G U T I ERR A TGE BER Vogel- Plus GU-Leser SERVICE VOLKER VON WIRTH spinnen ER Faszinierende Urtiere Vogelspinnen im Terrarium – das ist ein Blick in eine geheimnisvolle, exotische Welt, der jedem offensteht, denn die urtümlichen Tiere sind äußerst pflegeleicht. Lassen Sie sich, bevor Sie sich für eine bestimmte Spinne entscheiden, von diesem GU-Ratgeber inspirieren, und lernen Sie die Besonderheiten der verschiedenen Arten kennen. Praxiswissen kompakt: Autor Volker von Wirth weiß genau, welche Informationen Sie brauchen, damit es Ihren Vogelspinnen rundum gut geht. Hier finden Sie alles Wichtige über Auswahl und Kauf, das richtige Terrarium und Fütterung. Außerdem erfahren Sie, wie Nachzuchten garantiert gelingen. Auf einen Blick: Welche körperlichen Merkmale eine Vogelspinne auszeichnen und mit welchen Sinnesleistungen diese urtümlichen Tiere ihre Umwelt erobern, erfahren Sie auf speziellen Bild-Text-Seiten. Die 10 GU-Erfolgstipps: Damit sich Ihre Tiere garantiert wohlfühlen, gibt es die unverzichtbaren 10 GU-Erfolgstipps → hintere Klappe. Der GU-Leserservice: Suchen Sie weiteren Rat zum Thema? Wir helfen Ihnen gerne und beantworten Ihre Fragen → Seite 64. Verstehen Sie die Spinnensprache? Der Verhaltensdolmetscher in diesem Ratgeber unterstützt Sie dabei – einfach umblättern! Inhalt 4 Faszination 22 Eine Vogelspinne Vogelspinnen 5 5 6 8 8 8 9 9 9 10 11 11 12 13 14 16 Spannend und pflegeleicht Artenvielfalt Verwandtschaft und Lebensräume Wie Vogelspinnen leben Fein gewebte Innenausstattung Nachts auf Beutefang Am liebsten daheim Einzelgänger Umgang mit dem Nachwuchs Wie alt werden Vogelspinnen? Große und kleine Feinde Experten-Tipp: Passen Vogelspinnen zu mir? Körperbau und Sinnesorgane Die Farbe der Spinnen Auf einen Blick: Anatomie und Sinne Vogelspinnen im Porträt zieht ein 23 23 24 25 25 25 26 27 28 28 29 30 31 32 34 36 37 Grundsätzliche Überlegungen Geschützte Tiere Wo kaufe ich eine Vogelspinne? Spinnen- und Terrarienbörsen Spinnenzüchter Tipp: Vogelspinnen auf Reisen Die Wahl der richtigen Vogelspinne Fachbegriffe rund um Vogelspinnen Das maßgeschneiderte Terrarium Das Quarantäne-Terrarium Das Nymphen-Terrarium Das Zuhause für Bodenbewohner Terrarien-Checkliste Luxuswohnung für Baumbewohner Wohlfühlheim für Röhrenbewohner Das Einmaleins der Pflege Experten-Tipp: Kleiner Pflegeplan 38 Fit und gesund 39 39 39 40 41 41 42 43 43 43 44 44 45 46 46 48 48 50 50 Aus der Haut fahren Wie kündigt sich eine Häutung an? So läuft die Häutung ab Wie Spinnen Beute machen Die Beute erkennen Die Beute ergreifen und verspeisen So füttern Sie Vogelspinnen Hygiene beim Füttern So fressen Vogelspinnen Checkliste Fütterung So gehen Sie mit Vogelspinnen um Drohen und Beißen Tut gut – Besser nicht Bombardieren mit Brennhaaren und Kot Spinnen auf die Hand nehmen Nachwuchs geplant Einen Partner finden Nachwuchs in Sicht Wann sind Spinnen geschlechtsreif? 50 52 54 54 56 57 58 58 59 59 59 Die Paarung Eiablage und Jungenaufzucht Wenn die Spinne krank ist Verletzungen Parasiten Wie man eine Spinne betäubt Was tun, wenn …? Spinne entlaufen Urlaub geplant Bissunfall Experten-Tipp: Haustiere und Vogelspinnen Extras 60 Register, Service, Impressum 64 GU-Leserservice Umschlagklappen: Verhaltensdolmetscher SOS – was tun? Die 10 GU-Erfolgstipps faszination vogelspinnen Körperbau und Sinnesorgane Der Vogelspinnenkörper ist in Vorderkörper (Prosoma) und Hinterkörper (Opisthosoma) gegliedert, die durch das Stielchen (Petiolus) verbunden sind. Durch den engen Petiolus verlaufen Verdauungsorgane und Teile der Nervenbahnen. Der Vorderkörper Das Prosoma trägt die vier Laufbeinpaare, die beinartigen Taster (Pedipalpen) sowie die Beißwerk- Tarsus Beißwerkzeug (Chelizeren) Metatarsus Taster Tibia Laufbeine Patella Femur Coxa Augenhügel Trochanter Vorderleib (Prosoma) mit Poltidium Fovea Hinterleib (Opisthosoma) Spinnwarzen zeuge (Chelizeren), die aus den Grundgliedern und den Klauen bestehen. In den Grundgliedern, bis in das Prosoma hinein, befinden sich die Giftdrüsen. Sie sind durch einen Kanal mit den Spitzen der Beißwerkzeuge verbunden, die seitlich eine kleine Öffnung haben. Bei einem Biss wird durch diese Öffnung das Gift in die Beute injiziert. Zwei starke Chitinplatten verstärken und schützen den Vorderleib: das Sternum an der Unterseite und das Peltidium an der Oberseite. Vorne am Peltidium befindet sich der Augenhügel, auf dem meist acht Punktaugen angeordnet sind, mit denen die Spinnen aber meist nur hell und dunkel unterscheiden können. In der Mitte des Peltidiums befindet sich eine längliche Vertiefung, die Fovea, an der im Inneren ein großer Muskel angeheftet ist. Auch die kleinen Einbuchtungen des Sternums, die Sternalsigillen, sind mit Muskeln verbunden. Ebenfalls im Vorderkörper befinden sich Nervenknoten, der Ober- und Unterschlundganglion, die das zentrale Nervensystem der Spinne darstellen, sowie Nervenbahnen, Muskeln und Teile des Verdauungssystems. Rund um den Mund der Spinne, der einer Reuse gleicht, sind zahlreiche am Ende offene Geschmackshaare angeordnet. Durch die Öffnungen stellen die Spinnen fest, ob eine Beute genießbar ist. Der Hinterkörper Im Opisthosoma befindet sich das längliche Herz, das die Haemolymphe (Blut-Lymph-Flüssigkeit) in Das Körperschema einer Vogelspinne in der Aufsicht am Beispiel der Art Brachypelma boehmei. 12 Das Spinnspulenfeld auf der Genitalplatte zwischen den vorderen Lungen (hier als dunkler Punkt) ist typisch für subadulte Männchen. den offenen Blutkreislauf der Spinnen pumpt, sowie Teile des Verdauungssystems, die Geschlechtsorgane, die Lungen (Buchlungen) und die Spinndrüsen. Die Haut des Opisthosoma ist sehr dünn und dehnbar. Bei Stürzen aus größerer Höhe kann sie bei gut genährten Tieren schnell aufreißen. Der Hinterleib vieler neuweltlicher Vogelspinnen trägt Brennhaare, das sind Reizhaare, die die Spinnen mit den Hinterbeinen einem Angreifer entgegenbürsten können. Einige Arten schützen damit auch den Kokon. Am Ende des Hinterleibs befinden sich vier Spinnwarzen, übersät mit kleinen Öffnungen, aus denen der in den Spinndrüsen hergestellte Spinnstoff austritt. Die hinteren Warzen sind deutlich länger als die vorderen. An derselben Stelle auf der Genitalplatte zwischen den vorderen Lungen haben subadulte Weibchen lediglich normale Behaarung. denen die Spinnen Schwingungen der Luft und des Bodens wahrnehmen. Die Hinterbeine von neuweltlichen Arten besitzen kräftige Stacheln, mit denen die Spinnen die Brennhaare vom Hinterleib bürsten und während der Häutung das Zurückrutschen in die alte Haut verhindern. Auf den Coxen und Trochantern der Vorderbeine und auf den Coxen der Pedipalpen und den Außenseiten der Chelizeren besitzen zahlreiche Arten Strukturen aus verdickten oder stacheligen Haaren und Borsten, die bei einer Störung gegeneinandergerieben werden und ein zischendes oder knisterndes Geräusch verursachen. Dieses Stridulationsgeräusch dient der Feindabwehr. Die Farbe der Spinnen Die Beine Die Laufbeine bestehen aus sieben Segmenten, die durch dünne Gelenkhäute miteinander verbunden sind. Auf den Beinen befinden sich zahlreiche Haare, die den Vogelspinnen ihr pelziges Aussehen verleihen. Die meisten dieser Haare sind Sinnesorgane, mit Die Färbung der Tiere ist abhängig von der Lebensweise und dem Lebensraum. Dunkel gefärbte Tiere sind meist Waldbewohner oder leben in tiefen Röhren. Farbenfrohe Tiere dagegen findet man oft in Bäumen, wo sie ziemlich aktiv sind, oder auf stark strukturiertem Bodengrund. 13 faszination vogelspinnen Orphnaecus sp. Verbreitung Philippinen (Insel Panay) Lebensraum tropischer Regenwald, in Baumlöchern Körperlänge ca. 5 cm Haltung Bodengrund aus Blumenerde-Sand-Gemisch, ständig feucht halten; keine Winterruhe nötig. Versteck aus aufrecht gestellter Kork- oder Bambusröhre. Bepflanzung ist optional. Verhalten Ist recht ruhig und zieht sich bei einer Störung eher zurück. Verteidigt sich, falls nötig, durch Drohen mit anschließendem Giftbiss. Ähnlich zu halten einige Chilobrachys-Arten, wie Chilobrachys guanxiensis oder Chilobrachys hardwicki, die bisweilen auch in Bäumen leben. Phormingochilus everetti Verbreitung Westen von Borneo Lebensraum tropischer Regenwald; lebt in Baumlöchern Körperlänge ca. 6–7 cm Haltung Bodengrund aus Blumenerde-Sand-Gemisch, ständig feucht halten; keine Winterruhe nötig. Versteck aus aufrecht gestellter Kork- oder Bambusröhre. Bepflanzung ist optional. Verhalten Ist bisweilen nervös und leicht reizbar. Verteidigt sich bei einer Störung durch Drohen mit anschließendem Giftbiss. Ähnlich zu halten Cyriopagopus schioedtei, Lampropelma violaceopes, Lampropelma nigerrimum und weitere PhormingochilusArten. Poecilotheria metallica Verbreitung Indien Lebensraum tropischer Regenwald, Bergregenwald und Trockenwald; lebt in Baumlöchern Körperlänge ca. 6–7 cm Haltung Bodengrund aus Blumenerde-Sand-Gemisch; kann im Sommer etwas antrocknen, dann muss der Wassernapf aber immer gefüllt sein; keine Winterruhe nötig. Versteck aus aufrecht gestellter Kork- oder Bambusröhre anbieten. Bepflanzung ist optional. Verhalten Ist bisweilen nervös und leicht reizbar. Verteidigt sich bei Störung durch Drohen mit anschließendem Giftbiss. Schöne bunte Art. Ähnlich zu halten weitere Poecilotheria-Arten. 20 Die angegebene Körperlänge bezieht sich grundsätzlich auf Weibchen. Zur Giftigkeit der Vogelspinnen beachten Sie bitte die Hinweise auf S. 62. Vogelspinnen im Porträt Avicularia avicularia Verbreitung Mittelamerika bis Brasilien Lebensraum tropischer Regenwald; bisweilen in Häusern; dreht große Blätter zu Röhren Körperlänge ca. 5 cm Haltung Bodengrund aus Blumenerde-Sand-Gemisch, ständig feucht halten; keine Winterruhe nötig. Bepflanzung mit Ficus pumila, Epipremnum aureum (Efeutute) oder kleinblättrigen Philodendron-Arten empfehlenswert Verhalten Sehr ruhige Art, verteidigt sich auch bei Störung kaum. Streckt dem Angreifer den Hinterleib entgegen, von dem bei Berührung leicht Reizhaare abbrechen. Verteidigt sich bisweilen durch Kotspritzen. Ähnlich zu halten weitere Avicularia-Arten. Psalmopoeus irminia Verbreitung Nordvenezuela Lebensraum tropischer Regenwald; lebt in Baumlöchern und hinter abgeplatzter Baumrinde Körperlänge ca. 7 cm Haltung Bodengrund aus BlumenerdeSand-Gemisch, ständig feucht halten; keine Winterruhe nötig. Versteck aus aufrecht gestellter Kork- oder Bambusröhre. Bepflanzung ist optional. Verhalten Sehr schnelle Art. Ist bisweilen nervös und leicht reizbar. Verteidigt sich bei Störung durch Drohen mit anschließendem Giftbiss. Ähnlich zu halten Psalmopoeus cambridgei, Psalmopoeus reduncus und weitere Psalmopoeus- und Tapinauchenius-Arten. Heteroscodra maculata Verbreitung Westafrika Lebensraum tropischer Regenwald, Bergregenwald und Trockenwald; in Baumlöchern Körperlänge ca. 6–7 cm Haltung Bodengrund aus Blumenerde-Sand-Gemisch; kann im Sommer etwas antrocknen, dann muss der Wassernapf aber immer gefüllt sein; keine Winterruhe nötig. Versteck aus aufrecht gestellter Kork- oder Bambusröhre. Bepflanzung ist optional. Verhalten Ist bisweilen nervös und reizbar. Verteidigt sich bei Störung durch Drohen mit anschließendem Giftbiss. Sehr schöne bunte Art mit verdickten Hinterbeinen. Ähnlich zu halten Heteroscodra crassipes und Stromatopelma calceatum. verteidigt sich bombardierend verteidigt sich mit Giftbiss 21 Luxuswohnung für Baumbewohner Alle Vogelspinnen, die auf oder in Bäumen oder Sträuchern leben, sind Baumbewohner. Viele von ihnen findet man in Astlöchern oder Aushöhlungen in den unteren Baumstammbereichen, wie Arten der Gattung Poecilotheria, Heteroscodra oder Psalmopoeus. Andere, wie manche Angehörige der Gattungen Chilobrachys oder Avicularia, bauen Gespinströhren zwischen Astgabeln oder drehen Blätter zu einer Röhre zusammen, die sie dann von innen mit Gespinst auskleiden. Baumbewohnende Vogelspinnen leben in den meisten tropischen 32 und subtropischen Wäldern, lediglich in den Regenwäldern Nordaustraliens und Neuguineas sind sie nicht bekannt. Sie bevorzugen eine hohe Luftfeuchtigkeit von 70 bis 90 %. Terrarientyp Bei der Terrarienwahl ist die kletternde Lebensweise der Tiere zu berücksichtigen. Wählen Sie deshalb ein ausreichend hohes Terrarium. Für baumbewohnende Vogelspinnen werden im Zoofachhandel Terrarien mit Falltürscheiben angeboten (➝ Seite 30). Sie sind meist in Standardgröße von 20 ⫻ 20 ⫻ 30 cm (L ⫻ B ⫻ H) erhältlich. Luxuswohnung für Baumbewohner Die baumbewohnende Heteroscodra maculata aus Afrika lauert an ihrem Unterschlupf auf Beute. Die Gespinstfäden erleichtern das Registrieren der Beute. Die Einrichtung Das Terrarium für Baumbewohner benötigt einen Bodengrund aus handelsüblicher Blumenerde, die immer etwas feucht gehalten werden muss. Zusätzlich sollten Sie das Terrarium täglich kurz mit entkalktem Wasser aus einem Zerstäuber aussprühen. Dies erhöht die Luftfeuchtigkeit, was der Spinne und besonders den Pflanzen zugutekommt. Dennoch sollte ein Wassernapf nicht fehlen. Eine aufrecht stehende gebogene Korkröhre oder ein Stück Bambusstamm als Unterschlupf ist ebenfalls Pflicht. Pflanzen Künstliche oder echte Pflanzen, wie der in der Terraristik gerne verwendete Kletterficus (Ficus pumila) oder kleinere Bromelien können die Einrichtung vervollständigen. Gerade Bromelien werden von einigen Avicularia-Arten gerne als Versteck angenommen. Avicularia minatrix zieht sich bei Gefahr sogar in die wassergefüllten Trichter dieser Pflanzen zurück. Sie können die Pflanzen direkt in den Bodengrund setzen, allerdings sollten Sie darauf achten, dass dieser mindestens 4 bis 5 cm hoch ist. Oder Sie bringen die Pflanzen samt Topf ins Terrarium ein. Unästhetische Kunststofftöpfe können Sie mit Moos oder Rinde verkleiden. Licht und Wärme Zur Beheizung und Beleuchtung verwendet man eine passende Leuchteinheit, die im oberen Terrarienbereich für Lufttemperaturen von 22 bis 28 °C sorgt. Besonders wichtig ist die Be- leuchtung, wenn man echte Pflanzen in das Terrarium gepflanzt hat. Das Terrarium darf niemals dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt werden, da das Becken sonst in kürzester Zeit überhitzt ist, was unweigerlich zum Tod der Vogelspinne führen würde. Vergesellschaftung Obwohl auch die meisten baumbewohnenden Vogelspinnen sehr intolerant gegenüber anderen Vogelspinnen sind, gibt es gerade bei diesen einige Arten, die zu mehreren Exemplaren gehalten werden können, wie Poecilotheria subfusca oder Avicularia minatrix. Achten Sie aber darauf, dass es sich bei den gemeinschaftlich gehaltenen Exemplaren um einen Familienverband handelt, denn in Gruppen aus sich fremden Tieren kann es auch zu Kannibalismus kommen. Das Terrarium für Baumbewohner sollte ausreichend hoch sein, damit die Spinnen klettern können. 33 fit und gesund Bombardieren mit Brennhaaren und Kot Neuweltliche Vogelspinnen haben eine äußerst eigentümliche Art der Verteidigung entwickelt. Sie schleudern bei einer Störung durch schnelles und kräftiges Reiben der Hinterbeine über die Oberseite des Opisthosomas einem Feind eine Wolke von Brennhaaren entgegen. Dieses »Bombardieren« verursacht einen unangenehmen Juckreiz beziehungsweise ein Brennen auf der Haut und auf den Schleimhäuten. Gelangen die Brennhaare in die Augen, ist nicht selten eine Bindehautentzündung die Folge. Die Haare besitzen feine Widerhaken, bohren sich damit in die Haut und können kaum entfernt werden. Erst nach einigen Stunden lässt der Juckreiz oder das Brennen nach. Allzu neugierige Kleinsäuger, Primaten oder auch Waschbären lassen schnell von einer Vogelspinne ab, nachdem diese ihnen eine Ladung Brennhaare entgegengeschleudert hat. Bei den Störenfrieden führt das zu einer Schwellung der Nasenschleimhäute und somit zu einer stark triefenden Nase oder zu einer Entzündung der Augen. Angeblich soll beim Men- schen das Einreiben der betroffenen Stelle mit Vaseline Linderung verschaffen. Das Bombardieren mit Brennhaaren ist der erste Schritt der Verteidigung. Sollte der Angreifer dadurch immer noch nicht abgeschreckt sein, gehen die sogenannten Bombardierspinnen in die Verteidigungsstellung über und beißen letztendlich, wie andere Vogelspinnen auch, kräftig zu. Baumbewohnende Vogelspinnen haben eine ebenfalls wirkungsvolle Verteidigungstechnik: Sie vertreiben ihre Feinde durch einen gezielten Strahl Kot. Spinnen auf die Hand nehmen Aufgrund ihrer ruhigen und lauernden Lebensweise brauchen Vogelspinnen keinerlei Auslauf ins Zimmer oder in den Garten. Im Gegenteil, dies würde erheblichen Stress für das Tier bedeuten. Dennoch kann man gelegentlich den Wunsch haben, die Spinne auch einmal aus dem Terrarium herauszunehmen und anzufassen, sei es, weil man fühlen will, wie sich eine Vogelspinne anfühlt, oder weil man das Geschlecht eines subadulten Tieres bestimmen möchte. Auch im Rahmen einer Vogelspinnenvorführung oder eines Vortrags vor Schulkindern kann es sinnvoll sein, eine Vogelspinne auf die Hand zu setzen. Dazu nimmt man sie mit einem Spezialgriff auf. Hat man eine Vogelspinne vor sich, die sich üblicherweise durch Giftbiss verteidigt, sollte man besser vorher an einer ruhigen Art geübt haben. Zahme Tiere kann man vorsichtig auf die geöffnete Hand nehmen. Beim Anheben der Spinnen ist stets darauf zu achten, dass sie nicht von Das Einfangen bzw. Hineinschieben in eine Heimchendose ist die sicherste Methode, um eine Vogelspinne aufzunehmen. 46 So gehen Sie mit Vogelspinnen um der Hand herunterfallen. Gerade große und schwere Arten ziehen sich dabei oftmals tödliche Verletzungen zu. Bei einem Sturz aus größerer Höhe reißt häufig das Opisthosoma auf, eine Verletzung, die selten heilt, sondern meist zum Tod führt. Das Einfangen der Vogelspinne mithilfe einer Heimchendose ist deshalb die sicherste Methode. Die offene Dose wird dabei senkrecht vor die Spinne platziert. Dann schiebt man das Tier mit dem Deckel in die Dose. Geht die Vogelspinne dabei jedoch in Verteidigungsstellung, kann man die Dose auch über sie stülpen und den Deckel unter die Dose schieben. So wird die Spinne gefahrlos in die Dose befördert. Beim Verschließen der Dose muss man unbedingt darauf achten, dass keine Extremitäten der Vogelspinne eingeklemmt werden. 1 PINZETTE Möchte man die Vogelspinne auf Distanz halten, nimmt man sie am besten mit einer Pinzette hoch. Dafür greift man den Vorderkörper etwa auf Höhe der Fovea. Man muss jedoch äußerst vorsichtig sein, um die Spinne nicht zu quetschen, denn zu starker Druck auf den Vorderleib kann zu Verletzungen und Rissen im Peltidium führen. 2 SPEZIALGRIFF Möchte man eine Vogelspinne mit der Hand heben, aber nicht das Risiko eingehen, gebissen zu werden, kommt der Spezialgriff zum Einsatz. Man packt die Spinne mit Daumen und Ringfinger zwischen dem zweiten und dritten Beinpaar und fixiert den Vorderkörper durch leichten Druck mit dem Zeigefinger auf das Peltidium. In diesem Griff ist die Spinne wehrlos. 3 AUF DIE HAND NEHMEN Gerade ruhige und zahme Vogelspinnen kann man auf die offene Hand bugsieren und so z. B. Zuschauern präsentieren. Man hält die offene flache Hand vor die Spinne und schiebt diese mit der anderen Hand oder einem Gegenstand vorsichtig, aber bestimmt hinauf. Hat sie in der Mitte der Hand Platz genommen, kann man sie vorsichtig anheben. 47 fit und gesund Brummen führt. Ist das Weibchen in Paarungsstimmung, erwidert es das Trommeln, indem es sich mit den Vorderbeinen trommelnd auf das Männchen zubewegt. Sobald sich die Tiere berühren, geht alles recht schnell. Begattung Das Männchen stemmt das Weibchen hoch, um darunterzukriechen. Das Weibchen ist ihm dabei behilflich, indem es sich ein wenig hochdrückt. Sogleich führt das Männchen seine Bulben abwechselnd in die Geschlechtsöffnung des Weibchens an der Unterseite des Opisthosomas ein und gibt sein Sperma ab. Trennung Das Männchen entfernt sich nach der Spermaabgabe schnell und klettert beispielsweise an einem Baumstamm hoch. Das Weibchen stellt ihm unter Umständen nach, kann das viel leichtere Männchen aber kaum erreichen, wenn es irgendwo hochklettert. Das Weibchen begibt sich dann wieder in seinen Unterschlupf, während das Männchen Die kleine Nymphe fühlt sich in ihrem SpiderlingTerrarium wohl, muss allerdings in ein größeres Terrarium umziehen, wenn sie größer wird. 52 ein vorübergehendes Versteck sucht, um neue Kräfte zu sammeln und gegebenenfalls die Bulben wieder mit Sperma zu füllen. Anschließend macht es sich wieder auf die Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen. Eiablage und Jungenaufzucht Nach der Paarung reifen in den nächsten Wochen und Monaten in den Ovarien des Weibchens die Eier heran. In der Zeit versucht es, so viel Beute wie möglich zu machen, damit es ausreichend Energie für die Reifung möglichst vieler Eier und die anstrengende Betreuung des Nachwuchses hat. Zum Ende der natürlichen Regen- oder Winterzeit verschließt das Weibchen seinen Unterschlupf von innen und spinnt ein tellerartiges dichtes Gewebe auf den Boden. Auf dieses Gewebe legt es die Eier ab. Während die Eier den Körper verlassen, werden sie mit dem Sperma des Männchens befruchtet, das in den Samentaschen gespeichert war. Kokon Nach der Eiablage webt das Weibchen viele Schichten Spinnseide über die Eier, bis ein runder Kokon entstanden ist. Den Kokon schiebt es unter den Vorderkörper und bewacht ihn die nächsten Wochen, während in den Eiern die Spinnen heranreifen. Nach einigen Wochen schlüpfen die Spinnen aus den Eiern im Kokon. Diese Prälarven sehen aus wie Eier mit Beinen, weil sie ein sehr großes, mit Dotter gefülltes Opisthosoma haben. Etwa drei Wochen später häuten sich die Prälarven ins Larvenstadium. Jetzt sehen die Kleinen schon wie Spinnen aus, aber die kräftige Behaarung fehlt ihnen noch. Wieder zwei bis drei Wochen später häuten sich die Larven in das erste Nymphenstadium und sind voll ausgereifte kleine Spinnen. Jungspinnen Jetzt öffnet die Mutter den Kokon, und die Jungtiere verteilen sich im Unterschlupf, Dieses Weibchen der bunten Zwergvogelspinne Cyriocosmus ritae bewacht ihren Kokon. Die ersten Nymphen sind bereits herausgekommen und haben sich im Unterschlupf der Mutter verteilt. Die meisten Tiere verweilen gewöhnlich aber noch eine ganze Weile in dem schützenden Kokon. bleiben aber immer in deren Nähe. Bei einigen Arten, etwa aus der Gattung Hysterocrates, fängt die Mutter Beute, die sie den Kleinen zum Fressen hinlegt und sich dann zurückzieht. In der Natur verlassen die Jungspinnen nach einiger Zeit den Bau der Mutter, verteilen sich in der Nähe und führen ihr eigenes Leben. In der Terrarienhaltung werden die Nymphen bzw. Spiderlinge, sobald sie aus dem Kokon geschlüpft sind, eingesammelt. Hierfür fängt man die Mutter mithilfe einer Heimchendose ein (➝ Seite 47), damit man die kleinen Nymphen gefahrlos mit einer Pinzette oder einem Pinsel herausholen und in die vorbereiteten SpiderlingTerrarien (➝ Seite 29) einsetzen kann. Da Sie wohl allein schon aus Platzgründen kaum die Möglichkeit haben werden, Hunderte von Jungspinnen aufzuziehen, können Sie diese auf Terrarienbörsen oder auf Anzeigenseiten im Internet (➝ Service, Seite 62) anderen Vogelspinnenhaltern zum Verkauf oder Tausch anbieten. 53 SOS – was tun? Häutungsprobleme Parasitenbefall problem Die Vogelspinne bleibt bei der problem Auf der Spinne Häutung mit einem Bein in der alten Haut stecken. das könnte helfen Betäuben Sie die Spinne mit Kohlendioxid und versuchen Sie das Bein freizulegen, indem Sie die alte Haut mit einer Schere oder einem Skalpell vorsichtig abschneiden. laufen im Mundbereich, zwischen den Beißwerkzeugen und/ oder auf dem Peltidium kleine weißliche oder gelbliche Tiere herum. das könnte helfen Es handelt sich dabei wahrscheinlich um Milben. In der Regel sind sie nicht gefährlich, sie ernähren sich von Nahrungsresten, die im Mundbereich der Spinne hängen bleiben. Sollten die Milben aber überhandnehmen, können sie der Spinne schaden und sollten entfernt werden. Dafür betäubt man die Spinne mit Kohlendioxid und sammelt die Milben mit einem Wattestäbchen oder einem Pinsel ab und lässt sie auf ein Stück Küchenpapier oder ein Papiertaschentuch fallen, das man anschließend in der Toilette entsorgt. Kahler Hinterleib problem Die Vogelspinne hat auf dem Hinterleib eine »Glatze«. das könnte helfen Die Glatze entsteht, wenn die Spinne zur Verteidigung oder zum Bespicken des Kokons ihre Brennhaare von der Oberseite des Opisthosomas bürstet. Die Haare werden bei der nächsten Häutung regeneriert. Kurz vor der Häutung wird die Glatze dunkler. Todesstarre problem Die Spinne Platznot bei der Paarung problem Im Röhrenbewohner-Terrarium ist nicht genug Platz für eine Verpaarung. das könnte helfen Schneiden Sie in eine große Plastikdose mit Deckel eine Öffnung in den Boden, die der Öffnung des Terrariums entspricht. Diese Dose stellen Sie mit dem Männchen darin auf das offene Terrarium. liegt mit unter den Körper gezogenen Beinen und verschrumpeltem Hinterleib fast regungslos im Terrarium. das könnte helfen Offenbar leidet die Spinne an massivem Wassermangel und liegt schon in der Todesstarre. Stellen Sie einen flachen Wassernapf in das Terrarium, und legen Sie die Spinne mit dem Vorderkörper hinein. Faszination auf acht Beinen! Vogelspinnen sind Wesen aus unbekannten Welten voller Exotik: Ob braun, rot oder blau, gestreift oder gefleckt, die unzähligen Arten sind die Schmuckstücke in jedem Terrarium und machen eine Auswahl oft schwer. In diesem GU Tierratgeber werden die schönsten Baum-, Boden- und Röhrenbewohner mit ihren individuellen Lebensräumen vorgestellt. Zusätzlich erhalten Sie alle wichtigen Informationen rund um Haltung, Pflege, Ernährung und Gesundheit. Anleitungen und praktische Tipps zur Terrarieneinrichtung, Ausstattung und Wartung garantieren einen gelungenen Start in die Spinnenhaltung. WG 424 Hobbytierhaltung ISBN 978-3-8338-2151-6 PEFC/04-32-0928 € 7,99 [D] € 8,30 [A] www.gu.de