Seminar für Fachliteratur: Ausgewählte Themen der Gesundheits-, Leistungs- und Umweltpsychologie Leiter: Ao. Univ. Prof. Dr. M. Trimmel Gesundheitsbezogenes Verhalten verstehen SS 2001 Mag. Anna Noibinger Matr.Nr.: 9400105 1 Inhaltsverzeichnis: 1 Modelle gesundheitsbezogenen Verhaltens __________________________ 4 1.1 Gesundheitsbezogenes Verhalten ____________________________________ 4 1.1.1 Gesundheitsverhalten____________________________________________________ 4 1.1.2 Krankheitsverhalten _____________________________________________________ 4 1.1.3 Sick Role Verhalten (Krankenrolle) _________________________________________ 4 1.1.3.1 Privilegien___________________________________________________________4 1.1.3.2 Verpflichtungen ______________________________________________________ 5 1.1.3.3 Kritik von Parson _____________________________________________________ 5 1.2 Das Health-Belief Modell (Gesundheitsglaube) __________________________ 5 1.2.1 Elemente des Modells ___________________________________________________ 5 1.2.1.1 Wahrgenommene Bedrohung (perceived threat) ____________________________ 6 1.2.1.2 Wirksamkeit des Verhaltens_____________________________________________ 6 1.2.1.3 Selbstwirksamkeit ____________________________________________________ 6 1.2.2 Anwendung des Modells _________________________________________________ 7 1.2.3 Kritik an dem Modell _____________________________________________________ 7 1.3 Die Theorie vom Vernünftigen Handeln (reasoned Action)_________________ 7 1.3.1 1.3.2 Elemente des Modells ___________________________________________________ 7 Anwendung des Modells _________________________________________________ 8 1.4 Putting it all together – Mischform der Modelle __________________________ 9 2 Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung____________________9 2.1 Das Entstehen von Gesundheitsförderung _____________________________ 9 2.2 Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung ______________________ 9 2.3 Die Reichweite von Gesundheitserziehung und –förderung ______________ 10 2.3.1 Interventionsmöglichkeiten_______________________________________________ 10 2.3.1.1 One on One (Einzelarbeit) _____________________________________________ 10 2.3.1.2 Eine kleine Gruppe___________________________________________________ 10 2.3.1.3 Community wide – Landesweite Programme ______________________________10 2.3.1.4 Öffentlichkeitspolitik __________________________________________________ 10 2.3.1.5 Welches ist die beste Methode? ________________________________________ 10 2.3.2 Technik und Herangehensweise __________________________________________ 10 2.3.2.1 Technik kognitiver Verhaltensweisen_____________________________________ 11 2.3.2.2 Furcht Appelle ______________________________________________________ 11 2.3.2.3 Der Gebrauch von Anreizen (positive Verstärkung) _________________________ 11 2.3.3 Der Prozess der Gesundheitserziehung ____________________________________ 11 2.4 Gesundheitsförderung in der Anwendung_____________________________ 13 2.4.1 2.4.2 Schützen sie ihr Herz! __________________________________________________ 13 Verhindern sie die Ausbreitung von Aids! ___________________________________ 13 2.5 Gesundheitsförderung: Eine kritische Analyse __Fehler! Textmarke nicht definiert. 3 Der Umgang mit Krankheitssymptomen ____________________________13 3.1 Die Prävalenz von Symptomen und Problemen ________________________ 13 3.2 Wann soll man Hilfe suchen? _______________________________________ 13 3.3 Das Erkennen von Empfindungen ___________________________________ 14 3.3.1 3.3.2 Schwerpunkt der Aufmerksamkeit _________________________________________ 14 Individuelle Unterschiede ________________________________________________ 14 3.4 Die Interpretation von Empfindungen ________________________________ 14 3.4.1 Epidemiologie des gesunden Menschenverstandes ___________________________ 14 3.4.2 Prototypen und Erwartungen _____________________________________________ 14 3.4.2.1 Das Cioffi – Modell ___________________________________________________ 15 3.4.2.2 Die Rolle der Kultur __________________________________________________ 17 2 3.5 Abwarten vs. Initiative ________________________________ _____________ 17 3.5.1 3.5.2 3.5.3 4 Das Delay Behavior Modell (verzögertes Verhalten) ___________________________ 17 Unrealistischer Optimismus ______________________________________________ 17 Handlungsauslöser_____________________________________________________ 17 Literatur ______________________________________________________ 18 3 1 Modelle gesundheitsbezogenen Verhaltens 1.1 Gesundheitsbezogenes Verhalten Kasl und Cobb (1966) haben drei Kategorien gesundheitsbezogenen Verhaltens klassifiziert: a) Gesundheitsverhalten: beinhaltet Handlungen zur Förderung guter Gesundheit und zur Verhütung von Krankheit. b) Krankheitsverhalten: hat die Absicht den Gesundheitszustand zu klären und wenn die Notwendigkeit besteht einzugreifen. c) Krankheits-Rollenverhalten: Personen, bei denen bereits eine Krankheit festgestellt wurde, Handlungen zu setzen um die Gesundheit wieder herzustellen. 1.1.1 Gesundheitsverhalten Gesundheitsverhalten wird auch verstanden als gesundheitsförderndes oder krankheitsverhinderndes Verhalten. Dies beinhaltet Handlungen auch während der Abwesenheit von Krankheitszeichen oder –symptomen mit der Absicht den guten Gesundheitszustand zu erhalten (z.B. Sicherheitsgurt anlegen, Grippeimpfung, Jogging, Vorsorgeuntersuchung,...). Gesunde Angewohnheiten sind hier das Wichtigste. Sie werden bereits in früher Kindheit gelernt durch Beobachtung und Nachahmung. Belloc und Breslow (1972) haben in ihrer klassischen Alameda County Studie eine Reihe von Gesundheitsgewohnheiten identifiziert und mit guter oder schlechter Gesundheit in Verbindung gebracht und dann mit der Mortalitätsrate von 2000 Kaliforniern korreliert, die diese Gewohnheiten praktizierten oder nicht. Sie fanden 5 Angewohnheiten, die signifikant zusammenhingen mit der Mortalitätsrate: - ausreichend Schlaf - geregeltes Trinken (Alkohol) - nicht rauchen - regelmäßige Bewegung - Gewichtskontrolle. Männer zwischen 30 und 49, die weniger als drei dieser Angewohnheiten hatten, hatten eine Mortalitätsrate, die um 8 ½ mal größer war als bei jenen die 4 oder 5 dieser Angewohnheiten hatten. 1.1.2 Krankheitsverhalten Krankheitsverhalten sind all jene Handlungen die eine Person unternimmt um ihren Gesundheitszustand abzuklären. Diese Handlungen sind eine Antwort auf Signale des Körpers, daß etwas nicht in Ordnung ist. Solche Verhaltensweisen reichen von Ratschläge einholen von Verwandten oder Bekannten und Freunden bis zu medizinisch ausgebildeten Personen. Krankheitsverhalten beinhaltet also: Hilfe in Anspruch nehmen, Informationen einholen oder nichts tun, was ebenfalls eine beliebte Form ist. 1.1.3 Sick Role Verhalten (Krankenrolle) Hier hinein fallen all jene Handlungen zur Wiederherstellung oder Rehabilitation der Gesundheit von Menschen, bei denen eine Krankheit festgestellt wurde. Parson (1951,1975) hat als erster diese „Krankenrolle“ beschrieben. Er glaubt, daß Personen, die diese Rolle als Kranker angenommen haben, bestimmte Rechte und Privilegien erhalten, andererseits aber auch neue Pflichten und Aufgaben. 1.1.3.1 Privilegien Zwei Privilegien sind für Parson besonders wichtig: 1) Generell gilt, daß Personen nicht selbst schuld sind an ihrer Krankheit. Einige geben kranken Menschen selbst die Schuld für ihren Zustand, andere empfinden Sympathie für sie und möchten helfen. 2) Kranke Menschen sind befreit von ihren alltäglichen Pflichten und ihrer Verantwortung (z.B.: sie müssen nicht arbeiten gehen, Prüfungen machen,...). Das ist jedoch nicht 4 immer der Fall, z.B. bei Angestellten, die neu in einer Firma sind wäre das Risiko zu groß entlassen zu werden bei Krankheit oder alleinerziehenden Müttern haben keine Möglichkeit ihre Pflichten zu vernachlässigen, da es keine andere Person gibt die ihre Kinder versorgt oder Geld verdient. 1.1.3.2 Verpflichtungen Kranke Menschen haben aber auch die Pflicht ihren Zustand anzuerkennen und ihre Gesundheit wieder herzustellen. Dafür müssen sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und Compliance zeigen. Parson beschreibt unter andern auch die Abhängigkeit des Kranken vom staatlichen Gesundheitssystem. Es ist wichtig, daß der Patient motiviert wird wieder gesund zu werden. Kritiker behaupten, daß Parson die Rolle des Arztes überbetont und dabei die Rolle von Freunden, Familie und anderen übersieht, wie auch die Rolle des Patienten selbst. Sie glauben, daß Parson die Patientenrolle eher passiv und abhängig charakterisiert, was völlig inadäquat ist. 1.1.3.3 Kritik von Parson Parsons Sicht der Krankenrolle ist eine der wichtigsten Beschreibungen von Patientenverhalten und hat große Diskussionen ausgelöst, sowohl positive als auch negative. Das Modell von Parson hat deshalb Kritik ausgelöst, weil es sich als universales Modell präsentierte. Aber es ist nicht auf alle Krankheiten oder Personen anwendbar. Gut paßt es auf Menschen, die augenblicklich krank sind und zurückkehren wollen zu ihrem gesunden Leben und ihren normalen Aufgaben. Chronisch Kranke passen nicht in dieses Schema. Solche Patienten können nicht zu ihrem früheren gesunden Zustand zurückkehren und deshalb kommt es hier zwischen Patient und Arzt zu Problemen (z.B. Compliance, Abmachungen,...). Ein zweiter wichtiger Kritikpunkt ist, daß Parsons Modell nur auf amerikanische Verhältnisse anwendbar ist und auch da nur auf die Mittelschicht der Bevölkerung. 1.2 Das Health-Belief Modell (Gesundheitsglaube) Das Health Belief Modell ist das einflußreichste Modell auf dem Gebiet der Erklärung von handeln oder nicht handeln von Personen im Hinblick auf ihre Gesundheit. Dieses Modell wurde in den 50er Jahren entwickelt um zu verstehen, warum Menschen oft ablehnen Gesundheitsprogramme und Serviceleistungen in Anspruch zu nehmen z.B. Tuberkulosescreening, mobile Röntgenuntersuchungen, ... 1.2.1 Elemente des Modells Dieses Modell basiert auf der Formel: Wert – Erwartung (Kosten/Nutzen). Die Autoren glauben, daß Menschen aktiv werden, wenn es das Ergebnis wert ist und wenn sie erwarten können, daß das Ergebnis erreicht werden kann. (Bild 1) Das Modell beinhaltet: a) Glaube an die Natur der Bedrohung, b) Glaube an die Natur der Handlung, und c) Glaube an eine Fähigkeit die relevante Handlung durchführen zu können. Genauer bedeutet das erwartete Bedrohung, Wirksamkeit des Verhaltens und Selbstwirksamkeit. 5 Abbildung 1 : Das Health-Belief Modell ERKANNTE SCHWERE „Übergewichtig zu sein macht mir Sorgen.“ ERKANNTE BEDROHUNG „Ich mache mir Sorgen über mein Gewicht.“ ERKANNTE ANFÄLLIGKEIT „Ich nehme leicht zu.“ SELBST-WIRKSAMKEIT VERHALTEN „Ich weiß, ich kann meine Willenskraft ausüben.“ „Ich nehme erfolgreich ab.“ ERKANNTE VORTEILE „Ich werde besser aussehen und mich besser fühlen, wenn ich Gewicht verliere.“ ERKANNTE WIDERSTÄNDE „Ich weiß nicht welche Diät richtig ist.“ WIRKSAMKEIT DES VERHALTENS „Ich habe einen guten Weg gefunden Gewicht zu verlieren.“ 1.2.1.1 Wahrgenommene Bedrohung (perceived threat) Die Variable ist aus zwei Teilen zusammengesetzt: wahrgenommene Schwere und wahrgenommene Anfälligkeit. Wahrgenommene Schwere bezieht sich darauf, in welchem Maß Menschen sich von einem Gesundheitsproblem betroffen fühlen. Wahrgenommene Anfälligkeit befaßt sich mit Wahrscheinlichkeit eine Krankheit zu bekommen. Wenn beide Variablen hoch sind ist, ist die Person motiviert gesundheitsbezogenes Verhalten auszuüben. 1.2.1.2 Wirksamkeit des Verhaltens Fühlen sich Menschen bedroht müssen sie entscheiden, was zu tun ist. Das Modell beschreibt diesen Prozeß der Verhaltensabwägung als Kosten/Nutzen Analyse. Dies benötigt zwei Elemente: Wahrgenommene Vorteile und wahrgenommene Widerstände. Menschen wählen ein Verhalten, wenn sie das Gefühl haben, es ist wahrscheinlich durchführbar. Stehen mehrere Alternativen zur Auswahl wird jene gewählt, die am besten funktionieren wird. Wahrgenommene Widerstände sind Nachteile, die die gewählte Verhaltensalternative betreffen. Bevor sich Menschen für einen Weg entscheiden wollen sie genau über die anfallenden Kosten, Risiken und Gefahren informiert werden. Menschen versuchen immer die Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen und entscheiden sich dann für jene Alternative, die die geringsten Kosten und den maximalen Nutzen erbringt. 1.2.1.3 Selbstwirksamkeit Dieser letzte Faktor lehnt sich an Banduras Konzept der Selbstwirksamkeit an. Selbstwirksamkeit verweist auf die persönliche Überzeugung, daß die gewählte Verhaltensweise erfolgreich durchgeführt werden kann und zu einem erfolgreichen Ergebnis führt. Menschen, die eine hohe Selbstwirksamkeit haben, sind eher geneigt die Initiative zu ergreifen und ihre Verhaltensweisen zu ändern. 6 1.2.2 Anwendung des Modells Seit seiner Entdeckung wurde das Health Belief Modell vielfach als Grundlage in Forschungs- und Interventionsprogrammen verwendet. Darunter sind: Selbstuntersuchung der Brust, Compliance bei Diabetikern, Aids Prävention und Sicherheitsgurt-Werbung. 1.2.3 Kritik an dem Modell Das Health Belief Modell ist das meist verbreitete Modell in der Gesundheitspsychologie, doch gibt es auch hierbei einige Kritikpunkte. Jedes der spezifischen Elemente, als auch deren Kombination wird oft diskutiert. 46 Studien zu diesem Modell führten zuerst zur Aufnahme eines weiteren Faktors, „Selbst-Wirksamkeit“. Janz und Becker (1984) entdeckten, daß „wahrgenommene Widerstände“ den größten Einfluß auf das Verhalten haben. „Wahrgenommene Anfälligkeit“ kann höchstens präventives Gesundheitsverhalten voraussagen, während „wahrgenommene Vorteile“ stärker das Verhalten in der Krankenrolle beschreiben. „Wahrgenommene Schwere“ ist der schwächste Faktor, er hat höchstens einen geringen Einfluß auf das Verhalten in der Krankenrolle. Außerdem ist das Health Belief Modell schlecht organisiert. Es enthält zwar einen Katalog interessanter und relevanter Variablen, aber die Verfasser haben sich anscheinend nie Gedanken darüber gemacht wie diese Variablen gemessen, quantifiziert oder kombiniert werden sollen. Ein weiteres Problem besteht darin, daß das Modell zu erklären versucht Verhalten strikt in Ausdrücken von Einstellungen und Überzeugungen. Es vernachlässigt dabei wichtige Umwelt- und Soziale Faktoren, die einen Einfluß haben auf menschliche Handlungen. 1.3 Die Theorie vom Vernünftigen Handeln (reasoned Action) Die Theorie vom vernünftigen Handeln zu sehen in Abbildung 2 und deren Weiterentwicklung, die Theorie vom geplanten Verhalten, repräsentieren einen weiteren Schritt zur Erklärung und zum Verstehen gesundheitsbezogenen Verhaltens. 1.3.1 Elemente des Modells Abbildung 2: Theorie vom vernünftigen Handeln ÜBEZEUGUNG, daß VERHALTEN ZU BESTIMMTEN ERGEBNISSEN FÜHRT „Das Anlegen des Gurtes wird mich bei einem Unfall schützen.“ EVALUATION DER ERGEBNISSE „Es ist wichtig, daß ich mich beim Autofahren sicher fühle.“ ÜBERZEUGUNG, daß ANDERE DENKEN ICH SOLLTE ES TUN „Meine Freunde und meine Familie ermutigen mich den Gurt anzulegen.“ MOTIVATION DIE BEDINGUNGEN ZU ERFÜLLEN „Ich will das tun, was sie von mir verlangen.“ EINSTELLUNG GEGENÜBER DEM VERHALTEN „Ich fühle mich gut, wenn ich den Sicherheitsgurt anlege.“ VERHALTENSINTENTION „Ich beabsichtige den Sicherheitsgurt anzulegen wenn ich autofahre.“ VERHALTEN „Ich lege den Sicherheitsgurt an.“ SUBJEKTIVE NORM „Den Sicherheitsgurt anzulegen ist das richtige Verhalten.“ 7 Die beste Möglichkeit menschliches Verhalten vorauszusagen ist, die Verhaltensintention zu kennen. Die Verhaltensintention repräsentiert die persönliche Verpflichtung zu handeln und ist wegweisend für das aktuelle Verhalten. Intentionen sind das Produkt von drei Faktoren: 1) Einstellung gegenüber dem Verhalten: Dies ist wiederum ein Resultat a) der Überzeugung, das ein bestimmtes Verhalten zu bestimmten Ergebnissen führt und b) der Bewertung dieser Ergebnisse als positiv. 2) Subjektive Normen: Dieser Faktor ist ein sozialer Faktor und spiegelt des externen Druck auf die Person wider. Dieser besteht aus a) der Motivation die Bedingungen zu erfüllen und b) der Überzeugung, daß andere dem Verhalten zustimmen. 3) Verhaltenskontrolle: Das ist der dritte Faktor, der dem Faktor Selbstwirksamkeit im Health Belief Modell entspricht. Er beinhaltet die Ressourcen und Möglichkeiten der Person. 1.3.2 Anwendung des Modells Die Theorie des vernünftigen Handelns findet Anwendung auf verschiedensten Gebieten, so unter anderem bei gesundheitsbezogenem Verhalten für: Hohen Blutdruck und Familienplanung, Substanzabhängigkeit, Einhalten der Medikation,... Olson und Zanna (1987) haben ein Set von Empfehlungen für die Förderung körperlicher Aktivitäten erstellt das in Tabelle 1 zu sehen ist, basierend auf diesem Modell. Tabelle 1 : Empfehlungen zur Förderung von Bewegung basierend auf der Theorie vom vernünftigen Handeln Empfehlungen zur Förderung körperlicher Aktivität 1. Fördern von spezifischen Übungen (joggen, schwimmen, walken,...): a) Positive persönliche Konsequenzen betonen, die aufgrund dieser Übungen auftreten. b) Negative Konsequenzen vor Augen führen, die auftreten, wenn man diese Übungen nicht macht. 2. Beschreiben der negativen Konsequenzen von zu wenig Bewegung („FurchtAppell“), aber auch wie diese zu verhindern sind (z.B. wie man mit der Sportart anfangen soll). 3. Bewegung durch soziale Druck erzeugen: a) Vermitteln, daß „wichtige andere Bezugspersonen“ wünschen, daß die Person Bewegung macht. b) Einbinden von „meinungsbildenden Vorbildern“ der Gesellschaft in die Kampagne. 4. Erhöhen der erkennbaren Kontrolle über die Übungen: a) Erklären, daß regelmäßiger Sport gut zu integrieren ist in den alltäglichen Tagesablauf. b) Erklären, daß jeder sich an irgendeiner Form an sportlicher Betätigung beteiligen kann. 5. Grundlegende Information zur Verfügung stellen über die Art wie man die sportlichen Betätigung ausüben kann (oder wo man solche Informationen bekommt). Aus: Olsen, J.M., und Zanna, M.P., (1987), Understanding and promoting exercise: A social psychological perspective, Canadian Journal of Public Health, 78, S1-7. Olson und Zanna (1987) schlagen verschiedene Arten der sportlichen Betätigung vor, wie schwimmen, joggen oder Ähnliches. Sie vermitteln, wie jede Sportart zum Wohlbefinden beiträgt und zu besserem Aussehen. Durch sozialen Druck soll vermittelt werden, daß „wichtige Andere“ wollen, daß man Sport treibt. Letztlich ist es wichtig, daß jede Person das Gefühl hat es ist leicht Sport zu treiben und jeder es kann. 8 1.4 Putting it all together – Mischform der Modelle Das Health Belief Modell und die Theorie des vernünftigen Handelns sind zwei der wichtigsten und einflußreichsten Modelle des gesundheitsbezogenen Verhaltens, die wir haben. Sie können verwendet werden zur Darstellung von Gesundheitsverhalten, Krankheitsverhalten und der Krankenrolle. Als kognitive Modelle vermitteln sie, daß unsere Handlungen nicht nur durch die Ereignisse um und beeinflußt werden, aber durch die Ereignisse und Umstände wie sie von und individuell interpretiert werden. In den vergangenen Jahren, alle Versuche zu vergleichen die strengen Voraussagen dieser Modelle eines mit dem anderen, ergab sehr unterschiedliche Resultate. Aber wichtiger ist die Integration dieser Modelle zu einem gemeinsamen Modell. Dies konnte jedoch noch nicht erreicht werden. 2 Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung „An ounce of prevention is worth a pound of cure.“ 2.1 Das Entstehen von Gesundheitsförderung Ein kurzer Ausflug in das amerikanische Gesundheitssystem: 1982 beliefen sich die Kosten des staatlichen Gesundheitssystems auf 287 Milliarden Dollar. 96% davon wurden in die Behandlung von Kranken investiert, 4% davon in Prävention und Gesundheitsförderung. Ainsworth (1984) versuchte eine Antwort auf dieses Paradoxon zu finden. Die meist Zeit des 20. Jahrhunderts verbrachte das Gesundheitssystem damit Krankheiten oder Seuchen zu kontrollieren und zu behandeln. Gesundheit war etwas, über das erst nachgedacht wurde, wenn es Probleme gab, und dann erwarteten die Menschen, daß die moderne Medizin das Problem beseitigt. Um 1900 waren Infektionskrankheiten wie Influenza, Lungenentzündung und Tuberkulose die führenden Todesursachen in den USA. 1990 sind die Top 10 der tödlichen Krankheiten infektiös. Chronische Krankheiten wie Krebs, Schlaganfälle und andere Herzkrankheiten setzten sich jedoch an die Spitze dieser Liste. Das problematische daran ist, daß es hier keine Viren oder Bakterien zu identifizieren gibt, diese Krankheiten gehen auf den Lebensstil zurück. Heutzutage ist in den USA jeder sechste Tod durch Rauchen verursacht, und falsche Ernährung und Alkoholmißbrauch führen zu 8 der Top 10 Todesursachen. Nach und nach wird Krankheitsprävention wichtiger als Krankheitsbehandlung. Das scheint auch die Bevölkerung langsam zu bemerken, was sich z.B. im reißenden Absatz an Vollkornprodukten zeigt. 2.2 Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung gehören eng zusammen. Gesundheitsförderung ist die Wissenschaft und Kunst zu helfen Menschen zu verändern und zu reorientieren ihren Lebensstil im Hinblick auf ein optimale Gesundheit. Dies beginnt schon bei der Änderung individueller Verhaltensweisen. Gesundheitsförderung zielt auch auf eine Änderung der Gesundheitspolitik ab, die Gestaltung einer unterstützenden Umwelt und einer Umorientierung des Gesundheitssystems. 9 2.3 Die Reichweite von Gesundheitserziehung und –förderung 2.3.1 Interventionsmöglichkeiten Wenn man einen großen Einfluß haben möchte auf die Bevölkerung, wie bekommt man den größten Effekt? Sollte man einzeln mit den Personen arbeiten oder in kleinen Gruppen? Sollte man versuchen über die Zeitungen oder das Fernsehen die Leute zu erreichen oder sollte man Gesetzesänderungen anstreben? Das sind nur einige der Schwierigkeiten mit denen man zu kämpfen hat. 2.3.1.1 One on One (Einzelarbeit) Auf der einen Seite hat man die individuelle Betreuung. Das kommt nahe an das traditionelle Modell der medizinischen und psychologischen Therapie, aber es kann auf eine Vielzahl von Situationen angewendet werden. Bei dieser Betreuungsart kann die Erziehung und Therapie individuell abgestimmt werden auf die Bedürfnisse des Patienten. 2.3.1.2 Eine kleine Gruppe Wenn man eine breitere Wirkung erzielen will muß man mit Kleingruppen arbeiten. Auf dieser Ebene interagiert eine geringe Anzahl von Personen miteinander, sie diskutieren, machen Rollenspiele und können sich gegenseitig bei der Bewältigung von Problemen helfen. 2.3.1.3 Community wide – Landesweite Programme Will man eine größere Anzahl von Menschen erreichen muß man regionale oder landesweite Programme starten. Solche Programme beinhalten ganze geographische oder politische Gebiete und benützen viele verschiedene Inhalte. Frühe Versuche in diese Richtung wurden als Fernseh-Programme durchgeführt, dadurch versuchte man ein Massenmedium zur Erziehung und Verhaltensänderung benützen. Social marketing, soziale Vermarktung, ist ein weiterer wichtiger Punkt. Es verwendet adaptierte Methoden der kommerziellen Vermarktung auf soziale Belange. Bei dieser Art der Annäherung wird die Population in relevante Untereinheiten und Segmente unterteilt. Auf diese werden dann die Produkte und Sendungen zugeschnitten um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. 2.3.1.4 Öffentlichkeitspolitik Will man die größtmögliche Wirkung erzielen, muß man die Öffentlichkeitspolitik beeinflussen oder institutionell vorgehen. Gesundheitsförderung auf politischer ebene beeinflußt die gesamte Bevölkerung durch das kreieren von Regeln und Vorschriften um das Gesundheitsverhalten zu ändern, z.B. das Anlegen der Sicherheitsgurte, Rauchverbote, Alkoholverbote,... 2.3.1.5 Welches ist die beste Methode? Jede dieser vorher genannten Methoden hat Vorteile und Nachteile. Winett, King und Altman (1989) schlagen einen multimodalen Zugang vor. Man muß zuerst ein Problem von allen Seiten betrachten und dann auf verschiedene Arten versuchen es zu lösen und mit verschiedene Methoden. 2.3.2 Technik und Herangehensweise Es gibt viele Methoden um Menschen zu einer Verhaltensänderung zu bringen. Soll man den Menschen individuelle Lösungen bieten? Soll man mit Furcht-Appellen arbeiten und den Menschen Angst machen, damit sie ihren Lebensstil ändern? Oder soll man einen positiveren Zugang wählen? 10 2.3.2.1 Technik kognitiver Verhaltensweisen Verhaltenstherapie bezieht sich auf die Umstände und Bedingungen die Verhalten entlocken und erhalten. Diese Art der Therapie hilft Menschen ihre Verhaltensweisen zu ändern indem sie den Einfluß von Umweltfaktoren erkennen lernen. Aber Kognitive Therapiemethoden lenken den Blick auf interne Repräsentationen, die Art wie Menschen Ereignisse sehen und sich selbst. 2.3.2.2 Furcht Appelle Vier Faktoren beeinflussen den Erfolg der Annahme positiven Gesundheitsverhaltens: a) die Merkmale des Vermittlers, b) die Merkmale der Nachricht, c) das verwendete Medium und d) die Merkmale des Publikums. Kurz gesagt: Wer sagt was, mit welchen Mitteln, zu wem? Wenn Menschen Angst haben, sind sie mehr oder weniger bereit z.B. mit dem Rauchen aufzuhören, zum Arzt zu gehen oder ihr Eßverhalten zu ändern? Generell glauben die Menschen, daß Furcht nützlich ist, aber Realität ist, daß FurchtKampagnen nicht wirklich effektiv sind. In Wahrheit entsteht eher ein gegenteiliger, sogenannter Boomerang-Effekt. 2.3.2.3 Der Gebrauch von Anreizen (positive Verstärkung) Sie wissen, daß sportliche Betätigung gut für sie ist, daß man fettes Essen meiden soll, aber sie können sich nicht dazu überwinden! Wie auch immer, wie wäre es wenn ihnen jemand 10$ bietet für jede Stunde, in der sie Sport betreiben oder einen Gutschein zum Einkaufen für jedes Kilo, daß sie verlieren, wäre das für sie ein Anreiz ihr Verhalten zu ändern? Studien belegen, daß Menschen es können und ihre Verhaltensweisen ändern, wenn entsprechende Belohnungen geboten werden. Zusätzlich ergibt sich für solche Programme ein Vorteil, wenn sie in Betrieben durchgeführt werden, da hier der soziale Druck der Gruppe von Mitarbeitern hinzukommt. 2.3.3 Der Prozess der Gesundheitserziehung Gesundheitserzieher sind handlungsorientiert, sie picken ein Problem heraus und bieten eine Lösung ohne sorgfältiger Überprüfung des Aufbaus und der Bewertung. Lawrence Green schlug das PRECEDE Modell zur Gesundheitserziehung vor, zur sorgfältigeren Planung und Auswertung (Green et al., 1980). PRECEDE steht für: Predisposing, Reinforcement and Enabling Causes in Educational Diagnosis and Evaluation, das einen siebenstufigen Prozeß beinhaltet (Abbildung 3). (-> Prädisponieren, Bestätigung und Ermächtigungsgründe für pädagogische Diagnose und Bewertung) Phase 1 und 2 von PROCEDE sind kritisch, weil sie das Problem definieren. Der Prozeß beginnt mit der Erfassung der Lebensqualität einer bestimmten Population, und dann Identifizieren spezifischer Gesundheitsprobleme die dazu beizutragen scheinen. Phase 3 beinhaltet Verhaltensdiagnosen verknüpft mit spezifischen modifizierbaren Handlungen der Gesundheitsprobleme die aufgedeckt wurden. Phase 4 und 5 beinhalten eine Beschreibung der wichtigsten Klassen von Faktoren, die das Verhalten beeinflussen, sowie die Entscheidung welcher Faktor geändert werden soll. Prädisponierende Faktoren beinhalten Empfindungen, Einstellungen und Wahrnehmungen der Zielpopulation, die die Motivation zur Verhaltensänderung beeinflussen. Ermöglichende Faktoren spiegeln die persönlichen und gesellschaftlichen Ressourcen wider. Verstärkerfaktoren beinhalten die Konsequenzen und den Grad der Unterstützung durch andere auf persönlicher oder sozialer Ebene. Phase 6 beinhaltet die aktuelle Entwicklung eines Programmes und seine Durchführung. Phase 7 beinhaltet die Auswertung und Beurteilung der Auswirkungen. 11 Prozeßevalutation Verstärker Faktoren Ermöglichende Faktoren Prädisponierende Faktoren Phase 6: Administrationsdiagnostik Gesundheitsprobleme Nichtgesundheitsbedingte Faktoren Phase 3: Verhaltensdiagnostik Evaluation der Auswirkungen Verhaltensbedingte Gründe Nichtverhaltensbedingte Gründe Phasen 4-5: Pädagogische Diagnostik Ergebnisevaluation Lebensqualität Phasen 1-2: Epidemiologische und Sozialdiagnostik Quelle: Adaptiert von L.W. Green, M.W. Kreuter, S.G. Deeds, und K.B. Partridge, (1980), Health Education and Planning: A Diagnostic Approach (Palo Alto, CA; Mayfield Publishing) Phase 7: Projektevaluation Gesundheitserziehung Elemente von Gesundheitsprogrammen Phase 7: Evaluationsdiagnostik Abbildung 3 : Das PRECEDE Modell der Gesundheitserziehung 12 2.4 Gesundheitsförderung in der Anwendung Hier sollen nur zwei der aktuellsten Themen herausgegriffen werden: 2.4.1 Schützen sie ihr Herz! Viele der bekannten Risikofaktoren für koronare Herzerkrankungen hängen mit falschen Verhaltensweisen zusammen, die geändert werden könnten. Personen unter 45 Jahren die mehr als 20 Zigaretten am Tag rauchen haben ein 4mal höheren Risiko eines Herzinfarktes. Und eine Person unter 55 Jahren mit hohem Cholesterinspiegel hat ein 7mal höheres Risiko als jemand mit normalem Wert. Programme zur Risikoverringerung für Herzkrankheiten werden von vielen verschiedenen Gruppen durchgeführt. Diese beginnen bereits bei Kindern, damit erst gar keine Risikofaktoren auftreten können und sie von klein auf lernen gesund zu leben und gehen bis zu Erwachsenenprogrammen die besonders auf Streß abzielen. Diese Programme werden alle landesweit veranstaltet. Einige dieser Programme sind: Stanford Heart Disease Prevention Program, MRFIT – Multiple risk factor intervention – ein Risikoreduktionsprogramm das besonders auf Kleingruppenintervention abzielt, Minnesota Heart Health Program Artikel über gesundes Ernährungsverhalten bei Jugendlichen -> schon im Kindesalter sollte Prävention beginnen, wenn man gesund in Pension gehen will! (siehe Trimmel-Artikel) 2.4.2 Verhindern sie die Ausbreitung von Aids! Programme zur Aids Prävention stecken heute noch in den Kinderschuhen im Vergleich zu Programmen zur Verhinderung von Herzkrankheiten. Diese Programme müssen sich mit praktischen, politischen und moralischen Fragen herumschlagen. Hier gibt es viele verschiedene Angriffspunkte wie Sexualität bei Teenagern, intravenöser Drogenkonsum, Homosexualität, u.a. Moralische und politische Konflikte verstellen Bemühungen das Risiko zu vermindern wie z.B. bei Prostitution, Homosexualität oder Drogenmißbrauch. Letztlich, das Verhalten im Zusammenhang mit Sexualität und Drogen das Aids Erzieher versuchen zu beeinflussen, ist meistens nicht nur spontan und ungeplant, sondern begründet in falschen Vorstellungen und Ignoranz. Aber die Menschen über Gefahren zu diesen Themen zu informieren ist nicht alles. Diese Information muß ergänzt werden durch Techniken die die Motivation erhöhen, Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung stellt und Änderungen der sozialen Umwelt. 3 Der Umgang mit Krankheitssymptomen „Kleinere Probleme wie Grippe, Halsweh, Erschöpfung oder Bauchweh sind so unvermeidbar wie der Tod und Steuern“, Mark Twain. 3.1 Die Prävalenz von Symptomen und Problemen In jedem Moment Beschwerden, die überrascht nicht, verschwinden und Aufmerksamkeit. 3.2 gibt von daß die es irgendwo zwischen 75% und 90% der Bevölkerung haben einem Arzt diagnostiziert und behandelt werden können. Es die meisten dieser Beschwerden ohne Behandlung wieder Mehrheit der Menschen suchen deswegen keine medizinische Wann soll man Hilfe suchen? Wann immer ein Patient unnötig um medizinische Untersuchung und Behandlung ersucht werden medizinische und personelle Ressourcen verschwendet. Sowohl der behandelnde Arzt, das Krankenhaus Personal und der Patient selbst haben damit nur Zeit und Geld verschwendet, die anders genutzt werden könnten. 13 Wenn Patienten allerdings nicht auf körperliche Symptome reagieren und zu spät medizinische Hilfe suchen können die Konsequenzen katastrophal sein, z.B. bei Brustkrebs. Entscheidung und Handlung in bezug auf Krankheitssymptome können in einem dreistufigen Prozeß dargestellt werden: a) gewahren der Empfindungen, b) interpretieren der Symptome und c) planen und ausführen der Handlung. 3.3 Das Erkennen von Empfindungen Warum gelangen manche Empfindungen in unser Bewußtsein und andere nicht? Empfindungen die von uns registriert werden haben gewisse Eigenschaft: sie sind stark, neu und andauernd, sowie schmerzhaft und störend. 3.3.1 Schwerpunkt der Aufmerksamkeit Ein weitere Faktor der notwendig ist, damit eine Empfindung ins Bewußtsein gelangt ist die persönliche Aufmerksamkeitsfokkussierung. Je mehr unsere Aufmerksamkeit von Dingen in unserer Umgebung abgelenkt wird, je mehr wir mit anderen Dingen beschäftigt sind, umso weniger registrieren wir körperliche Empfindungen. Je mehr man sich auf externe Reize konzentriert, umso weniger achtet man auf Schmerz oder Unbequemlichkeiten. 3.3.2 Individuelle Unterschiede Individuelle Unterschiede in der Selbstbeobachtung und den Bewältigungsstrategien haben ebenfalls einen großen Einfluß. Die Beachtung körperlicher Symptome ist etwas, was Kinder von ihren Eltern lernen in der frühen Kindheit. Neben diesen Faktoren hat auch der momentane Gemütszustand einen Einfluß auf das Bewußtwerden. 3.4 Die Interpretation von Empfindungen Werden körperliche Beschwerden einmal festgestellt muß eine Person entscheiden was es zu bedeuten hat. Menschen interpretieren Empfindungen und bewerten sie immer im Hinblick auf ihren Kontext. Sie beachten externe Ereignisse und Umstände, ob diese vielleicht die Empfindungen erklären können. 3.4.1 Epidemiologie des gesunden Menschenverstandes Immer wenn wir etwas als Symptom identifizieren ist es schwer festzustellen ob es wahr ist, weil die meisten Symptome unklar, unbestimmt und zweideutig sind. Um die Bedeutung ihrer Symptome zu verstehen, benützen Menschen eine Form von Epidemiologie des gesunden Menschenverstandes in welcher sie Hypothesen generieren über die Natur ihrer Probleme und sich Zusatzinformationen nehmen um diese zu bestätigen. In Zusammenhang damit generieren wir kognitive Schemata (Repräsentationen). Diese bestehen aus fünf Elementen: 1) Identität: die Abstraktionsfähigkeit oder sprachliche Etikettierung für ein Set von Symptomen 2) Verlauf: Annahmen über den Verlauf der Krankheit, wie lange sie dauern wird und ob sie chronisch oder akut verläuft. 3) Konsequenzen: Die Auswirkungen der Krankheit, kurzzeitige und langzeitige. 4) Ursachen: Annahmen der Personen was diese Krankheit ausgelöst hat. 5) Heilung: Was eine Person tun muß um die Krankheit zu überwinden. 3.4.2 Prototypen und Erwartungen Die Identifikation und Kategorisierung vom physischen Zustand einer Person sind von größter Bedeutung. Um eine Diagnose zu erstellen benützt man einheitliche Diagnoseschemata (Disease Prototypes), sie beschreiben einen Symptomkatalog für bestimmte Krankheitsbilder. Basierend auf diesen prototypischen Vorstellungen können Hypothesen formuliert werden über die Identität des Problems und Informationen zur Bestätigung der Vermutung können gesucht werden. Selbstinduzierte Erwartungen der Person spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Identifikation von Symptomen. 14 3.4.2.1 Das Cioffi – Modell Dieselben Empfindungen können unterschiedlich interpretiert werden. Cioffi (1991) hat ein Modell entwickelt, das alle bisher behandelten Faktoren berücksichtigt. Der Ablauf ist in Abbildung 4 dargestellt: Nehmen wir an es gibt eine Temperaturänderung der Hände einer Person. Dies kann registriert werden oder nicht. Wird es nicht bemerkt, ist jede weitere Handlung möglich oder notwendig. Wird es registriert, wird von der Person ein Schema darübergelegt, z.B. „Ich haben kalte Hände.“ In diesem Moment wird ein Attributionsprozeß in Gang gesetzt, in dem die Person nach einer plausiblen Erklärung für die Empfindung sucht. Die Suche ist geleitet von den persönlichen Erwartungen und Erfahrungen, sowie von den zuvor gebildeten Hypothesen. Sie wird weiter beeinflußt von Charakter, Gemütszustand, Copingstrategien und Motivation der Person. Wird der Zustand als normale Reaktion auf äußere Umstände erkannt, ist keine gesundheitsbezogene Handlung notwendig. Aber wird es als spezifisches Symptom identifiziert, muß eine Entscheidung getroffen werden über die Symptombeobachtung und/oder das Aufsuchen professioneller Hilfe. 15 PHYSISCHE VERÄNDERUNG Leichte Veränderung der Handtemperatur LABELING DER Empfindung „Ich habe kalte Hände.“ NICHT BEACHTEN Keine Reaktion nötig Wenn registriert Wenn die Person abgelenkt ist, wenn das Signal zu schwach ist. HYPOTHESEN FORMULIEREN BASIEREND AUF ERWARTUNGEN UND ERFAHRUNGEN ATTRIBUTIONSPROZESS ÜBER INTERNE UND EXTERNE SUCHE „Was ist mit mir los?“ VERANLAGUNG UND MOMENTANER ZUSTAND Copingstrategien, Ziele, Persönlichkeit,... INTERPRETATION ALS NICHT-SYMPTOM „Es ist kälter geworden.“ INTERPRETATION ALS SYMPTOM „Etwas stimmt nicht mit meiner Durchblutung.“ KEINE GESUNDHEITSBEZOGENE HANDLUNG NÖTIG „Ich sollte mir Handschuhe kaufen.“ ENTSCHEIDUNG HILFE AUFZUSUCHEN „Ich glaube, ich sollte zum Arzt gehen.“ Abbildung 4: Interpretation körperlicher Empfindungen (basierend auf Cioffi, 1991) 16 3.4.2.2 Die Rolle der Kultur In der Interpretation von Symptomen und der Krankheitserfahrung gibt es auch kulturelle Unterschiede. 3.5 Abwarten vs. Initiative Wenn man körperliche Symptome an sich entdeckt, die ein medizinisches Problem ergeben könnten, hat man mehrere Möglichkeiten. Man kann die Symptome ignorieren, deren Bedeutung bestreiten oder hoffen, daß sie von alleine wieder verschwinden. Man kann sie sorgfältig beobachten, sich zu handeln entscheiden, wenn die Symptome schlechter werden oder nicht verschwinden innerhalb einer bestimmten Zeit. Man kann Hilfe suchen vom „lay referral network“, dem Sozialen Netzwerk, Familie und Freunde, die Informationen liefern und Vorschläge, was zu tun ist. 3.5.1 Das Delay Behavior Modell (verzögertes Verhalten) Die meisten Menschen sind medizinisch zuwenig gebildet, um zu wissen wann es Zeit ist medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Martin Safer und seine Kollegen (Safer et al., 1979) haben ein Modell entwickelt des verzögerten oder abwartenden Verhaltens (siehe Abbildung 5), die Zeit zwischen dem Erkennen eines Symptoms und der Inanspruchnahme von Hilfe, und beschreibt den Verzögerungsprozeß in Abschnitten von drei Stadien: a) Appraisal Delay - Beurteilungsverzögerung: „Bin ich krank?“, die Zeit die man braucht um die Schwere und die Bedrohung festzustellen, b) Illness Delay – Krankheitsverzögerung: „Brauche ich professionelle Hilfe?“, die Zeit zwischen dem Erkennen von Symptomen als Bedrohung und des Entscheidung Hilfe zu in Anspruch zu nehmen und c) Utilization Delay – Verwertungsverzögerung: die Zeit zwischen Entscheidung und Handlung als Antwort auf die Frage „Ist die Versorgung die Kosten wert?“, Abbildung 5: Delay Behavior nach dem Safer et al. (1979) Modell Wenn Ja Erkennen der Symptome wenn Ja „Bin ich krank?“ Appraisal Delay wenn „Brauche ich professionelle Hilfe?“ Illness Delay Ja „Ist die Versorgung die Kosten wert?“ wenn Ja Inanspruch nahme von Hilfe Utilization Delay 3.5.2 Unrealistischer Optimismus Es wird angedeutet, daß junge Menschen, teilweise Teenager, Verzögern aufgrund eines Gefühls der „Unverwundbarkeit“ und eines daraus resultierenden unrealistischen Optimismus bezüglich Anfälligkeit gegenüber gesundheitlichen Problemen. 3.5.3 Handlungsauslöser Zola (1973) beschreibt fünf Auslöser für Handlungen, die später zu zwei allgemeinen zusammengefaßt wurden: a) die persönlichen Symptome und b) die persönlichen Umstände. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß wir alle individuelle auf Erlebnisse und Symptome reagieren, unsere Aktionen sind abhängig von unseren allgemeinen Repräsentationen von Krankheit. 17 4 Literatur Bernhard, L.C. & Krupat, E. (1994). Health Psychology: Biopsychosocial Factors in Health and Illness. Forth Worth: Harcourt Brace College Publishers. Artikel zum gesundheitsbezogenen Verhalten: Decarli, B., Cavadini, C., Grin, J., Blondel-Lubrano, A., Narring, F. & Michaud, P. (1999). Food and Nutrient Intakes in a Group of 11 to 16 Year old Swiss Teenagers. International Journal of Nutrition Research, 70 (3),2000, 139-147. Stockmyer, C. (2000). Remember when Mom wanted you home for dinner?. Nutrition Reviews, Vol.59, No. 2, 57-61. 18