eine Energieleistung von knapp 1,4 Kilowatt. Das scheint nicht sehr viel zu sein, aber die Fläche
von Österreich würde dennoch in etwa schon genügen, um mit Hilfe des derzeit bei
Photoelementen nutzbaren Wirkungsgrades den Energiebedarf der jetzigen Menschheit zu decken! Insgesamt strahlt auf unsere Erde eine Energieleistung von 170 Billionen Kilowatt (1,7.1014 kW) ein, davon erreicht allerdings nur etwa ein Zehntel die Erdoberfläche, der überwiegende Teil wird von unserer Atmosphäre absorbiert. Dabei trifft
nur ein winzig kleiner Teil der Sonnenstrahlung auf unsere Erde. Knapp fünfzig Quadratmeter Sonnenoberfläche strahlen schon die Energieleistung des Niagarafall-Wasserkraftwerks ab. Bei einem Sonnendurchmesser von knapp 1,4 Millionen km ergibt
das eine Abstrahlung, die den Energiezufluss auf unsere Erde um das Zweimilliardenfache übersteigt. Und dieser Energiefluss wird von der Sonne seit über 4 Milliarden
Jahren ununterbrochen abgestrahlt!
An der Oberfläche ist unsere Sonne „bloß“ etwa 5500 Grad heiß, aber in ihrem
Kern müssen Temperaturen von fünfzehn Millionen Grad herrschen. Die Sonne hat
auch sonst gigantische Dimensionen: Denken wir uns ihren Mittelpunkt in den Erdmittelpunkt verlegt, dann würde unser Mond noch innerhalb der Sonne fliegen, und zwar
in etwa bei zwei Drittel des Sonnenradius. Die Sonnenoberfläche wäre also in diesem
Modell um die halbe Mondentfernung weiter draußen als dessen Bahn um die Erde.
Die Sonne besteht zwar zu dreiviertel aus Wasserstoff, zu etwa 23 % aus Helium und
nur bloß 2 % von ihr sind schwere Elemente. Aber der Wasserstoff ist in ihrem Innern
so dicht zusammengepresst, dass seine Dichte zwölf Mal höher ist als die von Blei!
5
Aufgrund der enormen Hitze flitzen diese Wasserstoffkerne aber trotz der dichten Packung mit 600 km/sec herum, also mit stolzen 2 Millionen Stundenkilometer!
Es gibt keinen Brennstoff, mit dem unsere Sonne auch nur annähernd die Hitze- und Lichtmengen produzieren könnte, die sie pausenlos in den Weltraum abstrahlt:
Weder als Ofen für Gas-, Öl- oder Kohleverbrennung, denn die Sonne hätte bei Verbrennung unserer herkömmlichen Heizmaterialien nur eine Lebenszeit von ein paar
tausend Jahren gehabt - und das unter drastischer Reduzierung ihrer durchaus imposanten Masse (333 000 Erdmassen), so dass sie bald nicht mehr in der Lage gewesen
wäre, die Planeten auf ihren Bahnen um sie zu halten.
Nicht einmal die Entdeckung der Radioaktivität half, wenngleich sofort richtig
vermutet worden war, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang auch mit dem Energiehaushalt der Sonne und aller anderen Sterne stehen müsse. Aber selbst diese
Energiebereitstellung ist viel zu schwach. Es gab in unserem Wissen um die Welt keinerlei Hinweis, woher unsere Sonne ihre ungeheuren Energien beziehen könnte. Keine Philosophie, kein naturwissenschaftliches Modell ergab irgendeinen Anhaltspunkt.
Insbesondere versagten die scheinbar so einsichtigen Weltbilder der Antike und die
Vorstellung von einer mechanischen Welt in dieser Frage völlig. Erst die Kombination
von Relativitätstheorie und Quantenmechanik lässt uns schlüssig erklären, wie der
Energiehaushalt unserer Sonne aussieht:
Bei der Umwandlung („Fusion“) von nur einem Gramm Wasserstoff in Helium
wird eine Energie von 25 Millionen Kilowattstunden frei. Die Sonne muss im Jahr natürlich deutlich mehr Wasserstoff in Helium umwandeln, nämlich über 100 Billionen
Tonnen (1,35 .1017 kg). Sie verkraftet dies bei ihrer Gesamtmasse (2 .1030 kg) locker
ein paar Milliarden Jahre ohne merkliche Veränderung ihrer Schwerewirkung. Denn
der daraus resultierende Massenverlust ist bloß ein hundertstel Prozent pro Milliarde
Jahre. Wir bemerken, wie zwanglos selbst die ungeheuren Energieverluste unserer
Sonne mit Hilfe der modernen Weltmodelle zu erklären sind. Für Interessierte zeigt
Bild 1-1 den Hauptzyklus der Umwandlung von Wasserstoff in Helium. 1 Gramm Wasserstoff liefert 25 Millionen kWh. Damit können 1000 100W-Lampen fast 30 Jahre leuchten!
6
Proton
+
N e u tro n
P ro to n
N e u tro n
1.
Wassers toffk ern
2
H (D eu te riu m )
+
P ro to n
N e u tro n
+
N e u tro n
P ro to n
N e u tro n
P ro to n
2.
3
H eliu m
+
N e u tro n
P ro to n
N e u tro n
P ro to n
3.
N e u tro n
P ro to n
4
H eliu m
Bild 1-1. Das Heizmaterial der Sonne: Fusion von Wasserstoff zu Helium.
1 Gramm Wasserstoff liefert 25 Millionen kWh. Damit können
eintausend 100-W-Lampen fast 30 Jahre leuchten!
7
2.
Unsere Beobachtungs- und Beschreibungstechniken
Wir Menschen vermeinen, Veränderungen zu bemerken. Alles andere ist bereits menschliche Begriffswelt. Die Kulturgeschichte unserer Menschheit ist gleichzeitig auch die Geschichte unserer Irrungen in den Zusammenhangsbildungen zwischen
unserer Beobachtungen der Geschehnisse in der Natur. Bekannte Schlagwörter dafür
sind die Kopernikanische Wende, durch welche wir aus dem geozentrischen in das
heliozentrische Weltbild katapultiert werden mussten und die Descarte’sche Erkenntnis, dass wir mitnichten Kraft benötigen, um einen ungestörten Bewegungszustand
aufrechtzuerhalten, sondern im Gegenteil einzig zu dessen Veränderung (bei Newton
dann sein „Trägheitsgesetz“). Desgleichen die Revolutionen in unserer Natursicht,
welche durch die Relativitätstheorien und durch die Quantenmechanik ausgelöst worden sind. Und auch unser Verständnis aller Geschehnisse unserer Welt, die wir mit
dem Begriff „Wärme“ in Verbindung bringen.
2.1
Phänomene, Objekte, Prozesse
In der Naturwissenschaft bezeichnen wir alles, was aus der Natur über unsere
Sinnesorgane in unser Bewusstsein dringt als „Phänomene“ (phainomai (gr.): leuchten, erscheinen), Geschehnisse oder Ereignisse. Ziel unserer Wissenschaft ist es nun,
möglichst viele dieser Beobachtungen aus der materiellen Umwelt zu verstehen. Wobei der Begriff „Verstehen“ für sehr unterschiedliche Ansprüche steht: Den einen genügen rein empirische Regeln der tatsächlichen oder vermeintlichen Zusammenhänge
von verschiedenen Phänomenen. Andere wieder verlangen, dass für unser „Verständnis“ eines Naturereignisses dieses aus der Wirkungsweise allgemein gültiger Prinzipien herzuleiten sein muss.
In der Praxis haben wir es immer mit einer Mischung aus verschiedenen Verständnisebenen zu tun. Unsere Umwelt können wir in verschiedenen Formen betrachten: Die einfachste Form ist die unmittelbar von uns mit unseren Sinnesorganen wahrgenommene, wir bezeichnen sie dementsprechend auch als „phänomenologische“
oder „makrokopische“ Sicht. Hier werden Umweltgeschehnisse behandelt, die aus einer großen Anzahl von Einheiten bestehen (Atomen, Molekülen oder Molekülaggregaten).
8
Schon seit Anbeginn unserer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der
Natur - also seit den Vorsokratikern - wollen wir die Geschehnisse in der wahrgenommenen Umwelt auch aus dem Wirken von allgemein gültigen, kleinen Objekten heraus
erklären. Letztere Sicht nennen wir heute „mikroskopisch“, weil wir herausgefunden
haben, dass tatsächlich die Gesetzmäßigkeiten der subatomaren, atomaren und molekularen Welt einen Großteil der makroskopisch wahrgenommenen Phänomene bewerkstelligen. Allerdings nicht alle, denn das Zusammenwirken einer großen Anzahl
von Objekten kann völlig neue, makroskopische Ordnungsstrukturen schaffen. Das gilt
insbesondere für jene Naturphänomene, die wir unter dem Thema „Wärme“ untersuchen.
Die materielle Welt, in der wir leben und mit der wir durch unsere Sinnesorgane
kommunizieren, unterteilen wir gerne ganz allgemein in Objekte (und/oder „Systeme“)
einerseits und in „Prozesse“. Als Objekte (und/oder „Systeme“) verstehen wir dabei
jene Dinge in der materiellen Natur, die wir durch bestimmte (willkürliche) Charakteristika vom restlichen Universums unterscheiden: Körper, Stoffe, Teilchen, Ströme, Ladungen, Massen(punkte), usw. Konkrete Beispiele sind Hunde, die Sonne, ein Stein,
ein Zellkern, ein Liter Wasser, die Photonen eines Lichtpulses, die Lufthülle der Erde
und unsere Milchstraße.
Wir bezeichnen die Objekte oft auch nach den Teilbereichen der Naturwissenschaft, in denen sie vorrangig behandelt werden und sprechen demnach oft von atomaren, optischen, thermodynamischen, ... Objekten. Objekte der Natur stehen im Allgemeinen untereinander in Wechselbeziehung. Als „Prozesse“ bezeichnen wir alle
Geschehnisse, die wir an den Objekten bemerken. Beide Begriffe beschäftigen uns in
Kapitel 4.
2.2
Thermodynamik, kinetische Gastheorie und Statistische Physik
Alle drei beschäftigen sich mit den Veränderungen, die durch Wärmeaustausche in unserer Umwelt hervorgerufen werden, jede von ihnen nach einem etwas anderen Gesichtspunkt.
2.2.1 Thermodynamik. „Thermo“-„Dynamik“ ist die „Lehre von der bewegten Wärme“. Sie ist eine rein phänomenologische, aber in sich abgeschlossene Theorie zur
Beschreibung makroskopischer, d.h. den Messungen direkt zugänglicher Eigenschaf-
9
ten der Materie. Sie ist vollkommen unabhängig vor unserem Wissen um die molekulare Struktur der Materie entwickelt worden. Daher sind thermodynamische Teilchen als
rein geometrische Punkte konzipiert, rein mathematische Objekte also, ausdehnungslose Punkte, die sich völlig anders verhalten müssen als die realen Moleküle unserer
Materie:
Bei der laminaren Strömung etwa bewegen sich sämtliche Gas- oder Flüssigkeitsteilchen der Thermodynamik stoßfrei auf Parallelen, während die realen Moleküle
selbstverständlich der Brown’schen Molekularbewegung folgen, also völlig unvorhersagbare Zick-Zack-Bewegungen durchführen, die dadurch entsteht, dass mit zunehmender Materiedichte die Moleküle in immer kürzeren Abständen aneinander stoßen.
Form und Struktur der Thermodynamik, ihre Argumentationsweise wurde auf
drei empirischen Hauptsätzen aufgebaut. Wichtig ist dabei, sich stets bewusst zu sein,
dass die drei grundlegenden Erfahrungssätze der Thermodynamik Existenzaussagen
sind, die allerdings experimentell so gut wie wenig anderes unseres Wissensschatzes
abgesichert sind. Der erste stellt fest, dass Wärme eine Energieform ist, der zweite
hält fest, dass wir i.a. Wärme nicht ohne Verlust in andere Energieformen umformen
können. Der dritte Wärmehauptsatz drückt unsere Erkenntnis aus, dass wir mit unseren menschlichen Mitteln den absoluten Temperaturnullpunkt nicht erreichen können.
2.2.2 Kinetische Gastheorie. Die kinetische Gastheorie ist eine rein klassische
Theorie. Sie gehört in das Gebiet der statistischen Mechanik (Physik) und beschäftigt
sich mit der Berechnung der makroskopischen thermodynamischen Eigenschaften und
Gesetzmäßigkeiten der klassischen Gase aufgrund von Teilcheneigenschaften. Insbesondere die Relationen zwischen Druck p, Volumen V, Temperatur T, Teilchendichte n
und innerer Energie U und die Transporteigenschaften der Wärmeleitung, Diffusion
und dem Teilchenstrom (innere Reibung).
Im Gegensatz zur Thermodynamik benützt die kinetische Gastheorie bereits
ein Modell über das mikroskopische Verhalten der Materie: Die Gasteilchen müssen
sich bewegen, sie zeigen Impuls, legen Wege zurück und stoßen zusammen. Die Berechnung geht von statistischen Annahmen über das kinetische Verhalten der einzelnen Gaspartikel aus. Die kinetische Gastheorie geht davon aus, dass die makroskopisch bemerkten Impuls- und Energieübertragungen durch sich unterschiedlich bewegende Teilchen geschehen. Sie übernimmt dabei die Erkenntnisse der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die uns zeigen, in welchen Rationen sich eine Menge auf einzelne
10
Positionen verteilt, wie groß die häufigste (wahrscheinlichste) Ration ist, wie groß die
durchschnittliche (mittlere) Ration ist, usw.
Daher arbeitet die Kinetische Gastheorie mit „mittleren“ und „wahrscheinlichsten“ Geschwindigkeiten, und ebensolchen Weglängen, die von den einzelnen Teilchen
ohne Zusammenstoß zurückgelegt werden können („Freie Weglängen“).
Die kinetische Gastheorie ist allerdings den hochgesteckten Erwartungen in sie
nicht gerecht geworden, wie aus dem Urteil von Max Planck klar hervorgeht: „Indessen
scheinen nach den ersten glänzenden Resultaten der kinetischen Gastheorie ihre
neueren Fortschritte den daran geknüpften Erwartungen nicht zu entsprechen; bei jedem Versuch, diese Theorie sorgfältiger auszubauen, haben sich die Schwierigkeiten
in bedenklicher Weise gehäuft. Jeder, der die Arbeiten derjenigen beiden Forscher
studiert, die wohl am tiefsten in die Analyse der Molekularbewegungen eingedrungen
sind: Maxwell und Boltzmann, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass
der bei der Bewältigung dieser Probleme zu Tage getretene bewunderungswürdige
Aufwand von physikalischem Scharfsinn und mathematischer Geschicklichkeit nicht im
wünschenswerten Verhältnis steht zu der Fruchtbarkeit der gewonnenen Resultate.“
2.2.3 Statistische Physik. Teilgebiet der theoretischen Physik, das makroskopische
Eigenschaften der Materie auf atomare und molekulare Gesetzmäßigkeiten zurückführt. Grundlegende Voraussetzung ist dabei, dass die betrachteten Systeme, z.B.
Gase, aus sehr vielen Teilchen bestehen. Solche Systeme lassen sich nicht mit den
Methoden der klassischen Mechanik behandeln; vielmehr betrachtet man makroskopische und messbare Größen wie Temperatur, Wärmeleitfähigkeit etc. und definiert sie
als Mittelwerte über die Teilchen des Systems, berechnet sie also über dessen statistische Eigenschaften.
Hauptanwendungsgebiet der statistischen Mechanik ist die Thermodynamik,
wo man sie zur tieferen Begründung der Hauptsätze und zur Berechnung der thermodynamischen Funktionen heranzieht. Die Bewegung jedes einzelnen Teilchens muss
natürlich mit Hilfe der entsprechenden Bewegungsgleichungen beschrieben werden.
Da sich die einzelnen Teilchen ganz unterschiedlich verhalten können, ist es nicht
möglich, mit einer einzigen statistischen Physik das Auslangen zu finden.
Wir kennen drei grundlegend von einander unterschiedliche Teilchentypen, für
die wir die entsprechenden statistischen Gesetzmäßigkeiten herauszufinden haben: (i)
Die idealen Gedankengebilde der klassischen Teilchen, und die beiden unvereinbaren
11
Gruppen quantenmechanischer Teilchen: (ii) Fermionen, die halbzahligen Spin aufweisen und dem Pauliverbot unterworfen sind und die (iii) Bosonen mit ganzzahligem
Spin, die sämtliche vom Pauliverbot unberührt bleiben. Entsprechend heißen die drei
statistischen Mechaniken auch:
1-
Klassische oder „Boltzmann“- Statistik. Sie beschreibt die Wärmephänomene
von Materie, die aus klassischen Teilchen zusammengesetzt gedacht werden
kann.
2-
Fermi-Dirac Statistik. Sie ist gültig für alle Fermionen, also für Teilchen, die sich
alle voneinander energetisch unterscheiden müssen, wo sich also höchstens
zwei Teilchen den energetischen Grundzustand teilen können (Spin ±n/2). Alle
anderen müssen selbst am absoluten Nullpunkt höhere Energien aufweisen,
wobei die dort höchste, notwendige Energie „Fermikante“ oder „Ferminiveau“
heißt.
3-
Bose-Einstein-Statistik, für alle Bosonen, von denen sich beliebig viele in einen
gemeinsamen energetischen Grundzustand fallen lassen können. Letzteres
heißt entartetes Bosegas, Beispiele dafür sind das Elektronengas in Metallen
und das suprafluide He-II der Zweiheliumtheorie von Landau.
2.3
Moderne Wissenschaft
„Wissenschaftlich“ heißt gemeinhin dasjenige Wissen einer Zeit, „welches
durch Forschung, Lehre und überlieferte Literatur gebildet, geordnet und begründet
wurde und das daher in dieser Zeit für sicher erachtet wird“. Unter „Forschung“ haben
wir dabei „die Gesamtheit der methodisch-systematischen, schöpferisch-geistigen
Bemühungen im Rahmen der Wissenschaft zu verstehen, die zur Gewinnung neuer,
allgemein nachprüfbarer Erkenntnisse unternommen werden“.
Wenngleich diese Formulierungen an Zirkeldefinitionen erinnern, wird dennoch
die Forderung nach allgemeiner Nachprüfbarkeit deutlich akzentuiert. Die „Wissenschaft“ wird demnach grundsätzlich von der Spekulation unterschieden, auch wenn
jede „Wissenschaft“ immer auch Ordnungsprinzipien braucht, die zumeist aus gewohnten Denkmustern und/oder Wunschvorstellungen stammen und daher Glaubensangelegenheiten darstellen: Denn „Ordnung“ bedeutet in unserem Sprachverständnis ja: „Das Zusammengefügtsein einer Vielheit von Teilen und/oder Elementen
zu einem einheitlichen Ganzen unter einem bestimmten Ordnungsprinzip bzw. Sys-
12
tem. Die Art und Weise also wie etwas geordnet ist.“ „Prinzip“ ist wiederum bloß ein
Grundsatz, eine Grundnorm, eine Grundregel.
Ordnungsprinzipien - auch jene der Wissenschaft - sind also aus unserer
menschlichen Vorstellungswelt heraus entstanden, weil sich die Schöpfer von Ordnungsprinzipien dabei etwas gedacht haben müssen. Sie sind tatsächlich einzig und
alleine Glaubensüberzeugungen und kein „Absolutes Wissen“, keine jenseits all unserer Erfahrung für sich einfach als „wahr“ und „unumstößlich“ dastehenden Erkenntnisse. Daher können und müssen wissenschaftliche Ordnungsprinzipien auch nach
Bedarf ausgetauscht werden. Dazu gehört auch das Gebäude der Thermodynamik,
das sich aus heutiger Sicht deutlich kompakter und verständlicher bauen lässt als es in
seiner historischen Entwicklung entstanden ist.
Die moderne Naturwissenschaft wird durch einen Paradigmentausch verursacht: Jetzt steht die Machbarkeit im Vordergrund, nicht mehr der idealisierte Gedanke. In der Natur real existierende Gebilde sind Forschungsgegenstand und keine reinen Gedankenkonstruktionen mehr. Keine „idealen“ Teilchen und Körper, sondern reale. Daher gibt es auch keine beliebig feine und beliebig schnelle Beobachtung mehr,
sondern Informationsbeschaffung ist Arbeit geworden, die durchgeführt werden muss auch mit allen Nachteilen, die reale Arbeitstätigkeit mit sich bringt, denn jede Beobachtung beeinträchtigt nunmehr das betrachtete Geschehnis.
Jede Beobachtung ist ja eine Frage an die Natur, ist Kommunikation mit unserer Außenwelt, mit dem, was wir Umwelt, Kosmos oder eben Natur nennen. Wir lernten im Laufe unserer Wissenschaft, dass wir für jede Kommunikation mit unserer Außenwelt ein Hilfsmittel brauchen, einen Botendienst. Das ist einer der fundamentalen
Gegensätze der modernen Naturwissenschaft zur klassischen Welt, die auf Newtons
Mechanik begründet war. Welche Kommunikationsmittel werden in unserem Kosmos
eingesetzt, welche können wir Menschen benützen und welche Bilder erhalten wir mit
ihrer Hilfe? Wir Menschen können auf zweierlei Art von Naturereignissen Kunde erhalten: Entweder fangen wir mit unseren Sensoren für die Außenwelt, den Sinnesorganen, kleine Boten in Form von Körperchen oder Licht ein, die von dem Naturereignis
ausgesandt werden oder wir schicken welche hin, von denen dann ein Teil reflektiert,
also wieder zu uns zurückgeworfen werden muss, damit wir Kunde von dem Ereignis
erhalten können.
Letzteres geschieht etwa überall dort, wo wir mit einer Lampe hinleuchten, wo
wir mit einem Stab tasten oder wo wir Schallwellen oder elektromagnetische Strahlen
13
aussenden - denken wir an die Radarortung, an das Echolot oder an die UltraschallOrientierung der Fledermäuse. Viele Blumen, jedes Parfum, jedes Essen ist genauso
Beispiel für Naturgeschehnisse, die von sich aus Boten aussenden wie die Sonne, das
Leuchtkäferchen, jeder bellende Hund ebenso wie der wehende Wind, das Rauschen
der Wellen und all die anderen Vorgänge in unserer Umwelt.
Dieses „Etwas“ das für uns Postbote, Informationsüberträger spielt, dieses „Etwas“ muss von unserem Körper bemerkt werden können - dazu haben wir unsere Sinnessensoren. Dieses „Etwas“ sind Energie-Impuls-Pakete. Die moderne Physik basiert
auf der tiefen Überzeugung, dass drei Naturphänomene an allen Vorgängen in unserer
Welt beteiligt sind. Es sind dies die Energie, der Impuls und der Drehimpuls (zumindest in Form der Wirkungsgröße). Diese drei Größen lassen sich weder von uns Menschen noch von irgendeinem uns bekannten Vorgang im Universum erzeugen oder
vernichten. Sie können nur lokal umverteilt werden.
Alles, was wir erleben, jede Veränderung in unserem Leben wird durch solche
lokale Neuverteilungen dieser drei Größen bewirkt – von den subatomaren Teilchen
über die Atome und Molekülen hin zum Spiel der komplexen Gebilde wie unserer Körper, den Planeten, Sonnen und den Galaxien. Für Interessierte sei etwa auf meine
beiden Bücher „Die Werkstatt der Natur - Eine moderne Einführung in die Quantentheorie“ und „Das kosmische Spiel - Die verständliche Welt der Relativitätstheorie“
(beide: Edition Volkshochschule, Wien 2005; auch bei mir erhältlich) verwiesen.
2.4
Variablen, Funktionen und Potentialfunktionen
Naturgrößen wie die Geschwindigkeit, Energie und Zeit zeigen sich in den verschiedenen Geschehnissen unserer Welt vielgestaltig: Einmal treten sie offen auf,
dann wieder maskiert als gebündelte Ensembles anderer Größen. Um ja jeglicher
Verwirrung zu entgehen, haben wir uns daher ein eindeutiges und sicheres Identifizierungssystem für die Naturgrößen geschaffen: Wir dokumentieren ihre unverwechselbare, spezifische Qualität mit Hilfe der „physikalischen Dimension“ (lat.: Ausmaß, Ausdehnung, Bereich). So haben etwa alle Wege, Längen, Breiten und Höhen dieselbe
Dimension „(Weg-)Länge“, gleichgültig, wie klein oder groß sie im konkreten Fall sind
oder in welchen Einheiten sie vermessen werden.
Für diese Dimensionen oder spezifischen Qualitäten gelten dieselben Regeln
wie für mathematische Zahlen - nicht verwunderlich, werden sie doch mit Hilfe so ge-
14
nannter „allgemeiner Zahlen“ oder „Variabler“ dargestellt. Alles, was sich verändern
kann, wird „variabel“ genannt. Alles, was von einem anderen Umstand abhängt ist
eben „abhängig“, eine „Funktion (Zuordnung)“. Diese Begriffe werden überall verwendet, in der Wirtschaft, Soziologie, ... Und auch in der Thermodynamik.
Die Energie tritt also überall dort auf, wo die spezifische Naturqualität (Dimension) „Energie“ vorhanden ist. Auch wenn dies nach einer Zirkeldefinition (Tautologie)
klingt, liegt hier keine vor, denn für die Dimensionen gelten dieselben Regeln wie für
mathematische Zahlen. Das muss so sein, weil ja die Dimensionen der Naturgrößen
mit Hilfe von „Variablen“ dargestellt werden. Ein Beispiel möge uns dies verdeutlichen:
Das Produkt von [3*12] liefert ebenso die Zahl 36 wie der Quotient von [72/ 2] oder die
zusammengesetzte Rechnung [42*6/ 7].
Die Zahl 36 zeigt sich daher nicht nur in ihrer direkten Zahlengröße, sondern
auch als das Ergebnis von passenden Verknüpfungen der unterschiedlichsten Zahlen.
Ganz genau so verhält es sich auch mit den physikalischen Qualitäten (oder Dimensionen) Energie, Kraft, Wirkung, usf. Wir können auch die physikalischen Dimensionen
miteinander multiplizieren oder durch andere dividieren. So gilt beispielsweise: (Arbeits-)Kraft = [Impuls/ Zeit] und Energie = Arbeit = [(Arbeits-)Kraft * Weg] = [Impuls *
Weg/Zeit] = [Impuls * Geschwindigkeit]. In Tabelle 2-1 sind einige Darstellungen wichtiger Naturgrößen angegeben.
Fundamentale Größen der Natur dürfen zudem kein allzu gutes Gedächtnis
haben, denn ansonsten wäre die Funktion des Universums unmöglich gemacht. So
darf beispielsweise das Verhalten eines H-Atoms nicht davon abhängen, wie oft es in
Form von Wasser die Donau hinab geflossen ist, ob es einmal am Schneeberg war
oder direkt von der Sonne eingestrahlt worden ist! Der augenblickliche Zustand darf
also nicht vom exakten Weg abhängen, wie es in die momentane Situation gelangt ist,
sondern nur von der Differenz zwischen der beobachteten Startposition und der erwünschten Ziellage. Das mathematische Werkzeug dazu ist die „Potentialfunktion“,
deren Wert wegunabhängig bestimmt wird (Ringintegral verschwindet, da Start und
Ziel identisch sind; Satz von Schwarz erfüllt, dass die gemischten 2. Ableitungen identisch sind). Alle wichtigen Naturgrößen müssen daher als Potentialfunktionen beschrieben werden können - sie sind also nur bis auf eine Eichkonstante genau bestimmbar. Beachten Sie bitte, dass das Produkt [Masse * Beschleunigung] die Kraft
nur bei „langsamen“ Transporten wiedergibt.
15
Tabelle 2-1. Einige wichtige physikalische Größen.
Energie E
= Kraft K . Länge l
= Impuls p . Geschwindigkeit v
Impuls p
= Masse m . Geschwindigkeit v,
Drehimpuls W
= Impuls p x Länge l
(Impulsmoment)
Wirkung W
= Impuls p . Länge l = Energie E . Zeit t
(Drehimpulsbetrag)
Geschwindigkeit v
= Länge l /(Zeit t)
= Energie E /(Impuls p),
Winkelgeschw. ω
= rad /( Zeit t)
= Energie E /(Drehimpuls W),
Kraft K
= Impuls p /(Zeit t)
Kraft K(für v<<c)
≅ Masse m . Beschleunigung b(für v<<c),
Beschleunigung b(v<<c) = Länge l/( Zeit t)².
2.4.1 „Extensive“ Größen: Erweiterung, Verallgemeinerung der „mengenartigen“
Größen derart, dass es auch dort angewendet werden kann, wo „Mengen“ Schwierigkeiten bereiten wie bei den „Feldern“. Bei Verdopplung des Systems doppelter Wert,
bei Drittelung nur ein Drittel des Werts. Beispiel: Impuls, Bewegungsenergie eines fahrenden Autos verändern sich, wenn die Lademasse verändert wird. Jede strömende
Größe muss extensiv sein.
2.4.2 „Intensive“ Größen: Das Gegenteil der extensiven; ihr Wert bleibt unabhängig
von der Systemgröße gleich. Geschwindigkeit eines fahrenden Autos bleibt gleich,
auch wenn seine Masse durch Wegwerfen eines Gegenstandes verändert wird. Ich
brauche in Folge nur weniger Energie, um den identischen Bewegungszustand aufrechtzuerhalten.
2.5
„Strom“ (Transportleistung)
Wir wissen aus dem Alltag, dass wir jede Transportleistung, also jede in der
Zeiteinheit (z.B.: Sekunde) transportierte Menge als Mengen-„Strom“ oder Stromstärke
dieser Menge bezeichnen. So sprechen wir von einem Wasserstrom, wenn sich Wassermassen an uns vorbei bewegen, von Menschenströmen auf den Straßen und vom
16
„elektrische Strom“, wenn elektrische Ladung verschoben wird. Ein Wasserstrom ist
also die in der Zeiteinheit transportierte Wassermenge (= [transportiertes Wasser/
Transportzeit]), der Menschenstrom gibt Auskunft, wie viele Menschen in der Zeiteinheit eine bestimmte Landmarke passieren und der elektrische Strom ist die in der Zeiteinheit durch einen Querschnitt verschobene elektrische Ladungsmenge.
Bei allen Materieströmen ist ihre Wucht, ihre Arbeitsfähigkeit, nicht von den
Stoffspezifika geprägt, sondern einzig von der Menge der pro Zeiteinheit transportierten, verschobenen Masse m (= [transportierte Masse ∆m/ Transportzeit ∆t]). Daher
heißen all diese Ströme auch „Massenströme“ jm,
jm := ∆m/∆t.
(2.5-1)
Es gibt aber auch viele andere Strömungsmöglichkeiten: Wird etwa elektrische
Ladung Q verschoben, dann fließt ein „elektrische Strom“ (= [transportierte Ladung ∆Q
/ Transportzeit ∆t]) jQ,
jQ := ∆Q/∆t.
(2.5-2)
Allgemein wird jede in der Zeiteinheit verschobene Menge Y als „Y-Strom“ jY
bezeichnet:
jY := ∆(Menge Y)/ ∆t.
(2.5-3)
Damit heißt die Transportleistung des Impulses p „Impulsstrom“ (=[transportierter Impuls ∆p / Transportzeit ∆t]) jp,
jp := ∆p/∆t,
(2.5-4)
die des Drehimpulses W „Drehimpulsstrom“ jW,
jW := ∆ W /∆t,
(2.5-5)
und jene der Energie E eben „Energiestrom“ (=[transportierte Energie ∆E/ Transportzeit ∆t]; auch kurz „Leistung“ genannt) jE:
17
jE := ∆E/∆t,
(2.5-6)
Der Impulsstrom jp ist uns allen unter dem Begriff „Kraft“ wohlbekannt, und die verschiedenen „Energieformen“ werden wir im nächsten Kapitel als Energieströme erkennen.
2.6
Bilanzen
Bilanzierungen sind eines der mächtigsten Werkzeuge in unseren Naturbetrachtungen, auch wenn sie kaum beim Namen genannt werden und daher für viele
völlig fremdartig klingen. Dabei ist uns das Bilanzieren vertraut: Wir notieren einfach
alles, was hereinkommt auf einen Zettel und auf einem anderen all das, was hinausgeht. Dann können wir zu ordnen beginnen, indem wir Ein- und Ausgangslisten für
einzelne Produktklassen anlegen. Die Differenzen sind die jeweiligen Vermehrungen
oder Verminderungen.
Der Vorteil dieser globalen Methode wird durch ein Beispiel verdeutlicht: Wir
haben zwei exakt gleiche Tassen, exakt gleich gefüllt - die eine mit reiner Milch, die
zweite mit reinem Kaffee. Jetzt nehmen wir einen Löffel voll Milch aus der Milchtasse
und schütten sie in die Kaffeetasse. Nach sorgfältigem Umrühren schütten wir einen
Löffel voll Kaffee-Milchgemisch zurück in die Milchtasse. Nun sind wieder beide Tassen gleich gefüllt. Frage: Ist in der Milchtasse weniger Kaffee als Milch in der Kaffeetasse oder mehr oder gleichviel? Eine kinetische Antwort wird arg kompliziert - wir
müssen jeden einzelnen Schritt genau durchdenken, insbesondere die Gemische. Aus
der Anfangs- und Endbilanz ergibt sich sofort die Antwort: gleichviel, unabhängig, wie
oft transportiert und durchgemischt worden ist.
Diese Bilanzierungen sind in der Naturforschung überall dort wichtig, wo es auf
Differenzmengen ankommt, wo uns interessiert, ob zwischen zwei Betrachtungen eine
Vermehrung oder eine Verminderung einer physikalischen Größe stattgefunden hat.
Da jede Veränderung auf Vermehrung oder Verminderung beruht, ist die Bilanzierung
in der Tat eines der wichtigsten Mittel in unserer Forschung. Insbesondere so abstrakte Gebilde wie Energie, Impuls, ... können fast nur durch solche Bilanzierungen erfasst
werden.
18
Für Versierte: Beweis, dass nach jedem Hin- und Herschütten eines vollen Löffels
sich in der Milchtasse immer exakt soviel Kaffee befindet wie in der Kaffeetasse
Milch.
1 Löffel voll = x (Volumen)
1Tasse Kaffee = 1 Volumen Kaffee = K
1Tasse Milch = 1 Volumen Milch = M
1 Löffel Milch (x M) dazu;
A) 1 Löffel Milch weg = x M weniger;
Inhalt der Kaffeetasse: [K + x M].
Inhalt der Milchtasse: (1-x) M.
B) Davon kommt jetzt ein Löffel voll
Hier kommt dieser Löffel Mischung da- weg, also
zu,
x = y [K + x M].
damit ist der Inhalt der Milchtasse jetzt:
Damit ist der Inhalt der Kaffeetasse jetzt:
1 = (1-x) M + y[K + x M].
(1-y)[K + x M].
Setzen auch hier für y ein :
Setzen von oben für y ein, dann erhalten
(1-x) M +x² M/(1+x) + x K/(1+x) =
wir
[M + x K]/(1+x).
[K + x M]/(1+x).
Da die Volumina M und K gleich sind, Da die Volumina K und M gleich sind,
haben wir auch in der Milchtasse jetzt haben wir in der Kaffeetasse jetzt wieder
wieder das ursprüngliche Volumen 1.
das ursprüngliche Volumen 1.
19
3.
Die Energie
„Wärme“ ist von uns in seiner Doppelbedeutung erkannt worden. Das physiologische Gefühl „Wärme“ haben wir bereits als Indikator für den Wärmezustand erkannt. Und ebenso lernten wir, dass die Veränderungen der Wärmezustände durch
spezielle Energieflüsse bewerkstelligt werden, die wir daher „Wärmeenergie“ oder
„thermische“ Energie nennen. Die thermodynamischen Phänomene unserer Welt können wir also nur dann begreifen, wenn wir die Naturgröße „Energie“ verstehen.
Die „Energie“ ist einer der ganz zentralen Begriffe unseres heutigen Lebens, er
wird aber vielleicht gerade deshalb auch in ungemein vielfältiger Weise verwendet: In
der Medizin anders als in der Esoterik, die Homöopathie versteht anderes als die Physik und im Alltag besteht mehr als Konfusion: Fühlen wir uns müde, abgespannt, dann
bezeichnen wir uns als „energielos“. Ein doch deutlich anderer Umstand wird aber angesprochen, wenn uns die Energierechnungen vom Heiz-, Gas- oder Elektrizitätswerk
ins Haus kommen. Wir reden von erneuerbarer und nicht erneuerbarer Energie, die
Technik suggeriert uns, dass wir Energie erzeugen könnten, aber auch, dass sie
knapp werden könne. Wir sprechen von elektrischer Energie, von chemischer Energie,
von Windenergie und davon, dass die Energie Quelle unseres Wohlstands ist.
3.1
Arbeit, Kraft und Energie
Ohne „Arbeit“ gibt es nichts in dieser Welt. Unser Wort „Arbeit“ stammt von
„arebeit“, dem mittelhochdeutschen Wort für „Mühsal“, „Not“. Nach unserem heutigen
Wissen geschieht in unserem Universum nämlich nichts von alleine, kein Ereignis,
kein Geschehnis tritt in unserer Welt auf ohne dass eine gewisse Anstrengung, ein
mehr oder weniger großer Aufwand damit verbunden ist: Jedes Ereignis dieser Welt
muss „erarbeitet“ werden.
In unserer Denkwelt erfordert Arbeit immer auch Kraft: Soll das Blut durch die
Adern strömen, so müssen die Herzmuskeln die Kraft aufbringen, das Blut zu bewegen. Verändern wir die Haltung unserer Hände, Arme, Beine, ja auch nur die unserer
Augenlider, dann benötigen wir dazu ebenfalls Kraft, die wiederum von den entsprechenden Muskeln erzeugt werden muss. Schon der Volksmund weiß, dass „von Nichts
nichts kommt“. Woraus kann also die Kraft erzeugt werden? Wir müssen essen und
trinken, um „kräftig“ zu bleiben, um „Kraft“ erzeugen zu können. Je mehr wir arbeiten,
20
je mehr Kraft unsere Muskeln produzieren müssen, desto mehr Nahrung benötigen
wir. Wann immer wir zuwenig essen und trinken, müssen wir auf unsere Körperreserven zurückgreifen, wir magern zunächst also ab. Dann werden wir schwach, „kraftlos“,
wir sehen uns außerstande, neue Muskelanstrengungen durchzuführen.
In der modernen Physik sprechen wir davon, dass die Kraft nur mit Hilfe von
„Energie“ erzeugt werden kann. Wo keine Energie zur Verfügung steht, dort kann auch
keine Kraft wirken. Unser Körper bekommt danach die zur Krafterzeugung notwendige
Energie durch das Essen und Trinken. Wir alle kennen heute die Tabellen, aus denen
wir ablesen können, wie viel Joule (früher: Kalorien) Nährwert oder Energie die verschiedenen Nahrungsmittel beinhalten.
Auch in unserer Umwelt erfordert jede Bewegung Energie: Kein Windstoß, kein
Regentropfen, keine Wasserwelle kann sich ohne Energie bilden. Unsere Sinnesorgane können nur sehen, hören, fühlen oder riechen unter Verwendung von Energie. Ja
sogar zum Träumen benötigen wir Energie. Unsere Psyche verlangt ebenfalls ihr
Recht in der Konsumgesellschaft, denn zur Bewältigung ihrer Aufgaben muss auch sie
sich anstrengen. Seit der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert sprechen wir infolgedessen in diesem Zusammenhang auch von „psychischer Energie“. Nach S. Freud ist
ihre Quelle die „Libido“, während Jung sie als „Lebenskraft“ oder „psychische Energie“
des kollektiven Unbewussten deutete, die sich in der Intensität psychischer Vorgänge auch in den nicht sexuell gefärbten - äußert.
Der deutsche Physikochemiker Wilhelm F. Ostwald (1853-1932) betrachtete
die Energie sogar als das Wichtigste des gesamten Universums: „Alles was wir von
der Außenwelt wissen, können wir in der Gestalt von Aussagen über vorhandene
Energien darstellen, und daher erweist sich der Energiebegriff allseitig als der allgemeinste, den die Wissenschaft bisher gebildet hat.“ Und: „Bewusstsein: als Eigenschaft einer besonderen Art der Nervenenergie auffaßbar, die im Centralorgan betätigt
wird.“ Ostwald sah zwischen der Nervenenergie und dem Bewusstsein eine ähnlich
enge Verbindung wie er sie auch zwischen seiner „mechanischen Energie“ und der
räumlichen Beschaffenheit und zwischen der zeitlichen Beschaffenheit und der „Bewegungsenergie“ konstatierte.
Weil wir zu jeder Arbeit Kraft brauchen, und Kraft nur durch Energie erzeugt
werden kann, heißt die Energie auch „Fähigkeit zur Arbeit“. Wir wissen aber noch nicht
sehr lange, dass wir für alles, was wir tun, „Energie“ benötigen. Kein Steinzeitmensch,
kein Soldat der Perserkriege und auch kein Römischer Kaiser wäre der Gedanke ge-
21
kommen, dass die Notwendigkeit von uns Menschen, essen zu müssen, aus demselben Grund entspringt, aus welchem ein fallender Stein bei seinem Aufprall etwas demolieren muss, um zur Ruhe kommen zu können.
Heute wissen wir, dass unsere Sinnesorgane mit unserer Außenwelt nicht nur
Energie austauschen, sondern auch Impulse. Daher betrachten wir zwar die Energie
nicht mehr wie Ostwald als den wichtigsten Begriff in unserem Universum, aber sie
bildet mit dem Impuls und dem Drehimpuls ein Triumvirat, das sämtliche Geschehnisse in unserer Welt bestimmt. In Termen der modernen Wirtschaftssprache können wir
diese drei Energie, Impuls und Drehimpuls auch die eigentlichen „global players“ des
Kosmos nennen.
3.2
Die Entdeckung der Energie
Unsere Gedankenwelt ist nach wie vor stark von der antiken Naturbetrachtung
geprägt. Viele Begriffe unserer Weltbilder weisen griechische oder lateinische Wurzeln
auf. Sie zu kennen, erleichtert oft das Verständnis für heutige Bezeichnungen. Energie
ist ein Paradebeispiel dafür. Das Wort selbst wurde aus „energeia“ abgeleitet, dem
griechischen Wort für Tatkraft, Schwung, Nachdruck. Insbesondere ist darunter das
Leistungsvermögen und die gespannte Tatkraft eines Menschen verstanden worden.
Aristoteles benützte diese energeia aber auch oft synonym zur „entelechia“ (Entelechie; „In-Zweck-haben (en-telos-echein)“), der ständigen Wirksamkeit, der Vollkommenheit, Vollendung, Verwirklichung, Wirklichkeit.
Energeia, Entelechia galt Aristoteles als Gegensatz zur „dynamis“ (lat.: potentia), dem Vermögen, der Formbarkeit, der Anlage: Die Energeia war es, mit Hilfe derer
jedes „Seiendes“ - ein Lebewesen, ein Stein, ... - seine dynamis (potentia) „verwirklicht“, also in reale Eigenschaften und Verhaltensweisen umsetzt. Wo Aristoteles hingegen zwischen den beiden Begriffen unterschied, dort verstand er unter Energeia
den Prozess der Verwirklichung und unter Entelechie das Ergebnis oder die Endphase
des Prozesses.
Newton (1642-1727) kannte die Naturgröße „Energie“ noch nicht. Er selbst benützte für seine berühmt gewordene Mechanik ausschließlich geometrische Argumente. die Newton`sche Mechanik dient daher auch nur der Erhellung der raum-zeitlichen
Abläufe der Ereignisse unserer Welt - sie ist also weitgehend reine Kinematik. Die
Kräfte nahm Newton als gegeben an, er weigerte sich beispielsweise strikt, zu erklä-
22
ren, was unter dem Wesen der Schwerkraft verstanden werden sollte. Er gab mit seinem Gravitationsgesetz nur an, wie stark sie wirkt. Dazu merkte er nur noch an, dass
die Quelle der Schwerkräfte sich in den Körpern (in der „Masse“) selbst befinden
müsste. Ansonsten keine weiteren Erklärungen, denn diese wären Spekulation und
damit nicht mehr Aufgabe der Physik.
Erst über achtzig Jahre später wurde der Energiebegriff in unser Weltbild eingebaut: In einem Beitrag zur französischen Enzyklopädie sprach d’Alembert 1785 als
erster Naturforscher von Energie: “In bewegten Körpern steckt eine Anstrengung oder
„Energie“, die in ruhenden nicht enthalten ist. Zuvor war es der französische Naturforscher, Mathematiker und Philosoph René Descartes (1596 - 1650; auch Cartesius genannt) gewesen, der als erster den Gedanken in die Welt setzte, dass unser Universum aus einem bestimmten Topf zehrte, der einmal gefüllt worden war, dessen Inhalt
seither immer nur umverteilt, aber weder vermehrt noch vermindert werden kann. Er
formulierte 1644: „Gott teilte bei der Schöpfung der Welt dem Universum einen bestimmten Betrag an Bewegung in der Form wirbelnder Flüssigkeiten (vortices) mit, und
diese Bewegung hält ewig an und wird weder größer noch kleiner.“ Ein wahrhaft prophetischer Satz, der die wesentlichsten Charakteristika der Energie ein Viertel Jahrtausend früher vorweggenommen hatte!
Der niederländische Physiker (Astronom und Mathematiker) Christian Huygens
fand ein Vierteljahrhundert später heraus, dass bei elastischen Stößen das Produkt
aus Masse m und dem Quadrat der Geschwindigkeit v (also: mv²) vor und nach dem
Stoß immer denselben Wert hatte, also während des elastischen Stoßes unverändert
bleibt. Der deutsche Universalgelehrte Leibniz (1646-1716) nannte dieses bei elastischen Stößen konstant bleibende Produkt (mv²) die „Vis viva”, die „Lebendige Kraft“.
Der Schweizerische Mathematiker Bernoulli (1667-1748) forderte im Jahre 1735 als
Gegenstück zur vis viva die Existenz einer “vis mortua” bei inelastischen Stöße, mit
der Eigenschaft, dass die Summe von vis mortua und vis viva immer konstant zu sein
hat! Emilie du Chatelet, die zeitweilige Lebensgefährtin von Voltaire, verlangte 1742,
dass die “Vis viva” auch überall dort erhalten bleiben müsse, wo sie nicht verfolgbar
wäre.
Der englische Arzt, Physiker und Linguist Thomas Young (1773-1829) taufte
WAS IST MIT 1787??? 1787, also nach nur zwei Jahren nach Einführung des Energiebegriffes durch d’Alembert, die „Vis viva“ zur ”wirklichen Energie“ um und die “Vis
mortua” zur „potentiellen Energie“. William Thomson, der spätere Lord Kelvin of Largs
23
(1824-1907) reduzierte um das Jahr 1850 den Wert der „Wirklichen Energie“ von
(mv²) auf die Hälfte und benannte den Ausdruck (mv²/2) als „Kinetische Energie“. Um
dieselbe Zeit erkannte der englische Physiker James Joule (1818-1889), dass die
Wärme etwas sein musste, was größte Gemeinsamkeiten mit der damals rein mechanisch gesehenen Energie hat: Wärme war fortan äquivalent zur Energie, er gab auch
den Umformungsfaktor an, das „Mechanische Wärmeäquivalent“.
Nur ein halbes Jahrhundert später konnte Einstein zeigen, dass die Energie
viel mächtiger war als bis dahin geglaubt, dass sie nämlich einer der universellen Begriffe unserer Welt sein muss - und nicht bloß eine mechanische Größe. Dasselbe
konnte er übrigens auch vom Impuls nachweisen, denn der uns allen aus den Belichtungsmessern und den Photozellen her bekannte Photoelektrische Effekt kann nur
dadurch erklärt werden, dass nicht nur Körper, sondern auch die Lichtwellen Energie
und Impuls übertragen. Damit hat das Licht seine Stoßwucht, um beispielsweise Elektronen aus ihrem Verband herauszureißen und damit den Fluss von elektrischen Strom
zu ermöglichen, der eben bei bestimmten Materialien auftritt, wenn sie beleuchtet werden.
3.3
Heutige Energie-Definitionen
Strenggenomen bedeutet „Energie“ zwar nur im psychologischem Sinn Anstrengung, die physikalische Interpretation liegt aber gar nicht so weit davon entfernt:
Mit der Einführung dieses Wortes in ihre Sprache hat sich die Physik nämlich einen
präzisen Ausdruck geschaffen für die Fähigkeit, das Vermögen, zu wirken. Genauer
gesagt gilt uns die Energie als Maß für die wechselseitige Einwirkung von Objekten
und/oder Geschehnissen: Die Energie charakterisiert beispielsweise dasjenige, was im
Laufe von Umwandlungen der Atome von einem auf ein anderes übergeht. Sie gilt daher als Maß für die Bindungskraft - aber nicht nur eines Atoms an andere sondern
auch in den Atomkernen.
Physikalisch wird unter Energie ganz allgemein das Arbeitsvermögen verstanden und ist damit seiner spezifischen Natur nach („dimensionsmäßig“) dasselbe
wie diese. Arbeit A = Energie E.
24
Auch heute finden sich teils noch unterschiedliche Energiedefinitionen. So ist
nach Meyers Physiklexikon die Energie definiert als die in einem physikalischen System gespeicherte Arbeit oder auch als potentielles Arbeitsvermögen desselben. Da
Energie ein Arbeitsvorrat ist, wird sie auch in denselben Einheiten wie die Arbeit gemessen. Dagegen wird im Buch „Physik Griffbereit“ von Jaworski und Detlav die Verknüpfung der Energie mit der Bewegung in den Vordergrund gestellt und die Energie
als jene skalare Größe eingeführt, welche das Maß für die qualitativ verschiedenen
Formen von Bewegung darstellt. Um die qualitativ verschiedenen Formen von Bewegung zu charakterisieren, mit der wir es in der Physik zu tun haben, sind entsprechende Energieformen eingeführt worden: mechanische Energie, innere Energie,
elektromagnetische Energie, chemische Energie, Kern-Energie, ... .
Im Band „Mechanik“ der „Theoretischen Physik“ von Landau und Lifschitz wird
die Energie völlig anders eingeführt: Sie wird als der Name für jene Erhaltungsgröße in
unserem Universum definiert, welche aus der Homogenität der Zeit folgt. Eine Erläuterung der letzteren Definition von Energie erfordert ein gewisses Vertrautsein mit dem
mathematischen Umgang mit Naturgeschehnissen und soll daher hier ausgeklammert
bleiben.
Die obigen Definitionen von Energie widersprechen einander aber nur scheinbar, denn allesamt kreisen um den vielleicht zentralsten Punkt unserer Welterlebnisse:
Die Bewegung. Von „Bewegung“ sprechen wir immer dann, wenn eine momentane
Beobachtung einer Sachlage anderen Eindruck erweckt als jener, den wir davon in Erinnerung haben. Wir konstatieren dann, dass eine „Veränderung“ stattgefunden haben
musste. Und jede Veränderung wird in unserer Denkwelt eben durch Bewegung verursacht.
Heute darf keine einzige Veränderung mehr so gedacht werden, dass sie eben
„geschieht“. Es gibt in der modernen Physik keine Veränderung - also keine Bewegung - ohne Arbeit. Und für jede Arbeit benötigen wir das, was „Energie“ getauft worden ist. Wir können auch den Spieß umdrehen und ganz allgemein heute jede Umsetzung von Energie als Bewegung ansehen, denn diese darf ja nicht mehr rein kinematisch gedacht werden, also nicht mehr als bloße Veränderung der geometrischen Konfigurationen von immateriellen Gedankengebilden. Heute ist uns die Bewegung ja zu
einem dynamischen Vorgang geworden, bei dem reale Objekte gegeneinander verschoben werden müssen. Die Relativitätstheorie lehrt uns, dass einzig die Bewegung
von real fassbaren Objekten wichtig ist, dass Bewegung nur physikalischen Sinn er-
25
hält, wenn dabei etwas transportiert wird. Und an diesem „Etwas“ ist eben bei jeder
uns bekannten Bewegung die Energie beteiligt. Bei jeder Bewegung wird also Energie
transportiert.
Für Interessierte: Dynamisch gesehen ist dann die Geschwindigkeit v der beobachteten Bewegung dadurch gegeben, wie stark sich bei einer Veränderung des Impulses die Energie mit verändert: v = ∂E/ ∂p; Kinematisch gilt: v = ∂l/ ∂t.
3.4.
Eigenschaften der Energie
1-
Die Energie ist eine universelle Größe, die einem Erhaltungssatz genügt. Sie ist
daher unzerstörbar und unerzeugbar (Moderne Form des 1. Wärmehauptsatzes). Da Energie eine Naturgröße ist, gibt es ebenso wenig verschiedene Arten
von Energie wie auch keine verschiedenen Arten von Impuls oder Länge existieren.
2-
Die Energie ist ein rein abstraktes Konzept, also prinzipiell unvorstellbar wie es
auch jeder Allgemeinbegriff der Alltagswelt (Hund, Stein, ... ) ist.
3-
Energie kann niemals direkt beobachtet werden. Das hat sie mit den anderen
wichtigen Formern unserer Welt gemeinsam (Impuls p (Impuls: Anstoß, Anregung), Drehimpuls L (Absolutbetrag: Wirkung W), die vier Fundamentalkräfte).
4-
Die Energie ist nur über ihre in Tabelle 3-1 angegebenen Regeln (Anwendungsregeln) zu verstehen.
Die Naturerscheinungen werden also von uns heute so beschrieben, dass die
Energie erhalten bleibt. Die Energie verhält sich damit unzerstörbarer als jeder bekannte Stoff, da sogar Elektronen bei Aufprall auf Antielektronen zu Energie zerstrahlen. Wegen der Energieerhaltung ist es leicht, mit der Energie umzugehen, wir können
mit ihrer Hilfe die Vorgänge in der Welt einfach ordnen: Als Ordnungsprinzip für alle im
Universum ablaufenden Prozesse wählen wir ganz einfach die Energiebilanz!
26
Tabelle 3-1. Anwendungsregeln für die Energie.
1) Sie ist unzerstörbar und unerzeugbar.
2) Energieänderungen können daher ausschließlich nur durch Transporte
(Strö-
me, Flüsse) geschehen.
3) Die Energie muss daher eine extensive Größe sein.
4) Die Energie ist prinzipiell eigenständig und nicht an Materie gebunden.
5) Die Energie kann nicht geometrisch lokalisiert werden.
6) Energie kann auf verschiedene Arten transportiert werden. Die auf eine bestimmte Art transportierte Energie wird gemeiniglich „Energieform“ bezeichnet.
7) Jeder Energietransport erfordert neben einem Verursacher auch eine Lenkungsgröße, muss also an den Transport einer anderen transportfähigen (= extensiven)
Größe gekoppelt sein.
8) Jede lokale Energieänderung erfordert einen Energietransport. Dieser kann ausschließlich nur im Zusammenspiel (Produkt) zweier passender Naturgrößen erfolgen (siehe Tabelle 3-2):
Energieänderung ∆E := (Verursacher) . ∆(Lenker).
Die Verursacher sind „intensive“ (mengenunabhängige) Feldgrößen, die Lenker
müssen dagegen transportfähige, strömungsfähige, also „extensive“ Größen sein.
27
3.5
Energietransporte
Energietransporte, Energieänderungen können nur so stattfinden, dass wir einerseits ein Naturphänomen haben, das quasi den Auftraggeber spielt, der überhaupt
einen Energieaustausch anregt, einen Energietransport auslöst, einen Energiestrom
initiiert. Andererseits brauchen wir auch eine passende Logistik in Form eines zweiten
Naturphänomens, das imstande ist, den erwünschten Energiestrom tatsächlich auch
zu lenken und zu steuern, das also Start und Ziel sowie die Stärke des Energietransportes regeln kann.
Die Energie ist als transportierbares Naturphänomen eine extensive Größe,
denn nur solche können strömen: Elektrische Ladung, Teilchen, Impuls, Drehimpuls
und eben die Energie können „fließen“, „strömen“. Intensive Größen dagegen kennen
räumliche Verteilungen, Gefälle und Anstiege wie die Temperaturverteilung, Geschwindigkeitsverteilungen, Elektrische Potentialgefälle, ... Intensive Größen sind
„Feldgrößen“ und nicht strömungsfähig und umgekehrt sind die extensiven Größen
zwar strömungsfähig, aber nicht Feld bildend.
Die Lenkungsgrößen der Energieänderungen müssen neben dem Start- und
Zielort des Transportes auch die Menge definieren. Dazu braucht es einer stromfähigen Größe, deren Start und Ziel identisch ist mit denen des Energiestromes und deren
Stromstärke als Regelmechanismus für die Menge der zu transportierenden Energie
fungiert. Die Auftraggeber oder Verursacher hingegen dürfen gar nicht strömen können, denn sonst wären zwei Logistiken im Widerspruch zueinander und die Energie
wüsste nicht, wem sie folgen sollte. Rein mathematisch wäre es auch nicht möglich,
die extensive Größe als Produkt zweier verschiedener extensiver Variablen zu erhalten. Ein Faktor muss zwar extensiv sein, um die Mengenkorrelation herzustellen, der
zweite hat aber als Justiervariable die Aufgabe, die sowohl richtige physikalische Dimension (Energie) herzustellen als auch den passenden Zahlenwert zu ermöglichen.
Die Tabelle 3-2 gibt eine Zusammenstellung wichtiger Energietransporte unserer Umwelt. Die Namen der Energietransporte sind teils historisch, teils unmittelbar
einsichtig aus den Verursachern abgeleitet: Geschwindigkeit verursacht zusammen
mit Impulstransporten den Energietransport, der „Bewegungsenergie“ (noch verbreitet:
kinetische Energie) genannt wird. Druck erzeugt mit Volumenveränderung den „Kompressionsenergie“ genannten Transport. Elektrisches Potential erzwingt zusammen mit
dem elektrischen Ladungsstrom den Energiestrom „Elektrische Energie“, ...
28
Tabelle 3-2. Einige Standardformen der Energie (© J. Tomiska, 2005).
Jede Energieänderung ∆E geschieht in einer konkreten Form EForm:
Energieänderung ∆E (≡ EForm) = Verursachera) . ∆(Lenker)b).
(Transportleistung: Transportierte Energie pro Zeit = Energiestrom.)
a)
Sind „intensive“ (mengenunabhängige) Feldgrößen.
b)
Sind transportfähige, strömungsfähige, also „extensive“ Größen.
Energieänderung ∆E
≡ Energieform Ej
j
Verursachera)
∆(Lenker)b)
Name
1
Bewegungsenergie Ekin
Geschwindigkeit v
Impuls p
2
Rotationsenergie Erot
Winkelgeschw. ω
Drehimpuls W
3
Verschiebungsenergie Etrans
-(Kraft K)
Position x
4
Kompressionsenergie Ecomp
-(Druck pc)
Volumen V
5
Wärmeenergie ET
Temperatur T
Entropie S
6
Chemische Energie Eµ
Chemisches Potential µ
Teilchenzahl N
7
Elektrische Energie EEl
Elektrisches Potential Φ
El. Ladung Q
8
Magnetische Energie Emag
Magn. Vektorpotential. AM
El.Stromdichte j
9
Grenzflächenenergie Eσ
Grenzflächenspannung σ
Fläche A
Elektrochemische Energie Eη
El.chem. Pot. η
Teilchenzahl N
10
Wo immer wir bemerken, dass Energie transportiert wird ohne dass wir irgendeinen anderen Mengenstrom konstatieren, sagen wir, diese Energie sei „thermisch“
ausgetauscht worden. Das deshalb, weil in diesen Fällen der Wärmezustand der Startund Zielorte dieser Energieflüsse immer unterschiedlich sind. Spontan laufen solche
Energieflüsse aber nur dann ab, wenn der Startort „wärmer“ ist als der Zielort. Die
Temperatur als Maß für den Wärmezustand ist demnach leicht als Verursacher für
diese thermischen Energietransporte - also für die „Wärmeenergie“ -identifiziert worden.
Die zur Durchführung dieser Wärmeströme notwendige Lenkungsvariable ist
dasjenige Naturphänomen, welches „Entropie“ genannt worden ist (vgl. Kapitel 6).
Während niemand von uns semantische Probleme mit „elektrischer“, „mechanischer“,
29
„magnetischer“ oder „chemischer“ Energie hat, wehren sich noch viele intuitiv gegen
„wärmische“ Energie, obwohl das Fremdvokabel dazu durchaus akzeptiert wird. Wir
sprechen aber von „thermischer“ Energie, und „Thermo“ bedeutet bekanntlich auf
Deutsch „Wärme“. Ich will das Wort „wärmisch“ nicht puschen, aber deutlich darauf
hinweisen, dass seine Verwendung voll legitim wäre, da „wärmisch“ und „thermisch“
identisch dasselbe Naturphänomen ansprechen, nämlich den Energietransport, der
durch Temperaturunterschiede verursacht und mittels der Entropie geleitet wird.
3.6
Gibbs’sche Gleichung des Energieaustausches
Wo immer wir in der Natur eine lokale Energieänderung ∆E feststellen, muss
wegen der Energieerhaltung ein Energietransport stattgefunden haben. Sämtliche von
uns in der Natur beobachteten Transportformen der Energie Ej-Form (j = Bewegung,
thermisch, chemisch,...) sind daher das Resultat des Zusammenspiels einer (intensiven) Verursachergröße Yj mit einer passenden (extensiven) Transportgröße Xj (Xj, Yj:
siehe Tabelle 3-2):
Ej-Form ≡ ∆Ej = Yj . ∆Xj.
(3.6-1a)
Welche Transportmethoden im Einzelfall angewendet werden können, hängt
von den Gegebenheiten der einzelnen Systeme ab. Bei manchen von ihnen gelingt
der Energieaustausch nur auf eine einzige Art, bei anderen Systemen sind hingegen
verschiedene Transporttechniken möglich. Das Wissen um alle durchführbaren Transporttechniken, mit deren Hilfe wir die Energie eines konkreten Systems verändern
können, ist daher für dessen Charakterisierung wichtig. Insbesondere aber wollen wir
wissen, welche dieser Energietransporte völlig unabhängig voneinander stattfinden
können. Diese sind ja besonders bequem, da sie voneinander völlig getrennte Geschehnisse darstellen, die sich nicht gegenseitig beeinflussen.
Die makroskopischen Änderungen von Naturgrößen (X,Y,...) markieren wir üblicher Weise mit dem großen griechischen Delta-Zeichen (∆X, ∆Y). Sie sind insbesondere für den Unterricht didaktisch wesentlich einfacher zu benützen, aber bei einer
stimmigen, mathematischen Behandlung der Naturgeschehnisse müssen wir sie durch
die infinitesimalen Änderungen ersetzen (∆→d: ∆X→dX; ∆Y→dY;...).
30
Ej-Form ≡ dEj = Yj . dXj.
(3.6-1b)
Die Gesamtänderung der Energie ergibt sich daher in jedem physikalischen
System als Summe aller dort durchführbaren Energietransporte:
dE(gesamt) = E1-Form + E2-Form+....+ EJ-Form.
(3.6-2a)
oder ausführlich:
dE(gesamt) = Y1 . dX1 + Y2 . dX2 +....+ YJ . dXJ.
(3.6-2b)
Mit Hilfe des Summenzeichens ∑ lässt sich die Formel (3.6-2b) deutlich kompakter
schreiben (Austauschformen j=1,2,...,J):
dE(gesamt) := ∑j Ej-Form = ∑j Yj . dXj.
(3.6-2c)
Damit in einem physikalischen System die einzelnen Energieströme unabhängig voneinander ablaufen können, müssen wir jede einzelne Lenkergröße Xj (X = Impuls p, Volumen V, Entropie S, Teilchenzahl n, ...) völlig unabhängig voneinander verändern können: Die (extensiven) Transportgrößen Xj sind hier identisch mit den unabhängigen Variablen des Systems. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich
während des betrachteten Prozesses („Experiments“), einzig und alleine nur durch den
Willen des Experimentators beeinflussen lassen.
Mathematisch zeigt sich daher die gesamte (infinitesimale) Energieänderung
eines Systems als das totale (vollständiges) Differential der Energie, dE. Dieses berechnet sich aus der Summe aller partiellen Ableitungen der Energie E nach den unabhängigen Variablen Xj des Systems:
dE(X1,X2,...XJ) = ∂E/∂X1 . dX1 + ∂E/∂X2 . dX2 +... + ∂E/∂XJ . dXJ
(3.6-3a)
oder kompakt:
dE(X1,X2,...XJ) = ∑j ∂E/∂Xj . dXj.
(3.6-3b)
31
Die Gleichung (3.6-3) heißt zu Ehren des US-amerikanischen Mathematikers,
Physikochemikers und Ingenieurs Josiah Willard Gibbs (1839-1903) in der Literatur die
„Gibbs’sche Fundamentalform“. Differentialgleichungen, also Gleichungen zwischen
Differentialen, werden seit eineinhalb Jahrhunderten auch „Form“ genannt - daher der
uns ungewöhnlich klingende Name.
Ein Vergleich von Gleichung (3.6-3) mit Gleichung (3.6-2) lässt uns unmittelbar
erkennen, dass die partiellen Ableitungen der Energie nach den entsprechenden Lenker-Größen Xj nichts anderes sind als die entsprechenden Verursacher-Größen Yj:
∂E/∂Xj := Yj.
(3.6-4)
Die Auftraggeber der Transporte sind somit als jene Energiemengen erkannt,
welche notwendig sind, um eine infinitesimal kleine Veränderung des Wertes der unabhängigen (Transport)größte Xj zu bewerkstelligen. Für jeden der unabhängigen
Energieaustausche („Energieformen“) gilt daher:
Ej-Form(Xj) = ∂E/∂Xj dXj.
(3.6-5)
Gibbs selbst kannte nur den mechanistisch geprägten Energiebegriff seiner
Zeit. Er musste daher für die Herleitung seiner Formel noch extrem mathematisch formal und abstrakt argumentieren. Mit dem von uns benützten, modernen, universellen
Energiebegriff wird seine berühmte Formel zu einer zwanglos begriffenen Selbstverständlichkeit: Wir erhalten sie unmittelbar aus Tabelle 3-2 indem wir die Produktausdrücke der relevanten Energieänderungen bausteinartig aufsummieren und die „∆“ der
Lenker-Größen durch das Differentialzeichen „d“ ersetzen.
Aber Achtung, hier muss eine massive mathematische Warnung erfolgen! Gl.
(3.6-1) könnte zwar manchen suggerieren, dass wir nicht nur die Produktausdrücke
ihrer rechten Seite in Gl. (3.6-3) einsetzen dürfen sondern auch die auf der linken Seite stehenden Differentiale dEj. Das ist aber nur unter besonderen Ausnahmezuständen
erlaubt, denn im Allgemeinen gilt aus mathematischen Gründen selbstverständlich,
dass das totale Differential der Energie sich von der Summe der Differentiale dEj unterscheidet:
dE(X1, X2,...XJ) ≠ dE1(X1) + dE2(X2) + ... + dEJ(XJ).
(3.6-6)
32
Damit die Ungleichung (3.6-6) zu einer Gleichung wird, muss das (physikalische) System so zerlegbar sein, dass jedem einzelnen der J unabhängigen Energietransporte auch ein völlig unabhängiges Teilsystem entspricht. Die Ungleichung (3.66) wird also einzig und allein nur in solchen Systemen zur Gleichung, bei denen jeder
der J Energietransporte ausschließlich nur das ihm entsprechende Teilsystem modifiziert.
Damit ist der noch immer weit verbreitete Usus als verwirrend ausgewiesen,
dass die (Gesamt)-Energie eines Systems als Summe von verschiedenen „EnergieAnteilen“ hingeschrieben wird. Wir erkannten bereits, dass es nur eine „Energie“ gibt,
die auf verschiedene Arten verändert werden kann. Jede Veränderung der Energie
eines Systems muss in einer konkreten Form geschehen. Die entsprechenden Energieänderungen heißen „Energieformen“ und erhalten ihren Namen aus den Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die einzelnen Energietransporte durchzuführen.
In dem Moment aber, indem ein Energietransport ins System übernommen
worden ist, kann niemand mehr feststellen, welcher Teil der Systemenergie nach welcher Methode überführt worden ist. Das einzige, was wir noch notieren können, ist, wie
viel Energie wir auf welchem Wege wieder aus dem System herausholen können.
Aber diese Aufstellung muss überhaupt nicht mit dem Lieferscheinen der einzelnen
Energietransporte ins System zusammenpassen: Heben wir beispielsweise einen
Stein vom Tisch auf, dann wurde ihm Energie in Form von Hubarbeit zugeführt. Wie
viel potentielle Energie hat er denn nun? Über dem Tisch nur wenig, bewegen wir ihn
waagrecht zum Fenster hinaus, plötzlich viel mehr?
33
4.
Systeme und Prozesse
„Objekte“, „System“ und „Zustand“ sind Begriffe, die sowohl im Alltag als auch
in der Physik gerne benutzt werden, ohne dass sie allerdings scharf definiert sind. Wir
müssen uns davon freimachen, irgendeinen Gegenstand oder ein Gebilde als „System“ identifizieren zu wollen.
4.1
Physikalische Systeme
„Systeme“ (und/oder „Objekte“) kennen wir nicht nur in der Thermodynamik,
sondern sie sind ein gebräuchlicher Begriff der gesamten Physik. Es macht daher
Sinn, den Begriff „System“ gleich in seiner universellen Bedeutung kennen zu lernen:
Ein „System“ ist immer und überall in der Naturwissenschaft ausschließlich ein Produkt
der geistigen Phantasie. Systeme sind rein gedankliche Beziehungen zwischen Naturgrößen (oder: Variablen) - dies müssen wir vollinhaltlich akzeptieren und begreifen.
Hier gegenwärtigen wir wiederum das Problem, dass wir uns vom Wunsch loslösen müssen, einen konkreten Gegenstand, ein ganz explizites Gebilde vor Auge haben zu wollen. Wir müssen uns wiederum überwinden, uns ein „Objekt unserer Beschäftigung“ zu nehmen, das ausschließlich in abstrakten Beziehungen zwischen Physikalischen Größen (= Variablen) besteht. Wir werden das System als einen abstrakten Begriff kennen lernen, der uns rasche und schnelle Aussagen erlaubt über die
Strömung von physikalischen Größen zwischen verschiedenen Gedankengebilden.
In der Tat gehören die Angaben, wie in einem System die Energieströme, also
Energieaustausche, durchgeführt werden können, zu den wichtigsten Informationen,
die wir zur Kennzeichnung eines Systems benötigen. Das diesbezügliche mathematische Werkzeug ist die uns bereits bekannte Gibbs’sche Fundamentalgleichung (oder:
Fundamentalform). Das „physikalische System“ ist als die Gesamtheit von physikalischen Objekten definiert, die in genau definierter Weise mit der übrigen Welt in Wechselwirkung stehen und somit als einheitliches Ganzes behandelt werden können - also
auch physikalisch untersucht. Wesentlich ist also, dass die Variablen des Systems
sämtliche Prozesse festlegen, die das System machen kann.
4.1-1 System „Punktartiger Körper“: Dieses System steht für einen frei beweglichen Massenpunkt. Es besitzt nur eine einzige Eigenschaft, nämlich, dass seine Ener-
34
gie allein durch Aufnahme oder Abgabe von Bewegungsenergie verändert werden
kann - also nur durch die Energieform E1 aus Tabelle 3-2:
dE(p) = E1 = v . dp.
(4.1-1)
4.1-2 System „Punktartiger Körper + Feld“: Unser Massenpunkt wechselwirkt nun
mit einem Feld (z.B. mit dem Schwerefeld oder mit dem elektrischen Feld). Stoßen wir
ihn diesmal an, so können wir nicht nur an ihm, sondern auch am Feld angreifen. Es
gibt daher zwei unterschiedliche Techniken des Energieaustausches: (i) wieder durch
Bewegungsenergie (wie bei 4.1-1) und (ii) durch Hubarbeit im Feld. Insgesamt gilt daher hier:
dE(p,x) = E1 + E3 = = v . dp - K . dx.
(4.1-2)
4.1-3 „Thermodynamisches“ System: Hier können die beiden Variablen „Entropie“
und „Volumen“ unabhängig voneinander verändert werden. Damit kann die Energie
ebenfalls in zwei unabhängigen Formen ausgetauscht werden: (i) als Wärmeenergie
E5 und (ii) als Kompressionsenergie E4. Daher gilt für das thermodynamische System:
dE(S,V) = E5 + E4 = T . dS - p . dV.
(4.1-3)
4.1-4 System „Einheitliche Stoffe“: Bei diesem System kommen zusätzlich zum
thermodynamischen System noch die Veränderungsmöglichkeiten der Teilchenzahlen
aller involvierten Stoffarten j (j = 1,…,N) hinzu. Also:
dE(S,V,N1,…,NN) = E5 + E4 + E6-1+ … + E6-N
= T . dS - p . dV + µ1 . dN1 + … + µN . dNN.
(4.1-4)
4.1-5 System „Elektrolyte“: Bei Elektrolyten können auch die Teilchen/Ladungsverhältnisse verändert werden. Dies beschreiben wir am günstigsten mit Hilfe des „elektrochemischen Potentials η“. Es kommen daher zu den Transportmöglichkeiten des
thermodynamischen Systems noch die Veränderungsmöglichkeiten der Teilchenzahlen aller involvierten Stoffarten infolge ihrer unterschiedlichen elektrochemischen Po-
35
tentiale ηj (j = 1,…,N) hinzu (η = µ + z . e .Φ; µ chemisches Potential; z Ladungszahl;
e Elementarladung; Φ elektrisches Potential). Also:
dE(S,V,N1,…,NN) = E5 + E4 + E10-1+ … + E10-N
= T . dS - p . dV + η1 . dN1 + … + ηN . dNN.
4.2
(4.1-5)
Wechselwirkung
Wechselwirkung kann auch „strikt getrennt und unabhängig“ bedeuten, denn
dann ist eben die Wechselwirkung ≡ 0!
4.2-1 Abgeschlossenes System: Keine Wechselwirkung mit Umwelt (= Keine
Wechselwirkung mit den phys. Objekten außerhalb des Systems). Keinerlei Austausch
von irgendetwas. Weder Energie (weder Arbeit noch Wärme), noch Materie darf ausgetauscht werden. Die festlegenden Hamiltonfunktionen hängen nicht explizit von der
Zeit ab. (Entspricht mikrokanonischer Gesamtheit der Stat. Physik). Beispiel aus
Thermodynamik: Verschlossenes und thermisch isoliertes Gefäß).
4.2-2 Geschlossenes System: Nur Energieaustausch erlaubt; kein Materieaustausch. (Entspricht kanonischer Gesamtheit der Stat. Physik). Beispiel aus Thermodynamik: Verschlossenes Gefäß im Wärmebad. Wärmebad + Verschlossenes Gefäß ist
wieder abgeschlossenes System!
4.2-3 Offenes System: beides möglich, sowohl E-Austausch als auch Materieaustausch erlaubt. (Entspricht großkanonischer Gesamtheit der Stat. Physik). Beispiel aus
Thermodynamik: Gefäß mit kleiner Öffnung im Wärmebad.
36
4.3
Zustand
„Zustand“ ist der Inbegriff sämtlicher physikalischer Größen eines Systems, die
es in jedem Zeitpunkt in seinen Eigenschaften und seinem (dynamischen) Verhalten
eindeutig beschreiben und einander zugeordnete Werte haben. Beispiele sind die „Zustands“-Größen und „Zustands“-Funktionen zur Charakterisierung des thermodynamischen Zustandes eines Systems sowie die Phasen bei statistisch-mechanischen Teilchensystemen. Häufig wird das besonders wichtige bzw. interessierende Charakteristikum eines Zustandes hervorgehoben wie beim „Bewegungs“-Zustand, „Aggregat“Zustand und beim „Gleichgewichts“-Zustand.
In einem „Zustand“ hat jede Systemvariable einen festen Wert. Das ist damit
keine Definition des Begriffes Zustand im Sinn einer Zurückführung auf andere bekannte Begriffe, sondern es ist eine Definition im Sinn einer Verknüpfung. Obwohl der
Begriff des Zustandes von der Thermodynamik geschaffen worden ist, hat er erst
durch die Quantenmechanik allgemeine Verwendung erfahren. Die Definition des „Zustandes“ sagt nicht, was dieser Begriff ist, indem sie ihn durch andere erklärt, sondern
sie stellt nur fest, in welcher Beziehung der Begriff Zustand zu dem der physikalischen
Größe steht, nämlich in der, dass jede Naturgröße in einem „Zustand“ des Systems
einen festen Wert hat.
Die Physik sagt also nichts darüber aus, was ein „Zustand“ ist, sondern einzig
und allein, wie dieser Begriff mit den Naturgrößen zusammenhängt. Würden wir etwa
in der Mathematik den Begriff des geometrischen Punktes analog festlegen, so lautete
die entsprechende Definition: In einem Punkt hat jede Koordinate eines Koordinatensystems einen festen Wert. Diese Definition sagt auch nichts darüber aus, was ein
Punkt „ist“, sondern einzig nur, wie er mit dem Begriff der Koordinate verknüpft ist,
nämlich auf die selbe Weise, wie der „Zustand“ mit den Naturgrößen. So wie jedes
Stück des Raumes als die Gesamtheit der in ihm enthaltenen Punkte betrachtet werden kann, genauso lässt sich ein System als die Gesamtheit seiner Zustände ansehen.
Da der Begriff des Zustandes besonders fundamental ist, ist damit die allgemeinste Definition eines Systems die einer „Gesamtheit von Zuständen“. Die Zustände
selbst werden dadurch charakterisiert, dass wir die Werte angeben, die die Naturgrößen (also die „Variablen“) in ihnen haben. Gehen wir die Zustände eines Systems
durch, so werden die Werte bestimmter Variabler dabei geändert. Das sind genau die
37
Variablen des Systems. Jede Änderung eines Variablenwertes in einem Zustand bringt
neuen Zustand hervor. Sind die Änderungen der Werte der Systemvariablen von Zustand zu Zustand so winzig, dass die Variablen als stetig betrachtet werden können,
lassen sich die üblichen Beschreibungsweisen anwenden, nämlich stetige Variable
und ihre Differentiale.
Im Fall, dass die Variablenänderungen nicht mehr stetig sind - wie im Falle von
Quanteneffekten, muss zwar die mathematische Beschreibung modifiziert werden,
aber nicht das hier beschriebene begriffliche Gerüst! In der Thermodynamik wird ein
Zustand durch die expliziten Variablenwerte angegeben, in der Quantenmechanik hingegen kennzeichnen wir einen jeden Zustand mittels eines vollständigen Satzes von
Quantenzahlen als Eigenwerte der Observablen.
4.4
Prozess
„Prozess“ ist definiert als Folge infinitesimaler, stetiger Übergänge, also eine
Folge von Zuständen, denn jeder Übergang hat einen Ausgangs- und einen Endzustand. Solange wir nur stetige Prozesse betrachten, gilt „Übergang“ als Synonym zu
„Prozess“. Da kein Prozess ohne Energieumsetzungen ablaufen kann, ist eine der
wichtigsten Aufgaben, die wir haben, um ein „System“ konkret zu definieren, die Angabe sämtlicher Formen, in denen ein System Energie austauschen kann. Das mathematische Hilfsmittel dazu ist die Gibbs’sche Fundamentalform des Systems. Wie erinnerlich, ist sie definiert als Summe aller im System möglichen und voneinander unabhängigen Energieaustausche.
Die Energie allein ist zuwenig, um Prozesse zu beschreiben, wie wir es beim
fallenden Stein schon bemerkt haben. Wir brauchen zur Charakterisierung eines jeden
Prozesses außer der Energiebilanz noch die Angabe des Verhaltens anderer physikalischer Erscheinungen, anderer physikalischer Größen, Variablen also, wie z.B. der
Entropie, Teilchenzahl, Elektrischen Ladung, des Impulses, ... Sie alle beschreiben
allgemeine Vorgänge und Abhängigkeiten zwischen den Naturerscheinungen. Wo immer ein thermischer Energietransport („Wärme“) auftritt, spielt die Entropie die entscheidende Rolle.
38
4.5
Energiewandler, Wirkungsgrad, Heizwert
Energiewandler sind Prozesse, mit Hilfe derer der Transportmodus der Energie
verändert werden kann. „Primärenergien“ heißen dabei alle Energietransporte, welche
in den Wandler hineinführen, während die Energieströme, die aus dem Wandler herauskommen, „Sekundärenergien“ genannt werden. Maschine: Ein System, dessen
Funktion darin besteht, eine beabsichtigte Energieumwandlung vorzunehmen. Der
Wirkungsgrad gibt darüber Auskunft, wie gut dies gelingt. Je nach Typus der Sekundärenergie unterscheiden wir zwischen verschiedenen Klassen von Energiewandlern.
Wir nennen sie:
a) „Kraftwerke“, wenn elektrische Energie herauskommt;
b) „Motoren“, wenn mechanische Energie herauskommt;
c) „Öfen“, wenn Wärmeenergie herauskommt;
d) „Chemische Reaktoren“, wenn chemische Energie herauskommt.
o
Wirkungsgrad. Jede Änderung einer extensiven Größe wie der Energie kann
einzig und allein nur durch Transport geschehen, d.h., es muss eine bestimmte
Menge zu- oder abströmen. Der Wirkungsgrad eines Energiewandlers ist das
Verhältnis zwischen der aus dem Wandler herauskommenden Energieform
(„Sekundärenergie“) und der eingebrachten Energieform („Primärenergie“). Da
jeder dieser Vorgänge mit Verlusten arbeitet, ist der Wirkungsgrad immer kleiner eins.
o
Wieder aufladbare Batterien sind das Zusammenspiel eines chemischen Reaktors (beim Aufladen) mit einem chemischen Kraftwerk (beim Entladen).
o
Der (spezifische) Heizwert ist das Verhältnis der bei der Verbrennung freiwerdenden Energiemenge (in MJ) zur Masse (in kg) des verbrannten festen oder
flüssigen Brennstoffes. Bei Gasen wird das Verhältnis zum Normvolumen genommen (1 m³ bei Normaldruck; wiegt zwischen 0,8 und 3 kg). In der Tabelle
4-1 sind einige typische Heizwerte angegeben.
39
Tabelle 4-1. Heizwerte einiger Brennstoffe.
1. Herkömmliche Brennstoffe:
Alle zwischen 10 und 50 MJ/kg = 2.8 - 14 kWh/kg; Bei Gasen üblicherweise
pro m³ bei Normaldruck gerechnet; 1m³ ~ 0.8-3 kg.
Butan:
124 MJ/m³ ~
46 kWh/kg
Heizöl:
41 MJ/kg =
13 kWh/kg
Holz:
16 MJ/kg
Steinkohle, 30 MJ/kg
2. Energieäquivalenz der Masse: E = m x c² = m x (300 000 km/s)²
1 kg Masse = 25 Milliarden kWh
Kraftwerk Altenwörth: 380 MW Leistung, d.h. 7.4 Jahre dazu in Betrieb!
3. In Kernkraftwerk: Nur Bruchteil der eingesetzten Masse zerstrahlt.
1 kg Uran-Verbrauch entspricht etwa 1 Million kg Kohle.
4. Kernfusion:
1 cm³ Wasserstoff = 20000 kg Kohle
1 kg
Wasserstoff = 200 Milliarden kg Kohle = 200 Millionen Tonnen Kohle.
40
5.
Die Temperatur
Schon seit langem gibt es „Thermometer“, mit deren Hilfe wir „messen“, wie
„warm“ ein Körper ist. „Temperatur“ ist das Maß für den „Wärmezustand“ eines Körpers. Seine Existenz verdankt sie dem „Wärmesinn“ der Lebewesen, insbesondere
von uns Menschen, der uns erlaubt, in warm, kalt, ... einzuteilen.
Eine Änderung des Wärmezustandes oder Temperatur eines Objektes kann
nur durch Energiefluss bewerkstelligt werden. Jeden Energiefluss, der zu einer Änderung des Wärmezustandes führt, nennen wir daher Wärmeenergie. Also jede Energieumverteilung, die durch verschiedene Wärmezustände von zwei Körpern erfolgt,
heißt „Wärmeenergie“. Unter der (spezifischen) Wärmekapazität verstehen wir dabei
das Verhältnis der zugeführten Wärmeenergie zu der dadurch erzielten Temperaturerhöhung (Änderung des Wärmezustandes).
Jeder Körper gibt aber nicht nur bei Kontakt mit anderen Körpern von geringerem Wärmezustand (Temperatur) spontan Wärmeenergie ab („Wärmeleitung“), sondern auch mit Hilfe elektromagnetischer Strahlung. Je heißer die Körper, desto größer
der Anteil an abgestrahlter Energie, von der jener Teil „Wärmestrahlung“ genannt wird,
den wir als Infrarot (IR)- Strahlung bezeichnen. Diese Bezeichnung wurde deshalb so
gewählt, weil nur diese IR-Strahlung in der Lage ist, bei Auftreffen auf einen Körper
dessen Wärmezustand zu verändern.
5.1
Temperaturmaße
Wir bemerken in unserer Umwelt einzig und alleine nur Wärmegefühl einerseits
und Energieaustausche andererseits. Daher hat auch nur die Wärmeenergie eine
exakte Dimension, ihre Aufteilung auf die beiden Faktoren „Temperatur“ und „Entropie“
ist dagegen willkürlich. Wir können entweder der Entropie oder der Temperatur eine
willkürliche Dimension zuteilen, und müssen dann der jeweils anderen nur die Dimension zuordnen, die dem Quotienten E/S bzw. E/T entspricht.
Historisch hat sich eingebürgert, die Temperatur in „Temperaturgraden“ zu
messen, was immer das bedeuten mag - was ist denn ein Grad Celsius? Eine Längendifferenz am Thermometer, eine elektrischer Potentialunterschied? Eine bestimmte
Menge des nicht-existenten Phlogistons oder bloß ein Unterschied in der Erscheinungsform von Körpern?
41
Heute hat sich durchgesetzt, die Temperatur eines Körpers, seinen Wärmezustand, als das Maß für die Größe der mittleren Bewegungsenergie („kinetische E.“)
seiner aufbauenden Moleküle zu definieren. Das ist der Verdienst von kinetischer
Gastheorie und der statistischen Physik. Die Temperatur ist aber eine makroskopische
Eigenschaft, also eine Eigenschaft eines Körperstücks und nicht die einzelner Moleküle oder der „thermodynamischen Teilchen“!
Umso eigenartiger, dass nicht gleich auch ein Energiemaß dazu verwendet
wird, die Temperatur also noch immer nicht in Energieeinheiten gemessen wird. Die
gewohnten „Grade“ von Willkürskalen a la Fahrenheit, Celsius und Reaumur sind eben
stärker. Der Übergang zum Kelvin-Maß ist glücklicherweise ein vorbereitender Schritt,
wir sprechen bereits von so-und-so-vielen „Kelvin“ und nicht mehr von „KelvinGraden“.
Da in Phlogistons Zeiten die Temperatur „fast“ dimensionslos definiert worden
ist, musste später die Entropie entsprechend in (Energie/Grad) gemessen werden - als
ob „Grad“ eine physikalische Einheit wie Länge, Impuls, Masse, ... wäre. Das ist einer
der Gründe für unsere Probleme mit der Wärmelehre, die eines der wichtigsten Kapitel
unserer Naturbetrachtung darstellt, denn es gibt kaum einen Vorgang in der Natur, der
von ihr nicht berührt wird.
5.2
Empirische, absolute und dynamische Temperatur
5.2-1 „Empirische Temperatur“: Zuordnung willkürlicher Zahlenwerte zur Klasse all
jener Körper, die als „gleich warm“ wie ein Referenzkörper festgestellt wurden.
5.2-2 „Absolute Temperatur“: Mit Hilfe der Wärmelehre eingeführt:
Temperatur T = (Energie E)/(Entropie S).
(5.2-1)
Aus der Bilanz eines zwischen 2 Temperaturen T1 und T2 ablaufenden CarnotKreisprozeß können wir die Temperatur als Quotienten zweier messbarer Energien
ET,1 und ET,2 bestimmen:
(T2 - T1)/ T2 = (ET,2 - (-ET,1))/ ET,2 = η,
(5.2-2)
42
(ET,2: Bei isothermer Expansion des Gases aufgenommene Wärmemenge; (-ET,1): Bei
isothermer Kompression des Gases abgegebene Wärmemenge; η Thermischer Wirkungsgrad).
Die absolute Temperatur wird jetzt in Kelvin gemessen. Null Kelvin ist der von
uns Menschen unerreichbare „absolute“ Nullpunkt. Die Temperatur ist damit stets positiv definit.
Bemerkung für Interessierte: Aber es ist möglich, mit Hilfe fiktiver „negativer
Temperaturen“ formale Beschreibungen spezieller physikalischer Systeme zu tätigen, sofern deren Gesamtenergie einen festen endlichen Wert nicht überschreitet.
5.2-3 „Dynamische Temperatur“: Temperatur, die in Energieeinheiten gemessen
wird. Immer beliebter in der Theoretischen Physik, weil dadurch viele Gleichungen klarer und einfacher werden (der Eichfaktor „Boltzmannkonstante k“ fällt weg).
5.3
Messmethoden
Für die Temperaturbestimmung sind alle jene physikalischen Größen geeignet,
deren Werte sich bei Erwärmung oder Abkühlung eines Körpers verändern. Historisch
am bedeutsamsten war der Umstand, dass Stoffe in Zuständen, in denen sie uns bei
Berührung ein größeres Wärmegefühl vermitteln, bei gleichem Druck mehr Volumen
benötigen als solche, die uns „kälter“ erscheinen. Damit hatten wir schon früh ein probates Mittel, die verschiedenen Wärmezustände der einzelnen Objekte unseres Interesses zu charakterisieren: Unsere traditionellen Thermometer.
Neben diesen Längen- und Volumenausdehnungen werden für Temperaturbestimmungen insbesondere die Veränderung der elektro-magnetischen Eigenschaften,
der Farbe (besonders bei Selbststrahlern), der Viskosität, und der Oberflächenspannung herangezogen. Die häufigsten Temperaturmeßmethoden sind:
1-
Thermometer: Volumen- (Längen-)Ausdehnung geeigneter Stoffe:
(i) Flüssigkeiten (Quecksilber, Alkohol, ...);
(ii) Bimetalle: 2 Streifen von Metallen mit unterschiedlichem Ausdehnungsverhalten werden fix miteinander verbunden (geschweißt oder genietet) und verbiegen sich daher bei Erwärmung oder Abkühlung.
43
2-
Widerstandsthermometer: elektrischer Widerstand.
3-
Thermoelemente: Potentialunterschied an der Kontaktstelle zweier unterschiedlicher Metalle (Fe-Konstantan, Ni-Ni(Crca.10%), Pt-Pt(Rhca.10%), ...).
4-
Optische Pyrometrie: Das Abstrahlspektrum elektromagnetischer Strahlung (je
heißer ein Körper, desto kurzwelliger das Strahlmaximum; führte zur Quantenmechanik).
o
Jedes Temperaturmessgerät muss geeicht werden! Und zwar durch Vergleich
mit Körpern bekannter Temperaturen, wie Erstarrungspunkte von Wasser
(273,15 K), Silber (1234,9 K), Gold (1337,3 K), ..., Siedepunkte von Sauerstoff
(90,19 K), Wasser (373,15 K), Schwefel (717,75 K), ...
o
Mit Ausnahme der Pyrometrie, müssen sämtliche Temperaturmessgeräte in
körperlichem Kontakt zum Objekt stehen, dessen Temperatur bestimmt werden
soll, denn diese Messungen beruhen ausschließlich auf der Ausgleichseigenschaft der Temperatur, dass verschieden temperierte Teile eines thermisch abgeschlossenen Systems im Laufe der Zeit durch Wärmeaustausch dieselbe
Temperatur annehmen.
5.4
Für Interessierte: Geschwindigkeitsabhängigkeit der Temperatur.
Selbstverständlich ist dies kein Lernstoff, aber vielleicht gefällt es dem einen
oder anderen, 100 Jahre nach dem Erscheinen der Einstein’schen Relativitätstheorie
zu erfahren, dass die Zerlegung der Energie eines Systems in einen „äußeren“ oder
„kinetischen“ Anteil und einen „inneren“ oder „ruhenden“ Anteil ausschließlich nur eine
Alltagsnäherung darstellt, die nur für v<<c erlaubt ist, denn bei kleinen Geschwindigkeiten ist c.p << E.
Wenngleich wir in unserem Alltag mit der Behauptung gut argumentieren können, dass die Objekte unserer Umwelt eine klar bestimmte Menge an Energie und Impuls „besitzen“, ist diese Behauptung dennoch grober Unfug. Ein Schmalztopf bewege
sich uns gegenüber mit 10 km/h nach rechts. Wir messen an ihm 1 kg Masse und die
diesen Daten entsprechenden Werte an kinetischer Energie und Impuls. Soweit so
gut. Unsere Nachbarn fahren aber mit ihrem Auto von uns mit 100 km/h nach links
weg. Daher messen sie an dem Schmalztopf eine deutlich höhere Relativgeschwindigkeit und daher auch deutlich höhere Werte für seine kinetische Energie und seinen
44
Impuls. Versteckt der Schmalztopf uns gegenüber einen Teil seines Energie- und Impulsbesitzes oder protzt er nur unsere Nachbarn gegenüber mit Nichtvorhandenem?
Und wenn ein anderer Bekannter von uns den Schmalztopf während dessen Reise in
der Hand hält, dann zeigt ihm dieser überhaupt keinen Impuls und auch keine kinetische Energie!
Wie viel kinetische Energie, wie viel Impuls besitzt denn nun unser Schmalztopf? Wir sehen, diese Frage kann prinzipiell nicht beantwortet werden. Wohl aber jene, wie viel an Energie und Impuls der Schmalztopf unseren Nachbarn, unserem anderen Bekannten und uns zeigt – dies ist geregelt durch die jeweilige Relativgeschwindigkeit. Seitdem wir wissen, dass unsere Sonne ihren Brennstoff aus der Zerstrahlung von Masse in Energie bezieht, sollten wir den modernen Energiebegriff immer und überall benützen. Dazu gehört einerseits, dass wir uns klar machen, dass
kein einziges Objekt Energie und Impuls „absolut besitzt“, sondern nur die Verfügungsberechtigung über bestimmte Teilmengen daran innehat. Die Größe dieser
Mengen wird von der Relativbewegung zu den einzelnen Beobachtern fixiert.
Zum andern ist es nach der Relativitätstheorie ein grundlegendes Erfordernis,
dass die Energie eines jeden Transports mit dem Impuls über die dynamische Bewegungsinvariante (der „Ruhenergie“) Eo verbunden ist:
Eo² := E(p=0; S,N1,...Nm)² = E(p,S,N1,...Nm)² - c².p².
(5.4-1)
Daher gilt für die Energie, die ein Beobachter an einem Objekt misst, welches sich mit
der Relativgeschwindigkeit v von ihm fort bewegt, dass sie mit dem Impuls verbunden
ist, den das Objekt unserem Beobachter gegenüber zeigt:
E := E(p,S,N1,...Nm) = [c²p² + Eo²(S,N1,...Nm)]1/2
(5.4-2)
Da die Temperatur T per definitionem die partielle Ableitung der Energie nach der Entropie ist (T := ∂ E/∂S; vgl. Tabelle „Standardformen der Energie“), gilt:
T(p, S,N1,... Nm) = ∂ [c²p² + Eo²(S,N1,... Nm)]1/2 / ∂S,
(5.4-3)
45
Nach Durchführung der partiellen Differentiation lautet Gl. (5.4-3):
T(p, S,N1,... Nm) = ½ . [c²p² + Eo²(S,N1,... Nm)]-1/2 .(2 Eo). ∂ Eo/∂S.
(5.4-4)
Heben wir im Nenner aus der Wurzel (Eo²) heraus, dann wird es Eo und kürzt sich gegen das Eo im Zähler. Somit erhalten wir:
T(p, S,N1,... Nm) = [c²p²/Eo² + 1]-1/2 . ∂ Eo/∂S.
(5.4-5)
E0 ist die Energie im Ruhsystem. Dort gilt selbstverständlich, dass T := ∂E0/∂S. Daher
lässt sich Gl. (5.4-5) umschreiben zu:
T(p, S,N1,... Nm) = [c²p²/Eo² + 1]-1/2 . T(p=0, S,N1,... Nm).
(5.4-6)
Jetzt wird p durch v ersetzt, und zwar über v = ∂ E/∂p (vgl. Tabelle „Standardformen
der Energie“). Damit gilt für v:
v = c²p/[c²p² + Eo²]1/2.
(5.4-7)
Elementare Umformung von Gl. (5.4-7) ergibt
c²p² + Eo² = c4p2/v²,
c²p² = Eo²/[c²/v² -1],
1 + c²p²/Eo² = 1 + 1/[c²/v² -1].
(5.4-8)
Weitere Umformung von Gl. (5.4-7) ergibt in Schritten
1 + c²p²/Eo²
= 1 + 1/(c²/v²)[1 -v²/c²]
= 1 + (v²/c²)/[1 -v²/c²]
= {[1 -v²/c²] + (v²/c²)}/[1 -v²/c²]
und schließlich
46
1 + c²p²/Eo²
= 1/[1 -v²/c²].
(5.4-9a)
Die rechte Seite von Gl. (5.4-9a) wird in der Relativitätstheorie als γ-Faktor bezeichnet:
γ := (1/[1 -v²/c²])1/2.
(5.4-9b)
In Gl. (5.4-6) eingesetzt, erhalten wir das behauptete Resultat, dass nämlich die Temperatur keine absolut gegebene Systemgröße ist, sondern von den Relativgeschwindigkeiten der Beobachter abhängig ist:
T(p, S,N1,... Nm) = γ . T(p=0, S,N1,... Nm) = γ . T0.
(5.4-10)
Damit zeigt der Wärmezustand eines Systems exakt dieselbe Abhängigkeit von der
Relativgeschwindigkeit des Systems zu einem Beobachter wie die Energie selbst (Für
Interessierte sei auf „Das kosmische Spiel“ (J. Tomiska; siehe Literaturverzeichnis)
verwiesen):
E(p) = γ . E(p=0) = γ . E0.
(5.4-11)
47
6.
Energie und Entropie
6.1
Entropie
Wir sprechen immer dann davon, dass ein thermischer Energietransport stattfindet, wenn alle anderen Austauschformen unterbunden sind, und dennoch ein Energiestrom existiert. D.h., dann, wenn Impuls, Drehimpuls, Volumen, Teilchenzahl, elektrische Ladung, ... konstant gehalten werden, wenn kein Austausch mit irgendeinem
Feld geschieht, weder mit einem elektromagnetischen noch einem Gravitationsfeld
noch einem anderen.
Solch ein Austausch findet beispielsweise statt, wenn wir zwei Körper in Kontakt bringen, welche wir als verschieden „warm“ empfinden. Wir merken dann bald einen „Wärmeausgleich“ der Art, dass sich unsere Wärmeempfindungen angleichen. Wir
wissen bereits, dass für den dazu erforderlichen Energietransport formal gilt (vgl. Tabelle 3-2, Zeile 5):
Energieaustausch dE := ET := T . dS
(6.1-1)
Die Temperatur haben wir als Maß für den Wärmezustand kennen gelernt, als
jene intensive Größe also, welche als Verursacher für Wärmeaustausch identifiziert
worden ist. Wir wissen auch bereits, dass jeder Energiestrom an das Strömen eines
zweiten, ebenfalls extensiven Naturphänomens gekoppelt ist. Dieser spielt die Rolle
eines „Lenkungs- und Steuerungsstromes“, weil Start und Ziel sowie die Stärke des
Energietransportes damit fixiert wird.
Die zum thermischen Energieaustausch notwendige Lenkungsvariable, diese
zweite, strömende Größe wird „Entropie“ genannt. Sie wurde von Clausius eingeführt,
zu Pate stand „entrepein“, das griechische Vokabel für das Wort „umwenden“. Die Entropie entzieht sich jeder direkten Messung, sie ist nur berechenbar. Sie wird in der Literatur gerne als Quotient von der bei einem reversiblen (umkehrbaren) Prozess zugeführten Wärme ET,rev. und der Aufnahmetemperatur T definiert:
S = ET,rev./ T.
(6.1-2)
Diese integrale Definition erweckt aber sofort Unbehagen, denn bei Zuführung
eines endlich großen Betrages von Wärmeenergie, müsste sich der Körper doch er-
48
wärmen. Daher muss die Entropie S unbedingt differentiell definiert werden, wie in unserer Tabelle der Energieformen auch geschehen:
dS = dET,rev./ T
(6.1-3)
Technische Bedeutung hat sie für die Berechnung des Wirkungsgrades von
Wärmekraftmaschinen. Die Entropie erlaubt nämlich die rechnerische Bestimmung jenes Teils der Wärmeenergie, der wegen seiner gleichmäßig erfolgten Verteilung auf
alle Moleküle des betrachteten Systems innerhalb desselben nicht mehr neu umverteilt
werden kann, insbesondere nicht mehr in mechanische Arbeit umformbar ist.
Boltzmann erkannte 1866 als erster den Zusammenhang zwischen der Entropie und der Wahrscheinlichkeit W, ein betrachtetes System in einem ganz bestimmten
seiner vielen möglichen Zustände vorzufinden. Je höher diese Wahrscheinlichkeit,
desto größer die Entropie. Daher definiert die statistische Physik (k BoltzmannKonstante):
S := k . ln W.
o
(6.1-4)
Wir können also formulieren: zunehmende Entropie ist das Maß (i) für die Abnahme der Ordnung, (ii) für die Zunahme der Unordnung oder (iii) für den Verlust an Information.
o
In der Informationslehre bedeutet „Entropie“ oder „Negentropie“ das Maß für
den mittleren Informationsgehalt einer Nachricht.
o
Es ist sinnvoll und richtig, bei Körpern von der Menge an enthaltener Entropie
S zu sprechen, ganz genauso, wie wir seine Energie E, sein Volumen V, seinen Impuls p seine elektrische Ladung Q, seine Teilchenzahl N ... angeben.
o
Die Entropie ist eine Größe, die strömen kann, also kennt sie wie jede andere
extensive Größe auch einen Entropie-Strom, eine Entropiestrom-Dichte.
o
Da Wärme die an eine Übertragung von Entropie gebundene Energie ist, gilt
natürlich sofort auch, dass ein Wärmestrom einen Energiestrom darstellt, der
an einen Entropiestrom gebunden ist, mit ihm untrennbar verknüpft ist.
o
Daher die uns schon bekannte Regel: Ein Wärmestrom ist ein mit einem Entropiestrom verknüpfter Energiestrom:
49
Wärmestrom = T . dS/dt = T . Entropiestrom.
o
(6.1-5)
Entropie kann auf zweierlei Arten strömen: (i) Allein und (ii) im Kollektiv mit einem Teilchenstrom. Strömt etwa ein Gas oder eine Flüssigkeit als Ganzes,
dann stellt es einen kollektiven Strom aller extensiven Größen dar, die es beinhaltet: Also einen Teilchenzahl-Strom, einen Impulsstrom, einen Entropiestrom,
... Jeder dieser Ströme bedingt dann auch einen jeweiligen Energiestrom, der
Impuls einen Bewegungsenergie-Strom, die Entropie einen Wärmestrom.
6.2
Die Erzeugung von Entropie.
Bild 6-1. Jeder thermische Energiestrom erzeugt Entropie.
Wie Bild 6-1 veranschaulicht, erzeugt jeder thermische Energiestrom notwendigerweise Entropie: Solange die Temperaturdifferenz (T2-T1) zwischen den beiden
Stofffeldern „1“ und „2“ konstant bleibt, solange ist auch der thermische Energietransport von Feld 1 nach 2 konstant:
dET/dt = T1 dS1/dt = T2 dS2/dt.
(6.2-1)
Da in Feld 2 die Temperatur niedriger ist als die in Feld 1 (T2 < T1) können die beiden
Produkte in Gl. (6.2-1) nur dann gleich sein, wenn der Entropiestrom im Feld 2 größer
ist als jener in Feld 1: (dS2/dt) > (dS1/dt). Und zwar müssen die Entropieströme in den
beiden Feldern zueinander im umgekehrten Verhältnis stehen wie die dortigen Temperaturen:
50
(dS2/dt) / (dS1/dt) = T1/T2.
(6.2-2)
Da für die Entropie kein Erhaltungssatz gilt, darf S2 > S1 sein. Dies ist aber nur
möglich, wenn der thermische Energietransport durch einen Wärmewiderstand hindurch Entropie produziert. Der Betrag ist gegeben durch das Temperaturverhältnis einerseits und der Stärke des thermischen Energietransportes. Zu seiner Berechnung
bilden wir die Differenz der Entropieströme in den beiden Feldern: (dS2/dt - dS1/dt),
setzen für den Entropiestrom (dS2/dt) aus Gl. (6.2-2) ein und heben die Temperatur T1
heraus:
(dS2/dt - dS1/dt) = T1/T2 dS1/dt - dS1/dt
= dS1/dt (T1/T2 - 1) = (T1.dS1/dt) . [1/T2 - 1/T1].
(6.2-3)
Ersetzen wir nun das Produkt (T1.dS1/dt) aus Gl. (6.2-1) durch den Energiestrom, dann
erhalten wir mit
(dS2/dt - dS1/dt) = dET/dt [(T1-T2)/ T1 T2]
(6.2-4)
die gesuchte Berechnungsformel für den Entropiezuwachs, der durch den
thermischen Energietransport durch einen Wärmewiderstand entsteht. Der Wärmewiderstand eines Mediums besteht somit darin, dass es Entropie erzeugt, sobald es von
Entropie durchflossen wird.
o
Je größer der Wärmewiderstand, desto mehr Entropie wird erzeugt.
o
Entropie kann aber auch strömen, wenn ein Medium strömt, wie z.B. Wasser.
Denn in solchen Fällen strömen sämtliche mengenartigen Größen, also Impuls,
Teilchenzahl, ... Auch hier gilt für die Kopplung von Wärmestrom und Entropiestrom Gl. (6.2-1).
6.3
Innere Energie U
Der Bergriff „innere Energie“ ist zu einer Zeit geprägt worden, als die Universalität der Energie als eine der großen Erhaltungsgrößen in unserem Universum noch
nicht bekannt war. Damals glaubten wir noch, ein System besäße verschiedene Ener-
51
giearten, die wir im System voneinander unterscheiden könnten. Daher schrieben wir
auch gerne, dass die „Gesamt“-Energie eines Systems aus einzelnen Teilen wie der
„kinetischen“ Energie, der „potentiellen“ Energie, ... und eben der „inneren“ Energie
bestünde.
Heute wissen wir, dass es nur eine Energie gibt, die wir in verschiedenen Formen zwischen den einzelnen physikalischen Objekten umverteilen können. Die „innere“ Energie entpuppt sich dabei als Synonym für die „Ruhenergie“ eines Systems, also
als andere Bezeichnung für die (gesamte) Energie eines Systems - ohne Berücksichtigung der Masse- Energie-Äquivalenz, das sich im selben Bewegungs- und Schwerezustand befindet wie sein Beobachter. Solch ein System zeigt sich dem mitbewegten
Beobachter ja als „in Ruhe befindlich“, und die Bilanzierung seiner Energie kann von
ihm einzig über die Vorgänge im Innern des Systems erfolgen. Diese sind: (i) die
„Wärmebewegung“ der Systemteilchen, (ii) die Wechselwirkung zwischen den Molekülen und (iii) die innermolekularen Bewegungen (Schwingungen, Rotation, ...).
6.3.1 Abgeschlossenes System: dU ≡ 0.
o
Da kein E-Austausch möglich, gilt: Gesamtenergie ≡ Innere Energie U.
o
Da Teilchenzahl konstant, kann nur die Mischungsart verändert werden – aber
diese Veränderung ist dann im Innern irreversibel und nur noch äußere
Zwangsmaßnahmen können daran etwas verändern.
o
Das gesamte System kann als eine Einheit gleichförmig transportiert werden,
denn eine gleichförmige Bewegung des Gesamtsystems kann die Verhältnisse
im Innern nicht beeinflussen.
o
Es ist daher:
dE ≡ dU ≡ 0.
(6.3-1)
52
Bild 6-2. Abgeschlossenes System.
Weder Energie- noch Teilchenaustausch möglich.
6.3.2 Geschlossenes System: dU ≠ 0.
Bild 6-3. Geschlossenes System.
Energie- aber kein Teilchenaustausch möglich:
A. Änderung des Wärmezustandes dU = E5 = T.dS.
B. Volumsarbeit dU = E4 = -p.dV.
Im geschlossenen System kann die (innere) Energie durch zwei Energieaustausche verändert werden: (i) durch einen Entropiestrom (vgl. Tabelle 3-2;
Zeile 5) und (ii) durch mechanische Arbeit in Form von Kompression (vgl. Tabelle
3-2; Zeile 4).
53
(i)
Änderung der inneren Energie, dU, durch Entropiestrom dS/dt.
Besteht eine Wärmeenergie leitende Verbindung zwischen unserem geschlos-
senen System und seiner Umgebung, dann kann die innere Energie „thermisch“ verändert werden. Nach Zeile 5 in Tabelle 3-2 gilt für die Änderung der Energie - und daher hier für jene der „inneren“ Energie:
dU = E5 (= ET) = T.dS.
(6.3-1a)
Hier gilt wegen U = U(S) auch:
dU = ∂U(S)/∂S dS = T.dS.
(ii)
(6.3-1b)
Änderung der inneren Energie, dU, durch mechanische Arbeit.
Wenn wir in Bild 6-3 den Stempel in den Kolben drücken, dann leisten wir
Kompressionsarbeit, die in das System fließt (vgl. Tabelle 3-2; Zeile 4); wenn das Volumen verkleinert wird, dann ist dV negativ, insgesamt ist der Term (-p.dV) dann positiv, er vergrößert daher auch die (innere) Energie des Systems:
dU = E4 (= Ecomp) = -p dV.
(6.3-2a)
Andere Arten von Arbeit gibt es hier nicht. Damit gilt hier U = U(V),
dU = ∂U(V)/∂V dV = -p dV.
(iii)
(6.3-2b)
Gesamtänderung der inneren Energie U.
Insgesamt gilt daher, dass das geschlossene System gemäß Punkt 4.1-3 ein
„thermodynamisches“ System ist:
dU = E5 + E4 (= ET + Ecomp)
= ∂U(S,V)/∂S dS + ∂U(S,V)/∂V dV
= T dS - p dV.
(6.3-3)
Viele Autoren verwenden den Ausdruck (mechanische Arbeit W):
54
dU = δET - δW (oder auch: dU = ∆ ET - ∆ W),
der aber keinerlei mathematische Bedeutung besitzt, denn was soll mathematisch das
δ-Zeichen bedeuten? Üblicherweise wird damit eine „Variation“ gekennzeichnet. Es ist
aber mathematisch unmöglich, ein vollständiges Differential als Differenz zweier Variationen hinzuschreiben. Der moderne Energiebegriff benötigt keine mathematisch unsinnigen Formulierungen, er ist nämlich in sich stimmig.
6.3.3 Offenes System: dU ≠ 0 und dNj ≠ 0 (variable Teilchenzahl Nj)
In offenen Systemen ist die innere Energie nicht nur von der Entropie S und
dem Volumen V abhängig, sondern auch noch von den Teilchenzahlen Nj. Wir vergegenwärtigen hier also den im Punkt 4.1-4 behandelten Fall des Systems „Einheitliche
Stoffe“:
dU(S,V,Nj) = E5 + E4 + E6-j
= ET + Ecomp + Eµj
= ∂U(S,V,Nj)/∂S . dS + ∂U(S,V,Nj)/∂V . dV + Σ ∂U(S,V,Nj)/∂Nj . dNj
(6.3-4)
Das chemische Potential µj ist definiert als jene Energieänderung eines Systems, die durch Hinzufügen eines Teilchens der Art j hervorgerufen wird. Wenn beispielsweise N1 Moleküle Wasser in den Kaffee geschüttet werden, dann führen wir ihm
die Energie [N1. µ1] zu. Analoges gilt für die N2 Moleküle Koffein, die N3 Moleküle
Farbstoffe, ... . Damit kann Gl. (6.3-4) kurz geschrieben werden als:
dU(S,V,Nj) = T . dS - p . dV + Σ µj . dNj.
(6.3-5)
55
Bild 6-4. Offenes System.
Sowohl Energie- als auch Teilchenaustausch möglich:
A. Änderung des Wärmezustandes dU = E5 = T.dS.
B. Volumsarbeit dU = E4 = -p.dV.
C. Teilchenaustausch dU = E6-1 + E6-2 +... = µ1.dN1 + µ2.dN2 + ... .
6.4
Die Rolle von Hauptsätzen in der Naturwissenschaft
Für die Wärmehauptsätze gibt es verschiedene Formulierungen. Die Entstehung der Hauptsätze verlief parallel mit der technischen Entwicklung von Wärmekraftmaschinen, so dass entsprechende Aussagen, etwa zur Unmöglichkeit der Realisierung einer speziellen Maschine - des Perpetuum mobile - getroffen werden, die diese Hauptsätze widerlegen würde. Die Formulierungen der Hauptsätze sind nicht allein
auf die Physik oder die Chemie beschränkt, sondern finden durch ihren systemtheoretischen Charakter rege Anwendungen in der Ökologie und Ökonomie sowie in ähnlichen Gebieten.
Heute könnte ein anderer Aufbau geschehen, der sich durch die Tatsache
ergibt, dass die Energie neben Impuls und Drehimpuls als dritte universelle Naturinvariante allgemein anerkannt ist. Die Energie wird heute als universelle Größe betrachtet, die in jedes Ereignis unserer Umwelt eingebunden ist (ersetzt ersten Wärmehauptsatz). Wärmephänomene sind alle Vorgänge der Natur, deren Energiespiel mit Hilfe
eines Entropiestromes geregelt wird (ersetzt zweiten Wärmehauptsatz).
56
„Hauptsätze“ werden allgemeine Behauptungen über physikalische Geschehnisse genannt, die ausnahmslos und unter allen Umständen Gültigkeit beanspruchen.
Meist sind diese Hauptsätze Unmöglichkeitsaussagen, auch wenn es nicht sofort ersichtlich ist, wie beim Erhaltungssatz der Energie: Er behauptet, dass alle Geschehnisse unmöglich sind, bei denen Energie erzeugt oder vernichtet würde. So eine Aussage lässt sich niemals streng beweisen, denn wir haben nur die Erfahrung der Vergangenheit.
Daher spielen die Hauptsätze die Rolle von Prinzipien: Wir fassen mit ihnen
unsere Erfahrung zusammen und extrapolieren damit auf bisher unbekannte Fälle.
Prinzipien werden ausschließlich durch Erfahrung motiviert,
können aber niemals
streng bewiesen werden. Daher sollten wir weniger von „Richtigkeit“ als von „Zuverlässigkeit“ sprechen. Die Rechtfertigung von Hauptsätzen oder Prinzipien liegt ausschließlich in ihrer Zuverlässigkeit, in der Zahl ihrer Erfolge.
Wir können die Thermodynamik auch so aufbauen, dass ihr die Hauptsätze als
Prinzipien zugrunde gelegt werden und daraus alle Phänomene folgen, deren Beobachtung uns ursprünglich zu ihren Formulierungen geführt haben. Dieser Weg hat
den Vorteil, dass wir die Thermodynamik zwanglos in das Gesamtgebäude unserer
Naturwissenschaft einbauen können, dass die wesentlichen Argumente und Funktionsweisen klarer zutage treten als auf dem heuristischen Weg, der zumeist beschritten wird.
6.5
Moderne Form der Wärmehauptsätze
6.5-1 Erster Hauptsatz (HS-1): Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden,
die Energie erfüllt einen Erhaltungssatz.
Ergänzung zu HS-1: Die Energie E eines Systems ist niemals negativ, sie hat einen
absoluten Nullpunkt: E ≥ 0.
6.5-2 Zweiter Hauptsatz (HS-2): Entropie kann niemals vernichtet, wohl aber erzeugt werden.
Ergänzung zu HS-2 (war 3. Hauptsatz): Die Entropie S eines Systems ist niemals negativ, sie hat einen absoluten Nullpunkt: S ≥ 0.
6.5-3 Erläuterungen: Bei S = 0 ist nur dann auch T = 0, wenn ein System nur aus
stabilen Zuständen besteht, also nur aus Zuständen, in denen alle extensiven und in-
57
tensiven Variablen des Systems endliche Werte haben und das System im Gleichgewicht ist hinsichtlich aller frei austauschenden inneren Variablen.
Der HS-1 trifft eine Aussage über eine allgemeine Eigenschaft der Variablen
„Energie E“, und der HS-2 eine über die Variable „Entropie S“. Allgemeine Eigenschaften von Variablen sind so beschaffen, dass sie eine ganz bestimmte Einschränkung
dekretieren, an die sich alle Geschehnisse, alle Abläufe in der Natur nach unserem
Willen zu halten haben.
Solange sämtliche im Kosmos beobachteten Ereignisse mitspielen, solange
drücken diese Eigenschaften für uns die Funktionsprinzipien unseres Universums aus.
Sobald wir Dinge beobachten, die im Widerspruch dazu stehen, müssen wir neue Beschreibungen suchen. Siehe unseren als falsch herausgestellten Glauben an die Erde
als Zentrum des Universums, an Phlogiston und Lichtäther, an Absolutexistenz von
Raum und Zeit oder an die Unzerstörbarkeit der Masse.
In den Termini der Thermodynamik heißt obiges so: Allgemeine Eigenschaften
von Variablen sind so beschaffen, dass alle Realisierungen von Prozessen physikalischer Systeme bestimmten Einschränkungen unterworfen sind. D.h.: Aus der Beobachtung, dass ein System seine Energie E um dE ≠ 0 verändert, folgt jetzt, dass es
ein zweites System geben muss, mit dem es kommunizieren, wechselwirken kann auch dann, wenn dieses zweite System nicht sichtbar ist. Ein Beispiel für so ein unsichtbares System ist das Feld, mit dem ein beschleunigter Körper wechselwirkt.
Der HS-2 macht eine ähnliche, aber schwächere Aussage über die Entropie S:
Diese erfüllt sozusagen nur einen „halben“ Erhaltungssatz, da sie zwar nicht zerstört
werden kann, dafür aber erzeugbar ist. Dem Endzustand eines Systems ist durch
nichts anzumerken, ob die Entropiezunahme durch Wechselwirkung mit einem anderen System entstanden ist, oder ob die zusätzliche Entropie im System selbst erzeugt
worden ist. Stellt man jedoch eine Abnahme der Entropie eines Systems fest, dann
muss es eine Wechselwirkung mit einem zweiten System gegeben haben. Von selbst
können nur Prozesse ablaufen, bei denen die Entropie zunimmt.
Die Ergänzungen zu den beiden Hauptsätzen treffen Feststellungen über eine
Eigenschaft aller Systeme: Sie behaupten, dass sowohl die Energie E als auch die
Entropie S eines jeden Systems mathematisch einseitige Variablen sind, die nach unten beschränkt sind. Die physikalische Konsequenz daraus ist, dass alle in der Natur
zu findenden Systeme nur endliche Mengen an Energie oder Entropie enthalten können. Im Universum darf es kein einziges System geben, welches eine unendliche
58
Menge an Energie und/oder Entropie besitzt. Auch die Ergänzungen stellen Prinzipien
dar, die sich in ihren Anwendungen bewähren müssen.
6.6
Ältere Formulierungen der Wärmehauptsätze
6.6.1 Für den HS-1
o
Clausius: Die Änderung der inneren Energie, dU, eines Systems ist gleich der
Summe der von außen zugeführten Wärme ET, und Arbeit W. Bei einem Kreisprozess ist diese Summe = 0.
o
Es existiert kein perpetuum mobile 1. Art.
o
dU = ∆ ET - ∆ W
(∆: hier ohne mathematischer Bedeutung) dU ist vollständi-
ges Differential.
6.6.2 Für den HS-2
o
Es existiert kein perpetuum mobile 2. Art.
o
Wärme ET kann nicht vollständig in Arbeit W umgesetzt werden.
o
Wärme ET kann ohne Arbeit W nur vom wärmeren zum kühleren Reservoir geleitet werden.
o
Die Entropie eines thermisch-isolierten Systems nimmt nie ab.
6.6.3 Für den HS-3
Am absoluten Nullpunkt ist die Entropie aller Substanzen gleich groß, die in
diesem Temperaturbereich thermodynamisch stabil sind. Planck setzte S(T=0) := 0 für
alle stabilen Substanzen, d.h. für alle idealen Festkörper.
Folgerungen: cp(T=0) = cv(T=0) = 0; κ(T=0) = 1 (κ:= cp/cv.) Am absoluten Nullpunkt wird die Isotherme identisch zur Adiabate - d.h. kein reversibler Kreisprozess
möglich.
59
7.
Materiezustände
Unter Materie verstehen wir nicht nur den „Urbaustoff“ aus dem unser gesamtes Weltall geworden ist, sondern insbesondere auch alle die uns bemerkbaren körperlichen Dinge, also alle Objekte unserer Umwelt, die wir als Stoffe oder Substanzen
bezeichnen.
7.1
Aggregatzustände der Körper
Die Stoffe unserer Welt zeigen sich in unterschiedlichen Zustandsformen, die
auch Aggregatzustände oder Phasen genannt werden, und die jeweils durch Temperatur- und Druckbedingungen festgelegt sind. Chemische Reaktionen können sowohl
innerhalb einer oder zwischen mehreren Zustandsformen (Phasen, Aggregatzustände)
ablaufen. Auch bei chemischen Stoffumsätzen mit ein- und derselben Zustandsform
können ebenfalls Änderungen des Aggregatzustandes auftreten.
Traditionell unterscheiden wir drei verschiedene Aggregatzustände: (i) Fest, (ii)
Flüssig und (iii) Gasförmig. Die moderne Naturwissenschaft kennt darüber hinaus aber
noch zwei weitere, sehr wichtige Zustandsformen. (iv) Plasma heißen Gase, die so
heiß sind, dass die Moleküle zerstört sind. Elektronen und Kerne bilden gemeinsam
das Plasma. (v) Die Suprafluidität ist ein flüssiger Aggregatzustand, der sich in seinen
Eigenschaften aber grundlegend von jeder normalen Flüssigkeit unterscheidet. Die
Viskosität nimmt sehr kleine, die Wärmeleitfähigkeit sehr große Werte an. In dem suprafluiden Zustand treten makroskopische Quanteneffekte auf, daher wird auch von
Quantenflüssigkeiten gesprochen.
Suprafluidität ist bisher nur in der als Helium-II (He-II) bezeichneten Phase des
He im Temperaturbereich unterhalb der sog. λ-Linie (bei Normaldruck und 2,19 K)
4
und unterhalb von 3 mK in 3He beobachtet worden. Weitere Kandidaten sind Spinpolarisierter Wasserstoff und das Zentrum von Neutronensternen (Neutronen und Protonen möglicherweise in suprafluider Phase). Die thermische Leitfähigkeit ist in He-II
so hoch, dass es unmöglich ist, in He-II einen Temperaturgradienten herzustellen.
Verdampfung findet daher nur an der Oberfläche statt. Zwischen zwei Volumina von
He-II lässt sich ein Temperaturgradient nur über ein Superleck realisieren, d.h. durch
eine Öffnung, die nur die suprafluide Komponente durchlässt. Die Supraflüssigkeit
strömt zu dem Gebiet hoher Temperatur, bis der Gradient ausgeglichen ist. He-II kann
60
nicht durch das Ausbilden einer festen Phase die Entropie verringern, da für T -> 0 die
flüssige Phase stabil bleibt. Das Zweiflüssigkeiten-Gemisch besteht dann nur noch aus
der Supraflüssigkeit und besitzt keinerlei Entropie. Bei endlicher Temperatur wird die
ganze Entropie von der normalen He-I-Phase getragen.
Der Aggregatzustand von Körpern ergibt sich aus dem jeweiligen Spiel zwischen der anziehenden Kohäsionskraft und der auseinander treibenden Eigenbewegung:
A) Festkörper: Kohäsion wesentlich stärker als die Eigenbewegung;
B) Flüssigkeit: Kohäsion und Eigenbewegung halten sich die Waage;
C) Gase: Kohäsion vernachlässigbar klein. Gase haben etwa das 2000-fache Volumen
von Flüssigkeiten (Beispiel: mit flüssigem Stickstoff gefüllter Luftballon).
Bild 7-1. Die Aggregatzustände der Stoffe.
61
7.2
Phasen
Unter einer „(Stoff-)Phase“ verstehen wir einen stofflichen Zustandsbereich, der
in sich homogen, also völlig gleichartig ist, konstante, ortsunabhängige Eigenschaften
aufweist und durch scharfe Grenzflächen abgegrenzt ist. Meist sind die einzelnen
Stoffphasen optisch voneinander unterscheidbar und mechanisch trennbar Als Beispiel mögen die drei Phasen des H20 dienen: Wasserdampf, flüssiges Wasser und Eis.
Eine „Mischphase“ besteht dagegen aus mehreren Stoffen. Alkohol und Wasser etwa
ergeben zusammen eine homogene Mischung zweier Flüssigkeiten. Der mit Wasser
„verdünnte“ Alkohol wird als homogener Stoff bezeichnet, stellt aber eigentlich eine
Mischphase dar.
Verschiedene Aggregatzustände in einem System bilden einzelne, voneinander
getrennte Phasen. Es kann mehrere flüssige und feste Phasen geben, immer aber nur
eine einzige Gasphase. „Heterogen“ heißen Systeme, in denen einzelne, voneinander
getrennte Phasen vorkommen. Heterogene Systeme lassen sich durch geeignete physikalische Techniken in ihre Bestandteile zerlegen.
7.3
Änderungen der Aggregatzustände
Die Änderungen der Aggregatzustände heißen bei:
Fest zu flüssig:
Schmelzen;
Flüssig zu fest:
Erstarren;
Flüssig zu gasförmig: Verdunsten, Verdampfen;
Gasförmig zu flüssig: Kondensieren.
Fest zu gasförmig:
Sublimieren;
Gasförmig zu fest:
(De-)Sublimieren;
o
Die dazu notwendigen Wärmeflüsse werden nach den jeweiligen Vorgängen
benannt: Schmelzwärme wird beim Schmelzen aufgenommen, die gleich große Erstarrungswärme beim Umkehrvorgang (Erstarrung) abgegeben, ...
o
Bei Reinstoffen erfolgt die bei bestimmten, druckabhängigen Temperaturen ei-
ne quantitative, reziproke Umwandlung von fest/flüssig (Schmelz/Erstarrungspunkt)
und flüssig/gasförmig (Siedepunkt). Verdunsten nennt man gerne die Verdampfung
unterhalb des Siedepunktes.
62
o
Bei Lösungen, Mischungen, Verbindungen ist die Situation komplexer: Es gibt
oft Unterschiede zwischen Schmelz- und Erstarrungspunkten, ebenso wie zwischen
Siede- und Kondensationspunkten. Auch weisen diese Temperaturen oft erhöhte oder
erniedrigte Werte gegenüber den Reinsubstanzen auf (Siedepunktserhöhung,
Schmelzpunktserniedrigung,... ). Darauf beruht auch die winterliche Salzstreuung.
o
Phasendiagramme sind die Schaubilder des Umwandlungsverhaltens der Sub-
stanzen. Bei den bekanntesten wird bei konstantem Druck die Umwandlungstemperatur als Funktion der Zusammensetzung gezeichnet.
7.4
Wärmeausdehnung
o
Bei Erwärmung nimmt das Volumen aller Körper zu - mit Ausnahme von Wasser zwischen 273 K und 277 K (Anomalie des Wassers).
o
Die Dichte ρ der Körper verhält sich natürlich umgekehrt wie das Volumen,
denn es gilt ja: Dichte ρ = (Masse m)/ (Volumen V).
o
Festkörper (α Längenausdehnungskoeffizient):
Längenänderung ∆l =
α lo ∆T,
Flächenänderung ∆F = 2α Fo ∆T,
Volumsänderung ∆V = 3α Vo ∆T.
o
Flüssigkeiten und Gase dehnen sich weit stärker aus als Festkörper. Naturgemäß kennen sie nur Volumenausdehnung:
∆V = γ Vo ∆T.
o
Längenausdehnungskoeffizient α (zwischen 273 und 373 K in 10-6/K) für:
Al
23,8
Eis (273 K)
0,5
Asphalt
≈200
Eisen
12,1
Diamant
1,3
Invar
1,5 ... 2
Granit
3...8
Messing
18
Quarzglas
0,45
Gold
14,3
Flintglas
≈8
Fette
≈100
63
o
Volumenausdehnungskoeffizient von Flüssigkeiten, γ (bei 293 K in 10-6/K), für:
Aceton
1490
Glycerin
500
Benzin
1060
Quecksilber
181
Siliconöl
900...1600
Wasser
*)
207
Wasser bildet eine Ausnahme! Hier ist γ vom Eispunkt bis knapp 277 K nega-
*)
tiv!
o
Volumenausdehnungskoeffizient eines idealen Gases:
γ = 1/(273,15 K) = 3661.10-6/K
o
Volumenausdehnungskoeffizient realer Gase, γ (zwischen 273 und 373 K
in 10-6/K), für:
Ammoniak
3770
Wasserdampf 3940
Argon
3680
Luft
3670
Chlor
3830
Helium
3660
64
8.
Energiefunktionen, Gleichgewichte
8.1
Synonyme Energiebezeichnungen
Während des neunzehnten Jahrhunderts sind in den verschiedenen Zweigen
der Physik abstrakte mathematische Konstruktionen entwickelt worden, die sämtliche
einheitlichere Behandlungen ganzer Gruppen von Naturgeschehnissen ermöglicht
haben. In der Mechanik sei hier insbesondere die Hamiltonfunktion erwähnt, mit deren
Hilfe es gelingt, die Bewegungsgleichungen verschiedenster Geschehnisse einheitlich
abzuleiten.
H ≡ E = v . p/2 - K . x + E(p=0; x=0)
(8.1-1a)
Nehmen wir Tabelle 3-2 zu Hand, dann bemerken wir, dass die Gl. (8.1-1) nichts anderes darstellt als die Summe aus den Energie(transport)formen E1 und E3 und einem
Normierungsterm:
H ≡ E = E1 + E3 + Normierungsterm
(8.1-1b)
In der Thermodynamik wurde hingegen von Gibbs seine nach ihm benannte
Gibbs-Funktion eingeführt. Sie beschreibt daher insbesondere jene Energiebewegungen, welche bei thermischen Geschehnissen eine Rolle spielen - sie beinhaltet daher
zumeist auch die innere Energie U. Vielfach wird die Gibbsfunktion aber auch ausgeweitet auf andere Energieveränderungen. Die verschiedenen Potentialfunktionen (Zustandsfunktionen) sind weitere Beispiele.
Seitdem die Energie als universelle Größe erkannt worden ist, wissen wir, dass
die Hamiltonfunktion ebenso wie die Gibbsfunktion und all die anderen thermodynamischen Potentiale nichts anderes sind als mathematische Beschreibungsformen von ein
und derselben Naturgröße, nämlich von der Energie. Damit ist die früher so wichtig
empfundene Unterscheidung zwischen diesen Funktionen belanglos geworden, und
sie wird vermutlich nur noch deshalb aufrechterhalten, weil erst wenige bereit sind, die
Energie tatsächlich voll als das anzuerkennen, was sie seit der Relativitätstheorie ist:
Eine völlig eigenständige physikalische Größe, die in jedes Geschehnis unseres Uni-
65
versums eingebunden ist. Es gibt nur eine Naturgröße „Energie“, aber sehr unterschiedliche Methoden, diese immer wieder neu zu verteilen.
Gibbs-Energie,
Hamiltonfunktion,
thermodynamische
Potentialfunktionen,
Energiefunktionen sind daher Synonyme für ein und dieselbe Naturgröße. In der Mechanik heißt die Energie oder Energiefunktion dennoch immer noch gerne „Hamiltonfunktion H(x,p)“ und in der Thermodynamik „Gibbsfunktion G(p,T)“, ...
8.2
Gleichgewichte
Gleichgewichte sind uns aus der Mechanik, insbesondere von Balkenwaagen
und anderen Kraftspielen vertraut. Im Alltag besonders augenfällig ist dabei die Positionssuche von frei beweglichen Körpern wie Wassertropfen oder Kugeln. Sie bewegen
sich unter dem Einfluss der Schwerkraft bis sie auf einmal zur Ruhe kommen. Stößt
man sie dann aus ihrer Ruhelage, dann kehren sie meist wieder in sie zurück. Wir argumentieren, dass dies deshalb geschieht, weil die ursprüngliche Ruhelage jene Position ist, in der unser Körper den geringsten Energieaufwand aufweist. Für jede andere
Lage muss Hubarbeit geleistet werden, was einen erhöhten Energieaufwand bedeutet.
Wir nennen daher jeden Zustand mit minimalem Energieaufwand einen „Gleichgewichtszustand“.
Bild 8-1 zeigt uns, dass wir bei kleinen Kugeln, die der Schwerkraft ausgesetzt
sind, drei verschiedene Arten von Gleichgewichtslagen kennen: In der Position A ist
die Kugel zwar in Ruhe, aber der kleinste Anstoß, die kleinste Auslenkung aus ihr genügt, auf dass unsere Kugel diese Gleichgewichtslage für immer verlässt. So eine fragile Ruhelage heißt daher bekanntlich „labiles“ Gleichgewicht. Der Teil B des Bildes
zeigt uns das vollständige Gegenteil einer labilen Gleichgewichtslage: Wie stark auch
immer unsere Kugel aus dieser neuen Gleichgewichtslage herausgeholt wird, es wird
immer wieder in sie zurückkehren. Wir sagen hier, dieses Gleichgewicht ist „stabil“.
Doch Halt! Teil C des Bildes zeigt uns, dass es auf der linken Seite eine Position gibt, aus der unsere Kugel ebenfalls nicht sofort herausfallen kann. Diese Gleichgewichtslage ist weder labil, denn nach kleinen Auslenkungen kehrt die Kugel in ihre
Ruhelage zurück, aber bei größeren Auslenkungen verhält sie sich als ob ihre Gleichgewichtslage labil gewesen wäre. Solche Gleichgewichte heißen daher „metastabil“:
Sie weisen lokale Stabilität auf, aber globale Labilität. Es ist auch unschwer zu erken-
66
nen, dass unser stabiles Gleichgewicht nichts anderes darstellt, als das tiefste metastabile, im gesamten, für die Kugel zugelassenen Aufenthaltsbereich.
A
B
C
Bild 8-1. Die drei Gleichgewichtsarten. (A. Labil; B. Stabil; C. Metastabil).
In völliger Analogie zu diesen drei mechanischen Gleichgewichtsarten charakterisieren wir die Zustände von Systemen: Ein System befindet sich in einem stabilen
Gleichgewicht, wenn es im betrachteten Operationsfeld nach einer jeden äußeren
Einwirkung wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Labil heißt das
Gleichgewicht eines Systems dann, wenn kleine äußere Einwirkungen genügen, dass
es dauerhaft in einen anderen Zustand übergeht. Sinngemäß befindet sich ein System
in einem metastabilen Gleichgewicht, wenn es zwar nach kleineren Einwirkungen wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt, diesen aber ab einer bestimmten
Einwirkungsstärke dauerhaft verlässt.
Im praktischen Leben sind diese metastabilen Zustände durchaus oft wichtiger
als das stabile Gleichgewicht, denn wir bauen und arbeiten immer nur für eine bestimmte Anwendungszeit. Der Stahl für einen Dampfkessel muss nicht bis in alle
Ewigkeit sein Verhalten beibehalten, es genügt, wenn er es für einige Jahrzehnte länger macht, als er in Betrieb ist, so dass er bis zur letzten Minute völlig sicher ist. Die
Legierung eines Schmuckstückes braucht ebenfalls nicht Milliarden von Jahren un-
67
verändert existieren, es genügen einige Jahrtausende, damit sowohl die Träger als
auch künftige Archäologen zu ihrem Recht kommen.
8.2-1 Gleichgewichtsbedingungen bei heterogenen Systemen.
Wichtig: Nur die unabhängigen Variablen können wir auf einem von uns frei
gewählten Wert konstant halten!
o
Chemisches Gleichgewicht. Die chemischen Potentiale aller Komponenten
müssen in allen beteiligten Erscheinungsphasen, welche diese Komponenten
enthalten, dieselben sein.
o
Thermisches Gleichgewicht. Die Temperatur muss in allen Teilen des Systems
gleich sein.
o
Mechanisches Gleichgewicht. Der Druck muss in allen Teilen eines Systems
(auf das keine äußeren Kräfte einwirken) als ein allseitiger, gleichförmiger Außendruck derselbe sein.
o
Prinzip von Le Chatelier: Wird ein stabiles System durch einen äußeren Einfluss aus dem Gleichgewicht gebracht, so verschiebt sich das Gleichgewicht
derart, dass es den äußeren Einfluss möglichst stark abschwächt.
Vermindern wir beispielsweise bei einem Flüssigkeits-Dampf-Gleichgewicht das Volumen, so wird Dampf kondensieren, da Flüssigkeiten wesentlich
weniger Volumina in Anspruch nehmen. Als Folge steigen der Druck und die
Temperatur.
8.2-2 Gleichgewichtsbedingungen für Prozesse
Der Massieu’sche Satz garantiert uns, dass es zu jeder Konfiguration von Variablen eine charakteristische Zustandsfunktion gibt, aus der wir durch einfache Differentiation alle anderen thermodynamischen Größen des sich im Gleichgewicht befindlichen Systems bestimmen können. Sämtliche dieser thermodynamischen Potentiale
beschreiben den Energiehaushalt der Systeme. Je nachdem, welche Naturgrößen wir
konstant halten, gibt es unterschiedlich geführte Energieströme in das System hinein
und aus ihm heraus.
Da ein energetisches Gleichgewicht sich nur dann einstellt, wenn die zu- und
abströmenden Energiemengen gleich groß sind, erfordern die verschiedenen Prozesstypen die passenden Gleichgewichtsbestimmungen. Wir erhalten sie, indem wir die
68
Energieströme mit Hilfe der unabhängigen Variablen der Prozesse beschreiben. Denn
nur dann kann jeder einzelne Energiestrom unabhängig von allen anderen verfolgt
werden. Der Sinn des Massieu’schen Satzes ist, dass er uns garantiert, bei jeder erdenklichen Prozessführung den gesamten Energieaustausch in spezielle Teilströme
zerlegen zu können, die sich völlig unabhängig voneinander steuern lassen. In diesem
Falle bildet diese spezielle Energiefunktion eine Potentialfunktion - und damit ist der
Gleichgewichtszustand des beschriebenen Prozesses durch deren Extremwert (meist
das Minimum) gegeben. Die am häufigsten verwendeten Potentiale sind:
(i)
Innere Energie U: isochor-isentropisches Potential → Volumen V und Entropie
S die unabhängigen Variablen: U = U(V,S).
(ii)
Enthalpie H: (en-thalpos, (gr.): „Darin-Wärme“) isobar-isentropisches Potential
→ Druck p und Entropie S die unabhängigen Variablen: H = H(p,S).
(iii)
Helmholtz-Energie A (Früher: Freie Energie): isochor-isothermes Potential →
Volumen V und Temperatur T die unabhängigen Variablen: A = A(V,T). „Frei“
bedeutet, dass sie uns zur Verfügung steht, dass sie für uns benutzbar ist.
(iv)
Gibbs-Energie G: (Früher: Freie Enthalpie) ????isobar-isothermes Potential
→ Druck p und Temperatur T die unabhängigen Variablen: G = G(p,T).
Hält man diese Variablen konstant, dann beschreibt das Minimum des Potenti-
als den Gleichgewichtszustand. Da isobar-isotherm geführte Prozesse im Alltag am
leichtesten zu bewerkstelligen sind, ist die Gibbs-Energie die am häufigsten angewendete Potentialfunktion.
8.3
Übergang zwischen den einzelnen Energiefunktionen
Die verschiedenen Energiefunktionen haben also nur beschreibungstechnische
Bedeutung, sie stellen einzig und alleine nur die Energieströme mit Hilfe von unterschiedlichen Variablen dar. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, sondern im Gegenteil sogar zwingend erforderlich, dass die verschiedenen Energiefunktionen mit Hilfe einer einfachen mathematischen Transformationstechnik ineinander überführt werden können.
Das dazu geeignete mathematische Werkzeug sind die so genannten „Legendre Transformationen (Überführungen)“. Die Zustandsfunktionen sind demnach unterei-
69
nander durch diese „Legendre-Transformationen“ verknüpft: Jede neue Funktion der
Variablen u1 und u2 erhalten wir aus einer alten Funktion der Variablen v1 und v2, indem wir bei Austausch der ersten Variablen deren Produkt (u1.v1) dazuzählen und bei
Austausch der zweiten Variablen u2 und v2 deren Produkt (u2v2) abzählen:
Neue Funktion(u1,u2) = Alte Funktion (v1,v2) + u1v1 - u2v2.
o
Beispiele:
Gilt:
o
Für
U(V,S)
A(V,T)
H(p,S)
G(p,T):
A = U - T S;
G = H - T S;
H = U +p V;
G = A + p V;
G = U + p V - T S;
Differentialgleichungen. Schreiben wir die untenstehenden Variablen in genau dieser Reihenfolge auf, dann können wir auf Anhieb eine Reihe von Differentialgleichungen anschreiben („Mitte nach Ecke“; Merksatz: „VAT Und Gin
Sind Hier parat.“):
V
A
T
U

G
S
H
p
Differenzieren wir eine in der Mitte einer Zeile oder Spalte stehende Variable
nach einer in der Ecke stehenden, dann gibt die Diagonale das Ergebnis. Ist die Diagonale nach oben gerichtet, dann ist die Ergebnisgröße positiv zu nehmen, falls sie
nach unten gerichtet ist, muss mit (-1) multipliziert werden. Die dritte Variable der betreffenden Zeile oder Spalte muss dabei konstant gehalten werden.
Beispiele:
[∂U/∂S]V = T;
[∂U/∂V]S = -p;
70
8.4
[∂G/∂p]T = V;
[∂G/∂T]p = -S;
[∂H/∂p]S = V;
[∂H/∂S]p = T.
Molare Wärmekapazität
Wir lernten die (spezifische) Wärmekapazität als das Verhältnis von der einem
System (Körper) zugeführten Wärmeenergie zu der dadurch erzielten Temperaturerhöhung (Änderung des Wärmezustandes) kennen. In der Chemie arbeiten wir gerne
mit Molmengen, daher definierten wir die molare Wärmekapazität (auch: Atomwärme,
Molwärme) als jenen Wärmeenergiebetrag, der nötig ist, um ein Grammatom eines
chemischen Elements um 1 K zu erwärmen. Die molare Wärmekapazität ergibt sich
demnach als das Produkt aus dem Grammatom und der spezifischen Wärmekapazität
des betreffenden Stoffes (vgl. Kapitel 5).
Je nach Prozessart ist die Wärmekapazität verschieden. Von praktischer Bedeutung sind die Wärmekapazitäten von Prozessen, die entweder isobar (Druck p =
const) oder isochor (Volumen V = const) geführt werden. Experimentell können die
Molwärmen bei konstantem Druck, Cp, sowohl für Festkörper, Flüssigkeiten und Gase
mit Hilfe von Kalorimetern bestimmt werden. Da Festkörper und Flüssigkeiten inkompressibel sind, stimmen für sie die jeweiligen Wärmekapazitäten bei konstantem
Druck, Cp, mit denen bei konstantem Volumen (CV) annähernd überein. Bei den kompressiblen Gasen weisen sie allerdings merkliche Unterschiede auf.
Bei Gasen können die Molwärmen bei konstantem Volumen, CV, aus den CpWerten aus Messungen der Schallgeschwindigkeit, vSchall, mit Hilfe der bekannten
Kundt’schen Röhre ermittelt werden (vSchall = [κ .p/ρ] ½; ρ; wobei ρ die Dichte und κ =
cp/cv das Verhältnis der beiden Molwärmen ist).
o
Abschätzregeln. Für die praktische Arbeit sind einige Schätzmethoden für die
molaren Molwärmen bekannt, insbesondere
(i) Regel von Neumann-Kopp (äußerst begrenzt): Molwärme einer Verbindung
= Summe der Atomwärmen (Molwärme: cv * Mol, Atomwärme: cv * Grammatom).
71
(ii) Regel von Dulong Petit: Atomwärmen aller festen Metalle haben etwa denselben Wert 24.4 J/K. Stimmt nur in gewissen T-Bereichen. Mit T-> 0 geht aber
Atomwärme gegen 0!
8.5
Temperaturabhängigkeit thermodynamischer Funktionen
Die Temperaturabhängigkeit der thermodynamischen Funktionen ergibt sich
aus dem Zusammenspiel der Wärmekapazität Cp mit den einzelnen Funktionen, die
sämtliche untereinander über die Legendre-Zusammenhänge verbunden sind.
Enthalpie: H(T) = ∫ Cp . dT,
(8.5-1)
Entropie: S(T) = ∫ (Cp/T) . dT,
(8.5-2)
Gibbs-Energie: G(T) = H(T) - T S(T)
(8.5-3)
8.6
Die molaren Mischungsfunktionen
Der Beitrag, den die Komponente j zu den thermodynamischen Eigenschaften
von 1 Mol Mischung aus zwei oder mehreren reinen Komponenten leistet, wird durch
die "partiellen molaren Größen" Zj (Z = G, H, S, ...) charakterisiert. Die thermodynamische Beschreibung des Gesamtsystems (K Komponenten) erfolgt dann mittels der
entsprechenden "molaren Funktionen" Z (auch: "integrale molare Funktionen"),
K
Z = Σ xj.Zj,
(8.6-1)
j=1
wobei die K partiellen Größen Zj auch die für konstanten Druck und konstante Temperatur geltende Form der Gibbs-Duhem’schen Gleichung (8.6-2) erfüllen müssen:
K
Σ xj . dZj = 0.
(8.6-2)
j=1
72
Vielfach werden nicht die absoluten Werte der partiellen molaren Größen Zj
benötigt, sondern nur deren Differenzen zu den entsprechenden Werten für die reinen
Komponenten j, Z°j (für binäre Systeme siehe Bild 8-2),
ZMj := Zj - Z°j.
(8.6-3)
Diese Differenzen ZMj werden üblicherweise "partielle molare Mischungsgrößen" genannt. Kombination der Gln. (8.6-1) und (8.6-3) ist nahe liegend und führt zu den entM
sprechenden molaren Mischungsgrößen Z , die in der Literatur als Klassifizierungsmerkmal für die Einteilung möglicher Verhaltensweisen von Mischungen herangezogen werden.
Eine A-priori-Berechnung der molaren und partiellen molaren Mischungsfunktionen (ZM, ZMj) beliebiger Systeme ist jedoch nicht möglich, da die Mannigfaltigkeit des
auftretenden Mischungsverhaltens theoretisch noch nicht erfasst worden ist. Es ist daher üblich, einen "idealen" Mischungszustand festzulegen und zu versuchen, die Abweichungen der realen Mischungsgrößen (ZM, ZMj) von den gegebenen "idealen" Mischungsfunktionen (Zid, Zidj) der interessierenden Systeme experimentell zu bestimmen. Diese Differenzen zwischen den realen und den idealen Mischungsfunktionen
werden in der Literatur meist molare bzw. partielle molare "Zusatz"-, "Überschuß"- oder "Exzeß"-Funktionen (ZE, ZEj) genannt (für binäre Systeme siehe Bild 8-2):
ZE := ZM - Zid,
(8.6-4a)
ZEj := ZMj - Zidj.
(8.6-4b)
id
8.6-1 "Ideale" molare Mischungsfunktionen Z : Die "ideale Mischung" ist dadurch
gekennzeichnet, dass bei der Vermischung der Reinkomponenten keine Änderung der
zwischenmolekularen Wechselwirkungen auftreten darf, und die Volumina sich additiv
verhalten müssen. Dementsprechend müssen für ideale Mischungen die "ideale" Mischungswärme Hid und das "ideale" Mischungsvolumen Vid verschwinden:
Hid = Vid = 0,
(8.6-5)
73
und die freie "ideale" Mischungsenergie Gid wird - wegen Gl.(8.5-3) - nur durch den
Entropieterm bestimmt:
Gid = -T . Sid.
(8.6-6)
Bei Fehlen jeglicher Änderung der intermolekularen Wechselwirkungen muss in
der Mischung eine völlig statistische Molekülverteilung vorliegen. Die "ideale" Mischungsentropie Sid kann daher nur dadurch gegeben sein, dass die vor der Reaktion
vorhandene Ordnung (strenge Trennung der Moleküle der einzelnen Komponenten) in
eine Mischung mit eben völlig statistischer Molekülverteilung übergeht. Aufgrund statistischer Betrachtungen ergibt sich für die "ideale" molare Mischungsentropie Sid (R
Gaskonstante):
K
Sid = - R . Σ xj . ln xj,
(8.6-7)
j=1
8.6-2 Molare Zusatzfunktionen ZE: Mischungen, die diesem "idealen" Modell entsprechen, sind nur in wenigen Fällen annähernd realisiert. Bei der Bildung der allermeisten festen oder flüssigen Mischungen treten Abweichungen von diesem "idealen"
Verhalten auf, und die realen Mischungsgrößen weisen nicht-verschwindende Zusatzterme auf.
Die idealen Anteile der Mischungsfunktionen sind leicht berechenbar und eindeutig, können aber definitionsgemäß keinen Beitrag zur Beschreibung der zwischenmolekularen Wechselwirkungen in den Mischungen liefern. Diese Wechselwirkungskräfte sind jedoch wesentlich für das thermodynamische Verhalten der Mischungen
verantwortlich. Aus diesem Grunde werden die thermodynamischen Mischungseffekte
durch die molaren und partiellen molaren Zusatzgrößen (ZE, ZEj) charakterisiert, und in
der Literatur wird manchmal auch von "Mischungsfunktionen" gesprochen, wo streng
genommen nur deren Zusatzterme gemeint sind. Kombination der Gln. (8.6-4) und
(8.6-5) zeigt die Identität zwischen der realen Mischungswärme HM und der Zusatzenthalpie HE. Deshalb wird in der Literatur die Mischungswärme oft mit HE bezeichnet.
74
A . A bs olute v a lu e s Z
Z
ZA
D iffe re n ces o f pu re
sp e cie s Z ° := (1-x B )Z A -x B Z B
A
xB
B
ZB
B . M ix in g e ffe c ts Z M = Z - Z °
ZM
C om p u ta b le “Id e al”
m ix ture Z id .
A
E
M
C . E x c e s s e ffe c ts Z = Z - Z
xB
B
id
O n ly ex p erim en tal
d ete rm in a tio n p o s sib le!
ZE
A
xB
B
Bild 8-2. Die molaren thermodynamischen Funktionen binärer Systeme.
8.6-3 Thermodynamische Aktivitäten aj: Geht man von einer Betrachtung des Verdampfungsgleichgewichts aus, dann können die Abweichungen der realen Mischungen vom Verhalten einer idealen Mischung durch die so genannten thermodynamischen Aktivitäten aj, bzw. durch die Aktivitätskoeffizienten fj beschrieben werden.
Die thermodynamische Aktivität aj der Komponente j einer kondensierten Mischung kann als das Verhältnis des Partialdampfdrucks der Komponente j über der
Mischung, pj, zum Dampfdruck der reinen Komponente j unter denselben Bedingungen, p°j,
aj := pj / p°j,
(8.6-8)
definiert werden. Als Aktivitätkoeffizienten fj der Komponente j bezeichnet man dann
das Verhältnis zwischen der Aktivität aj und dem entsprechenden Molenbruch xj,
fj := aj / xj = pj / (xj.p°j).
(8.6-9)
75
Der Zusammenhang zwischen der partiellen molaren Gibbs’schen Mischungsenergie GMj und der thermodynamischen Aktivität aj ist durch Gl.(8.6-10),
GMj = RT . ln aj,
(8.6-10)
gegeben. Eine zu Gl.(8.6-10) analoge Relation gilt zwischen der partiellen molaren
Gibbs’schen Zusatzenergie GEj (auch: "chemisches Zusatzpotential µEj") und dem Aktivitätskoeffizienten fj,
GEj = µEj = RT . ln fj = RT. ln (pj / (xj.p°j)),
8.7
(8.6-11)
Experimentelle Bestimmungsmethoden für die molaren Zusatzfunktionen
Die Methoden zur Bestimmung der einzelnen molaren Zusatzfunktionen ZE (Z =
G, H, S) sind in Bild 8-3 schematisch zusammengefasst. Die molaren Gibbs'schen Zusatzenergien GE können mit Hilfe von Dampfdruckmessungen oder über Messungen
der EMK bestimmt werden. Von all den vielfältigen Dampfdruckmethoden sind die
Techniken, die auf der Knudsen-Effusion beruhen, am meisten verbreitet.
Ermittlung von GE aus den gemessenen Dampfdrücken geschieht unter Verwendung der Aktivitätskoeffizienten fj (Gl.(8.6-9)), der chemischen Zusatzpotentiale µEj
(Gl.(8.6-11)), der Gibbs-Duhem’schen Gleichung (8.6-2) und der Gl.( 8.5-3) (Bild 8-3).
Je nach Auswertungsmethode werden der Partialdruck einer Komponente und der
entsprechende Dampfdruck des Reinstoffes oder die Partialdrücke von mindestens
zwei Komponenten benötigt. Aus den zwischen geeigneten Elektroden gemessenen
EMK-Werten werden die molaren Gibbs’schen Zusatzenergien GE der untersuchten
Mischung über die chemischen Zusatzpotentiale µEj mit Hilfe der Gibbs-Duhem'schen
Gleichung (8.6-2) bestimmt.
76
Bild 8-3. Bestimmungsmöglichkeiten für die molaren Zusatzfunktionen
und für das Phasendiagramm.
Bemerkungen: 2 = Gl.(8.6-9); 3 = Gl.(8.7-1); 4 = Gl.(8.6-11); 5 = Gln.( 8.6-1) und (8.6-2);
6 = Gl.( 8.7-2) bzw. Gl.(8.7-4) oder Gl.(8.5-3) unter Zugrundelegung von Modellvorstellungen;
* Beiträge vom Autor.
Nummern richtigstellen!!!!
Mit Hilfe von kalorimetrischen Messungen können die molaren MischungswärE
men H am unmittelbarsten bestimmt werden (Bild 8-3). Die Ermittlung der molaren
Mischungswärme HE kann aber auch mit Hilfe von Gl.(8.7-2),
HE = - T² ∂(GE/T) / ∂T,
(8.7-2)
77
aus der experimentell bestimmten Temperaturabhängigkeit der molaren Gibbs’schen
Zusatzenergie GE erfolgen.
Für die meisten realen Mischungen können sowohl die molaren Mischungswärmen HE als auch die molaren Zusatzentropien SE innerhalb nicht zu großer Temperaturbereiche als unabhängig von der Temperatur angesehen werden: In kleinen Temperaturbereichen lässt sich nämlich die Temperaturabhängigkeit der Druckverhältnisse
(pj / p°j) mit genügender Genauigkeit durch Gl.(8.7-3),
ln (pj / p°j) = d0 + d1/ T,
(8.7-3)
mit den temperaturunabhängigen Konstanten d0 und d1 beschreiben. Gültigkeit von
Gl.(8.7-3) bedeutet aber, dass die Mischungswärme HE und die Zusatzentropie SE
temperaturunabhängig sein müssen, wie durch Koeffizientenvergleich zwischen Gl.
(8.5-3) und einer geeigneten Kombination aus den Gln. (8.6-1), (8.6-3), (8.6-6), (8.611) und (8.7-3) unmittelbar folgt.
Besonders in den letzten Jahren wurden zunehmend flüssige Legierungen gefunden, bei denen vor allem in der Nähe der Schmelztemperaturen die Gültigkeit von
Gl.(8.7-3) nicht mehr über den gesamten Konzentrationsbereich vorausgesetzt werden
kann. Bei Auftreten solcher "Anomalien" müssen temperaturabhängige molare Mischungswärmen HE angenommen werden. Für eine direkte Bestimmung der molaren
Zusatzentropie SE sind keine experimentellen Methoden bekannt.
Die SE-Werte können demnach nur mit Hilfe der Gl.(8.5-3) aus bekannten GEund HE-Werten oder aus der experimentell ermittelten Temperaturabhängigkeit der
molaren Gibbsschen Zusatzenergie GE unter Verwendung von Gl. (8.7-4),
SE = - ∂GE / ∂T,
(8.7-4)
berechnet werden.
78
9.
Chemische Reaktionen.
Von chemischen Reaktionen sprechen wir, wo immer bestimmte Reaktions(End-) Produkte aus bestimmten Ausgangs- (Anfangs-) Produkten entstehen:
END ← ANF.
(9-1)
Bei der Umkehrreaktion vertauschen die End- und Anfangsprodukte ihre Bezeichnung.
Im chemischen Gleichgewicht befinden sich solche Reaktionspaare dann, wenn sich
die Mengenverhältnisse zwischen den End- und Anfangsprodukten nicht mehr verändern.
9.1
Reaktions- und Bildungsenergie
Bei jeder chemischen Reaktion muss gearbeitet werden, denn es müssen ja
bestehende Bindungsverhältnisse aufgebrochen und an ihrer Stelle neue geschlossen
werden. Da jede Arbeit Energie benötigt, wird bei jeder chemischen Reaktion auch
Energie umgesetzt. Die Differenz zwischen den Energiewerten der End- und Anfangsprodukten wird Reaktionsenergie EReak (auch: ∆E) genannt:
EReak := EEND - EANF ( = ∆E).
(9.1-1)
Selbstverständlich muss der Energieerhaltungssatz auch bei chemischen Reaktionen gelten. Weisen die Endprodukte eine geringere Energie auf als die Anfangsprodukte, so gilt
EReak := EEND - EANF < 0,
(9.1-2)
es wird also durch die ablaufende Reaktion Energie frei. Diese Reaktionen weisen also „negative“ Reaktionsenergien EReak auf. Umgekehrt müssen wir der chemischen
Reaktion Energie zuführen, falls die Energie der erwünschten Endprodukte höher ist
als jene der Anfangsprodukte. In diesem Fall ist die Reaktionsenergie EReak „positiv“:
EReak := EEND - EANF > 0.
(9.1-3)
79
Da ein jeder Naturvorgang danach trachtet, einen möglichst geringen Energieaufwand zu besitzen, werden die chemischen Reaktionen spontan in jener Richtung
ablaufen, in der die Energie der Endprodukte geringer ist als jene der Anfangsprodukte
(negative Reaktionsenergien EReak).
Vielfach kann es sein, dass die Energie der Endprodukte zwar geringer ist als
jene der Ausgangsstoffe, eine Reaktion aber dennoch nicht spontan zustande kommt.
Hier sprechen wir von Reaktionshemmnissen (gehemmter Reaktion). Ihre Ursachen
liegen darin, dass zunächst ein gewisser Energieaufwand erforderlich ist, damit die
Ausgangsprodukte reaktionsfähig werden. Wir müssen hier zunächst der Reaktion den
entsprechenden Energiebetrag zur Verfügung stellen, damit der Ablauf in Gang
kommt. Dieser Energiebetrag heißt „Aktivierungsenergie“. Er wird bei der Bildung der
Endprodukte wieder frei, wir bekommen ihn also zurück.
Bei vielen Reaktionen (Treibstoffverbrennung, Legierungsbildungen, usf.) ist oft
wichtiger, die energetische Gesamtbilanz zu kennen und nicht alle Details. Hierin liegt
eine der Bedeutungen des Energiebilanzierens. Insbesondere ist hier der Charakter
der Potentialfunktionen entscheidend, denn diese sind ja wegunabhängig, ihre konkreten Werte ergeben sich einfach aus der Differenzwerten zwischen den erwünschten
End- und Ausgangszuständen. Das ist auch der Sinn des häufig zitierten „Hess’schen
Satzes“, der besagt, dass die Reaktionsenergie wegunabhängig ist.
Je nach Prozessbedingungen werden verschiedene Energieausdrücke benützt,
insbesondere (a) Die Enthalpie H für isobare und isentropische Prozesse (p = Const
und S = Const). Die Reaktionsenthalpie HReak heißt auch Reaktionswärme.
„Exotherme“ Reaktionen:
HReak := ∆ H < 0;
(9.1-4a)
„Endotherme“ Reaktionen:
HReak := ∆ H > 0.
(9.1-4b)
Und (b) die Gibbs-Energie G für isobare und isotherme Prozesse (für p = Const
und T = Const). Dieser Prozesstyp ist am leichtesten verwirklichbar und daher ist die
Gibbsenergie die für die Chemie am weitaus wichtigste Energiefunktion.
Welche Energiewerte gelten für die Ausgangsstoffe? Im Prinzip reine Willkür,
da immer nur Differenzen gemessen werden können. Es hat sich eingebürgert, jedem
80
Element in seinem Standardzustand (Stabiler Zustand bei 298 K und 1000 mbar
Druck) verschwindende Enthalpie zuzuschreiben
HStandard.(Chem. Elemente) := 0.
(9.1-5)
Die Gibbs’schen Energien hängen bekanntlich mit den Enthalpien über eine
Legendre-Transformation zusammen:
G = H – T S.
(9.1-6a)
Entsprechendes gilt daher auch für die Standardenergien
GStandard(Chem. Elemente) = HStandard – T SStandard.
(9.1-6b)
Die Erstellung der dazu notwendigen Standardentropien ist allerdings teils ein diffiziles
Problem, das vielfach nur unbefriedigend gelöst werden kann. In der Praxis sind wir
daher zumeist auf mehr oder weniger gute Näherungswerte angewiesen.
Bildungsenergien, EB,sind jene Reaktionsenergien, EReak, bei denen das Endprodukt die interessierende chemische Verbindung in ihrem Standardzustand ist, und
als Ausgangsprodukte die entsprechenden chemischen Elemente in ihren jeweiligen
Standardzuständen genommen werden. Je nach Prozessbedingungen sprechen wir
daher von Bildungsenthalpien (auch: Bildungswärmen), HB(p,S), oder von den
Gibbs’schen Bildungsenergien, (GB(p,T)). Die Reaktions - und Bildungsenthalpien sind
selbstverständlich wiederum mit den Gibbs’schen Reaktions - und Bildungsenergien
über den Legendre-Zusammenhang (9.1-6a) miteinander verbunden:
GReak = HReak – T SReak,
(9.1-7a)
GB = HB – T SB.
(9.1-7b)
81
9.2
Beispiele
9.2-1 Verbrennung des Kohlenstoffs
Cfest + ½ O2 → CO
(9.2.1-1)
Diese Verbrennungswärme ist nicht meßbar, aber meßbar sind:
Cfest + O2 → CO2
(9.2.1-2a)
und
CO + ½ O2 → CO 2
(9.2.1-2b)
Daher können wir bilden:
H(CO2) - H(Cfest) - H(O2)
= -393 kJ/mol
-[H(CO2) - H(CO) - ½ H(O2)] = -[-283 kJ/mol]
--------------------------------------------------------------H(CO) - H(Cfest) - ½ H(O2) = -110 kJ/mol.
9.2-2 Warum bei 300 K N2O4 und bei 410 K NO2?
Durch Erhitzen von N2O4 erhält man NO2 und durch Abkühlung wieder N2O4.
300 K: 99% N2O4 + 1% NO2
410 K: 1% N2O4 + 99% NO2
HB(NO2) = 33,32 kJ/mol
HB(N2O4 ) = 9,37 kJ/mol
82
Damit ist HB(N2O4 ) - 2. HB(NO2) = - 57,27 kJ/mol, eine stark exotherme Reaktion, die
nur durch Abkühlung entstehen kann, denn die überschüssige Energie muss ja abtransportiert werden.
9.2-3 Zinnpest
Besonders die alten Kirchenglocken waren lange Zeit davon betroffen: Sie verloren durch die Kälte ihren Klang. Das liegt daran, dass weißes Zinn sich in graues
umwandelt. Warum wird aber weißes Zinn nur bei Kälte grau, bei Standardbedingungen hingegen nicht, obwohl es sich um eine exotherme Reaktion handelt?
HB(Snweiß) := 0 kJ/mol (Standardkonfiguration)
HB(Sngrau) = -2.1 kJ/mol.
Erst die Überprüfung der Gibbs-Energie gibt Erklärung. Diese ist ja auch zuständig, da
das Zinn nicht bei konstanter Entropie, sondern bei mehr oder weniger konstanter
Temperatur gelagert ist:
GB(Sngrau) := G(Sngrau) - G (Snweiß).
Bei 273 K (0° C) ist GB(Sngrau) = -0.144 kJ/mol
Bei 292 K (19° C) ist GB(Sngrau) = 0, hier herrscht Gleichgewicht.
Bei 300 K (27° C) ist GB(Sngrau) = +0,053 kJ/mol.
83
10.
Gase.
10.1
Gase und Dämpfe
Heute wissen wir, dass Gase aus einzelnen Stoffteilchen (Atome, Moleküle)
bestehen, deren gegenseitigen Abstände im Verhältnis zu denen der Flüssigkeits- und
Festkörperteilchen relativ groß sind. Die Gasteilchen bewegen sich gleichmäßig in alle
Raumrichtungen. Die Bewegung der einzelnen Teilchen heißt thermische Bewegung
oder Brown’sche Molekularbewegung. Sie verläuft zwischen zwei Zusammenstößen
mit andren Gasteilchen linear, jeder Zusammenstoß verändert allerdings abrupt die
Bewegungsrichtung, so dass eine eigenartige Zickzackbewegung entsteht. Mit zunehmender Materiedichte stoßen die Moleküle aber in immer kürzeren Abständen aneinander.
Die Thermodynamik ist bekanntlich vollkommen unabhängig vor unserem Wissen um die molekulare Struktur der Materie entwickelt worden. Daher sind - wie wir
schon wissen - die thermodynamische Teilchen als rein geometrische Punkte konzipiert, als rein mathematische Objekte, als ausdehnungslose Punkte, die sich völlig anders verhalten als die realen Moleküle unserer Materie. Diese geometrischen Punkte
sind die Teilchen des „idealen“ Gases. Sie weisen weder ein Eigenvolumen auf noch
irgendeine Wechselwirkung mit den anderen Gasteilchen. Daher steht einem idealen
Gasteilchen stets das gesamte Gasvolumen für seine Bahn zur Verfügung.
Bei höherer Gasteilchendichte ist dies aber auch nicht einmal mehr annähernd
erfüllbar, es müssen in solchen Fällen „Korrekturen“ eingeführt werden, welche das
Eigenvolumen und die doch bestehende gegenseitige Wechselwirkung berücksichtigen. Das ist der Sinn der „Realen“ Gasgleichungen. Werden die Gasdichten so hoch,
dass das Eigenvolumen der Teilchen annähernd so groß wird wie das Gesamtvolumen des Gases, dann nützen auch solche „realen“, klassischen Beschreibungen
nichts mehr, wir müssen dann die Quantenmechanik heranziehen.
o
Gesättigter Dampf. Gasphase steht im Gleichgewicht mit seiner kondensierten
Phase (fest oder flüssig). Der Druck des gesättigten Dampfes heißt „Gleichgewichtsdampfdruck“.
o
Ungesättigter Dampf. Es stand nicht genug kondensierte Phase zur Verfügung, um den Gleichgewichtsdampfdruck zu etablieren. Er heißt auch über-
84
hitzter Dampf. Man erhält ihn also durch Volumenvergrößerung oder zu starkes
Aufheizen. Gase sind stark ungesättigte (überhitzte) Dämpfe, ihre Temperatur
liegt weit über den diesbezüglichen Siedepunkten.
o
Raoult’sches Gesetz: Die relative Dampfdruckerniedrigung ist gleich dem
Molenbruch des gelösten Stoffes und unabhängig von dessen Natur.
o
Luftfeuchtigkeit. In der atmosphärischen Luft befinden sich mehr oder weniger
große Mengen an Wasserdampf. Der Gehalt schwankt zeitlich und örtlich und
wird als Luftfeuchtigkeit (mitunter auch „Feuchte“) genannt.
o
Relative Feuchtigkeit. Das Verhältnis der absoluten zur maximalen Feuchtigkeit.
o
Absolute Feuchtigkeit. Die in einem m³ Luft tatsächlich enthaltene Wasserdampfmenge in kg (SI; üblich: in g).
o
Maximale Feuchtigkeit. Die in einem m³ Luft der Temperatur T maximal mögliche Wasserdampfmenge in kg (SI; üblich: in g).
10.2. Das ideale Gas
Ideale Gase sind alle Gase, welche die ideale Gasgleichung erfüllen:
p.V = R.T.(n),
(10.2-1)
(p Druck, V Volumen, R Gaskonstante, T Temperatur in Kelvin (K), n Molzahl). Oft für
1 Mol hingeschrieben, daher Molzahl in Gl. (A.1.1) in Klammer: (n).
o
Wärmekapazität bei konstantem Volumen: cv,
und bei konstantem Druck:
cp.
85
Druck p
T1 < T 2
Vo lum e n V
Bild 10-1. Das ideale Gas
o
Gaskonstante: R = cp - cv = 8.14 Joule/K, aber nur in begrenztem TemperaturGültigkeitsbereich!
o
„Adiabatisch“: Ohne Wärmeaustausch.
Speziell geführte Prozesse:
(a)
Volumen V = const. (Isochor). „2. Gesetz von Gay Lussac: V~T“; im idealen
Gasgesetz (10.2-1) enthalten:
∂U/∂TV = cv.
(b)
(10.2-1a)
Druck p = const. (Isobar). „1. Gesetz von Gay Lussac: p~T“; im idealen Gasgesetz (10.2-1) enthalten:
∂H/∂Tp = cp ;
(c)
(10.2-1b)
Temperatur T = const. (Isotherm). „Gesetz von Boyle Mariotte: pV = const.“;
im idealen Gasgesetz (10.2-1) enthalten:
∂ET/∂VT = p.
(d)
(10.2-1c)
Entropie S = const. (Isentropisch). Auch „adiabatisch“ genannt; Kein Wärmeaustausch mit der Umgebung, aber Temperaturänderung kann natürlich ein-
86
treten. Jede Änderung der inneren Energie wird hier vollständig in äußere Arbeit umgesetzt. Mit (κ:= cp/cv; einatomig:κ=1.667; zweiatomig: κ=1.4; dreiatomig: κ=1.33) gilt:
(e)
o
„Poisson Gesetz“
pVκ = const,
(10.2-1d-1)
„Poisson Gleichung“
TV(κ-1) = const,
(10.2-1d-2)
Beliebiger Prozess (Polytrop).
∂ ET /∂T := Γ.
(10.2-1e-1)
pVκ* = const, (κ* := (cp- Γ)/(cv- Γ)).
(10.2-1e-2)
Wir wissen schon, in idealen Gasen können per definitionem keine intermolekularen Wechselwirkungskräfte auftreten. Ideale Gasteilchen sind fiktive
Geschöpfe, sie werden als streng mathematische Punkte charakterisiert.
o
Aus den Versuchen von Gay Lussac und denen von Joule Thomson folgt: Bei
konstanter Temperatur ist die innere Energie von idealen Gasen unabhängig
vom Volumen (∂U/∂VT = 0), und mittels gedrosselter Entspannung kann keine
Temperaturänderung erzeugt werden.
o
Drosselung oder Gedrosselte Entspannung: Druckverminderung in einem adiabatisch strömenden Gas (Medium), infolge einer Verengung des Strömungsquerschnitts (zB. Düse) ohne dass Arbeit nach außen abgegeben wird. Sie ist
also eine irreversible Zustandsänderung, bei der die Enthalpie des strömenden
Gases (Mediums) vor und hinter der Drosselstelle gleich groß ist, also ein
isenthalpischer Prozess.
10.3. Die realen Gase
Reale Gase werden alle Gase genannt, deren Verhalten nur ungenügend
durch die ideale Gasgleichung (10.2.1) beschrieben werden kann. Insbesondere gilt
hier, dass bei konstanter Temperatur die innere Energie nicht mehr unabhängig ist
vom Volumen:
87
∂U/∂VT ≠ 0.
(10.3-1)
Hier tritt der Joule Thomson Effekt auf, dass reale Gase bei gedrosselter Entspannung eine Temperaturänderung erleiden. Joule Thomson Koeffizient:
µ = ∂T/∂pH > 0: negativer Effekt, Temperaturerhöhung (T>Ti),
= 0: kein Effekt
(bei Inversionstemperatur Ti),
< 0: positiver Effekt, Temperaturerniedrigung (T<Ti).
o
(10.3-2b)
(10.3-2c)
Bei Van der Waals Gas gilt:
Inversionstemperatur Ti ≅ 7 kritische Temperatur T krit.
o
(10.3-2a)
(10.3-3)
Inversionstemperatur bei Luft etwa 760 K und bei H2 etwa 190 K, erst darunter
durch Joule Thomson Effekt abkühlbar und damit verflüssigbar.
o
Bei Luft ist Joule-Thomson Koeffizient µ ≈ (0.25 K)/(100 kPa).
o
(Adiabatische Entmagnetisierung hilft bis 1/1000 K. Paramagnetischer Stoff in
flüssigem Helium, starker Magnet orientiert die Dipole, Bei Abschaltung erfolgt
Unordnung, deren Herstellungsarbeit aus der Umgebungswärme bezogen
wird.)
10.3.1. Das Van der Waals Gas.
Nach Van der Waals wird die ideale Gasgleichung in zwei Punkten abgeändert: Der
Druck p wird durch den Term (a/V²) erhöht, der jenen inneren Druck charakterisiert,
welcher durch die zwischen den Molekülen herrschenden Anziehungskräfte verursacht
wird. Und zweitens vermindert er das Volumen um den Korrekturfaktor b, welcher das
Eigenvolumen der Moleküle und die Abstoßungskräfte zwischen den Molekülen berücksichtigt. Der Faktor b ist etwa das Vierfache vom gesamten Eigenvolumen der
Teilchen. Somit lautet die Van der Waal’sche Gasgleichung:
(p+a/V²).(V-b) = R.T.
(10.3-4)
88
Druck p
Im m e r G a s
T K ri ti s c h
T1 < T 2
Vo lum e n V
Bild 10-2. Das Van der Waals Gas
o
Unter den „kritischen Größen Ykrit“ verstehen wir die Zahlenwerte, welche die
Variablen Y in dem Zustand besitzen, in dem das Minimum mit dem Maximum der Isotherme zusammenfällt, also die Isotherme eine horizontale Wendetangente aufweist.
o
Reduzierte Größen (Y = p, V, T):
Yred := Y/Ykrit..
o
(10.3-5)
Gesetz der korrespondierenden Zustände:
(pred+ 3/(Vred)²).(3(Vred)-1) = 8 Tred.
(10.3-6)
Da nur Zahlenwerte auftreten, gilt ein und dieselbe Gleichung für alle Van der
Waals Gase.
o
Durch die Existenz des kritischen Punktes wird der Gegensatz zwischen flüssig
und gasförmig aufgehoben. „Flüssigkeit“ als Gegensatz zu „Gas“ ist also nur
dort gerechtfertigt, wo der Übergang durch eine Unstetigkeit führt (Durch das
„2-Phasengebiet“).
o
Die Inversionstemperatur ist etwa 2a/bR.
89
10.3.2. Die Virialkoeffizientenform.
p.V = R.T + B.p + C.p² + ... .
(10.3-7a)
Empirische Form von B:
B = b - a/T -c/T².
10.4
(10.3-7b)
Transporterscheinungen bei Gasen
Effekt
Übertragene
Gleichung
Größe
Transportkoeffizient
Diffusion
Masse M
dM = -D . (dρ/dx) . dF . dt
D = ṽ . λ̃/3
Innere Reibung
Impuls p
dp = -η . (dv/dx) . dF . dt
η=Dρ
dU = -K . (dT/dx) . dF . dt
K = η cv
Innere
Wärmeleitung
Energie U
(D Diffusionskoeffizient; ρ Gasdichte; x Weg; dF infinitesimales Querschnittselement ;
dt infinitesimale Zeitdauer; ṽ mittlere Geschwindigkeit ; λ̃ mittlere freie Weglänge; η
Koeffizient der inneren Reibung; v Geschwindigkeit; K Wärmeleitfähigkeit; T Temperatur.)
10.5
Carnot’scher Kreisprozess
o
Der Carnot’sche Kreisprozess bildet die theoretische Grundlage zur Berech-
nung des Wirkungsgrades aller (periodisch arbeitenden) Wärmekraftmaschinen.
o
S. Carnot entwickelte 1824 den nach ihm benannten, reversiblen thermodyna-
mischen Kreisprozess, der aus je zwei isothermen und adiabatischen Schritten besteht.
90
o
Dem Prozess liegt folgendes Gedankenexperiment zugrunde: Die Arbeitssub-
stanz, üblicherweise ein Gas, befindet sich in einem Zylinder mit einem beweglichen
Kolben und kann mit einem Thermostaten der absoluten Temperatur T1 und einem
weiteren Thermostaten der niedrigeren absoluten Temperatur T2 Wärme austauschen.
Es läuft nun ein Zyklus von vier Teilprozessen ab:
(1)
Isotherme Expansion bei T = T1: Die Substanz wird zunächst mit dem Wärme-
behälter der Temperatur T1 in Wärmekontakt gebracht und vergrößert dann bei der
Expansion unter Arbeitsleistung ihr Volumen von V1 auf V2. Dabei wird einerseits dem
Wärmebehälter die Wärme ET1 entzogen und andererseits Arbeit nach außen abgegeben.
(2)
Adiabatische Expansion: Die Substanz wird unter weiterer Arbeitsleistung so
weit expandiert, bis sie sich auf die Temperatur T2 abgekühlt hat.
(3)
Isotherme Kompression: Die Substanz wird mit dem Wärmebehälter der Tem-
peratur T2 in Wärmekontakt gebracht und unter Aufwendung äußerer Arbeit isotherm
komprimiert. Dabei wird die Wärme ET2 abgegeben.
(4)
Adiabatische Kompression: Die Substanz wird unter weiterer Aufwendung äu-
ßerer Arbeit komprimiert, bis sie die Temperatur T1 wieder erreicht hat. Die Substanz
befindet sich damit wieder in ihrem Anfangszustand.
Wesentlich ist, dass alle Prozesse reversibel ablaufen, d.h., sie können auch in
umgekehrter Richtung verlaufen (Wärmepumpe, Kältemaschine). Der Wirkungsgrad
des Carnot’schen Kreisprozesses, der Carnot’sche Wirkungsgrad ηC, ist definiert als
der Quotient aus nach außen abgegebener Arbeit und aufgenommener Wärme. Er
lässt sich aus den ersten beiden Hauptsätzen der Thermodynamik berechnen: Nach
dem ersten Hauptsatz muss die gewonnene Arbeit W = ET1 - ET2 sein.
91
D ruck
A ) p,V-D iagram m
d es C arnot'sc hen K re is proz ess es .
Isoth erm en
Adiab ate n
P ist d er D ru ck, d en d a s G as
T1
a uf d en Ko lbe n au süb t, V da s G a svo lu m en .
1
D ie um schlosse ne F lä ch e ist gle ich de r
Ar be it, d ie b ei e in e m Zyklu s g eleistet w ird .
4
2
T2
3
Vo lum en
B ) T,S -D iagram m
Temp era tur
de s C arno t’s ch en K reisp ro zes se s.
Isoth erm en
Adiab ate n
Be son d ers einfach e W ied e rga b e: T u nd S
sin d die Te m pe ra tu r b zw. die En tro pie de s
T1
2
1
G a se s. D ie b eide n Iso th erm e n sin d die
b eide n w a ag e rech te n G er ad e n T = T 1 u nd
T = T 2 , w ä h ren d d ie b eide n Ad ia b aten
d urch d ie se nkre chte n G e ra de n (S = con st.)
d arg e stellt w e rd en , d a sich d ie En tro p ie S
4
T2
3
b ei e in em reve rsib le n ad iab atische n Pro Entropie
zess n ich t ä n de rt.
Bild 10- 3. Carnot’scher Kreisprozess
Wegen der Reversibilität des Prozesses gilt außerdem nach dem zweiten
Hauptsatz, dass sich insgesamt die Entropie nicht ändert, also (δ: unvollständiges Differential):
Ring
∫ dS =
Ring
∫ δET/T = 0
(10.5-1)
Diese Beziehung reduziert sich auf ET1/T1 - ET2/T2 = 0, da für die beiden adiabatischen Prozesse δET = 0 gilt und die Isothermen in entgegen gesetzter Richtung
durchlaufen werden. Die ausgetauschten Wärmemengen verhalten sich wie die zuge-
92
ordneten absoluten Temperaturen. Damit erhält man für den Carnotschen Wirkungsgrad:
ηC = W/ ET,1 = 1-T2/T1
(10.5-2)
ηC ist also stets kleiner als eins; sein Wert ist unabhängig von der verwendeten Arbeitssubstanz (Carnot’sche Theoreme).
93
11.
Energienutzung
11.1
Von uns benutzbare Energieformen
Eines der großen Geheimnisse der Natur, die wir nicht verstehen, sondern nur
akzeptieren können, ist das Faktum, dass Energie prinzipiell nicht erzeugt oder vernichtet, sondern nur zwischen verschiedenen Formen umgewandelt werden kann. Die
wichtigsten von uns Menschen benutzbaren Energieformen sind:
1-
Mechanische Energieströme, die an Bewegungen gekoppelt sind.
2-
„Elektrische und magnetische“ Energien, die überall dort auftreten, wo elektrischer Strom fließt bzw. ein Magnet zu finden ist.
3-
„Wärme“energie („kalorische“ Energie) die aus allen Stoffen (alle Gase, Flüssigkeiten, Festkörper) mit real erreichbaren Temperaturen abgeleitet und/oder
abgestrahlt werden kann.
4-
„Solar“energien, also jene Energieströme, die von unserer Sonne abgestrahlt
werden. Und zwar insbesondere in Form von Wärmestrahlen, von Licht, und
von radioaktiver Strahlung. Diese Strahlung entsteht, weil ihre Materie durch
unvorstellbar riesige Mengen an frei werdender Kernenergie so aufgeheizt ist,
dass sie an der Oberfläche noch eine Temperatur von über 5000° C hat.
5-
„Chemische“ Energien, die durch chemische Vorgänge bereitgestellt transportiert wird. Sie ist besonders in unseren Heizstoffen präsent; also in der Kohle,
im Erdgas, im Erdöl (Benzin, Heizöl, Diesel,...), im Holz.
6-
Als Masse, denn diese kann selbst als höchste konzentrierte Form der Energie
angesehen werden. Ein Gramm Materie beinhaltet soviel Energie, dass damit
wie eine Stadt von der Größe von Graz davon den Strombedarf von mehreren Tagen
decken kann. Für uns Menschen benutzbar ist ein Teil dieser Energie als
„Kernenergie“ - bei Spaltung schwerer oder Fusion leichter Atomkerne.
11.1-1 Harte Energiebereitstellung. Diese zehrt vom Energiekapital der Erde: Kohle,
Gas, Öl, Uran. Sie erfolgt in zentralisierten Anlagen, nach wenigen, aber komplizierten
Techniken (siehe „Kraftwerke“). Knapp ¼ Verlust bis zum Endverbraucher. Große, kapitalintensive Einheiten, dennoch sind dabei die Energiepreise relativ niedrig. Sie forciert die Elektrifizierung.
94
11.1-2 Weiche Energiebereitstellung. Von weicher (sanfter) Energiebereitstellung
sprechen wir bei sich erneuernden Quellen, also insbesondere Wind, Wasser, Sonne.
Sie ist damit nachhaltig. Sie erfolgt meist flexibel, in kleinen Einheiten und nach einfachen Techniken. Allerdings ist sie extrem abhängig von den geographischen Gegebenheiten. Der Energiepreis ist hier relativ hoch.
Da unsere Energieversorgung sicher zu sein hat, muss auch die “sanfte Energie” so umgeformt werden, dass sie speicherfähig ist, bevor sie zum Endverbraucher
kommt. Erfordert ebenfalls Elektrifizierung.
11.2
Großtechnische Kraftwerke (Für Interessierte)
Das Wirkungsprinzip eines Kraftwerkes ist in Bild 11-1 schematisch dargestellt.
Jedes Kraftwerk besteht aus einem Motor, der eine Welle mit einer Kabelspule in einem Magnetfeld dreht. Der Motor heißt hier „Turbine“ und erinnert an die alten Mühlen- oder Windräder.
11.1-1 Mechanische Kraftwerke.
(a)
Wasserkraftwerke: Verändern Landschaften (Wasserfälle verschwinden, trocknen Auen und kleinere Flussbette aus). Riesige Stauseen beeinträchtigen vielleicht sogar das Kraftspiel der Erdkruste - Erdbebengefahren.
(b)
Windkraftwerke: laut, unverlässlich.
11.1-2 Wärme- („kalorische“) Kraftwerke.
In kalorischen Kraftwerken wird das Antriebswasser mit Hilfe eines Ofens so
stark erhitzt, dass es verdampft und der heiße Dampfstrahl bewegt dann die Turbine.
In Kernkraftwerken ist der Ofen ein Kern- („Atom-„) Reaktor.
(a)
Gas-, Öl-, Kohle-Kraftwerke: Luftverschmutzer, Klimaveränderer.
(b)
Kern- („Atom“-) Kraftwerke: gefährlich bei Unfällen, Probleme mit dem Abfall
und den ausrangierten Kraftwerken.
c)
Solarkraftwerke: noch nicht effizient, wenige Erfolg versprechende Funktionsideen. Die Tabelle 11-1 gibt eine knappe Zusammenfassung unserer diesbezüglichen Möglichkeiten.
95
Wenn wir nicht zwischen den verschiedenen Nachteilen wählen wollen, müssen wir beim Energieverbrauch bremsen. Wir müssen sparen durch weniger Herumfahren, durch weniger Müll (wurde durch Energie erzeugt) also durch ein natürlicheres
Leben. Wenn wir das nicht machen und weniger Kraftwerke wollen, dann werden andere Energieformen noch stärker benützt.
Mag net
Tu rb ine
“ Kra ftvo rra t”
We lle
Sp ule
Stro m ka b e l
Ele ktrisc h e Ene rg ie
g e ko p p e lt a n
e le ktr. Stro m flu ß
Bild 11-1. Prinzip der großtechnischen Kraftwerke.
96
Tabelle 11-1. Optionen der Sonnenenergie.
A- Solar-thermisch
1. Nieder-Temperatur: Warmwasser, Heizen, Kühlen
2. Mittel-Temperatur: Kraftmaschinen
3. Hochtemperatur: Sonnenofen.
B- Solar-elektrisch:
Sonnenzellen
C- Solar-chemisch:
1. Erzeugung von Biomasse: [H] + CO2 -> (CH2O)
2. Erzeugung von Wasserstoff: H2O +(hv) -> [H] + O2.
3. Photosynthese, Photolyse: braucht Sensibilatoren
(=Photokatalysatoren), in Pflanzen realisiert.
Wasserstoff:
1. Wärme
2. Strom (Brennstoffzellen)
3. Reaktant (Kohlenwasserstoff aus Reduktion von CO2)
3. Reduktionsmittel in Metallurgie
3. Substrat für Bakterienzüchtung
4. Chemisch zB. für Knallgasreaktion.
Tabelle 11-2. Wirkungsgrad eines Wärmekraftwerkes (Für Interessierte).
Für Interessierte: Der Wirkungsgrad eines Wärmekraftwerkes, ηKW-C (Typisch: ηKW-C = 0,6 kW/1.9 kW = 0.32):
(1) ηHeizung
= (Von Heizung an Kessel abgegeb. Wärme-E.)
/(Aus Brennstoffen aufgenom. chem. E.)
(2) ηKessel
= (Vom Kessel an Turbine abgegebene E.)
/ (Vom Kessel aufgenommene Wärme-E.)
97
(3) ηTurbine
= (Von Turbine abgegebene Rotations-E.)
/ (Von Turbine aufgenommene E.)
(4) ηGenerator
= (Vom Generator abgegeb. Elektrische E.)
/ (Vom Generator aufgenommene Rotations-E.)
(5) ηKW-C
11.3
= ηGenerator . ηTurbine . ηKessel . ηHeizung.
Energiespeicherung
Für manche Transportformen können wir Energie zu unserer Benützung bereithalten - also „speichern“ -, für andere Formen gelingt uns das nicht. Gut aufheben
können wir Energie auf chemischen Wegen, wie wir aus dem Kohlekeller, den Öl- und
Benzintanks usw. wissen („Chemische“ Energie). Ebenso können wir auch in die Höhe
gehobenes Wasser oder Flusswasser durch Staudämme am weiterfließen hindern
(„Potentielle“ Energie). Für einige Zeit können wir sie auch mit Hilfe der Wärmezustände in „Wärmespeichern“ bereithalten.
Elektrisch können wir nur mit Hilfe der Kondensatoren Energie bereithalten (Speichern). Ansonsten muss bei elektrischen Transporten die Energie im selben Moment
weitergeleitet werden, in dem sie bereitgestellt worden ist. Das macht die Stromwirtschaft so schwierig. Der Name des Kraftwerks weist auf die Energieform hin, die in
den elektrischen Wandler fließt.
98
Literatur
H. B. Callen, Thermodynmics and an Introduction to Thermostatistics, John Wiley,
New York 1985.
G. Falk und W. Ruppel, Energie und Entropie, Springer, Berlin 1976. (Zum Großteil
verständliche Theoretische Physik)
K. Heinloth, Energie, B.G. Teubner, Stuttgart 1983.
B.M. Jaworski und A.A. Detlaf, Physik griffbereit, Vieweg, Braunschweig 1972.
H. Kuchling, Taschenbuch der Physik, Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag,
München 1999.
W.J. Moore, Physikalische Chemie, Walter de Gruyter, Berlin 1983.
B. Predel, Heterogene Gleichgewichte, Steinkopf Verlag Darmstadt, 1982.
R. Reich, Thermodynamik VCH, Weinheim 1993.
J. Tomiska, Die Werkstatt der Natur - Eine moderne Einführung in die Quantentheorie,
Edition Volkshochschule, Wien 2005.
J. Tomiska, Das kosmische Spiel - Die verständliche Welt der Relativitätstheorie, Edition Volkshochschule, Wien 2005.
G. Wedler, Lehrbuch der Physikalische Chemie, VCH, Weinheim 1982.
99
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